Es dauerte eine Weile bis Norna antwortete. Sie stand am Kamin und stocherte mit einem Eisen in der Glut um das Feuer vor Einbruch der Nacht nochmal anzuschüren. Sie legte auch einige frische Holzscheite nach, die sie sich von dem Waldgeist anreichen ließ.
"Dieses Haus und der Garten sind alles was ich habe, weißt du? Ich möchte sichergehen, dass alles noch steht wenn ich wiederkomme. Schlaf du dich nur in Ruhe aus. Ich werde dir ein Frühstück vorbereiten und noch vor Sonnenaufgang im Wald ein paar Erledigungen machen. Und ich werde die Knochen befragen, ob die Zeit des Abschieds bereits gekommen ist." Jetzt drehte sie sich zu Thotham um.
"Ich weiß nicht, wie weit es nach Halruaa ist. Ich weiß noch nicht einmal, in welcher Richtung es genau liegt - irgendwo im Süden sicherlich - und ob der Weg dorthin gefährlich ist. Aber das stört dich wohl nicht, hm?" Sie kicherte leise und blickte aus dem Fenster hinaus in den dunklen Wald.
"Wenn ich morgen früh zurückkomme, werde ich vielleicht nicht alleine sein. Ich werde meine alte Freundin Zahira fragen, ob sie uns begleiten möchte. Jaaa.. das würde ihr bestimmt gefallen.
Oh, sie ist kein Mensch, wenn du das denkst", warf Norna ein noch ehe Thotham eine entsprechende Frage stellen konnte. "Sie ist ein Bär - und doch kein gewöhnlicher Bär. Nein, nein, nein. Kein gewöhnlicher Bär." Wieder kicherte sie in sich hinein.
"Schlaf nun. Schlaf. Ruh dich aus von der langen Reise."
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Du kannst schonmal zum nächsten Morgen vorspulen. Norna wird aber nicht da sein.
Während Thotham auf die Jagd ging, errichteten Norna und Natalie eine kleine Feuerstelle. Norna hatte exakte Vorstellungen davon, wie man so eine Kochstelle errichtete und sie lobte Natalie, wenn diese etwas genau richtig gemacht hatte, schlug ihr aber auch ein paarmal missbilligend auf die Finger wenn etwas nicht nach dem Geschmack der Hexe war.
Während Natalie dann etwas Wasser vom Fluss holte, suchte Norna in ihren Vorräten und in der näheren Umgebung nach verwertbaren Wurzeln, Kräutern, Pilzen und Früchten und nach etwas Brennholz, wobei Zahira sie begleitete.
Sie stellten den Kochtopf auf drei Steine, in deren Mitte sie ein Feuer entzündeten und bald darauf köchelte darin eine dünne aber immerhin schmackhaft duftende Suppe. Dann warteten die beiden Frauen auf Thothams Rückkehr wobei Norna Natalie schweigend anstarrte während der Feuerschein ihre kleinen gelben Augen zum Leuchten brachte.
Nornas Blick, der eben noch fröhlich war, zeigte erst Enttäuschung, dann offenen Unmut.
"Doch kein freundlicher Mensch", seufzte sie, raffte ihr Kleid zusammen, drehte sich um und kehrte an Thothams und Natalies Seite zurück. Dann schaute sie erneut zu dem jungen Bauern. Diesmal lag kalte Verachtung in ihrem Blick und sie deutete mit dem Krückstock auf ihn.
"Gar nichts wirst du von uns bekommen, du gierige, schleimige Kröte. Verflucht sollst du sein für diese Frechheit. Du und deine ganze Sippe." Sie begann etwas zu murmeln, deutete plötzlich mit dem Stock nach oben und schrie eine Art Anrufung. Da verfinsterte sich plötzlich die Nachmittagssonne als aus dem Nichts ein riesiges geflügeltes Ungetüm über dem Bauernhaus erschien. Es hatte die Gestalt einer Fledermaus doch es war groß wie ein Pferd und hatte die Schwingen eines schwarzen Drachen. Ein unheilvolles Schnarren entrang sich der Kehle des Untiers und seine mächtigen Flügelschläge wirbelten Sand und trockenes Laub auf. Zahira sprang auf und blickte erschrocken zu der riesigen Fledermaus empor.
"Es sei denn du willst uns vielleicht doch noch ein besseres Angebot machen..." bot Norna dem Bauern einen letzten Ausweg an.
"Na, mit einem Boot natürlich", sagte Norna mit einer solchen Selbstverständlichkeit als stünden sie bereits an einem Hafen. "Thotham, mein Guter, halt doch mal Ausschau nach einem mannsgroßen umgeknickten Ast oder Baumstamm, ja? Du weißt doch noch, wie ich dir gestern den Schemel gemacht habe, oder?"
Es dauerte nicht lange bis sie unweit des Flusses einen großen dicken Ast eines alten Ahornbaumes fanden, der im letzten Jahr wohl Opfer eines Sturmes geworden sein musste. Norna wies Thotham und Natalie an, das überschüssige Geäst zu entfernen und kniete sich dann während sie sich mit einer Hand ächzend auf ihren Wanderstock stützte zu dem fertig präparierten Ast. Sie legte ihre runzlige linke Hand auf das Holz und stimmte einen Singsang an, woraufhin sich der gesamte Ast zu verflüssigen schien. Zunächst begann er wie Wachs zu zerfließen und breitete sich zu einer dicken Holzplatte ähnlich einer großen Tür aus. Dann bogen sich die Außenkanten langsam nach oben und formten somit zuletzt ein zwar einfaches aber vermutlich schwimmfähiges Kanu, das Platz genug für ein bis zwei Personen bot.
Norna erhob sich schwerfällig und betrachtete zufrieden ihr Werk. "Na was sagt ihr? Jetzt müssen wir das gute Stück nur noch zum Wasser schaffen."