“Nath’logir,” spricht der Zerebromant und beginnt wieder seltsame Gesten zu machen.
Dann geht er schnellen Schrittes auf Dranian zu und packt ihn fest mit beiden Händen. Dies macht er mit einer so enormen Kraft, wie man es dem schmächtigen Magier nicht zugetraut hätte.
Seine Augen sind voller Zorn und fast könnte man denken, dass er sich dazu hinreißen könnte, dem Jungen mit der bloßen Faust ins Gesicht zu schlagen.
“Seid ihr eigentlich vollkommen aller eurer Sinne beraubt?”
Zitternd vor Zorn steht der Psioniker da und blickt dabei in die Augen des Jünglings.
“Sprecht hier nicht von Heldentaten, Bursche. Selbstmord ist weder Ehrenhaft, noch nützlich zu dieser Stunde.”
Plötzlich lässt er den Burschen los. In den Augen Neriglissars sammeln sich Tränen.
“Verflucht noch eins!”
Schreit er die Burschen an, als er sieht, dass sie sich wahrscheinlich mit keinem Wort dieser Welt von ihrem Tun abhalten lassen würden. Fast keinem Wort.
“Sathala!”
Brüllt er Dranian an und beginnt rasch Zeichen mit seinen Händen zu formen. Die Augen des Jungen weiten sich, sind dann aber vollkommen leblos und weisen weder Tatendrang auf, noch Wut, noch irgendeine andere Emotion. Tlond und Herodan stehen perplex da, dann brüllt er das gleiche Wort Tlond entgegen und Herodan zieht rasch seine Waffe. Er sieht, dass auch sein zweiter Begleiter vollkommen aller Gefühle beraubt zu sein scheint. Beinahe hätte er sich dazu hinreißen lassen eine Dummheit anzustellen, doch Neriglissar ist ihm einen Zug voraus.
“Krti’k dologar”, spricht er Herodan an und schwingt seinen Stab dem Jüngling entgegen.
“Leg die Waffe weg!” Spricht der Zerebromant barsch und sofort gehorcht ihm der Junge.
“Geh mit deinem Freunden zurück in euer Dorf, hier könnt ihr nichts tun.”
Erschrocken, aber nicht wütend blickt Herodan zu den Gefährten.
“Tut mir Leid, Herr Neriglissar… ich wollte die Waffe nicht gegen euch erheben…”, dann blickt er zu Tulin, Vesin und Faghira und macht eine tiefe Verbeugung.
“Ihr hattet von Anfang an recht. Wir können hier wirklich nichts unternehmen. Unsere Hoffnung baut auf euch, edle Herren,” dann schaut er noch zu dem Wüstenmädchen,” und natürlich edles Fräulein. Findet das Orakel in Tiefwasser und rettet nicht nur unser Dorf, sondern auch die ganze Welt!”
Dann geht er mit seinen Freunden in die Richtung, in der ihr Heimatdorf liegt.
Neriglissar blickt zu seinen Gefährten.
“Entschuldigt… ich hatte keine Wahl… ihr seht doch selbst, dass klettern bei diesem bröckligen Eisberg doch vollkommener Wahnsinn ist.”
Rasch wischt er sich die Tränen aus den Augen und flüstert leise zu sich.
Vesin bemerkt die Worte seines Bruders. Vesin lässt Neriglissar los, als er die Geste zur Beruhigung des Wüstenmädchens macht.
Vesin schaut kurz über seien Schulte um zu sehen ob das Mädchen immer noch was vorhat.
Als er sicht das sie ihre Hände runter nimmt macht er einen Schritt zurück.
„ Es tut mir leid Neriglissar, da sind mir gerade wohl nie Nerven durch gegangen, ich bitte um Entschuldigung.
Obwohl mir es nicht gefällt was mit den Jungen passiert ist Neriglissar das hätte man auch anders lösen können, man hätte nicht gleich Zaubern müssen.“ Sagt Vesin in aller Form und Höfflichkeit wie er kann.
Er reicht Neriglissar seien Hand als Geste seinem guten willen.
„Und bei dir Faghira entschuldige ich mich auch, das ich Neriglissar etwas an gepöbelt habe.“
Sagt Vesin zu Faghira und verbeugt sich in aller Form vor ihr. „ Neriglissar übersetzet meine Entschuldigung, wenn Faghira es nicht verstanden hat.“ Spricht Vesin zu Neriglissar.
Vesin Richtet sich wieder auf schaut in die Runde und lässt seinen Blick zu dem Gletscher wandern und verhaart für einen kurzen Moment darauf.
„ Hier können wir nichts tun, wir sollten so schnellst wie möglichst nach Tiefwasser zum Orakel gelangen. Um dort in Erfahrung bringen welcher böser Magier seien Hände im spiel hat und warum und wozu, um hin dann ausfindig zu machen und ihm den Tod zu bringen, wie er so vielen anderen. Oh ja er wird durch meine Axt sterben. Lasst uns weiter.“ Sagt Vesin zu seinen Gefährten und macht sich marsch bereit.
Nachdem Neriglissar den Rest der Gruppe überzeugt hat, dass der Ork keine Gefahr darstellt und ein Kampf mit ihm überflüssig wäre, marschieren die Gefährten weiter.
Ereignislos führt sie der Weg am Abend des zweiten Tages nach Rotlärche – ein kleiner Weiler auf der Handelsstraße von Tiefwasser nach Mirabar. Still und tot stehen die über und über von Frost umhüllten Häuser im Schatten der eisigen Steilwand da, als wären sie vor vielen, vielen Jahren aus Schnee gebaut, aber nie bewohnt worden.
Da es spät ist, betreten die Gefährten das Innere des Gebäudes, das einst eine Gaststätte war, um die Nacht nicht abermals im Freien verbringen zu müssen. Der Gastraum ist leer und still und selbst die verkohlten Holzscheite im Kamin sind von einer dicken Reifschicht umhüllt – ein vertrauter Anblick dieser Tage. Nachdem das Feuer wieder entzündet wird, weicht die beißende Kälte langsam aus dem Raum und den Gliedern der Reisenden.
Am nächsten Morgen verlassen Faghira, Neriglissar, Tulin und Vesin mit etwas Wehmut die erwärmte Gaststätte, um ihre Reise nach Tiefwasser fortzuführen.
Nach einem weiteren Nachtlager und einem halben Tag – immer an der Wand des Gletschers entlang, die parallel zur Handelsstraße nach Süden verläuft – erreichen die Gefährten schließlich erschöpft und durchgefroren die Prächtige Stadt: Tiefwasser. Die Metropole an der nördlichen Schwertküste ist eine der größten und schönsten Städte Faerûns, geschützt von einer acht Schritt hohen Steinmauer, die nur von den unzähligen Dächern der hohen Häuser und filigranen Türmen und der majestätischen Burg – auf dem Berg Tiefwasser thronend – überragt wird. Doch dies alles – weder die Höhe und Dicke der Mauern, die Unzahl an Verteidigungsanlagen, die schier unendliche Anzahl an Soldaten, noch die Macht und Weisheit der Magier von Tiefwasser – konnte nicht gegen die nahende Katastrophe ausrichten. Tief, bis in die Stadtmitte hinein hat sich der Gletscher gegraben, wie ein Dolch, der in einen Leib gestoßen wurde, und bedeckt mittlerweile das gesamte Seeviertel und einen Großteil des Nordviertels unter seiner unbeschreiblichen Last.
Faghira, Neriglissar, Tulin und Vesin betreten die Stadt durch das prunkvolle Osttor. Es ist offen und verlassen, wie die Stadt selbst.
Durch die ausgestorben Gassen und breiten Straßen des Handelsbezirks bahnen sich die Gefährten einen Weg in Richtung der Spitze der unendlich hohen Gletscherwand. Vorbei an gefrorenen Pfützen, geschlossenen Geschäften und vom Reif überzogener Leichen: Ältere und schwache Menschen, Behinderte, selten Kinder, sogar eine Mutter, die noch immer ihr totes Kind im Arm hält; alle die zu schwach oder zu langsam waren, vor der Katastrophe zu fliehen. Starr und vereisten liegen sie auf den Straßen oder an Hauswänden und Mauern, als wären sie Puppen, mit Glitzerstaub bestreut, das im Mittagslicht funkelt. Ihre Gesichter zeigen keinen Schmerz und keine Furcht, nur eine unnatürliche Ruhe und Gelassenheit.
Weiter und weiter gehen Faghira, Neriglissar, Tulin und Vesin durch die Straßen, durch das Tor in Schlossviertel, um dann endlich - von einer schmalen Gasse aus – einen Einblick auf den leeren Marktplatz Tiefwassers zu werfen.
„IHR VERDAMMTEN BASTARDE! BEI ALLEN GÖTTERN, IHR SOLLT VERDAMMT SEIN!“, hören sie plötzlich das Kreischen eines Mannes, dessen Stimme sich nahezu bei jedem Wort überschläft. Es ist ein beleibter Mann mittleren Alters, der eine Mütze mit breitem Fellkragen und einen dicken, fürstlichen Pelzmantel aus Nerz trägt, welcher seine wahre Fülle geschickt zu verstecken weiß. Mit gezogenem Schwert, das über und über mit Juwelen besetzt ist und eher zeremonieller Natur zu sein scheint, und bebender Hand marschiert er stapfend von der linken Seite des Marktplatzes auf den Gletscher zu.
Um eine bessere Sicht auf den gesamten Marktplatz zu haben, bewegen sich die Gefährten vorsichtig und Schutz suchend in der Gasse voran, um hinter einem großen Wagen, beladen mit Fässern, hervorzuspähen.
Direkt vor der eisigen Steilwand des Gletschers befinden sich drei Gestalten, die den aufgebrachten Fettwanst geringschätzig mustern. Der vorderste ist ein hochgewachsener Mann, der unter seinem Fellumhang einen strahlende, mit kunstvollen, filigranen Gravuren verzierten Harnisch trägt. Die schneeweiße Farbe seines breiten, feingestutzten Schnurrbartes, der seine komplette Oberlippe verdeckt, und seiner schulterlangen, lichten Haare, die äußerst gepflegt nach hinten gekämmt sind, lassen auf ein hohes Alter schließen. Tiefe Falten durchziehen sein noch immer schönes und markantes Gesicht, das eines Königs Gemälde würdig wäre, und sind um die Mund- und Augenpartie, zwischen den Augenbrauen und auf der Stirn besonders prägnant. Im diametralen Gegensatz dazu ist seine kerzengerade Haltung, seine äußerst kräftige Statur, die trotz Rüstung und Umhang zu erkennen ist, und vor allem seine klaren, stahlblauen Augen, mit ihrem wachsamen, stolzen und weisen Blick. Eine Schätzung seines Alters wird dadurch nahezu unmöglich. Eins ist jedoch sicher: Eine solche Präsenz und ein solches Charisma, wie sie der Mann ausstrahlt, ist den Gefährten nur selten untergekommen.
An der linken Hüfte des Mannes hängt ein schlichtes Langschwert, ohne Gravuren, Juwelen oder andere Verzierungen, das trotzdem eine unheimliche Schönheit ausstrahlt, wie kein anderes Schwert, das die Gefährten je gesehen haben. Obwohl Vesin es nur von Ferne betrachtet, ist er sich sicher, dass es unheimlich leicht, scharf und perfekt ausbalanciert ist.
Trotz dieser einmaligen Waffe trägt er auf dem Rücken über einem großes Eisenschild, das mit ähnlichen Gravuren verziert ist, wie der Panzer des Mannes, eine zweiblättrige Axt, deren große Blätter durchsichtig sind, als wären sie aus Eis.
Neben ihm steht ein kleiner, etwas korpulenter Mann mit einem breiten, runden Gesicht, der eine lange, schneeweiße Robe mit blauem Besatz trägt – es ist die Robe der Priester Aurils, wie Neriglissar eindeutig feststellt. Seine breite Nase, seine dicken Lippen und seine gekräuselten Haare erinnern Faghira stark an die Mohrensklaven aus Calimshan, doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass seine fahle, sommersprossige Haut, seine arschblonden, fast weißen Haare und seine hellblauen Augen, die im richtigen Licht rötlich schimmern, eine andere Sprache sprechen. An seiner Hüfte trägt er einen anthrazitfarbenen Streitkolben, aus dessen Kopf trotz der unheimlichen Kälte schwerer Dampf kommt, der langsam zu Boden fällt.
Die dritte und mit Abstand außergewöhnlichste Gestallt, deren Bizarrerie alles Gesehene in den Schatten stellt, sitzt hinter den zwei Männern auf einem kleinen, schlichten Thron aus Eis – nein, sie liegt eher darin, fast so als wenn die gertendürren Gliedmaßen ein aufrechtes Sitzen nicht erlauben würden. Sein ausgezerrter Körper wirkt verformt, fast geschmolzen; der Bauch und die Hüften sind nahezu so dick wie der - für die kleine Körpergröße - überdimensional große Kopf, wohingegen der Brustkorb schmaler ist als der Arm eines erwachsenen Mannes.
Das Gesicht wirkt ähnlich verzerrt, wie der Rest des Körpers, fast als würde man die Spiegelung eines menschlichen Gesichts in unstetem Wasser betrachtet. Die Proportionen hingegen wirken wie bei einem kleinen Kindes: Große Augen, kleine Ohren, eine kleine Nase und ein großer Schädel. Tatsächlich wirkt die Gestalt – ein Geschlecht ist nicht ermittelbar – wie ein krankes Kind, mit dem Unterschied, dass die deutliche Merkmale eines hundertjährigen Greises hat: Alterflecken bedecken den deformierten Körper, die lichten Haare auf dem Kopf sind brau bis weiß und die Gelenke sind von der Gicht gezeichnet.
Durch den permanent geöffneten Mund kann man mehrere Zahnreihen erkennen, fast als wären die Milchzähne noch nicht herausgefallen, als sich schon die zweiten Zähne gebildet haben. Wäre nicht die unsteten Augen und der schmale Brustkorb, der sich offenbar unter großer Kraftanstrengung schwerfällig und hin und wieder stockend hebt und senkt, um pfeifend Luft in die Lungen zu pumpen, könnte man vermuten, dass das Kind schon längst gestorben ist.
Das einzige was es bei sich trägt ist seine gewöhnliche, unheimlich dünne Kleidung – bis auf silberne und blaue Zierade gänzlich weiß.
„Bei ALLEN Göttern? Willst du uns mit deinen albernen Ausdrücken zum Narren halten? Sieh dich um! Das ist das Werk von Auril! Das ist ein Zeichen ihrer unendlichen Macht! Wie kannst Du uns also bei allen Göttern verfluchen?“, spottet der Kleriker fast schreiend in einem fanatischen Tonfall.
„Leg Deine Waffen nieder und ergibt Dich, Pyneifan, Stadthalter von Tiefwasser“, sagt er Ritter etwas melancholisch und gutmütig, als würde er einem alten Freund wiederholt einen wohlgemeinten Rat geben, und ignoriert das eben gesagte seines Begleiters.
„Du wagst es, Tewlerion Sohn des Puradon. Du kommst in meine Stadt, Du und Deine wunderlichen Freunde, und bringst die Kälte, Du bringst das Eis und den Tod! Und zu allem Überfluss stellst Du auch noch Forderungen! Wenn Dir die Kälte gefällt, dann fahre doch gleicht mit deinen Freunden und deinem Eis in die Niederhöllen! Tiefwasser wird sich nicht ergeben“, kreischt der dicke Adlige als Antwort.
Und dann ertönt eine Stimme. Sie ist weder tief oder hoch, noch rau oder sanft, noch mit irgendeiner gewöhnlichen Stimme zu vergleichen. Sie ist wie die Stimme der eigenen Gedanken, charakterlos und doch unverwechselbar.
„Sei still und hör auf sinnlos vor dich hin zu plappern. Deine Soldaten sind geflohen, deine Bürger sind geflohen, selbst die Fürsten von Tiefwasser sind nicht mehr die Herren dieser Stadt. Gegen die Kälte und das Eis helfen weder dein Schwert, noch eine Arme, mag sie noch so gewaltig sein. Tiefwasser wird untergehen, sowie auch der Rest von Toril und alles darüber hinaus im Eis versinken wird, im ewigen Nichts. Dies ist eine unvermeidliche Tatsache, wie der Tod. Die Herrschaft Aurils ist angebrochen. Es ist also weder eine Forderung, noch eine Bitte uns die Stadt zu überlassen. Es ist eine Tatsache und es zählt nur, ob Du deine Erlösung oder deinen Untergang im ewigen Frost erkennst“, die Stimme klingt in den Köpfen aller Anwesenden, ganz so als wäre es die Stimme des eigenen Geistes und so ist sie vertraut, doch fremd zugleich.
Widerwillig lässt Pyneifan sein Schwert fallen und sinkt auf die Knie. „Du verdammter Bastard... nie... niemals werde ich Tiefwasser aufgeben. Und niemals werde ich Auril, dieser Hure, die Dich aus ihrem kalten Leib gepresst hat, Untertan werden“, haucht er kaum hörbar, während er sein Gesicht im Saum seines Mantels vergräbt.
„So sei es!“, erklingt abermals die Stimme.
Neriglissar:
Spoiler (Anzeigen)„Das Eis - die Entropie... interessant. Nicht wahr Neriglissar?“, ertönt es im Kopf des Zerebromanten, „Du und Deine Freunde brauchen sich nicht zu verstecken, denn von uns braucht Ihr kein Leid erwarten. Für Euch gilt natürlich das gleiche, wie für Pyneifan. Werdet Ihr Euere Erlösung oder Eueren Untergang in Aurils Herrschaft erkennen?“
„In Ordnung, unser Werk ist getan. Wir sollten aufbrechen. Marian, Kartane...“, sagt Tewlerion zu seinen Begleitern, „Und Ihr hinter dem Wagen könnt nun hervorkommen.“
Spoiler (Anzeigen)In Gedanken versucht Neriglissar zu antworten. Jedoch ist es lange her, dass er telephatisch kommuniziert hat, aber vollkommen fremd ist ihm die Situation nicht.
“Chance in der Herrschaft Aurils? Auril steht für Tod und Stillstand. Nur ein Narr würde glauben, dass es eine Chance gibt… außer er ist vielleicht untot. Ein Lich vielleicht? Der bis ans Ende seiner Tage nur das unendliche Eis betrachtet?”
Die Gedanken des Magiers scheinen sich zu überschlagen. Es ist schwierig für ihn, einerseits nur die Gedanken zuzulassen, die er auch zulassen will und anderseits Sätze zu bilden, die das widerspiegeln, was er normalerweise aussprechen würde.
Langsam kommt Neriglissar hinter dem Wagen hervor.
“Entschuldigt normalerweise ist dies nicht meine Art einfach versteckt zu lauschen. Jedoch war es schwer in euer Diskussion den richtigen Moment abzupassen, um nicht unhöflich zu wirken.”
Tief verbeugt sich der Zerebromant vor den Anwesenden.
“Neriglissar Usur, zu euren Diensten. Wir sind eigentlich nur zufällig in der Stadt, da wir das Orakel aufsuchen wollten.”
Selbstsicher steht der Magier da. Seine Augen wandern zu den Begleitern, anscheinend will er genau sehen, wie ihre Reaktion auf ihre derzeitige Lage ausfällt.
Spoiler (Anzeigen)„Du weißt, dass die Entropie nicht aufhaltbar ist, Neriglissar. Du klammerst Dich lediglich an das Treibholz Hoffnung, weil Du nicht im Meer der Realität untergehen willst. Die Konsequenz des Lebens ist der Tod. Die Konsequenz aller Existenz ist die Entropie. Das Eis ist nur die Manifestation der Entropie.
Willst Du Dich wirklich gegen etwas stellen, dass unausweichlich ist?“, wieder hört Neriglissar die fremde Stimme in seinem Kopf.
Pyneifan blickt langsam auf, als erwache er soeben aus einem Traum. Ungläubigkeit und Irritation zeichnen sein Gesicht.
„Und was – bei allem Teufeln der Hölle – seid Ihr für dahergelaufene Gestalten? Ora... was soll all der Pferdemist, verdammt noch mal?“, krächzt er nach einer Weile, als wäre die Situation zu surreal, um sie sofort zu erfassen.
„Ja, das frage ich mich auch!“, brüllt Kartane, der hellhäutige Mohr, während sich sein Gesicht zu einer hasserfüllten Grimasse verfinstert, „Tewlerion, was soll das? Warum hast Du nicht schon eher gesagt, dass wir ungebetene Gäste haben? Bei Auril, wir sollten sie auf der Stelle erledigen!“
„Zügle dein hitziges Temperament, Kartane“, entgegnet der stolze Ritter unbeeindruckt, bevor er von seinem Begleiter unterbrochen wird.
„Hitziges Temperament? Du elender... Wenn Du Dich nicht um diese aurillästerliche Plage kümmern willst, dann halte mich wenigstens nicht auf! Manchmal frage ich mich, ob Du weißt, auf welcher Seite zu stehst.“
„Ich verstehe deine Motivation immer weniger. Diese Fremdern werden das selbe Schicksal erleiden, wie alle anderen“, antwortet Tewlerion gelassen.
„Das Feuer soll Dich holen! Hast Du nicht gehört, was dieser grotesk-bekleidete Mann eben gesagt hat? Ich meine nicht die offensichtliche Lüge, sie wären nur zufällig hier – nein! – Sie wollten zu einem Orakel und befragen es sicherlich nicht über das morgige Wetter. Sie wollen mehr über die Prophezeiung herausfinden und das werde ich nicht zulassen“, brüllt der gedrungene Priester wütend. Er wendet sich den Neuankömmlingen zu und holt ein dunkelblaues Amulett in Form einer Raute mit silbernen Kanten, in deren Mitte sich eine silberne Schneeflocke befindet, und umfasst es mit beiden Händen, während er konzentriert etwas in das Amulett hineinzumurmeln scheint, als er von Tewlerions ruhiger Stimme unterbrochen wird.
„Beruhige Dich! Das Orakel von Tiefwasser ist bloß ein Mythos und selbst wenn es dieses Orakel gäbe und sie die Prophezeiung erhalten würden: Nichts und niemand kann jetzt noch das Eis aufhalten. Das solltest Du wissen, als oberster Priester. Aurils Herrschaft ist angebrochen! Es schmerzt mich, dass Du mir einen Mangel an Loyalität vorwirfst, während Du Aurils Allmacht in Frage stellst.“
Die Augen des Albinomohrs ziehen sich zu engen Schlitzen zusammen und sein ohnehin vom Hass verzerrtes Gesicht färbt sich in ein ungesund aussehendes Rot. Lange mustern sich beide Diener Aurils, bis Kartane das schweigen bricht: „Ach, lasst uns gehen.“
Fast zeitgleich erstrahlt hinter den Dreien ein schmaler, senkrechter Lichtstreifen, der in kurzer Zeit eine Länge von zwei Schritten annimmt und etwas breiter wird, um sich in der Mitte zu teilen. Beide Teile des Lichtstreifens bewegen sich einen Schritt auseinander und spannen das Bild einer endlosen Eiswüste, in deren Mitte ein gigantisches Gebäude steht, wie ein bemaltes Laken zwischen sich auf.
„Es tut mir Leid, dass Du Dich so entschieden hast, Pyneifan. Gehabt Euch wohl.“, sagt Tewlerions zum anschied und tritt in das Bild der Eislandschaft hinein. Als nächster ist Kartane an der Reihe, der lediglich angewidert auf den Boden spuckt, bevor er durch das Portal tritt.
„Wir werden uns alle eines Tages wiedersehen. Vielleicht können wir dann unsere Unterhaltung beenden, Neriglissar“, ertönt es in den Köpfen aller Anwesenden. Der Thron aus Eis erhebt sich behutsam einige fingerbreit über den Boden und schwebt mitsamt des morbide wirkenden Kindes durch den Lichtrahmen, worauf hin das magische Tor binnen eines Herzschlages wieder in sich zusammenbricht. Zeitgleich setzt sich der Gletscher wieder langsam - kaum merkbar - in Bewegung.
„Was hat es mit Auril auf sich!?! Das verdammt noch mal hast es mit Auril auf sich!“, brüllt der Stadthalter Tiefwassers und zeigt mit der Hand auf die hunderte Schritt hohe Wand aus Eis, nachdem er sich schwerfällig erhoben hat. Ob er zu sich oder zu den Neuankömmlingen spricht, kann jedoch nicht genau festgestellt werden, „Und jetzt verratet mir, was Ihr für Spaßvögel seid und was Ihr hier sucht? Das Orakel von Tiefwasser; das ich nicht lache! Als Stadthalter sollte ich über so etwas sicherlich besser bescheid wissen, als irgendwelche Streuner. Einer dummen Legende nachjagen... warum rege ich mich eigentlich auf? Die Stadt ist eh gefallen und das dämliche Orakel ist dann ja auch verschwunden! Und zu allem Überfluss habt Ihr Narren auch noch den Hass dieser drei Fanatiker auf Euch gezogen! Verdammt, verdammt, verdammt und nochmals verdammt...“
Spoiler (Anzeigen)“Die Hoffnung stirbt zuletzt.”
Neriglissar bildete noch diesen Satz in seinen Gedanken, als die drei Gestalten entfliehen.
Als der Kleriker sie attackieren wollte, formte er schon mit seinen Händen die Zeichen, die diesem elenden Fanatiker auf den schnellsten Weg zur Frostmaid geschickt hätten.
Er erträgt die Vorwürfe, die ihm der Statthalter macht, mit ruhiger Miene. Als dieser wohl nichts mehr zu sagen hat, meint der Zerebromant mit gelassener Stimme.
“Sie wussten schon warum wir hier waren. Kein Mensch,” kurz blickt er zu den Gefährten;” noch Zwerg hätte einen derart mächtigen Willen gehabt, um vor den telephatischen Fähigkeiten des Kindgreises gewappnet zu sein.”
Dann meint der Magier noch.
“Außerdem haben wir noch etwas gewonnen. Wir wissen nun, dass es eine Prophezeiung gibt und wir wissen, dass der Priester Aurils in ihr eine so große Gefahr sieht, dass er einen offenen Kampf mit uns gewagt hätte.”