Doch tatsächlich haben weder Naadhira noch Durriken erzählt, was in jener Nacht passiert ist, als die Gruppe schon auf dem Rückweg nach Kelmarane war: (Anzeigen)
Naadhira:
Nachdem das Nachtlager aufgeschlagen ist und die Wachen eingeteilt wurden, macht die junge Frau einen letzten Gang durch das Lager. Sie spricht den befreiten Sklaven Mut zu, sieht nach kleineren Wunden oder blauen Flecken, welche sich die Flüchtlinge während des Marsches zugezogen haben. Wie zufällig endet ihr Rundgang bei Durriken.
Die junge Frau setzt sich an die Seite des Mannes. „Geht es dir besser?“ Sorge spricht aus der Stimme der Frau. Fast automatisch mustert sie den Freund und versucht abzuschätzen, wie es ihm geht. ...
Durriken:
Mit trüben Augen, noch ganz zerschlagen von den Geschehnissen, blickt der Graue die Klerikerin freundlich an. Etwas hatte sich zwischen ihnen geändert. Durriken ist sich jedoch noch nicht klar, was genau - oder will er es sich nicht eingestehen?
Naadhira war ihm sehr Nahe gekommen und er ihr. Dennoch wehrt sich etwas in ihm, seine Gefühle zuzulassen. Zu oft war er in seinem Leben enttäuscht worden. Sie ist eine gute Freundin und Gesprächspartnerin. Eine Frau, der er vertraut. Schon lange! Doch woher kommt die Freundlichkeit, die ihn überfällt, wenn sie ihn ansieht. Woher kommen die Gefühle, die er schon lange vermisst hat. Zufriedenheit, Sicherheit?
All diese Zweifel und sein innerer Widerstreit steigen in ihm hoch, als sie ihn mit ihren schönen Augen ansieht und fragt, wie es ihm geht. "Gnolldung." unwillkürlich lächelt der Graue erneut und blickt Naadhira mit offenen Augen an. Dann wird sein Blick prüfend und schweift zum Horizont. "Etwas. Der Zauber im Keller hat mich übel erwischt!" Auf einmal wirkt der Mann noch älter als er ist und das graue Haar wirkt seinen müden Ausdruck angemessen.
Naadhira:
Eine Träne rollt die Wange der jungen Priesterin herunter, als sie dem Mann zuhört. "Es tut mir leid. Das hätte nicht passieren dürfen. Niemanden." Fast ist es als wolle die Frau noch etwas sagen, doch dann unterbricht sie sich. Fast zärtlich hebt sie die Hand und berührt wieder mit Zeigefinger und Mittelfinger die Lippen des ehemaligen Gladiators.
"Als du dort unten lagst, war mir klar, dass ich ohne dich nicht sein will. Ich mag dein Wesen und ich mag, wie du für das kämpfst, was dir wichtig ist." Die Frau nimmt ihre Hand von den Lippen des Mannes und berührt den martialischen Anhänger, den der Graue trägt. "Ich liebe dich, Gnollschlächter und mein Lager wird das deine sein." Die Frau gibt dem Mann einen kurzen scheuen Kuss. Dann schaut sie ihn freundlich an und erwartet seine Antwort.
Durriken:
In einem weniger von Selbstzweifel und innerem Widerstreit geprägten Augenblick hätte der Graue den Kuss sicher zärtlich erwidert. In einem der wenigen Momente, in denen er seine Vergangenheit ruhen lassen und verletzlich sein konnte.
Doch die Annäherung der Klerikerin kommt unverhofft und zu direkt. Die Gefühle, die er für sie hat, sich jedoch nur in besonderen Augenblicken eingestehen kann, verschwinden hinter dem jahrelang aufgebauten Schutzpanzer aus Abwehr. Wie ein schmerzhafter Blitz flammt in seinem Kopf die Antwort auf: Ich Dich auch. Dann verschwindet der Gedanke so schnell wie er gekommen ist und Durriken wendet den Blick ab.
Sein Gesicht wird fahl und mit gepresster Stimme antwortet er leise: "Tut mir Leid. Ich mag Dich wirklich, Naadhira. " Aus den verschlossenen Tiefen seiner Seele findet eine Träne ihren Weg in das Auge des Grauen, der mit rauer Stimme fort fährt. Das ist schon sehr viel. "Mehr nicht. Gnolldung und Kamelpisse. Es wäre falsch."
Die Maske ist wieder da und Naadhira blickt in die hellen, klaren Augen Durrikens, die jetzt wieder abweisend wirken. Die Träne ist nicht mehr zu sehen. "Lassen wir es wie es ist und schweigen." Verdammt! Mit Mühe und aus Respekt vor der Frau spricht er den Fluch nicht aus.
Dann wendet sich der Varisianer ab und geht ein paar Schritte in die Wüste hinaus, bis er Abstand von der Gruppe und von Naadhira hat. Schweigend starrt er in die Nacht. Dank des Ringes von Pharak braucht er ohnehin wenig Schlaf.
Er will allein sein. Etwas ist zerrissen und ein Anflug von Trauer mischt sich in seine Gefühle. Die Befreiung der Sklaven, auf die er so stolz war, hat einen ganz leichten bitteren Beigeschmack bekommen.
Mit Ketten werden wir sie schlagen. Alle! Für die Freiheit, für Sarenrae, gepriesen sei sie! Für Thamam. Für Curt und all die anderen. Verdammt Scheiße
Naadhira:
Naadhira fährt unter den Worten des ehemaligen Gladiators zusammen, als hätte er sie geschlagen. Das Gesicht wird weiß, als der Mann sich abwendet und in die Nacht verschwindet. Es ist offensichtlich, dass sie nicht im Entferntesten mit der Reaktion des Mannes gerechnet hatte. Wäre das Ausgeglichene Bildnis Abadars nicht die junge Frau, die sie nun einmal ist, würde sie vielleicht dem Mann hinterher gehen, an den sie ihr Herz verloren hat. So zieht sie sich zurück wie ein geprügelter Hund, den Kopf gesenkt, tief gebeugt und wie eine alte Frau wirkend. Nur Gebete an Abadar können sie in dieser Nacht vor tiefer Depression retten.
Am nächsten Morgen wirkt die Frau übernächtigt, aber auch verschlossener, als sie es bisher war. Sie verschanzt sich hinter ihren Aufgaben als Anführerin und Gespräche werden in schablonenhafter Art und Weise geführt und fallen dadurch auf, dass sie sich fast ausschließlich an Abadars Goldene Regeln hält. Cyron Bersk fällt auf, das ihre Anweisungen fast wie Zitate aus dem Buch der Zahlen wirken. Persönliche Worte fehlen völlig und auch Versuche der anderen Mitglieder der Gruppe werden von Naadhira mit Floskeln aus dem Buch der Zahlen abgeblockt und mit Hinweisen auf ihr Ziel Kelmarane, dass unbedingt erreicht werden muss, bevor sie von Gnollen überfallen wurden, unterbrach sie auch andere Gespräche. In der Nacht zog sie sich mit dem Hinweis zurück, dass sie Zwiesprache mit Abadar führen müsse. Der Bruch war offensichtlich.