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Archiv => Archiv - Online-RPGs Pathfinder => Kampf für Glorie und Vaterland => Thema gestartet von: Menthir am 23.01.2011, 21:16:50

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 23.01.2011, 21:16:50
(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/60/Wd_b012.JPG/800px-Wd_b012.JPG)

5. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 23:50 Uhr

Es war der Tag nach der heiligen Barbara und der Tag vor Nikolaus, zumindest sahen es die Katholiken nach ihrem altehrwürdigen Heiligenkalender so. Was auch in diesen Momenten auf der Feier zu Ehren des Todestages Friedrich Christoph Dahlmanns[1] belächelt wurde. Belächelt von jener feiernder Schicht ehemaliger oder aktueller Studenten der Burschenschaft Teutonia Kiel, welche bei Reden, Witzen und Anekdoten kräftig die Farben ihrer Burschenschaft wehen ließen, lauthals johlten oder donnernd die mit Wappen übersäten Keramikkrüge, besser ausgedrückt Humpen, aneinanderschlugen, sich in die Arme nahmen. Sie überhörten die mahnende Stimme ihres Kameraden Johannes Fligge, der immer wieder darauf bestand, dass man nicht so leichtfertig über die Katholiken lachen sollte, denn sie würden noch von Bedeutung sein, würde man Dänemark wirklich eines Besseren, also von der rechtmäßigten und ungeteilten Freiheit Schleswig-Holstein, belehren wollen. Mehr Gelächter folgte, auch wenn Österreich sicherlich militärisch eine Hilfe sein würde, alleine deswegen, weil in Preußen ein Konflikt herrschte, welcher auch den ein oder anderen Burschen ins Schweigen fallen ließ. Der sogenannte Verfassungskonflikt und der Streit, der fast soweit ging, dass der König beinahe seine Krone niederlegte. Doch nun hatte er den Mann neben sich, auf den alle schauten. Bismarck.
Die Stimmung war trotz aller Versuche, sie zu heben, gedrückt und gespannt.

Gleichzeitig hörte Schwester Hermene das Lärmen der Studenten. Es war eine Krux. Sie war direkt gegenüber des Gebäudes, in welchem die Burschenschafter feierten, und kam ihrer Pflicht der Fürsorge nach und sorgte sich um die Altenbetreuung. Es war nicht die beste Anstellung, nicht der aufregenste Dienst innerhalb ihrer Kirche, aber es war bisweilen spannend. Einer dieser Gründe war eine der alten Damen in der Altersfürsorge der Kirche. Martha Borggrefe, eine ältere Dame, welche inzwischen bettlägrig war, hatte ein bewegtes Leben gelebt. Geboren in Hannover im Februar 1784, war die fast achtzigjährige Dame in einer Zeit aufgewachsen, welche im Zeichen der französischen Revolution, dem Griff Napoleons und der darauffolgenden Befreiungskriege stand. Sie war eine Springerin zwischen den vielen Symbolwelten, welche über das frühe 19. Jahrhundert aufgebaut wurden. Und sie hatte Hermene, seit diese sich um die alte Dame kümmern musste, eine Menge erzählt. Sie war Schneiderin gewesen und war in ihrem Leben sowohl mit einem preußischen Offizier, als auch mit einem österreichischem Offizier liiert gewesen und hat schlussendlich einen britischen Industriellen geheiratet, welcher eine Reederei in Kiel gründen wollte und doch nur Geldgeber für den findigen Ingenieur Wilhelm Bauer[2] gewesen war. Als dieser Mann, Fred Taylor, vor drei Jahren im hohen Alter entschlief, nahm sie wieder ihren Geburtsnamen an. Seitdem ging es ihr immer schlechter, aber sie liebte das Geschichtenerzählen und so erzählte sie Schwester Hermene alles, was sie über Österreich und Preußen wusste, warum sie das zu England gehörende Hannover liebte und vermisste und warum sie, trotz ihrer Herkunft, immer eine Katholikin geblieben war. Sie war ein aufrechter Mensch und sie brauchte ihre Ruhe. Mutter Ursula, welche den Altenstift leitete, wusste das und sie übertrug Hermene die undankbarste Aufgabe, welche man an diesem Abend vergeben konnte. Sie sollte rüber zu den Studenten gehen und um Ruhe für die kranken, alten Menschen bitten. Es war in sofern eine undankbare Aufgabe, dass Burschenschaften gerne alle Frauen aussperrten, diese Studenten laut und betrunken waren und die Stimmung unter ihnen zudem gereizt schien. Es gab durchaus noch jüngere Nonnen in Kiel und Umgebung, aber Mutter Ursula, die Hermene eigentlich zur Oberin ausbilden sollte, machte keinen Hehl daraus, dass sie die junge Schwester nicht mochte und schob ihr deswegen immer anstrengende Aufgaben zu. Jetzt durfte sie sich um betrunkene Studenten kümmern, es waren bestimmt dreißig in der Burschenschaft...

"Marius, du elender Holzwurm!" Paul war ein Mann wie in Baum, fast sieben Fuß groß. Er galt als einfältig, auch wenn er ein Student war. Man sagte ihm nach, dass nur seine Zeit bei der Armee und das Geld seines Vaters, der Eisenbahnen baute, das Studium ermöglichten. Paul selbst war ein stolzer Deutschnationaler, der sich voll und ganz der kleindeutschen Lösung ergeben hatte und gar seine Familie mit den langen Kerls[3] verband, sein Großvater wollte einer gewesen sein. Die Größe des blonden Riesen mit den schütteren Haaren und den Knopfaugen, sprach dafür. Er war jedoch auch unglaublich langsam und träge, weshalb man ihn auch schnell einfältig nannte. Marius hingegen war ein drahtiger, dunkelhaariger, sehr junger Student, der erst vor sieben Wochen aus Leck kam. Marius Pedersen. Er hatte von Anfang an mit den Vorurteilen zu kämpfen, dass er ein Däne sei, auch wenn er immer darauf verwies, dass er Friese sei. Es führte zu allerlei Duellen, die der junge Marius mit Bravour meisterte. "Marius! Du bist so ein Trottel! Ich sollte dir eine geben." Grund des Streites war die Aussage des jungen Marius, dass man vielleicht darüber nachdenken sollte, den Augustenburger[4] mit einem Attentat zu bedenken, um seine Erbansprüche ein für alle Mal verstummen zu lassen. Während manche diese Aussage für einen Scherz hielten, stellten sich manche jetzt hinter dem großen Paul auf, vielleicht aus Überzeugung, vielleicht um bei einer Schlägerei seinen Fleischerhänden aus dem Weg zu gehen. Andere stellten sich jedoch hinter Marius. Es hatte sich in den letzten Wochen an der Universität abgezeichnet, immer mehr Burschen wollten mit sogenannten großen Taten die Politik auf sich aufmerksam machen und Preußen und Österreich zum Handeln zwingen. Paul verwies auf die Möglichkeit der Bundesexekution, Marius lachte und nannte Bismarck einen Feigling, der sich hinter dem Londoner Protokoll versteckte und gar keine Freiheit für Schleswig und Holstein wollte. Dann nannte er nach ein paar Wortwechseln den sonst eher sanften Riesen einen heimlichen Dänemarksympathisanten, der die Umstände nur akzeptieren würde, damit Dänemark die Novemberverfassung doch durchsetzen könne.
Die ersten Flaschen und Krüge flogen, die ersten Schubser wurden ausgetauscht.
Das Burschenschaftsgebäude war nur ein kleine, alte Knechtskate, die nur eine kleine Küche mit Hexe[5] und einen Hauptraum beeinhaltete, ein kleines Plumsklo war hinter dem Haus im Hof. Alle siebenundzwanzig Gäste, ungewöhnlich wenig für ein Burschenschaftsfest zu Ehren Dahlmanns, hatten Not, sich alle in den Raum zu quetschen, es gab nur sechs Sitzgelegenheiten. Auch das war immer Grund für den Streit gewesen, man wollte mehr Mitglieder und ein repräsentativeres Gebäude. Gerade bei dem aktuellen Wetter, denn es schneite seit drei Tagen und die Temperaturen waren dauerhaft unter dem Gefrierpunkt, sodass keiner sein Bier draußen trinken wollte. Das kleine Gebäude war bis zum Bersten gefüllt und die Laune war auch am Bersten. Die Lage drohte zu eskalieren, Dahlmann und seine Leistung für ein freies Schleswig-Holstein hatte im Moment fast jeder vergessen.
Im Hintergrund rief Johannes mit seiner pfeifenden Stimme, durchdrang den Streit kaum. Er rief, dass man zur Ruhe kommen solle, man sei am Vorabend des Krieges. Manche Burschen schienen entschlossen, ihn jetzt und hier auszufechten. Man spürte, was der Burschenschaft seit Jahren fehlte. Eine Gestalt, an der sich alle aufrichteten. Eine Gestalt, welche die Führung übernahm und eine Linie vorgab. Es gab nur den Ruhm vergangener Tage und Streit. Noch ein Krug ging berstend an der Wand zu Bruch.
 1. Dahlmann (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Christoph_Dahlmann)
 2. Wilhelm Bauer (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Bauer_(Ingenieur))
 3. Altpreußisches Infanterieregiment No. 6 (http://de.wikipedia.org/wiki/Altpreußisches_Infanterieregiment_No._6_von_1675/3)
 4. Friedrich VIII. (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_VIII._von_Schleswig-Holstein)
 5. Küchenhexe (http://de.wikipedia.org/wiki/Küchenhexe)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 21.03.2011, 23:49:47
Eigentlich wollte Carl gar nicht zu dieser Feier gehen. Er hatte vor kurzem eine charmante junge Dame kennengelernt, die seit jener erster Begegnung einen guten Teil seiner Gedankenwelt in Anspruch nahm. Er hatte überlegt ihr einen Brief zu schreiben, es dann aber verworfen und sich lieber dem Gedanken an ein oder zwei Humpen Bier hingegeben. Zweifelsohne ein einfacheres Projekt als einen Brief zu schreiben, so dachte der Chemie-Student im dritten Semester.

Allerdings erwies sich der Genuss des Gerstensaftes als schwieriger zu Bewerkstelligen als gedacht. Ging es anfangs noch recht gut von statten, wurde Carl soeben der Krug in der Hand durch einen umherfliegenden Zweiten zerschmettert, was das Trinken doch sehr erschwerte.

Er hatte dem Streit beigewohnt jedoch mit gewisser Zurückhaltung, schlugen doch zwei Herzen in seiner Brust - ein schleswig-holsteinisches und ein preußisches - aber waren sie doch beide deutsch. Und während er auf die Bruchstücke seines Kruges herabsah fragte er sich, ob es denn unbedingt sein musste, dass man sich stritt wo man doch im groben das Gleiche wollte. Er ließ den unnützgewordenen Henkel fallen und sah zu den Streitenden herüber. Johannes versuchte den Streit zu beschwichtigen, doch war offensichtlich, dass es dazu mehr erforderte als von der Seite ein paar Wörter herein zu rufen.

Carl schob einige Burschen beiseite und sprang mit einem Satz auf den einzigen Tisch in dem Raum. "BUNDESBRÜDER! Euer Verhalten gereicht Euch nicht zur Ehre! Ihr streitet wo ihr alle doch das Gleiche wollt: Unser geliebtes Land aus dem Würgegriff der Dänen zu befreien. Und was macht ihr? Ihr plant im betrunkenen Zustand Attentate und beleidigt einander."

Er sah sich im Raume um. Das Sprechen vor anderen Menschen fiel ihm leicht und er war es als Offizier gewohnt selbstbewusst und schneidig aufzutreten.

"Also wollt ihr nun Deutsche sein oder keifende Waschweiber? Vertragt Euch oder tragt es mit dem Degen aus, aber bedenkt Euer Benehmen und wem dieser Abend gewidmet ist!"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 22.03.2011, 13:45:11
Schwester Hermene umgriff krampfhaft ihren Untersuchungsstab. Eiter klebte an einer Spitze, denn sie hatte gerade die Untersuchung einer Zyste am Oberschenkel eines Patienten beendet. Auch wenn diese Arbeit sie anwiderte – es war etwas, was getan werden musste, und sollte es ihrem Aufstieg in den Rängen ihres Ordens dienlich sein, so brachte sie jede Aufgabe diszipliniert hinter sich. Es war kein Ding der Unmöglichkeit. „Anziehen!“, sagte sie knapp und wendete sich von dem Patienten ab.

Sie zog ihren Mundschutz herunter und atmete tief ein. Schon eine ganze Weile befürchtete sie, dass diese widerlichen Studenten wieder Ärger machen könnten. Langsam, über Stunden hinweg stieg der Geräuschpegel, sie hörte die Gläser klirren, Schoppen nach Schoppen, und saufen, das konnten sie, und Lieder singen, welche nach Gottes heiligen Regeln verboten waren. Sie waren eine Zumutung. Männer

Dies war einer dieser Gründe, warum Hermene nie daran gezweifelt hat, dem Ruf der Herren zu folgen. Männer hatten sie nie interessiert. Sie tranken, sie stanken, sie schlugen. Wie ihr eigener Vater. Ein abstoßenden Ebenbild der menschlichen Rasse. Hermene verstand nicht, wie sich einige Frauen den fleischlichen Gelüsten ihrer Kerle hingeben konnten. Ihr selbst erschien der Phallus und das Skrotum als eine Ausgeburt Satans auf Erden – und in der Tat waren diesbezügliche Untersuchungen besonders abstoßend für die junge Schwester.

Sah man die Schwäche der Männer nicht schon an der Existenz der armen Frau Borggrefe? Ihr Mann war bereits tot, und hier dämmerte sie vor sich hin, ihr Zustand sich immer weiter verschlechternd, wohl im Kummer um ihren Verlust. Ein Industrieller war er, wahrscheinlich hat er herumgehurt und sich dem Alkohol hingegeben und dem Tabak. Es braucht nicht sonderlich viel Grips, um zu wissen, warum diese Saufkerle früher starben als Frauen.

Nun hatte sie also die Aufgabe, hinüber zu gehen und den Bengeln Anstand und Respekt vor den kranken beizubringen. Es wunderte sie nicht, dass wieder einmal sie dafür ausgewählt wurde. Mutter Ursula war eine alte Schnepfe, und ihr Verhältnis war, gelinde gesagt, unterkühlt. Dabei wusste Hermene nur zu gut, dass sie nicht viel von ihr hielt, und das brachte sie regelmäßig in diese Situationen. Doch dies tat nichts zur Sache. Sie musste Disziplin walten lassen, und so eilte sie, nachdem sie den Altenstift ordnungsgemäß abgeschlossen hatte, über die Straße zu dem Gelage, welches die Herrschaften veranstalteten.

Sie klopft dreimale mit aller Macht gegen die Tür, doch der Lärm war so laut, dass niemand ihr öffnete. Diese Prozedur wiederholte sie abermals – wieder ohne Erfolg. „Herr steh mir bei“, seufzte sie verzweifelt, doch sie musste ihren Auftrag erfüllen. So öffnete sie kurzerhand die Tür und trat ein in den Studenten Treff. Als sie das bunte Treiben dort erblickte, schlug sie instinktiv eine Hand über die Augen, doch als sie den Unsinn ihres Handelns erkannte, fuhr sie mit der Hand herunter bis zu ihrem Mund. Hermene war eine zierliche Person, mager und sehnig. Doch was ihr an Statur mangelte, machte sie durch Präsenz wett, und eine laute Stimme hatte sie ebenfalls, eine Gabe, die man als eines von vielen Kindern erlernte. “Ruhe! Ruhe!“, brüllte sie und klatsche wutentbrannt in die Hände und trampelte mit ihren Absätzen auf den Boden. Sie schritt mutig in die Mitte des Raumes und schlug mit ihrem Untersuchungsstock wahllos auf die Hände von ihr im Weg stehenden Studenten. "Ruhe sagte ich, was fällt Euch ein, Ihr nutzloses Pack!“, schrie sie erneut. Sie warf den Studenten strenge Blicke zu, und eine tiefe Furche bildete sich auf ihrer jungen Stirn. Sie wusste um ihre Erscheinung und wusste ebenso, dass sie auf andere Leute einschüchternd, gar beängstigend wirken konnte. Sie griff nach ihrem Rosenkranz, küsste ihn und legte ihn in die Nähe ihres Herzens.

Als endlich Ruhe einkehrte, begann sie mit einer scharfen, unterkühlten Stimme die Bibel zu zitieren. Sie spracht laut und deutlich, und ein nicht zu leugnender Zorn lag in ihren Worten. „...und besauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasset euch vom Geist erfüllen. Aus dem Brief an die Epheser“, sprach sie. „Nicht seid Ihr hier, um euch den fleischlichen Gelüsten und dem Trank hinzugeben, ihr närrischen Kerle, den verstand sollt ihr schärfen und das Wissen eine Generation weitergeben, das Eure Ahnen gesammelt haben. Dieses Gelage widert mich an. Im gegenüberliegenden Gebäude kämpfen Menschen um ihr irdisches Leben, und Ihr solltet mit Scham erfüllt sein, ihre Ruhe zu stören“, fügte sie hinzu, wobei ihr Ausdruck keine Spur an Schärfe verlor. Sie griff in ihre Tasche und zog eine kleine Bibel hervor, die sie gut sichtbar für jeden in die Höhe hob. „Ich schlage eindringlich vor, Ihr geht nun zu Bett und tut Buße, indem Ihr die Heilige Schrift liest, denn dies ist der Wille unseres Herren. Gelage wie diese sind kein Zustand“, sagte sie, wobei sie die Bibel öffnete. „Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen von Himmel herab auf Sodom und Gomorra und kehrte die Städte um und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war“, zitierte sie, wobei sie den Satz keineswegs ablesen musste, denn sie kannte die Bibel par coeur. Auch wenn sie wusste, dass der Vergleich, den sie gerade gezogen hatte, etwas weit hergeholt war, war es doch eine ihrer liebsten Stellen, mit dem sie Ungehorsam und Sünde bekämpfte – die meisten Leute waren nicht so bibelfest oder intelligent oder beides, als dass sie diesen Umstand verstanden hätten.


Das Ganze in Verbindung mit Intimidate 28
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 23.03.2011, 00:35:14
Carl wartete gebannt auf die Reaktion seiner Bundesbrüder zu seinem spontanen Aufruf, als die Tür unvermittelt aufflog und eine wütende Nonne in die Stube brach. An sich war Carl Heinrich durchaus als hartgesotten zu bezeichnen, zumindest gehörte er nicht zu der schreckhaften Sorte und es gab nicht viel, vor dem er sich fürchtete. Doch diese Situation ließ ihn doch zuerst inne halten. Zum einen ob ihrer schieren Seltsamkeit und zum anderen, dass die junge Frau tatsächlich ein wenig zwielichtig wirkte.

Der junge Offizier besann sich darauf wer er war und bemerkte gleichzeitig, dass alle im Raum schwiegen. Er hatte niemanden in der Burschenschaft so Gottesfürchtig gehalten, aber die Ordensschwester schien sie wohl alle irgendwie ergriffen zu haben. Er wartete bis die Frau geendet hatte und wandte sich an die beiden Streithähne Marius und Paul.

"Ich werde das regeln und ich schlage vor, dass ihr euch derweil überlegt, wie ihr euren Disput beilegen wollt." In einer geschmeidigen Bewegung hüpfte er von seinem Tisch herunter und schritt durch die verstummten Studenten auf die Nonne zu. Schneidig ließ er die Hacken aneinander schlagen und deutete eine Verbeugung an:

 "Carl Heinrich von Lütjenburg, zu Euren Diensten, Schwester. Hatten gerade einen kleinen Disput bezüglich der politischen Lage unserer schönen Heimat. Beilegung erfolgt nun in gesitteterem Maße."

Er sah kurz über die Schulter zu Marius und Paul herüber und betrachtete dann sein Gegenüber. Er konnte nicht viel von der Frau erkennen bis auf ihr Gesicht, das ihm als sehr schön erschien. Leider war es durch die wütende, strenge Miene der jungen Frau entstellt. Er hatte immer noch das Gefühl, dass von ihre eine gewisse Merkwürdigkeit ausging, die sich ihm aber nicht wirklich erschließen wollte.

Er argwöhnte, dass seine gewohnte militärisch-prägnante Ausdrucksweise die Schwester vielleicht nur zusätzlich verärgerte und bemühte sich um ein wenig Konversation. Inzwischen war er zwar der Meinung dass das Verhalten der Schwester mehr als ungerechtfertigt war, beließ es aber um des lieben Friedens willen darauf.

"Ihr müsst wissen, meine Dame, wir sind selbst nicht sehr zufrieden mit dieser Lokalität. Aber wir Studenten zeichnen uns ja vor unserer Faulheit noch durch unsere Mittellosigkeit aus, also was sollen wir machen? Und wer soll die Deutsche Sache vorantreiben und der Ehren von Friedrich Christoph Dahlmann gedenken - so wie wir es heute tun -  wenn nicht wir?"

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 25.03.2011, 22:50:07
5. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 23:52 Uhr

Carl von Lütjenburg war ohne Frage eine Respektsperson in diesem Saal, denn die meisten kuschten sofort, als er die Initiative an sich riss. Er war das Sinnbild dessen, wovon viele Studenten, jene der Art Maulheld, nur immer wieder in Gedichten und Lieder schwärmten, eine Art Mann, die sie nur sein konnten, wenn sie selbst genügend Bier getrunken hatten und so waren die meisten Studenten auch gleich nach seiner Aufforderung still geworden. Er war das, was viele von ihnen einstmals noch werden wollten: Deutsche Offiziere.

Doch sie blieben Carl Antworten schuldig, denn die aufkommende Stille wurde ein Stück weit bedrohlich, in einer wenig beschreibbaren Art und Weise, als diese seltsame Nonne den Raum betrat und auf unorthodoxe Art und Weise nicht nur um Ruhe bat, sondern sie regelrecht einforderte und so war es nicht verwunderlich, dass Johannes Fligge auch der erste Student war, der sich weitab zurückzog. Es waren nicht die Worte, nicht die Bibel, welche Angst machten und wahrscheinlich war es nicht einmal das forsche Auftreten Schwester Hermenes, welches Johannes Fligge und die Burschen, die um ihn herumstanden, dazu brachte, sofort zu verstummen. Es lag ein unheilvolles Knistern in der Luft. Und auch Paul reagierte darauf, blickte missmutig drein, aber erhob momentan auch nicht das Wort, sich auf die vermittelnden Künste Carls verlassend. Schließlich war Paul nie ein begnadeter Redner gewesen, er wurde aufgrund seines Auftretens schon immer als Mann für das Grobe angesehen, auch wenn sich hinter dem grobschlächtigen Äußeren ein wacher Geist verbarg. Und mit Paul schwiegen auch jene, die hinter seinen breiten Schultern Schutz suchten.
Zu guter Letzt schwiegen auch die Männer rund um Marius, doch dieser hatte selbst einen trotzigen Blick aufgesetzt und war scheinbar nicht in der Laune, sich seinen Auftritt von Carl vermasseln zu lassen. Nein, er, der sonst immer nur durch seine flotten Sprüche und erfolgreichen Duelle aufgefallen war, wollte selbst ein Sprachrohr sein. Aber nicht nur einer von jenen, die viel redeten und nichts sagten und schon keiner von denen, die viel sagten und nichts taten. Er wollte ein wahrer Agitator sein. Er hielt sich, und das wusste ein jeder Bursche, für die Zukunft der Studentenschaft, als einzig legitimer Nachfolger von Männern wie Dahlmann. Niemand traute es ihm zu, denn zwar war er ein guter Fechter, aber ein hundsmiserabler Redner. Er setzte tatsächlich an, unterbrach seinen Streit mit Paul sogar dafür.
"Akklamation, Akklamation! Mehr hat die sich selbst ladende Couleursdame nicht verdient." Marius grinste breit und dreckig, seine Wangen leuchteten bereits im Kerzenschein rötlich vom genossenen Alkohol. Marius hatte eine nervtötende Stimmhöhe.
"Mit Verlaub, ich Marius Pedersen, behaupte, dass ihr diese Deprekation von uns nicht fordern könnt. Und auch wenn euer ungewöhnlicher Auftritt die Corona verstört hat, dürft ihr euch nicht zu viel darüber freuen." Scheinbar hatte der junge Mann sich eine Menge Mut angetrunken, eine katholische Geistliche so anzufahren. Zwar war der Katholizismus in Holstein so gut wie nicht ausgeprägt, aber dennoch waren auch die holsteinischen Protestanten fromm und normalerweise gut genug erzogen, um einer geistlichen Person mit gebührendem Respekt zu begegnen oder zumindest mit ihrem Ärger zu warten, bis der Pfaffe oder die Nonne ihnen mit der Kollekte auf die Pelle rückte oder sich sonstwie grundlegend ins Abseits stellte. "Deshalb, Gottesfrau, störet unsere Fidulität nicht weiter und gehet eures Weges, sonst machen wir den Stift noch zum Paukboden." Er lachte dreckig und hoffte, dass andere mit einsteigen würden in sein Lachen, doch sein Lachen blieb unerhört. "Dann wäre dort jedenfalls was los und die Alten hätten noch was zu gaffen, ehe der Nekrolog kommen muss." Er lachte wieder, wieder stimmte keiner mit ein. Marius, der inzwischen einen Humpen aufgenommen hatte, warf ihn wütend zu Boden und schmollte. "Ach! Mit euch Verschiss kann man auch kein Spaß haben, ihr Finken. Dixi!"[1] Ein kurzes Flüstern der anderen Studenten, während Marius sich an die frische Luft drängte; sie ließen Carl weiter den Vortritt, noch wagte sich kein anderer zu sprechen.

 1. 
Wer die Worte von Marius nicht versteht, darf einen Linguisticswurf machen. Normalerweise ist diese Fähigkeit nur trainiert einsetzbar, es sei denn, es handelt sich um die Rassensprache. Die Fähigkeit gilt normalerweise für das Lesen, hier gilt es auch für das Verstehen dieser künstlichen Sprache. Es kann von jedem eingesetzt werden, um die Studentensprache zu entschlüssen: SG 15. Wer den Wurf schafft, versteht Folgendes (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 30.03.2011, 13:10:50
Hermene schaute zunächst halb entsetzt, halb fasziniert auf diesen Carl von Lütjenburg, der es sich herausnahm, einer Gottesfrau, die sozusagen Gottes Werkzeug auf Erden darstellte, Widerworte zu geben. Auch wenn Carl ganz objektiv betrachtet lediglich seine Meinung kundtat, stellte er in der verzerrten Wahrnehmung der Ordensschwester, die, von den Geplagten und Entstellten aufgebracht, der Situation durch ihre Drohgebärden Herrin zu werden versuchte, eine Impertinenz sondergleichen dar. Gerade will sie Carl antworten, als ihre Geduld auf eine noch viel schlimmere Art und Weise auf die Probe gestellt wurde.

Neben dem kurzzeitigen Feindbild Carl wagte es noch ein weiterer Student, sich gegen die Schwester zu richten, und dies auf eine disrespektable Art und Weise, wie es Hermene nicht gewohnt war Zwar verstand sie nur die Hälfte von dem, was er von sich gibt, doch schon das tat ihr genug. Sie ist kurzzeitig derartig schockiert, dass es ihr die Sprache verschlägt, und ihre Augen funkeln den Ketzer Marius hasserfüllt an.

Nach einigen Sekunden, als der Student sich aufmachte, den Raum zu verlassen, stemmte sie mit erhobenem Kinn ihre Hände in die Hüfte. „Wie Ihr sehen könnt, seid Ihr der einzige, der Eure Frechheiten zum Lachen findet, Herr Pedersen“, sagte sie scharf, und die Dielen schienen unter ihren Füßen sonderbar laut zu knirschen, so als wog sie viel mehr, als es augenscheinlich möglich sein konnte. „Ich hoffe Ihr seid ebenso gespannt darauf wie ich, ob Euch noch zu lachen zu Mute ist, wenn Satan persönlich am Tag des Letzten Gerichts Euch die Zunge mitsamt Innenapparat herausreißt und seinen Schergen zum Fraße vorwirft!“, zischte sie ihm nach. Dann, in der Hoffnung, dass der Student endlich sein vorlautes Maul halten würde, wendete sie sich Carl zu. Nach den Worten Marius‘ erscheint von Lütjenburg ihr wie ein Musterknabe, weswegen sie sich entschließt, sich herabzulassen und eine Diskussion um ihr Anliegen zu beginnen.

„Verstehe, Herr von Lütjenburg. Eine Feier für den Dahlmann also. Wenn Ihr Euch schon so eifrig für die…politische Lage…interessiert, dann sicherlich auch für unsere Kriege?“, fragt sie ihn leise. „Seid Ihr dann nicht der Meinung, dass die Verletzten und die Alten in ihrem Elend und ihren letzten Atemzügen ein bisschen Ruhe verdient haben? Ich erinnere Euch alle daran, dass Pest und Cholera auch vor Studenten nicht halt machen – möglicherweise seid Ihr bald in einer ähnlich verzweifelten Lage und dürft Euch Euresgleichen beim Saufen und Randalieren zuhören?“, mutmaßte sie provokativ, wobei sie sich gegen Ende ihres Satzes wieder allen zuwandt und ihre Stimme laut erhebte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 30.03.2011, 18:18:00
Conrad hat noch nicht so viel auf der Feier zu Ehren von Friedrich Christoph Dahlmann getrunken. Es war kein Tag für ein größeres, sinnloses Besäufnis. Der Politikstudent konnte weder Paul, noch Marius allzu gut leiden. Paul empfand Conrad als einfältig und als typische Figur eines Raufbolds. Doch seine Meinung von Marius war nicht viel besser, denn diesen hielt er für einen Schwätzer. Vorallem seine Kritik gegenüber Bismarck teilte Conrad nicht. Vielmehr war es eine Person die Conrad wegen seiner Politik bewunderte.

Wenn Carl in der momentan aufgeheizten Situation nicht das Wort ergriffen hätte, hätte er selber es getan. Er stimmte mit Carl in allen Punkten überein. Demonstrativ stellte sich Conrad in dessen Nähe. Als Atheist konnte er nicht viel mit Bibelgeschichten und Religiösität anfangen, aber auch Conrad war durch das Auftreten von Schwester Hermene etwas irritiert und eingeschüchtert, was an ihrer Aura liegen musste. Einige Momente brauchte Conrad bis er sich wieder fangen konnte.

"Ihre provokative Aussage gegenüber 'Herr von Lütjenburg' hätte es nicht bedurft, Schwester. Auch verstehe ich nicht, warum Sie anderen Menschen versuchen mit Sagen und Legenden Angst einzujagen. Aber in einem Punkt stimme ich mit Ihnen überein, nämlich dass am heutigen etwas mehr Ruhe und weniger Saufgelage nicht schlecht wäre. Ein paar Bier sind nicht schlimm, aber man sollte ein Fest zu Ehren von Friedrich Christoph Dahlmann nicht für ein größeres, sinnloses Besäufnis hernehmen."

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 31.03.2011, 00:11:23
"Schwester, am besten beachtet Ihr Marius nicht. Neigt zur Überheblichkeit, wahrscheinlich dem Alter geschuldet. Bitte stellvertretend um Verzeihung. Natürlich ist Eure Forderung nach Ruhe gerecht und entspringt einem löblichen Ansinnen."

Carl empfand Marius' Auftritt als übertrieben aufschneiderisch, zumal er genau wusste, dass dahinter lediglich die Fechtkunst des Jüngeren stand aber sonst nichts. Trotzdem bemühte er sich darum die Situation elegant zu übergehen, denn die Nonne vor ihm schien nur wenig Spaß zu verstehen und wirkte weit strenger als jede Vorstellung die Carl selbst zu Kindeszeiten von ihrem Dienstherren entwickelt hatte.

Nun schaltete sich auch Conrad Rosenstock ein. Carl kannte ihn ein wenig, aber hätte nicht mit dessen Unterstützung gerechnet. Er hätte zwar nicht der Unterstützung bedurft, aber schien es ihm auch keine schlechte Idee, wenn die Schwester merken würde, dass hier nicht jeder sturzbetrunken war. Dabei musste Carl sich eingestehen, dass er das Bier doch ein wenig spüren konnte, allerdings umschlang es seine Gedanken noch lange nicht, wie es bei dem Einen oder Anderen schon der Fall war.

"Ich denke Conrad hat Recht, Schwester. Natürlich auch in der Lautstärke dieser Feier, aber auch damit, dass Ihr in gleichem Maße erfolgreich gewesen wäret, wenn Ihr einen etwas... sanfteren Tonfall gewählt hättet. Wie Ihr Euch hoffentlich überzeugen könnt gibt es hier auch Männer von Ehre und Anstand."
Wie Carl dies sagte klang es nicht so, wie es so oft klingt, wenn manche von solchen Werten sprachen. Nein es schien vielmehr so als wäre der Begriff 'Ehre' für ihn so klar definiert wie ein Naturgesetz und 'Anstand' eine Gleichung deren Faktoren genau bestimmt werden konnten. Es schien ihm etwas zu bedeuten und so schwieg er auch einen Augenblick, wohl in der Gewissheit, dass trotzdem nicht jeder hier so beschrieben werden konnte.

"Was Eure Frage angeht, so bin ich von Berufswegen mit dem Kriege vertraut gewesen. Aber Verletzte gibt es in jedem Krieg, nicht bloß in unseren Kriegen. Und wie ich schon andeutete, bin ich sehr wohl der Meinung, dass Eure Alten und Verletzten ihre Ruhe haben sollte. Aber nicht aus Furcht vor den Krankheiten, die Ihr uns da androhen wollt, liebe Schwester..."  Die Pause war offensichtlich eine unausgesprochene Frage nach dem Namen des unverhofften Gastes.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 31.03.2011, 21:38:56
Karl hielt sich während des Tumultes und des ungewöhnlichen Auftrittes der Ordensschwester im Hintergrund. Wie seit jeher haben mich meine Komilitonen nicht enttäscht. Irgend etwas passiert doch immer bei unseren Treffen, und über einen Mangel an Ideen für mein neues Werk kann ich nicht klagen. Als Carl und Conrad sich mit der Ordensschwester unterhalten, rückt er jedoch näher heran, um sich ncihts von dem Gespräch entgehen zu lassen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 31.03.2011, 21:56:39
5. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 23:54 Uhr

Es durfte doch nicht angehen, könnte man meinen. Eigentlich hätte das Schiff aus Stockholm schon seit dem 3. Dezember ankommen müssen, und immer wieder hatte der Commis[1] der Reederei, welche das Schiff, auf welchem Emil Oskar Nobel reiste, betreute, beteuert, dass es sicherlich nur am kalten und bisweilen doch stürmischen Wetter liegen musste, dass die "Solros[2]", eine alte, schwedische Brigg[3], noch nicht angetroffen war und Verzögerung hatte. Caspar Andersson hieß der alte Mann mit dem grauen, fein getrimmten Koteletten und dem alten, aber noch immer ansehnlichen, königsblauen Anzug und er hatte immer warmherzig versichert, dass der wertvollen Ladung und Emil nichts passiert sei. Das Schiff sollte über Danzig fahren und vielleicht lag es dort noch im Hafen, hatte der Kommis immer beschworen und darauf vertröstet, dass Alfred, der den Auftrag gegeben hatte und schon in Kiel war, einen halben Tag später schauen sollte. Vor vier Stunden hatte der Kommis dann sein Büro geschlossen und erklärt, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Solros heute noch einliefe. Und dann hatte Alfred beim Abendessen im Krug "Wiener Wald"[4] auch noch erfahren, dass es diese Gerüchte gab, dass die Dänen den Situation argwöhnisch beäugten. Der dänische König war selbst im Stande eines Fürsten beziehungsweise Herzogs im Deutschen Bund und so entging ihm die Vorbereitung der Bundesexekution nicht. Es hieß, dass die Dänen Schiffe, die nach Schleswig und Holstein gingen, abfingen.

Dieser Gedanke ließ Alfred Bernhard Nobel nicht schlafen. Müde wanderte er von seiner Unterkunft, gleich in der Nähe der Universität, die wenigen Meter zur Kieler Förde, zum Hafen. Die Universität war über die Innenstadt verteilt und lag in direkter Nähe zum Hafen und so wunderte es Alfred nicht, dass noch Lärm in der Nähe der Universität war. Es war Samstag, fast vor Mitternacht. Alfred war seit einigen Tagen hier. Es war der Abend in der Woche, in der sich Student, Soldat und Seemann die Klinke in die Hand gaben und so doll zechten, dass sie am nächsten Morgen nicht in die Kirche konnten. Schlägereien und Saufereien standen auf der Tagesordnung, und so wunderte es Alfred nicht, dass er vor einer der vielen, schäbigen Fischerkaten noch Lichtschein sah und Lärm hörte. Diese Fischerkaten waren dem Verfall preisgegeben, sie wurden immer mehr durch Lagerhallen und große Arbeiterhäuser ersetzt. Dem direkt angrenzenden Altenstift würde es in Anbetracht der immer schnelleren, technischen Entwicklung auch irgendwann einer Arbeitshalle Platz machen müssen.
Plötzlich hörte der Lärm auf, als Alfred auf vielleicht zweihundert Meter an dem Haus war, ein junger Mann kam wütend aus der Kate geeilt und zündete sich einen Glimmstängel an. "Heilige Hure, verbrenn doch...", polterte er noch in die offene Tür und schlug sie dann so kraftvoll zu, dass sie gleich wieder aufschwang. Der junge Mann, augenscheinlich ein Student, bemerkte Alfred nicht und ging weiter in die Stadt hinein, bewegte sich weg von der Versammlung.

Alfred war nah genug, um jetzt deutlich gefasstere Gespräche mitzubekommen, vielmehr war es wohl ein Gespräch[5]. Es schien um einen Streit zu gehen und eine Schwester, was auch immer das meinen durfte, schien daran beteiligt. Als Worte von Krieg fielen, da konnte Alfred doch schon hellhörig werden, war es doch das Thema, was ihn ewig und drei Tage lang schon verfolgte...

Die anderen Kommilitonen[6] schwiegen weiterhin beharrlich, während Marius' Unterstützer sich langsam auf die Ecken des Hauses verteilten und manche sich gar zu Paul stellten, der nur vielsagend brummte. Eins hatte Schwester Hermene auf alle Fälle erstickt, die Lust der Studenten zu feiern. Paul schubste ein paar Studenten, die ihn zu sehr umringten fort und brummte dann mit seiner dumpf klingenden Stimme. Sein Atem war schwer. Alle schienen noch immer darauf gespannt, wie es weitergehen würde. Die meisten Studenten wurden wieder zu jener Art wohl erzogener Kinder, die sich vornehm zurückhielten, wenn Erwachsene sich unterhielten. Das Thema Krieg hatte sie sofort gebannt, das Thema Religion wohl kaum.
 1. Kommis (http://de.wikipedia.org/wiki/Kommis)
 2. Schwedisch für Sonnenblume
 3. Brigg (Schiffstyp) (http://de.wikipedia.org/wiki/Brigg)
 4. Gaststätte
 5. Alfred kann alles ab Conrads Worten verstehen.
 6. Abgeleitet von lat. commilito für „Mitstreiter, „Kriegsgefährte, Kamerad“; ebenso commiles für „Waffenbruder“ (zu miles, „Soldat, Krieger, Streiter“).
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 01.04.2011, 11:01:45
Obwohl es bereits tiefer Dezember war, berührte das kalte Wetter Alfred kaum. Er trug seinen Paletot[1] aufgeknöpft, die Ohrenklappen seiner Uschanka[2] waren hochgeschlagen. Durfte man die letzten Winter im unbarmherzigen Sankt Petersburg verbringen, so war der deutsche Winter offensichtlich eine willkommen sanfte Abwechslung zu den russischen Schneestürmen. Doch gerade die Kombination aus französischer und russischer Mode, gepaart mit dem stolz getragenen Bart hinterließen einen skurrilen Eindruck von dem Schweden, der nun neugierig der offenen Tür nähergekommen war. Vielleicht vermochte ihm ein Einblick in die deutsche Jungend auf andere Gedanken zu kommen - oder gar im Gegenteil mehr über diese vermaledeite Laune Dänemarks zu erfahren.

"Ich hoffe nur, Emil geht es gut..."

Still aber interessiert stand Alfred am Türbogen und beobachtete die jungen Leute. Studententum, der Inbegriff von Freiheit und Stolz, das Gefühl von Grenzenlosigkeit und doch einflussreicher Taten. Schon immer hatte Alfred die Studenten für ihre Autonomie beneidet. Zwar war er der festen Überzeugung, dass seine private Ausbildung ihm wesentlich mehr gelehrt hatte, als diese jungen Leute von ihrem sozialen Schabernack abgelenkt je erfassen können würden, doch was hätte er dafür gegeben, in stiller Genügsamkeit neben Wordsworth auch noch Coleridge[3], Arnstein[4] und Chénier[5] lesen zu dürfen, ohne die Pflicht im Nacken sitzen zu haben.

Alfred zog sich die Fellmütze vom Kopf verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Ein Blick in einige Gesichter der jungen Männer verriet ihm, dass der Alkohol wohl dafür sorgen sollte, dass er nicht zu viel Aufsehen erregen würde. Im Gegenteil, es schien im Moment eine ganz andere Begegnung die Menge im Zaum zu halten. Eine Nonne, die mit dem Rücken zu Alfred stand, hatte sich offenbar in diese Kammern verlaufen und stand zwei selbstbewussten Männern gegenüber, während die anderen sich scheuten. Amüsiert und höflich hielt Alfred sich zurück und hörte der Außeinandersetzung zu.
 1. Übermantel (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/Paletotcoat_dec1909.jpg)
 2. russ. Ohrenmütze (http://de.wikipedia.org/wiki/Uschanka)
 3. Samuel Taylor Coleridge (http://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Taylor_Coleridge)
 4. Benedikt Arnstein (http://de.wikipedia.org/wiki/Benedikt_Arnstein)
 5. André Chénier (http://de.wikipedia.org/wiki/Andr%C3%A9_Ch%C3%A9nier)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 05.04.2011, 13:50:12
Hermene sah Conrad mit strenger Miene an. „Und Ihr seid?“, fragte sie unterkühlt und distanziert. „Wie dem auch sei, wohl gesprochen, doch sagt mir, wollt Ihr mir sagen, dass es andere Feste gibt, die man für ein größeres, sinnloses Besäufnis hernehmen sollte? Meiner Meinung nach nicht, doch das unterscheidet gläubige Gottesleute von Ungläubigen, die die Lehren des Herrn als Sagen und Legenden abtuen“, konterte sie Conrad forsch, der es versäumt hatte, sich vorzustellen, und dessen Anschuldigungen Hermene darüber hinaus zur Weißglut trieben.

Dann wandte sie sich wieder Carl zu. Sie durchblickte die unterschiedlichen Weltauffassungen, die die Studenten scheinbar aufwiesen, keineswegs. Der Gedanke, dass man nicht jeden dieser Bengel über einen Kamm scheren könne, war ihr bisher noch nie gekommen und verstörte sie gar ein wenig, auf eine erregende, doch unverständliche Weise. „Euer Gelage werde ich nicht billigen, indem ich Euch mit Samthandschuhen anfasse oder Euch gar Honig um den Mund schmiere, Herr von Lütjenburg. Das Wort des Herrn ist ein deutliches, ob es Euch gefällt oder nicht, und was hier getrieben wird, spöttet jeder Beschreibung, wie sie in der Heiligen Schrift zu finden wäre. Was die Krankheiten und Kriege anbelangt, so bin ich mir sicher, dass ich Euch damit nicht zu drohen brauche und es nicht gedenke zu tun. Solcherlei Filz kommt fast von alleine in Gewissen...Umständen“, sprach sie weiter, wobei ihr Tonfall, ungewollt oder nicht, sanfter wurde. Nicht wirklich gutwillig, och keineswegs mehr zornig oder tadelnd.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 06.04.2011, 15:42:27
"Mein Name ist Conrad Rosenstock. Und es ist schade, dass Sie sich kein ausgelassenes Feiern unter bestimmten Umständen vorstellen können. Aber etwas anderes hätte ich wohl nicht von Ihnen erwarten sollen, Schwester. Und wenn ich alt und krank wäre, dann würde mich das Feiern von Jugendlich an meine eigene tolle Jugend zurückerinnern und mich nicht traurig stimmen. Prinzipiell habe ich nichts gegen ausgelassenes Feiern, nur heute sollte man es nicht übertreiben." 

Sagt Conrad aufrichtig zu der Schwester. Er hielt nicht viel von solch religiös-geprägten Personen und er konnte auch ihre Lebensweise und ihre Haltung nicht ganz nachvollziehen. Noch dazu fragte sich Conrad, ob auch die Schwester sich namentlich vorstellen würde, aber ihn interessierte ihr Name doch nicht so sehr, dass er direkt nachfragte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 06.04.2011, 18:31:36
Nun mischte mischte sich auch Karl in das Gespräch ein: "Aber, aber, meine Dame, meine Herren! Vielleicht sollten wir nicht stumpf auf unseren Standpunkten verharren sondern versuchen, eine Lösung zu finden die allen gerecht wird. Ich denke wir" dabei beschrieb er mit seiner Hand einen Kreis "in unser geselligen Runde versuchen uns zu mäßigen, was die Lautstärke angeht. Dafür sehen Sie, Schwester es uns nach wenn es heute Abend ein wenig lauter zugeht als Sie es gewohnt sind."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 06.04.2011, 23:42:42
"Um Samthandschuhe und Honig habe ich nicht gebeten, nur um eine angemessene Behandlung." Carl reckte das Kinn ein wenig hervor und in seiner Stimme schwang ein Hauch von gekränktem Stolz mit. Er war immerhin ein Offizier der preußischen Armee, unter normalen Umständen hätte er sich so etwas gar nicht bieten lassen müssen.

"Ich, das heißt viel mehr wir, haben uns dazu bereit erklärt Ihrer Bitte Folge zu leisten. Doch Sie beklagen sich immer noch, weil sich Conrad nicht vorgestellt hat und bevor es damit weiter geht darf ich Ihnen hiermit Karl Schreiber vorstellen, wenn es genehm ist."
Carl Heinrich wies auf den jungen Mann, der so eben gesprochen hatte. Sein . "Sollte die Namensgleicheit für Verwirrung sorgen, so zögern Sie nicht damit mich Heinrich zu rufen."

"Allerdings sind Sie hier der ungeladene Gast und trotzdessen immer noch Namenlos, meine Dame. Ein Name wäre zumindest ein Anfang, so meine ich. Seht, ich bin der Meinung, dass Sie in uns nicht die lärmenden Studenten von nebenan sehen sollten. Wer wird zur Waffe greifen, wenn die Dänen tatsächlich ernst machen werden? Wer wird auch für Ihre Religionsfreiheit kämpfen, meine Dame?"

Carls Stimme wurde etwas lauter und es hatte ein klein wenig etwas von einer Kasernenhofansprache, wie er hier vor der Front bestehend aus schweigenden Studenten auf und ab schritt.

"Das werden wir sein! Für fromme Botschaften ist es schon längst zu spät, gegen den Dänen helfen nun nur noch preußische Gewehre im Verbund mit deutschem Trutz!"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.04.2011, 17:33:10
5. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 23:56 Uhr

Hier und da rückten die Studenten wieder näher ran und entfernten sich von den breiten Schultern des menschlichen Riesen Paul. Sie schöpften etwas Mut durch die Worte von Carl von Lütjenburg, Karl Schreiber und Conrad Rosenstock. Sahen, dass die Nonne doch nicht so viel zu melden hatte, wie sie erst noch fürchteten. Die drei Männer hatten das getan, was die meisten sich nicht wirklich getraut hätten, nicht mal in ihrer numerischen Überzahl. So tauten die Burschen Stück für Stück wieder auf, und als Carl dann noch von deutschem Trutz und preußischen Gewehren sprach, hatten fast alle ihre ängstliche Lethargie abgelegt und klatschten und johlten laut, ob der so geliebten, nationalistischen Worte, welche Carl von Lütjenburg gewählt hatte.

Und während sich die Studenten, ehemalige Studenten, eine Nonne und sonstige Zuhörer sich unterhielten, ertönte in der Entfernung ein dümpfes Geräusch[1] und dann einen Moment später ein ebenso dumpfes, aber deutlicheres Knallen[2]. Auf einmal herrscht komplette Stille, gerade jene Studenten, welche schon gedient hatten oder an freischärlerischen Tätigkeiten teilgenommen hatten, zogen die Köpfe ein und blickten nervös umher. Doch es folgte kein Einschlag. Ein paar Studenten fingen an durcheinanderzureden. "Angegriffen?", fragte Paul lakonisch, während es draußen begann zu regnen. Starker, kalter Regen, welcher schon bald gefrieren würde und jeden Schritt auf den glatten Pflastersteinen auf den Steinen zu einem Abenteuer machen würde, begann aus schweren Wolken zu fallen. "Werden wir angegriffen?", wiederholte Paul nochmal, diesmal etwas lauter und deutlicher, verfiel dann wieder in lakonische Ausdruckweise. Eine Art und Weise, welche Paul und der ihm nachgesagten Stumpfheit angemessen schien. "Dänemark greift an. Menschen sterben. Unsere Hoffnungen werden erschüttert."
Johannes Fligge kam wieder näher, sah wieder seine Chance, sich zu beteiligen. "Wer weiß, ob es die Dänen sind? Vielleicht eine Fehler oder eine Begrüßung?" Johannes versuchte entwaffnend zu lächeln, aber seine unebenen Gesichtszüge wirkten noch verzogener, als er dies versuchte.

Mochte die Situation sich fast wieder soweit entspannt haben, dass die Studenten ruhiger wurden, waren sie nun wieder von Sorge und Gram gepackt. Johannes Fligge rief den ersten Studenten, die nachschauen wollten, zu. "Ruhig! Ruhig! Wenn es ein Angriff ist, müssen wir uns koordinieren, wenn es keiner ist, werdet ihr euch umsonst einen Schnupfen holen." Johannes zeigte auf Carl von Lütjenburg, der sich bereits so in den Vordergrund gestellt hat. "'s Carl doch ein tapf'rer Preußenbursch!", begann er in der Zunge der so geliebten, nationalistischen Schreiber, wie Ludwig Uhland[3] einer gewesen war. "Sein tapferes Herz wird uns in dieser Stunde leiten, sollte es von Nöten sein!"
"«Allens mit Maaten!» see de Snieder und hau sien Fru mit de Ell![4]", rief einer der Studenten und allgemeines Gelächter brach aus. Die Studenten waren scheinbar nervös, sie machten sich mit alten Witzen Mut. Doch schon kurz danach ertönte ein ernsterer  und einer der berühmtesten Schlachtrufe. "Lewwer duad üüs Slaav![5]"
Und doch traute sich keiner nach draußen. Schon gar nicht an der Nonne vorbei, geschweige denn ohne die Anleitung und Führung von Carl.
 1. Erstes Geräusch (http://www.freesound.org/samplesViewSingle.php?id=14616)
 2. Zweites Geräusch (http://www.freesound.org/samplesViewSingle.php?id=14615)
 3. Ludwig Uhland (http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Uhland)
 4. 
Plattdeutsches Sprichwort (Anzeigen)
 5. Lieber tot sein, als ein Sklave!
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 11.04.2011, 16:52:02
Erschrocken fuhr Alfred zusammen, als das Krachen zu hören war. Viel zu nah, viel zu laut, als dass er es sorglos übergehen konnte. Sofort trat er aus dem Türrahmen nach draußen. Mittlerweile musste ihn dennoch jeder gesehen haben, der nach dem Poltern den Blick zur Tür riskierte. Der Regen war zu stark, als dass es Alfred gelingen konnte, in der Dunkelheit genug zu erkennen. Doch der Knall war eindeutig.

Besorgt setzte er sich die Fellmütze auf den Kopf und zog den Mantel zu. Seine verschränkten Arme hielten den Stoff fest, als der Wind zu reißen begann. Die festen Stiefel traten durch tiefe Pfützen, die sich innerhalb weniger Augeblicke bildeten. War das ein Feuer, dort in der Bucht? Mit zugekniffenen Augen versuchte Alfred sein Bestes, doch blieb erfolglos.

Aufgebracht trat er wieder an den Türrahmen und rief der ihn beobachtenden Menge zu.

"Kanonen! Ein Schiff!"

Das Entsetzen sand dem fremden Schweden ins Gesicht geschrieben. Bei all den Worten über Krieg und aufsässige Dänen, von welchen die Studenten überzeugt schwadronierten, konnte Alfred nicht sicher sein, ob es nur ein Wunschdenken der ereignisgierigen Jungspunde war, oder doch ein vernünftiges Einschätzen der politischen Kräfte, die wirkten. Waren es doch bis heute Abend nur Gerüchte, dass Dänemark den Konflikt suchte! Doch der Kanonenschlag ließ den einsamen Unternehmer zittern. Wenn dieses Schiff ein Schlag der Dänen war, dann war es schon lange an der Zeit, um Emil zu bangen. Hilfesuchend und ratlos blickte Alfred in die Gesichter der gerade noch Zankenden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 11.04.2011, 19:03:01
Als Conrad die lauten Geräusche hörte, wurde er hellhörig "Die Geräusche müssen aus östlicher Richtung von der Förde kommen. Kein Einschlag zu Land. Zumindest hörte es sich nicht so an. Womöglich handelt es sich um ein Seegefecht mit den Dänen. Wer Mut in den Knochen hat, folgt mir.", sagte der Politikstudent und folgte seiner Neugier und wartete nicht auf eine Reaktion von Schwester Hermene auf seine Worte. Er schaute darauf so unter die Dächer zu gehen, dass er nicht gar so sehr vom Regen durchnässt wurde, aber ihm war klar, dass das ein schwieriges Unterfangen war und Conrad nahm es in Kauf nass zu werden durch das Wetter.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 11.04.2011, 21:01:24
Bei dem ersten Kanonschlag zog Carl schon beinahe aus Gewohnheit den Kopf ein, beim zweiten überlegte er schon fieberhaft was nun zu tun sei. Er tippte genauso wie Conrad auf ein Seegefecht, fragte sich aber zusätzlich wie sie in diesem Fall von größtem Nutzen sein könnten.

"Conrad so halte ein!" rief er seinem Bundesbruder nach "Wenn es wirklich ein Seegefecht ist können wir kaum etwas ausrichten. Außerdem wissen wir gar nicht wo genau wir von Nutzen sein könnten."

Kurz sah er sich im Raume um und sprach dann mit fester und lauter Stimme "Zuerst brauchen wir einen Überblick, was gerade vor sich geht. Wer von Euch regenfestes Zeug hier hat trete vor! Ihr müsst zuerst zur Hafenkommandantur laufen und dann zur Garnison. Bringt in Erfahrung was geschieht, tauscht Euch mit den Soldaten aus und fragt wo wir helfen können!"

Während er sprach hatte er seinen Mantel übergeworfen und zugeknöpft. "Der Rest stellt das Saufen nun endgültig ein und macht sich einsatzbereit..." Carl kam der Gedanke, dass dies nicht jedem ein klarer Begriff sein könnte "Das heißt zieht Euch vernünftig an und haltet Euch bereit jederzeit aufzubrechen. Wer von Euch zu betrunken ist um geradeaus zu gehen bleibt hier!"

Er sah sich um und vergewisserte sich, wie seine Kommilitonen sein Kommando aufgenommen hatten. Es zeugte gewiss von Mut wie Conrad einfach los zustürmen, doch wem war damit geholfen? Wenn es gar kein Gefecht war würden die Studenten nur unnötige Unruhe verursachen. Nein, ein planvolles Vorgehen war hier geboten, da war Carl sich sicher und er hoffte, dass die anderen dies ebenso sehen würden.

Schließlich wandte er sich Hermene zu.

"Schwester, wenn sich unsere Annahmen bewahrheiten sollten, wäre es besser, wenn Sie nun wieder zurückkehrten. Ich werde Ihnen mein Geleit anbieten, wenn Sie es wünscht."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 11.04.2011, 21:36:27
Als Carl ihm hinterherruft, hält Conrad ein und geht sogar zu ihm zurück, um ihn besser zu verstehen. Denn vor Carl hatte Conrad Respekt und auf ihn hörte er.

"Ich habe momentan kein regenfestes Zeug bei mir, aber außer einem Schnupfen werde ich mir schon wahrscheinlich nichts schlimmes einfangen. Außerdem wird mich so manches Häuserdach auch vor dem Regen schützen. Der Plan klingt aber ansonsten ganz gut."

Conrad nimmt sich dann vor den Plan genauso auszuführen wie Carl es wollte. Immerhin traute ihm Conrad viel an Kompetenz zu.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 12.04.2011, 13:28:31
Hermene war generell zu abgebrüht, um sich von ein paar entfernten Kanonenschüssen erschrecken zu lassen. Doch Vorsicht war geboten. Sie sollte sich besser nicht die Blöße geben und vor der Burschenschaft ihr wahres Gesicht zeigen - tatsächlich war sich die Ordensschwester ihrer Fähigkeiten sehr bewohl bewusst, doch dies wollte sie keinesfalls zu dem damaligen Zeitpunkt irgendeinem der Studenten offenbaren.

Sie blickt zu dem fremden, der mit einem leichten, ihr nicht bekannten Akzent sprach, und wägte ihre Möglichkeiten ab. Die Kranken brauchten wohl kaum ihren Schutz - und wer würde schon das Stift überfallen, wo es nichts zu holen gab außer ein paar vollgeschissenen Windeln und etwas Branntwein, der dazu benutzt wurde, Bestecke zu desinfizieren? Nein, Hermene sah ihren Platz wahrlich nicht im Stift. Doch die Burschen würden sie andererseits auch kaum mitnehmen. Sie würde sich am besten auf eigene Faust ein Bild von der Lage machen, das erschien ihr die beste Option zu sein.

Sie schaute Carl kurz an, bevor sie abnickte. "Recht haben Sie, ich werde zurückgehen. Doch Sie brauchen mich nicht zu begleiten, die paar Meter schaffe ich durchaus alleine, so unser Herr wolle. Ich werde für Sie beten, Herr von Lütjenburg, und für die Burschen in diesem...Zustand", sagte sie, und begab sich hinaus, wobei sie Alfred Nobel einen verdächtigenden Blick zuwarf.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.04.2011, 16:59:35
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:00 Uhr

Und so kam es, dass die Studenten dem Drängen und der Anweisung Carls von Lütjenburg, oder Lüttenborg wie es im Plattdeutschen hieß, nachkamen. In der Tat hatten die meisten Studenten zumindest warme Kleidung und einen verstärkten Rock mitgenommen, um Wetter und einem Duell trotzen zu können. Alle Studenten hatten zumindest ihre Fechtwaffe dabei, die wohlhabenderen Studenten und jene, welche ebenfalls schon gedient hatten, besaßen auch das ein oder andere Gewehr in Form einer Schusswaffe. Schnell hatten sie sich in Einsatzbereitschaft versetzt, so man denn bei jungen Männern davon sprechen konnte, die größtenteils Maulhelden und kleine, nationale Funzeln voll sehnsüchtigem Pathos waren, aber definitiv keine gestandenen Soldaten oder Vaterlandsverteidiger, in welchem Sinne man dieses Wort auch auffassen mochte. Immerhin reichte die Fechterfahrung und der Befehl Carls, sodass sie sich innerhalb weniger Minuten bereit gemacht hatten. Manche Studenten zierten sich jedoch deutlich, deuteten an, dass sie zu betrunken waren, auch wenn sie eben noch geradeaus gehen konnten und die Sprache noch nicht schwer wurde. Manche hatten tatsächlich keine wetterfeste Kleidung oder eine Waffe dabei, weil an Ehrentage nicht so häufig gefochten wurde. Zudem war das Wetter bescheiden, und die vielen Studenten im Inneren des alten Hauses verhinderten, dass der Innenraum zum Paukboden werden konnte. Elf Studenten folgten Karl, Carl und Conrad hinaus, darunter auch der große, stämmige Paul.

Es war nass und kalt, der Regen prasselte in der Wucht eines vaterländischen Crescendos, wurde also stärker und stärker, als würden ganze Kübel über den Studenten, Alfred Nobel und der Nonne Hermene ausgeschüttet. Der Regen war mit kaltem, harten Hagel durchmischt und donnerte nun auf die Blechdächer der umliegenden Lagerhallen am Hafen und erstickten die Geräusche, welche von der Förde in die Stadt drangen. Nur wer gute Ohren besaß, konnte erahnen, dass das Donnern der Kanonen fortgesetzt wurde. Und tatsächlich, nachdem die Studenten den Weg zur einer der vielen Kaizungen[1] bewältigt hatten, sahen sie die Lichtblitze der abgefeuerten Kanonen deutlich, die Geräusche schienen dadurch auch wieder deutlicher. Der Wind pustete unerbittlich und kalt, er war eisig und wehte stark aus Ost. Die Winterwinde Russlands würden sicher bald auch Schnee bringen, der Sturm kündigte ihn an. Und zwischen dem eisigen Starkregen mit leichtem Hagel sahen die Burschen und auch immer mehr Schaulustige, die aufgeschreckt oder noch unterwegs waren, dass drei Schiffe sich in einem Gefecht befanden. Durch die Lichtblitze wurde es deutlich. Eine alte und inzwischen brennende Brigg versuchte verzweifelt vor zwei Schiffen zu fliehen. Eines war unverkennbar eine deutlich größere Drei-Mast-Bark[2] und sie versuchte der langsameren und brennenden Brigg den Weg abzuschneiden. Es faszinierendes Schauspiel, denn das zweite Schiff glänzte bei jedem Feuerschlag silbrig. Ein Panzerschiff, ein nagelneues Panzerschiff[3] musste es sein. Durch die Dunkelheit war nicht die Beflaggung zu erkennen, aber es zerlegte die Brigg langsam mit einer Breitseite nach der nächsten. Jeder konnte es erkennen, die Brigg würde sich dem Hafen nicht auf einen Kilometer nähern...

Irgendwo in der Nähe hörte man Rufe, sie wurden militärisch gebellt. "Besetzt den Turm!", war der häufigste Befehl. "In Reihe angetreten!", der andere. Langsam kämpften sich Freiwillige und Soldaten gleichermaßen aus der Garnison, welche nur zweihundert Meter vom Hafen entfernt war. Es lagen jedoch keine wehrfähigen Schiffe im Hafen. Wenn überhaupt lag am Ostufer, gegenüber des Hafens also, im Trockendock noch ein U-Boot-Entwurf Wilhelm Bauers[4], obwohl dieses U-Boot wohl auch kaum besser funktionierte als die Brandtaucher. So schienen die Burschen, aber auch die wenigen Soldaten, welche sich jetzt auf den Hafendamm stellten, dazu gezwungen diesem Gefecht zuzuschauen. Keiner würde so wahnsinnig sein und einen Kutter requirieren, um eine riesige Bark und ein Panzerschiff anzugreifen. Wahrscheinlich wurden gerade die Kanonen, welche in den Lagerhallen der Garnison standen, bereit gemacht, falls sich die Schiffe noch nähern sollten. Aber wie wahrscheinlich war es schon, dass zwei Schiffe eine Stadt angriffen? Die Brigg schien ihr Ziel und warum, dass mochte wohl nur der Allmächtige wissen...
 1. Pier
 2. Bark (http://de.wikipedia.org/wiki/Bark_(Schiffstyp))
 3. Panzerschiff (http://de.wikipedia.org/wiki/Panzerschiff)
 4. Wilhelm Bauer (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Bauer_(Ingenieur))
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 12.04.2011, 17:35:09
Karl war unter den ersten, die sich hinaus in den Regen begaben. Ihn trieb vor allem die Neugier und die Hoffnung, etwas interessantes zu erleben was sich für sein nächstes Buch verwenden lies.

Am Kai angekommen verwandelte sich seine Vorfreude in Enttäuschung. "Schiet ook!"[1] entfuhr es ihm, "Da kunn een nix sehn bi den Schietwetter."[2]. Nachdem er eine Zeitlang das Gefecht verfolgt hatte (so gut es bei dem Wetter möglich war), fiel ihm sein Fernglas ein. Warum er es heute eingesteckt hatte wusste er nicht, aber jetzt würde es sich sicherlich als nützlich erweisen. Schnell holte er es aus seiner Tasche und blickte damit zu den Schiffen hinüber, so lange es noch was zu sehen gab.
 1. Frei übersetzt: "Verdammt", oder "So ein Mist"
 2. Bei dem Sauwetter kann man nichts erkennen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 16.04.2011, 00:45:18
Carl Heinrich benötigte einen Augenblick, bis er Karls plattdeutschen Ausruf wirklich verstand. Durch sein Leben in Berlin hatte hin und wieder Schwierigkeiten mit der Mundart seiner Heimat und kam sich dadurch hin und wieder wie ein Fremder im eigenen Land vor.
"Sieht fast so aus, Karl." aus der Nähe hörte er die lauten Befehle durch die Nacht schallen "Ich werde den befehlshabenden Offizier aufsuchen. Der Rest bleibt hier in Stellung!" die letzten Worte kamen in voller lautstärker seiner kommandogewohnten Stimme. Das Prasseln auf den Blechdächern, die Lichtblitze und das entfernte Grollen der Kanonen. Carl fühlte sich deutlich an den täglichen Drill erinnert, an zahlreiche Übungen und Manöver. Es war nicht einmal Absicht, dass der Offizier in ihm nun so deutlich hervor trat.

Noch bevor Karl Schreiber sein Fernglas hervorholte machte sich der junge Adlige auf und lief schnellen Schrittes auf den nächstbesten Kommandogeber zu. Vor diesem baute sich Carl mit einem donnernden Hackenschlag in bester Haltung auf und salutierte. "Carl Heinrich von Lütjenburg, Leutnant a.D. der königlich-preußischen Armee, Pioniertruppe! Habe dreizehn hilfswillige Männer unter meinem Kommando. Ausgerüstet mit einigen Gewehren und Blankwaffen. Ein Teil hat gedient und besitzt Erfahrung an der Waffe. Wie können wir helfen?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.04.2011, 16:25:44
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:04 Uhr

Der nächstbeste, aufgesuchte Kommandierende war ein dicklicher Mann, der Zeit seines Lebens augenscheinlich eher den sogenannten Innendienst bestritten hatte, denn wirkliche Felderfahrung hatte. Im Licht der Laterne, unter der er stand, waren seine lockigen, rotgrauen Haare, die unter dem inzwischen zu kleinem Helm mit Spitze, besser als Pickelhaube bekannt, rauslugten, inzwischen durchnässt und wippten aufgeregt hin und her. Er hatte ein feinrasiertes Gesicht, welches überall mit kleinen, roten Äderchen übersäht war. Sein massiver Ranzen ragte weit über seine enge Hose, in denen seine Stelzenbeine steckten. Er hatte eine merkwürdigen Körperbau, aber dennoch ein recht militärische Stimme. Er salutierte ebenfalls. "Oberstwachmeister Johann van Widdendorp. Sammeln sie ihre Männer und schließen sie sich an."
Der Rang des Oberstwachmeisters bedeutet, dass dieser Mann für die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Disziplin innerhalb einer Garnison zuständig war, er war also in der Tat ein Mann, der mehr Zeit hinter dem Schreibtisch verbrachte, denn in offenem Feld. Er wartete, bis Carl und die Studenten sich der militärischen Formation angeschlossen haben. Der Offizier mit dem holländischen Namen stellte sich vor die Mannschaft, ließ die Soldaten sich vorher rühren. Viele Männer waren es nicht, mit den Freiwilligen um Carl von Lütjenburg waren es ingesamt vielleicht sechzig Soldaten, Reservisten und Studenten.
"Folgende Situation. Da die aktive Truppe auf Übung ist, haben die Reservisten die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Drüben ist ein Schiffsgefecht. Die Truppe um Feldwebel Franz fängt an, die Kutter Michaelis und Barbara zu besetzen und machen sich bereit, Schiffsbrüchige zu retten. Die Truppe um Corporal Schassenberg besetzt die Helena von Wismar und macht sich bereit, dass brennende Schiff zu löschen und an Bord zu retten. Seid vorsichtig, lasst euch nicht ins Gefecht ziehen!" Auch der Feldwebel war in diesem Fall eher eine Art Versorgungsfeldwebel, auch wenn er deutlich militärischer als der Oberstwachtmeister aussah. Der einzige Unteroffizier, der wirklich ein häufig geprüfter Soldat zu sein schien, war der Corporal. Ein großer, blonder Mann, von ähnlichen Ausmaßen wie Paul, nur dass des Corporals Gesicht deutlich schmaler und sein Blick schärfer war. Beide Unteroffiziere befehligten jetzt etwa eine Korporalschaft[1]. Van Widdendorp musterte Carl einen Moment. "Leutnant von Lütjenburg, sie besetzen den Kutter Helka und unterstützen den Feldwebel." Ein kräftig gesprochenes "Ausführung!", besagte, dass die Befehle nun ausgeführt werden sollten. Die beiden Korporalschaften begannen sofort mit der Ausführung, der Oberstwachtmeister hielt Carl jedoch noch auf.

Der Oberstwachtmeister stellte sich vor den Leutnant. "Ich weiß, dass diese Aufgabe vielleicht nicht den ihnen inhärenten Fähigkeiten gemäß ist, Herr Leutnant. Aber damit sind sie am hilfreichsten. Sie haben volles Recht den Kutter zu requirieren. Wenn sie keinen Mann haben, der des Segelns fähig ist, keine Sorge. Der Kutter ist recht neu und ist ein Dampfschiff mit Schiffspropeller. Sie werden das schaffen. Wenn sie Probleme haben, melden sie sich zeitig, Leutnant." Dann geht der dicklicher Mann auf das Garnisonsgebäude zu mit schweren Schritten, während der starke Regen und das Knallen der Kanonen auf der Förde ihn begleiten.
Treffer um Treffer bekam die Brigg inzwischen ab. Noch vielleicht zwei, drei schwere Treffer und die Brigg würde sinken. Die Zeit wurde knapp für die Besatzung des beschossenen Schiffes.
 1. 30 Soldaten
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 17.04.2011, 13:40:56
Schwester Hermene zögerte einige Momente. Sie versuchte, ihre Gedanken zu strukturieren, zu verstehen, was vor sich ging, und ihre Optionen abzuwägen. Einerseits wäre es das leichteste gewesen, zurück in den Stift zu gehen und abzuwarten. Dies hätte keine Gefahr für sie bedeutet, nein. Doch es wäre langweilig gewesen, und sie hätte ihre göttlichen Gaben verschwendet. Andererseits, was hätte sie schon groß ausrichten sollen? Die Küste war zu weit weg, als dass sie mit ihren Schwingen unbemerkt dorthin hätte fliegen können. Und dann? Was hätte sie tun sollen? Sie war im Umgang mit Waffen nicht geübt, und vielleicht hätte sie mehr Schaden angerichtet, als dass sie behilflich gewesen wäre.

Grundsätzlich fürchtete sie sich davor, dass ihr als Katholikin die Arbeit verboten werden würde. Natürlich war ihre Tätigkeit nur ein Deckmantel für ihre wahre Berufung, das Übersinnliche, das, was andere Menschen nicht verstanden. Doch sie war freilich eine Auserwählte Gottes, und lange Abende hatte sie sich mit den Dingen, die um sie herum passierten, beschäftigt, und sie teilweise auf Fotopapier festgehalten. Sollte der Einfluss der Dänen sich ausweiten, könnte dies alles in Gefahr kommen.

Doch ihre Fähigkeiten reichten nicht aus, um sich unbemerkt die Lage anzuschauen, deshalb entschloss sie sie, enttäuscht von sich selbst, in den Stift zu gehen und dort die Sachlage gründlich zu überdenken.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 17.04.2011, 17:29:40
"Nein! Nein, das darf nicht wahr sein!"

Das blanke Entsetzen stand dem Schweden ins Gesicht geschrieben. Reglos und vor Schrecken erstarrt stand Alfred am Geländer des Steges, als ob jeder Fuß, den er näher am Geschehen stehen würde, einen Unterschied bewirken könnte. Die blitzenden Lichter begleitet mit dem dumpfen verherenden Knall ließen Alfred nur erahnen, was dort auf See vor sich ging. Doch die Sorge und schlechten Nachrichten genügten, um Alfreds verzweifelte Angst seine Gefühle übermannen zu lassen.

"Das ist mein Bruder dort! Die Brigg gehört zu mir!", rief der eigenartige Fremde durch den stürmischen Regen den Soldaten und Studenten zu, die eilig ihre Positionen bezogen. Niemand der Militärs beachtete ihn. Wie unwirklich die Szenerie sein musste, kam Alfred gar nicht erst in den Sinn. Schließlich behauptete er, ein völlig Fremder, dass die Seeschlacht vor Kiels Ufern seiner Verantwortung gebühre.

Hilfesuchend blickte Alfred den Platz vor den Ufern ab. Auf dem Platz erkannte er den Studenten wieder, der zuvor an der Universität in das Streitgespräch verwickelt war. Mit militärischen Gebärden verständigte er sich mit einem uniformierten Herren, der offenbar Befehle erteilte. Dies musste Alfred genügen. Seine Hilfslosigkeit ließ ihn ersticken, aber dennoch rannte er unbeholfen zu dem Offizier, der sich gerade von Carl löste. Bevor dieser sich weit von dem Studenten entfernen konnte, rief Alfred ihm laut hinterher.

"Halt! Herr Offizier, mein Herr! Die Brigg gehört zu mir, Sie müssen etwas unternehmen! Sie müssen mir helfen - mein Bruder ist auf diesem Schiff!"

Flehend gestikulierte und deutete Alfred in Richtung Meer, als er endlich zu Carl und dem Wachmann aufschloss.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 17.04.2011, 23:52:36
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:05 Uhr

In der Zwischenzeit kam Schwester Hermene wieder am Altenstift an. Diesem schönen, alten Haus mit den weißen Fensterläden und der grünen Tür, welche mit Handschnitzereien übersäht war, die biblische Figuren darstellten. In der Türmitte war ein Methusalem abgebildet, welcher aufopferungsvolls behütet und gepflegt wurde. Die grüne Tür, sie war von einem gläubigen Handwerker gestiftet wurden und passte perfekt in das Bild, welches Mutter Ursula von der Weitergabe des Glaubens hatte. Nicht nur war Grün die Farbe der Hoffnung, eine Farbe, welche überall im Stift anzutreffen war, sondern es gab auch Ikonographien noch und nöcher. So kümmerte sich die Mutter des Stiftes um ihre missionarischen Aufgaben. Der ganze Stift war eher ein kleines Museum voller Heiligenbilder, Statuetten und jedweder Darstellung von Heiligen, die Mutter Ursula auffinden konnte. Hier ein kleiner Löffel, auf dessen Rückseite das durchbohrte Buch des Bonifatius[1] zu sehen war, dort ein unwichtiges Flugblatt über Ablasshandel und Sünden, auf dem die Pfeile des Märtyrers Sebastian[2] abgebildet waren. Und dann war da noch das persönliche Arbeits- und Gebetszimmer der Mutter, im einzigen Erker[3], der über dem Haupteingang prankte. Diese Zimmer war der Lieblingsheiligen der Mutter fast allein gewidmet: Teresa von Ávila[4]. Sie war Ursula wahrlich heilig, sie fand Trost in dieser Heiligen, wenn sie um die Religionsgleichheit im Norden betete und sich immer wieder gegen die Widerstände der Stadt Kiel stellte.
Doch nun ließ sich nicht viel von der Pracht des Hauses erkennen, an der weiß gestrichenen Außenwand prankte ein großer, blutroter Fleck. An der Wand herab gerutscht, unterhalb der drei Stufen, welche zum kleinen Portal des Stiftes führten, lag ein junger Mann. Er atmete flach und hielt sich mit den zu kleinen Händen die große Wunde auf seiner Brust, welche scheinbar bis auf den Rücken ging, wenn Hermene sich die Blutlache an der Wand betrachtete. Er hatte sich bis hier geschleppt, Hermene sah das viele Blut auf den Steinplatten unter den Laternen, auch wenn der starke Regen es langsam wegspülte. Er hatte nicht mehr genug Kraft gehabt, sich die Treppen hochzukämpfen, und war unter der Treppe zusammengebrochen. Er trug keine Jacke, nur ein weißes Hemd und eine weite, schwarze Hose, als wäre er ein Fechter gewesen. Das Laternenlicht am Portal leuchtete in die Gesichtszüge des jungen Mannes. Es war jener Mann, welchen die Studenten Marius genannt hatten.

Der Offizier, der Oberstwachtmeister drehte sich um und blickte Alfred an. Sein Blick zeigte etwas Mitleid, aber entschieden schüttelte er den Kopf. "Mein Beileid, guter Mann. Aber womit soll ich helfen, wenn nicht mit dem, was ich bereits tue? Ich habe kein bewaffnetes Schiff zur Verfügung. Ich habe nur zwei mickrige Kanonen, guter Mann. Die Truppe liegt im Biwak bei Molfsee und braucht zwei Stunden, ehe sie hierher verlegt hat." Er gestikulierte entschuldigend mit den Armen, und wusste scheinbar nicht so recht, was er sagen sollte. "Aber wenn Sie wissen, welche Brigg es ist, wer fährt sie, unter welcher Flagge? Was können sie getan haben, dass sie bis nach Kiel gejagt werden?" Der Oberstwachtmeister versuchte mit Gegenfragen von seiner Unsicherheit abzulenken, und fügte an. "Vielleicht können mehr Informationen helfen...", seufzte van Widdendorp, "auch wenn es nur im Nachhinein sein wird." Er nahm Haltung an und sagte schließlich. "Guter Mann, ich tue, was ich kann. Aber mehr, als die Männer auf dem Schiff aus dem Wasser zu holen, kann ich Ihnen leider nicht bieten." Der dicke Offizier erschien ob der Situation ziemlich hilflos, weshalb er auf Carl von Lütjenburg zeigte. "Aber auch Sie können helfen, mit allem was Ihnen lieb ist, guter Herr. Schließen Sie sich den Freiwilligen um den Leutnant von Lütjenburg an. Mehr als diese Aussicht kann Ihnen nicht geben, nicht im Moment, guter Mann." Unheilvoll ertönten weitere Kanonenschläge in der dunklen und verregneten Nacht und der Oberstwachtmeister zog seufzend in die trockene Unterkunft seines Gebäudes ab, wollte keine Antworten auf seine Fragen im Moment und ließ Alfred nun allein in der Nähe des Leutnants. "Es tut mir Leid...", hatte Oberstwachtmeister van Widdendorp noch angeführt.
 1. Der heilige Bonifatius (http://de.wikipedia.org/wiki/Bonifatius)
 2. Der heilige Sebastian (http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_(Heiliger))
 3. Erker (http://de.wikipedia.org/wiki/Erker)
 4. Die Heilige Teresa (http://de.wikipedia.org/wiki/Teresa_von_Ávila)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 18.04.2011, 00:38:58
Carl salutierte und sah dem Oberstwachtmeister hinterher. Erst dann blickte er zu dem etwas älteren Mann, der behauptete dass das beschossene Schiff zu ihm gehörte.

"Carl Heinrich von Lütjenburg. Ich habe Sie schon vor dem Haus unserer Verbindung gesehen, oder?" Der junge Offizier verzichtete auf militärisches Brimborium im Gespräch mit seinem Gegenüber und reichte ihm die Hand. Der Mann war offensichtlich aufgebracht und war wohl auch fremd hier, ein spröder Kasernenhofton würde hier nicht weiter helfen.

"Kommen Sie und begleiten Sie mich. Ich muss zu meinen Männern und dafür Sorge tragen, dass wir unseren Beitrag zur Rettung leisten."
Er schritt in Richtung der wartenden Studenten zurück und sprach dabei weiter. "Warum sollte man Ihr Schiff angreifen und das so nah vor dem Hafen? Hat es etwas besonders brisantes geladen, Herr ehm - oh einen Moment bitte."

Inzwischen stand Carl vor seinen Studenten und schwang augenblicklich wieder in den Befehlston des preußischen Offiziers um. "Wir haben den Befehl bekommen den Kutter Helka zu requirieren und damit die Bergung der Schiffbrüchigen zu unterstützen. Also auf zur Helka, meine Herren."

In dem Moment bemerkte er Karl Schreiber, der durch sein Fernglas zu dem Kampf herüber sah. "Karl. Konntest du etwas erkennen?"

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 18.04.2011, 12:52:59
Der angesprochene nahm das Fernglas wieder herunter und schüttelte den Kopf. "Nicht viel, aber die Brigg ist ein Schwede. Wenn wir mehr wissen wollen müssen wir dichter ran."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 18.04.2011, 20:53:18
"Das ist sie, die Solros!", rief Alfred aufgeregt.

Es durfte doch nicht wahr sein, dass ein Mann von Autorität und militärischer Macht arg- und teilnahmslos sich in seine Kabinen zurückzog, während vor seiner Küste eine Seeschlacht tobte. Gleich, welcher Hilfslosigkeit der Mann ausgesetzt war, es war seine Aufgabe und selbstauferlegte Verantwortung, in ein solches Gefecht mit allen Mitteln einzugreifen. Inkompetenz, kam Alfred in den Sinn. Doch da seine Emotionen an diesem Abend ohnehin aufgewühlt und wahllos durcheinandergewürfelt waren, wunderte es nicht, dass er dem Oberwachtmeister nur zornig zitternd hinterherstarren konnte.

Ein erleichtertes Seufzen war da schließlich die erste Antwort, die Carl von Lüttjenburg von dem Schweden bekam. Rasch gab er ihm die Hand und nickte heftig, als Carl ihm angab, ihm zu folgen. Bei den raschen und festen Schritten des Leutnants kam der unbeholfene Wissenschaftler kaum hinterher. Doch diese Entschlossenheit des Studenten war es, die Alfred vor Hoffnung aufleben ließ.

"Diese Brigg ist die 'Sonnenblume' aus Stockholm, sie muss es sein!," keuchte Alfred mit knappem Atem und deutet auf das dunkle Meer, das noch immer regelmäßig mit boshaftem Blitzen erleuchtet wurde. "Seit drei Tagen schon warte ich auf sie - mein Name ist Alfred Nobel, das Schiff liefert mir Laborausrüstung und Chemikalien aus Stockholm. Mein Bruder ist auf diesem Schiff!"

Hoffnungsvoll blickte Alfred Carl an, in der Hoffnung, dass der Soldat wusste, was zu tun sei.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 19.04.2011, 13:40:29
Das Schicksal schien es gut mit Hermene zu meinen, denn von einer solch günstigen Neuverteilung der Karten hätte sie nicht zu träumen gewagt. Sie musste nun genau bedenken, was ihre nächsten Schritte sein sollten. Sicherlich, diesem Marius gehörte für sein freches Mundwerk eine Lektion erteilt. Doch tot würde er ihr nicht helfen. Er musste Leben, damit sie ihn zu ihrem Werkzeug machen konnte. Sofern er wenigstens so viel Anstand besaß, dafür geeignet zu sein.

Doch nun galt es, keine Zeit zu verlieren. Sie könnte beobachtet werden, und jegliches Zögern könnte zur Schwächung ihrer Tarnung führen. Nur ganz kurz blickte sie sich um, um zu überprüfen, ob jemand in der Nähe war. Sie warf sich über den Verletzten und tastete ihn sofort ab, versuchte die Verletzungen zu finden, und was eigentlich geschehen sein mag.

Sofort sah sie die riesige Wunde auf seiner Brust, die Klamotten voller Blut, überall. Er war blass, fast wie eine Leiche, und wäre Hermene nicht solch eine kalte Person gewesen, hätte es ihr einen Schauer übergejagt. So stellte sie lediglich mit kalkulierender Kälte fest, was geschehen sein mag. Ein Überfall, möglicherweise Schusswaffen, und Marius, der törichte, stolze Marius fand keinen Ausweg, außer dem Stift. Nun war es also doch etwas wert. Lange würde ihre Hilfe nicht reichen. Sie musste ihn sofort heilen, um ihm das Leben zu retten. Sie legte ihre Hand auf seine Brust, etwas ängstlich, beobachtet zu werden. Es wäre ein Jammer, würde ihre Tarnung auffliegen, weil sie diesem Narren das Leben zu retten versuchte. Die Wunden schlossen sich teilweise, und eine wohlige Wärme floss von dem Herzen des Verwundeten aus, doch er konnte dies kaum bemerken, so sehr befand er sich im Delirium.  

Doch da! Hermene nahm eine Gestalt war, unweit von ihr. Ein riesiger Mann, oder...war es überhaupt ein Mensch? Sie glaubte kaum...Sie versucht, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Sie hatte keine Angst. Der Herr stand ihr bei. Doch Marius, der gottlose Sohn einer Hure, war in Gefahr, und damit ihre Chance, ihn für sich zu gewinnen. Sie brauchte eine Ablenkung!

Herr, steh mir bei und gewähre mir Sichtschutz vor diesem Unhold!, betete sie, während sie sich an ihren Rosenkranz fasste. Feiner Nebel begann sich aufzutun, von ihr ausgehend, und breitete sich mehrere Meter vor dem Stift aus, und schränkte die Sicht extrem ein. Sie griff Marius unter die Achseln, und zog ihn, so wie sie es gelernt hatte, die vordere Tür hinein in den Stift. Sie ließ die Tür offen. „Ihr bleibt genau hier liegen!“, zischte sie ihn an, sollte er bei Bewusstsein gewesen sein. Sie hatte noch ein Rechnung offen mit dem Ungeheuer und seiner weißen Flinte...

CLW auf Marius: 11 TP Heilung
Obscuring Mist
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 19.04.2011, 16:30:43
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:08 Uhr

Dem preußischen Offizier folgend oder mutig voranströmend, machten sich die Studenten an das eigentlich soldatische Tagwerk oder eben an jene Aufgabe, die normalerweise erfahrene Fischer vollführten. Die Helka[1] war nicht gerade ein majestätisches Schiff, sondern lediglich ein kleines Segelschiff mit maschineller Unterstützung. Die Helka war lediglich fünfzehn Meter lang und keine vier Meter breit. Es war ein Fischerkutter und im Speziellen vielleicht für vier bis sechs Mann Besatzung ausgelegt, es bedurfte sogar nur drei Männer, um diesen Kutter zu segeln. Jedoch gab es erstaunlicherweise unter den Studenten keinen Segler, oder nur eben jene mit geringer Erfahrung, waren die meisten von ihnen doch Theologie-, Medizin- oder Jurisprudenzstudenten.
Aber dennoch konnten so die meisten Studenten eingesetzt werden können, um eventuelle Schiffsbrüchige aus dem salzigen und eiskalten Ostseewasser zu ziehen. Zumindest gab es, das war sofort zu sehen, ausreichend Taue an Bord, welche als Rettungsleinen gebraucht werden konnten. Die meisten Studenten, so stelle sich heraus, hatten auch nur ein begrenztes technisches Verständnis, viele hatten noch nicht mit Dampfmaschienen zu tun gehabt. Paul machte sich immerhin schonmal insofern nützlich, dass er eigenständig Kohle ranschaffte. Carl erkannte, dass das Funktionsprinzip relativ primitiv war, und die Bedienung sich nicht sonderlich vom Befeuern des heimischen Kamins unterschied. Das einzige Problem durfte eher das Zünden bei dieser Witterung sein[2]. Auch das Requirieren stellte keine Probleme dar, denn der Besitzer war zu dieser unchristlichen Zeit gar nicht in der Nähe. Nachdem Paul den Sack mit Kohle abgelegt hatte, machte er die Leinen los.

Im Hintergrund ertönte ein unheilvolles Rumsen. Eine Kanone hatte ihr Ziel getroffen, ein Mast der Brigg stürzte mit lautem Knarren und Poltern ab. Ein weiteres Rumsen, eine Explosion im hinteren Teil des Schiffes folgte, welche den Hafen in grellem Lichtspiel erleuchtete. Und tatsächlich war die Brigg jetzt auf einen Kilometer an den Hafen herangekommen und geriet jetzt urplötzlich in Schieflage. Die Explosion hatte das Heck auseinandergerissen und das kalte Ostseewasser stürzte in das Schiff. Die Sonnenblume begann zu sinken. Ein letzter Treffer auf Höhe der Wasserkante und die schwedische Brigg hatte jegliche Fahrt verloren. Jetzt lief die Zeit davon...

Die heilende Magie der Nonne rettete dem vorlauten Marius Pedersen mit Sicherheit das Leben. Mutter Ursula war in der Zwischenzeit, als Hermene den Studenten durch das Portal in das Innere gezogen hatte, die Treppe heruntergestürmt. "Das darf nicht wahr sein...", konstatierte sich sichtlich verwirrt. "Schwester, was ist dieses Herzogtum nur für ein grausamer Ort, dass Duelle immer so enden müssen?", die Mutter schien davon auszugehen, dass diese Wunde eine Duellwunde gewesen sein musste. Die Mutter übernahm den sich noch immer im Delirium befindlichen jungen Mann und half ihm, da er durch die Magie wieder erwacht war, auf und führte ihn das kleine Behandlungszimmer, welches der Stift sich für die alten Menschen eingerichtet hatte.
Ein Blick aus der Tür offenbarte nichts Neues, der wabernde Nebel verdeckte nicht nur die Sicht auf die Schwester, sondern auch die Sicht auf den hünenhaften Humanoiden mit seiner großkalibrigen Waffe. Der Wind war jedoch stark genug, dass der Nebel nicht lange anhalten würde. Sekunden qualvoller Ungewissheit mochte sich aufspannen, Sekunden, in dem der Schütze sich vielleicht positionierte...
 1. 
Bild des Schiffes (Anzeigen)
 2. Jeder Spieler, der sich in der Bedienung versuchen will, kann entweder einen Beruf (Seemann oder vergleichbare Berufe) oder einen Wissen (Engineering) gegen SG 11 machen, um die Antriebsmaschiene zu bedienen. Das Manövrieren des Schiffes ist deutlich schwerer bei diesem Wetter. Beruf (Seemann) gegen SG 16
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 19.04.2011, 19:36:50
Während sich die anderen um die Kohle kümmerten und den Kutter klar zum Auslaufen machten, ging Karl in den Maschinenraum und betrachtete die Dampfmaschine. Du meine Güte, ist das kompliziert. Das sah in den Büchern irgendwie einfacher aus.... Ich glaube, diesmüsste der richtige Hebel sein. Aufs Gratewohl zog Karl an einem der Hebel in der Hoffnung daß die Machine dadurch in Gang gesetzt würde.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 19.04.2011, 23:00:50
Voller Eifer und Erleichterung darüber, dass sich nun endlich jemand seiner Sorge annahm, war Alfred Carl Heinrich und den Studenten auf den Kutter gefolgt. In vermutlich jeder anderen erdenklichen Situation wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, nachts fremdes Eigentum zu enteignen, geschweige denn, bei solch einem Wetter auf See zu brechen. Doch hier stand das Leben seines Bruders auf dem Spiel. Langsam und grässlich wurde ihm klar, dass er nicht mehr zur Hilfe, sondern nur noch zur Rettung kommen konnte.

Auf dem Kutter stieg der Schwede sogleich Karl Schreiber hinterher. Keiner der Studenten hatte eine zuverlässige Stimme erhoben, als es darum ging, die Maschine des Bootes in Gang zu bringen. Fast dankbar stand Alfred daher nun hinter Karl, in der Absicht, ihm beim Bedienen zu helfen - bis dieser scheinbar unerfahren nur den Hebel für das Schwungrad löste.

Eilig drehte Alfred die beidseitigen Ventile des Kolbenzylinders zu und schloss den Dampfdeckel[1]. Es würde einige Zeit dauern, bis die Kohlen heiß genug wurden, das Wasser verdampft war und sich genug Druck im Zylinder aufbaute, um das Boot in Fahrt zu bringen. Schweißgetrieben starrte der Schwede auf die Barometer, und klopfte mit dem Finger ungeduldig auf die runde Glasscheibe, als ob seine Ungeduld die Kohlen zum glühen bringen könnte. Erst nach einigen Momenten wurde er wieder Karls gewahr und versuchte ihm ein klägliches und unbeholfenes Lächeln entgegenzubringen. Er scheiterte jämmerlich.

"Alfred Nobel," stellte er sich mit krächzender Stimme vor, ehe er ein Taschentuch aus seiner Weste hervorholte und sich die Stirn unter der Fellmütze abtupfte.
 1. Aid Another: Knowledge Engineering (Automatischer Erfolg)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 20.04.2011, 08:28:09
Erleichtert sah Karl zu wie der Fremde die Maschine in Gang brachte. Diese Technik wird für mich immer ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. Dann wandte er sich dem Mann zu. "Karl Schreiber, angenehm. Sie müssen mir verzeihen" dabei deutete er auf die Maschine, "aber meine Stärke ist eher die Feder als die Technik. Vielleicht könnten sie mir eine kurze Unterweisung angedeihen lassen, damit wir auch wieder zurückkommen, sollte ihnen da draussen etwas zustossen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 20.04.2011, 16:13:39
Hermene war halbwegs überrascht, dass die alte Oberin doch noch so schnell zu Fuß unterwegs war und schon zu ihr stieß. "Ja, furchtbar, beim Herrn, wo soll das hinführen?", fragte sie, um der Stille ein Ende zu setzen. "Ich fürchte, er ist im Delirium und weiß nicht mehr was er spricht. Nehmen Sie sich ihm an? Ich glaube, draußen noch ein Stöhnen gehört zu haben, ja, vielleicht ein weiterer Verletzter. Ich will schnell nachsehen, Oberin. Bringen Sie ihn in ein Bett?"

Sie wartete kurz die Reaktion ihrer Vorgesetzten ab. Dann machte sie sich wieder hinaus, direkt in den Nebel. Doch sie kam auf der anderen Seite nicht heraus. Sie nutzte wiederum ihre Fährigkeiten, um sich vor der Sicht des Schützen völlig zu verbergen - sie wurde unsichtbar. Dann hielt sie Ausschau nach dem Schützen. Sollte sie ihn finden, würde er den Zorn Gottes durch sie als Werkzeug zu spüren bekommen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 20.04.2011, 19:25:32
"Wir werden alles tun, um ihren Bruder zu retten, Herr Nobel! Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie genau man dieses Schiff bedient bei solch einem Wetter. Hast Du da irgendeine genauere Ahnung, Carl? Ich bin Student der Politik und mit Technik kenne ich mich nicht wirklich gut aus."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 27.04.2011, 20:40:09
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:08:06 Uhr - Vor dem Altenstift

Mutter Ursula sagte nichts weiter und schleppte den verwunden Studenten mit seiner furchtbaren Brustwunde weiter in das Behandlungszimmer, während sich Hermene umzuschauen begann in ihrer schützenden Hülle aus verbergender Magie. Und sie glaubte Schritte auszumachen, betont langsam und...provozierend, doch sie sah nichts. War sie nicht an ihre eigenen Schritte gewöhnt? Nein, es waren nicht ihre Schritte, auch wenn sie furchtbar nah waren. War es ein Tanz zweier Unsichtbarer, die beide das Stilett in eisiger und nasser Stille erhoben hatten? Eine kräftige Böe schickte die Nebelwand einfach fort, ließ sie eins mit dem kalten Wind und dem eisigen Wasser werden und noch immer konnte Hermene nichts sehen, nur hörte sie die Schritte, welche sie vorsichtig, wie eine lauernde, wenn auch gestiefelte, Katze zu umschleichen schien. Die Laternen des Portals und des Vorplatzes warfen karges und selbst hinter dem Glas flatterndes Licht, kein humanoider Schatten war zu sehen.
Wann würde diese lauernde Katze losspringen[1]?

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:13 Uhr - Auf der Helka

Das Wetter wurde in der Tat noch unbarmherziger, es war richtiges Schietwedder, wie man so passend im hohen Norden sagte. Und während Alfred und Karl sich mit jedweder aufzubringenden Mühe gemeinsam daran machten, die Maschine zu starten, nahm der Wind noch einmal zu und dräute den besegelten Schiffen mit all seiner unbarmherzigen Kraft. Der russische Wind, der die Farben des Zaren[2] nach Kiel brachte, schien brustend und pustend über die Kämpfenden zu lachen. Die Kieler Förde war in diesen Moment nicht nur wegen der Kanonenschläge ein gefährlicher Platz. Der eiskalte Regen tat sein übriges.

Paul murrte in den Wind und hielt sich am Mast fest, während die anderen Studenten Schutz in einer kleinen Senke an Deck suchten, um nicht über Bord zu fallen. "Pass op! Wohr di weg! Wohrscho! Wohrschu![3]", hallte es über das Deck, immer dann wenn Carl, der inzwischen das Steuer übernommen hatte, in eine besonders mächtige Welle steuerte und das eiskalte Salzwasser auf das Deck niederging. Verbissen wurde auf die Sonnenblume geschaut, welche sich bereits beträchtlich neigte. Und sprangen da etwa Männer ins Wasser? Die beiden großen Schiffe zogen sich langsam zurück, machten eine Kehrtwende und liefen nicht in die Reichweite der Kieler Kanonen. Die Brigg brannte vom Heck an lichterloh und warf einen unheilig wirkenden Schein über die Förde und das erste Mal ließ sie überprüfen, ob die anderen Schiffe eine Beflaggung hatten. Doch sie waren nicht beflaggt[4].
Wieder sprangen Seemänner und vielleicht gar Passagiere der sinkenden und brennenden Brigg ins eiskalte Wasser. "Dat geiht scheef![5]", sagte einer der Studenten mit tiefer Sorge in seiner Stimme und klammerte sich am massiven Paul fest, als Carl eine weitere Welle nahm, während Karl und Alfred gemeinsam trotz des Wasser die Maschine am Laufen hielten. Sie mussten sie am Leben halten, sonst würde die Förde mit ihnen spielen[6].
Nur noch wenige hundert Meter, und sie hätten das Schiff erreicht. Eine weitere Explosion und es regnete Holzsplitter.
Der Wind peitschte unbarmherzig, die im Wasser treibenden begannen um Hilfe zu schreien...
 1. 
Willenswurf SG 15 (Anzeigen)
 2. Weiß als Farbe des zaristischen Russlands
 3. Variationen von Pass auf!
 4. Wahrnehmenwurf, um andere Merkmale zu erkennen
 5. Das geht schief.
 6. Carl noch einen "Seemann"-Wurf, Alfred und Karl müssen noch weiter die Maschine bedienen. Der SG ist diesmal um zwei Punkte höher. Es kann keine 10 genommen werden, aufgrund des einsetzenden Extremstresses
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 28.04.2011, 12:12:53
Der elende Schütze hatte wohl ebenfalls mystische Fähigkeiten, denn er war verschwunden, und doch spürte Hermene, dass noch etwas hier war. War er es wirklich? Hatte er sich etwa ebenfalls unsichtbar gemacht? Dies konnte kein Zufall sein, denn wieviele Menschen auf Gottes Erde vermochten dies wohl zu vollbringen? Sie kannte jedenfalls nicht sonderlich viele. War der Schütze etwa nur wegen ihr hier? Wie hatte er herausgefunden, was sie ist? Wie viel wusste er?

Hermene beschloss, sich nicht von dem Hexenwerk einschüchtern zu lassen. Sie unterdrückte einen Schrei, als ihr unter Schmerzen ihre versteckten Flügel wuchsen, die jedoch freilich ebenfalls unsichtbar waren. Sie erhob sich in die Lüfte um sich einen besseren Überblick[1] zu verschaffen. Doch gleichzeitig benutzte sie ihre Fähigkeiten, um ihre eigenen, knirschenden Schritte weiter ertönen zu lassen[2]. Sie gab sich nicht geschlagen. Der Schütze würde seine Mordlust noch bitter bereuen!
 1. Perception 19: Wo ist der Schütze?
 2. Ghost Sound: Eigene Schritte imitieren
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 29.04.2011, 08:16:55
Die Zeit, bis der kleine Kutter endlich den Hafen verließ, kam Alfred wie eine unendliche Ewigkeit vor. Es war, als ob die Kohlen nie heiß genug werden würden - ein alptraumhafter Gedanke. Energisch schüttelte Alfred den Kopf, zog die verschwitzte Fellmütze ab und warf sie in die Ecke des Maschinenraums. Keuchend und angestrengt behielt er die Armaturen, Zeiger und Regler im Griff und öffnete und schloss bei Zeiten Ventile, Schalter und Schrauben. Er konnte es noch immer nicht glauben, dass sie bei diesen Umständen in See gebrochen waren, doch Zeit, sich über seine eigene Impulsivität zu wundern, blieb später noch genug.

"Wir werden die Maschine wohl am Laufen halten können. Der Dampfdruck schwankt zwar enorm bei diesem Wetter - ich glaube, die Wasserzufuhr über den Ofen ist bei dem Seegang unregelmäßig! Aber wir können den Lauf doch stabil halten, denke ich...!"

Mittlerweile musste Alfred schreien, um sich überhaupt verständigen zu können. Er wusste, dass die maschinellen Eigenheiten nur wenig von Belang waren, doch die innere Anspannung hielt der Schwede nicht mehr aus, er musste etwas sagen. Zudem war er unglaublich dankbar darüber, dass es tatsächlich junge Männer gab, die sich seiner Not erbarmten, und wollte ihre Hilfsbereitschaft nicht wortlos stehen lassen - Dank zu sprechen galt es später noch. Aber der Wagemut und die Tapferkeit der deutschen Jugend war offenbar doch nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen, wie die Russen es immer neckisch behaupteten.

"Wie weit ist es noch, Herr Schreiber? Herr Rosenstock?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 01.05.2011, 15:03:37
Nachdem Karl feststellen musste, daß Alfred Nobel das Rad, an dem er gerade gedreht hatte, wieder in seine alte Position zurückdrehte, beschloss er, sich künftig von der Maschine fernzuhalten und nur noch Kohlen zu schippen. Dat lat wi mol lieber, dat ward nix mit mi...
Um die Frage des Schwedens beantworten begibt er sich kurz an Deck und schaut, so gut es bei dem Seegang möglich ist, mit seinem Fernglas zu den Schiffen am Ausgang der Förde hinüber.

Nachdem er einen Überblick über die Situation in der Förde verschafft hat greift Karl nach einem Seil das an Deck liegt.  "Los, fot mol mit an!" fordert er seine Komilitonen an, die in der Nähe kauern. Kaum daß er jemandem im Wasser sieht gibt er Carl auch schon ein Zeichen näher ranzusteuern um die Person an Bord nehmen zu können.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 03.05.2011, 17:27:54
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:08:12 Uhr - Vor dem Altenstift

Der Regen begann jetzt, angetrieben durch den starken Ostwind, richtiggehend zu peitschen, zumindest empfand Hermene es so und das Tosen des Windes ließ sich auch nicht mehr das Geräusch der Schritte richtig wahrnehmen, welches unter ihr war. Zumindest konnte sie nicht unterscheiden, ob sich ein oder zwei Paar Füße dort am Boden bewegten, zu abgerissen und ungleichmäßig waren die Schritte. Es war furchtbar kalt und die klitschnasse Herme fing an zu frieren, während sie sich sorgsam umschaute.

Und dann konnte sie auch den weißen Gewehrkolben in der Entfernung entdecken. Er war nur schwer zu sehen, und wäre er nicht so schneeweiß, hätte sie ihn in diesem Sturm glatt übersehen, aber die mysteriöse Gestalt bog gerade, fast zweihundert Meter von Hermene entfernt, hinter einem Gebäude ab oder entschwand er gar in ein Gebäude?
Hermene wurde sich gewahr, welches Gebäude dies war. Es war jene alte Kate, welche die Studenten für ihre Versammlung genutzt hatten...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 04.05.2011, 08:52:50
Eigentlich hatte Carl auch die Absicht gehabt die Maschinen zu bedienen, verstand er doch wesentlich mehr davon als von dem tatsächlichen Steuerns des Schiffe, allerdings schien es niemanden zu geben, der die Helka Steuern wollte. Seufzend und in dem Gewissen, dass ein Offizier seiner Majestät alles vollbringen konnte, wenn er nur wollte begab er sich in die Kajüte und machte sich mit den Armaturen für die Schiffsteuerung vertraut. Im Wesentlichen ging es darum, die Richtung zu bestimmen und die Geschwindigkeit vorzugeben. Die einzige Komponente, die Carl dabei Widerstand leisten konnten waren Wind und Wetter. Breitbeinig stemmte er sich gegen das Steuer und musste sich gegen jede Welle erneut behaupten, während er darüber nachdachte, dass sie hier genausogut ihr wässriges Grab finden könnten, wie jene die sie retten wollten, wenn sie sich selbst überlassen würden. Aber es gab gleichsam auch keinen Zweifel daran, dass die Schiffbrüchigen gerettet werden musste und das seine Pflicht war, eben dafür sein Leben zu riskieren.

Als sie sich der Solros näherten rief er so laut er konnte aus der Kabine und in den Sturm heraus: "SUCHT EUCH TAUE UND ZIEHT DAMIT DIE LEUTE AUS DEM WASSER!"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 04.05.2011, 10:01:16
Welch eine glückliche Wendung auf Gottes Wegen, dachte sich Hermene, als sie bemerkte, wohin es den feigen Attentäter verschlug. In der Tat erachtete sie diese Entwicklung als eine große, glorreiche Chance. Nicht, dass das Leben der ungläubigen Hurensöhne in diesem Kabuff ihr auf irgendeine Weise von Bedeutung gewesen wäre, nein, viel mehr stellte es eine Möglichkeit für sie dar, selbst an Macht zu gewinnen. Sollte sie es dank ihrer göttlichen Gaben gelingen, die Burschen auf den richtigen weg zu bringen, würde der Herr sie sicherlich mit noch mehr Beganbungen belohnen. So musste es sein, ja.

Sie nutzte ihre unsichtbaren Flügel, um in Windeseile zu dem Gebäude zu fliegen. Unterwegs nutzte sie erneut ihre Kräfte, und eine unsichtbare Luftschicht begann, um sie herum zu rotieren und sie vor Angriffen zu schützen[1] - nein, ihr sollte es nicht ergehen wie dem gottlosen Studenten, der vor dem Stif angeschossen wurde. Als sie vor dem Stift ankam, hielt sie kurz inne - sie horchte, was darin geschah, denn jenachdem musste sie ihre Taktik aufstellen.[2]
 1. Barrier of Air
 2. Perception: 7
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 04.05.2011, 18:00:19
"Die beiden Schiffe sind offenbar dänisch, die die Brigg angegriffen haben. Das Panzerschiff heißt Rolf Krake. Und ich werde sogleich Rettungsversuche starten.", sagt Conrad zu Carl. Danach nimmt er sich ein Tau und versucht Leute an Board zu ziehen. Allerdings führt ein kurzes Schaukeln des Schiffs dazu, dass Conrad nicht richtig am Tau ziehen kann und er deshalb niemanden nach oben verhelfen kann. Conrad hat dabei Glück, dass er nicht von Board fällt.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 06.05.2011, 17:30:10
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:08:30 Uhr - Vor dem Altenstift

Schwester Hermene näherte sich langsam dem Treffpunkt der Burschenschaft, den eisigkalten und trommelnden Regen ignorierend. In der Entfernung glaubte sie wieder einen Schuss zu hören, das Donnern war betäubend. Mühsam konzentrierte sie sich auf ihre Sinne, doch die Kälte und das unbarmherzige Wetter machten der Nonne zu schaffen. Sie hörte nicht eine Bewegung. In der Nähe trommelte der Regen auf das Blechdach eines Lagerhauses und machte jeden Versuch, Geräusche im Haus zu hören, zunichte. Was würde die Schwester wohl im Inneren erwarten? Plötzlich erloschen die Lichter in der studentischen Kate, das Haus tauchte zurück in die Dunkelheit. Nur schwach schien das Licht einer in der Nähe stehenden Laterne in das Haus[1]. Sie sah, dass sie alleine war. Keine Menschenseele war bei diesem Wetter in Sicht- oder Hörweite.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:17 Uhr - Auf der Helka

Conrads Worte waren alarmierend, die Studenten horchten auf und blickten auf die sich entfernenden Schiffe. Karl sah derweil, dass die anderen Kutter aufgrund des ungünstigen Windes kaum die Chance hatten, sich aus dem Hafen zu befreien, immer wieder wurden sie zurück an die Piere getrieben. Und die Kutter hatten höchstwahrscheinlich keinen Hilfsmotor, um sich auf diese Weise freizukämpfen. Vorrichtungen für Ruder gab es auch nicht. Die Studenten würden sich bemühen müssen, allein möglichst viele Menschen zu retten.

Es war Georg Brockmann, ein etwas älterer Student der Theologie, der ein Holzkreuz mit der rechten Hand umklammert hielt und seine dünne, linke Hand gen Horizont reckte. "Das Panzerschiff wendet! Herr, bewahre uns!" Die Helka musste sich aus dem Schutz der Kieler Geschosse begeben, um überhaupt eine Chance auf die Rettung der Schiffsbrüchigen zu haben und da die anderen Schiffe nicht auslaufen konnten, wagte das Panzerschiff eine erneute Kehrt. Wollte es etwa den Kutter auch versenken?

Derweil begannen die Studenten mit dem Retten der Schiffsbrüchigen. Nur schleppend kamen sie vor, bis Karl mit seinem unbändigen Einsatz, und dank der Hilfe der gut arbeitenden, neuen Schiffscrew bestehend aus Heizer und Steuermann, die Studenten dazu antrieb, alles zu geben und so bedurfte es gar keiner weiteren Worte mehr durch Carl von Lütjenburg. Die Studenten übernahmen jetzt immer mehr eigene Initiative und begannen mit dem Retten und Bergen, sodass nach zwei Minuten schon die ersten Schiffsbrüchigen die Taue hochkraxelten oder hochgezogen werden konnten. Die restliche Anweisungen gab jetzt der stumpfsinnige Paul, dessen Stimme bellend genug war, um durch den harten Wind zu schneiden. Ruckzuck waren die ersten sechs Männer gerettet. Ein kleiner, blondhaariger Mann, dem eine Scherbe über dem Auge steckte, und dessen Gesicht so aussah, als sei eine Brille, die er besessen hatte, darauf zerschellt, bemühte seine wenigen deutschen Wörter, die er beherrschte. "Sind noch mindestens siebzig in Wasser und Schiff.", brachte er stammelnd hervor und erbrach Salzwasser über die Reling.

Alfred konnte deutlich sehen, dass sein Bruder noch nicht unter den Geretteten war und er sah ihn auch nicht unter den zwanzig Menschen, die noch im Wasser trieben und um Hilfe riefen. War er noch auf dem Schiff, lebte er noch? Pauls Bellen wurde von einem Kanonenschlag übertönt. Knapp hinter dem Kutter spritzte Wasser auf. Das Panzerschiff eröffnete das Feuer! Würde der Kutter sich in den Schutz der Kieler Geschosse zurückziehen oder weiter Retten? Ihr Leben stand auf dem Spiel.
 1. Dim Light (http://www.d20pfsrd.com/gamemastering/vision-and-light)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 06.05.2011, 18:21:13
"Wenn unser Kutter auch noch abgeschossen wird, war jede Rettung umsonst und wir können uns überhaupt nicht sicher sein, dass dieser Schuss eine bloße Einschüchterung war. Beim nächsten Mal macht das Panzerschiffe vielleicht ernst. Wir sollten uns in der Schutz der Kieler Geschosse zurückziehen, alles andere wäre zu waghalsig oder was meinst du Carl?" Dabei schaute Conrad Carl von Lütjenburg mit einem festen Blick an und rief gegen das Unwetter mit seiner Stimme an. Viel würde nun an Carl liegen und er hatte eine wichtige Entscheidung zu treffen.

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 06.05.2011, 21:27:42
Karl überließ es seinen Komilitonen sich weiter um die Rettung der Schiffbrüchigen zu kümmern und kämpfte sich zum Ruder, wo Carl stand, vor. "Angeblich sind noch 70 im Wasser, wir sollten versuchen wenigstens noch ein paar rauszuziehen. Schaffst du das noch oder müssen wir zurück?" Als das Panzerschiff das Feuer eröffnete zog er unwillkürlich den Kopf ein. "Düvel ook![1] Dat war knapp." Plötzlich durchzuckte eine Idee seinen Kopf. "Wenn wir hier draußen bleiben wollen sollten wir versuchen die Stellen anzulaufen, an denen die Schüsse einschlagen. Ich vermute daß die Besatzung korrigieren wird, wenn sie vorbei schießt, daher sollten wir dort wo sie eben hingeschossen haben am sichersten sein!"
 1. Teufel auch!
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 08.05.2011, 22:14:12
"Diese Taktik werden sie bald durchschauen und vielleicht entfernt uns das ganze sowieso von den Schiffbrüchigen. Wir sollten uns auf jeden Fall gut überlegen, was wir als nächstes tun angesichts solch einer Gefahr." Obwohl es eine hektische Situation ist, versucht Conrad die Ruhe zu bewahren bei seinem Ruf. Er ist von der Rationalität seiner Worte überzeugt. Doch er würde sich nicht trauen einem kühnen Befehl von Carl zu widersprechen, auch wenn dann vielleicht bloß Glück zwischen Leben und Tod der Leute auf dem Kutter entscheiden würde.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 09.05.2011, 10:44:01
Dass das Panzerschiff nun auf sie feuerte überraschte Carl doch sehr, allerdings verursachte diese unerwartete Entwicklung keine Furcht in dem Pionier. Er war fest davon überzeugt, dass man sie bloß verscheuchen wollen würde. Ein fremdes Schiff vor dem Kieler Hafen zu versenken war schon eine gehörige Provokation durch die Dänen, aber einen deutschen Kutter zu versenken, dass würden sie nicht wagen. Und bei allem was ihm heilig war, Carl Heinrich würde es niemals übers Herz bringen können so schnell den Rückzug zu suchen, nicht vor den Dänen und nicht in seiner Heimat.

"Das war nur ein Warnschuss. Sie werden sich nicht trauen uns zu versenken, wir sind ein deutsches Schiff, dass Ertrinkende rettet. Solche Schiffe versenkt man nicht, nicht mal ein Däne!" Carl schien keine Zweifel an seiner Einschätzung zu haben blickte aber zu seinen Kommilitonen und lächelte Verwegen "Dennoch werden wir häufiger die Position wechseln und etwas mehr Fahrt aufnehmen. Und darüber hinaus löschen wir alle Lichter auf dem Schiff. Was man nicht sieht kann man nicht erschießen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 10.05.2011, 22:06:53
"Himmel!", rief Alfred entsetzt, als der Kutter plötzlich beim nahen Einbruch des Geschosses schwankte. Eilig versuchte er, sich irgendwo festzuhalten und ergriff glücklich die stählerne Reling, ehe seine russischen Stiefel den Halt auf dem ohnehin gefährlich glatten Deck verloren. "Das darf nicht wahr sein! Die Dänen schießen auf uns - auf ein Rettungsboot!," rast Alfred durch den Kopf, während er mit weit aufgerissenen Augen ungläubig in die Dunkelheit der See starrte. Furchtsam schien der Schwede darauf zu hoffen, dass das unheilbringende Blitzen in der Ferne nicht wieder auftauchte.

Die schwarzbraunen Stränen Alfreds hingen ihm klatschnass in der Stirn, und mühevoll versuchte er, sich auf dem Deck vorwärts zu Carl und den anderen zu kämpfen. Immer wieder huschte sein Blick von den bereits Geretteten, über die Schiffe in der Ferne zu den im Meer schwimmenden dunklen Objekten, welche Schutt, Kisten - und Menschen sein mussten. Mittlerweile stand er nahe genug am Steuer, dass Carl ihn hören konnte.

"WIR DÜRFEN NICHT ABZIEHEN!" schrie Alfred durch den Wind, "Die Dänen provozieren! Wir sind ein Rettungsboot, kein Militärsschiff - wir dürfen nicht abziehen!"

In der Hoffnung, dass Carl ihn gehört und vor allem verstanden hatte, wartete er nicht auf eine Reaktion des Studenten. Sollte Carl entscheiden, dass sie kehrt machten, musste Alfred jede Sekunde nutzen. Tief holte der Schwede Luft und beugte sich über die Reling. "EMIL!", schrie Alfred in die Dunkelheit, während in seinem Verstand bittere Gedanken von Wahrscheinlichkeiten und Zufallsspielen umherkrochen. Wie gut waren die Chancen, dass sein Bruder ihn hören könnte, bei all dem Lärm? "EMIL!", schrie Alfred erneut aus voller Inbrust, bevor seine Stimme stockte und er kläglich husten musste. Nein, dem Unternehmer stand nicht der Sinn nach Aufgeben. Lauschend starrte er in die Nacht, bevor er zu seinem nächsten Ruf überging.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 10.05.2011, 22:08:09
Hermene erkannte, dass wahrlich etwas Unangenehmes in dem Haus vorgehen könnte. Allerdings wusste sie nicht, ob überhaupt noch diese selbst ernannten Unschuldigen sich darin aufhielten. Es war ein riskantes Spiel, das musste sie sich vor Augen halten. Dennoch, es war eine einmalige Chance, und sie durfte sie nicht verstreichen lassen.

Sie landete knapp neben dem Eingang und lauschte erneut. Sie war auf alles gefasst. Zumindest glaubte sie, eine günstige Ausgangsposition zu haben. Sie war unsichtbar und im Bedarfsfall konnte sie einfach davonfliegen. Sie lauschte erneut angestrengt und versuchte außerdem, etwas durch die Fenster erkennen zu können.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 11.05.2011, 08:05:58
Karl nickt kurz zum Zeichen daß er verstanden hat und kämpft sich dann wieder zu seinen Komilitonen. "Ihr habt Carl gehört, löscht die Lichter. Wir bleiben noch ein bißchen hier und nehmen weiter Leute an Bord!" Anschließend tritt er wieder an die Reling und hilft weiter die Schiffbrüchigen an Bord zu ziehen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.05.2011, 17:25:49
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:08:36 Uhr - Vor dem Altenstift

Wiederum durchdrang das Gehör der Nonne den auf Blech schmetternden Regen nicht, wahrscheinlich würde man bei diesem Lärm sogar kaum die Schritte einer Person im Inneren hören, weshalb sich die Nonne auf ihre Augen verlassen musste und diese enttäuschten sie, sollte tatsächlich eine Person in der Kate sein. Aber es schien so, schließlich war die Flagge der Burschenschaft Teutonia von der Wand gerissen und die Kaminöffnung der Hexe war geöffnet. Hermene glaubte, dass die Studenten sie nicht geöffnet hatten und warum sollten sie diese öffnen, wenn sie das Haus verließen? Jemand musste in diesem Gebäude sein. Und doch hatte der Raum nur zwei Räume und in beiden hatte Hermene nichts gesehen.
Aber ihre Nase täuschte sie nicht, es roch befremdlich. Sie konnte es trotz des Regens riechen, stark und unmittelbar, auch wenn sie nichts sah. Es roch süßlich und brannte ein wenig in die Nase, kam ihr fast ein wenig ätzend vor[1]. Sie hatten das Gefühl, als würde ihr etwas schwindelig werden...[2]

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:21 Uhr - Auf der Helka

Die Studenten mühten sich gegen das Wetter, gegen die Widrigkeiten und gegen jene, welche nun als Dänen deklariert wurden. Und nun mussten die Studenten mit noch mehr Widrigkeiten kämpfen, aber jene, welche Dänen sein mochten, auch. Es wurden alle Lichter gelöscht, was das Retten der im Meer Treibenden trotz der brennenden Sonnenblume nicht erleichterte, doch dafür war die Helka auch nicht so ein leichtes Ziel.
Mit vereinten Kräften bemühten sich die Studenten möglichst viele Menschen zu retten und jetzt ging es auch voran, während das Panzerschiff sich nach zwei weiteren Schüssen in das Schwarze wieder zurückzuziehen begann.

Alfred brüllte gegen den Wind an, doch er bekam keine Antwort. Die brachte erst der vor einigem Minuten gerettete Mann mit dem verwundeten Auge, welcher ebenfalls half. Im Hintergrund kämpfte sich der erste Kutter durch die starke Brandung und machte sich auf ebenfalls zu retten. "Emil Nobel?", fragte er kurz und hielt kurz mit dem Ziehen eines Taus inne. "Emil Nobel still auf the Schiff.", erklärte der blondhaarige Mann mit einer Mischung aus deutscher und englischer Sprache und stark schottischem Akzent. "Wollte important package bergen!" Dann zog er fest das Tau und half weiter.

Alsbald hatte man die zwanzig im Wasser Treibenden gerettet oder geborgen, acht von ihnen konnten helfen, sieben von ihnen waren so durchgefroren oder durch die Einschläge der Kanonenkugeln oder die umherfliegenden Splitter verletzt und mussten versorgt werden, während fünf Männer bereits erfroren oder durch ihre schweren Verletzungen gestorben waren. Das Panzerschiff zog derweil ab, während der zweite Kutter sich dem Schiff von der anderen Seite näherte und die Treibenden einzusammeln begann, die auf der Seite des Schiffes und so außerhalb des Blickfeldes der Helka lagen. Ihre Rufe tönten schwach durch den Wind, auch von ihnen waren bereits Männer gestorben. Ihre Rettungsaktion war langsam ein Erfolg und jene, welche Dänen sein mochten, waren langsam außerhalb der maximalen Reichweite der Kanonen. Nur Emil, der war nicht in Reichweite, der war auf dem brennenden und sinkenden Schiff, welches die Förde erhellte und suchte scheinbar noch irgendetwas...
 1. Zähigkeitswurf SG 15
 2. Weiter im Kampfthread für Hermene
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 12.05.2011, 20:55:29
"What is that supposed to mean, important package!?," rief Alfred entrüstet, und griff wegen mangelnder Alternativen ebenfalls zum Seil. Dass er flüssig ins englische gewechselt war, fiel ihm gar nicht auf.

"There's nothing but tons of glycerine and acids on that ship, how is that worth rescuing? He's going to get himself killed!"

Fieberhaft dachte Alfred Nobel nach. Wenn Emil tatsächlich noch auf diesem brennenden Wrack sein sollte, dann war der Lagerraum der gefährlichste Ort, an welchem er sich aufhalten konnte. Das Glycerin würde beim zusammenbrechenden Schiff gefahrlos ins Meer fließen, sollten die Kanister aufbrechen. Die Schwefelsäure[1], welche Alfred aus Großbritannien hatte liefern lassen, war zwar in dicke Quarzglasbehälter verschlossen, aber bruchsicher waren diese natürlich nicht, auch wenn die Engländer die Flaschen einzeln in hölzerne Kisten verpackten. Und der Salpeter[2]...

Erschrocken fuhr der Schwede zusammen und ließ bei dem Gedanken unweigerlich das Seil los. Der Schotte wurde durch den Zug unsanft nach vorne geschoben, und konnte nur noch ein kurzes "bloody-!" von sich geben, ehe er sich wieder fing. Alfred erinnerte sich an die Gefahreneigenschaft von Salpeter.

Brandfördernd.

Fing der Lagerraum Feuer, so konnte die Fracht der Solros jeden Moment ein Inferno auslösen. Hilflos stand Alfred regungslos an Deck des Kutters. Der erschöpfte Blick des Schweden war auf die Brigg gerichtet, als ob jeden Moment das vernichtende Ende des Frachters bevorstünde, ob jedes Blinzeln den Augenblick verpassen lassen könnte. Welche Aussichten blieben ihm noch? Er konnte nur noch hoffen, dass Emil es ins Wasser geschafft hatte, vielleicht hatte ihn der Kutter auf der Gegenseite schon eingeholt. Doch wenn Alfred an die Besatzung der Brigg dachte, die bereits ihr Leben verloren hatte, fühlt er den eiskalten Schmerz in der Brust - schließlich konnte dies auch schon das Schicksal seines Bruders gewesen sein.

Die Beine des Schweden wurden weich und er rutschte wieder um ein Haar von Deck. Erneut klammerte er sich mit krampfenden Händen an die Reling, und starrte kreidebleich in die Flammen der Sonnenblume.
 1. Historischer Überblick über Schwefelsäure in der Industrie (http://pubs.acs.org/subscribe/journals/tcaw/10/i09/html/09chemch.html)
 2. Chilesalpeter (Natriumnitrat) (http://de.wikipedia.org/wiki/Natriumnitrat)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.05.2011, 18:36:47
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:24 Uhr - Auf der Helka

"I pity you!", sagte der Schotte schwerfällig und voll des Mitleids und mühte sich weiter. Klopfte Alfred nur kurz auf die Schulter. Die zweite Person, die im Laufe der Ereignisse nichts mehr zu sagen vermochte und sich in anderweitige Arbeit stürzte, um keinen dunklen Gedanken und der eigenen Hilflosigkeit nachzuhängen. Jetzt, da alle Schiffsbrüchigen, die trieben, aus dem Wasser geholt wurden, konnte auch der Schotte sich um die Versorgung der Verletzten kümmern und seine eigene, nicht ungefährliche Verletzung am Auge behandeln lassen. Er blickte nicht einmal mehr zu Alfred, als fiele es ihm nichts schwerer, denn den vom möglichen Verlust seines betroffenen Mannes anzuschauen.

"Wir sollten das Beiboot nehmen und helfen! Vielleicht sind noch welche am Leben, auch wenn Gefahren wie Säure auf dem Schiff lauern.", sagte Paul, der die umstehenden Studenten damit verblüffte, dass er scheinbar der angelsächsischen Sprache mächtig war. Kaum einer hätte ihm das zugetraut, und auch nicht diesen Wagemut, den er jetzt auf einmal an den Tag legte. Paul war trotz seiner immensen Ausmaße eher als zurückhaltender Genosse bekannt gewesen. Aber vielleicht hat der Ausflug mit dem Kutter in Kanonenfeuer und Sturm seine Hemmungen zerschossen und verwüstet, sodass er sich jetzt das nächste wahnwitzige Abenteuer traute. Zwei weitere Studenten meldeten sich. Moritz Brumme und Hans-Georg Remminger, zwei noch junge, etwas untersetzte Studenten der Theologie, die sich fast immer in Paul Dunstkreis befanden, fanden wir ihr riesiges Vorbild auch den Mut sich für diese waghalsige Mission zu melden. In der Tat war ein kleines Ruderboot auf dem Kutter befestigt, aber es war augenscheinlich, dass auch nur das Hinablassen des Bootes bei der aufgepeitschten See ein wahnsinniges Unterfangen war, welches allzu leicht mit dem Leben bezahlt werden konnte.

Doch zu dieser Überlegung kam es nicht mehr. Ein greller Lichtblitz erhellte die Förde und ließ die Nacht für wenige Sekunden zum Tag werden. Ohrenbetäubender Lärm erschallte und Studenten warfen sich auf die Planken des Schiffes, während die Helka von der Druckwelle der Explosion heftig durchgeschaukelt wurde. Trümmer der explodierten Brigg regneten auf die beiden Rettungskutter ein, manche Teile davon brannten sogar noch leicht.

Der andere Kutter wurde schwerer von den Trümmerteilen getroffen, doch von der Helka aus konnte man nicht sagen, ob es dort Verletzte gab. Auf der Helka überstanden alle den Trümmerregen, während auf der Brigg jene letzten Personen an Bord wahrscheinlich...

Und doch! Alfred konnte in den brennenden Überresten noch treibende Menschen entdecken und auch alle anderen konnte es sehen. Vier Männer trieben auf einer Art übergroßen Planke zwischen den brennenden Trümmern und riefen um ihr Leben, versuchten trotz des Sturmes ihren Lebensanker in die Richtung der Helka zu bewegen. Zwischen dem Fackelmeer auf dem Wasser brennender Wrackteile und einer auf dem Wasser liegenden Lache, welche ebenfalls lichterloh brannte, versuchten sie sich durch den Sturm zu retten. Man erkannte ihm fahlen Lichtschein, dass noch zwei weitere, bewusstlose Personen auf der Planke lagen, festgehalten und mitgeschleppt wurden. Aber der Sturm war unbarmherzig. Wenn die Helka sich nicht in dieses Flammenmeer wagte, so erkannte Alfred, würden die Überlebenden direkt in die brennende Lache treiben. Es ging um Sekunden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 17.05.2011, 08:03:49
"Düvel ook!" Karl fluchte zum zweiten Mal an diesem Abend, als er hinter der Reling vor der Explosion in Deckung ging. Nur gut daß Mutter mich nicht hört. Sonst würde es was setzen... Nachdem er sich vergewissert hatte daß von den brennenden Wrackteilen keine Gefahr für die Helka und ihre Besatzung ausging, blickte er wieder zur Brigg rüber und entdeckte die um ihr Leben kämpfenden Männer. Sofort kämpfte er sich durch Wind und Wetter wieder zurück zum Ruderhaus.
"Ein paar haben die Explosion überlebt." erklärte er überflüssiger Weise, da Carl es vermutlich selber schon gesehen hatte. "Traust du dir das zu da reinzusteuern damit wir sie aufnehmen können?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 18.05.2011, 17:04:17
Bei der Explosion blieb Carl ungerührt in der kleinen Kajüt stehen und spähte angestrengt auf die See hinaus, während er die von der Druckwelle erfasste Helka wieder auf Kurs brachte.

Karl Schreiber rief ihm zu, dass es noch Überlebende gab, als er sie selbst gerade ausgemacht hatte und gerade Kurs setzen wollte.

"Ob ich mir das zutraue?" er grinst Karl wagemutig an und ein gewisses Funkeln lag in seinem Blick "Mensch, Karl! HA! Wir haben es bishier hin geschafft und da kommen dir noch Zweifel?" Carl Heinrich fasste sich wieder etwas und sprach ernster "Wir können gar nicht anders. Wir bleiben solange hier bis wir niemandem mehr helfen können. Zu helfen ist unsere Pflicht."

Carl setzte Kurs auf die Überlebenden.[1]
 1. Profession (Engineer): 24
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 20.05.2011, 13:23:34
Mit ungläubigem Blick starrte Alfred auf die Trümmer in der See, doch während sein Verstand nur still zu stehen schien, rief sein Körper ihn zur Eile. Mit hastigen Bewegungen wich der Schwede Tauen, Verletzten und Studenten an Deck aus, um so schnell wie möglich zur Dampfmaschine zu gelangen. Es gab Überlende. Emil war vielleicht unter Ihnen. Sie mussten sich beeilen.

So gut es ihm auf dem stürmischen Deck gelang stürzte Alfred in den Maschinenraum. Die Explosion hatte er zwar erwartet, trotzdem war er geblendet und erschüttert von ihrer Wucht. Dass es Überlebende gegeben hatte, hätte er sich nicht ausmalen können. Voller Hoffnung stolperte der Schwede unter Deck und musste sich an den Wänden festhalten, um nicht gegen die Maschine zu prallen. Eilig schloss er die offenen Dampfventile, damit das Rad wieder anschwang. Da die Kohlen bereits heiß waren, durfte es nicht lange dauern, bis die Maschine wieder lief.[1]

"MEHR KOHLEN! Heißer, wir brauchen mehr Kohlen!," rief er durch die Luke ins Kohlelager.
 1. Knowledge (Engineering): 24
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 22.05.2011, 21:51:03
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:26 Uhr - Auf der Helka

Und tatsächlich wagten die Studenten jenes wahnsinnige Manöver, welches ihnen vielleicht das Leben kosten würde. In die Trümmerteile eines Wrackes fahren, welches durch die hochgefährlichen Substanzen an Bord des Schiffes, explodiert war und von denen vielleicht manche noch siedeten, in der Gefahr alsbald ebenfalls zu explodieren.
Es wurde zusehends schwerer das Schiff unter Kontrolle oder gar den Hilfsmotor am Laufen zu halten und doch gelang es Carl das Steuerrad fest in seinen Händen zu halten, obwohl seine Muskeln brannten wie seit der Grundausbildung nicht mehr. Paul lieferte Alfred immer wieder die notwendigen Kohlen, während Alfred inzwischen schon schwarz von der Kohle war und sich zunehmend wie ein Junge in einer englischen Kohlemine fühlen musste: eingeengt, verängstigt und nicht wissend, was aus ihm und seinen Angehörigen werden würde. Die Hitze der Dampfmaschine tat ihr übriges. Sie lief unrund, ein Kolben hatte eine enorme Unwucht und Alfred würde nicht seine Hand dafür ins Feuer halten, dass die Dampfmaschine noch eine Viertelstunde des Einsatzes ohne Murren mitmachen würde.

"Vors..." Der Schrei eines der Studenten wurde jäh unterbrochen als die Helka einer schwimmenden und kokelnden Kiste zu nah kam und diese direkt neben der Helka explodierte. Splitter jagten über das Deck und verwundeten Studenten und Gerettete gleichermaßen. Aber sie war nicht kräftig genug, um den Rumpf zu durchschlagen. Das Boot wurde wie wild durchgeschaukelt und Schreie ertönten auf dem ganzen Schiff, aber Carl konnte es wieder unter Kontrolle bringen.
"Heads up!", brüllte der Schotte diesmal und mit aller Kraft gelang es Carl von Lütjenburg die Helka hart zu wenden und einer weiteren dieser Kisten auszuweichen. Doch es wurde leider deutlich, dass keiner der Studenten maritime Kenntnisse hatte und so auch nicht der preußische Offizier, der die Kraft der aufgepeitschten See unterschätzte. Mit einem riesigen Knall wurde das Schiff von einer weiteren Explosion erwischt, diesmal am Heck. Alfred wurde fast zu Boden gerissen, doch er und die Maschine überstanden es weitesgehend unverletzt, obwohl dieser Schlag der sowieso unrund laufenden Maschine sicherlich nicht gut tat.
Die Trümmer fegten diesmal nicht so stark über das Deck, doch der Schotte wurde von einem großen Holzsplitter in der Bauchgegend durchbohrt und ging ungläubig schauend zu Boden. Mehrere Studenten und Gerettete wurden leicht verletzt und auch die auf der großen Planke treibenden Schiffsbrüchigen wurden malträtiert[1].

Und doch gelang es den Studenten und den noch stehenden Geretten die Männer auf der Planke zu retten. Alle sechs Personen konnten an Bord der Helka gehievt werden. Inzwischen waren drei bewusstlos, einer war der Bewusstlosen wohl bereits tot, ein Holzsplitter war in seinen Kopf eingeschlagen. Einer der Schiffsbrüchigen ergriff das Wort, als er sich auf das Deck gerollt hatte. "Thank ye, good sirs. Thank ye." Seine Worten gingen fast unter, denn in der Umgebung explodierten weitere treibende Kisten. Der andere Kutter versuchte sich in den Hafen zu retten. Die anderen Studenten begannen sich und die Männer zu versorgen, die sich derweil vorstellten. Sven, Ole und Emil hießen sie, auch Alfred konnte den Namen Emil vernehmen. Die beiden Bewusstlosen hießen Gunnar und Rasmus, der Tote hieß auch Emil. Eine Schrecksekunde, doch dann lösten sie auf, dass es sich um Emil Gunnarsson handelte. Die anderen Nachnamen erklangen in das Maschinenschott. "Sven und Ole heißen Hjalmarsson mit Nachnamen, ich bin Emil Nobel.", ertönte endlich die erlösende Stimme, deren Klang Alfred so vermisst hatte.

Und doch waren sie nicht aus der Gefahr. Carl musste sie noch wieder aus dem Trümmerfeld bringen[2], in welchem Kiste um Kiste explodierte. Sie mussten sich in den Hafen retten, der Regen vermochte die Kisten nicht zu löschen. Die Förde brannte und die Studenten sahen voller Angst, dass mehrere Kisten auf das Schiff zutrieben...
 1. Die Helka hat 42 Schaden erlitten und besitzt noch 38 Trefferpunkte
 2. Neuer Wurf für Carl, um das Schiff zu steuern.
Alles im Ergebnis unter 15 (Anzeigen)
SG 15 (Anzeigen)
SG 20 (Anzeigen)
SG 25 (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 23.05.2011, 01:33:40
Glücklicher Weise waren alle Männer an Bord arg beschäftigt, sonst hätten sie sicher bemerkt, wie Carls Zuversicht einen gehörigen Dämpfer bekommen hatte, als einige der Retter im Splitterregen niedergingen.
Er hoffte inständig, dass niemand ernsthaft verletzt war und konzentrierte sich weiterhin auf das Steuern des Schiffes. Doch es wollte ihm nicht gelingen alle Kisten zu umfahren. Hatte er sich zu viel zugetraut? Immerhin war er kein Seemann, sondern ein Pionier.

Als die Schiffbrüchigen in SIcherheit waren steuerte er sogleich wieder aus den brennenden Trümmern heraus, er wollte nicht riskieren, dass sie irgendwann die Explosion fänden, die stark genug für die Helka wäre...
Mit eisernem Willen und höchster Konzentration bediente er das Steuer und rief sich alles ins Bewusstsein was er in den vergangenen Augenblicken über die Bedienung eines Kutters gelernt hatte. Carl schaffte es die Trümmerteile auf dem Rückweg zu umkurven, so dass es keine weiteren Verletzten geben musste.

Das nun auch von den Rettern einige verletzt waren bewog Carl dazu, dass sie nun heimkehren sollten, also setzte er Kurs auf den Anlegepier.

"Kümmert Euch um die Verletzten aber riskiert nicht dabei über Bord zu gehen! Wir kehren jetzt wieder zurück!" rief er über das Deck hinaus und lenkte den Kahn durch die aufgewühlte See.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 23.05.2011, 21:32:21
Es waren die Worte, die Alfred hören wollte. Leise schimpfte er über sich selbst, dass er je auf grausamere Gedanken gekommen war. Es mag zwar durchaus realistisch gewesen sein, an einem unversehrten Ausgang zu zweifeln, vor allem, da etliche Besatzung ihr Leben im Meer, durch die Explosion und sogar noch durch die Trümmer verloren hatten. Doch als die wohlvertraute Stimme mit dieser schier frechen Kühnheit jene Worte sprach, fühlte sich der ältere Bruder erleichtert, so erleichtert.

Ich bin Emil Nobel.

Still lächelte Alfred in sich hinein. Er wusste, es war noch nicht vorbei. Carls unglaubliches Geschick hatte sie bis hierhin geführt, nun lag es ebenso an dem Teufelskerl, sie wieder sicher an Land zu bringen. Doch Alfred hatte ebenfalls noch seine Aufgabe zu erfüllen; mit prüfenden Blicken behielt er die Barometer und das Schwungrad im Auge und hielt sich mit der freien Hand an den Stahlstreben des Maschinenraumes fest. Jedes Mal, wenn das Rad der Maschine zu ungelenk wurde und zu Taumeln drohte, zog er den Bremsbolzen etwas fest, musste dabei jedoch immer darauf achten, das Rad nicht zu abrupt zu bremsen. Schweißperlen rannen ihm über die kohlebesetzte Stirn und hinterließen dünne, weiße Rinnsale auf dem hohen Haupt. Er würde genug Zeit haben, sich Emil zu widmen, wenn sie wieder heil an Land waren. Geduld, sprach der Schwede sich zu, Geduld. Er wusste schließlich ohnehin nicht, was er seinem Bruder auf stürmischer See zwischen explosiven Trümmern und gefährlichem Seegang zu sagen hatte. Doch zu dem Schweiß, das nun auch über die Wangen Alfreds lief, gesellten sich einige glückliche, salzige Tränen, bevor Alfred sie wegblinzelte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 25.05.2011, 18:06:10
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:38 Uhr - Auf der Helka

Die Helka bäumte sich auf, als Carl sie ein weiteres Mal hart rumriss. Doch diesmal achtete er darauf, welche Kisten Steuer- und Backbord, als auch Achtern lauerten und so manövrierte er den Kutter gerade so an einer explodierenden Kiste vorbei, sodass nur kleine Trümmer hinabregneten, jedoch ohne schwere Verletzungen zu hinterlassen. Der Kutter knarrte und quietschte unter der enormen Belastung und der Unerfahrenheit seines Steuermannes und doch mutete Carl von Lütjenburg dem Kutter nicht zu viel zu, auch wenn er kurz vor der äußersten Belastung lag. Er tat eben das, was ein preußischer Offizier zu tun hatte: das, was nötig war.
Es war ein Höllenritt auf den aufgeschaukelten Wellenkämmen der Kieler Förde, links und rechts des Bootes, vor und hinter ihm, überall flogen Fetzen und Trümmer umher, die Förde selbst brannte und irgendwo dazwischen kämpften zwei Kutter gegen den Wind und das Wetter und versuchten wieder in den heimatlichen Hafen zu kommen, während keine funfhundert Meter entfernt zwei, vielleicht dänische, Schiffe sich unbehelligt zurückzogen, nachdem sie für das nächtliche Inferno gesorgt und Menschenleben vernichtet hatten.

Doch Carl und Alfred blieben Herr der Lage und so schafften es die Studenten gemeinsam, ihre Helka und damit ihr Leben aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch zu welchem Preis? Während sie zurück auf die Piere steuerten und das Adrenalin und der Schutzschild des Momentes zu zerbrechen begann, wurde das wahre Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Vielleicht die Hälfte der geretteten Schiffsbrüchigen lebten überhaupt noch, sie waren total unterkühlt oder litten unter dem enormen Blutverlust, den sie durch die Wunden, welche umherfliegende Trümmerteile gerissen hatten, erlitten. Die unruhige See und das ganze Blut schlugen für sich oder zusammen auf Magen und Gesundheit. Viele Studenten, von denen sich ebenfalls einige verletzt hatten, so auch Paul, der zwei Platzwunden am Kopf hatte, und Gerettete übergaben sich jetzt hemmungslos, wobei einer fast noch über die Reling stürzte. Alfred spürte den Druck der Bewegungskrankheit besonders hart, da er vom Maschinenraum nicht auf den Horizont blicken konnte und auch Karls Magen krampfte langsam. Die Ausbeute sah katastrophal aus, nur elf Überlebende konnten verzeichnet werden, die anderen waren entweder schon weitesgehend tot als die geborgen wurden oder waren in den Armen der helfenden Studenten gestorben. Und auch Emil war stark verletzt, eine offene Wunde am Oberschenkel musste versorgt werden, die meisten Schiffsbrüchigen mussten innerhalb der nächsten halben Stunde in ein Hospital, oder sie würden die Nacht nicht überleben. Und auch die Helka sah malträtiert aus, die umherfliegenden Trümmer hatten fast alle Segel und Taue zerrissen und zerstört. Die Gewalt mancher Explosion und der umherfliegenden Trümmer war allein daran zusehen, dass ein von der Explosion katapultierter Pfahl sich fast bis zur Hälfte in den Holzmast der Helka gefressen hatte. Jene Studenten, welche nicht verletzt wurden, hatten wahrlich das Glück auf ihrer Seite, doch es änderte nichts daran, dass der Angriff der Dänen katastrophal verlaufen war für die Solros. Wenn der Kutter des Militärs ähnlich wenig Erfolg beim Retten der Schiffsbrüchigen hatte, dann stimmte Emils bittere Prognose: "Wenn wir Pech haben...", sagte er unter Schmerzen und presste Tuch auf seine Wunde, "sind wahrscheinlich nur noch zwanzig von einhundertvierzig Passagiere und Crewmitglieder am Leben..."

Nur etwa eine halbe Stunde nachdem sie sich in die Gefahr der angreifenden Schiffe gewagt hatten, kehrten sie als zweiter Kutter unter dem Jubel der Soldaten und einiger inzwischen hinzugekommener Schaulustiger wieder zurück in den Hafen, die Helka dampfte noch an einigen Stellen, an denen Feuer ausgebrochen war, welches die Studenten immer gleich zu löschen wussten, oder Trümmer verbrannt waren. Und ein Blick auf den anderen Kutter zeigte kein besseres Bild. Die Helka gab ein letztes Stöhnen von sich, dann hatte Alfred alles getan, was er konnte. Der Kolben schlug aus und die Maschine erstarb, die letzten Meter trieb die aufgepeitschte See die Helka an die richtige Stelle. Der Jubel wollte nicht mehr abflauen. Es waren wahrscheinlich Helden geboren und doch auch viele Männer gestorben.
Als die Studenten und Alfred mit wackeligen Beinen von Bord staksten, nahmen jubelnde Soldaten sie in Empfang und klopften ihnen auf die Schultern und übernahmen die Verpflegung der Verwundeten und der Toten. Die Helena von Wismar hatte das Auslaufen nicht geschafft und so auch nicht das Schiff löschen können, und vielleicht war der Wind ein Wink des Schicksals. Hätte sie versucht an Bord des Schiffes zu retten, wären wahrscheinlich noch mehr Menschen gestorben. Nur Feldwebel Franz hatte es geschafft mit dem Kutter Barbara auszulaufen. Sie wurden ebenso frenetisch begrüßt, sie retteten zwölf Schiffsbrüchigen das Leben und verloren einen Soldaten.

Emil, er war fast schon am wegdämmern vor Schmerzen, wurde sich erst dann seines Bruders unter all dem Kohlestaub gewahr. "Bruder!", sagte er fast erschrocken und Tränen sammelten sich in seinen Augen, ehe er sich vor Schmerzen wieder hinlegen musste. Drei Soldaten versperrten Alfred dann die Sicht und begannen mit der Versorgung der Wunden. Während im Hintergrund der dicke Oberwachmeister auf seinen stelzenartigen Beinen angewippt kam. "Meine Herren! Lassen sie sich im Namen Holsteins sagen, dass sie verdammt nochmal Teufelskerle sind!", bekräftige er mit fast stolz geschwellter Brust und ließ es sich nicht nehmen, jedem Studenten persönlich die Hand zu geben und auch Alfred, den er kurz prüfend anschaute, ob dieser dieses Lob gern nehmen würde oder ob sein Bruder gestorben sein könnte, doch dann ging er bereits weiter zu Carl von Lütjenburg. "Leutnant! Was sie da heute geleistet haben! Da wäre man stolz, man könnte selbst ein Preuße sein!" Carl reichte er nicht die Hand, sondern schlug im wild und kräftig auf die Schulter und salutierte dann vor so viel Mut. Er drehte sich den Studenten zu. "Kommen sie alle ins Unteroffiziersheim, dort bekommen sie ein Bad, frische Wäsche und ein Bier!"
Er nickte den Studenten zu und zog dann wieder ab, um die Versorgung der Verwundeten und der Toten zu koordinieren.
Sie hatten es geschafft, die Studenten und Alfred, sie hatten Menschenleben gerettet und waren selbst wieder Leben zurückgekehrt[1].
 1. 3200 Erfahrungspunkte pro Retter.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 26.05.2011, 00:05:57
Carl salutierte seinerseits und und rief ein kräftiges "Danke, Herr Oberwachtmeister!" in die stürmische Nacht hinein und hinter dem gewichtigen Offizier hinterher. Erst einen Augenblick später fiel ihm ein, dass er kein Preuße war, sondern gebürtiger Holsteiner. Doch für Carl waren die Grenzen in dieser Hinsicht schon so lange fließend gewesen, dass er da kaum Unterschiede für sich machte.

Doch so wie nun allmählich der Lärm um Carl Heinrich von Lütjenburg abnahm, so ließ ihn gleichsam auch die Anspannung los, die ihn die ganze Zeit über angetrieben und allen Widrigkeiten hatte trotzen lassen.
Er richtete sich an seine Helfer und sprach mit deutlich weniger Elan in der Stimme "Ihr habt gehört was der Oberwachtmeister gesagt hat. Dort drüben gibt es alles was Ihr braucht um Eure Lebensgeister wieder auf Vordermann zu bringen. Ich danke Euch für Eure Disziplin und Euren Mut. Diese Nacht war mehr wert als hundert Abende voller Gerede und Gezänk. Wegtreten!"

Damit hatte er sein "Kommando" aufgegeben und Carl war nun für sich. Schlecht geschlagen hatte er sich keinesfalls, aber dennoch... Er betrachtete die Verwundeten. Es hatte auch einige der Studenten erwischt, weil er den explodierenden Kisten anfangs nicht hatte gut genug ausweichen können. Und der Schotte hatte sein Leben lassen müssen. Carl Heinrich machte sich keine ernsthaften Vorwürfe, er hatte sein Bestes gegeben und so viele Menschen wie er konnte gerettet. Es gab nichts was er sich hätte Vorwerfen müssen. Doch ein bitterer Nachgeschmack blieb und er hoffte von ganzem Herzen, dass diese Schandtat nicht ungesühnt bleiben würde.

Er stand eine Weile im Regen herum und dachte an nichts, bis ihm auffiel, dass er beide Hände zu Fäusten geballt hatte. Seufzend entspannte sich Carl und ging zu Herr Nobel  herüber.

"Herr Nobel, ist dies Ihr Bruder? Es freut mich sehr, dass wir ihn retten konnten. Auch Dank Ihrer Hilfe." Carl lächelte matt aber freundlich. Es tat ihm gut die Wiedervereinigung der Nobelbrüder zu erleben, mehr noch als jedes warme Bad "Wir sollten ins Unteroffiziersheim gehen und uns ein wenig aufwärmen, meinen Sie nicht?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 27.05.2011, 22:40:05
"Gute Arbeit, Leutnant! Der Mut ist doch am Ende belohnt worden und wir können stolz sein in einem Stück wieder zurück zu sein! Meine pessimistischen Gedanken haben sich doch nicht erfüllt. Aber es wird der Tag kommen, an dem wir uns an den Dänen dafür rächen werden. Man greift nicht ungestraft so nahe vor Kiel ein anderes Schiff an. Was mich aber noch interessant, ist die Frage des warums dieses Angriffs. Warum haben die Dänen dieses Schiff versenkt?" Gerade bei dieser letzten Frage ist Conrad etwas ratlos und ihm will nicht so recht ein Grund einfallen. Conrad ist so in Gedanken versunken gewesen über den Erfolg und auch den Angriff der Dänen, so dass er gar nicht mitbekommen hat, wie Carl eigentlich noch ein Gespräch mit Alfred Nobel führen wollte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 28.05.2011, 17:57:30
Als der Oberwachtmeister dem Schweden im denkbar ungünstigsten Moment die Hand reichen wollte, griff Alfred nur zögernd zu. Das Wagnis auf hoher See zollte seinen Tribut, die Beine Alfreds waren schwach geworden und sein Magen kurz davor, das mäßig berühmte Schnitzel aus dem "Wiener Wald"[1] wieder auf schnellstem Wege nach oben zu schicken. Dennoch war Alfreds Griff so fest, wie ihm in diesem Moment nur gelang. Mit strengem und ernstem Blick sah der Schwede den Wachtmeister an, in seinen Augen schimmerte eine Mischung aus Enttäuschung und Geringschätzung. Bis vor einer knappen halben Stunde hatte dieser dicke Mann nicht mehr zu tun gewusst, als in seiner Kabine hinter dem Schreibtisch Schutz vor dem Sturm zu suchen. Nun ließ er es sich aber natürlich nicht nehmen, Pauken und Trompeten zu schlagen, um neben all den Studenten, die ihr Leben riskierten, auch im Glanz zu stehen. Ungehalten ließ Alfred die Prozedur über sich ergehen. Es gab wichtigeres zu tun, er musste sich seine restlichen noch knappen Energiereserven sorgsam einsparen.

Nach einer kurzen Desorientierung durch den plötzlichen Trubel versuchte Alfred, Emil wieder auszumachen. Entweder lag dieser noch am Boden oder die drei Soldaten hatten ihn bereits von dem Platz weggetragen. "Wehe ihnen," dachte sich Alfred, war es doch endlich an der Zeit, dass er seinen Bruder in die Arme nehmen konnte. Doch als der Schwede sich an den Umstehenden vorbeidrücken wollte hielt Carl ihn auf. Mit einem dankbaren Strahlen stoppte Alfred seinen Laufschritt und ergriff mit beiden Händen die Rechte des tollkühnen Leutnants.

"Nein, mir gilt es zu danken, Herr von Lüttjenburg. Machen Sie sich nur keine Illusionen, ohne Ihre Initiative und Handlungsbereitschaft wäre es mir unmöglich gewesen, meinen Bruder wieder zu sehen. Auch wenn ich im Moment wieder vor selbigem Problem stehe, wie ich fürchte." Mit besorgtem aber leicht verärgertem Blick ließ Alfred den Blick über die Menge schweifen. Wo war der Junge denn nun wieder abgeblieben? Eilig wandte sich Alfred wieder Carl zu und sah, dass Conrad ebenfalls zu dem Leutnant gefunden hatte. Mit selber Dankbarkeit und erleichtertem Lächeln ergriff er auch dessen Hand und schüttelte sie kräftig.

"Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Herr von Lüttjenburg, und ich werde Ihnen meine Schuld mit mir allen möglichen Mitteln entlohnen." Alfreds Blick wurde streng, es wirkte ein wenig, als wolle der Schwede untermalen, dass sein Dank und das Angebot keine Verhandlungssache wäre.
"Um eines möchte ich Sie aber noch bitten. Ich habe ein Zimmer im Gasthof "Quellenhain" am Blücherplatz, meinen Reisekoffer habe ich am Empfang abgegeben. Können Sie vielleicht jemanden schicken, der mir meinen Koffer bringt? Vielleicht kann ich mit den Mitteln, die ich aufbewahre, den Verletzten helfen. Bei all den Verwundeten mitten in der Nacht werden die Pfleger um jede Hilfe dankbar sein. Und Emil vermutlich ebenfalls. Wo ist er denn hin, zum Teufel...?"

Der suchende Blick des Schweden schweifte wieder über die Menge, doch Alfred wartete noch auf Carls Antwort.
 1. Gaststätte
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 29.05.2011, 09:51:54
Nachdem er etwas wiederwillig den Händedruck des Oberwachtmeisters entgegengenommen hat - solche "Etappenhengste" waren Karl schon immer ein Gräuel gewesen  - gestattet er sich, sich von der Euphorie auf dem Kai anstecken zu lassen und begibt sich zu den anderen. "Carl, du bist ein Teufelskerl!" Mit diesen Worten gibt er Carl einen kräftigen Klaps auf die Schulter."Unglaublich wie du uns da heil rein- und wieder rausgebracht hast!" Anschließend wendet er sich an den Schweden. "Auch ihnen, Herr Nobel, ich möchte ihnen noch einmal von ganzem Herzen danken. Ohne sie hätten wir es nicht geschafft! "
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 29.05.2011, 18:10:56
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:42 Uhr - Am Hafen

Der Abend war fortgeschritten, der meiste Alkohol schon längst im Adrenalin und der Angst verflogen. Die meisten Studenten hatten jetzt die Muße, entweder durch die Euphorie oder die Notwendigkeit aufgrund der Ereignisse bedingt, den Alkoholspiegel wieder anzupassen. Auch jene, die vorher nichts getrunken hatten und sich lieber in politischer oder philsophischer Diskussion beim Burschenschaftsabend ermüßigt hatten, würden sicher auf dieses Erlebnis einen guten Schluck trinken, sofern sie nicht verletzt worden waren und mit ins soldatische Lazarett gingen, um sich behandeln zu lassen.

Die Handgriffe des Oberstwachtmeisters waren sicher, die Befehle klar und deutlich. Organisatorische, verwaltende Aufgaben lagen dem dicklichen Herrn van Widdendorp deutlich besser als Mut und Entschlossenheit in Anbetracht der Gefahr. Immer wieder mussten sich Holsteiner Offiziere sich diese Kritik gefallen lassen, auch wenn es wahrscheinlich nicht viele solche Offiziere wie Johann van Widdendorp gab; dennoch prägten jene Ausreißer das Bild. Schnell wurden richtige und, in Anbetracht der Menge an Toten und Verwundeten, auch viele improvisierte Tragen herbeigeführt und die Verletzten wurden, so schnell es ging, in das angrenzende Lazarett getragen: ein alter und doch ehrwürdiger Klinkerbau, der mit seinem sechs Stockwerken hinter dem Unteroffiziersheim auftauchte, welches im Gegensatz klein und unbedeutend wirkte. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Alfred zwischen den herumwuselden Gestalten sah, wie sein Bruder ebenfalls in das Lazarett gebracht wurde, nachdem man sein Bein verbunden hatte.
Es dauerte wahrlich nicht lange bis die Soldaten die erst unübersichtliche Lage im Griff hatte. Das war in diesem Fall erfreulich, zeigte aber auch, dass der Drill an diesem Ort formell-organisatorischer Art war und nicht wirklich rein militärischer Art, auch wenn klar erkennbar war, dass man auf der Basis aufbauen konnte.

Der Platz war also beinahe wieder leer, letzte Soldaten befestigten die Kutter und sammelten Trümmer zusammen. Die meisten Studenten zogen ins Unteroffiziersheim ein. Die Soldaten übernehmen die restliche Arbeit und unterhielten sich mit manchem Schaulustigen, während der Oberstwachtmeister wieder auf die Studenten zukam.
"Sie haben die Helka in vergleichsweise guten Zustand wiedergebracht, das ist ein gutes Zeichen. Um die Schäden, meine Herren, machen sie sich mal keine Sorgen. Wir werden für die Schäden aufkommen, schließlich habe ich ihnen das Recht zur Requirierung zugesprochen." Der Oberstwachtmeister nickte den Studenten zu.
"Ich möchte, dass sie den Abend noch ein wenig nutzen. Aber ich muss meinen Respekt nochmal ausdrücken. Ich möchte ihnen also vorschlagen, dass sie sich morgen mit dem Bürgermeister treffen. Sie haben sich bewiesen, das sollte honoriert werden. Seien sie um gegen elf Uhr am Rathaus. Guten Abend, sehr geehrte Herren."
Der Oberstwachtmeister salutierte nochmal und stolzierte zurück zu seinem Büro, auch wenn er gelöst schien. Das bedeutete immerhin mal eine Menge Verwaltungsarbeit für den Offizier.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 05.06.2011, 23:36:57
"Zu Befehl!" Abermals salutierte Carl, der bis dahin geschwiegen hatte, zackig vor dem Oberstwachtmeister, dann wandte er sich zu den drei Männern, die bei ihm standen.

"Der Soldat findet seinen Lohn in der Pflicht, Herr Nobel. Ihre Großzügigkeit ehrt Sie, aber es wäre nicht angebracht. Wenn Sie sich erkenntlich zeigen wollen, dürfte ich vorschlagen sich bei meinen Bundesbrüdern zu bedanken in dem Sie mal vorbei schauen und ein wenig Bier und ein paar Geschichten mitbringen. Glauben Sie mir, damit werden Sie zum größten Held der Burschenschaft." Carl zwinkerte schelmisch und seine Laune stieg wieder merklich.

Wie konnte sie auch nicht, bei all dem Lob. Und was nutzte schon die Nachdenklichkeit, wenn es doch eh geschehen und zum Guten gewendet war?

Er wandte sich Conrad zu "Was geschehen ist wird nicht ohne Folgen bleiben, Conrad. Und was das Motiv angeht, wäre die Frage was dieses Schiff respektive seine Ladung oder Besatzung für die Dänen bedeutet haben könnte..." Dabei blickte er zu Alfred Nobel.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 06.06.2011, 00:55:12
Mit müden Gesten zog Alfred das Taschentuch aus seiner Westentasche, musste jedoch enttäuscht feststellen, dass dieses bereits so klatschnass war, dass es den Schweiß seiner Stirn nicht mehr zu verwischen taugte. Trotzdem tupfte der Schwede mit dem kleinen Stück Stoff die  Kohle- und Rußreste von seiner Haut, während er Carls Antwort zuhörte. Dass dieser Alfreds offenes Angebot so eifrig ablehnte, wunderte den Schweden ein wenig, doch er entschied sich dazu, es im Moment dabei zu belassen. Den herausfordernden Blick des jungen Offiziers konnte Alfred jedoch nicht ignorieren, schien es fast schon so, als würde Carl Antworten von Alfred erwarten. Doch dieser war genau so ratlos wie die Studenten.

"Ich kann mir nicht denken, was sich die Dänen dabei erhoffen, ein privates, schwedisches Handelsschiff vor deutschem Hafen in seine Bestandteile zu zerlegen. Sie sehen die Verzweigung all der Umstände, mir entschließt sich jeglicher Zusammenhang. Zudem hält das schwedische Königshaus diplomatische Beziehungen zu Dänemark. Ich will mich nicht zu sehr aus irgendwelchen Fenstern lehnen, doch es ist ebenso fragwürdig, ob dies ein Zug des dänischen Königs ist, oder ein intrigantes Täuschungsspiel. In jedem Fall, Herr Rosenstock, erwähnten Sie einen Schiffsnamen... Rolf Krake? Es ist sicherlich wissenswert, zu welcher Flotte dieses Schiff gehört, an welchem Hafen es liegt, und unter wessen Kommando es fährt."

Alfred seufzte tief. So hatte er sich seinen ersten Schritt in die Wirtschaft auf deutschem Boden nicht vorgestellt. Sein Bruder lag verletzt im Lazarett, eine gesamte Schiffsladung an teuren Chemikalien und Ausrüstung auf dem Meeresboden, und sein Ruf in Kiel vermutlich bald im Argen, sobald sich die Gerüchte rumgesprochen hatten, dass ein Schwedischer Unternehmer für Tod und Zerstörung am Kieler Hafen verantwortlich sei.

"Mehr kann ich Ihnen im Moment zu meinem Bedauern nicht sagen. Und wie Sie sicherlich mitbekommen haben, habe ich noch einen Bruder zu versorgen und den Schaden einer verlorenen Fracht und einiger Menschenleben abzuschätzen. Sie sind auch beschäftigt, Herr von Lüttjenburg, es ist bereits spät und Sie haben morgen früh schließlich einen Termin beim Herrn Bürgermeister. Kümmern Sie sich nicht um die Tasche, ich werde vermutlich selbst das Gasthaus aufsuchen müssen. In meinem Aufzug wird mich die Aufsicht ohnehin nicht in das Lazarett lassen."

Müde lächelte Alfred Carl zu und gab ihm, Conrad und Karl noch ein Mal abschließend die Hand. Mit seiner noch verbleibenden Energie setzte der Schwede den Laufschritt an und stapfte durch die tiefen Pfützen des Kieler Hafens in Richtung Lazarett, um seinen Bruder zu finden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 07.06.2011, 22:34:58
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:47 Uhr - Am Hafen

Während Alfred davoneilte, dachte der Regen nicht im Entferntesten daran, auch nur eine Nuance nachzulassen. Die Förde brannte noch immer zum Teil lichterloh, weshalb manche Soldaten jetzt die nur leicht beschädigte Helka nahmen, nachdem sie einiges an Löschausrüstung auf den motorisierten Kutter gebracht hatten. Erst jetzt stellten sie wahrscheinlich fest, dass der Kolben der Dampfmaschine den Geist aufgegeben hatte und so improvisierten sie und brachten mehrere Wasserbottiche am Hafenbecken in Bereitschaft, sodass angeschwemmte und brennende Trümmerstücke gelöscht werden konnte, so es mit Wasser möglich war. Es würde bei manchen brennenden Substanzen schwer werden, aber der Hafen war nicht wirklich in Gefahr, auch wenn der Wellengang manche Trümmerstücke auf die Molen tragen würde.

Nur noch wenige Schaulustige standen am Hafen, manche halfen sogar beim Schleppen der Wasserkübel, um die großen Bottiche zu füllen. Langsam kam dabei ein Mann auf die noch rumstehenden Studenten zu. Er trug einen Zwicker auf der Nase und schützte sich durch nur notdürftig durch einen zweckentfremdeten Parasol[1] vor dem Regen. Er trug einen fein geschnittenen, monochromen Anzug, welcher wahrscheinlich anthrazit war, was im schwachen Licht nur schwerlich zu erkennen. Seine Haare waren fein zur Seite gescheitelt, ein kleiner Schnauzer lag zwischen Nase und Lippen. Er erhob die Hand zum Gruße, wobei der Wind ihm fast den Sonnenschirm entriss. "Auf ein Wort, Männer! Auf ein Wort!" Auffällig war seine hohe, gewölbte Stirn. Er war bestimmt noch keine dreißig Jahre alt. "Ein alter Braunschweiger bietet euch seine Hand, zumindest wollte er das, würde der Wind sie nicht an den Schirm fesseln."
Mit einem Lächeln wartete er ab, ob die erschöpften Studenten überhaupt mit ihm reden wollten.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:47 Uhr - Im Lazarett

Das Lazarett war nicht weit entfernt und Alfred Nobel musste auch nicht lange nach dem Eingang suchen, da kleine Hinweisschilder, welche vor allem für die Orientierung der Soldaten gedacht waren, ihn schnell zum Eingang leiteten, der ansonsten auch hinter dem Unteroffiziersheim gut versteckt gewesen wäre. Es war schon ein kleine Erleichterung, als Alfred in den schwach beleuchteten Eingang des Lazarettes kam, schließlich konnte er Wind und Regen hinter sich lassen.

Es standen mehrere, leere Tragen in der Eingangshalle und zwei Soldaten stellten sich dem Schweden gleich entgegen. Er hatte sie eben unter jenen gesehen, welche die Verwundeten in das Lazarett gebracht hatten. Doch trotz des Dazwischenstellens konnten sie Alfred schnell weiterhelfen und so folgte der Schwede den beiden Holsteinern durch einen noch schwächer beleuchteten Seitengang, wo es nach starkem Alkohol roch und fast übernatürlich warm war. "In den Zimmer wurden überall kleine Eisenkessel entflammt, damit die Verfrorenen wieder auftauen.", erklärte einer der beiden Soldaten und es fiel ihm sichtlich schwer hochdeutsch zu sprechen, weshalb er den Satz unnötig dehnte. Obwohl Alfred keine Türschilder lesen konnte, trat der Soldat zielsicher auf eine Tür am Ende des Flurs zu. Er öffnete sie und geleitete den Schweden in den Raum, während der andere Soldat zurück in den Eingangsbereich ging. Es fiel auf, dass sie die Verwundeten schnell auf Zimmer gebracht hatten. Es lag keiner auf den Fluren rum.
Zwischen zwei Betten war ein Eisenkessel gestellt wurden, in dem ein kleines Feuer brannte. Mehrere Rauchverzehrer waren aufgestellt wurden und eine aufwendige Glocke war über das Feuer gestülpft, sodass das im Haus brennende Feuer keinen erstickte. Es roch dennoch schwach nach dem Rauch und nach der ganzen Kälte der See fing Alfred sofort an zu schwitzen.
Es waren momentan keine Ärzte in diesem Raum, nur der Soldat, Alfred, Emil und ein Alfred unbekannter Mann, welcher jedoch schwer am Kopf verwundet schien und bewusstlos auf seinem Bett lag. Man hatte seinen Kopf notdürftig verbunden, aber der Verband war schon durchgeweicht.

Emil war bereits wieder bei vollem Bewusstsein und blickte Alfred an. Unter Mühe richtete er sich auf und setzte sich so bequem hin, wie es seine Beinwunde zuließ. "Na, Bruderherz.", versuchte er mit einem Lächeln zu sagen, was jedoch zu einer schmerzverzerrten Grimasse wurde, da er sein Bein falsch bewegte. "Immer Ärger mit deinem kleinen Bruder, was?" Sein Gesicht war verschwitzt und so konnte Alfred nicht mit Gewissheit sagen, ob es ein Schweißtropfen oder eine Träne war, welche seinem Bruder aus dem Gesicht rann. Mühsam betastete er seinen Verband, der ebenfalls schon fast durchgeweicht war. "Ich werde nachher gleich operiert. Sie sagen, es könnte ein Muskel kaputt sein und könnte ein paar Tage Ruhe brauchen. Sie müssen aber nur flicken und nähen. Leider haben sie keine Betäubung für mich, weil ich schon zu viel Blut verloren habe. Das wird hart." Er lächelte gequält, trotz der Furcht die in seinem Blick lag.
 1. Sonnenschirm
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 08.06.2011, 11:07:05
Glücklich blieb Alfred am Türrahmen stehen und lächelte seinen Bruder an. Die wohlwollende Erleichterung zu sehen, dass Emil trotz seiner misslichen Lage noch immer zu scherzen bereit war, ließ den großen Bruder kurz auflachen.

"Unsinn," bedeutete er kurz und trat näher. So ganz eindeutig war es jedoch nicht, ob er die medizinische Behandlung oder Emils Scherze für Unsinn hielt. Kritisch beäugte Alfred den Verband an Emils Oerschenkel. Zwar konnten sie beide nur von Glück sprechen, dass es eine harmlosere Wunde war, als sich viele andere Männer diese Nacht zugezogen hatten, aber dennoch blieb Alfred skeptisch gegenüber der vorstehenden Behandlung.

"Hast Du schon mit dem Arzt gesprochen? Taugt der Mann etwas?", fragte Alfred mit vorsichtiger Miene. "Du wirst Dich nicht von einem Quacksalber behandeln lassen. Ich kann meine Tasche holen, den Blutverlust können wir vermutlich schnell wieder ausgleichen. Dann kannst Du Dich noch immer entscheiden, ob Du Dich wie ein billiges Stück Stoff zusammennähen lassen willst. Ich habe noch einige Reagenzien über, ich brauche nur meine Tasche." Fragend schaute Alfred Emil an. Sein hoffnungsvoller Blick schien nur darauf zu warten, dass sich sein kleiner Bruder gegen eine rabiate Behandlung durch überbeanspruchte Militärärzte und für die alchemisch magischen Mittel Alfreds entscheiden würde. Routiniert klopfte Alfred seine eigenen Westentaschen ab und fand seine kleine goldene Taschenuhr. Das wertvolle Schmuckstück hing an einer feinen goldenen Kette mit einer Klammer an einem Knopfloch, mit einer feinen Handbewegung ließ Alfred den Sprungdeckel aufschnellen.

"Es ist knapp Viertel vor eins. Was sagst Du?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 08.06.2011, 15:38:28
Na wunderbar, erst traut sich keiner raus und kaum sind wir wieder zurück können sie es kaum erwarten uns die Hand zu schütteln...
Lächeld dreht Karl sich zu dem Neuankömmling um. "Sprecht, Herr..." dabei macht er eine kleine Pause, um ihm Gelegenheit zu geben, sich vorzustellen. "Was habt ihr auf dem Herzen?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.06.2011, 21:23:35
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:49 Uhr - Am Hafen

"Auf dem Herzen nicht viel, zumindest nichts, was ich mit mir Unbekannten teilen würde.", sagte der Braunschweiger mit einem schnippischen Lächeln und deutete eine Verbeugung an. "Bis hierhin und noch weiter soll es unserer gemeinsamen Zeit Genüge tun, wenn Sie wissen, dass man mich den Schwarzen Braunschweiger[1] nennt." Sein Lächeln wurde nun etwas süffisanter, seine Worte der einfachen Freundlichkeit wirkten zunehmend blasiert. "Obzwar ich es bevorzugen würde, in der Gesellschaft einer adretten Dame zu sein oder meine Ansprache an eine solche zu adressieren, werde ich mit Ihnen Vorlieb nehmen müssen, so zuwider es mir auch sein mag."
Der Mann hielt sich umständlich an seinem Parasol fest und strich sich über seinen Schnauzer, während er Karl, Carl und Conrad musterte, immer noch mit diesem süffisanten Blick. Carl von Lütjenburg sah in dieser Tracht den Soldaten verborgen, auch wenn der Schwarze Braunschweiger sich anders zu geben versuchte, auch er war nicht ganz trittsicher in dieser Situation, und tendiere zu soldatischen Verhaltensweisen. Carl konnte gut seinem Blick folgen, wie der Braunschweiger nach Bewaffnung, Rüstung, Auswegen und Schwächen forschte. Es musste ein Soldat sein und hatte Carl nicht in seinen alten Tag schon von diesem jungen Mann gehört?[2]

Der ungewöhnliche Bote wartete kurz, bis er die ungeteilte Aufmerksamkeit hatte und fing dann an zu rezitieren, dies wurde schnell deutlich, durch die Geschliffenheit der Worte und seine Tonlage.
"Werte Herren,
es übermittelt der Herzog seine Grüße, wenn auch mit Bedauern feststellend, dass er zutiefst pikiert, wenn nicht brüskiert ist, durch Ihr Eingreifen in der hiesigen Streitfrage, von der Sie bedauerlicherweise kaum Kenntnis, geschweige denn die Fähigkeit zur Partizipation haben.
Sein Durchlaucht lässt ausrichten, dass Sie hiermit zur vollständigen Kapitulation und Unterwerfung aufgefordert sind. Und wenn Sie den Geist eines Ehrenmannes verstehen, ist es an Ihnen, sich zur kurz vor der Mittagszeit, zur elften Stunde, auf dem Gebiet des Gutes Emkendorf[3] einzufinden. Wenn sie diesen Ehrenbeweis bringen und sich eingestehen, dass sie keine Ahnung hatten, was sie am heutigen Abend in Ihrem Wahnwitz getan haben, soll es nicht Ihr Schaden sein.

Seine Durchlaucht grüßt zum Abschied und wünscht den Herren Weisheit, Edelmut und freiherrlichen Anstand."

Der Schwarze Braunschweiger verneigte sich nochmal und sparte nicht mit pathetischen Gesten dabei. "Meine Herren, Sie haben die Bitte seiner besonderen Durchlaucht gehört. Wenn Sie Ihren Fehler anerkennen und nicht in stumpfsinnigen Widerstand gegen mein Gebaren und die harschen Worte seiner Durchlaucht verfallen, werden wir uns in zwei Stunden vor dem Lazarett treffen, wo eine Kutsche auf Sie warten wird. Sammeln sie ihre engsten Gefährten und die Herren Nobel ein. Wir werden dann nach Emkendorf unverzüglich aufbrechen. Enttäuschen Sie sich und uns nicht, meine Herren."
Der Schwarze Braunschweiger schüttelte seinen Parasol aus, drehte auf den Absätzen und begann, sich zurückzuziehen.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:49 Uhr - Im Lazarett

"Beim besten Willen, Bruder, du bist einfach kein Arzt. Sicher mag es dir wie in einem Schlachtstall vorkommen und wahrscheinlich ist er dies auch, aber dennoch. Die Holsteiner wissen doch ganz genau, dass ihnen der Geldbeutel an allen Stellen zwackt und ausläuft. Ich habe ein paar Taler bezahlt, um eine Vorzugsbehandlung zu bekommen."
Emil lächelte verkniffen. Die Schmerzen mussten kaum auszuhalten sein. Seine Augen waren dauerhaft feucht und doch hielt er sich für die Umstände außergewöhnlich tapfer. Abrupt wechselte er das Thema.
"Greif in die Innentasche meiner Jacke, Alfred. Sie hängt dort drüben an dem Nagel." Mit seiner blutverkrusteten Hand zeigte er auf eine karge Wand, an der auf den Boden ein altes, bleiches Bild eines Schiffes stand. An dem frei gewordenen Nagel hing eine völlig durchnässte, einfache Lederjacke, welche ihr Wasser auf das Bild warf. "In der Innentasche ist ein Päckchen in Ölpapier.[4]"

Alfred wusste von Emils Passion für die Photographie. Emil hatte sogar einmal Gustave Le Grey[5] besucht, trotz des Widerstandes seiner Brüder und seines jungen Alters, um vom Großmeister der Photographie zu eernen. Seitdem trug er auch immer Ölpapier mit sich herum, welches wasserdicht war. Es war aufwendig herzustellen und ziemlich teuer. Alfred wusste, dass Emil wirklich etwas Wichtiges eingepackt haben musste. Alfreds Hand ertastete das Paket in der nassen Tasche. Es hatte die Größe eines Kartenspiels und auch wenn sich das Ölpapier leicht feucht anfühlte, war der Inhalt sicherlich trocken geblieben. Aber wollte Alfred überhaupt wissen, was darin verborgen lag? Die Tonlage Emils deutete daraufhin, dass es von außerordentlicher Bedeutung war, schließlich schwang sowas wie Angst in der Stimme seines Bruders mit, und der war eigentlich eher ein Draufgänger. Aber vielleicht war auch nur seine Wunde Schuld daran? Ein Blick in Emils Augen verriet seine Anspannung und Aufregung.

Die Tür öffnete sich derweil und zwei Männer traten heran, sie trugen ihre Uniformen und dennoch wurde relativ klar, dass diese beiden, blondhaarigen Männer Ärzte oder Ersthelfer waren. Einer der beiden trug eine Lupe mit sich herum, war von hohem Alter und mit einer sehr hohen Stirn ausgerüstet, der andere Mann war deutlich jünger, vielleicht zwanzig Jahre alt und trug allerlei Verbandszeug, Schere, Nadel und Messer mit sich herum, welche Emil sofort recht bleich werden ließen. Der ältere Mann, der vielleicht um die fünfzig Jahre alt war und durch seine großporige Kartoffelnase auffiel. Er war keine sechs Fuß groß und ging etwas gebeugt, als hätte er ein Leben unter Deck hinter sich. Der jüngere Mann wirkte deutlich großspuriger, hatte eine ordentliche Haltung, noch nicht vom Leben gebeugt.
"Emil Nobel, nehme ich an.", begann der ältere Mann. "Ich bin Doktor Kern. Lassen Sie sich sagen, dass sie eine gute Wahl getroffen haben, einen alten Landwehroffizier anzufordern, der zugleich die Medizin studiert hat."
Emil stammelte nur, der Blutverlust trug nicht zu seinem Wohlbefinden bei. Der Doktor realisierte diesen Umstand sofort.
"Und Sie sind? Wenn ich das richtig verstanden habe, müssten Sie sein Bruder sein. Da ihr Bruder von Ihnen bei seiner Einlieferung gestammelt hat, aber zu keiner Entscheidungsfindung mehr fähig scheint, muss ich Sie fragen, ob ich Ihn jetzt operieren darf. Ich sage Ihnen...", er hielt kurz inne und schaute sich den Verband an, löste ihn ein wenig und befühlte die Wunde. Emil hatte sich bereits hingelegt, er schien überfordert mit der Situation oder das Delirium setzte ein. "wir sollten sofort operieren, wenn Sie das Bein retten wollen."
Während der jüngere Mann einen Tisch heranzog und das Werkzeug eines Chirurgen ausbreitete, nickte der ältere Mann mit der Knollnase aufmunternd. "Keine Sorge. Wir schaffen das schon."
Und auf einmal gab es noch andere Probleme, als einen unbekannten Gegenstand eingewickelt in Ölpapier.
 1. Schwarze Braunschweiger (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Schar)
 2. Ich gewähre dir, Carl, einen Wissen (Geschichte)-Wurf, bei dem du die DC 10-Begrenzung ignorieren darfst.
 3. Gut Emkendorf (http://www.herrenhaus-emkendorf.de/)
 4. Ölpapier (http://de.wikipedia.org/wiki/Ölpapier)
 5. Gustave Le Grey (http://en.wikipedia.org/wiki/Gustave_Le_Gray)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 11.06.2011, 00:33:11
Carl war zu abgebrüht, als dass ihn diese Wendung zur Weißglut getrieben hätte, aber dennoch spürte er, wie ihm die Worte des schwarzen Braunschweigers ärgerten. Der schwarze Braunschweiger... da war doch was... Sollte es tatsächlich eben dieser Mann sein? Ein Attentäter und Scharmützler? Carl war beinahe froh darum es nicht genau zu wissen, hätte es ihn wohl doch in den Zorn getrieben, wenn eine derartig heimtückische Gestalt von Ehre und Anstand redete.

Betont gelassen nahm er die forschenden Blicke des Mannes hin und behielt eine Haltung bei die denkbar ungeeignet zu verteidigen wäre, wenn er einen Angriff erwarten würde. Carl hatte keine Angst vor dem Auftritt des Mannes und wenn er ihn das spüren lassen konnte, dann war das umso besser.

Sein Ausdruck veränderte sich allerdings als er die Worte des Mannes vernahm. Wahnwitz? Kapitulation und Unterwerfung? Nicht die Fähigkeit zur Partizipation? Carls Miene gefror zu Eis und es war wohl ein Segen, dass er nicht bewaffnet war, denn er verspürte den großen Drang diese herablassende Haltung seines Gegenübers zu korrigieren.

Carl schluckte schob seine Verärgerung beiseite und machte seinem Pflichtgefühl platz. "Einen Moment, Braunschweiger. Carl Heinrich von Lütjenburg, wenn sie gestatten."
Carl veränderte seine Haltung so, dass er demonstrativ vor seinen Kommilitonen stand und reckte das Kinn stolz und herausfordernd hervor.
"Diese Männer trifft keine Schuld. Sie schlossen sich in ihrer Tugendhaftigkeit mir an und handelten alleinig auf meinen Befehl. Sie dürfen nicht für meine Entscheidungen verantwortlich gemacht werden! Ich bin der Einzige von uns der dafür Geradestehen muss, dass in dieser Nacht Menschenleben gerettet wurden."

Es war nicht die Absicht sich hervor zu tun, die Carl dazu brachte, dies zu sagen. Er war sich sicher, dass seine Freunde genauso hinter ihrem Handeln standen wie er selbst. Aber etwas schien nicht zu stimmen. Hätten diese Menschen sterben sollen? Und das Ganze schien etwas mit Alfred Nobel und seinem Bruder zu tun zu haben, warum sonst war auch ihre Anwesenheit verlangt worden? Carl jedenfalls hatte kein sehr gutes Gefühl bei der Sache und so wollte er versuchen seine Kameraden vor Schaden zu bewahren.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 11.06.2011, 15:40:27
Berechnend nickte Alfred bei den Worten des Herrn Doktors. Der Gesichtsausdruck des älteren Bruders war angemessen ernst, angestrengt nachdenkend und abschätzend wechselte sein Blick zwischen Emils immer bleicher werdendem Gesicht und dessen Wunden. Beiläufig griff seine Hand in die Tasche seines Paletot und ließ das kleine Päckchen dort verschwinden.

"Ich will ehrlich sein, Herr Doktor, der Blutverlust macht mir sorgen." Ernst und durchdringend schaute Alfred Doktor Kern an, seine Augenbrauen streng gesenkt. Es war Alfreds Art und das Talent in seinem Geschäft, schwierigen Entscheidungen rational zu begegnen. Wenn der Blutverlust Emils noch nicht ein mal den Einsatz eines Anästhetikums erlaubte, dann konnte ein chirurgischer Einngriff nur schwerlich reibungslos verlaufen. 'Notamputation' kam Alfred in den Sinn, und so weit wollte er es nun wirklich nicht kommen lassen. Der Schwede zog seine Taschenuhr wieder aus der Weste und warf einen Blick darauf, während seine andere Hand fest die Schulter Emils ergriff.

"Es ist zwölf Uhr neunundvierzig, Doktor Kern. Bitte bereiten Sie die Operation vor. Sollte ich innerhalb von fünfzehn Minuten nicht wieder hier sein," mit einem flotten Handgriff klemmte Alfred die Uhr ab und reichte sie dem Doktor, "beginnen Sie mit der Operation. Ein Uhr und vier Minuten, nicht eine Sekunde früher, Herr Doktor. Ich vertraue Ihnen."

Da war er wieder, dieser durchdringende Blick. Schnell drückte Alfred Emils unverletzte Schulter und warf ihm einen letzten Blick zu, ehe er so schnell er konnte aus dem Zimmer hinaus in den Regen eilte. Zwar war es einerseits eine bemerkenswerte Fähigkeit Alfreds, Situationen klar und strukturiert abzuschätzen - doch ebenso war es sein Makel, dass er den Fähigkeiten anderer weniger traute als seinen eigenen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.06.2011, 13:15:15
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:52 Uhr - Am Hafen

"Gerade stehen dafür, dass Menschenleben gerettet wurden?" Der Schwarze Braunschweiger lachte auf und hielt kurz inne, drehte sich sogar um, wieder dem preußischen Offizier ordentlich entgegentreten zu können. "Wie gesagt, Sie haben nicht verstanden und konnten nicht verstehen, was sich hier zugetragen hat. Ich will Ihnen das nicht schlecht anrechnen. Es ist sehr vorbildlich, dass Sie sich vor ihre Kameraden stellen. Aber wenn wir das Ganze als Casus Belli betrachten, dann werden Sie schnell merken, dass sich während eines Krieges niemals nur ein Kommandeur unterwirft, sondern ein Kommandeur sich und seine Truppe unterwirft. Wenn Sie ein Ehrenmann sind, beherzigen Sie dies, auch wenn Ihr Pflichtgefühl Ihnen anderes abverlangen will."

Der Braunschweiger fixierte Carl und schien ihn jetzt ausgiebig zu mustern, während er den Parasol gegen den endlich nachlassenden Regenschauer hielt, welcher jetzt kein Platzregen mehr war, sondern nur noch normaler Regen. Es wirkte beinahe erlösend. Der Braunschweiger lächelte. "Sie müssen keine Angst um sich und Ihre Gefolgsleute machen, Leutnant von Lütjenburg. Ihnen wird weder körperliches und geistiges Leid zugefügt werden, welches über jene der Unterwerfung hinaus gehen. Sie werden weder mit Blut, noch mit Leben bezahlen. Sie werden Sich lediglich eingestehen müssen vor seiner Durchlaucht, dass Sie den größten Fehler Ihres Lebens gemacht haben, mit unverantwortungsvoller Torheit in das Gefecht gelaufen zu sein, ohne die notwendigen Schritte einzuleiten." Der Braunschweiger hielt mahnend den rechten Zeigefinger in die Höhe. "Ich hätte von einem preußischen Offizier erwartet, dass er um solche Umstände weiß. Dass es nicht ausreichend, einen unfähigen Oberstwachtmeister über die Hilfe zu informieren." Jetzt wurde der Braunschweiger wird schnippisch. "Sie werden mir jetzt sagen wollen, Herr Leutnant, dass Sie das Notwendige getan haben und dass die Zeit es bedingt hat, dass Sie schnell handeln." Er lächelte wissend. "Aber Sie werden sich vorwerfen lassen müssen, dass Sie es nicht einmal versucht haben. Dass Sie in etwas eingegriffen haben, dessen Tragweite Sie mitnichten verstehen können, bis jetzt. Und es geht nicht um die Menschenleben, die Sie gerettet haben oder nicht retten konnten. Aber am morgigen Tag werden Sie mehr darüber erfahren, sobald seine Durchlaucht Sie empfängt."

Der Braunschweiger deutete nochmal eine Verbeugung an und drehte sich wieder um. "Alsbald werden wir uns wiedertreffen." Dann stolzierte er weiter, ließ die Studenten im nachlassenden Regen stehen. Es war klar, dass die Studenten vor eine Entscheidung gestellt wurden, eine, welche der Braunschweiger wahrscheinlich absichtlich heraufbeschworen hatte. Sie würden entweder den Kieler Bürgermeister aufsuchen können und sich mit Oberstwachtmeister van Widdendorp gutstellen, oder sie würden diesem merkwürdigen und unbekannten Braunschweiger folgen müssen, der sich nicht nur als in Teilen unfreundlich, sondern auch sonderbar gut informiert gezeigt hat. Die Entscheidungsfindung würde durch die Müdigkeit und den möglichen Zeitdruck durch den nahen Aufbruch nicht gerade erleichtert werden. Die umstehenden Studenten schwiegen betreten.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:58 Uhr - Im Lazarett

Der Doktor nickte nur und zog seine hohe Stirn kraus. Er schien die Entscheidung nicht nachvollziehen zu können, aber es blieb ihn nicht viel anderes über. Als Alfred bereits aufbrach, rief er schließlich durch die offene Tür nach. "Wenn der Zustand schlechter wird, werde ich anfangen müssen. Beeilen Sie sich!" Eine gewisse Resignation schwang in der Stimme mit, warum auch immer. Emil lag blass und zitternd da, nachlassende Kraft und Angst ließen ihn wie Espenlaub wirken.

Alfred rannte durch die halbdunklen Gänge und glücklicherweise war der Weg aus dem Lazarett nicht sonderlich komplex, doch es stand allerlei Gerümpel auf den Wegen und Alfred machte sich augenscheinlich zu viele Gedanken. Mit einem Rumpeln stürzte der schwedische Chemiker nach einer Biegung über ein paar rumstehende Tragen und stieß sich die Knie schmerzhaft. Mühevoll rappelte er sich auf. Er durfte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Sofort fing er wieder an mit aller Kraft zu laufen, in der Hoffnung, dass er Eisenknie und eine Pferdelunge hatte.

Der Weg zur Herberge zog sich ewiglich hin, hier eine Straßenecke, dort ein Hindernis, hier ein Schnitt an den Beinen durch Gestrüpp, welches Alfred übersah. Der starke Wind hatte einige Straßenlaternen ausgepustet und dies machte den Weg nicht leichter. Mehr als einmal stolperte Alfred oder vertrat sich kurz den Fuß, doch immer mit einem glücklichen Ende, denn er verletzte sich nicht bleibend. Schnell rannte er in die Herberge, schnappte seine Sachen und ließ den Wirt des Hauses mit fassungslosen Blick stehen. Wie Alfred auch aussah. Als er nach seiner Reise ankam, war er schick angezogen und durchaus adrett im Verhalten, jetzt wirkte er abgehetzt, war voller Schlamm und Schmutz von den Stürzen und seine rechte Hand blutete leicht aufgrund einer Schürfwunde, die er sich zuzog, als er sich auf den Pflastersteinen vertrat und der Länge nach in den Dreck fiel. Und der Rückweg war nicht minder beschwerlich, unbeholfen rannte Alfred gar einen Betrunkenen, der aus einem Haus gewankt kam um, ohne ihn wirklich auszumachen. Schwerzüngig pöbelte der Mann dem Schweden hinterher, ohne dass Alfred die Worte aufnahm oder Zeit dafür hatte, sich um den Umgestoßenen zu kümmern. Die Lunge des Chemikers brannte, als hätte Robert Wilhelm Bunsen[1] das nach ihm benannte Gerät an Alfreds Lungen ausprobiert[2].
Ohne auf die umherstehenden Soldaten Acht zu geben, diesmal nicht über die Tragen stolpernd, kämpfte Alfred sich durch die dunklen Gänge zurück in das Zimmer seines Bruders. Mit letzter Kraft stieß er die Tür auf...

"Herr Nobel! Da sind sie endlich!", sagte Doktor Kern mit gewisser Entrückung. Das Bein Emils war bereits abgebunden, die Hose aufgeschnitten und die Wunde oberflächlich gesäubert. Sie sah grausam aus, die Wunde war derartig groß, dass man den offenen Knochen und den teilsweise freiliegenden und verwundeten Muskel sah. Der junge Mann desinfizierte gerade das Arbeitswerkzeug mit stark riechendem Alkohol. Emil lag bleich auf der Liege und kalter Schweiß stand auf der Stirn. "Haben Sie, was Sie benötigen? Ansonsten muss ich jetzt beginnen, wenn Sie ihn nicht in einem Holzsarg hier raustragen wollen!"
Der ältere Arzt stand deutlich unter Druck und er musste sich scheinbar sehr zusammenreißen, nicht einfach mit der Operation zu beginnen. Als wäre es ihm schmerzhaft, dem Leid einer anderen Person zuzuschauen. Er zitterte leicht und schien aggressiv über diesen Umstand geworden zu sein. "Machen sie hin!", brüllte er Alfred trotz dessen Mühe an. Nicht nur Alfred schienen die Minuten ewig vorzukommen. "Machen sie, beim heiligen Vater, hin!"
 1. Robert Wilhelm Bunsen (http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Wilhelm_Bunsen)
 2. Ingesamt 28 Schaden (nonletal)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 14.06.2011, 09:42:26
Nachdenklich sah Karl dem Braunschweiger hinterher. Komischer Kauz. Und wieso haben wir in Dinge eingegriffen, deren Tragweite wir mitnichten verstehen können.
Dann wendet er sich wieder an die anderen. "Ich denke, wir sollten morgen zum Bürgermeister gehen. Es interessiert mich zwar in höchstem Maße wo wir da eigentlich reingeraten sind. Aber vermutlich sind wir dem Braunschweiger nicht zum letzten Mal begegnet - und dann sind wir auf das Treffen vorbereitet oder können bestenenfalls sogar dafür sorgen, daß es nach unseren Bedingungen läuft und nicht nach den seinen!"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 14.06.2011, 13:43:46
"Ich habe mal etwas über eine Person gehört, die sich selbst als schwarzen Braunschweiger bezeichnet. Kein angenehmer Zeitgenosse nach dem was man so sagt und ein Attentäter obendrein, ein Nationalist zwar, aber liegt auf diesem Wege keine Ehre. Ob er dieser Jemand ist, ich weiß es nicht, aber er hat gedient, nach der Art wie er uns nach Waffen gemustert hat... definitiv."

Erst jetzt sah Carl seine Gefährten an. In seinem Gesicht war gekränkter Stolz und Wut durchaus zu erkennen. "Ich brauche keine Belobigungen, das ist unnötige Renommisterei und ich will mir später nicht nachsagen lassen ich ginge einer Konfrontation aus dem Weg. Ich werde dorthin fahren, aber nicht um zu kapitulieren oder dergleichen. Wir haben das einzig ehrenhafte getan, dass wir hatten tun können. Dafür werde ich mich nicht entschuldigen, aber dafür werde ich jederzeit einstehen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 16.06.2011, 19:06:18
Die ganze Zeit während des Auftretens des Schwarzen Braunschweigers überlegt Conrad, wo er diesen Namen schon mal gehört hat. Dieser Name kommt ihm seltsam bekannt vor. Nach langem Überlegen sagt er vorallem in Richtung Carl von Lütjenburg:

"Auch mir ist der Name Schwarzer Braunschweiger nicht gänzlich unbekannt, Carl. Ich habe mal in der Eckkneipe 'Gerds Eck' von ihm gehört. Gerüchten zufolge ist der Schwarze Braunschweiger wohl einmal Seemann bei der Royal Navy gewesen und hat sich vor allem einen Namen als Kanonier und Fechter gemacht. Ende der 50er ist er in die amerikanischen Dienste getreten und zuletzt direkt nach dem Bürgerkrieg nach Kiel zurückgekehrt.  Manche munkeln, dass er freundschaftlich mit Friedrich von Augustenburg verbunden ist. Vielleicht hat dieser auch mit seiner Rückkehr zu tun.

Aber jetzt noch zu etwas Wichtigem: Ich werde Dich begleiten Carl. Ich bin nicht zu feige mich diesem Schwarzen Braunschweiger und seinem Herzog zu stellen. Wir haben nichts Unrechtes oder Unehrenhaftes getan, insofern könnten wir auch zu unseren Taten stehen, da gebe ich dir völlig recht. Ich muss bloß noch bis zum Treffen in zwei Stunden ein paar Sachen daheim einpacken und würde dann pünktlich zum Treffpunkt kommen."

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 19.06.2011, 09:03:51
"Nun gut, sei es so! Wir haben es zusammen angefangen, also beenden wir es auch zusammen - ich komme auch mit zum Herzog." Karl ist zwar anzusehen, daß er mit der Entscheidung nicht sehr glücklich ist (ein wenig Bekanntheit hat einem Schriftsteller noch nie geschadet) aber im Stich lassen mag er seine Kameraden dann doch nicht....
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 19.06.2011, 16:58:43
Carl blickte seine Freunde an und es fand sich ehrliche Rührung in seinem Blick. Gewiss, er wäre auch allein gegangen, aber so war es deutlich angenehmer sich seinem Schicksal zu stellen.

"Danke, meine Freunde. Ich werde es euch bei der nächsten Gelegenheit wieder gut machen, das verspreche ich euch. Ich glaube wir können bis dahin nicht viel mehr erledigen, außer vielleicht Herrn Nobel Bescheid geben und auch dem Oberstwachtmeister, dass wir morgen nicht erscheinen werden. Dann sollten wir uns in zwei Stunden wieder hier treffen, nicht unbewaffnet natürlich."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 19.06.2011, 23:30:02
"Op-!"

Hustend und keuchend lehnte Alfred am Türrahmen und ringte erbärmlich nach Luft.

"Operat---!"

Die Lungen des Schweden brannten wie Phosphor, seine Augen waren weit aufgerissen. Was für eine Hölle dieser Lauf gewesen war! Unglaubliches Kiel, wie konnte es sein, dass sich vermeintlich die gesamte Stadt gegen den Chemiker verschworen hatte? Alfred stolperte durch die Schwelle und knallte seine Tasche auf den Tisch.

"Einleiten!, hustete Alfred endlich und zeigte auf Emil. "Leiten Sie... - die Operation ein!"

Keuchend fummelte Alfred einen Schlüsselbund aus seiner Weste und schloss den kleinen Koffer auf, nicht ohne das Schloss einige Male zu verfehlen. Die Flaschen und Phiolen, die er hervorholte, bestanden fast durchgehend aus doppelbodigem Quarzglas und waren in Lederstoffe eingewickelt. Für einen kurzen Moment schloss Alfred die Augen und atmete tief durch. Drei Mal füllte er seine Lungen und stieß die Luft wieder aus. Als er seinen Blick wieder öffnete, funkelten seine Augen entschlossen auf. Was vor einer Sekunde noch zitternde Gliedmaßen gewesen waren, waren nun die Finger eines geübten und gelernten Lobranten. Alfred zog zwei dünne, filigrane Lederhandschuhe aus dem Koffer und zog sie über. Aus einer Seitentasche kramte er ein kleines Etui, klappte es auf, und zog die darin enthaltene Laborbrille außeinander. Das lederverstärkte Gummiband spannte sich über den langsam kahlenden Hinterkopf Alfreds, und der Schwede rückte die Gläser der Brille zurecht. Nun sollte es sich zeigen, ob es ihm gebührte, die Verantwortung über seinen Bruder zu übernehmen.

Alfred arbeitete schnell und sicher. Binnen weniger Minuten standen aus den vielen Phiolen in seinem Koffer zehn auf dem Tisch. Aus einer kleinen Holzhalterung ragten drei Reagenzgläser mit schimmernd fluoreszierenden Flüssigkeiten.[1] Der Schwede zog noch eine letzte Tinktur aus seinem Vorrat[2] und drehte sich zu seinem Bruder und den beiden Medizinern um, die bereits die Operation begonnen hatten. Alfred hatte die Zweifel eingesehen, die Emil bereits ausgesprochen hatte - Alfred war kein Arzt. Jedoch wusste er ganz genau, dass er die Operation des Doktors mit seinen magisch alchemischen Mitteln durchaus unterstützen konnte, und jede noch so geringe Chance, seinen Bruder wieder heil auf den Beinen stehen zu sehen, wollte Alfred nutzen. Ohne Kompromisse.

Mit einem verständigenden Nicken zu Doktor Kern und einer kurzen Absprache hob Alfred den Kopf seines Bruders und flößte ihm die Substanzen ein.
 1. Alchemie: Alfred braut 1x Lesser Restoration (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/restoration), 1x Remove Disease (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/remove-disease), 1x Cure Moderate Wounds (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/c/cure-moderate-wounds), insgesamt 3 Minuten
 2. Gegenmittel (http://www.d20pfsrd.com/equipment---final/goods-and-services#TOC-Antiplague)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 20.06.2011, 09:46:41
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:13 Uhr - Im Lazarett

Nikolaus von Myra[1] war einst der Bischof von Myra in der historschen Landschaft Lykien gewesen. Kaum einem anderen Heiligen der christlichen Kirche wurden so viele Legenden zugesprochen, wie dem heiligen Nikolaus, dessen Tag am 6. Dezember begangen wurde. Obwohl die Legenden um diesen Bischof vielfältig waren, verehrte man ihn vor allem in Zusammenhang von Lebensgeschenken, also dem Bewahren von Leben, indem er unschuldig Verurteilte vor der Hinrichtung rettete, Hungernde mit Korn vor dem Tod rettete und zu unrecht Getötete wieder zum Leben erweckte. Der Tag des Nikolaus wurde auch in Kiel begangen und wer weiß, vielleicht wirkte Nikolaus noch in diesen Tagen und bewahrte auch Emil Nobel das Leben.

Doktor Kern wartete nicht lange, ließ sich nicht zweimal sagen, dass er mit der Operation beginnen konnte. Sein Gehilfe band das Bein nochmal neu ab, während der Doktor ein weißes Tuch in scharfen Alkohol tunkte, welcher Alfred auf ein Meter Entfernung Schlieren vor den Augen entstehen ließ, und damit die Wunde von Emil säuberte. Dieser stöhnte, der Situation vor Schmerz entrückt, nur hier und da gequält auf, während kalter Schweiß weiter auf seiner Stirn stand. Doch der Landwehroffizier verstand sein Handwerk scheinbar und untersuchte die Wunde nochmal ordentlich, wohl wissend, dass er Emil damit zwar unmittelbar quälte, aber mittelbar das Leben rettete. Mühsam zog er einen großen Holzsplitter aus dem Bein des jungen Emil und legte ihn auf einem kleinen Tischen ab. Er war fast sieben Zentimeter lang und zwei Zentimeter dick und hatte sich tief in das Fleisch des jungen Mannes geschlagen. Doktor Kern kommentierte diesen Fund nicht, aber es schien, dass er Erfahrung mit Splitterverwundungen hatte, wahrscheinlich war es nicht übertrieben zu behaupten, dass dieser Mann wahrscheinlich bereits in aktiven Schlachtgeschehen Menschen das Leben gerettet hatte. Der Doktor und sein Gehilfe sprachen nicht viel miteinander, sie waren jedoch gut aufeinander eingestellt und so fand das Säubern, Desinfizieren und die Übergabe der Arbeitswerkzeuge fast automatisch statt.

Alfreds Tinkturen und Mittelchen sorgten für die letzte Erlösung, auch wenn Doktor Kern ihn relativ lange damit aufhielt, während der Operation diese Mittelchen zu benutzen. "Lassen Sie mich vorerst das Werk des Schlachters machen, bevor Sie Ihr Zeug nutzen.", hatte er kurz angebunden gesagt, nachdem er Alfred auch immer kurz bei dessen Bemühungen beobachtet hatte. Erst nachdem der Arzt die Wunde nochmal ordentlich gesäubert hatte und sich dessen versichert hat, dass keine Rückstände der Splitter im Bein verblieben sind, legte er Naht und Faden zurecht. Jetzt ließ er Alfred auch seinem Bruder die Mittelchen einflößen und unterstützte diesen dabei. Emils Schluckreflex musste mit Massieren des Halses ausgelöst werden, die Schmerzen ließen den Körper nicht so reagieren, wie er auf Flüssigkeit sollte. Aber mit etwas Geduld bekamen sie Emil zum Trinken der vor Ort hergestellten Mittel. Tatsächlich reichte es aus, dass Kern die Wunde nur kurz geklammert hatte, denn die heilende Substanz, welche Alfred hergestellt hatte, ließ einen Großteil der Wunde unversehens wieder zuwachsen, sodass der Gehilfe schnell das Zunähen der nur noch kleinen Wunde übernehmen konnte.
Emil hustete laut auf und augenblicklich kehrte Farbe in sein so gequältes Gesicht zurück. "Wo bin ich?", sagte er mit noch immer schwacher Stimme und blickte sich nervös um. "Bruder!", sagte er beruhigt, als er Alfred neben sich wahrnahm. Emil ließ sich wieder zurücksinken und atmete beruhigt ein und aus. "Es war furchtbar. Ich habe geträumt, dass als Preußen verkleidete Dänen mich in einen Spießrutenlauf[2] schickten. Ich spürte jedes Bajonett und jede Lanze."
Doktor Kern lächelte nur milde. Er wusste, dass Emils Kampf um das Leben wirklich einem solchen Lauf ähnelte, das Delirium hatte eine Überreaktion des Körpers verhindert. Wahrscheinlich war es besser, Emil nicht zu erzählen, wie nah er dem Tod gewesen war. "Sie werden überleben, Herr Nobel. Nur keine Sorge, das wird ein Traum bleiben." Doktor Kern klopfte Emil auf die Schulter und packte dann mit seinem Gehilfen seine Sachen. "Sie entschuldigen.", begann er, "Aber es warten noch weitere Patienten auf mich. Aber lassen Sie sich sagen, Herr Nobel, dass Ihre Mittelchen ein willkommene Hilfe sind. Es ist eine Schande, dass die Pharmazie noch nicht immer einheitlich an universitäre Regeln der Ausbildung[3] gebunden ist. So ist es immer schwer, einen Meister seines Faches von einem vermaledeiten Scharlatan zu unterscheiden. Verzeihen sie mir also, dass ich vorerst Zweifel hatte. Zwar haben Sie die Liebe eines Bruders gezeigt, aber anfangs auch eine übertriebene Unruhe, so hat es gedauert, bis ich Ihren Mitteln die Wirkung zugetraut habe. Sie haben mich jedoch nicht enttäuscht. Auf Wiedersehen." Er reichte Alfred die Hand und verließ dann mit seinem Gehilfen und gepacktem Arztkoffer wieder den Raum.
Emil atmete wieder ruhig and starrte an die Decke. "Jedes Bajonett und jede Lanze.", wiederholte er Auszüge aus seinem Traum.
 1. Nikolaus von Myra (http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Myra) - Nikolaus ist übrigens auch ein Heiliger der Seefahrt, der in schweren Stürmen auftaucht und die Navigation von Schiffen übernimmt und Schiffsbrüchige errettet.
 2. Spießrutenlauf (http://de.wikipedia.org/wiki/Spießrutenlaufen)
 3. Das passiert in Deutschland erst 1875.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 21.06.2011, 16:36:55
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:10 Uhr - Im Altenstift

Die katholische Ordensschwester spürte, dass etwas nicht stimmte. Es ist als würde sie auf einmal müde werden. Sie hatte den Drang zu schlafen, aber das einströmende Adrenalin, welches einherging mit der Auftauchen zweier Arme, welche fast schon stählern in ihrem Griff wirkten und ihr ein Tuch, welches mit irgendeinem Stoff versetzt war, auf das Gesicht drückten, verhinderte ihr Wegdämmern. Sie konnte es aus den Augenwinkeln erahnen. Die mysteriöse, hünenhafte Gestalt mit dem elfenbeinweißem Gewehr stand hinter ihr. Der Gewehrkolben ragte über seine Schulter, ebenso ein in zwielichtigen grün leuchtender Stab, welche den Hünen und die Schwester in unheilvolles Licht tauchten.

Noch immer hatte scheinbar kein Passant oder Anwohner die Szene wahrgenommen, alle Fenster und Türen blieben verschlossen. Hermene und der Fremde waren allein...

Hermene fluchte innerlich, als sie dieses wirre Gefühl bemerkt. Wie konnte sich der Schütze so unbemerkt anschleichen? Und vor allem: Warum konnte er sie offensichtlich sehen? Hatte er etwa ebenfalls göttliche Gaben?

Hermene zögerte jedoch nicht lange und erhob sich wieder in die Lüfte, um dem drohenden Griff des Feindes zu entkommen. Sie musste herausfinden, ob der Schütze sie sehen konnte, oder ob sie den Vorteil der Unsichtbarkeit weiterhin auf ihrer Seite hatte. Schnell kreirte sie einen Soldaten, der als Illusion hinter dem Gegner erschien. Mit einer dunklen Stimme ließ sie ihn sprechen. "Hier bin ich, gottloser Mörder!", schrie das Trugbild dem Schützen in den Rücken.[1]

Einen kurzen Augenblick blickte das humanoide Wesen hinter sich und machte während es sich wieder umdrehte eine wegwerfende Handbewegung, ehe sie ihr Gewehr zog. Der elfenbeinweiße Kolben wurde durch seinen merkwürdigen Stab in ein zwielichtiges Grün getaucht. Schwester Hermene hatte diesen Gewehrtyp schon einmal gesehen. Niederländische Soldaten, die bei einer Übung Schiffsbruch erlitten hatten und in Hermenes alter Heimat versorgt wurden, hatten diese Waffen bei sich. Musketoon nannten sie diese etwas größeren Musketen, welche deutlich grausamere Löcher in menschlichen Fleisch rissen. Es erklärte auch die furchtbare Wunde in Marius Brust, er musste ihn voll erwischt haben. Mit einem unwirklich wirkenden Grunzen legte er die bereits geladene Waffe an und zielte auf Hermene. Er schien sie zu sehen, oder zumindest zu erahnen. Er verriss jedoch beim Durchziehen des Abzugbügels, der Schuss prallte wenige Zentimeter neben Hermene an der Wand ab. Der Lärm der Waffe war ohrenbetäubend und durchdrang sogar den starken Regen und den heftigen Wind. Wieder dieses Grunzen, diesmal ärgerlicher. Er zog an einem Hebel an seiner Waffe. Sie schien eine Repetiervorrichtung zu haben. Er zielte wieder auf die Schwester...

Hermene warf abermals einen Blick um sich, um die Umgebung zu überprüfen - niemand sollte sie sehen, wenn sie ihre wahren Kräfte offenbarte. Als sie niemanden erkennen konnte, erhob sie beide Arme. "Herr, steh mir bei und richte diesen Sünder", sagte sie, eher zu sich, als dass es jemand hören sollte. In ihren Händen formte sich eine Kugel aus Luft, die immer schneller zu rotieren begann, und ein Surren ertönte, und plötzlich ein ohrenbetäubender Knall, und der Ball schoss auf den Angreifer zu. Das Geschoss explodierte, und seine Wucht war deutlich zu sehen, denn der Regen wurde zur Seite gedrückt und der Schütze durchgerüttelt. Der Knall drohte ihn ertauben zu lassen. Hermene prüfte einen kurzen Augenblich seine Reaktion, bevor sie hinter der Ecke des Gebäudes verschwand.

Ein ohrenbetäubender Knall und der vermummte Unbekannte wankte einen Moment schwer getroffen, sein Körper dampfte durch den Einschlag der beeindruckenden Fähigkeiten Hermenes, doch bewies der Unbekannte eine außerordentliche Zähigkeit. Einen gewöhnlichen Menschen hätte Herme mit diesem Angriff umgebracht oder zumindest in die Nähe des Todes gebracht, so wie der Unbekannte Marius zugerichtet hatte. Und doch der Unbekannte rannte dampfend hinter eine angrenzende Hauswand und behielt dabei Hermenes Bewegung im Auge, verschaffte sich, als hätte er die Bewegung der Nonne vorhergesehen, wieder eine Schussposition. Die Schwester wurde fast komplett von der Hauswand der studentischen Kate verdeckt, so war es ein abenteuerlicher Versuch zu schießen, er wagte ihn. Ein weiterer ohrenbetäubender Knall, aus der Position schien der dampfende Unbekannte nicht wirklich schießen und treffen zu können. Hermene spürte den Luftzug Kugel, die knapp an ihrem Kopf vorbeisauste. Er hatte verschossen, gerade so konnte sie erahnen, dass er nachladen musste. Sie schien das Zepter in diesem Kampf zu schwingen.

Der Bastard schien es ernst zu meinen. Er wollte sie töten. Sie umbringen. Doch Hermene verstand das Spiel nur zu gut mitzuspielen. Sie bedauerte es, dass ihr Donnerschlag seine volle Wirkung verfehlt hatte, doch sie war noch nicht am Ende mit ihrem Latein. "Herr, läutere diesen Ungläubigen, der mit den Waffen Satans Unschuldige Menschen angreift, Abbilder deiner Selbst auf Erden", flüsterte sie, wobei sie begann, ihre Finger zu verdrehen, als würde sie etwas kneten und formen. Über dem Kopf des Schützen erschien eine leuchtende Lanze, die sogleich auf ihn herabfuhr, dirigiert von Hermene, die versucht,e den Schützen mit ihrer göttlichen Waffe zu durchspießen. Auch sie wollte ihn töten.

Die spirituelle Waffe, reinster und grobschlächtigster Magie entspringend und durch den wütenden Geist der Nonne genährt und geführt, war im Moment jedoch keine Gefahr für den Unbekannten, welcher sich geschickt zurückzog und sich aus der Sichtweite der Ordensschwester brachte, während der Wind noch immer unbarmherzig und drückend wehte und Hermene den Regen auf den Rücken presste. Ein kalter Schauer durchfuhr sie. Sie wusste, dass er Angreifer sich aus ihrem Sichtfeld zurückgezogen hatte, höchstwahrscheinlich, um seine Waffe nachzuladen. Die Nonne konnte noch klar erkennen, dass er sich hinter der Hauswand befinden musste, denn der grünliche Lichtschein reichte bis in Hermenes Sichtbereich, aber woher sollte sie wissen, ob er wirklich nachlädt? Vielleicht war das eine Falle oder er kletterte gar das Gebäude nach oben, auf das Dach, um eine bessere Position zu haben und dafür ließ er den magischen Stab zurück? Das Gebäude gegenüber der Kate war auch gerade einmal fünf Meter hoch, Hermene kannte es, es war eines der vielen neuen Bureaugebäude der Reedereien.

Hermene hätte gerne geflucht, doch dies wäre eine Sünde gewesen - niemals wollte sie ihren Herren enttäuschen. Stattdessen biss sie die Zähne zusammen. Sie knirschte leise. Sie entschied sich, dem Schützen nachzusetzen. Sie flog schräg nach oben, an den Giebel des Hauses, und gleitete über dem Dach entlang, sich stets hinter dem Giebel duckend, bis sie auf einer Höhe mit dem Feind war.

Die Schwester konnte erkennen, dass der unbekannte Hüne sich nicht etwa das Dach hochquälte, sondern gelauert hatte, dass Hermene irgendwie und irgendwann in sein Sichtfeld kam. Seine Waffe war bereits wieder geladen. Es wurde schnell deutlich, dass er zum einen, dass er ähnliche Missionen bereits durchexerziert haben musste, zum anderen, dass er aufgrund des Wetter, welches ihn und vor allem sein Gewehr furchtbar durch den starken Wind einschränkte, nicht die Initiative übernehmen wollte. Als er Hermene entdeckte, konnte diese gleich erkennen, was sein Plan sein musste. Er musste sie in eine Umgebung locken, in der ihm das Wetter nicht so behinderte und Hermene ihre Flugfähigkeit nicht zur Gänze ausnutzen konnte. Hermene konnte sehen, dass er trotz der potentiellen Trefferchance nicht schoss, sondern in die Kate sprintete

Hermene eilt über das Dach un platziert sich links neben der Tür. Sie wagt einen Blick hinein - gegebenenfalls würde sie ihre Waffe nachkommandieren und erneut nach dem Schützen schlagen lassen.

Der Schütze hatte auf den Moment gewartet, dass Hermene nur einen Moment in den Raum schaute, um sich der Anwesenheit des verhüllten Hünen zu versichern. Ungehindert vom Wind wollte der Schütze mit dem elfenbeinweißen Gewehr seine Chance nutzen und drückte gleich zweimal ab. Doch er musste dabei vorsichtig sein, denn die spirituelle Waffe, welche nach Abbruch des Blickkontaktes wieder zu Hermene zurückgekehrt war, flog heran und schlug nach dem Schützen, doch dieser hatte ein herausragendes Zeitgefühl und konnte gerade noch abdrücken, bevor die manifestierte Waffe ihn treffen konnte und beugte sich unmittelbar nach Abgabe des Schusses unter dem Schlag der geisterhaften Waffe hinweg und legte sofort wieder an und gab den zweiten Schuss ab.
Hermene musste schmerzhaft erfahren, dass der Mann seine Waffe beherrschte. Sie spürte den aufkommenden Schmerz und das warme Blut, welches aus ihrem rechten Arm lief. Eine Fleischwunde hatte die Kugel am Oberarm gerissen und ließ Hermene stark bluten. Glücklicherweise war ihre Deckung gut und ihre Bewegung schnell genug, dass sie dem zweiten Schuss nicht zu spüren bekam. Das Mauerwerk des Hauses hielt die Kugel auf.

Hermene biss die Zähne zusammen, bis ihr Kiefer schmerzte. Doch sie unterdrückte jeden Laut. Sie wollte sich vor diesem Sohn Satans nicht die Blöße geben. Sie glaubte an Gott, und das machte sie stärker als ihn. Sie würde ihn strafen für seine Sünden.

Sofort ließ sie ihre spirituelle Waffe herabrasen, um ihm möglicherweise endlich weiter zu verletzten. Er sollte ihren Zorn spüren, den Zorn des Herren. Sie erhob die Stimme, dunkel und roh: "Wer bist du, Narr, dass du dich stellst gegen den einen Herrn, der uns alle aus sich erschaffen hat?", rief sie zu ihm hinüber, und betete um die Unterstützung ihres Gottes, der den Schützen mit seiner Macht Ehrfurcht lehren sollte.

Der merkwürdige Hüne lachte, während er in aller Ruhe nachlud, da der Furchtzauber wirkungslos an ihm abprallte. Sein Lachen erschien wie ein dunkler Spott zu sein und klang mehrkehlig, als hätte das Wesen mehrere Münder oder gar Mäuler. So donnerte seine Stimme in drei unterschiedlichen Höhen aus seinem Hals.
"Welche Anmaßung, zu glauben, dass mein Angriff ein Angriff auf deinen Gott ist. Wer wohl der größere Frevler von uns ist." Seine Stimme zeigte einen starken Akzent, welcher Hermene so vorkam, als hätte er einen französischen Einschlag.
Er blieb stehen, weil auch Hermenes geisterhafte Waffe keine Wirkung entfalten konnte und das Wesen sich mit einem einfachen Ausfallschritt der Zauberwaffe entwandt.

Hermene versuchte erneut, ihre göttliche Waffe gegen den Schützen zu richten. Doch das Pech verfolgte sie - wie konnte das sein? Sie war eine Gesandte des Herrn, wie konnte er ihr nicht beistehen? Es sei denn...Es sei denn der Schütze sagte die Wahrheit. Doch noch war sie nicht am Ende ihrer Kräfte. Sie fokussierte den Schützen und schrie mit donnernder Stimme: "Lass die Waffe fallen! Sie versuchte, den Schützen zu entwaffnen, um etwas Zeit zu gewinnen.

Das große Wesen wischte den Angriff der körperlose Waffe weg, als wäre diese nicht mehr als eine äußerst lästige Fliege. Doch er unterschätzte die Nonne scheinbar, denn sie merkte, dass er wirklich unkonzentriert war, für einen Moment seinen Fokus verlor und so der Zauber der Ordensschwester nicht widerstehen konnte. Unbeholfen rutschte ihm die Waffe, als hätte er einen Schwächeanfall, aus der Hand. Grunzenderweise musste er nachgeben und unsanft fiel die Waffe zu Boden. Grummelnd schaute er hier hinterher und zog den leuchtenden Stab vom Rücken. "Du nervst mich, habittragende[2] Hure."
Ein fahlgrüner Strahl entwich dem Stab, doch der Nonne gelang es gerade so, ihren Kopf hinter den Türrahmen zu bringen, sodass der Strahl an ihr vorbeisauste. Der Schütze schien genervt.

Hermene war eingeschüchtert. Nicht von dem Schützen, sondern davon, dass Gott an jenem Abend nicht auf ihrer Seite stand. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie war stets eine Dienerin ihres Herrn gewesen, doch warum ließ er sie nun im Stich? Etwas musste verkehrt gelaufen sein, und sie wollte nicht weiter riskieren, dass ihr Dienst an diesem Tag endete, im Siff und Dreck der Straße, die mittlerweile bedeckt war von Wasser und Regen. Sie brauchte Hilfe, und zwar schnell. Ihre spirituelle Waffe erwies sich als ineffektiv. Immer wieder schlug sie vorbei, und der Schütze stand immer noch - normalerweise sollte er längt am Boden liegen.
Hermene schreckte zurück, als plötzlich auch noch der schwarze Strahl an ihr vorbeischoss. Sie schoss um die Ecke der Tür, wo sie Schutz suchte. Schnell erhob sie sich erneut in die Lüfte, auf das Dach, und wartete, ob der Schütze ihr folgen würde.

Und so verlor Hermene den fremdartigen und merkwürdigen Hünen mit dem französischen Akzent aus den Augen. Dieser tat der Schwester nicht den Gefallen, sich wieder in das unwirtliche Wetter hinauszuwagen. Wahrscheinlich war es keine Furcht, die ihm im Gebäude hielt. Er hatte durchaus realisiert, dass der Starkregen seine Sicht stark beeinflusste und der Wind seine Schüsse in Fortunas Schoß legte. Der Fremde hatte sich in das Haus gerettet, um diese Nachteile auszugleichen und er dachte nicht, diesen Vorteil wieder aufzugeben.
Kurz war Hermene abgelenkt, in der Entfernung hörte sich zwei Explosionen. Aber der Schütze nutzte dies nicht, verließ das Gebäude nicht, wahrscheinlich würde er sich darin verschanzen und auf einen Fehler der Nonne warten.

Auch Hermene schien innerlich ruhig und gelassen zu sein. Sie blickte mehrfach um sich, ob sie jemanden entdecken konnte, der ihr hilfreich erschien. Wo waren eigentlich diese dümmlichen Studenten? Möglicherweise hatten sie beim duellieren tatsächlich etwas gelernt und könnten dem Schützen Einhalt gebieten, wenn schon Hermene es nicht gelingen wollte. Sie sprach ein kurzes Stoßgebet und nutzte die göttliche Gnade, um die Wunde an ihrem Oberarm zu schließen und neue Lebensgeister zu wecken. Sie fühlte sich erquickt. Doch wie sollte ihr weiteres Vorgehen aussehen?

Der Schütze blieb verborgen, die Prise steif und der Regen stark. Dennoch konnte auch die Schwester so etwas verschnaufen und sich eine neue Taktik überlegen, während ihre Magie die schmerzhafte Wunde am Arm schloss. Andererseits hatte auch der Hüne neue Möglichkeiten sich darauf vorzubereiten oder gar aus dem Staub zu machen. Es schien kein grünliches Licht mehr aus der Tür, was darauf verwies, dass er sich nicht in direkter Nähe der Tür aufhielt oder er auf irgendeine Art und Weise den leuchtenden Stab aus der Reichweite gebracht hat oder das Licht verbarg. Ärgerlicherweise wusste Hermene auch nicht, was für Magie sie dort gegenüberstand. Das konnte dieses Duell nicht einfacher machen und zu allem Überfluss schien es so, als wären die Studenten verschwunden. In der Nähe war keine einzige Seele zu sehen, selbst in den meisten, sichtbaren Häusern schien kein Licht. Der Hüne blieb verschwunden. Weit konnte die Schwester jedoch nicht blicken, die Dunkelheit und der starke Regen schränkten die Sicht ein, der Wind hatte fast alle Laternen ausgepustet.

Als Hermene niemanden entdecken konnte, der ihr bei dem Kampf mit dem Schützen helfen konnte – nun eigentlich konnte sie rein gar niemanden sehen – beschloss sie, die Sache abzubrechen und sich zurückzuziehen. Auch wenn ihr die Vorstellung, dieses Ungetüm hinzurichten, durchaus verlockend erschien, so war ihr ihr eigenes Leben doch lieber, und für den Moment sah sie keine erdenkliche Chance. So verblasste sie wieder mit den Umrissen ihrer Umwelt, bis sie schließlch völlig verschunden war, und flog hinüber zu ihrer Heimat und Dienststelle, dem Stift. Hinter einem Busch berührte sie den Boden und eilte hinein in die schützende Wärme und Trockenheit.
 1. Minor Image
 2. Habit (http://de.wikipedia.org/wiki/Habit)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 21.06.2011, 17:14:42
"Es ist vorbei, Emil. Alles wieder in Ordnung."

Glücklich lächelte Alfred seinen Bruder an und obwohl die dicken Objektivgläser seiner Brille die Augen des älteren Schweden verdeckten, waren ihm Freude, Erleichterung und Erschöpfung tief ins Gesicht gezeichnet. Aufatmend zog Alfred seine Handschuhe aus und warf seinen Mantel über den einzigen Stuhl in der Kammer. Vorsichtig beugte er sich über Emil und strich sanft und begutachtend über die vernähte Wunde an dessen Bein. Reflexartig zuckte dieser zurück als die feinen Finger seines älteren Bruders über die Fäden fuhren, und Alfred konnte nicht mehr als Emil nur noch zufrieden und glücklich anzulachen.

"Sehr schön. Du wirst schon wieder, der Arzt hat hervorragende Arbeit geleistet. Erzähl nur Mutter nichts davon," sprach Alfred und setzte sich, noch immer breit lächelnd. Müde seufzte er auf und blickte seinen kleinen Bruder an. Während Alfreds andere Geschwister Robert und Ludvig, die beide nur wenige Jahre älter als Alfred selbst waren, sich dazu entschieden hatten, in Russland zu bleiben und die Kriegsindustrie ihres Vaters fortzuführen, war es der zehn Jahre jüngere Emil gewesen, der zu Alfreds Interessen und Methoden gehalten hatte und ihm nach Stockholm und nun nach Kiel gefolgt. Welch hitzige Diskussionen hatten die vier Gebrüder bereits am Abendtisch geführt, manchmal in Kritik über ihren Vater, meistens über den Krieg, und nicht selten über das Recht und Unrecht des Nobelschen Vermögens, eine Familie, die sich indirekt an den politischen Schlachten ganzer Völker und Nationen bereicherte. Und immer war es der jüngste von ihnen gewesen, der zeternd und eifrig klagte und verwünschte, wie schamlos die Älteren die Produktion von Minen, Flinten und Kanonen führen konnten, ohne dabei auch nur einen Funken an schlechtem Gewissen über die Folgen ihrer Waren zu zeigen. Auch wenn Emils Verhalten hitziger als ein Leuchtfeuer sein konnte, sprach er doch fast immer auch die Gedanken und Zweifel aus, mit denen Alfred sich auch plagte. Der junge und lebensfrohe Emil war Alfred unter seinen Brüdern am liebsten.

"Wie geht es Dir? Fühlst Du Dich wohl? Es ist zwar schon spät - ," Alfred nahm die Uhr vom Tisch und klemmte sich die Kette wieder an das Knopfloch seiner Westentasche. Als er seinen Blick auf das Ziffernblatt warf, zog er nur anerkennend die Augenbrauen hoch. " - aber ich werde noch einiges zu erledigen haben, fürchte ich. Die Solros ist untergangen. Ich glaube es nicht, das gesamte Schiff ist versenkt!"

Mit einem ungläubigen Blick schüttelte Alfred den Kopf. Obwohl er das Inferno mit eigenen Augen miterlebt hatte kam ihm das Desaster unwirklich vor. Kurz warf Alfred einen Blick auf den Tisch, auf dem noch immer seine offene Tasche stand und entschloss sich dazu, die restlichen Substanzen zu nutzen um noch einige Reagenzien zu brauen. Doktor Kern hatte Recht, wenn Alfred helfen konnte, dann wird jeder verletzte Seemann diese Hilfe herzlich willkommen heißen. Und schließlich fühlte sich der Unternehmer mitverantwortlich für den Schaden, denn die tapferen Männer erlitten hatten. Alfred stand auf und rückte den Stuhl an den Tisch, zog sich wieder die Handschuhe über und hob eine Flasche mit einer glasklaren und leicht schlierenden Zutat gegen das Licht der kahlen Glühbirne.

"Sprich, Emil, was ist auf der Reise geschehen?"

Geschäftig machte sich Alfred ans Werk, während er Emils Worten zuhörte.[1]
 1. Alchemie: Alfred braut 3x Lesser Restoration (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/restoration), 1x Remove Disease (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/remove-disease), 6x Cure Light Wounds (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/c/cure-light-wounds), insgesamt 10 Minuten
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 21.06.2011, 21:27:21
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 00:55 Uhr - Im Altenstift

Der merkwürdige Hüne blieb verschwunden und obwohl die Nonne aufmerksam blieb und Ausschau nach dem übergroßen Mann mit dem französischen Akzent hielt, blieb es ruhig. Doch nur für diesen Fall, denn ehe die Nonne überhaupt dazu kam, sich den Regen abzustreifen und sich selbst ausgiebig zu trocknen und aufzuwärmen, stand Mutter Ursula bereits hinter ihr und stupste sie mit dem Ellenbogen an. Ihre Hände waren bis kurz vor beide Ellenbogen blutverschmiert, doch es war gleichzeitig augenscheinlich, dass es nicht ihr eigenes Blut gewesen war. "Es gibt Probleme, Schwester. Deine Magie, sie entwich, kurz nachdem du sie gewirkt hattest, wieder. Meine eigene Magie hat der Junge auch nicht angenommen. Nun muss ich so gegen seinen Tod kämpfen, aber es will mir nicht gelingen." Die Mutter wirkte ungewöhnlich müde und wenig kratzbürstig, sie war fahl und so erschöpft, dass sie der Ohnmacht nahe war, ihre Lippen waren so etwas matt und sie war nicht einfach zu verstehen. Sie war klatschnass. "Schnell.", bat sie.

Schwester Hermene glaubte gleich sehen, dass das Überleben von Marius einem Wunder glich. Die geöffnete Brust sah auf den ersten Blick aus, als habe Mutter Ursula eher versucht mit einem Beil die Rippen zu zerschlagen, denn einen Versuch unternommen die grausame Schusswunde zu versorgen. Allerdings lag nur Nähzeug in der Nähe, Beile oder knochenbrechende Gegenstände sah die Nonne nicht in der Nähe und kräftig genug, um dies mit rohen Händen anzurichten, war die Mutter auch nicht. Hermene verstand in diesem Moment, was der Zauber aus dem Stab mit ihr angerichtet haben könnte. Hatte der Schütze deswegen so knapp verfehlt, weil er auf die Wunde gezielt hatte? Stand eine Schusswunde, zugefügt von der Waffe mit dem elfenbeinweißen Kolben, und dieser fahlgrüne Strahl in einem furchtbaren Zusammenhang? "Ich kann es mir nicht erklären.", stöhnte die Obere auf und betastete den bewusstlosen, doch zweifelsohne lebenden Marius. "Er lag er friedlich und schien sich zu erholen und auf einmal öffnete sich diese Wunde wieder und sie wurde größer und größer...als würde ihn innerlich etwas zerfressen!"
Die Oberin nahm Tücher und Wasser und fing die Wunde, die gerade wieder aufbrach, zu behandeln. "Das darf doch nicht wahr sein, O HERR!", flehte sie mit Blick zur Wand an das dort hängende Kruzifix und seufzte.

In diesem Moment erkannte Hermene, dass die Wunde nicht tödlich war, so grausam sie auch aussah. Es war blanker Hohn, der ihr in magischer Form entgegenschlug, sie erkannte es an den fahlen, langsam blutenden Stellen, welche Marius an den Handgelenken und den Füßen hatte. Es war ein gewirkter Fluch, dessen war sich die Schwester aus Bremen sicher. Ein mächtiger Fluch, den sie nicht kannte, auch wenn sie die Wirkung sehen konnte. Man bildete die Stigmata[1] nach. Welch ein Frevel! Mutter Ursula hatte es aufgrund der ewig aufbrechenden Brustwunde nicht entdeckt. Hermene konnte sie beruhigen, dass der Junge nicht sterben würde, wenn sie ihn weiter pflegte und genügend Wasser gab. Auch wenn es der Mutter nicht augenblicklich einleuchtete, hatte Hermene diese Art des Zaubers zu erkennen vermocht, als habe sie die veränderte Formel des Zaubers vor sich gesehen, als würde sie diesen bestimmten Fluch irgendwoher kennen. Es fiel ihr nicht ein, aber sie war sich sicher, dass sie den Zauber irgendwoher kannte. Es lief ihr kalt den Rücken herunter.

Dennoch versuchten sie, die Blutung weitesgehend zu stillen und tatsächlich wirkte schwächliche Magie, wie Hermene an einer Schriftrolle testen konnte, doch die Heilwirkung hielt nicht lange, der Fluch war stärker. Solange diese Wunde nicht zu schließen war, würde der Junge in dieser scheinbaren Bewusstlosigkeit schweben. Hermene erkannte, dass er träumen musste. Der Traum war unruhig. Aber im Laufe der Pflege ordnete sich die Mutter wieder und stellte genügend Wasser zur Verfügung. Wasser würde in der Tat sein Überleben sichern.
"In was für Zeiten leben wir, Kind?", sagte sie, nachdem die beiden sich fast eine Stunde um den geschundenen Leib des jungen Studenten gekümmert hatten, wieder mit festerer Stimme. Sie klang wieder wie eine alte Hauslehrerin. "Du musst mir einen Gefallen tun, Kind." Die Mutter verließ den Raum für einen Moment und es schien, als würde sie diese Aussage einfach im Raum stehen lassen. Doch einen Moment kam sie wieder mit einem Bild, ein Mann in schwarzer Uniform auf dessen Hut ein silberner Totenkopf prangte. Er hatte eine ungewöhnlich hohe Stirn und einen fast keck stehenden Schnauzer. Er war eher eine schlanke, aber durchaus charismatische Gestalt. Der Schalk war in seinen Augen zu sehen. "Das ist mein lieber Armin. Such ihn doch bitte auf und frage ihn danach, ob er etwas über solche Angriffe weiß, die zu Stigmata führen." Das erste Mal hörte sie etwas Liebevolles in der Stimme der Oberin, sowas wie Mutterliebe. Zudem war es verwunderlich, dass die Oberin sowas wie persönliche Gestände besaß. Sie ordnete sich sonst vollkommen dem Stift unter, Hermene hatte jedoch nicht die Zeit, darauf einzugehen, geschweige denn darüber nachzudenken. "Du findest ihn in 'Gerd's Eck'."
Die Liebe verschwand schnell aus der Stimme, eine schnelle Handbewegung folgte. "Zieh dich um und dann los. Es ist dringend, denn es ist mir nicht gewiss, wie lange er noch in Kiel weilen wird!"
Die Mutter liebte es, das letzte Wort zu haben. Sie schloss hinter sich die Tür zum Behandlungszimmer und kümmerte sich weiter um den Stigmatisierten, keine anderen Worte duldend.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:43 Uhr - Im Lazarett

"Es geht. Ich lebe.", sagte Emil mit Schwere in der Stimme. Die anfängliche Freude wich einer gewissen Mattheit, welche dem jungen Mann wohl kaum zu verübeln war, nach dem Blutverlust, der Kälte und dem vielen Wasser. Dennoch war er dankbar, nur einfach erschöpft und es wurde Alfred schnell klar, dass er nicht allzu viele Worte mit seinem Bruder wechseln konnte, er würde alsbald vor Erschöpfung einschlafen, gerade da der Heiltrank die Schmerzen stark zurückgehen ließ und so Platz für Müdigkeit war.
"Ich werde Mutter schon nichts erzählen. Sie wird sich wieder betrüben mit ihrer Angst um uns. Alfred, lass das, das brennt zu leicht! Emil, nicht die Linse in die Sonne halten!", äffte er seine eigene Mutter spaßeshalber nach und erinnerte an einer Szene, in der sie mit Sonnenlicht Schießbaumwolle[2] entzündet hatten, lachte und hustete dann nochmal kurz vor Schmerz. Emil hatte immerhin seinen Humor über diese harten Stunden nicht verloren.

Er hörte jedoch daraufhin auf zu lächeln, sein Blick wurde wieder schwer und seine jungen Jahre kamen zum Vorschein. Er brauchte ein wenig und seine Augen wurden wässrig, schlimme Bilder mussten vor seinen Augen zucken. "Ich war in der Kombüse...", begann er schwerfällig und atmete lang aus. "Wir packten gerade die Reste zusammen, Kiel war bereits im sanften Regen zu sehen. Irgendwo an Bord sang noch ein Matrose. Es war ein Badener namens Koep. Er sang für einen Freund, den er verloren hatte. Es war eine furchtbare Fahrt gewesen, immer wieder mussten wir dänischen Schiffen ausweichen, Schiffssperren überall und dann wurde uns in Danzig noch Papiere gestohlen. Ich habe 500 Taler aus meinem Vermögen bezahlt, damit wir loskonnten. Dänen bedrängten uns sogar nahe Danzig, Koep sang über seinen Kameraden. Die Dänen gaben Büchsenfeuer, aber nichts Großes. Koep und sein Kamerad stiegen in die Takelage und feuerten zurück, um die anderen Matrosen bei der Arbeit zu schützen. Sein Kamerad wurde getroffen und prallte auf das Deck, dann ließen die Dänen kurz darauf ab." Emil weinte jetzt bitterlich und hatte die Bilder vor Augen, wie der Matrose auf das Deck geknallt war. Mit zittriger Stimme fing er an zu singen.
"Ich hatt’ einen Kameraden,
 Einen bessern findst du nit.
 Die Trommel schlug zum Streite,
 Er ging an meiner Seite
 In gleichem Schritt und Tritt.

 Eine Kugel kam geflogen,
 Gilt’s mir oder gilt es dir?
 Ihn hat es weggerissen,
 Er liegt mir vor den Füßen,
 Als wär’s ein Stück von mir.

 Will mir die Hand noch reichen,
 Derweil ich eben lad.
 Kann dir die Hand nicht geben,
 Bleib du im ew’gen Leben
 Mein guter Kamerad!"[3]


Emil brauchte nach dem Lied ein paar Momente, um sich wieder zu sammeln, er war von den Bilder abgewichen, die er eigentlich erzählen wollte. "Ich werde dieses Lied nie wieder vergessen, Alfred. Koep sang es, während ich in der Kombüse war und die Messer verstaute. Eine Explosion. Eine riesige Kugel zerschlug einen kleinen Hilfsmast und jener begrub den singenden Koep...
Alle stürmten auf das Deck, manche zogen gleich Säbel blank und zogen ihre Hinterlader, lieden sie. Brüllten, riefen durcheinander. Ein Trupp wurde vom zweiten Einschlag getroffen und zerrissen, vier Mann mit einer Kugel. Ich habe noch nie Kanonen mit solch brutaler Genauigkeiten..."
, kurz schlug der Sohn eines Kriegsindustriellen durch, dann obsiegten wieder die grausamen Bilder. "Es ging schnell, wir riefen um Hilfe, manche sprangen ins Wasser und ich lief in deine Kammer, um das Wichtigste zu sichern. Das Paket!" Emil atmete schnappartig, als er das Paket erwähnte. "Ich war auf dem Rückweg, als ein weitere Kugel auf der Wasserkante traf. Wasser drang ein, ich wurde unter Wasser gedrückt. Irgendwie gelang ich aus dem Loch in das Wasser, ich tauchte auf. Die Schiffe fingen an, Brandgeschosse zu senden, ebenso genau. Sowas habe ich noch nie gesehen, so koordiniert und darauf ausgelegt, jenes zu zerstören, was wir an Bord hatten. Als hätten sie jeden Schritt von uns gekannt. Gebannt blickte ich zur Solros, als die Explosion sie plötzlich zerriss. Eine Holzplanke zerfetzte und zerschnitt mein Bein, dann setzt meine Erinnerung aus." Emil schien sich nicht mehr daran zu erinnern, dass er selbst noch, nachdem er gerettet worden war, gesprochen hatte, er musste sich schon halb im Delirium befunden haben. Er hörte auf zu weinen und flüsterte scharf zu Alfred, während er seinen Bruder am Kragen nah an sich ranzog.
"Das waren keine gewöhnlichen Dänen, Bruder! Als die Solros brannte, habe ich etwas gesehen, was wie der Dannebrog[4] aussah, doch er war nicht rot, sondern pechschwarz!" Kraftlos ließ er den Kragen seines Bruders los und sackte wieder hin. "Wir haben alles verloren was unser war, doch haben wir, was sie wollten.", sagte er ermattet und fing wieder an zu weinen. "Es ist alles meine Schuld, alles wegen des Pakets..."

Als Conrad, Karl und Carl die Tür öffneten, welche ihnen einer der Wachsoldaten im Lazarett gewiesen hatte, hörten sie bereits das bitterliche Weinen eines jungen Mannes. Sie sahen, dass dieser an Alfred lehnte und dessen Seite mit salzigen Tränen tränkte. Sie blieben aus Anstand eine Weile zurück, bis der junge Mann sich beruhigt hatte. Es war Alfreds Bruder. Es dauerte nicht lang, dann ließ er die Umklammerung Alfreds sein und legte sich schniefend auf den Rücken und schloss die Augen. Einen Moment später hatte die Müdigkeit ihn bereits übermannt und die Tränen versiegten, wichen dem Schlaf.

Alfred hatte die Zeit gehabt darüber nachzudenken, welchen Schaden er erlitten hatte. Fast 40.000 Taler[5] hat er durch diesen Angriff verloren und dabei stand noch nicht einmal fest, wie viel die Reederei für den Verlust als Anteil haben wollte und wie sich diese Verhandlungen ziehen würden. Vielleicht würde die Stadt ihm die Sicherheit geben, dass es wirklich ein solcher Angriff war und keine Explosion verursacht durch Alfreds Chemikalien. Die Geschichte würde unglaublich klingen. Hätte Alfred es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde er es wahrscheinlich selbst nicht glauben.

Kurz vertröstete Alfred die Studenten noch und gab den noch vor der Tür stehenden Soldaten die Tinkturen und Tränke, damit er sie Doktor Kern bringen konnte. Dann standen sie alle in dem kleinen Lazarett, in welchem Emil gerade eingeschlafen war.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:43 Uhr - Gerd's Eck

Es war das zweite Mal an diesem Abend, dass die Nonne in ein Gebäude musste, in dem sie wahrscheinlich nur Randfiguren des täglichen Lebens und Trunkenbolde finden würde. Sie hatte von Gerd's Eck gehört. Nicht mehr als eine Matrosenspelunke, so war sie sich sicher. Der Ruf dieser Eckkneipe unter den Schlägern war groß und Hermene hatte schon das zweifelhafte Vergnügen gehabt, einem winselnden Mann, gebaut und beharrt wie ein Bär, die Splitter des auf seinen Kopf zerborstenen Steinkruges wieder aus Fleisch zu ziehen.
Doch als sie an diesem Abend die Eckkneipe erreichte, war es auch hier ruhig. Hermene hatte einen langen Weg um die Studentenkate herumgenommen und sich in aller Heimlichkeit bewegt, zumal sie sich auch genügend Zeit ließ, um Starkregen auszuweichen. Es nieselte nur noch, als sie trocken an der Kneipe ankam. Die Laterne davor war entzündet, die Tür stand offen und Licht fiel hinaus, die Kneipe war also noch geöffnet. Sie hörte aber nicht den Lärm, den man an guten Tagen sogar fast einen Kilometer weiter am Altenstift hörte. Die Eckkneipe war ein ganzes Stück die Förde hoch, am Ostufer. Vom Stift aus konnte man den Eingang bei klarer Nacht sehen, wenn man wusste, zu welcher Tür man schauen musste.

Es saßen nur zwei Gestalten in der Kneipe, als Hermene den Kopf reinsteckte. Einer war ein bulliger, grobschlächtiger Mann von sechs Fuß Größe. Er hatte einen speckigen Nacken und wabbelnd wirkende Arme, die jedoch fest wie Ochsenfleisch waren. Sie waren schlichtweg nur unformig. Er wog bestimmt weit mehr als ein Doppelzentner. Er trug ein blauweiß-gestreiftes Hemd und war augenscheinlich ein Matrose. Tuschelnderweise erklärte er dem Mann neben ihm irgendetwas von Bedeutung, so aufgeregt, wie er schien. Der andere Mann wirkte zerbrechlich gegen den Klotz, aber etwas größer vielleicht, was im Sitzen nur schwerlich genau zu bestimmen war. Vielleicht saß er einfach nur aufrechter. Sein Gesicht hatte etwas aristokratisches, würde man in der Porträtmalerei oder Fotografie sagen, aufmerksam war allemal. Er strich sich über den Oberlippenbart und blickte zur Schwester. Zwar hatte er seine Kopfbedeckung nicht auf, aber anhand der gewölbten Stirn erkannte sie, dass es sich um diesen Armin handeln musste. Kurz darauf entdeckte sie auch den Helm auf der Bank neben ihm.
"Guten Abend, Schwester.", sagte der Mann mit einem süffisanten Lächeln. "Es dünkt mir ungewöhnlich, dass eine Eurer Gnaden ein solches Haus zu später Stunde heimsucht. Es muss sich beflissentlich um Wichtiges handeln. So setzt Euch doch, Gnädigste." Er stand auf, verbeugte sich kurz und bot Hermene einen Stuhl am Tisch dar. Er blieb stehen, solange Hermene stand. Der Klotz grummelte nur. "Was kann ich Euch Gutes tun?" Seine zwar freundlich vorgetragenen, aber doch bestimmt gewählten Worte ließen in Hermene die Vermutung aufsteigen, dass er einigen Spott spuckte.
 1. Stigmata (http://de.wikipedia.org/wiki/Stigmatisation)
 2. Schießbaumwolle (http://de.wikipedia.org/wiki/Schießbaumwolle)
 3. Der gute Kamerad (http://de.wikipedia.org/wiki/Der_gute_Kamerad)
 4. Dannebrog (http://de.wikipedia.org/wiki/Danebrog)
 5. Goldmünzen
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 23.06.2011, 22:11:44
Carl schwieg eine Weile, wie alle anderen auch. Nach einigen verstrichenen Momenten räusperte er sich leicht. "Es scheint als hätte Ihr Bruder das Schlimmste überstanden Herr Nobel, meine besten Wünsche weiterhin."

Der junge Soldat trat etwas näher an sein gegenüber heran und atmete hörbar ein. "Leider sind wir nicht hergekommen um unsere Genesungswünsche zu hinterlassen... Es gibt Neuigkeiten Herr Nobel..."

Carl erzählte Alfred von der Begnung mit dem schwarzen Braunschweiger und schloss mit der getroffenen Entscheidung. "...so werden wir uns dem Herzog stellen, jedoch nicht um uns zu entschuldigen. Es lag Ehre in unserem Handeln und wo wir wählen müssen, da wird es stets die Ehre sein der wir folgen werden."

Die Stimme des Adligen blieb gedämpft und ruhig während er hier im Lazarett sprach.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 24.06.2011, 17:37:11
Hermene tog eine Augenbraue scharf hoch. Ein Tropfen Wasser kämpfe sich seinen Weg über die wenigen Falten ihrer Stirn hin zu der Furche der Strenge über ihrer Nase, wo er hinabrannte über ihren Nasenrücken, bis er schließlich auf ihren Lippen zerplatzte. Was sollte die Oberin gemeint haben mit 'ihrem Armin'. Ein heimlicher Liebhaber, ein Stecher, der ihre ekelerregenden, fleischlichen Gelüste befriedigte? Ein geheimer Sohn, der aus ihrer wilden Jugend stammte? Verdammt, Hermene wusste doch, dass mit der Alten etwas nicht stimmte, und nun...schien es ihr vor die Nase zu springen. War sie möglicherweise unrein? Oder gab es eine bessere Erklärung? So oder so - sie musste sich beeilen, und sie musste ihre weiteren Schritte gut abwägen.

Denn während sie in ihr Zimmer eilte, um sich schnell etwas anderes anzuziehen, kam ihr ein Gedanke. Was, wenn letztlich nicht sie, sondern die Oberin oder gar dieser Armin es sein würde, dem die Ehre zugeschrieben würde, den dümmlichen Studenten Marius gerettet zu haben? Hermene fühlte sich in ihrer Machtposition bedroht, und es missfiel ihr...sehr.

Dennoch tat sie, wie sie geheißen wurde, und sie hatte kaum eine andere Wahl. Sie selbst wusste zumindest auf Anhieb kein Mittel, wie man den Fluch heilen könnte. Konnte es sein, dass dies der Strahl war, der nur um Haaresbreite an ihr vorbeischrammte, ausgelöst aus dem höllischen Stab des Schützen? Wenn ja, wo hatte dieser Kerl solcherlei magisches Werk her?

Hermene warf sich einen dicken Manten über und zog die Kapuze tief in ihr Gesicht. Man sollte sie nicht sofort erkennen. Sie eilte los, und als sie wieder unter freiem Himmer stand, warf sie einige Blicke um sich, ob sie alleine war. Falls ja, würde sie wieder verblassen und hinüber fliegen, in Gerds Eck, und diesen Armin suchen.

Schließlich saß sie - möglicherweise - diesem Armin gegenüber. Bedeutsam schob sie ihre Kapuze nach hinten und musterte ihn einige Sekunden mit ihren stechenden Augen. "Guten Abend", sprach sie schließlich mit trockener Stimme. "Nichts Gutes kann für mich getan werden, denn das Dasein als Dienerin des Herrn ist das größte Glück, das man auf Erden erfahren kann", belehrt sie Armin. "Aber es gibt einen Patienten, dem Sie möglicherweise helfen könnten. Sagen Sie, wie steht es um Ihre Künste als Heiler, Armin? So ist Euer Name, oder? Der meine ist Schwester Hermene, zu Ihren Diensten", platzte sie letztlich heraus mit ihrem Anliegen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 24.06.2011, 20:13:52
"Vielen Dank für die Glückwünsche, Herr von Lüttjenburg," spricht Alfred aufrichtig und verzieht nachdenklich die Stirn. Müde lehnt er an dem Stuhl, über welchem sein Mantel hängt. Alfred möchte in Gegenwart der Studenten nicht die einzige Sitzgelegenheit in Beschlag nehmen und empfindet es auch als angemessen stehen zu bleiben, auch wenn seine erschöpften Beine es ihm danken würden. So nähert sich der Schwede seinen Untensilien auf dem Tisch und beginnt sorgsam, sie zuzukorken, wieder in das Leder zu wickeln und in der Tasche zu verstauen.

"Doch die Einladung klingt geradezu unwirklich, finden Sie nicht? Es ist kaum eine Stunde vergangen, und schon bekennt sich der erst kürzlich angetretene Herzog zu der Katastrophe. Ich wundere mich, wie er so rasch ins Bilde gesetzt wurde. Dass die Solros unter meinem Auftrag segelte, ist zwar schon seit mehreren Tagen bekannt, aber dass Sie, meine Herren, die Rettung der Männer veranlasst haben - Sie sind ja kaum aus dem Wasser gestiegen, als der Bote Sie empfing! Mir gefällt dieser Umstand ganz und gar nicht."

Alfred sprach ruhig und mit gedämpfter, fast flüsternder Stimme. Auch wenn Emils Erschöpfung dafür sorgen würde, dass der Junge schlief wie ein Murmeltier, gab sich Alfred die Mühe, leise zu sein. Mit dem kleinen, funkelnden Schlüssel an dem klirrenden Schlüsselbund verschloss Alfred die Scharniere seines Koffers und drehte sich zu Emil um, der sich endlich in friedlichem Schlaf verlieren konnte. Der ältere Bruder fand eine verfilzte Decke am Fußende der Liege und breitete sie fürsorglich über Emil aus. Ohne den Stuhl zu verrücken nahm sich Alfred seinen Mantel und zog ihn sich über.

"Ich habe einen erheblichen Schaden von dem Unterfangen dieser Nacht davongetragen. Ich nehme an, Sie verstehen, wenn ich jegliche Möglichkeiten nutzen werde, einen Verantwortlichen für all das Chaos auszumachen. Und wenn es Friedrich der Achte sein mag, umso besser, es würde mir den seligen mühseligen Weg nach Kopenhagen ersparen. Wie bereits erwähnt, Herr Rosenstock, die Drei-Mast-Bark und das Panzerschiff gilt es zu finden. Sie sagten, sie seien dänisch, nicht wahr? Emil sprach davon, dass sie unter einer Flagge fuhren, die der dänischen nur ähnelte. Sie habe das selbe Motiv, nur auf schwarzem Grund statt auf rotem. Ich musste sogleich an Freibeuterei[1] denken, doch das wäre geradezu absurd. Ich kenne diese Flagge nur als altertümliches Trauersymbol, doch dafür wird sie heutzutage nicht mehr verwendet. Vielleicht hat sich der arme Emil aber auch einfach geirrt, als er in dem Tumul und der Aufregung - "

Der Satz blieb unvollendet. Als Alfred seinen Mantel angezogen hatte und bei dem Gedanken an Emil an Bord der Solros erinnerte er sich wieder an die Ursache für die Waghalsigkeit seines Bruders. Das wichtige Päckchen. Alfred griff mit bedeutsamen und erwartungsvollen Blick in seine Manteltasche und holte den in Ölpapier gewickelten kleinen Gegenstand hervor. Fast ehrfürchtig löste er die Verpackung.
 1. Freibeuterei (http://de.wikipedia.org/wiki/Freibeuter)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 25.06.2011, 22:00:54
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:47 Uhr - Gerd's Eck

"Armin?", wiederholte er und für einen kurzen Moment wurden seine Lippen zu einem Strich. "Peter, du solltest gehen.", sagte er über die Schulter gesagt und nickte dem Fleischkloss in der groben Form eines Menschen zu und zeigte dabei deutlich zum Ausgang. "Die Schwester will mit mir unter vier Augen sprechen." Der riesige Matrose spülte seinen Rest Alkohol runter und stand ohne zu Murren auf und griff sich eine schäbige, blaue Mütze, die neben ihm auf der Sitzbank gelegen hatte. Sie war noch feucht, er musste sich nicht vor allzu langer Zeit im Freien aufgehalten haben. Seine speckig wirkenden Arme bewegten sich bei keiner Bewegung nach, es waren wirklich unförmige Muskeln. Jetzt, da der Matrose sich erhoben hatte, sah Hermene auch, dass er eine ähnlich verwachsene Brustmuskelatur und genau so unförmige und überaus gigantische Wadenmuskeln hatte. Doch dafür bewegte er sich auch ziemlich leicht und flüssig. Der Zustand erschien ihr alles andere als gewöhnlich. Peter setzte seine alte Mütze auf und trat mit einem stillen Gruß in die Nacht heraus und verschwand in der Dunkelheit.

Armin, wenn er denn so hieß, setzte sich dort hin, wo er bis zu Hermenes Ankunft gesessen hatte. "Dann hat Mutter Ursula Sie tatsächlich geschickt und ist nicht selbst gekommen. Sowas habe ich schon befürchtet. Sie ist trutzig wie unsere geliebten Doppeleichen[1].", die Süffisanz war aus der Stimme des Mannes gewichen, auch das freundliche Lächeln. Er schien jetzt er nachdenklich. Er zog seine anbietende Hand zurück und faltete die Hände auf seinem Bauch, während er eine allzu bequeme Sitzpose einnahm, was außerordentlich außergewöhnlich in Gegenwart einer Geistlichen war. Wahrscheinlich war er kein Katholik und deswegen fehlte ihm das Feingefühl, andererseits kannte er auch die gestrenge Ursula und musste somit auch ihren disziplinarischen Wahn kennen. Er störte sich im Moment nicht daran.
"Ich bin kein Heiler, aber ich kann mir denken, was Sie von mir wollen. Ich kann Ihnen im Moment nicht geben, wonach sie verlangen, aber ich kann mir denken, was danebengelaufen sein muss." Er sprach augenscheinlich in Rätseln und gab sich nicht sonderlich viel Mühe, seine Worte weitergehend zu erklären. Es war, so hatte es den Anschein, wahrscheinlich sogar mehr ein Selbstgespräch als dass er seine Worte an die Nonne richtete. Erst als das Licht unwillkürlich zu flackern begann, blickte er wieder zu der Schwester.
"Dann habe ich die richtige Entscheidung getroffen und ich werde ihnen[2] das Leben bewahren. Dass Sie gegen ihn gekämpft haben, und noch vor mir stehen können, beweist Ihre Fähigkeit oder Ihr unverschämstes Glück, Gnädigste." Er schürzte die Lippen aufwendig und nahm dann einen Schluck des klaren Getränkes vor sich, blickte einen Moment in das Glas. "Sie haben das Glück gehabt, den Tortionnaire kennengelernt zu haben und dennoch einen neuen Morgen erleben zu dürfen. Bei allem Respekt, ich schätze nicht, dass Sie ihm auch nur ernsthaften Schaden zufügen konnten. Ich werde Sie unter den Schutz des Herzogs stellen müssen, wenn sie dem Tortionnaire[3] begegnet sein sollten." Er ließ keinen Zweifel daran, dass dies für ihn im Zweifelsfall ein Befehl war, den er ausgesprochen hatte. "Wenn Sie mich aufsuchen und nach einem Heiler fragen, dann sind Sie einer magischen Krankheit begegnet, welche wir Gangrène du Jésus-Christ[4] nennen. Ansonsten würden Sie niemals auf die Idee kommen, mich zu fragen. Das bedeutet, dass Sie in irgendeiner Form den Tortionnaire getroffen haben. Ist dem so? Wenn ja, erzählen Sie mir alles und ich biete Ihnen meine Hilfe und Ihre Rettung an." Es war nichts Schelmisches mehr in seinem Blick, nur noch blanker Ernst, auch wenn er noch immer hochmütig in seiner Wortwahl daherkam.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:47 Uhr - Im Lazarett

Das Ölpapier war ein ganz wenig feucht in den Händen des Schweden. Das Papier war sehr strukturiert und bereits mehrfach verwendet wurden, in den Falzen hatte sich mehr Öl gesammelt, während das Salzwasser das Ölpapier an manchen Stellen bereits angegriffen hatte. Auch Alfred konnte sehen, dass das Papier nicht noch ein Salzwasserbad überleben würde. Das Papier war an manchen Stellen sehr sorgfältig gefaltet wurden, meist ineinander, damit es sich nicht so schnell ohne Zutun löste und um noch eine bessere Wasserdichtigkeit zu erreichen. Wenn Emil es selbst verpackt hatte, musste er um den Wert des Gegenstandes gewusst haben, sonst hätte er nicht so viel Sorgfalt walten lassen. Und so hatte Alfred einige Mühe, noch immer etwas durch den Wind durch die Ereignisse des Abends, das Ölpapier zu öffnen ohne in die Sorge zu geraten, den Inhalt irgendwie zu beschädigen.

Als Alfred das Ölpapier endlich entfernt hat, hält er ein weiteres Stück gefaltetes Papier in der Hand. Es ist leicht vergilbt und an einer Stelle stark gewölbt. Vorsichtig faltet der Schwede es auseinander. Die gewölbte Stelle entpuppte sich als ein Siegelabdruck in Wachs, augenscheinlich ein offizielles Dokument. Die Schrift war sehr verschnörkelt, aber in deutscher Sprache verfasst, sodass der Schwede es nach kurzer Eingewöhnungszeit erkennen konnte, was er dort in den Händen hielt. Es war eine Prunkurkunde, welche geschlossen wurde, zwischen...Alfred stockte der Atem, er musste nochmal lesen.

Merkwürdige Urkunde (Anzeigen)

Sah Alfred richtig? War es wahrhaftig, was er da in der Hand hatte? In der Tat, er hatte davon gehört, dass Friedrich von Schleswig-Holstein sich am 19. November zum Herzog von Schleswig und Holstein erklärt hatte, vier Tage nach dem Tod des dänischen Königs. Vier Tage nachdem Christian IX. den Thron Dänemarks bestiegen hatten. Beide standen, genauso wie der verstorbene König, in dieser Urkunde verewigt[5]. Die Novemberverfassung sagte doch Gegenteiliges aus! Sie wollte die Herzogtümer, vor allem Schleswig, komplett an Dänemark binden. Diese Urkunde, sie änderte alles. Am 18. November war die Novemberverfassung vom neuen König unterzeichnet worden, einen Tag bevor Friedrich von Augustenburg sich zum Herzog ausrief. Das war starker Tobak! Wo waren die Studenten und der Wissenschaftler da nur reingeraten? In einen Sturm, der sich wahrscheinlich nicht mehr aufhielten ließ. So viel Gemunkel, darüber wie der Deutsche Bund reagieren würde, wie die Dänen und ihre Verbündeten reagieren würden und jetzt hielten sie auch noch solch ein brisantes Schriftstück in der Hand. Entweder war das Schicksal ihnen gnädig oder es wollte sie zerdrücken...
 1. Doppeleiche (http://de.wikipedia.org/wiki/Doppeleiche)
 2. Obacht! Mit ihnen ist nicht Hermene gemeint.
 3. Folterknecht
 4. Wundbrand des Christus
 5. Ich habe freilich für solch phantastisches Blendwerk keine originalen Unterschriften oder Siegel verwendet, sondern das alles selbst gebastelt.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 26.06.2011, 21:46:23
Bedeutungsschwer hielt der Chemiker die Luft an und blickte zu dem selig schlafenden Emil. Wie war der jüngere Bruder nur in Herrgottes Namen in den Besitz eines solch gewichtigen Dokumentes gekommen? Wieder und wieder huschten Alfreds Augen über das dicke Papier und die schwerwiegenden Worte. Er wusste, dass die Regierungsangelegenheiten Schleswigs und Holsteins in den letzten Wochen einen unstetigen Wechsel vollzogen hatten - und das selbe galt auch für den Amtsantritt für den neuen König Dänemarks. Die Entwicklungen um den Schleswig-Holsteinischen Krieg hatte Alfred damals bis ins Detail studieren dürfen, hatte sein Vater doch darauf bestanden, dass einer der vielen persönlichen Lehrer seiner Söhne, ein studierter Gelehrter Schwede namens Lars Santesson, sorgfältig auf das aktuelle Zeitverständnis seines Nachwuchs zu achten habe. Als Alfred nach zwei Jahren Reise und Studien wieder nach Sankt Petersburg zurückkehrte, musste er ein wenig missbilligend feststellen, dass es dem alten Lehrer tatsächlich gelungen war, seine Empfindlichkeit das Zeitgeschehen zu wecken. So war das Londoner Protokoll, zu welchem immerhin sowohl die Heimat als auch die Wahlheimat seines Vaters beigetragen haben, ein diskussionswürdiges Thema zwischen den älteren Brüdern Nobel gewesen.

Doch diese Urkunde, die Alfred nun ungläubig in den Händen hielt, war nicht ein von der Ferne aus zu bewertendes politisches Verrenken, mit welchem sich ein gemütlicher Abend bei Kaminfeuer und französischem Wein verbringen konnte. Dieses Dokument war eine offizielle Bezeugung für einen tiefgreifenden Vertrauensbruch zwischen dem Herzog Holsteins und dem dänischen König. Und vermutlich sogar ein Bruch des Londoner Vertrages, der, wie es aussah, zu einem Zeitpunkt von drei regierungsbedeutenden Männern unterschrieben war, bevor der kontroverse Novembervertrag dem Deutschen Bund sorgen bereiten konnte. Alfred schluckte. War es dieses Dokument, weswegen Herzog Friedrich VII. sie sehen wollte? Oder hatte er tatsächlich den Angriff auf die Brigg veranlasst, um genau dieses Stück Papier zu vernichten? Vorsichtig befühlte er die raue Struktur des harten Papiers zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Dokument war Dank des umsichtigen Emils trocken geblieben. Doch allein schon der Besitz dieser Urkunde würde dafür sorgen, dass die Unterredung mit dem Herzog ein schwieriges Unterfangen werden würde. Ausgelaugt ließ Alfred die Etiquette fallen und nahm auf dem Stuhl Platz. Noch immer hielt er das Dokument in beiden Händen und stöhnte kurz auf.

"Meine Herren, ich denke, Sie sollten das hören."

Leise und langsam, aber mit fester Stimme las Alfred den Studenten die Worte vor.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 28.06.2011, 12:09:59
Hermene wendete für keine Sekunde die Augen von dem Mann, auch nicht, als dieser Peter sich aufmachte, dem Befehl Armins zu gehorchen und die beiden alleine zu lassen. Zu viele Überraschungen hatte sie an jenem Abend schon erlebt, als dass sie sich zu solcherlei Unvorsichtigkeiten hinreißen lassen würde. Obgleich, der Herr hatte seine schützende Hand über ihr, so viel war gewiss.

Als Armin schließlich weiter sprach, warf sie ihre Stirn in altbekannte Falten. Insbesondere die Furche auf ihrer Stirn war sehr prägnant, denn der Mann hatte durchaus etwas geschafft, was Hermene keineswegs leiden mochte: Er hatte sie überrascht. Etwas schien damals nicht mit rechten Dingen zuzugehen – erst der Schütze, welcher sie trotz ihres heiligen Schutzen sehen, ausmachen konnte, und nun dieser Mann, welcher offensichtlich bestens Bescheid wusste über ihre ebenso erfolglose wie unnütze Auseinandersetzung mit dem Angreifer. Fraglich ist indes, ob es rein logisches Denken war, das ihm dieses Wissen beschaffte, er seherische Fähigkeiten besaß, er mit dem Schützen unter einer Decke steckte oder...er vielleicht der Schütze war? Hermene ließ ihren Blick den Körper des Mannes entlangfahren, um abzuschätzen, ob die Größe übereinstimmen könnte. Sie versucht dies erst gar nicht unauffällig zu machen – denn wie sollte dies gelingen, sitzt Armin ihr doch direkt gegenüber.

„Nun, werter Armin“, sprach sie schließlich, und zögerte einen Augenblick. „Oder...wie genau soll ich Sie nennen, wenn ich fragen darf? Ich möchte nicht unhöflich erscheinen“, fügte sie hinzu, und meinte dies aufrichtig. „Ich denke, ich spreche für uns beide, wenn ich eine offene Sprache vorschlage. Indes kann man nicht von Glück sprechen – der Herr lenkt meine Geschicke, und seine Augen ruhen stets auf mir“, erklärte sie mit einem schmalen Lächeln. „Ich bemerkte durchaus, dass der Schütze offensichtlich gut ausgebildet ist – was, offen gestanden, eine Überraschung war. Er hat einen dieser Studenten erwischt, jung, unerfahren und schwach. Die Oberin kümmert sich um ihn, und offensichtlich hat sie mich zu Ihnen geschickt, um Ihre Hilfe zu erbitten. Also...wollen Sie mir sagen, wie Sie uns helfen könnten?“
Hermene bemerkte, dass Armin scheinbar zumindest passabel französisch sprach. Auch wenn sie keine direkten Vorteile erkennen konnte, wenn sie seine Kenntnisse einer weiteren Prüfung unterzog, so erhoffte sie sich wenigstens einen kleinen geistigen Schlagabtausch mit dem Mann, und zudem wären die Worte für eventuelle Mithörer, sollte es sie geben, zusätzlich verschlüsselt gewesen. Nicht allzu viele Leute waren in der Sprache in erheblichem Maße bewandert in Norddeutschland. „La gangrène est-elle généré par un baguette magique, monsieur? Par un rayon verdâtre?“ Hermene blickte ihn weiterhin durchdringend an. Sie schien keinerlei Unbequemlichkeit ob der ituation zu empfinden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 28.06.2011, 15:31:51
Carl hörte Alfred unruhig zu, während dieser das Schriftstück vorlas, dass er soeben ausgewickelt hatte. Und als der Schwede geendet hatte rasten unendlich viele Gedanken durch den Kopf des Leutnants. Allmählich erkannte er zwei Wege, die nicht unbedingt in die gleiche Richtung verlaufen würden.
Natürlich fühlte er sich seiner Heimat verpflichtet und sein erster Impuls war es dieses Schriftstück so schnell wie möglich das Dokument zu Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein zu bringen, doch hielt er zunächst inne. Damit würde er dazu beitragen, dass seine Heimat näher an Dänemark heran rückte und sich weit von allem Deutschen entfernen könnte. Darüber hinaus hatte er Eide geschworen auf Preußens Fahne die er ehren musste.

"Das erklärt zwar einiges, aber wirft genauso viele Fragen auf und verkompliziert zusätzlich alles. Wenn es wirklich Dänen waren, die die Solros angegriffen haben, dann haben sie sich offensichtlich dazu entschlossen, dieses Dokument nicht umzusetzen. Mein Wissen in der Politik ist leider nur begrenzt, aber ich glaube, dieses Dokument widerspricht dem Londoner Protokoll in hohem Maße. Vielleicht wäre es besser, wenn wir den Herzog nicht aufsuchen würden..."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 03.07.2011, 23:20:28
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:51 Uhr - Gerd's Eck

"Einen der Studenten?", erwiderte er gleich voll des Interesses. Es war scheinbar eine Information, die er noch nicht erhalten hatte und sofort in sich aufnahm. Wieder umging er es, auf seinen Namen einzugehen als direkte und höfliche Antwort, doch er schob kurz angebunden einen Satz hinterher, der nur beläufig klang. "Sie können mich den schwarzen Braunschweiger nennen. Alles andere wäre ungünstig und würde Sie nur unnötig überfordern.
Wenn er einen der Studenten erwischt hat, bedeutet dies, dass er einen Grund hatte, einen der Studenten anzugreifen. Also war meine Schlussfolgerung richtig, sie sind nicht nur durch ihr Eingreifen in den Fokus des Tortionnaires geraten."
Wieder konnte Hermene nur raten, worauf der Schwarze Braunschweiger hinauswollte. Er schien diesem Gespräch zum Teil deutlich entrückt, war sich dieser Sache aber durchaus bewusst. Denn sein Blick ging während dieser Bemerkungen immer ins Leere, während er bei anderen Gesprächsfetzen Hermene direkt anschaute. Er störte sich nicht daran und wahrscheinlich war diese Art der Gesprächsführung auch nur reine Taktik.

"Ihre Beobachtungen stimmen, Schwester.", beantwortete nur knapp die französischen Fragen der Schwester, er war der französischen Sprache durchaus mächtig, auch wenn Hermene die Qualität seiner Sprachfähigkeiten kaum einschätzen konnte[1]. "Dennoch sollten Sie sich nicht zu viel auf die leitende Hand des Herrn einbilden. Nicht, dass ich an seiner gestalterischen Macht zweifle, ich bezweifle jedoch, dass Sie ausreichend wichtig sind, dass er sich in jeder Ihrer Lebenssituationen ausgiebig mit Ihnen beschäftigt, sonst wären die Heiligen und Engel alsbald so wie schlesische Weber[2]. Abgesehen davon sind Sie zu unehrlich bescheiden über Ihre eigenen Fähigkeiten, Schwester. Und wer nur bescheiden spricht, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ist nicht wirklich bescheiden."
Dieser Mann, den die Oberin Armin nannte, strich sich über seine ungewöhnlich hohe Stirn und kraulte sich den Schnauzer für einen Augenblick und überlegte scheinbar, wie er das Gespräch fortzusetzen hatte.
"Ich kenne das Gegenmittel gegen die Wundmale. Eine Art Bannzauber, wie Sie sich vorstellen können. Jedoch kann und werde ich keine Einzelheiten über den Fluch oder das Gegenmittel verraten können. Sie sehen ein, dass das Geschäft der Politik sich nach den Gesetzen Rochaus[3] entwickelt und nicht nach jenen, von denen wir es uns erhoffen: Glauben, Hoffnung, Liebe[4]. Die Welt ist dieser alten Ordnung seit Jahrzehnten entkleidet, um das zu verstehen, müssen wir nur an den Tiber schauen und der französischen Truppen gedenken, welche den Papst vor den aufbegehrenden Italienern schützen, welche ihm all sein Land genommen haben[5]. Da meine Partei[6] etwas ähnliches für sich nicht erleben will, muss ich, da will ich ehrlich mit Ihnen sein, mit Details zurückhalten."
Er rümpfte kurz die Nase und sprach dann weiter.
"Seien sie am Besten gegen drei Uhr, also in etwas mehr als einer Stunde vor dem Lazarett. Dort werden Sie mit einer Kutsche empfangen und zum Gut Emkendorf gebracht werden. Nehmen Sie diese Chance wahr, denn sollten Sie sich über Gebühr in Kiel aufhalten, wird der Tortionnaire Sie wieder finden und sein Werk zu Ende bringen. Und dann sei es Ihnen gewünscht, dass der Herr auch in dieser Begegnung genügend Zeit findet, seine Hand über Sie zu halten."
Sein Blick ging wieder in die Leere, scheinbar war das Gespräch von seiner Seite aus vorerst beendet. Er schien nicht viel Widerspruch anzuerkennen oder zumindest kein sonderliches Interesse an einem tiefgehenderen Gespräch mit der Schwester zu hegen, allerdings machte er keine Anstalten sie rauszuschicken. Draußen begann auch bereits der nächste Regenschauer zu trommeln. Ohne die Schwester anzuschauen, bemerkte er lediglich. "Falls Sie etwas trinken wollen, nehmen Sie sich."
Dann kehrte er sich wieder seinen Gedanken zu.
 1. Sense Motive SG 25
 2. Verweis auf die Weberaufstände (http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand)
 3. Realpolitik (http://de.wikipedia.org/wiki/Realpolitik) - Ludwig August von Rochau (http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_August_von_Rochau)
 4. Die drei christlich-theologischen Grundtugenden
 5. Wissen (Geschichte) für mehr Details
 6. Damit ist keine Partei im politische Sinne einer gemeinschaftlichen Interessenvertretung gemeint, sondern der Herzog.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 04.07.2011, 20:47:26
"Ein guter Gedanke. Es ist offensichtlich, dass ein Beweis für einen Vertragsbruch dem dänischen Hof misfallen würde."

Mit zusammengekniffenen Augenbrauen haftete Alfreds Blick noch immer auf dem Stück Papier, seine freie Hand rieb seine Schläfe. Er war müde und fragte sich, wie lange er sich überhaupt noch wach halten konnte. Erschöpft beugte er sich zu seiner Tasche herunter und zog ein Zeitungsblatt hervor, auf dem die verstreuten kyrillischen Buchstaben wie ein Wirrwarr aus phantastischen Zeichen wirken konnten.

"Und Sie haben Recht, dieses Dokument ist ein Bruch gegenüber dem Protokoll von London, jedoch ist steht er in keinem Verhältnis zu der Novemberverfassung Dänemarks. König Christian IX. erklärte sich dazu bereit, Schleswig näher an sein Reich zu binden und somit von Holstein zu trennen. Es wundert also nicht, dass der hiesige Herzog sich zur Selbsternennung hat hinreißen lassen, wenn sein Vertrauen gebrochen worden ist. Lesen sie selbst, falls sie-" Alfred unterbrach sich selbst etwas verlegen als er dem Leutnant die zusammengerollte Zeitung hinhielt, eine mittlerweile auch etwas feuchte und zerknitterte Ausgabe der Vedomosti aus Sankt Petersburg[1]. "Ein russisches Blatt. Falls sie möchten. Verzeihen Sie, ich bin noch zu sehr an das Zarenreich gewöhnt."

Alfred seufzte auf und schloss die Augen. Angestrengt dachte er über die Aufforderung des Herzogs und über die Bedenken des Leutnants nach. Als er sie wieder öffnete war sein Blick streng aber abwesend. Er legte die Zeitung beiseite und kramte mühselig den Schlüssel aus seiner Westentasche hervor. Leise schloss er den Koffer auf und zog ein Buch hervor, dessen brauner Rücken und Einband bereits sehr malträtiert aussahen. Einige Blätter lagen lose zwischen den Seiten und waren den Rändern angekokelt, als ob sie jemand - absichtlich oder aus Versehen - angebrannt hätte. Sorgfältig und vorsichtig faltete Alfred den Verzichtsvertrag zusammen, sortierte die losen Blätter aus der letzten Seite des Buches um und legte das Dokument auf die starke Pappe. Mit einer liebevollen Feinheit klappte Alfred das Buch zu und strich über den Einband, auf welchem die kursiven Lettern Laboratorieförsök av Alfred Bernhard Nobel[2] in silbernen Sticklettern glänzten.

"Ich denke," begann der Schwede zu sprechen, und sah dabei Carl wieder in die Augen. Obwohl der Blick des Chemikers müde war, wirkten die Worte gut überlegt. "es wäre unsererseits sehr provokant, Herzog Friedrichs Einladung auszuschlagen." Den Titel betonte Alfred mit einer Mischung aus Skepsis und Bedeutungsschwere. "Falls das Militär Holsteins zu ihm hält, werden wir größte Not haben, Sicherheit für unser Wohl zu finden. Auf der anderen Seite kann er es sich nicht erlauben, in diplomatischer Freiheit zu agieren und einen Bürger des schwedischen Königreiches zu liquidieren - ich übertreibe natürlich, aber Sie sehen meinen Punkt, Herr von Lüttjenburg. Meine Anwesenheit hier ist nicht völlig unbedeutend, und nach dem Angriff auf die Solros kann und wird das Schwedische Königshaus eine Antwort für die Geschehnisse verlangen. Es mutet gar nicht gut an, wenn schließlich auch noch zwei Söhne eines des wohlverdienensten Unternehmers ihres Landes in Gewahrsam genommen werden."

Alfred atmete tief durch. Es waren ganz schön viele wilde Annahmen, auf die er sich stützte, doch nach der provokativen Einladung des schwarzen Braunschweigers durfte er im Verhandlungsraum mit dem Herzog kein noch so wages Argument auslassen.

"Ich schlage folgendes vor. Sie folgen der Einladung des Herzogs und steigen in etwa einer Stunde in die Kutsche nach Gut Emkenhof. Falls sich einer der Herren dazu bereit erklären wollte, zu meines Bruders und meinem Schutz in meiner Nähe zu verweilen, wäre ich natürlich ungemein dankbar - und würde es ihnen selbstredend angemessen entlohnen! - doch ich denke, dies ist eine vernachlässigbare vorsichtsmaßnahme.
Ich werde hierbleiben und versuchen, die Einladung des Herzogs in die Länge zu ziehen. Was ich brauche, Herr von Lüttjenburg, ist Zeit, und wie sie sehen, haben wir im Moment sehr wenig davon, und Herzog Friedrich scheinbar alle der Welt. Ich werde eine angemessene Einladung bei seinem Gesandten fordern, sobald er hier auftritt und dafür sorgen, dass sich unsere Begegnung verzögert. In der Zwischenzeit wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich das Anliegen Friedrichs anhören könnten.
"

Als Alfred geendet hatte, blieb sein Ausdruck ernst. Er war sich nicht sicher, ob sein Plan aufgehen würde, den Braunschweiger abzuwimmeln und den Herzog im Zaum zu halten. Erwartungsvoll schaute der Schwede Carl an.
 1. Sankt Peterburgskie Vedomosti (http://en.wikipedia.org/wiki/Sankt-Peterburgskie_Vedomosti)
 2. Schwedisch: Laborstudien von Alfred Bernhard Nobel
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 04.07.2011, 21:35:06
Carl warf einen kurzen Blick auf die vertraut-unvertrauten Formen kyrilischer Buchstaben, als er Nobels Zeitung kurz aufnahm, dann aber wieder zurück legte "Verzeihung, ich beherrsche das Russische nicht."

Weiterhin hörte der junge Offizier dem Schweden aufmerksam zu und dachte seinerseits nach. Zweifelsohne war es eine Untat die Einladung eines Herzogs auszuschlagen und es war auch nicht Angst um ihre körperliche Unversehrtheit, die Carl hatte erwägen lassen die Einladung nicht wahr zu nehmen. Es war etwas anderes...

"Herr Nobel" seine Stimme war eindringlich aber sehr leise, es war offensichtlich, dass er keine ungebetenen Zuhörer wollte "Ihr Plan ist zweifelsohne erwägenswert, aber es gibt ein paar Dinge, die sie vielleicht außer Acht gelassen haben. Es geht hier vorrangig um eine deutsche Angelegenheit. So wie das verstehe hat sich Herzog Friedrich durch diese Abkunft nicht nur gegen das Londoner Protokoll gewandt, sondern auch in gewisser Hinsicht zu den Dänen bekannt. Sicherlich wird er sich nun wieder Preußen zu wenden werden, da er nun nicht mehr auf die Dänen hoffen kann. Ist das ehrenhaft, Herr Nobel? Glauben Sie, dass diese Urkunde dann auch nur ein anderer Deutscher zu Gesicht bekommen wird? Und es gibt noch eine offene Frage: Wer ist "Karl G. L. G. v. Cl.", der vierte Unterzeichner auf dem Schriftstück? Verstehen sie mich nicht falsch, mein lieber Herr Nobel, ich möchte nicht einfach nur dem Herzog aus dem Weg gehen, ich möchte mit dieser Urkunde nach Berlin, denn dort gehört sie hin."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 05.07.2011, 20:09:33
Alfred hörte Carl aufmerksam zu. Der Leutnant mochte teilweise durchaus Recht haben, selbst die russischen Zeitungen schrieben über die heftigen Gespräche in der preußischen Hauptstadt und den immerwährenden Blick auf Dänemark. Doch ob das Erbrecht, der Volkswille und die politischen Wagnisse Dänemarks denn tatsächlich eine inherente deutsche Sache sein mögen, ob die Deutschen sie aus eigenem Interesse zu solch einer machten, mochte der schwedische Wissenschaftler gar nicht erst einschätzen. Doch durch die forsche Art des Leutnants wurde Alfred in diesem erst langsam bewusst, dass er in der Anwesenheit Carls und seiner Kameraden auf eine politische und nationale Gegenseite zu den Dänen gestoßen war. Und inwiefern der Leutnant dazu bereit war, die Meinung des fremden Schweden zu respektieren, blieb fraglich.

Als Carl die Initialen erwähnte, schaute Alfred überrascht auf. Langsam klappte er das Buch wieder auf und besah sich das Dokument. Tatsächlich. Bisher waren sie ihm noch nicht aufgefallen. Doch einen Reim darauf konnte er sich nicht ganz machen.

"Ich verstehe Ihre Bedenken, Herr von Lüttjenburg. Aber ich teile Ihre Meinung nicht. Der Konflikt zwischen Herzog Friedrich und König Christian ist in erster eine dänische Angelegenheit, sofern der Ausgang des Schleswig-Holsteinischen Krieges eine gewisse Bedeutung in dieser Sache hat." Alfred hob eine Augenbraue, traute sich jedoch zu keiner weiteren Andeutung.
"Auf der anderen Seite, ja, sehe ich die schlussendliche Notwendigkeit ihrer Absicht. Zusätzlich zu der Fragwürdigkeit der Novemberverfassung halte ich nun ein weiteres Dokument an der Hand, welches nach einer Antwort über die politischen Ziele Dänemarks verlangt. Doch der verletzte Vertrag heißt nun Mal nicht 'Berliner Protokoll'. Versuchen Sie bitte, meine Motive zu verstehen - dieser Verzichtsvertrag darf weder geheimgehalten werden noch als politisches Machtinstrument dienen. Herzog Friedrich wird es als Druckmittel gegenüber dem dänischen König benutzen, die Dänen es vernichten - und Sie, Leutnant von Lüttjenburg? Wie vermag der Deutsche Bund damit umzugehen?"

Als Alfred die Frage stellte, lag sein Finger noch immer auf der noch unbekannten Unterschrift. Es schien so, als könnte der Chemiker das Rätsel um die fremden Initialien lüften, und er wirkte auch ebenfalls bereit, dies zu tun. Aber zunächst wollte er hören, was dem Leutnant vorschwebte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 07.07.2011, 15:58:42
Conrad schaut die Anwesenden etwas nachdenklich an und sagt dann: "Karl G. L. G. v. Cl. steht wohl für Karl Georg Ludwig Guido und er wurde vor einem Jahr in den Grafenstand erhoben und daher kommt wohl das ungewöhnliche Kürzel. Er war unter anderem am Frieden mit Dänemark 1850 beteiligt und ist nun preußischer Diplomat. Eigentlich sollte er aber nach der erfolgreichen Risorgimento (http://de.wikipedia.org/wiki/Risorgimento) Gesandter Preußens in Italiens sein. Das ist irgendwie alles sehr merkwürdig.

Ich bin ansonsten der Meinung, dass es sehr auffällig wäre, wenn keiner zum Herzog gehen würde. Das könnte großen Ärger für uns bedeuten. Ich biete daher an, dass ich zum Herzog gehe. Falls notwendig ganz allein. Aber es würde trotzdem nichts ausmachen, wenn Du zu Herzog Friedrich mitkommen würdet, Carl. Noch hat der Herzog keine Kenntnis davon, was wir wissen. Außerdem könnte die Urkunde ja bei der Seeschlacht vollkommen vernichtet worden sein. Wenn Du Dich nicht dabei wohl fühlst, zur Not zu lügen, kann ich ja das Sprechen übernehmen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 08.07.2011, 15:51:10
Hermene war also nur knapp diesem merkwürdigen jesuitischen Wundbrand entkommen, also an ihrem eigenen Leib entkommen. Tatsächlich hielt sie die Worte dieses Mannes für pure Übertreibung, Frevel gar. Als ob der Herrgott nicht ein jedes seiner fleischlichen Abbilder gleichzeitig behüten könnte. Was in diesem Fall bedeutete, vor dem Einfluss dieses furchtbaren Ungetüms zu beschützen.

Hermene sah jedoch gescheiterweise ein, dass es wenig Zweck hatte, mit dem Mann zu diskutieren. Zu engstirnig war er, als dass er wahre Größe hinter Hermene wahrnehmen könnte. Sie nickte knapp ab und warf einen kritischen Blick nach draußen. „So sei es – Ich hoffe, Sie sprechen die Wahrheit, schwarzer Braunschweiger, denn ich möchte mir nicht die Mühe machen, diese Kutsche vergebens aufzusuchen“, gab Hermene noch zu bedenken.

Sie wartete noch einen Augenblick im Inneren des Raumes und trank ein Glas Wasser. Sie hatte die Trockenheit in Ihrer Kehle kaum bemerkt. Doch der Regen erinnerte sie daran, dass auch sie körperliche Notwendigkeiten besaß.

Sie dachte nach, über die Worte des Mannes, der öfter als ihr es lieb war in Rätseln zu sprechen schien.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 08.07.2011, 18:58:49
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:56 Uhr - Gerd's Eck

Der schwarze Braunschweiger war tief in Gedanken versunken und es dauerte eine ganze Weile, ehe er antwortete. Irgendwo in der Ferne hörte die Schwester noch Rufe, sie war sich schon auf dem Weg an der Förde entlang der brennenden Wrackteile auf der Förde gewahr geworden. Es war nichts Wildes mehr, ein paar Holzteile glommen noch auf dem Wasser, als sie dort entlang ging. Es hatte nichts Spektakuläres mehr, erst die jetzige Rufe und mit lauten Stimmen vor der Kneipe ausgetauschten Informationen, brachten wirkliche Klarheit. "Ja, Hein, wenn ich dir das sage! Die Solros hat es völlig zerlegt. Das war mal 'ne Brigg!" Dieser Hein, der genauso wie der andere Sprecher nicht sichtbar war, aber sich in den Zimmern über der Eckkneipe befinden musste, war ungehalten. "Johann, du Spaten. Dafür weckst du mich? Für ein bescheuertes, brennendes Wrack? Davon ist doch nicht mal was über!" Johann hatte eine junge Stimme, während Hein eine alte, kratzige Stimme hatte. Mindestens zwei Generationen trennten die beiden Personen. "Hein! Mann! Da waren Kanonenschüsse und Explosionen und davon bist du nicht wach geworden?"
"Ach, aber von deinem Geplärre werde ich wach, Junge. Also können die Explosionen nicht so schlimm gewesen sein. Komm hoch und bring Schnaps mit oder verzieh dich wieder."
Eine Tür in der Nähe knallte und Hermene konnte sogar die knarrenden Treppenstufen hören, die Wände mussten wahrhaft dünn sein.

"Machen Sie sich keine Sorgen, Schwester. Wenn Ihr Gott wahrlich genügend Zeit hat, jederzeit für Sie zu sorgen, dann brauchen Sie sich um den Gehalt und den Umstand Ihrer Reise keine Sorge machen. Er wird Sie schon nicht mit gähnender Langeweile und dreisten Lügen belästigen.", bemerkte der Mann, der durchaus Armin sein mochte, unvermittelt, während er aufstand und zum Ausgang ging. Mit der rechten Hand griff er in einen Korb, in welchem Regenschirme abgestellt waren. Er griff einen schwarzen Regenschirm heraus und reichte ihm der Schwester. "Und da der Herzog kein Feind des Katholizismus ist, so wie ich keiner des Katholizismus bin, werte Schwester, werden wir uns auch nicht erdreisten, Ihnen wichtige Zeit zu rauben. Wir sind es wohl darüber bewusst, dass die Zeit, die wir Ihnen rauben, den alten Menschen des Stiftes verloren geht. Aber mit Blick auf das Lehen Schleswig, sollten Sie sich ernsthafte Gedanken über eine wohlgemeinte Zusammenarbeit machen[1]. Einen schönen Abend."
Sein Blick verlor schnell wieder an Fokus und er setzte sich wieder an den Tisch, gedankenverloren.


"Was für ein beschissenes Wetter, was?", sagte der kleine, kräftige Bootsmann, welcher Donald in Eutin[2] wieder aufgenommen hatte und jetzt mit ihm die ganze Schwentine[3] entlang bis nach Wellingdorf[4] gefahren war und ihn jetzt im Schutze der Nacht auf abgelegenen Trampelpfaden bis an das Ostufer Kiels gebracht hatte. Der kleine Bootsmann hieß Fiete und stand auf der Gehaltsliste von John Baker, wie auch Donald auf Bakers Gehaltsliste stand. Aber so wie Baker seine Männer auszuwählen pflegte, hatten Fiete und Donald dementsprechend wenig Gemeinsamkeiten, außer dass sie beide eher kräftigerer Gestalt waren und eine gewisse Liebe zur Natur hatten. Aber wegen der schleswig-holsteinischen Natur war Donald nicht von Hannover nach Kiel gereist.

Donald hätte eigentlich nach Preußen gesollt, ein paar Erkundigungen über die preußischen Landwehren einholen, aber bereits nach seiner Ankunft in Bremen hatte er neue Instruktionen bekommen, er hatte Baker in Hannover treffen sollen. Die Pläne eines Söldners änderten sich schnell, vor allem wenn die Bezahlung und die Gefahr stimmten. Donald und Baker wussten, dass sie ein aussterbendes Geschlecht waren. Hatten Söldner vor zweihundert Jahren noch das Rückgrat einer jeden Armee gestellt, waren sie inzwischen in Ungnade gefallen und durch Landwehren und Wehrdienstlern abgelöst wurden. In England, ganz besonders in Schottland, hielt man die französische Revolution[5] für ein Ärgernis, nicht zuletzt wegen der vorher traditionell guten Verbindungen zwischen dem katholischen Frankreich und dem katholischen Schottland, welches stets eine Zange zum anglikanischen England sein wollte. Diese Zeiten, die großen Zeiten der Condottieri[6], Haudegen[7] und der Soldateska[8] war vorüber, aber Baker und Donald Munro kannten auch die ganze Wahrheit. Käufliche Waffen samt Schwinger wurden immer gebraucht. Diese neue Zeit der wachsenden Nationalstaaten und verschrobenen Parlamente hatte Grauzonen geschaffen, in denen Söldner eingesetzt wurden. Meist dort, wo es besonders schmutzig oder brisant wurde. Aber seit dem Krimkrieg[9], der von 1853-56 getobt hatte, war auch Bakers Söldnerbande weniger gefragt, weil eine kurze Phase des Friedens eingesetzt hatte und dort, wo Söldner gebraucht wurden, wie bei der Risorgimento[10], gerade in den Reihen Garibaldis[11] wegen seines Zugs der Tausend[12], wurden oftmals fremdländische Söldner angeworben, aber nicht Bakers Jungs. Im Besuch von Landwehren und Kasernen hatte inzwischen eine ganze Reihe von Donalds Aufträgen bestanden. Er war inzwischen sowas wie ein Militärspion. Die aufkommende Industrialisierung hatte die Waffentechnologie voranpreschen lassen und die reichen Staaten konnten nach Belieben mit Schusswaffen, Artilleriegeschützen, Schiffskanonen und dergleichen aufrüsten, während die kleinen Söldnertruppen froh waren, wenn sie alte dänische Musketen in ihre Hände bekamen. Auch die Art der Kriegsführung hatte sich verändert, die Söldner hatten viel zu lernen, wenn sie auf den Schlachtfeldern überleben wollten. Donald beschaffte solche Informationen.

Doch diesmal war alles anders. Baker, ein grummliger Zwerg mit pockennarbigen Gesicht und einer groben Hakennase, war eindringlich gewesen. Seine große Nase hatte ein Geschäft gewittert. Mit Pomade[13] waren seine blonden Haare immer gescheitelt, er roch nach aufdringlichen, orientalischen Duftwassern, wie immer. Aber er hat ein gewisses Charisma, eine Bannkraft, der man sich kaum entziehen konnte. Baker war sowieso ein ungewöhnlicher Typ. Geboren in Leeds, England, war er von menschlichen Adoptiveltern großgezogen wurden und hatte in Kohleschächten zusammen mit menschlichen Kinder malocht, ehe er wegen seiner unmenschlichen Kraft zur Navy eingezogen wurde. Er war jedoch unwillig und endete als Gefängniswärter auf einer Hulk, einem britischen Gefängnisschiff[14]. Dort machte er jede Menge Kontakte zur Zeit der napoleonischen Kriege[15] und seitdem war er ein Söldnerführer. Es gab viele Zwischenstationen, aber Baker sprach selten von diesen. Baker sprach nur von Waffen, Geschäften und lukrativen Kriegen. Er hat unzählige seiner Söldner überlebt, sowohl im Lebensalter als auch in Schlachten und Scharmützeln. Die Zeit der Schlachten war seit Napoleon vorüber, Scharmützel bestimmten das Leben der Söldner. In großen Kriegen wollte sie kaum noch jemand haben.
Ja, diesmal war alles anders. Erregt hatte er Donald am Kragen gepackt. "Hörst du! Ich habe ein Angebot, welches die Herren Nobel nicht ablehnen können. Du musst sie zur Zusammenarbeit bringen. Das ist alles, was ihr mich wünsche! Donald! Das ist die Chance! Wenn du wüsstest, was sie alles für die Wehrindustrie entwickelt haben. Wenn wir nur eine Hand daran bekämen!"
Bei billigem Gin hatte Baker noch langer geschwärmt, und es dauerte bis Donald die notwendigen Informationen rausgefiltert hatte. Es war klar, dass er nach Kiel aufbrechen musste und dass er mit Nobel über Waffen- und Technologielieferungen verhandeln sollte. Jedoch gab es keine spezifischen Anweisungen. Donald wusste weder, um welches Budget oder um welche Waffen es genau ging. Baker meinte nur leichthin, dass er die Informationen nachliefern würde. Donald musste nur in die Nähe der Nobels kommen und sich dort eine Weile halten, vielleicht würde er auch selbst etwas rausbekommen. Außerdem hörte davon, dass in Kiel ein Mann namens Rosenstock lebte, der ein Waffenfabrikant war. Mehr wusste Baker nicht, aber auch dort sollte Donald sein Glück versuchen. Diese spärlichen Informationen waren kein guter Beginn für einen Auftrag zu dieser Zeit des Jahres. Viel Reisen bei ungünstigem Wetter. Zum Glück zahlte Baker im Voraus.

Der Weg hatte sich als schwierig entpuppt. Ein alter Bootsmann, der eigentlich auf der Leine[16] schiffte und sich einbildete, jeden Fluss im deutschen Bund zu kennen, bot sich an, die Reise zu übernehmen. Der Winter hatte jede Bootstour bis Holstein zunichte gemacht und Baker war nicht in der Lage gewesen, eine Bahnfahrt zu finanzieren aufgrund der ganzen Zollzahlungen. Mit Pferd und Kutsche ging es voran. Der Bootsmann reiste mit, er hatte Freunde in Eutin, welche ihnen Unterkunft und ein Boot geben sollten. Das Boot hatten sie, die Unterkunft nicht. Donald war klitschnass und die Reise war beschwerlich. Der Wind war so stark, dass sie mit der Hilfe von Donalds Pferd treideln[17] mussten; der Bootsmann war über die Reise eher ein Hindernis. Seine schlechten Kenntnisse der Flüsse und des Wetters hatten Donald fast zwei Tage gekostet, aber immerhin in Kiel kannte er sich aus. Viel hatte Donald von Kiel jedoch noch nicht gesehen, nur Kanonenschläge hatte er in der Ferne gehört. Der Wind hatte fast alle Lichter ausgepustet. Kiel war stockduster. Eine Wehrübung, ein Angriff? Eigentlich konnte es auch egal sein, er musste die Nobelbrüder finden. Aber erstmal brauchte er Trockenheit und vielleicht einen Gin. Der Bootsmann deutete auf ein Lokal. "Schau es dir an. Gerd's Eck! Sieht nicht nach viel aus, wenn man mal in Hannover in einem ordentlichen Haus war, was? Gerd ist aber 'nen Kerl. Kenn ihn von meiner Zeit auf der alten Diva..." Donald hatte keine Ahnung, welches Schiff der Bootsmann meinen konnte. Er war ein Ärgernis. "Aber...ich habe ein Zimmer für euch bestellt. Ich selbst muss...noch was anderes erledigen. Alles Gute!"
Der kleine Mann namens Fiete schaute auf die glimmenden Trümmer auf der Förde, klopfte Donald auf die Schulter und verschwand wieder Richtung Wellingdorf, während Donald die Kneipe mit Sack und Pack betrat, nachdem er sein Pferd unter einem Überbau angebunden hatte.


Ein Mann, gekleidet in einem schwarzen Anzug, welcher ein wenig an eine Offiziersuniform eines Braunschweigers erinnerte, saß an einem Tisch und blickte in die Leere, während eine Nonne in Habit und mit einem ungeöffneten Regenschirm in der Hand vor der Tür stand. Die Tür schlug hinter Donald durch den Wind zu und schnitt Regen und Windgeräusche abrupt ab. Der Mann, der aussah, als würde er einem Braunschweiger Regiment angehören, blickte sich ebenso abrupt um. Er zog überrascht eine Augenbraue hoch, als er den großgewachsenen Mann mit den roten Haaren sah. "Der Laden ist geschlossen.", sagte er kurz angebunden.
 1. 
Motiv erkennen SG 20 (Anzeigen)
 2. Eutin (http://de.wikipedia.org/wiki/Eutin)
 3. Schwentine (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwentine)
 4. Wellingdorf (http://de.wikipedia.org/wiki/Wellingdorf)
 5. Die französische Revolution (http://de.wikipedia.org/wiki/Französische_Revolution) von 1789 ist gemeint.
 6. Condottiere (http://de.wikipedia.org/wiki/Condottiere)
 7. Haudegen (http://de.wikipedia.org/wiki/Haudegen)
 8. Soldateska (http://de.wikipedia.org/wiki/Soldateska)
 9. Krimkrieg (http://de.wikipedia.org/wiki/Krimkrieg)
 10. Risorgimento (http://de.wikipedia.org/wiki/Risorgimento)
 11. Giuseppe Garibaldi (http://de.wikipedia.org/wiki/Garibaldi)
 12. Zug der Tausend (http://de.wikipedia.org/wiki/Zug_der_Tausend)
 13. Pomade (http://de.wikipedia.org/wiki/Pomade)
 14. Prison Hulk (http://en.wikipedia.org/wiki/British_prison_hulks)
 15. Koalitionskriege (http://de.wikipedia.org/wiki/Napoleonische_Kriege)
 16. Leine (http://de.wikipedia.org/wiki/Leine_(Aller))
 17. Treideln (http://de.wikipedia.org/wiki/Treideln)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 08.07.2011, 20:37:47
Donald schüttelte sich, als er das Gasthaus betreten hatte. Der Regen hatte seinen rot-schwarz-karierten Kilt durchnäßt und nach der Kälte da draußen kam ihm das mit einem prasselnden Feuer gewärmte Gasthaus wie das Paradies vor. sein Blick schweifte in die Runde. kurz nickte er der Nonne und dem in schwarz gekleideten Mann zu.

"Ich bin doch reingekommen, dann kann der Laden nicht geschlossen sein", fuhr er den Mann an.

So ein Spaßbolzen, er war den ganzen Weg nicht hierher gekommen, um jetzt vor verschlossener Türe zu stehen. Dann rief er: "Gerd?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 08.07.2011, 21:03:54
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 01:57 Uhr - Gerd's Eck

Der Mann stand auf und zog seinen rechten, schwarzen Lederhandschuh straff. "In diesen Landen wäre ich vorsichtig damit, wen ich unkontrolliert wie ein kastrierter Kater anfauche, nur weil ich nass geworden bin, Schotte.", erwiderte der schwarze Braunschweiger ruhig und gefasst. Eine Nuance hatte gereicht, dass der Mann des Akzent des Mannes zu durchschauen vermochte. "Solche unbedachten Äußerungen enden schnell in einem Duell. Auch, dass ihr keine ordentliche Pistole zu tragen scheint oder einen Offizierssäbel schützt euch nicht davor. Allerdings scheint ihr kein Ehrenmann zu sein, also habt ihr andererseits auch nichts, was ihr zu verteidigen habt." Der Mann schob sich an dem Tisch vorbei und stellte sich etwa in sechs Fuß Entfernung vor Donald Munro auf.

Der Mann hatte einen kleinen Schnauzer und eine ungewöhnlich hohe Stirn. Er nahm seinen Zwicker von der Nase und ließ ihn in der Brusttasche verschwinden. Er war etwas kleiner und schmaler als der Schotte, aber das schien den Mann nicht sonderlich zu stören.
"Ich habe bereits gesagt, dass der Laden geschlossen ist. Dass eine Tür offen steht, bedeutet lediglich, dass der Laden nicht verschlossen ist. Für euch wahrscheinlich nicht mehr als semantischer Unterschied, ohne dass ihr den Bedeutungsunterschied zu begreifen vermögt. Dementsprechend würde ich euch nahelegen, dass wenn ihr Ärger mit dem Gesocks und den Halunken dieser Stadt wollt, dass ihr nicht länger eine Schwester mit eurem Verhalten beleidigt, sondern euch in ein Haus mit roter Laterne zurückzieht. Solltet ihr gekommen sein, um einer kirchlichen Dame oder mir eine ansprechende Aufwartung zu machen, würde ich nochmal an meinen Manieren feilen, Schotte."
Der Mann in der Offizierskleidung stützte die Arme locker in die Hüfte und blickte den Schotten trotzig an.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 08.07.2011, 21:22:51
"Nun, ein Kater hat eine gewisse Eleganz, findet ihr nicht auch. Jedoch nehme ich an, daß ihr mehr Erfahrung im Kastriert-Sein habt als ich, zwängt ihr doch Euer bestes Stück in solch unsinnig eng sitzende Hosen. Andererseits besitzt ihr auch nur halb soviel Anstand, wei ihr nur tut, denn ihr seid es, der Reisende anpöbelt, wie ein reudiger Straßenköter. Und meine Stellung im Clan definiert sich nicht über die Länge meines Säbels, wenn ihr versteht, was ich meine. Und nun geht mir aus dem Weg."

Donald ging auf einen der leeren Tische zu und rief wieder: "Gerd!"

Kurz wirkte seine Mine nachdenklich, dann redete er weiter:
"Ich habe nicht vor, mich in Eure Angelegenheiten einzumischen, daß würde ich bei einem Menschen mit Euren Fähigkeiten nicht wollen, aber ich habe genauso ein Recht hier zu sein, wie ihr. Außerdem werde ich erwartet."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 09.07.2011, 22:12:22
Langsam aber sicher wusste Carl nicht mehr was er von der ganzen Sache zu halten hatte. Karl Georg Ludwig Guido, ein preußischer Diplomat war an der Unterzeichnung beteiligt? War dieses Dokument gar im Sinne Preußens?
Der junge Offizier strafte sich und wirkte wieder etwas entschlossener.

"Meine Herren, ich werde sie ganz bestimmt nicht alleine zum Herzoge schicken, während ich mich klammheimlich davon machen würde. Es mag wohl auch geistreicher sein, sich mehr Information zu verschaffen, bevor man eine endgültige Entscheidung fällt. Wie Herr Nobel schon angemerkt hat, haben wir kaum Zeit und müssten aus einer Position der Schwäche heraus agieren. Aber wir haben einen Vorteil, wie Conrad ja erkannt hat. Wir besitzen das Dokument und wissen um seinen Inhalt, während jeder der sonst von dessen Existenz weiß davon ausgehen muss, dass es nun verschollen ist. Wir sollten also nicht unseren einzigen Trumph vergeben und unser unwissender zeigen als wir tatsächlich sind."

Carl mochte zwar Aufrichtigkeit und Gehorsam auf seiner Fahne stehen haben, aber Torheit und Gedankenlosigkeit hatten dort keinen Platz gefunden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 11.07.2011, 17:58:55
Erleichtert seufzte Alfred nun auch auf. Ihm war nicht entgangen, wie die drei deutschen Studenten seine Frage nach der Absicht des deutschen Bundes ignoriert hatten, doch da die Herren nun doch auf seinen Vorschlag eingingen, ließ er es dabei bleiben. Sanft tippte er auf die lange Unterschrift auf dem Dokument

"Sehr richtig Herr Rosenstock, dies ist die Signatur des Grafen von Usedom, einem gesandten des preußischen Hauses. Sie sehen die Implikationen, und ich bin froh, dass sie meine Bedenken nun zu teilen wissen."

Zum zweiten Mal machte sich Alfred nun daran, das Dokument zusammenzufalten und in seinem Laborbuch zu verstecken, ehe er es in seiner Labortasche verschwinden ließ.

"Ich befürworte Ihr Vorgehen. Achten Sie nur darauf, dass sie kein Wort über das Dokument verlieren. Sollte er über Emil oder mich fragen, so antworten Sie ihm nur das nötigste - Emil ist schwer verwundet und nicht bei Bewusstsein. Wobei ich denke, dass ich diese Worte ohnehin selbst an den Braunschweiger richten werden muss. Ich werde mich weigern, die Reise anzutreten, und die Ziele des Herzogs durch den Arm der bureaucratie in die Länge ziehen. Wir werden sehen, ob sich sein Bote so einfach abwimmeln lässt."

Mit kritischem Blick zog Alfred die Uhr aus der Tasche. Es würde nicht mehr lange dauern.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 11.07.2011, 21:13:05
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:01 Uhr - Gerd's Eck

Der Mann begann zu lächeln und beobachtete, musterte den Schotten eingehend. "Sinnbefreite Beleidigungen, welche jedwede Schlagfertigkeit vermissen lassen. Ein Bedürfnis zur Selbstdarstellung, welches sich darin manifestiert, sich für wichtiger als notwendig zu halten. Sie, Schotte, sind ein Musterbeispiel dafür, warum Ihresgleichen langsam aber sicher den Zusammenhang zwischen Realität, Zeitgeist und Wahrheit verloren hat. Ein Highländer flößt normalerweise mehr Ehrerbietung ein, aber ich spüre Ihre Schwäche sofort. Sie sind unsicher und verstecken sich hinter Ihren großen Worten und einfachen Beleidigungen. Sie haben zudem mit dem unfreundlichen Ton und der wirklich rüden Ansprache begonnen, weder einen hochrangigen Soldaten, noch eine Schwester mit der sich gebührenden Höflichkeit addressiert und Sie sind uneingeladen eingetreten. Ihre Unsicherheit resultiert auch aus Ihrer mangelnden Beobachtungsgabe, welche determiniert ist durch ihre Vorkenntnisse. So erwarten Sie als Besitzer dieser Eckkneipe einen alten Mariner oder einen kräftigen Mann mit fettiger Schürze und ziehen nicht in Betracht, dass diese Lokalität auch einfach einem alten, braunschweiger Soldaten gehören könnte. In Anbetracht dessen, dass Sie erwarten, dass jeder anhand ihres Kiltes ihre Clanzugehörigkeit erkennt, ist es nicht ungewöhnlich, dass Sie fast automatisch, wenn ich diesen modernen Ausdruck gebrauchen darf, erwarten, dass ein norddeutscher Gastwirt auch sein Tartan[1] in Form einer Schürze tragen muss. Wie konnte ich bloß davon ausgehen, dass ein Mann Ihrer Statur, Ihres Status und Ihrer europäischen Erfahrung, über den Tellerrand der Burg Foulis[2] schauen könnte. Wie vermessen muss ich gewesen sein, zu glauben, dass Sie inzwischen das Handwerkszeug Ihrer Profession beherrschen könnten, Donald." Es war ein süffisantes Lächeln, mit welchem der Braunschweiger endete und eine Verbeugung andeutete. Er klatschte einmal erfreut in die Hände.
"Ich überlasse es Ihrer Expertise, Donald, ob Sie mir zutrauen, der Wirt dieses Hauses zu sein, oder ob Sie mir nur zutrauen wollen, das Gästebuch gelesen zu haben und Ihre Kontakte in der Stadt bestochen und ausgepresst zu haben. Aber wahrscheinlich dünkt es Ihnen richtig. Ich bin Ihr Kontakt in dieser Stadt und dafür zuständig, dass Sie die beiden Herren finden, welche Sie in dieser schönen Hafenstadt finden sollen."

Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und blickte Donald in die Augen. Dieser Mann war ausgesprochen, fast unheimlich gut, informiert und machte sich dieses Wissen für seine inhärente Arroganz zu Nutze. Trotz seiner höflichen Floskeln, erschien er alles andere als sympathisch. "Sie wissen scheinbar, wen Sie vor sich haben, dementsprechend werde ich auf eine weitere Vorstellung verzichten. Und obgleich ich immer noch im Herzen darüber juble, wie ernst und wichtig sich ein Schotte in Holstein nehmen kann, denn Ihr werdet de facto nicht erwartet, will ich sogar, dass Sie sich in meine Angelegenheiten einmischen, Donald. Und ich sage Ihnen was, das wird Sie mitnichten erfreuen können. Sie werden keine Chance zur Ruhe bekommen, sondern mich begleiten. Obzwar ich kein Freund des Zwanges bin, möchte ich Sie vor weiteren Torheiten einer ungezügelten Zunge bewahren. Wie Sie sicherlich gehört haben, guter Donald, spreche ich unter anderem im Namen des neuen Herzogs von Schleswig und Holstein und als solches Sprachrohr werden Sie mich begleiten. Dort, wo wir hinfahren, werden Sie umgehend die Gebrüder ihrer Suche treffen können. Das sollte Sie zufriedenstellen. Zudem hat der Herzog noch ein Wort mit Ihnen zu wechseln, was Sie sicherlich erfreuen wird. Ihre Dienste als Mann der rechten Entscheidungen könnten gebraucht werden." Er nickte halb abwesend zur Bestätigung und ging kurz in sich.

"Verwechseln sie mein Angebot nicht mit Gnade oder Güte, Donald. Da Sie ein Clansmann sind, weiß ich sehr wohl, dass Sie dazu gezwungen wären, Ihre Ehre zu verteidigen und eine Zeugin für die Beleidigungen gäbe es auch. Ich würde Sie zum Duell herausfordern und ich würde Sie schwer verwunden. Aber John Baker und der Herzog haben andere Plänen mit Ihren...außergewöhnlichen Fähigkeiten." Der schwarze Braunschweiger setzte eine Miene auf, die unmissverständlich klar machte, dass er es wahrlich bedauerte, das Duell nicht stattfinden lassen zu können von seiner Seite. "In einer Stunde geht eine Kutsche nach Gut Emkendorf. Dort werden Sie zusteigen und den Herzog treffen." Er zog einen Brief aus der Innentasche seiner Jacke und reichte ihm Donald. "Ihre Anweisungen von Baker."
Donald sah einen leicht verschmutzten Umschlag, welche jedoch noch versiegelt ist. Auf der Rückseite steht in gälischer Sprache. "Auf Beschädigungen achten und nicht in der Nähe anderer öffnen und lesen."
"Die Kutsche fährt auf der anderen Seite des Ufers um drei Uhr ab. Seien sie pünktlich, am besten reisen sie aus Gründen der Sicherheit mit Schwester Hermene. Einen guten Abend."
Der Braunschweiger zeigte zuerst auf die Nonne, die neben ihm stand, drehte sich dann jedoch auf den Absätzen um und setzte sich wieder an seinen Tisch und schwieg.
 1. Tartan (http://de.wikipedia.org/wiki/Tartan_(Muster))
 2. Foulis Castle (http://en.wikipedia.org/wiki/Foulis_Castle) - Sitz des Clan Munro (http://en.wikipedia.org/wiki/Clan_Munro)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 12.07.2011, 12:40:33
"Auf alle Fälle sollten sie, Herr Nobel, das Dokument gut verstecken. Auch wenn wir den Herzog nicht von dem in Kenntnis setzen, was wir wissen, so besteht immer noch die Möglichkeit, daß er in unserer Abwesenheit unsere Sachen durchsuchen lässt. Wie Carl schon sagte, ist dieses Schriftstück unser einziger Trumpf, den wir auf gar keinen Fall verlieren dürfen..."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 12.07.2011, 12:52:44
"Dem stimme ich uneingeschränkt zu, Herr Schreiber."

Nachdenklich rieb sich Alfred die Stirn. Die Frage nach der Sicherheit des Vertrags war eine, über die er sich schon längst den Kopf zerbrochen hatte. Er würde ihn natürlich nicht bedenkenlos aus der Hand geben, doch war er sich dessen bewusst, dass der Besitz des Dokumentes ihn selbst und seinen Bruder in mittelbare Gefahr brachte.

"Ich werde mich im Laufe des nächsten Morgens unverzügklich darum kümmern - wobei mir ein einheimischer Kieler vermutlich sehr zu helfen wüsste. Sagen Sie, wie verhält es sich mit den Banken hier? Oder arkane Geschäfte? Vielleicht lassen sich dort die notwendigen Mittel finden, das Dokument zu verwahren."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 12.07.2011, 13:11:49
Donalds Gesicht war ein offenes Buch. Erstaunen wich Wut, dann ein wenig Entsetzen und dann der Erkenntnis, vorgeführt worden zu sein. Dann begann er freundlich zu Lachen.

"Oh, da habt ihr mich aber ganz schön erwischt, mein Herr, und mir meine Grenzen gezeigt. Ihr seid ein Mann nach meinem Geschmack. Darum bin erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen."

Er deutete ein Verbeugung an und wandte sich dann an die Schwester am anderen Tisch. "Verzeiht meine Unhöflichkeit, ehrwürdige Schwester." Auch ihr gegenüber deutete er eine Verbeugung an. Er setzte sich an einen freien Tisch und fragte dann den Braunschweiger: "Wenn ihr der Besitzer seid, wer kann mir dann ein Bier und etwas warmes zu Essen bringen? Die Fahrt war beschwerlich."

Aus den augenwinkeln beobachtete er die Nonne und fragte sich, was sie hier zu tun hatte.

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.07.2011, 23:32:22
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:38 Uhr - Gerd's Eck

Der Mann war bereits in Gedanken und schien Donalds lobenden Worte nur am Rande wahrzunehmen, er nickte dem Schotten jedoch zu.
"Wir haben nichts zu essen, wir sind eine Kneipe.", sagte der Braunschweiger in Gedanken versunken und blickte weiter in die Leere. Die Hände hatte er unter dem Kinn zusammengelegt, er betastete jeden seiner Finger einzeln, als wolle er ihre Beweglichkeit und das Gefühl in ihnen prüfen. "Bier können Sie trinken, so viel Sie auch immer wollen. Auch die restliche Flasche Genever[1] können Sie sich gönnen oder Wasser. Den Rest brechen Sie bitte nicht an."
Der Braunschweiger griff in die Tasche und holte einen, kleinen Holzstab hervor, aus einem Regel über sich friemelte er zwischen Gewürzbehältnissen und kleinen Krügen ein kleines Tintenfässchen aus Zink hervor. Aus einer anderen Tasche zog er ein leicht feuchtes Papier, welches er notdürftig über einer roten Kerze, welche er für diesen Zweck entzündete, zu trocknen begann.
"Wenn Sie keinen Proviant mehr haben, werden Sie bis Emkendorf noch hungern müssen. Aber Sie wissen ja, sieben Bier sind auch ein Schnitzel."
Mit geübter Hand steckte er eine Schreibfeder[2] auf den kleinen Holzstab. Sorgsam begann er auf den nun etwas trockenerem Papier zu schreiben, es wurde deutlich, dass er eine Doppelstrichfeder zum Schreiben nutze. Immer wieder tauchte die Feder in die Tinte ein, mit einem Stofftuch trocknete er den Kiel vorher jedoch immer. Er hatte ein sehr hochwertiges Schriftbild, auch wenn er in einer Sprache schrieb, welcher sowohl dem Schotten als auch der Nonne fremd war, auch wenn sie die Schriftzeichen als kyrillisch identifizierten. Trotz seines schönen Schreibstiles machte die Doppelstrichfeder das Schriftbild fast unlesbar, es würde sicherlich einige Mühe bedürfen, diesen Text zu lesen.

Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, der Regen draußen hatte nachgelesen und war in ein stetiges und ungemütliches Nieseln übergegangen. Vor allem aber hatte der Wind endlich seine Kraft verloren. Donald war endlich etwas getrocknet und die Schwester hatte geduldig gewartet, der schwarze Braunschweiger legte endlich die Feder aus der Hand und hatte das Papier beidseitig beschrieben. Sorgfältig pustete er nochmal darüber und nutzte ein zweites Blatt als Löschpapier, damit die Tinte sich nicht sammelte und das Schriftbild weiter verkomplizierte, dann endlich faltete er das Blatt doppelt und faltete aus einem zweiten Papier ein Umschlag für den Brief. Er träufelte etwas Wachs auf den provisorischen Umschlagrücken und kramte einen kleinen Petschaft[3] aus seinem unglaublichen Sammelsurium an Kleingegenständen, welche er in seiner Weste zu verstecken schien. Er drückte ein Symbol in das rote Wachs, welches grob an einen stilisierten Adler erinnerte. Er schob es Donald und Hermene zu. Sein Blick klarrte deutlich auf und er stand auch wieder auf. Er erklärte sich zunächst nicht, sondern säuberte seine Materialien und verstaute sie dann wieder in seiner Weste. Das Tintenfass stellte er wieder auf das Regal.
"Sobald einer von Ihnen beiden die Gelegenheit hat, wer auch immer diesen Brief übergeben will, reiche er dieses Schriftstück Emil Nobel. Achten Sie darauf, dass es nur dann geschieht, wenn ich weit von diesen Ereignissen entfernt bin. Öffnen Sie dieses Schriftstück nicht und versuchen Sie es nicht, das Schriftstück durch eine Kerze zu lesen. Kommt es in einem Stück an und ungelesen, wird es von höchstem Nutzen sein."
Mehr erklärte der Braunschweiger nicht und wimmelte auch alle Nachfragen brüsk ab, sollten sie gestellt werden. Stattdessen verwies er darauf, dass sie eine anstregende Reise durch die kalte, holsteinische Nacht vor sich hatten. Er nahm einen langen, schwarzen Militärmantel von der Garderobe und löschte alle Lichter der Kneipe, dann geleitete er Donald und Hermene nach draußen und verschloss den Laden. "Wohl wissend, dass Sich noch ausrüsten müssen, werte Schwester, werden wir Ihren Stift besuchen."
Gemeinsam brachen sie, schweigend, zum Treffpunkt auf und holten Hermenes Ausrüstung aus dem Stift.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:50 Uhr - Am Lazarett

Eine ganze Weile hatte die Besprechung der Studenten gedauert, die Unterredung darüber, wie man nun zu verfahren hatte und man hatte zumindest einen Konsens ganz gewiss finden können. Dieses omninöse Schriftstück hatte eine Brisanz, welche jeden gemeinen Mann in Ehrfurcht und Stammeln warf und vielleicht war es bei den Herren Nobel, von Lütjenburg, Schreiber und Rosenstock nicht anders gewesen, als sie sich gewahrten, was sie dort in ihrem Händen hielten. Eine ganze Reihe unschuldiger Männer hatte das Leben für dieses Schriftstück gelassen. Ein Schicksal, welches schwer auf dem jungen Emil lasten würde. Doch das war etwas, um das sich Alfred Nobel später zu kümmern hatte. Nachdem sie sich auf ein Vorgehen geeinigt hatten, ging es daran, sich ausreichend vorzubereiten. Man sprach sich ab, dass man gemeinsam zur Kutsche gehen würde. Carl bestand aus Sicherheitsgründen darauf, gerade da Alfred Nobel noch ein paar Worte mit dem Braunschweiger wechseln wollte, um etwas Zeit zu schinden. Wer wusste schon, mit welchen Brackwassern[4] der Braunschweiger nicht alles gewaschen war. Nicht, dass er Alfred und seinen bettlägrigen Bruder bedrohte und entführte.

Schnell waren die Studenten in alle Winde verstreut und sammelten ihre Habe und ihre Bewaffnung zusammen, denn nichts erschien wichtiger, als nicht zu unvorbereitet in die Begegnung mit seiner Durchlaucht zu gehen. Und auch Alfred nutzte die Zeit und fragte, während er Doktor Kern zusätzliche Medikamente zukommen ließ, herum. Der Doktor dankte Alfred überschwänglich, schließlich waren die Medikamente sehr gefragt und doch verbanden sich damit auch grausames Nachrichten. An Verkühlungen und Verwundungen, Entkräftung, Verbrennungen und Verätzungen waren noch weitere fünf Patienten innerhalb des Lazaretts verstorben. Siebenundzwanzig hatte man aus dem Wasser geborgen und damit, Alfred musste schlucken, hatten 124 Passagiere und Schiffsbesatzung den Tod im Meer oder durch die Explosionen gefunden. Der Schaden war horrend und Alfred hatte die komplette Ladung verloren und sein Bruder schien zumindest eine Art Schuld daran zu tragen oder zumindest eine gewisse Verantwortung, hatte er doch dieses unheilsame Schriftstück bei sich.

Alfred hatte einen bestimmten Zauber im Kopf gehabt, als er sich nach Möglichkeiten der Dokumentverwahrung erkundigte. Es wunderte keinen, dass ein Geschäftsmann, der sein Schiff verloren hatte, nach Möglichkeiten der Sicherung der restlichen Bestände fragte. Doktor Kern legte ihm die Sparkasse der Stadt Kiel nahe, welche jedoch erst am Montag wieder gegen 9 Uhr geöffnet haben würde. Auch weitere Geschäfte, von denen Alfred hörte würden erst wieder am Monat geöffnet haben. So hörte er von einem alten Schiffsfahrts- und Krämerlader, dessen Besitzer allerlei magisches Grimsgrams von seinen Reisen über die Meere mitbrachte, als auch von einem selbstständigen Mediziner, der allerlei magisches Zeug angesammelt hätte, aber von den Ärzten der Stadt eher als Scharlatan abgestempelt wurde. In Molfsee sollte es einen Druiden geben, der Relikte sammelte und ein sonderbares Interesse an Schriftrollen besaß. Aber, so musste Alfred erkennen, kristallierte sich als größtes Problem heraus, dass der heutige Tag ein Sonntag war. Es war ein Kirchen- und kein Krämertag. Es war beinahe zum Mäuse melken, denn so viel Zeit zu schinden, das würde beinahe unmöglich sein.
Als Alfred zu seinem Bruder zurückkehrte und die Suche beinahe aufgegeben hatte, fragte er schon fast zynisch, seit wann es an einem Sonntag in einem protestantischen Land nur noch die Kirche gäbe. Es war ein merkwürdige Entwicklung gewesen, war ein Kirchentag, ein Messentag, im Mittelalter noch ein Tag und ein Treffen höchster Geschäftligkeit, brachte man heute die Zeit damit zu, dass man dem Priester lauschte, was zwar manchmal erhellend war, aber Alfred in dieser Situation kaum weiterhalf. Aber ausgerechnet der Soldat hatte zumindest eine naheliegende Lösung, welche die Situation vereinfachen könnte.
Am nächsten Morgen, nach dem Gottesdienst, würde Oberstwachtmeister Widdendorp mit ein paar Soldaten eine Inventur der Lagerbestände machen, vielleicht könnte Alfred dort mitwirken und das Notwendige finden? Ohne dass Alfred das Gespräch in eine solche Richtung gelenkt hätte, sondern eher allgemein gefragt hatte, glaubte der Soldat sich daran erinnert zu haben, dass alle Diplomaten Preußens und Österreichs Geheimhaltungszauber auf Reisen mitnahmen und jede Garnison deswegen Schriftrollen bereithalten müsse. Das war zumindest die schnellste Chance, von der Alfred hörte. Für alle anderen müsste er zumindest die Sonntagsruhe der Besitzer stören. Damit Alfred über Emil wachen konnte, erklärte sich der Soldat sogar bereit, Alfreds Anliegen - an einem Sonntag magische Gegenstände zu erwerben[5] - dem Oberstwachtmeister vorzutragen.

Kurz darauf trudelten auch die Studenten wieder ein. Jene Studenten, welche sich gegen ein heißes Bad und ein kühles Bier im Unteroffiziersheim entschieden hatte. Jene Studenten, welche dem Schicksal noch nicht genug in den Schlund geschaut hatten, als sie auf dem Meer zwischen Tod und Feuer auf den Wellen ritten, um Menschenleben zu retten. Jene Studenten sahen bereits, dass auf dem Vorplatz eine große, schwarze Kutsche stand. Ein Monstrum von einem Gefährt, welches mindestens acht Passagiere fasste und von sechs, gut eingepackten, Schimmeln gezogen wurde. Sie war weitesgehend schnörkellos und zeigte keine besonderen Verzierungen oder Besitzmarken. Lediglich der silberne Totenkopf an der Tür verwies darauf, dass diese Kutsche im Privatbesitz des Braunschweigers oder im Besitz seiner alten Einheit war. Sie waren inzwischen bewaffnet und gewaschen, wieder ordentlich gekleidet. Es nieselte nur noch und der Wind war nur noch eine leichte, wenn auch kalte, Brise. Zusammen bewegten sie sich entschlossen auf die Kutsche zu.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:59 Uhr - Am Hafen

Der schwarze Braunschweiger war auch nicht alleine gekommen. Die merkwürdige, schattenumwobene Nonne, welche die Versammlung der Studenten gestört und sich mit Marius gestritten hatte, war beim Braunschweiger. Eine merkwürdige Entwicklung, wenn man bedachte, dass sie im Lärm der Kanonenschläge zuletzt in die Richtung des Altenstifts verschwunden war und vorher um Ruhe für die alten Menschen im Stift gezankt hatte. Neben ihr saß ein Schotte in einem typischen Kilt, er sah von Wind und Wetter inzwischen gegerbt und etwas mitgenommen aus, auf einem Pferd. Ein zusätzlicher Reiter, um die Kutsche abzusichern? Aber warum ein Schotte?
Der Braunschweiger ging wortlos an die Kutschentür und öffnete sie und verbeugte sich vor den Ankommenden. Er machte keinen Hehl daraus, dass er scheinbar mit einem gemeinsamen Erscheinen der Studenten und Alfred Nobels gerechnet hatte. Und man sah sofort, dass er unzufrieden war, sah er doch nicht alle Personen, an denen er ein ausgereiftes Interesse hatte.

In der Nähe standen mehrere Personen, vielleicht zehn, welche definitiv nicht den holsteiner Soldaten zuzuordnen waren und scheinbar zur Absicherung des Braunschweigers hier waren. Hermene erkannte einen besonders großen und furchtbaren Mann wieder. Es war Peter, der Mariner mit den unglaublich ungeformten Muskelbergen, welcher mit seiner bloßen Gestalt größte Grobschlächtigkeit annehmen ließ. Viel grobschlächtiger als die Studenten Paul empfanden. Die anderen waren schwer zu sehen, standen relativ weit abseits und in den Schatten, der inzwischen wieder entflammten Laternen, welche den Hafen nun etwas besser ausleuchteten. Die Kutsche stand unter solch einer Laterne.

"Bedauerlicherweise bemerke ich eine krumme Zahl. Es ist unserem letzten Gast doch hoffentlich nichts zugestoßen?", fragte der Braunschweiger, während er sich von der Tür entfernte und ein paar Schritte auf die Studenten und Alfred zuging. "Darf ich vorstellen?" Er schnipste mit den Finger und zeigte auf die Nonne und den Schotten. "Schwester Hermene und Donald Munro. Ihre Reisegefährten für die Fahrt nach Emkendorf."
Er begann süffisant zu lächeln, als er sah, dass die Studenten inzwischen bewaffnet waren. Ihm schien ein Gedanken zu kommen.
"Sehr interessant. Halten Sie, werte Studenten, Ihre Bewaffung für Ihr Ehrenrepertoir oder darf ich annehmen, dass Sie an Ihrer Unversehrtheit zweifeln? Oder wollen sie Zeichen setzen und zeigen, dass Ihre Unterwerfung von solcher Bedeutung ist, dass sie Ihre Waffen vor seiner Durchlaucht niederlegen, statt nur die Parlamentärsflagge[6] der Freundschaft zu schwenken?"
Er deutete auf die Tür und deute abermals eine Verbeugung an.
"Aber zuerst werden Sie mir natürlich erklären, warum Sie nicht vollzählig sind, nicht wahr?" Es war eine schwere Situation, auch für ihn, schließlich stand er jetzt relativ ungeschützt, nur nahe seiner Kutsche, zwischen potentiellen Feinden. Menschen, deren Zugehörigkeit er nicht genau kannte. Er hatte dennoch eine beneidenswerte Selbstsicherheit, die er an den Tag legte, als würde er wissen, dass alle Reisegefährten selbst nicht wussten, wie sie zueinander standen. Sein Blick gewann etwas Ernstes, als würde er mit allem rechnen, auch mit einem Angriff.
 1. Genever (http://de.wikipedia.org/wiki/Genever)
 2. Schreibfeder (http://de.wikipedia.org/wiki/Schreibfeder)
 3. Petschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Petschaft)
 4. Brackwasser (http://de.wikipedia.org/wiki/Brackwasser)
 5. Ich bin davon ausgegangen, dass Alfred in seinen Fragen wenig spezifisch sein würde, um nicht zu viele Informationen preiszugeben.
 6. Parlamentärsflagge (http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentärsflagge)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 13.07.2011, 13:08:56
Die Hände des Schweden waren hinter seinem Rücken verschränkt, eine Haltung, die einige der Anwesenden bereits bei ihm beobachtet hatten. Es war eine offene aber reservierte Geste, wie auch Alfred dem Braunschweiger gegenübertrat. Zwar war er bereit, sich das Angebot anzuhören, doch die Situation war zweifellos verhandlungsnotwendig. Erwartungsvoll blickte Alfred den Braunschweiger an. Natürlich hatten die holsteiner Studenten ihm von der Erscheinung des Boten erzählt, doch sein persönlicher Anblick überraschte den Schweden dennoch. Die unverhohlene Selbstverständlichkeit, mit der der Braunschweiger seine Erwartungen an die unfreiwillig zu Gästen berufene Persönlichkeiten stellte machte keinen sonderlich guten Eindruck auf den Unternehmer.

"Obwohl ich es schon beschlossen hatte, würde ich es mir jetzt gar drei Mal überlegen, in die Kutsche einer solchen Gestalt zu steigen!"

Alfreds erwartungsvoller Blick blieb, seine Augenbrauen hoch gezogen, versuchend den müden Ausdruck zwanghaft zu verbergen. Fast demonstrativ wendete er den Blick von dem Boten ab, um die gerade eben vorgestellten zu begrüßen. Die restlichen Männer ignorierte Alfred bewusst, auch wenn ihm der Gedanken nicht gefiel, dass nun ganze elf Männer in der Lage sein konnten, ihren Willen sogar mit Gewalt durchzudrücken.

"Schester Hermene, Mister Munro, eine angenehme Nacht wünsche ich Ihnen, mein Name lautet Alfred Nobel." Mit leicht zittrigen Fingern zog Alfred die Uhr aus seiner Westentasche und warf einen Blick drauf. Anerkennend stieß er ein kurzes Seufzen aus, als er sah, dass es nun gar mitten in der Nacht war. "Ich hoffe sehr, dass die Reise nach Emkendorf auch in Ihrem eigenen Interesse liegt, denn leider wird die Reise vermutlich das Wahrwerden meiner Wünsche reichlich erschweren." Langsam steckte Alfred seine Uhr weg und ließ seinen Blick für einige wenige Momente auf den beiden so grundverschiedenen Begleitern ruhen. Es schien, als ob sein Blick Besorgnis aufwies und indirekt die Frage stellte, "Sind Sie sich sicher, dass die Reise mit einer solchen Person eine gute Idee ist?"

Die Hände wieder hinter dem Rücken versteckt wandte sich Alfred wieder dem Braunschweiger zu. Mit gefasster und geschäftlicher Stimme sprach der Schwede weiter.

"Ich habe die mündliche Nachricht über Ihre Einladung erhalten, Herr von Braunschweig. Ich gehe davon aus, dass Sie eine offizielle schriftliche Einladung des Herzogs bei sich haben, ich nehme sie gerne entgegen. Aber bitte tragen Sie doch auch das Anliegen Ihres Adressanten persönlich vor. Angesichts der heutigen Ereignisse möchte ich meine Neugier über die Botschaft des Herzogs nicht verbergen."

Ruhig begann Alfred das Gespräch. Die Forderung des Braunschweigers, sich zu erklären, ließ Alfred bewusst fallen. Er nahm sie als eine Art diplomatischen Faux Pas wahr, würde jedoch auf die Forschheit eingehen, sollte der Braunschweiger darauf bestehen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 14.07.2011, 00:15:50
Carl hatte sich zu Hause einigermaßen gerüstet. Unter seiner Uniform trug er ein feingliedriges Kettenhemd von elfischer Machart, das so geschmeidig war, dass es kaum auftrug. Bewaffnet hatte er sich mit seinem Revolver[1] und dem Offizierssäbel[2]. Die Blankwaffe war schlicht und ohne Verzierungen, beinahe die eines Gemeinen, jedoch war sie von überragender Machart und mit Magie durchwirkt.

Seinen dunkelblauen Mantel trug er offen und mit hochgeschlagenem Kragen, unter dem jedoch die hohen roten Kragenspiegel seiner Uniform deutlich hervorlugten. Immer wenn der leichte Wind seinen Mantel erfasste konnte man eine Art Orden an einem orange-weißen Band an seiner linken Uniformbrust erkennen[3]. Auf dem Kopf trug er den Helm mit Spitze[4], Symbol der preußischen Armee schlechthin, etwas verwegen leicht in die Stirn geschoben.

In dem für seine Kommilitonen ungewohnten Aufzug schien Carl gleich noch eine Nuance schneidiger als sonst schon zu wirken und auch seine Körperhaltung war deutlich straffer und angespannter als gewöhnlich.

Als Carl Schwester Hermene erblickte konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Kurz nickte er dem Schotten zu und wand sich dann wieder der Nonne zu "Haben Sie inzwischen schon für mich gebetet, Schwester? Nach den bisherigen Geschehnissen wäre ich geneigt Ihrem Tun eine Wirkung zu attestieren." er blickte zum schwarzen Braunschweiger und sein Gesicht versteinerte augenblicklich"Vielleicht aber auch nicht..."

Ob der Braunschweiger wusste, dass die Studenten schon mit der Schwester bekannt waren? Ob es ihn aus dem Konzept bringen würde?

Als der Braunschweiger sich so hochtrabend über ihre Bewaffnung äußerte kam Carl ein Gedanke. Zwar ärgerte ihn die Art seines Gegenübers in hohem Maße, aber offensichtlich gefiel er sich auch sehr gut in ihr. Zumindest schien es jedoch seine Methode der Wahl für solche Dinge zu sein und er musste sehr genau wissen, in welcher Weise er damit auf seine Mitmenschen wirkte.

Auch die erste Begegnung mit dem Mann hatte gezeigt, dass dieser sich mit einem gewissen Enthusiasmus über andere erhob und sich ihnen in seinem Spott überlegen wähnen wollte. "Eine Kostprobe von der eigenen Medizin vielleicht?" dachte sich Carl.

"Meine Bewaffnung ist für Sie nicht von Interesse, es sei denn sie legen einen so großen Wert darauf, dass ich sie zu Ihrem Interesse mache. Wobei immer noch zu bezweifeln bleibt, dass sie dazu überhaupt befähigt sind, wenn sie nicht mal einen Namen ihr Eigen nennen möchten." in Carls Stimme schwangen der Stolz des Hauses von Lütjenburg und des gesamten preußischen Offizierskorps mit, doch nicht ohne Berechnung.

"Aber zu ihrer Information und zu ihrem Seelenfrieden: Ich fürchte nicht um meine Unversehrtheit. Ich darf sogar sagen dass ich recht gut darin bin unversehrt zu bleiben und auch meine Gefährten und Mitmenschen-" er blickte probehalber freundlich zu Donald und Hermene herüber, denn wer wusste schon, wie die Loyalitäten hier verteilt waren, und wies mit seiner rechten Hand zu seinen Kommilitonen und Alfred hinüber "-vor Schaden zu bewahren."

Carl positionierte sich scheinbar ganz unbewusst ein wenig anders, so dass der Wind nun dauerhaft den linken Teil seines Mantels zur Seite wehte. Somit war nun der Blick auf seinen scheinbar gewöhnlichen Säbel unverdeckt und an seiner Brust blitzte hell die silberne Medaille. "Darüber hinaus eine kühne Theorie, die Sie uns da entgegenschieben, wo Sie doch mit einer halben Korporalschaft hier erschienen sind."

Carl blickte sich zum ersten Mal richtig um und musterte die nächtlichen Gestalten in der Umgebung, offensichtlich nicht beeindruckt. Dann sah er wieder den namenlosen Mann an und blickte freundlich bis gütig "Keine Angst mein Herr, sie haben keinen Grund um ihre körperliche Unversehrtheit zu fürchten. Es wird nicht nötig sein, dass man sie verteidigt." Carls Ton wurde eine Nuance überheblicher und er gestattete sich ein wissendes Lächeln. Vor ihm stand ein Mann der sich von anderen verteidigen ließ. Und dieser Gedanke stand nun in seinem Gesicht.

Carl hoffte, dass er es geschafft hatte den Braunschweiger zu treffen. Ihm seine Überlegenheit in der er sich so gerne aalte für einen Augenblick zu nehmen und ihm ein Stück weit vor allen hier versammelten der Lächerlichkeit preis zu geben. Ein ganz kleines Stück würde vielleicht schon reichen, so dass sein Gegenüber vom wirklichen Geschehen abgelenkt war und unachtsam wurde. Alfred würde so vielleicht ein leichteres Spiel haben und der Braunschweiger würde Carl wahrscheinlich als streitlustiger Einschätzen, als er es tatsächlich war.

In jedem Fall würde der Mann aber durch seine Reaktion einen Teil von sich offenbaren müssen, was Carl und seine Gefährten zwar nicht vollends in eine vorteilhaftere Position bringen würde, aber immerhin ein paar Schlüsse zulassen könnte.
 1. Colt Navy 1860 (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Colt_Army_Mod_1860_Fluted_Cylinder.JPG)
 2. Preußischer Infanteriesäbel M1818 (http://www.papilio.cz/img/a27/a27_868_v.jpg?PHPSESSID=d84d33a4b61177d5d2dbe5c16b96ea57)
 3. Medaille (http://beck-militaria.de/index.php?rex_resize=400w__4143_01.jpg)
 4. Helm mit Spitze (http://de.wikipedia.org/wiki/Pickelhaube)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 14.07.2011, 13:23:39
Donald saß auf seinem Pferd und ritt bei der Kutsche, jedesmal, als sich einer vorstellte, entgegnete er: "Es freut mich, ihre Bekanntschaft zu machen." Und so beobachtete er wortlos die Situation. Der Braunschweiger war nicht zufrieden, das konnte man ihm ansehen. Und er bekam harte Worte zu hören, etwas, was ihm sicherlich auch nicht passte.

'Das könnte interessant werden, ich werde sehen, wie sich die Dinge entwickeln und dann zahle ich es ihm heim.'
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 14.07.2011, 14:59:41
"Eine angenehme Nacht wünsche ich ihnen Schwester und Mister Munro."

Zum schwarzen Braunschweiger gewandt, bemerkt Conrad dann noch folgendes: "Ich trage meine Bewaffnung mit dem Stolz eines Ehrenmannes, Herr Braunschweiger. Ich glaube nicht, dass ich tatsächlich aktiv von meiner Bewaffnung Gebrauch machen muss. Aber ich dachte, dass sie uns hier alleine erwarten würden, Herr Braunschweiger. Offenbar habe ich mich da geirrt, wenn ich mich so umschaue."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 14.07.2011, 21:34:31
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:02 Uhr - Am Hafen

Einen Augenblick, einen ganz kurzen Augenblick zögerte der Schwarze Braunschweiger, scheinbar überrascht über das forsche Auftreten der Studenten, obgleich er mit solch einem Verhalten durchaus geplant hatte. Doch dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, er hatte augenscheinlich einen Ansatz gefunden, wie er mit dieser Situation umzugehen hatte. Um ein Haar hätte Carls Art und Weise des Auftrittes den Braunschweiger aus dem Tritt gebracht. Er ließ der Tür los, nachdem er sicher gegangen war, dass der Wind sie nicht zuschlagen würde. Doch der Wind blieb ruhig, obgleich es immer noch sehr kühl war. Kiel war im einem russischen Tiefausläufer gefangen, nicht was einem Alfred Nobel fremd gewesen wäre. An allen anderen konnte man ebenfalls kein Frieren ausmachen, welches jedoch nicht an der jeweiligen Härte, sondern an der angespannten Situation liegen mochte.

"Natürlich, Herr Nobel, habe ich eine schriftliche Einladung für Sie. Ich dachte nur, dass ich Ihnen die Unannehmlichkeit, die Peinlichkeit der Situation erspare und Sie durch die Herren gleich einlade. Ich habe mir beinahe gedacht, dass Sie auch weiterhin gemeinsam den Abend verbringen würden und wie ich sehe, war meine Einschätzung der Situation nicht gänzlich falsch. Jedoch bin ich verwundert, dass Sie sich noch nicht gedacht haben, welche Art Ihre Einladung haben würde.", er wischte sich die Nieseltropfen von den Schultern. "Oder vielleicht haben Sie das und setzen jetzt das stoische Gesicht des Geschäftsmannes auf." Jetzt unter den Licht der Laterne konnte Carl auch endlich erkennen, dass sein feiner, schwarzer Zwirn tatsächlich ein militärischer Anzug war. Und zwar passte nicht nur seine Mütze mit dem silbernen Totenkopf, auch alles andere entsprach perfekt der Anzugsordnung, wie Carl sie auf Schaubildern gesehen hatte. Genauso lief ein Mitglied der Schwarzen Schar[1] herum. Er konnte anhand des schwachen Lichtes nun auch erkennen, dass die Kragenspiegel und die Biese in blauer Farbe war. An der Seite baumelte eine blaue Ehrenkordel. Carl schaute nochmal hin. Der Schwarze Braunschweiger trug eine Uniform, die darauf schließen ließ, dass er im Rang ein Major sein musste, oder anders ausgedrückt, er trug denselben Rang wie van Widdendorp. Oberstwachtmeister. Seine typisch soldatischen Bewegungen, die Carl bei der ersten Begegnung bereits erkannt hatte, passten zu seiner Kluft.
"Aber wenn Sie so sehr darauf bestehen, will ich Ihrer Bitte nachkommen. Aber seien Sie bitte nicht enttäuscht, dass Ihr Name in diesem Dokument nur an dritter Stelle steht."

Er zog eine Ledermappe aus seiner Oberjacke und öffnete sie, hielt sie so in den Wind, dass der Nieselregen die Innenseite nicht benässen konnte. "Möchten Sie, dass ich es verkünde, Herr Nobel? Ich kann Ihnen jederzeit anbieten, wie ein alttreuer Herold die Schriftstücke seiner Durchlaucht zu präsentieren. Aber wie gesagt, ich will Ihnen alle notwendigen Peinlichkeiten vor fremden Menschen ersparen. Darum erlauben Sie mir, es Ihnen auszuhändigen." Bestärkt durch die Worte der Gäste, dass sie ihn nicht angreifen würden, macht er die Schritte auf Alfred zu und drückt ihm das wieder geschlossene Ledermäppchen in die Hand.

Alfreds Einladung (Anzeigen)

"Sie werden einsehen, dass es keine feierliche Einladung ist, aber immerhin. Sie sehen ebenso ein, dass ich die Einladung gleich wieder zurückbrauche. Ihr Bruder wird sie ebenso sehen wollen. Und genau dort waren wir stehengeblieben, Herr Nobel. Geht es Ihrem Bruder etwas besser?" Das Lächeln des Braunschweigers gewann wieder diese widerliche Süffisanz, er blickte zur Seite und Carl von Lütjenburg in die Augen. Er nahm sich die Zeit, da er glaubte, dass Alfred Nobel einen Moment brauchen würde, um diese Information zu verdauen. Er zog seine schwarzen Handschuhe straff und wischte die Feuchtigkeit von ihnen.
Ein paar Sekunden musterte er Carl in dessen stolzen Aufzug und lächelte dann, nahm jedoch die Süffisanz aus dem Lächeln.
"Herr Leutnant. Ich darf doch bitten. Dass Sie keinem Säbelrasseln ausweichen wollen, das kann ich wohl sehen. Ich habe Ihren Wagemut eben auf der aufgepeitschten Förde bereits bewundern dürfen, ich werde forthin nicht daran zweifeln, dass Sie ein Freund der Kühnheit sind. Sie sind ein preußischer Recke, dessen Tage in der Uckermark[2] so prägend waren, dass Sie noch immer der Hafer sticht. Daran zweifeln auch Ihre Freunde sicher nicht."
Er war ein wenig kleiner als Carl, weshalb er ein wenig nach oben schauen musste. Der Größenunterschied störte denn schwarzen Braunschweiger jedoch nicht im Geringsten. "Bei aufgepeitschter See können Sie immerhin erahnen, welches Schicksal Ihnen blüht. Bei einem Ihnen unbekannten Soldaten, da ist es nicht ganz so einfach. Das würde nach Ihren Worten also bereits reichen, um meinen Schutz zu gewährleisten. Sagen wir es so, Herr Leutnant. Da ich nach wie vor davon überzeugt bin, wie auch vor drei Stunden, dass Sie keine Ahnung davon haben, wo Sie hier überhaupt mit Ihrem Verhalten reingeraten sind und Sie deswegen zwangsläufig, ungeachtet Ihrer großartigen Fähigkeiten, zu Irrschlüssen kommen müssen, die Ihr Verhalten mir und der Bitte seiner Durchlaucht gegenüber beeinflussen muss, war es mir nur eine Vorsichtsmaßnahme, dass ich einige Bekannte mit zu unserem Treffen gebracht habe. Ich bin mir Ihrer herausragenden Schutzfunktion bewusst, Sie halten sie mir ausreichend unter die Nase, als Tat und als Lob in Medaillenform. Aber dass Sie diese Funktion ausüben können, bedingt meine Vorsichtsmaßnahme." Jetzt kehrte das Überhebliche zurück in sein Antlitz. "Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Leutnant von Lütjenburg. Ich glaube nicht, dass Sie mir im Duell ebenbürtig wären. Aber auch ich weiß darum, dass ich mich nicht teilen kann, um an allen Orten gleichzeitig zu sein. Je nachdem, wie sich dieses Gespräch weiterhin verhält, wäre es also möglich, dass ihre Freunde eine Flucht in Erwägung ziehen könnten. Angespornt von Ihrem Irrglauben, Herr Leutnant, angespornt von der Abneigung meiner Person gegenüber, und angesport vom eigenen Irrglauben oder schlichtweg der eigenen Angst. Und sollten Sie in diesem Moment mir mit Ihrem Säbel gegenübertreten, Herr Leutnant, um Ihren Freunden einen Vorteil zur Flucht zu verschaffen und jene sich auch noch auf die ganze Stadt Kiel verteilen, dann ist es auch mir unmöglich, alle gleichzeitig wieder dazuzubringen, der Einladung seiner Durchlaucht nachzukommen." Er blickte alle Studenten, Alfred, die Schwester und den Söldner nacheinander an. "Sie sehen, es liegt mir fern, mich mit Ihnen zu streiten. Gleichwohl kann ich verstehen, wenn Ihnen meine Gestalt, mein Rang, mein Auftreten und Gebaren oder die Ehre, dass seine Durchlaucht persönlich Sie empfängt, Unbehagen bereitet. Sollten Sie daraus Trugschlüsse ziehen, habe ich die notwendigen Vorbereitungen getroffen, dass es nicht zu bösem Blut oder unüberlegten Taten kommt. Und damit sollte auch klar sein, warum Sie sich in Ihrer Annahme, ich würde alleine erscheinen, irren mussten, Herr Rosenstock." Damit war klar, er kannte die Namen aller anwesenden Studenten, obwohl nur Carl sich in der ersten Begegnung vorgestellt hatte.
Die Gestalt, welche sich am dichtesten in der Nähe des Braunschweigers - etwa in fünfzig Metern Entfernung - aufhielt, war ein Bär von einem Mann. Er trug trotz des kalten Wetters nur kurze Hose und ein zu kurzes Hemd. Seine Muskeln waren widerliche und unnatürliche Fleischberge, die nicht wie Muskeln geformt aussahen, sondern wie zertretenes und dann beinahe erstarrtes Fleisch. Sein zweifarbiges Hemd war klitschnass und Adern traten sichtbar an seinem Hals und seinem Kopf auf. Der Braunschweiger gab ein Handzeichen und der sonderbare Mariner verdoppelte seine Entfernung. Der Major drehte sich wieder zu Alfred und hielt auffordernd die Hand auf. "Ich darf um das Dokument bitten, Herr Nobel?"
 1. Schwarze Schar (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Schar)
 2. Uckermark (http://de.wikipedia.org/wiki/Uckermark)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 15.07.2011, 01:43:30
Alfred Nobel stockte der Atem. Er konnte von Glück sprechen, dass sich der Braunschweiger wieder den Studenten zugewandt hatte, als er seine Fassung verlor. Die Augen des Schweden waren groß und das Gesicht bleich. Die Lippen des Wissenschaftlers begannen zu beben, seine Finger folgten mit einem unaufhaltsamen Zittern. Der Haftbefehl änderte alles. Zwar war es für Alfred ein Rätsel - ein gar undenkbares Ding der Unmöglichkeit! - wie viel der Herzog über ihn und seinen armen Bruder wusste, und noch viel eher, dass Friedrich es wissen konnte, bevor Alfred es überhaupt erst tat. Doch wenn Alfred ehrlich war, spielte dies in dieser traurigen Nacht keine Rolle mehr. Der Schwede hielt nach wie vor an seiner ersten Einschätzung fest; was er brauchte, war Zeit. Zeit um hinter die Geschehnisse zu kommen, Zeit, um zu verstehen, was für ein unglaublicher Herzog das war, der scheinbar über die ganze Welt zu informiert sein schien, während er wie ein geschlagener Hund umhergetrieben wurde.

Als der Braunschweiger das Dokument zurückverlangte, reagierte Alfred zunächst nicht. Wie betäubt stand er im Regen, doch sein Verstand arbeitete bereits. Er ging alle ihm möglichen Optionen durch, musste jedoch ernüchternd feststellen, dass ihm so viele nicht mehr blieben. Sein Koffer stand in Emils Zimmer im Lazarett, war verschlossen und unter dessen Bett verstaut. Wenigstens trug er es nicht bei sich.

"Ver-... künden Sie es."

Alfred Stimme war trocken und erstickt, als er dem Braunschweiger den Befehl zurückreichte, ohne dabei den Blick zu heben oder ihn anzuschauen. Mühselig zwang er sich dazu, die Arme wieder hinter seinen Rücken zu legen, doch seine Haltung war bereits in sich zusammengefallen und hatte nichts mehr von dem jungen, aufstrebenden Unternehmer. Fieberhaft dachte er nach, als er darauf wartete, die quälende Stimme des Braunschweigers durch den Wind zu hören.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 15.07.2011, 09:02:47
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:03 Uhr - Am Hafen

Der Braunschweiger schaute überrascht, als er sich der Situation gewahr wurde, dass Alfred Nobel wollte, dass er diese Einladung laut verkündete. Er schürzte kurz die Lippen und nickte anerkennend. "Sehr mutig, Herr Nobel. Hätten Sie es anders gewollt, hätte ich Ihnen diese Peinlichkeit erspart. Aber da Sie sich deswegen nicht beschämen, werde ich abermals Ihrer Bitte nachkommen."
Er nahm das Schriftstück an sich und ging wieder ein paar Schritte auf die Kutsche zu, sodass jeder ihn gut hören konnte, ohne dass er über den halben Hafen brüllen musste. Er sprach so laut, dass jeder ihn ausreichend hören konnte, doch nicht so laut, dass auch die letzten Arbeiter, welche die letzten, glimmenden Trümmer der Solros aus der Förde bargen, es hören konnten.

"Datiert ist das Schriftstück auf den zweiten Dezember diesen Jahres.

Mandat d'arrêt
Warrant of Arrest
Haftbefehl

Beschuldigt des Diebstahls königlich-herzöglicher Verträge und damit des Hochverrats ist der Dissident Marius Pedersen.
Beschuldigt des Kaufes und zur Anstiftung zum Diebstahl der gestohlenen Dokumente ist der schwedische Fabrikantensohn Emil Oskar Nobel.
Beschuldigt der Behilfe zum Kauf und zum Schmuggel der Dokumente ist der schwedische Fabrikantensohn Alfred Bernhard Nobel.

Alle drei Personen sind (mit[1]) dringenst zu verhaften und zu internieren. Bei Fluchtversuchen ist Gewalt nur im Rahmen der groben Unversehrtheit zu billigen.

Dieses Dokument ist den zu Verhaftenden vorzuzeigen. Dieses Dokument gilt als Zugangsbrief für die Informationsarchive der hilfsbereiten PGP.

Unterzeichnet und gesiegelt von Friedrich VIII. von Schleswig und Holstein."


Der Braunschweiger verzichtete auf Übertonungen und las den Haftbefehl realtiv regungslos vor. Er verzichtete auf übertriebene Gesten und Mimiken. Er rollte das Mäppchen zusammen und schob es wieder in die Innentasche seiner Jacke.
"Ich sehe, dass dies schwere Tage für Sie sein müssen, Herr Nobel. Darum bitte ich Sie sogar eindringlich dazu, mir endlich zu beantworten, was mit Ihrem Bruder ist. Die Solros zerstört, der Bruder verwundet und dann noch ein Haftbefehl. Ich bitte Sie eindringlich darum, mitzukommen und dem Herzog das Gespräch zu lassen. Sie sehen, warum ich Ihnen lieber eine indirekte, unpersönliche Einladung überreicht habe."
Er blickte an Alfred vorbei und dann zu den Studenten, Schwester Hermene und Donald Munro.
"Sie dürfen einsteigen. In der Kutsche warten keine Königskobras. Das einzige, was Sie alle erwartet, ist eine unbequeme Fahrt. Obgleich es Ihnen offen stelle, Donald, ob sie mit der Kutsche fahren und ihr Pferd mitgeführt wird oder Sie es bei diesem Wetter selbst nach Emkendorf bringen."
Er stellte sich wieder an die Tür und hielt sie offen.
 1. Könnt ihr in Gedanken streichen. Der Spielleiter hat nicht aufgepasst beim Schreiben.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 15.07.2011, 09:41:13
Schweigend ließ Alfred die Anklage über sich ergehen. Als der Name seines Bruders und sein eigener aufgerufen wurde, nickte er kurz, als ob er die Anwesenheit bestätigen wolle, was im Falle Emils offensichtlich nicht ganz richtig war. Als das Schriftstück endete, hob Alfred zum ersten Mal wieder das Haupt. Sein Blick war verbittert, doch hatte sich Alfred wieder gefasst.

"Was würde ich jetzt nur für ein ruhiges, erholsames Bett geben?"

Dass der Braunschweiger seine Überheblichkeit fallen ließ, fiel dem Schweden auf. Sicherlich hatte dies etwas zu bedeuten, waren dies die einzigen Momente, in denen man dem schwarz uniformierten ein gewisses Verhalten entsprechend seiner Aufgabe abnehmen konnte. Doch es fiel dem Schweden schwer, sein Gegenüber in nur irgendeiner Form zu deuten.
Als Alfred zu sprechen begann, war seine Stimme leise, die Worte kamen langsam. Trotzdem gelang es ihnen durch den windigen Niesel über den Platz zu dringen.

"Sie haben Recht, Herr von Braunschweig, die Ereignisse sind äußerst lähmend. Doch ich will mich der Anklage fügen, jedenfalls so weit, bis die Unschuld meines Bruders und meiner Person geklärt ist."

Ein trauriger Blick schimmerte von Alfred dem Braunschweiger entgegen. Wenn sein Gegenüber überhaupt in der Lage war, Empathie zu empfinden, dann wäre der Anblick des bezwungenen Schweden mittlerweile genug, um ein kurzes Gefühl des Mitleids zu erregen. Alfred löste den Klammergriff seiner Hände hinter dem Rücken, straffte seine Hose, seinen Paletot und rückte die kleine schwarze Fliege zurecht. Zaghaft rieb er sich die Handgelenke, als er mit etwas kräftigerer Stimme weitersprach.

"Ich verzichte auf Widerstand, verweigere aber jegliche Aussage über meinen Bruder, meine Person oder meinen Besitz, ehe mir nicht ein Advokat gestellt wird. Ich füge mich dem Holsteinischen Gesetz."

Langsam reckte Alfred seine zu Fäusten geballte Hände nach vorne, legte die Knöchel zusammen und sah dem Braunschweiger tief in die Augen. Ob Alfred tatsächlich mit Schellen zu rechnen hatte, wusste er nicht, aber die Geste war ohnehin eher symbolisch als praktisch.

"Herr Leutnant Carl Heinrich von Lüttjenburg," plötzlich wandte Alfred dem Braunschweiger den Rücken zu, obwohl seine letzten Worte offensichtlich an ihn gerichtet waren, und streckte seine Hände dem Studenten entgegen. "In Ihrer Funktion als Diener des Holsteinischen Landes ist es ihre Pflicht, mich in Gewahrsam zu nehmen und in das nächstliegende Gefängnis zu bringen. Ich erwarte eine sichere Überführung in die Kasernenzellen Kiels."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 15.07.2011, 15:11:15
Conrad ist etwas überrascht, dass der Braunschweiger den Namen des Geschichtsstudenten tatsächlich kennt. Noch hatte er ihn nicht genannt. Aber noch mehr überraschte Conrad der Haftbefehl an die Nobel-Brüder. Das war ein starkes Stück. Als dann die PGP genannt wurde, zog der Student nur eine Augenbraue nach oben und fragte sich verblüfft murmelnd: "Die Preußische Geheimpolizei?"

War es außerdem wirklich so, dass Alfred Nobel freiwillig in ein Gefängnis gehen wollte? Wäre man nicht lieber zu Friedrich VIII. stattdessen gegangen? Conrad an seiner Stelle wäre mit einem Anwalt zu Friedrich VIII. gegangen. Vielleicht hätte das ja etwas geholfen.



Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 15.07.2011, 15:27:32
"Ich werde natürlich auf meinem Pferd unterwegs sein", murmelte Donald, den die Situation mehr als überraschte. Vor allem blieb bei ihm die Frage: Was hatte er damit zu tun? So richtig fand er keine Antwort, gut, er sollte mit den Nobel-Brüdern verhandeln, anderseits war der Braunschweiger sein Kontaktmann.  Er wartete darauf, dass die Kutsche sich wieder in Bewegung setzte und folgte dieser dann. In einem unbeobachteten Moment erinnert sich Donald des Briefes und las ihn. Vielleicht würde dieser etwas Licht in die Angelegenheit bringen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 15.07.2011, 23:42:34
Carl hatte sich mehr von seinem Auftreten erhofft. Er hatte wirklich angenommen, dass er einen Wunden Punkt an diesem grässlichen Mann ausgemacht hatte. Nun, vielleicht war dem auch so, aber der Braunschweiger schien sich gut unter Kontrolle zu haben. Lediglich einen kleinen Augenblick lang schien die Fassade zu bröckeln, einen Lidschlag nur aber dennoch ein moralischer Sieg für Carl.

Wäre dieser Sieg nicht gewesen, vielleicht hätte Carl dann doch verzagt als der Major den Haftbefehl gegen Alfred vortrug. Der junge Leutnant zweifelte nicht einen Augenblick an der Unschuld von Alfred Nobel, aber allein die Erkenntnis wie sorgsam dies alles vorbereitet und  zugeschnitten war, gleich einem fein drappierten Spinnennetz in das Karl, Conrad und er selbst hineingeraten waren, gab ihm ein Gefühl von Niederlage als hätte er und nur er allein den Traité de Tilsit[1] verschuldet und unterzeichnet.

Die Schwere die in Alfreds Gesicht lag spürte Carl förmlich auf seinen eigenen Schultern. "Bei Gott gibt es denn keine Gerechtigkeit in unserer Welt? Welche Widrigkeiten hält diese Nacht denn noch für den armen Mann bereit?"

Es war Carls großen Glück, dass Alfred mit bedacht seine Worte zu wählen schien, so dass der junge Offizier genug Zeit hatte ihrer Bedeutung durch den Anflug von Resignation der sich in seinem Geiste einnisten wollte gewahr zu werden. Er konnte verhindern, dass sich seine Verwunderung über die plötzliche Wende auf seinen Gesichtszügen niederschlug und begann zur Tat zu schreiten, als Alfreds Apell an ihn geendet hatte.

"Verrat!" spieh er verächtlich aus und wandte sich dem Schweden entgegen "Und Ihnen wollte ich helfen! Einem Verräter und einem Kollaborateur." in einer ruhigen, fließenden Bewegung förderte Carl seinen Colt Navy aus dem Holster an seiner rechten Seite hervor und hielt ihn auf Alfreds Brust gerichtet.

Alfreds Wunsch den den Haftbefehl laut vorzutragen hatte den Braunschweiger offensichtlich überrascht, und die Tatsache, dass Alfred sich nun in Carls Gewahrsam geben wollte würde den mysteriösen Mann wohl ebenfalls ein Stück weit aus dem Konzept bringen können. Wenn Carl es nun richtig anstellte wäre es mit dem Braunschweiger vielleicht so wie mit einem kleinen Papierschiffchen im Wasser. Viele kleine Wellen brachten es allmählich zum Kentern.

"Ihre Handgelenke können sie für sich behalten, Herr Nobel, wir haben hier keine Ketten, aber ich habe stets eine Kugel für Feinde des Vaterlandes reserviert. Merken sie sich dies, falls sie auf eine Flucht setzen sollten." Carl legte sämtlichen Hass und alle Verachtung die er ins ich finden konnte in seine Stimme. Es fiel ihm erstaunlich einfach, musste er sich doch nur vorstellen er spräche mit dem Braunschweiger und nicht mit Alfred.

"Alfred Nobel, Ich nehme Sie hiermit in meinen persönlichen Gewahrsam, bis ich Sie zwecks sofortiger Internierung an Oberstwachtmeister van Widdendorp überstellt habe. Um alles weitere wird man sich vor Ort kümmern."

Er machte einen Schritt auf Alfred zu und bedeutete ihm mit dem Lauf seines Revolvers sich in Bewegung zu setzen "Und nun Abmarsch und keine krummen Dinger, Herr Nobel. Glauben Sie nicht ich hegte noch einen Funken Sympathie für ein Subjekt Ihres Schlages."

Carl spürte seinen Herzschlag besonders intensiv und in rascher Folge. Er hoffte, dass man es ihm nicht ansah und sein Schauspiel nicht auffiel. Dabei kam ihm der Gedanke, dass er zu gut sein könnte und seine Kommilitonen genauso getäuscht werden könnten wie der Braunschweiger es hoffentlich war. Deshalb summte er leise aber vernehmlich die Melodie eines bestimmten Studentenliedes[2], dass Karl und Conrad mit Sicherheit erkennen mussten, während er an ihnen vorbei schritt. Hoffentlich würden sie seinen Hinweis erkennen und richtig zu deuten wissen.
 1. Traité de Tilsit (http://de.wikipedia.org/wiki/Frieden_von_Tilsit)
 2. Studentenlied: "Wenn alle untreu werden" (http://www.youtube.com/watch?v=Dc7NcrP9X0E)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.07.2011, 19:50:07
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:05 Uhr - Am Hafen

Der Braunschweiger blickte erst zweifelnd, dann überrascht drein, als Alfred ausgerechnet dem Lütjenburger und nicht dem Braunschweiger die Hände zum Fesseln entgegenhält. Seine Miene zuckte kurz, dann entschied er sich ein beschwichtigendes Lächeln aufzusetzen, nahm die Hände von der Tür und hob sie auf Hüfthöhe, in eine beschwichtigende Geste übergehend. "Werter Herr Nobel, es gibt keinerlei Grund dafür, dass Sie sich..." Carls Griff zur Schusswaffe ließ den Braunschweiger sofort seinen Satz erschrocken abbrechen, er sprang in den Schutz der schwarzen Kutsche. Kurz begehrten die Pferde vor der Kutsche auf, erschrocken durch die plötzlichen, schnellen Bewegungen um sich herum. Die Männer in der Umgebung zogen sofort Pistolen aus ihren hoch geschlossenen Mänteln und richteten sie in die Richtung der Studenten. Zwei der vermummten Männer machten sofort ein paar Schritte auf den Braunschweiger zu. Sofort wurde klar, dass der Braunschweiger sie so koordiniert haben muss, dass sie bei einem Angriff der Studenten auf den Braunschweiger eingreifen konnten.

Doch Carls Worte und seine drohende Geste mit der Schusswaffe ging in eine völlig andere Richtung und ein weiteres Handzeichen des Braunschweigers genügte, um die Bewegungen der bewaffneten Männer zu stoppen. Der Braunschweiger war damit beschäftigt und so konnten Alfred und Carl den Major aus Braunschweig überraschen und hatte schon einige Meter Vorsprung gewonnen, ehe der Braunschweiger sich der Situation ausreichend gewahr war, Tiere und bewaffnete Männer ausreichend beruhigt waren. Die wahrlich überraschten Mienen der anderen Studenten, die wohl kaum mit dieser Entwicklung gerechnet hatten, ließen den Braunschweiger zusätzlich zögern. Und als würde Ihnen das Glück lächeln, kamen auch noch ein paar Männer um den Oberstwachtmeister auf die Studenten zugeschritten. Die bleierne, stets so feierliche Stimme des Oberstwachtmeisters bekam einen verärgerten Ton, wahrscheinlich weil er um diese Zeit noch immer nicht in seinen Federn lag.
"Was ist das für ein Auflauf? Ich habe deutlich machen lassen, dass das Hafengebiet bis morgen Vormittag gesperrt bleiben muss, damit die Garnison den Hafen vor den..."
Oberstwachtmeister van Widdendorp wippte auf seinen Stelzenbeinen vorwärts und blickte erstaunt, als er die Studenten um Leutnant von Lütjenburg erkannte. Fast erschrocken blickte er auf die Waffe des Leutnants.
"Was geht hier vor sich, Leutnant von Lütjenburg? Was macht diese schwarze Kutsche auf meinem Hafengebiet und warum halten Sie den Herrn Nobel ein Gewehr[1] in den Rücken? Erklären Sie sich!" Die Studenten hatten von dieser Weisung noch nicht gehört, aber sie waren auch noch nicht im Unteroffiziersheim erschienen. Die Soldaten, sechs waren es, trugen gerade Schilder und Hämmer, um diese in den Boden zu rammen. Im Licht der Laternen sah man die Schrift auf den Schildern: Sperrgebiet.

Die anderen Studenten konnten sehen, dass der Braunschweiger sich ob dieser Wendung erst einmal sammeln musste. Er preschte nicht vor, er hielt sich zurück. Die Studenten und Alfred hatten die Schwäche in dem Dokument des Herzogs erkannt. Er hatte nirgendwo angegeben, dass der Ort der Internierung bestimmt sei. Die Kieler Garnison wäre ein ebenso guter Ort, wie jedes andere Gefängnis. Dadurch dass Alfred Schwede war und einen Anwalt forderte, konnte er dies sogar zu einem Problem der Botschafter machen, dessen war sich der Braunschweiger wahrscheinlich bewusst. Er mahlte mit den Zähnen und verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die schwarze Kutsche. Der Major konnte im Moment nicht handeln, der Oberstwachtmeister war ranggleich. Er müsste darauf warten, dass Carl sich jetzt vielleicht in seiner Erklärung eine Blöße gab. Er starrte dem Leutnant Löcher in den Rücken.
 1. Gewehr ist zu dieser Zeit noch allgemeingebräuchlich für jegliche Schusswaffe.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 17.07.2011, 15:15:35
Für Conrad überschlagen sich die Ereignisse. Erst fragt er sich, ob die Worte von Carl wirklich ernst gemeint wären, was schon ein starkes Stück wäre. Will Carl wirklich Herrn Nobel in einem Gefängnis sehen und denkt jetzt so schlecht über ihn? Der Geschichts- und Politikstudent stand erst mal eine Weile stock und steif in der Gegend herum. Doch dann pfiff Carl ein Lied. Es war dem Studenten gut bekannt. Vielleicht eine geheime Botschaft von Carl, dass seine Worte doch nicht so ernst gemeint waren? Als dann Oberstwachtmeister van Widdendorp auftritt, denkt sich Conrad, dass Carl nun Farbe bekennen muss. Eine schwierige Situation, aus der sich Conrad heraushalten wollte, immerhin war er niemand vom Militär. Alles hing nun von Carl ab.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 18.07.2011, 23:14:25
Mit dem plötzlichen Auftreten des Leutnants hatte Alfred nicht gerechnet. Was hatte Carl vor, wollte er den Braunschweiger täuschen? Alfreds Absichten waren viel subtiler gewesen; der Haftbefehl Friedrichs war zwar ein legales Mittel, den Schweden festzuhalten, doch wollte der Braunschweiger diesen ganz offensichtlich als Vorwand nutzen, Alfred persönlich dem Herzog gegenüberzustellen, vermutlich sogar auf Befehl des Herzogs selbst. Vor allem nach der zaghaften Beschwichtigung des Braunschweigers hatte Alfred das Gefühl, dass Carls Scharade vielleicht dafür sorgte, dass sie über Alfreds eigentliches Ziel hinausschossen - den Braunschweiger in Schach zu halten und mehr Informationen aus ihm herauszulocken. Vielleicht hätten sich gar noch mehr Verhandlungsmittel gefunden, wenn der Braunschweiger noch zu Wort gekommen wäre.

Doch mit dem Revolver im Rücken hielt es Alfred für intelligenter, still zu bleiben und dem Leutnant die Oberhand zu gewähren. Es war von ganz wesentlicher Bedeutung, im Falle einer krimineller Untersuchung ruhig zu bleiben und auf die diplomatischen Rechte zu setzen, die dem Schweden zugestanden. Erwähnte Herr Rosenstock nicht gerade eben die Geheimpolizei Preußens? Wenn der Haftbefehl eine verschwiegene Angelegenheit war, dann stellte sich nun sogar die Frage, in wie weit es dem Herzog Recht war, dass der königlich-herzögliche Vertrag, wie das Dokument im Haftbefehl bezeichnet worden war, ein Thema der Öffentlichkeit wurde. Denn weiß Gott, Alfred Nobel würde alles daran setzen, ihn zu einer solchen zu machen, sollte der Herzog auf seine Rechtsprechung bestehen.

Alfred konnte sich nicht zwischen einer ergebenen Haltung mit erhobenen Händen oder einer gefassten mit entspannten Armen entscheiden, was zur Folge hatte, dass der Wissenschaftler die Hände komisch auf Hüfthöhe hielt, wie ein gespielter Schleicher im Theater. Widdendorps Anwesenheit war für Alfred zwar im ersten Moment ärgerlich, würde sie doch die Verhandlungsmöglichkeiten zwischen dem Braunschweiger und dem Wissenschaftler wesentlich einschränken. Doch auf der anderen Seite fiel dem Schweden ein, dass dies ein geeigneter Moment war, um abzufühlen, in wie weit der Bote des Herzogs bereit war, die Angelegenheit aus der Geheimhaltung zu entblößen.

"In der Tat ist die Situation im Moment sehr verwirrt, Herr Oberstwachtmeister," spricht Alfred mit einer leisen, aber bedachten Stimme, laut genug, dass die Anwesenden sie im Platz hören können. "Doch ich denke, der fremde Herr in Schwarz ist der Einzige, der die Angelenheit als Ganzes überschaut. Wären Sie so freundlich, dem Herrn Oberst die Angelegenheit zu erläutern?"

Ohne sich zu dem Braunschweiger umzudrehen lenkte Alfred die Aufmerksamkeit des Oberst schleunigst auf den schwarz gekleideten Mann. Wie sich der Bote des Herzogs in Erklärungsnot anstellte würde hoffentlich einiges über die Absichten des Herzogs verraten. Dem Wissenschaftler war bewusst, dass es gefährlich war, dem gewitzten Braunschweiger das Wort zu überlassen, doch unter all den Zeugen, die die letzten Momente miterlebt hatten, würde er es sich zwei Mal überlegen müssen, den Angeklagten in eine Zwickmühle zu bringen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 20.07.2011, 07:48:31
Das waren ja wirklich interessante Entwicklungen, die sich da ergaben. Wie es aussah, wollte dieser Alfred Nobel sich aus den Klauen des Braunschweigers entwinden. Er mußte unbedingt den Brief lesen, vielleicht ergab sich daraus ein Aufschluß der Situation. Vorsichtig zog er sich zurück, da die allgemeine Aufmerksamkeit auf Herrn Nobel gerichtet war. Er öffnete den Brief und begann zu lesen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 20.07.2011, 23:04:05
Mit dem Auftreten von van Widdendorp hatte Carl selbst nicht gerechnet. Im Bewusstsein nicht viel Zeit für Überlegungen zur Verfügung zu haben entschied er sich die Scharade aufrecht zu halten. Gleichzeitig bemühte sich der junge Leutnant sich nicht die Häme anmerken zu lassen, die er empfand, als er sah wie eilig der Braunschweiger Schutz vor Carls Waffe gesucht hatte.

Als der Oberstwachtmeister ihn ansprach nahm Carl Haltung an, salutierte jedoch nicht und wandte auch den Blick nicht von Herrn Nobel.

"Bitte um Entschuldigung für die Verwirrung Herr Oberstwachtmeister. Habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, Herr Oberstwachtmeister.

Herr Nobel ist auf Befehl des Herzogs festzunehmen, ist dem jedoch zuvor gekommen und hat sich mir ergeben. Der Herr Major dort bei der Kutsche ist im Besitz des entsprechenden Haftbefehls, ihm gehört auch besagte Kutsche, Herr Oberstwachtmeister.
Sah mich nicht in der Lage dazu Herrn Nobel in das Gewahrsam des Herrn Majors zu überlassen. Weigert sich konstant seinen Namen zu benennen.

Mit allem Respekt, aber da eine Uniform alleine noch keinen Soldaten macht, hatte ich beschlossen Herrn Nobel zuerst einmal an einen zweifellos echten Soldaten, an Sie, Herr Oberstwachtmeister van Widdendorp, zu überstellen, um den Befehl bestätigen lassen zu können, Herr Oberstwachtmeister."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 24.07.2011, 19:37:55
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:08 Uhr - Am Hafen

Der Oberstwachtmeister blickte verdutzt und auch ein wenig angefressen drein, als hätte er sich den Ausklang des Abends nicht so vorgestellt. Das Absperren des Hafenareals hätte wahrscheinlich seine letzte Amtstat für die Nacht sein sollen, ehe er sich endlich, und zumindest aus seiner Sicht verdientermaßen, in die Waagerechte begeben konnte und die Probleme für ein paar sanfte Stunden Probleme sein ließ. Es kam, wie es so häufig war, anders als man dachte und sein Blick machte klar, dass er es bereute, dass er diese Aufgabe direkt mit übernahm, statt das Sperren des Hafens einfach nur zu delegieren. Was auch immer ihn dazu gebracht haben mochte, er fluchte innerlich über diesen Umstand. Er legte die Hände auf die polierte Gürtelschnalle und klemmte die Daumen hinter den Gürtel, sein massiver Bauch bebte bei dieser Bewegung. Er hörte sowohl Alfred Nobel, als auch gerade Carl von Lütjenburg äußerst angespannt zu. Es war schwer zu sagen, ob es seine Überraschung, die Waffe in Carls Händen oder die langsam zurückkehrende Süffisanz beim Braunschweiger war, welche ihn angespannt wirken ließ.
Diese Anspannung ließ sich in seinen Worten erkennen.

"Stecken Sie die verdammte Waffe weg und kommen Sie zurück auf den Teppich, Herr Leutnant!", blaffte der Oberstwachtmeister den Leutnant erstaunlich heftig an und er wirkte einen Moment ob seiner eigenen Lautstärke erschrocken. Deswegen sprach er in normaler Lautstärke weiter. "Herr Nobel wirkt wirklich nicht so, als würde er Sie gleich überfallen oder in Angesicht einer ganzen Horde von Soldaten eine verzweifelte Flucht versuchen. Ganz im Gegenteil, wenn Herr Nobel sich ihrer Gnade ergibt, weil der Mann an der Kutsche Ihnen nicht vertrauenswürdig wirkt, warum halten Sie dann ausgerechnet dem Herrn Nobel eine Waffe in den Rücken? Lernt man in Preußen keine Verhältnismäßigkeit mehr? Also, Herr Leutnant, wir sind hier nicht in Paris. Wir schießen hier nicht mit Zwölfpfündern[1] auf Spatzen!", führte der Oberstwachtmeister aus, wobei sein Bauch vor Aufregung wippte. Er blickte dennoch trotzig zum Schwarzen Braunschweiger und reagierte verschnupft, nachdem er die Worte von Carl und Alfred gehört. "Ein Haftbefehl, soso. Ein Haftbefehl für einen Mann, der sich auf meinem Gebiet befindet und in meinem Lazarett eingekehrt ist. Das dürfte Ihnen mehr als bekannt gewesen sein. Dann frage ich mich jedoch, warum sie nicht den kurzen Dienstweg angetreten haben, wenn Sie schon einen Haftbefehl des Herzogs in ihrer Tasche haben?" Van Widdendorps Knopfaugen schauten auffordernd zu dem Mann in der schwarzen Uniform. Zu allem Überfluss begann es wieder zu regnen stärker zu regnen, der Wind blieb jedoch nur ein Lüftchen.

"Ich habe die Worte Ihres Leutnants gehört und bin bereit mich dazu zu äußern.", sagte der Major überraschenderweise und blickte dem Leutnant nochmal scharf in den Rücken, während sein Gesicht inzwischen wieder der Inbegriff des süffisanten Ausdrucks war. Seine Mundwinkel zogen sich sanft in die Höhe, er legte eine Aura der Arroganz um sich. "Sie sehen, Herr Oberstwachmeister, dass Ihre zweifelsohne stattliche Gestalt und die Unsicherheit seiner Tat Ihren Leutnant völlig in übertriebene Demut wirft. Einen Unbewaffneten, der sich ergibt, mit einer Waffe wegzuführen, nur noch Ihren Titel zu stammeln, statt zu den zentralen Inhalten unseres kleinen Disputs zu kommen, das spricht für eine ausgewachsene Nervosität. Natürlich sehe ich auch die schmallippigen Beleidigungen des Leutnants, die er sich nur in der absoluten Gewissheit Ihres Schutzes getraut. Das sind drei Punkte, welche den durchschnittlichen Offizier wachrütteln sollten. Obzwar er durchaus mit Recht angibt, dass eine Uniform allein keinen Soldaten macht, ist es auch mit Sicherheit so, dass ein Name auch noch keinen Soldaten macht. Ich werde über seine despektierliche Verfehlung für den Moment hinwegsehen."
Der Braunschweiger hatte bereits wieder den Haftbefehl hervorgeholt und sich von der Kutsche entfernt. Er ging festen Schrittes zu dem Oberstwachtmeister und hielt ihm den Haftbefehl unter die Nase. Die sportlich, schlanke Gestalt des Majors und der dickliche Korpus des Oberstwachtmeisters auf seinen Stelzenbeinen, unterschiedlicher konnten sie kaum sein. Der Major ließ den Oberstwachtmeister einen guten Blick auf die ganzen Details seiner Uniform werfen, vor allem auf den silbernen Totenkopf auf der Mütze. "Wenn Sie meinen Namen brauchen, nur zu, fragen Sie. Ich bin mir sicher, dass Sie das möchten. Da können Sie doch jedem Fremdling noch einen Auszug aus meinem Leben geben und jedem gleichzeitig versichern, dass ich eine hehre Figur seiner Durchlaucht bin.", spottete der Braunschweiger und starrte den Oberstwachtmeister einfach nieder. Dieser ging einen Schritt zurück. Alfred und Carl konnten deutlich erkennen, dass Schweiß seine Stirn hinunter lief, als hätte er einen Geist gesehen.

Donald und Hermene waren der Situation hingegen etwas entrückt, oder zumindest schien es von Seiten der Schwester so, welche die Situation sehr passiv abwartete, während der Schotte sich ein wenig aus dem Sichtfeld der Situation zurückzog. Schnell öffnete er den versiegelten Brief von Baker und breitete ihn aus. Es war ein Akt, den Brief vor Regen zu schützen und ihn gleichzeitig unter genügend Licht lesen zu können, doch Donald Munro konnte den Brief dann doch lesen.
Die Anweisungen von John Baker (Anzeigen)
Ein merkwürdiger Brief mit einer verschlüsselten Botschaft. Wahrscheinlich das Letzte, was dem Söldner noch gefehlt hat. Doch er hatte auch jetzt eine konkrete Anweisung, was er hier noch zu tun hatte. Es ging also nicht nur darum, einen Handelsvertrag zu schließen, sondern scheinbar mussten die Nobelbrüder erst einmal beschützt werden, ehe man mit ihnen verhandeln konnte. Oder es war der dezente Hinweis, dass Donald als Schutzfaktor, ob notwendig oder nicht, die Nobels vielleicht milder in den Verhandlungen werden ließ? Die Situation stellte sich eher bedrohlich dar. Aus irgendeinem Grund merkte Donald, dass seine Hand zitterte.

Doch van Widdendorp fasste sich schnell wieder und fühlte sich zutiefst beleidigt durch das Auftreten des Schwarzen Braunschweigers. "Sie mögen mir vielleicht verbieten, über Sie zu sprechen, Herr Major und vielleicht würde der Herzog, wenn ich ihn fragte, ebenso reagieren. Vielleicht würde er Ihr Auftreten begrüßen. Aber ich mag es nicht, so offensichtlich beleidigt und eingeschüchtert zu werden. Schon gar nicht, von Soldaten, die mir im Rang nicht überstellt sind."
Van Widdendorp schnappte sich mit verblüffender Behändigkeit den Haftbefehl und las ihn sich nochmals durch und sagte nach einer Weile, immer noch sehr verschnupft. "Es ist nicht geregelt, wo er Nobel interniert wird. Insofern hat der Leutnant Recht, Herr Major. Ich schlage also vor, dass Sie alles weitere mir überlassen und das Hafenareal verlassen. Jenes wird nämlich gerade gesperrt. Einen guten Abend."
Der Bauch des Oberstwachtmeisters wippte, als er die Führung Alfreds zu übernehmen gedachte und den Haftbefehl bei sich behielt. "Es wird Sie sicher nicht stören, wenn ich dieses Dokument verwahre, um Nobels Internierung offiziell dem Herzog zu melden."
Widdendorp nahm Alfred am Arm und ging los. Jeder, der sich zum Braunschweiger umdrehte, sah jedoch, dass er zwar nicht antwortete, jedoch ein hinterhältiges Grinsen auf den Lippen hatte, als dieser sich zur Kutsche umdrehte und darauf wartete, wer ihm jetzt als zu ihr folgen würde.
 1. Kanone (http://de.wikipedia.org/wiki/Kanone)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 28.07.2011, 09:57:14
Karl hatte die Geschehnisse zunächst schweigend  verfolgt und war von Carls Verhalten genauso überrascht worden wie Conrad. Zumindest meinte er das an seinem Gesicht ablesen zu können. Als dann auch Oberstwachtmeister van Widdendorp auftauchte wusste Karl endgültig nicht mehr, wie er sich zu verhalten hatte. Abwarten scheint mir die Devise des Augenblickes zu sein. Vielleicht kommen wir ja doch noch unversehrt aus der Geschichte heraus.

Während er mit einem Ohr den Disput zwischen Carl, dem Braunschweiger und dem Oberstwachtmeister verfolgte behielt er die Soldaten des Braunschweigers im Auge, um sofort reagieren zu können sollten sich diese zum Eingreifen entschließen. Das sie willens dazu waren hatten sie in dieser Nacht bereits unter Beweis gestellt.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 28.07.2011, 21:29:45
Conrad folgte dem Gespräch intensiv, sagte aber kein Wort. Trotz des Grinsen des Braunschweigers war Conrad der Meinung, dass Alfred bei Oberstwachtmeister van Widdendorp besser aufgehoben war. Conrad wartete noch auf eine Reaktion von Carl. Wie würde er nun reagieren? Würde er nun mit zum Herzog gehen oder nicht?

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 28.07.2011, 21:33:35
In der Tat hatte Hermene sich weitgehend zurückgehalten, und war die ganze Zeit schweigend geblieben. Ein einziges Mal hatte sie das Wort erhoben, an von Lütjenburg gerichtet, als er sie nach ihrem Gebet fragte. "Nein, Herr von Lütjenburg, ich habe noch nicht für Sie gebetet - und wie ich die Lage einschätze, werde ich in naher Zukunft genug mit mir selbst zu tun haben. Wir sollten alle hoffen, dass es genügend Seelen gibt, die für uns zum Herrn sprechen, gewiss", warf sie nachdenklich ein.

Schließlich gipfelten die Vorgänge, als der Braunschweiger und dieser Alfred Nobel schließlich sämtliche Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Doch Hermenes aufmerksamen Augen entging nicht, dass der Schotte, ihr unfreiwilliger Begleiter sozusagen, sich gar noch mehr von der Szenerie zu entrücken versuchte, obgleich die Beiden eh schon etwas abseits gewesen waren. Ihr Blick folgte Donald auf den Schritt, und als sie bemerkte, dass er etwas aus seiner Tasche hervorkramte, ging sie ihm nach. Der Braunschweiger schien ihr nicht ganz parat zu sein, doch immerhin hatte er die Wahrheit gesprochen. Wenn Donald schon das mysteriöse Geheimnis des Briefes enthüllte, dann wollte sie selbst wenigstens ebenso die Wahrheit erfahren.

Sie schlich sich an ihn heran, bis sie schließlich direkt hinter ihm stand. "So, Herr Munro, und was gibt es Aufregendes zu lesen?", will sie von ihm wissen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 08.08.2011, 10:26:00
Der Brief bestätigte Donalds Befürchtungen. Verrat!

"Das Auge des Affen", murmelte er vor sich hin. Und dann dieses komische Rätsel. Aber jetzt waren die Fronten erst einmal geklärt und er wußte, in welche Richtung sein Handeln gehen sollte - Schutz für die Nobelbrüder. Doch diese waren jetzt Verräter und er würde damit auch ein Verräter gegen dieses Land sein. Jedoch galt seine Loyalität ausschließlich dem Clan, alles andere war unwichtig. Inmitten seiner Grübelei wurde er der Stimme der Nonne gewahr. Scheinbar wurde er alt, denn früher wäre ihm solch eine Unvorsichtigkeit nicht passiert, oder waren es einfach die Umstände, die schnelles Handeln erfordert hatten?

"Oh, Schwester. Nur Geschichten aus der Heimat. Ihr wißt doch, sie sind voller Verrat und ungeklärten Mysterien. Ihr kennt nicht zufällig einen Affen?"

Dies war ein Schuß ins Blaue, denn er hoffte, dass seine Beobachtungen richtig waren und diese Frau auch auf der Seite der Brüder stehen würde. 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 12.08.2011, 22:44:33
Carl nahm seine Waffe augenblicklich herunter, als van Widdendorp ihn dazu aufforderte, und steckte sie weg. Gewiss war es eine übertriebene Geste gewesen, aber sie hatte ihren Sinn erfüllt, Alfred Nobels Husarenstreich war geglückt, denn das Druckmittel des Braunschweigers befand sich nicht mehr in dessen Besitz. Zumindest war es das was Carl als Alfreds Intention gedeutet hatte, das hinterhältige Grinsen des Majors hingegen, konnte er nicht sehen, da er bis van Widdendorp außer Hörweite verschwunden war, Haltung behalten hatte.

Carl fühlte sich nicht wohl bei der ganzen Chose. Er mochte den Braunschweiger nicht und er traute ihm auch nicht. Freilich machte ein Namen noch keinen Soldaten, aber wer seinen Namen gar nicht erst nannte, der führte auf jeden Fall etwas im Schilde. Am liebsten hätte Carl die Sache von vornherein direkt gelöst, aber dazu war es nicht gekommen und nun war es auch nicht mehr möglich diese Option zu wählen. Der Braunschweiger, so unfreundlich er auch sein mochte, gab ihm leider keinen Grund in irgendeiner Form einzugreifen.

Der junge Leutnant hoffte, das Herr Nobel einen Weg fand van Widdendorp zu entgehen und die Urkunde zu verbergen. Inzwischen wäre es wohl doch eine gute Idee gewesen das Dokument so schnell wie möglich nach Berlin zu bringen, überlegte Carl Heinrich, aber andererseits hätte dies auch nicht von besonders großem Mut gezeugt in Nacht und Nebel Kiel zu verlassen, ja es hätte Carl sogar wie eine Flucht geschienen und das wäre es wohl auch gewesen.
Und genau aus diesem Grund machte er sich nun auf den Weg zur Kutsche, um dem Herzog gegenüber zu treten, keiner Schuld bewusst, außer dem Gefühl Alfred damit im Stich zu lassen. Hin und her gerissen, aber mit versteinerter Miene schritt er zum Major herüber und nahm den Helm mit Spitze ab, bevor er in das Gefährt stieg. Kurz hielt er inne und sah seinem Gegenspieler ins Gesicht.
"Wie halten sie es eigentlich mit sich selbst aus, Herr Major?" ohne auf eine Antwort zu warten stieg er missmutig in die Kutsche.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 12.08.2011, 23:36:24
Conrad hatte einen Moment gezögert in die Kutsche zu gehen und hat etwas auf Carls endgültige Reaktion gewartet. Conrad konnte es nicht ganz genau sagen, ob er mit dem Braunschweiger mitgegangen wäre, wenn Carl weggegangen wäre. Aber zu dieser Entscheidung war es schließlich nicht gekommen. Also stieg auch Conrad in die Kutsch mit ein. Er wartete dann auf die restlichen Reaktionen der Beteiligten dieser Reise zum Herzog.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Karl Schreiber am 14.08.2011, 12:41:58
Da sich die anderen wieder zur Kutsche begaben schloß Karl sich ihnen an. Schiet ook,  das war meine letzte Gelegenheit der Ehrung im Rathaus beizuwohnen. Jetzt heißt es gute Mine zum bösen Spiel zu machen und mitzufahren.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 28.08.2011, 22:02:58
"Sachte", sprach Alfred in einem müden und widerstandslosen Ton, als er von Oberst van Widdendorp von der Kutsche weggeführt wurde. Mit einem flauen Gefühl im Magen konnte er im schwachen Schein der Straßenlampen erkennen, wie sich die wagemutigen Studenten doch der Einladung des Herzogs hingaben und in das Gefährt stiegen. Die unsagbare Grimasse des Braunschweigers brannte dem Chemisten ein teuflisches Bild in den Sinn, obwohl es Alfred zwar gelungen war, dem magnetischen Griff des Herzogs zu entkommen, war er sich ob des Grinsens des schwarzen Mannes sicher, dass dies kein uneingeschränkter Sieg für sich und seinen Bruder war - oder überhaupt ein Verlust für Herzog Friedrich und seinen gelackten Lakaien. Die Sorgen und Fragen übermannten Alfred mittlerweile, seine Beine waren schwer und schmerzten noch von seinem nächtlichen Sprint, die stechenden Muskeln würde er die nächsten Tage noch spüren. Sein Kopf schmerzte ebenfalls vor Anstrengung, vorsichtig hob er die Hand und rieb sich mit verzerrter Miene die Schläfe. Bereitwillig folgte der schwedische Unternehmer also seinem Fänger, und ein trockener Hustreiz überkam Alfred, als wollte sein Körper der erste sein ihn für seine Torheit zu schelten, sich in die Angelegenheiten der Deutschen einzumischen.

"Ich bestehe auf einen Anwalt", sprach Alfred mit formlosem Ton. Mittlerweile brachte er es nicht mehr zu Stande, eine formelle Etiquette aufrechtzuerhalten und wollte seine Forderung nur noch zu Protokoll gegeben haben, ehe er auf einer kalten, unangenehmen und harten Kerkerpritsche in den Schlaf der Erschöpften und Kraftlosen fallen würde.

"Ich hoffe nur, Emil geht es gut..."

Es war nicht das erste Mal in dieser Nacht, dass sich eben dieser Gedanke in Alfreds Sinn schlich. Doch angesichts der mittlerweile entwickelten Situation waren die Rollen der Nobelschen Brüder nun wie vertauscht. Nun war es Alfred, der in unfreiwiligen Schwierigkeiten steckte, und am jungen Emil lag es, sich in die Gefahr zu begeben um seinem Bruder aus der Patsche zu helfen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 14.09.2011, 14:26:35
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:22 Uhr - Gebäude des Kommandanten, provisorische Zelle

"Sie werden Ihren Anwalt bekommen, Herr Nobel.", antwortete der Oberstwachtmeister leichthin, während er den Schweden in die Richtung seines Arbeitssitzes bugsierte. Da der Schwede keine großen Fluchtversuche unternommen hatte, ließ er Nobel auch ohne weitere Fixierungen neben sich herlaufen. "Aber Sie haben sich dort ziemlich mächtige Feinde ausgesucht, Herr Nobel. Obzwar ich nicht bewerten will, ob Sie schuldig sind oder nicht, nach diesem Dokument ist Ihr mögliches Vergehen sehr...wie soll ich sagen...delikat. Keine Sorge, ich erwarte nicht, dass Sie mir etwas dazu antworten werden. Ich werde am morgigen Tag den schwedischen Botschafter informieren lassen, was eine gewisse Zeit dauern wird."

Und tatsächlich benahm sich der Oberstwachtmeister sehr zurückhaltend und führte Alfred bis in seine Amtsstube, wo er den Haftbefehl an ein schwarzes Brett hing und dem Schweden einen Sitzplatz anbot. Flankiert wurde Alfred bereits jetzt von zwei einfachen Garnisonssoldaten, welche schweigsam in der Tür standen. Van Widdendorp ließ Alfred einige Momente warten, während er den Haftbefehl abschrieb und in einen Text integrierte. Er begann dabei zu sprechen. "Interessant. Auch Marius Pedersen ist daran beteiligt. Mutter Ursula des Altenstiftes tätigte die Behauptung, dass sie Marius schwer verwundet vor ihrem Haus gefunden hätte und gerade gesund pflegte. Angegriffen von einem noch Unbekannten und fast zu Tode gebracht. Zwei meiner Männer sind dort und überprüfen das. Ihr Bruder ist ebenfalls schwer wurden, Herr Nobel und Sie wurden beinahe direkt vor die Füße des Herzogs geworfen und das durch den Schwarzen Braunschweiger höchstselbst. Halten Sie mich bitte nicht für einen abergläubigen Menschen oder für einen paranoiden Menschen, aber ich sage Ihnen, das sind höchst viele Zufälle für einen Abend. Zumal Marius Pedersen der Studentenschaft Teutonia zugehörig ist, eben jener Bruderschaft, welche Sie gerade mit Gewalt vom Braunschweiger ferngehalten hat. Mhm..." Der Oberstwachtmeister blickte Alfred in die müden Augen und hatte ein Einsehen. "Ich werde Sie heute nicht mehr in ein Loch stecken. Sie können meine Stube nutzen, um sich ein wenig auszuruhen. Stören Sie sich bitte nicht daran, dass die beiden Soldaten Sie in dem Zimmer zu bewachen haben. Sie wissen ja, dort wo preußische Strukturen eingeführt werden, ist das Protokoll wichtiger als die Wahrheit. Ich schicke Ihnen auch schonmal einen holsteiner Anwalt für den Morgen, falls sie das Bedürfnis haben, schonmal zu sprechen und es festhalten zu lassen."
Mit einer Handbewegung holte der Oberstwachtmeister die beiden Männer heran, welche Alfred in ein Zimmer direkt gegenüber von van Widdendorps Arbeitszimmer brachte. Der Schwede sah noch, dass van Widdendorp Notizen anfertigte, wobei auch Carl von Lütjenburg einen Eintrag bekam. Ein Fragezeichen stand hinter seinem Namen, als fragte der Oberstwachtmeister: Was wird hier gespielt?

Es war ein karges Zimmer, unwahrscheinlich karg für einen Offizier, in welches Alfred geführt wurde. Einfacher Dielenboden, ein einfaches Bett, ein Tisch und zwei Stühle standen in diesem Zimmer. An der Wand ein großer, hölzerner Wandschrank, in dem van Widdendorps Militärkleidung Platz fand. Neben dem Bett stand noch ein Ständer für die ausladende Uniform. Die beiden Soldaten schlossen die Tür und setzten sich an den Tisch. Sie stellten sich als die Obergefreiten Fritz und Hammer vor. "Stören Sie sich nicht an unserer Anwesenheit. Wer werden über Sie wachen.", sagte Kamerad Fritz. Es war ein junger Mann mit fast weibischen Zügen und kurzem, gewellten Haar. Er wirkte nicht gerade wie ein überzeugter Soldat. Kamerad Hammer hingegen hatte was Schneidiges, auch wenn er ähnlich klein und drahtig wie Fritz war. Sie packten ein Kartenspiel aus und Fritz mischte die Karten.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:22 Uhr - In der Kutsche des Schwarzen Braunschweigers

Alle waren in die Kutsche gestiegen bis auf Munro, Hermene und der Braunschweiger selbst. Mit einer galanten Handbewegung bat der schwarzgekleidete Braunschweiger, der Carl von Lütjenburgs Bemerkung einfach ignorierte, die Ordensschwester, in die Kutsche einzusteigen. Munro machte er nicht dieses Angebot, da jener lieber durch den Regen reiten wollte. Spontan schien er seinen Plan zu ändern, eine schriller Pfiff und eine Handbewegung später kam ein zweiter Mann dazu, einer jener Männer, welche die Waffen beinahe gegen Carl von Lütjenburg erhoben hatten. Es war ein durchschnittlicher Mittvierziger, der seine Jacke tief ins Gesicht gezogen hatte, um dem Wetter zu trotzen. Seine Augen verrieten, dass er sich nicht über diese Aufgabe freute. Ein Nicken des Braunschweigers reichte, damit der Mann wusste, was er zu tun hatte. Alle anderen waren in der Zwischenzeit verschwunden und tauchten jetzt einer nach dem anderen auf einem Pferderücken wieder auf, bis auf der Mann, der wie unförmiges Fleisch aussah. Dieser blieb verschwunden.
Der Braunschweiger stieg als Letztes in die Kutsche ein und setzte sich an die Tür. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Wenn hier so plötzlich ein Platz frei wird, werde ich natürlich gerne im Trockenen fahren."
Die Kutsche bot nicht sehr viel Komfort, nur ein sehr schmaler Bezug war auf die Sitzflächen angebracht wurden, die Beinfreiheit ließ zu wünschen übrig, die Verarbeitung war jedoch sehr hochwertig bis auf die Sitzflächen, welche nachträglich eingebaut wurden. Der Braunschweiger war sich darüber bewusst, dass die Gäste sich erst einmal umschauen mussten. Es ließ sich nur die Tür auf der Seite des Braunschweigers öffnen, auf der anderen Seite gab es nicht mal eine Tür. "Eine ehemalige Postkutsche.", erklärte der galante Soldat mit gewisser Zufriedenheit. "Nicht das bequemste Vehikel, aber allemal ausreichend. Ich wünsche eine angenehme Fahrt.", fügte er an und deutete auf Fangnetze an der Decke der Kutsche. "Dort wurden normalerweise lose Briefe aufbewahrt. Sie sind dazu eingeladen, die dort befindlichen, leeren Säcke als Kopfkissen zu nutzen. Wir werden alle drei Stunden einmal halten, damit sie Sie alle sich die Beine vertreten können, wenn sie wollen. Sie werden morgen in der Frühe, die Chance haben, sich noch einmal zu waschen und wieder frisch zu machen, bevor sie vor den Herzog treten. Haben sie noch Fragen zur Etikette, oder wissen Sie, wie man sich benimmt?"
Der Braunschweiger ignorierte den Vorfall mit Nobel scheinbar oder er war äußerst schnell über die kleine Niederlage hinweggekommen. Er hatte seine Souveränität nach dem Vorfall mit dem Ziehen der Waffen durch Carl von Lütjenburg schnell wiedererlangt, auch wenn auffiel, dass er Carls Hände inzwischen ausgiebig beobachtete.

Die Kutsche setzte sich schwerfällig in Bewegung, während sich die Reiter um die Kutsche sammelten und sie in dieser Form begleiteten. "Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wir wollen ja keine unliebsamen Überraschungen.", erklärte der Braunschweiger die insgesamt sieben Reiter, die die Kutsche umritten, einer davon war jedoch Donald Munro. Und so brachen sie auf nach Emkendorf, in der Hoffnung oder Befürchtung, dort den Herzog selbst zu treffen und vielleicht mehr über diese sonderbaren Entwicklungen herauszufinden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 14.09.2011, 20:13:30
Eigentlich hätte sich Alfred Nobel an der Gesellschaft zweier Männer gestört, während er sich wie schon so oft vergeblich in einem Bett dem Versuch hingegeben hätte, seine Schlaflosigkeit zu überwältigen und Ruhe zu finden. Doch in dieser Nacht hatte der junge Unternehmer nicht das Gefühl, als ob er große Probleme haben würde, sich schlafen zu legen - ganz abgesehen davon, dass er im Moment noch nicht ein Mal die dazu notwendige Freiheit hatte, sich in einer erholsamen Einsamkeit zu finden. So nickte Alfred seinem Wächter nur halbherzig zu und setzte sich schwerfällig auf das Bett. Einen kurzen Moment lang blieb er in der Pose sitzen, die Hände in seinem Schoß, die Schultern zusammengefallen, das Haupt nur mit Mühe erhoben. Mit leicht geneigtem Kopf beobachtete Alfred die Spielkarten, die durch die Finger des Soldaten glitten, doch in Wahrheit war der Blick des Chemikers leer. Die Ereignisse des Tages waren unfassbar. Seine Situation eine Katastrophe. Als Immanuel Nobel vor einigen Monaten Sankt Petersburg verlassen hatte, hatte er noch immer auf seinen Sohn Alfred eingeredet, sein erstes Glück in Stockholm zu versuchen. Die Fabrik wäre somit in der Nähe der Familie, die Handelswege ohnehin hervorragend und das schwedische Königshaus offen für die neue Welt der Industrie. Doch Alfred hatte darauf bestanden, das Angebot der Gebrüder Winkler anzunehmen. Seinem Vater erzählte er von den neuen Handelshäfen in Kiel und Hamburg, von den deutschen Akademikern und Ingenieurskünstlern. Doch insgeheim hatte sich Alfred gegen seinen Vater entschieden, dagegen, dass das notwendige Vermögen zum Aufbau seines Geschäftes einzig und allein aus der Kasse seines Vaters stammte, gegen die Genugtuung seines Vaters, ein gemeinsames Unternehmen von Vater und Sohn zu errichten, wie es seine älteren Brüder bereits mit ihren Kriegswaffen getan hatten. Insgeheim hatte er gegen seinen Vater rebelliert. Es war ganz und gar nicht verwunderlich, dass an diesem nasskalten deutschen Abend der Gedanke an seinen Vater den Sinn Alfreds kreuzte. Schließlich war es ein denkbar schlechter Start für sein Unternehmen gewesen.

Für einen flüchtigen Moment kam Alfred der Gedanke der Flucht. Noch hatte er den Vorteil, in einer Stube und nicht in einer Zelle zu sitzen. Doch schnell verwarf er ihn wieder; die Aussicht auf einen Anwalt und den Kontakt mit der schwedischen Botschaft ließen ihn schnell wieder vernünftig werden.

Alfred seufzte schwer, als er sich hinabbeugte um an den Schnürsenkeln der russischen Stiefel zu friemeln. Er musste sie weit lösen, ehe es ihm gelang, sie abzustreifen, selbst dazu fehlte ihm mittlerweile die Kraft. Mit einer vollkommen fremden Erschöpfung knetete er seinen befreiten Fuß. Ohne sich weiter zu entkleiden rutschte Alfred auf die Liege und streckte seinen müden Körper aus. Es war einer der wenigen Nächte, in denen Alfred Nobel sofort einschlief.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 17.09.2011, 10:28:31
Mit strengem Blick nahm Hermene die Instruktionen des Soldaten hin, doch je länger er spricht, desto tiefer wurde die Furche auf ihrer Stirn. Sie als Ordensschwester mit einer handfesten und ordnungsgemäßen Ausbildung sah es als Herabwürdigung Ihrer selbst an, dass sie von einem dahergelaufenen Soldaten scheinbar über Disziplin und Etikette aufgeklärt werden sollte. Sicher, die Jungen hatten es auch nicht leicht, wenn sie auf alles Vieren durch den Schlamm oder im Zweifel durch die Gülle von Wiesen und Ackern kriechen mussten. Dennoch, sie selbst sah sich als die oberste Instanz in Sachen Disziplin und Ordnung in dieser Kutsche an - der Knabe sollte erst einmal vierunzwanzig Stunden auf einer harten Holzbank knien und Rosenkränze beten. Dies würde seiner Seele sicher nicht schaden, die von Mord und im Zweifel Sodomie verunreinigt gewesen sein könnte - ja, solcherlei Dinge hörte man immer wieder.

Als er schließlich fragte, ob jeder wisse, wie er sich zu benehmen habe, wandte sich Hermene ruckartig ab. "Impertinent!, stieß sie angewidert aus und drehte den Kopf von dem Soldaten weg. Mit eiserner Miene starrte sie auf den Braunschweiger, und auch als dieser die sieben Reiter als reine Vorsichtsmaßnahmen verkaufte, ließ sich die Schwester von ihrer Meinung nicht abbringen, dass hier etwas sehr merkwürdiges vor sich ging. 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 17.09.2011, 11:39:40
Conrad wunderte sich schon die ganze Zeit etwas wie die Schwester in das Bild passte. Was machte sie bei dem Treffen mit dem Herzog? Jetzt wo er Zeit hätte danach zu fragen, traute er sich nicht, weil die Schwester schon ziemlich aufgebracht erschien. Und- egal ob Schwester oder nicht- wütende Frauen waren so eine Sache; mit denen spricht man lieber nicht, außer es muss unbedingt sein. Conrad hatte keine bestimmten Fragen zur Etikette, er würde seinem Instinkt folgen und das würde bestimmt genügen. Also schwieg er nur und nickte nur. Er benutzte dann einen leeren Sack als Kopfkissen und versuchte sich etwas auszuruhen mit viel Glück auch etwas zu schlafen. Etwas Schlaf war schließlich vor dem Treffen mit dem Herzog.


Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 19.09.2011, 21:12:53
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 10:35 Uhr - Gebäude des Kommandanten, provisorische Zelle

Alfred blinzelte in die kalte Morgensonne, es war sehr zugig und die Temperatur war gefühlt unter null Grad. Der kalte, fast schneidende Wind kam durch das offene Fenster. Kamerad Hammer stand vor dem Fenster und hielt einen Flügel in der Hand. Draußen glänzten die Hausfassaden noch mit dem letzten Regen, der vor nicht allzu langer Zeit gefallen sein musste. Es war tatsächlich kalt, denn Eisblumen hatten sich an den dünnen Scheiben gebildet. Der Atem des deutlich übermüdeten Soldaten war ein sichtbarer Hauch. "Guten Morgen, Herr Nobel. Ziehen Sie sich bitte an, in wenigen Minuten wird der Oberstwachtmeister Sie wieder begrüßen." Von Fritz war keine Spur zu sehen, wahrscheinlich hatte er schon gehen dürfen, als sich herausgestellt hatte, dass Alfred keine Flucht- sondern nur Schlafabsichten hatte.
Auf dem wackeligen Nachttisch von Alfred stand ein dampfender Tee und zwei krude belegte Scheiben Brot, einfache Jagdwurst hatte es auf sein Graubrot geschafft und so konnte Alfred sich erst einmal stärken und dann in dem angrenzenden Badezimmer etwas auffrischen.

Gerade hatte Alfred sich wieder hingesetzt, als die Tür aufging und der storchenbeinige Oberstwachtmeister sich durch die Tür schob. Seine Augenringe machten deutlich, dass er zu wenig oder gar nicht geschlafen hatte. Es schien, als hätte er Mühe, überhaupt auf den Beinen zu sein. Hinter ihm trat ein blondhaariger Mann durch die Tür, der einen sehr adretten Eindruck machte. Er war in einen feinen, dunkelblauen Zwirn gekleidet und trug einen sehr kurz gehaltenen, blonden Vollbart. Seine braunen Augen machten einen wachen und souveränen Eindruck. Er überragte den Oberstwachtmeister um ein paar Zentimeter, überließ dem Oberstwachtmeister aber den Vortritt und nickte Alfred lediglich zu.
"Guten Morgen, Herr Nobel. Ich hoffe, Sie konnten trotz der misslichen Lage die Augen schließen und ich hoffe, dass die Obergefreiten Fritz und Hammer Sie nicht weiter gestört haben." Dabei blickte van Widdendorp zu Hammer, der salutierend vor dem Fenster stand und es nach einem Nicken des Oberstwachtmeisters schloss. Ohne weitere Meldung verließ Hammer den Raum.
"Herr Nobel, in Ermangelung eines schwedischen Botschafters und Anwalts, habe ich Ihnen einen persönlichen Freund meinerseits mitgebracht. Vorstellen wird er sich gleich selbst. Entschuldigen Sie, dass ich kurz angebunden bin, aber ich muss mich mit dem Herrn Oberbürgermeister treffen und ihm davon berichten, dass Ihre Gefährten nicht zu einer persönlichen Honoration erscheinen möchten." Es klang kein Vorwurf in der Stimme mit, wohl aber eine gewisse müde Resignation, welche eher mit dem Oberbürgermeister, denn mit Alfred und den anderen Rettern zu tun hatte. Van Widdendorp nickte Alfred zu und verließ den Raum. Alfred fiel auf, dass der Oberstwachtmeister dem Anwalt kurz die Hand auf die Schulter legte. Als würde dieser eine unglaubliche Bürde zu tragen haben.

Der zweite Blick offenbarte Alfred die Kleinigkeiten an dem blonden Anwalt. Die Lederschuhe waren durchgelaufen, die Ärmel waren an den Ellenbogen fast durchgescheuert und ebenso an den Knien. Kleine Risse offenbarten, dass der feine Zwirn von innen mit Flicken belegt war. Sein blondes Haar zeigte hier und da graue Strähnen, ebenso der Bart. Sorgenfalten hatten sich tief in das Gesicht des Mannes gegraben, das Leben war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.
"Seien Sie mir gegrüßt, Herr Nobel. Mein Name ist Jens Ohlendorf.", sagte er bedacht. Er hatte eine sehr schroffe, raue Stimme, welche nach zu viel Zigaretten und Köm[1] klang. Er reichte mit einer einfachen Geste dem Schweden die Hand.
"Sie werden sich über meine Anwesenheit wundern und sich fragen, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Das kann ich Ihnen nur bedingt beantworten. Ich bin zwar Anwalt, aber diese Dienste, da bin ich mir sicher, werden Sie nicht in Anspruch nehmen wollen, alleine aus der Sorge, dass ich mit Ihren Informationen Schindluder treibe oder nicht vertrauenswürdig bin. Das kann ich nicht in Abrede stellen, insofern, dass es mir schwer fallen wird, Ihnen etwas anderes zu beweisen, kennen wir uns doch noch nicht. Aber was ich Ihnen anbieten kann, ist einen außerregulären Kontakt zu ihren schwedischen Freunden aufzubauen. Der OWM[2] hat mir von den besonderen Umständen berichtet, und mich gebeten, mich um Sie zu kümmern."
Sein Blick bekam einen bitteren Ausdruck, den Alfred nicht ganz zuzuordnen wusste.
"Das Ganze hat natürlich einen Haken. Sie werden höchstwahrscheinlich weiter von dem Schwarzen Braunschweiger beobachtet und sagen wir so, ich und der Braunschweiger, 'kennen uns eine Weile. Ich weiß, dass sein Auftreten Probleme bedeutet. Aber das ist auch Ihre Chance. Der Haken besteht darin, dass Sie mich als Ihren regulären Anwalt akzeptieren müssten und damit keinen offiziellen Zugriff auf einen schwedischen Anwalt bekämen. Ich würde dann einen Kontakt für Sie zu einflussreichen Schweden aufbauen und wir könnten Ihre Freilassung stark beschleunigen. Sollten Sie mir nicht trauen, was ich nachvollziehen kann, können Sie auch den langen Dienstweg wählen. Allerdings kann dies einige Tage dauern und Sie lägen dann auf Eis und im Einfluss des Herzogs." Die letzten Worte klangen ungemein düster, so als wäre dies eine Bestrafung.
"Ich überlasse diese Wahl Ihnen, aber ich bin auch bereit, mit Ihnen über dieses Thema zu verhandeln, so ungewöhnlich Ihnen mein Auftreten vorkommen wird." Er überlegte einen Moment, wie er das erklären sollte und atmete kurz durch. "Darf ich rauchen?", er nestelte eine Zigarette aus einem Etui und nahm eine Streichholzpackung hervor, wartete jedoch auf die Zusage Alfreds. "Kennen Sie Himly? Er hat durch seinen Freund van Widdendorp von Ihnen gehört. Er hat den Kontakt zu mir gesucht, Himly will, dass Sie von mir besucht werden."

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 10:35 Uhr - Gut Emkendorf

Keiner äußerte das Bedürfnis, sich über Etikette und Gepflogenheit des schleswig-holsteinisches Hofes zu informieren und auch der Braunschweiger hielt sich direkt einmal zurück. Viel hätte er mit seinen Worten sowieso nicht erreichen können. Auch wenn die unsanfte Fahrt und die einfachen Säcke keinen Komfort erwarten ließen, waren alle Passagiere schnell eingeschlafen und sie schlafen sogar fast durch. Wachphasen waren maximal kurz und offenbarten Blicke in das kaltnasse holsteiner Land. Nur Donald blieb auf seinem Pferd wach und ritt den anstrengenden Weg. Es musste etwa halb elf gewesen sein und alle Passagiere waren bereits wieder erwacht, als sie eine imposante Eichenallee langfuhren, in der sogar einige der berühmten Doppeleichen[3] standen. Das Gut tauchte schon alsbald auf und verriet nur mäßigen Prunk bei diesem Wetter. Es war zwar deutlich besser aus als die Bauernhöfe im Umland und doch sah es auch nur aus wie ein größerer Prunkhof mit einem schönen Haupthaus. Sie bogen auf einen Waldweg und hatten alsbald das Gut befahren. Etwa zweihundert Meter vor dem Hof hielten die Reiter und die Kutsche an.
Das Gut (Anzeigen)
Der Regen war für einige Momente gewichen und zeigte die nackten Linden unter blauem Himmel und das ansehnliche Gut. Der Braunschweiger stieg aus und vertrat sich kurz die Beine.
"Entschuldigen Sie, dass wir keine Pausen gemacht haben. Sie haben alle bemerkenswert fest geschlafen und der anhaltende Regen hat uns viel Zeit gekostet. Aber Sie haben noch eine halbe Stunde, um sich wieder in ausreichende Form zu bringen. Folgen Sie mir doch bitte."
Donald war jener, der am nassesten war und er war äußerst müde. Der Schotte konnte ein Lied vom mistigen Wetter der letzten Nacht singen. Der Braunschweiger hingegen ging mit forschem Schritt vor und sie betraten das Gutshaus, um schnell in einen Waschsaal geführt zu werden, der mit feinem Porzellan ausstaffiert war. Der Schwester zeigte er ein eigenes Waschzimmer, welche direkt gegenüberlag.
"Ich hole Sie alle in einer Viertelstunde wieder ab und werde letzte Instruktionen geben.", dann verschwand der Braunschweiger durch eine Doppeltür und suchte scheinbar den Herzog. Auch der Braunschweiger hatte eine Wäsche nötig, vielleicht suchte er auch ein eigenes Bad. Auf jeden Fall konnten alle nochmal durchatmen und sich auf die Begegnung mit dem Herzog vorbereiten. Dennoch gab es auch etwas wundersames, denn sie begegneten keiner Person in und auf dem Gut. Durch die Fenster des Haupthauses konnte man die Reiter im Hof sehen, aber sonst schien es so, als wäre in diesem Gut kein Mensch zugegen, auch wenn es einen gepflegten Eindruck machte. Ein komisches Gefühl machte sich breit...
 1. Köm (http://de.wikipedia.org/wiki/Köm)
 2. Abkürzung für Oberstwachtmeister
 3. Doppeleiche (http://de.wikipedia.org/wiki/Doppeleiche)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 20.09.2011, 23:41:28
"Am Fenser bitte, ich vertrage den Rauch nicht," sprach Alfred mit einem schrecklichen Kratzen in der Kehle, ehe sich sein Gegenüber die Zigarette anzündete. Die letzte Nacht zollte noch immer ihren Tribut, Alfreds Stimme war kehlig und heiser, zu viele Worte hatte er spät nachts noch verloren. Als der Oberwachtmeister mit dem Anwalt das Zimmer betreten hatten, war Alfred der Höflichkeit gemäß aufgestanden, doch selbst dabei krampften seine Beine noch im Muskelkater des gestrigen Spurts. So saß er jetzt auf einem der beiden Stühle zu dem Tisch und beobachtete den vermeintlichen Anwalt beim Rauchen.

"Auch wenn ich froh darum bin, dass es Herrn van Widdendorp gelungen ist, mir so kurzfristig einen Anwalt zur Seite zu stellen, muss ich zugeben, dass Sie sich sehr unverständlich geben, Herr Ohlendorf." Mit einer Mischung aus Bedauern und leichtem Vorwurf, als würde er einem Schüler begegnen, der sich an die Lektion der letzten Stunde nicht erinnern könnte, schaute Alfred sein Gegenüber an.

"Sie stellen sich als Anwalt vor, doch nehmen an, ich würde Sie als solchen nicht gebrauchen können. Sie bieten mir an, den Zugang zu meinen schwedischen Kontakten zu knüpfen, vermitteln mir aber ebenfalls, dass ich keinen schwedischen Anwalt nehmen können werde. Bitte verzeihen Sie, wenn ich Sie falsch verstehe, aber für mich klingt es, dass mit ihrer Anstellung ganz ohne Anwalt dastehe."

Aufrichtig verwirrt zieht Alfred die Augenbrauen hoch und fixiert Ohlendorf. So ganz schlau wird er aus seinem Gegenüber nicht. Dass der Anwalt selbst den Vertrauenskonflikt anspricht spricht immerhin für sein Verständnis der Situation, er mag nicht das erste Mal einem skeptischen Mandanten gegenüberstehen. Aber ob die Schlüsse des Anwalts nicht zu voreilig sind ist eine Frage, die Alfred nicht einschätzen kann.

"Verzeihen Sie, Herr Ohlendorf," fährt Alfred beschwichtigend fort, und greift sich an die Stirn. "Ich möchte Ihnen weder forsch noch respektlos begegnen, doch die Lage in der ich stecke - sagen wir, sie war für mich so nicht abzusehen."

Mit einem Räuspern fasste sich Alfred wieder. Kurz blieb es still zwischen beiden Männern, während der Unternehmer überlegte. Die Schwierigkeit der Situation wurde ihm immer klarer - und schließlich war Emil auch noch irgendwo da draußen. Geschäftsmännisch begann Alfred wieder zu sprechen.

"Angesichts meiner Optionen wäre es in jeglicher Weise unbedacht, Ihr Angebot abzulehnen. Aber ich verlange festzuhalten, dass wir unser Verhältnis klar verstehen - ich möchte nicht, dass Sie als lediglicher Kontaktmann nach außen für mich arbeiten. Ich weiß nicht abzuschätzen, wie lange meine Haft andauernd wird, ich habe keine Kenntnis über den Rechtsweg, der mir bevorsteht und ich kann keine Entscheidung abwägen, wenn ich ihre Konsequenzen nicht deuten kann. Wenn Wachtmeister van Widdendorp Sie empfiehlt, sind sie als hiesiger Anwalt für diese Aufgaben wesentlich besser geeignet als einer meiner Landsmänner. Ich habe in dieser Angelegenheit wenig Wahl. Wenn ich Sie ablehne, wird ein nächster Anwalt kommen, den ich nicht kenne und mistrauen kann, so lange, bis in eine unabsehbaren Zukunft Hilfe aus Schweden eintrifft. Die Wahl liegt viel eher bei Ihnen, Herr Ohlendorf. Ich weiß es sehr wertzuschätzen, dass Professor Himly Sie nach mir schickt, aber erst sofern Sie einwilligen, werde ich Ihre Dienste als rechtlicher Berater und Anwalt in Anspruch nehmen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 21.09.2011, 11:45:57
Die Schwester nahm die restlichen Worte des Braunschweigers kommentarlos hin. Sie war keine jener überquirligen Frauen, denen der Kragen schon in den frühen Morgenstunden nach allerlei Plaudereien stand. Überhaupt tat ihr von der unbequemen Schlafweise der Rücken weh, jedoch ließ sie sich diesen Umstand natürlich nicht anmerken. Sie war schließlich kein Schwächling, sondern eine disziplinierte Dienerin Gottes, und wenn der Herr ihr an jenem Morgen Schmerzen schenkte, so hatte sie dies hinzunehmen.

Insgeheim machte sich Hermene Gedanken darüber, ob sie nicht doch hätte auf die Verhaltensweisen und Gepflogenheiten in adligen Kreisen zurückkommen hätte sollen. Allerdings sah sie es nicht ein, einem irdischen Adligen in besonderer Weise gegenüberzutreten. Sicherlich sollte sie mit solcherlei Personen nicht so umspringen, wie mit den Studenten beispielsweise, allerdings war sie es doch, der besondere Höflichkeit gebührte, war sie doch eine Ordensschwester, die ihr Leben in Gottes Auftrag führte. Sie machte sich also kurz Gedanken, wie sie dem Herzog gegenübertreten sollte, während sie auf das Gut zuliefen - und kam dabei zu keinem vernünftigen Schluss.

Sie bedankte sich bei dem Braunschweiger für die kurze Einführung in ihr Zimmer und bestätigte ihm, dass die vorgeschlagene Zeit ihr angemessen erschien. Sie ging ins Bad und betrachtete sich lange Zeit im Spiegel. Sie war glücklich darüber, ein eigenes Bad zu haben. Männer schwitzten und stanken, ein Zeichen ihrer irdischen Unterlegenheit gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Hermene verachtete den penetranten Geruch, den manche Kerle verströmten, vollgepumpt mit animalischen Duftstoffen, zur Balz und Begattung ausgelegt. Ekelerregend. Sie selbst achtete auf peinliche körperliche Hygiene, um nicht wie eine räudige Hündin zu riechen. Sie streifte sich ihre Kutten ab, griff nach den Waschutensilien und begann, sich mit verbissener Gründlichkeit sauber zu schrubben.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 21.09.2011, 12:59:42
Donald ritt mürrisch hinterher. Dabei beobachtete er die Eigenheiten der einzelnen "Begleiter". Die ganze Situation war verquer und er mußte damit zurecht kommen. Das Wetter war hundsmiserabel und seine Kleider tropften. Er war froh, dass er sich im Waschsaal frisch machen konnte und hoffte, dass seine Sachen notdürftig trocken wurden. Mit dem Schmutz wusch er seinen Frust ab und dann begann er ein wenig zu meditieren. Dabei rief er seinen Begleiter und er nahm ihn in sich auf. Donalds Muskeln schienen jetzt stärker zu sein, seine Haut zäher.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 25.09.2011, 21:14:06
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 10:42 Uhr - Gebäude des Kommandanten, provisorische Zelle

Ohlendorf kam der Bitte des Chemikers nach und stellte sich ans Fenster, öffnete es und drehte dem Schweden den Rücken halb zu, damit er nicht in die Richtung Alfreds ausatmete. Die Zigarette war nicht mehr im besten Zustand, das Papier hatte kleine Risse und sie schien bereits angezündet und anderweitig unsanft behandelt worden zu sein. Er zündete sie erst an, nachdem der Schwede zuende gesprochen hatte. "Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze, Dresden[1].", erklärte Jens Ohlendorf nach dem ersten Zug und atmete in die kalte Morgenluft aus. Er harte ein hartes Gesichtsprofil, unter dem Anzug deutete sich ein kleiner Bauch an. "Ein Freund von mir arbeitet dort und hat mir vor drei Jahren, nachdem sie dort die erste Zigarettenfabrik eröffnet haben, das erste Mal dieses Teufelszeug geschenkt und es seitdem nicht gelassen, mich hin und wieder zu versorgen. Wenn man es als Genussmittel nutzt, ist es ganz in Ordnung, am besten nach Speisen. Man ärgert sich am nächsten Morgen nur immer über den Nachgeschmack." Er nahm einen tiefen Zug und atmete wieder aus. "Das erste Mal habe ich in Frankreich eine Zigarette geraucht. Ich habe am Ende des Krimkrieges[2] in Combourg[3], in der Bretagne, als Anwalt gearbeitet. Dort bin ich auf Drängen eines Freundes gelandet und habe versehrten Soldaten, die aus dem Krieg wiederkamen, ein Auskommen erstritten." Seine Zigarette war seine Überleitung, um ins Thema zu kommen. Er blickte Alfred hin und wieder aus dem Augenwinkel an, blickte ansonsten auf den Rauch in der Kälte.
"Ich habe in jener Zeit gelernt, dass es unterschiedliche Vorgehensweisen gibt, wenn man mit öffentlichen Behörden umgeht. Manchmal muss man seine Anwaltslizenz in der Schublade lassen und offizielle Wege meiden, wenn man Zeit gewinnen möchte. Ich habe an französischen Behörden vorbei mit sardinischen[4] Anwälten und Diplomaten zusammengearbeitet, um Druck aufzubauen und die Chancen der Versehrten zu erhöhen. Viele dieser Invaliden haben mir ebenfalls nicht getraut. Erst die Zeit kann Vertrauen aufbauen und dementsprechend verstehe ich Ihre Sorge, Herr Nobel. Wie bei den versehrten Soldaten sind Ihre Sorgen existentiell. Sie wollen eigentlich eine Rückversicherung, an der Sie sich festhalten können, wenn Ihr Urteilsvermögen Sie trügt. Sie tun dennoch das Richtige. Der schwedische Botschafter kann mehr für Sie tun, wenn Sie seinen Anwalt nicht offiziell in Anspruch nehmen."
Er warf die Zigarette achtlos aus dem Fenster und ließ eine Pfütze das Löschen der Glut übernehmen. Er holte einen Schreibstift und ein Tintenfässchen hervor und kramte ein Papier hervor. Im Gegensatz zu allen anderen Dingen, die an Jens Ohlendorf zu sehen waren, zeigten die Gegenstände einen hervorragenden Zustand. Das Schriftstück war nichts mehr als die Bestätigung, dass Alfred Nobel um rechtlichen Beistand durch Jens Ohlendorf bat und dieser das Mandat akzeptierte. Der Mann war auf Eventualitäten vorbereitet.

"Machen Sie sich keine Gedanken, wegen meiner Bezahlung und dergleichen. Das hat der Professor Himly bereits für Sie übernommen.", bemerkte er und schloss das Fenster wieder, welches er bei der Übergabe des Schriftstückes offen gelassen hatte. "Ich werde Sie in Kontakt bringen mit Oscar Hergren. Er wird mit Ihnen den rechtlichen Teil besprechen, wie gesagt, Sie werden meine juristischen Fähigkeiten kaum in Anspruch nehmen wollen. Vorerst werde ich Sie verlegen lassen. Sie werden auf der Ostseite, in Gaarden[5], untergebracht werden in der Wohnung einer alten Freundin von mir. Sie werden die Wohnung für sich haben, Herr Nobel, die gute Dame liegt nämlich im Altenstift." Er nestelte einen alten Kupferschlüssel aus seinem Sakko und drückte ihn Alfred in die Hand. "Damit können Sie den Tresor öffnen. Er ist hinter einem Bild vom Alten Fritz verborgen. Dort habe ich bereits ein Schriftstück deponiert, welches Sie brennend interessieren wird."
Ohlendorf setzte sich an den Tisch und blickte auf die Spielkarten, welche die beiden Obergefreiten vergessen hatten. "Spielen Sie? Wenn nicht, sollten Sie vielleicht damit beginnen, um Zeit zu überbrücken. Sie werden nämlich unter Hausarrest gestellt werden und werden die Wohnung nicht verlassen können. Wie Sie dennoch Kontakt zur Außenwelt halten, wird Ihnen das Schriftstück verraten. Falls Sie sich fragen, warum ich Ihnen das so nicht sage, dann antworte ich Ihnen ehrlich. Ich habe das Schriftstück nicht wirklich gelesen und mir die Funktionen, die dort angegeben sind, nicht gemerkt. Herr Himly hat Ihnen dieses zukommen lassen. Sobald Sie dann verlegt sind, werde ich Ihnen die Details zukommen lassen bezüglich unserer Zusammenarbeit. Meine Kanzlei wird das Schriftstück gegenzeichnen und dem Oberbürgermeister mit einem Dringlichkeitsgesuch vorlegen lassen. Sodass offiziell unsere Zusammenarbeit in drei Tagen spätestens beginnen wird. Bis dahin werden Sie schon längst Kontakt zu Oscar Hergren aufgebaut haben, keine Sorge. Mit ihm werden Sie auch Ihre schriftliche Niederlegung Ihres Wissens bezüglich Ihrer Anklage niederschreiben. Ich werde sicherlich darüber informiert, aber diese Details brauchen Sie nicht mit mir klären, falls es Sie beruhigt."
Während er sprach, mischte die Karten und legte sie dann, ohne sie auch nur weiter anzublicken wieder hin.
"Irgendwelche Fragen bis hierhin? Wenn nicht, können wir gerne alsbald aufbrechen. Ihre Verlegung habe ich beim OWM bekanntgegeben. Da die ordinären Gefängnisse ungern diplomatisch-pikante Gäste aufnehmen, wird der Bürgermeister ihre Verlegung sicher bestätigen. Haben Sie irgendwo in der Stadt noch Besitztümer, die Ihnen gehören? Ich habe mir erlaubt, Ihren Status so zu bearbeiten, dass die schwedische Botschaft sich zumindest formell ihres Falles annehmen muss, weshalb Sie dieses Sonderrecht in Anspruch nehmen können. Ich werde Ihre Gegenstände also gegebenfalls in Ihre neue Wohnung bringen lassen. Die letzte Frage dürfte Ihren Bruder betreffen. Doktor Kern und der OWM sind noch gegen eine Verlegung Ihres Bruders, zudem schien er nicht angetan von meinem Besuch. Das werden wir auch noch regeln müssen."
Er hatte Hände, die nicht nur die Schreibfeder gewohnt waren, das sah Alfred deutlich, während Ohlendorf den Schweden anblickte.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:00 Uhr - Gut Emkendorf

Man war schweigsam an diesem Morgen, der sich kalt und sonnig präsentierte, nachdem sich der Regen verzogen hatte. Das Haus war relativ warm, aber von molliger Wärme konnte man nicht sprechen. Vielleicht würde es in der Stube des Herzogs wärmer sein. Nachdem alle sich etwas frisch gemacht hatten, kam der Braunschweiger mit zackigem Schritt nach etwa einer Viertelstunde wieder. Auch er hatte sich wieder ordentlich hergerichtet und erschien adrett wie eh und je. Er sah auf die wartenden Menschen vor den Bädern und nickte zufrieden, als er sah, dass alle sich gewaschen hatten.
"Der Herzog wartet in seinem Arbeitszimmer auf die Damen und Herren.", sagte er und man hörte, dass auch in der Stimme des Braunschweiger etwas Müdigkeit lag. Das Wasser konnte die Müdigkeit nicht ganz wegwaschen und so erging es allen. Der Schlaf in einer Kutsche war eben nicht mit dem Schlaf in einem Federbett zu vergleichen. Und so gingen die Begleiter des Braunschweigers diesem hinterher und wurden durch eine Bildergalerie geführt, auf der bedeutende Persönlichkeiten zu sehen waren. Es waren sorgfältig angefertigte und äußerst hochwertige Bilder, welche bedeutende Literaten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts darstellten. Unter anderem Heinrich Christian Boie, Johann Caspar Lavater, Matthias Claudius und Friedrich Gottlieb Klopstock, aber auch der französische General La Fayette. "Das war der sogenannte Emkendorfer Kreis[6]. Dieser Ort ist auch als das Weimar des Nordens bekannt.", erklärte der Major nur beiläufig, während sie an den Porträts vorbeischritten. Die Porträts waren hin und wieder unterbrochen in ihrer Komposition, weil eine Tür aus dem Gang wegführte. Auf der Hälfte des Ganges blieben sie an einer Tür stehen. Die Tür war wie alle anderen Türen des Ganges aus einem dunklen Holz, welches sehr gut aufbereitet worden war, aber in seinem Schmuck so spartanisch wie das restliche Gut.
"Seine Durchlaucht wartet hinter dieser Tür.", murmelte der Braunschweiger und klopfte an. Ein kräftiges Herein bat die Besucher in den Raum zu kommen. Der Braunschweiger öffnete die Tür und sie traten ein.

Der Raum präsentierte sich sehr dunkel. Mit Vorhängen hatte der Herzog die Sonne ausgesperrt, welche sich nur an den Rändern der schweren, dunkelgrünen Brokatvorhängen abzeichnete. Während das restliche Haus spartanisch und leergefegt wirkte, war es hier ungeordnet und stickig. Zwei große Kerzen brannten auf einem alten, schweren Holzschreibtisch, auf dem Berge von Papieren und Büchern lagen. Der Raum war zwar groß genug, dass alle Platz in dem Raum fanden, aber sie mussten sehr nah beieinander stehen, da auch auf dem Boden Bücher über Bücher, Aufzeichnungen über Aufzeichnungen lagen. Vor dem rechten Vorhang stapelten sich zerknüllte Papiere und leere Tintenfässchen, es roch nach altem und kaltem Rauch. Der ehemals schöne, braune Teppich war inzwischen ausgetreten. Dieses Zimmer wurde häufig frequentiert. Zwischem dem spärlichen Licht saß am anderen Ende des Tisches eine Person.
Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein. (Anzeigen)
Dunkle Haare waren zum Teil ergraut, ein stattlicher und gepflegter Bart konnte kaum verbergen, dass er müde und ausgelaugt wirkte. Sein Rücken war nicht gerade und obwohl er stattlich zu wirken versuchte, nahm er es nicht mit seinen Porträtbildern auf, welche überall nach der Verkündung seiner Herzogswürde ausgehängt wurden. Er wirkte, obgleich er gerade erst dreiunddreißig oder vierundreißig Jahre alt sein dürfte, wie ein deutlich älterer Mann. Gram lag in seinem Antlitz und wahrscheinlich versuchte er es gar nicht ernsthaft zu verbergen.
"Durchlaucht, ich bringe Ihnen Ihre Gäste. Sie erbieten Ihre Grüße und bieten eine mögliche Unterwerfung an." Auf eine weitere Vorstellung verzichtete der Braunschweiger, weil er die Gäste in aller Ausführlichkeit angekündigt haben dürfte. So zog er sich hinter die Gäste zurück und stellte sich in die Tür.

Der Herzog ließ sich einen Moment Zeit und beendete einen Absatz des Schriftstückes, welches er gerade bearbeitete. Durch die Dunkelheit war weder der Herzog voll zu sehen, noch konnte er die Gäste in allen Einzelheiten erkennen, aber das schien ihn nicht zu stören. Er hatte eine sehr unsaubere Schrift, sodass der Inhalt seines Schriftstückes nicht ohne Weiteres zu lesen war. Er legte den Stift nieder und blickte seine Gäste kurz an, legte die Hände zusammen und stützte seine Ellenbogen auf die Tischplatte. Seufzend kaum sein Atem über die Lippen, dann griff er wieder zu seinem Stift und schrieb weiter.
"Sie haben mir Schmerzen bereitet.", begann er zaghaft, aber mit einen kräftigen Stimme, die deutlich mehr Wärme versprach, als die des Braunschweigers. "Sie haben sicherlich den Haftbefehl gelesen und Ihr Eingreifen hat für einige Verstimmungen bei mir geführt. Aber ich denke doch, das ist nichts Ernstes, dass Sie zu diesem Handeln gezwungen hat. Keine latente Abneigung gegen meine Person oder meine Politik, so hoffe ich doch. Es wäre nämlich eine Wonne gewesen mit den Herren Nobel über diese missliche Lage zu sprechen. Die Angriffe, der Austausch von vertraulichen Information und mein unsäglicher Verlust."
Er legte den Stift wieder hin und setzte sich aufrecht hin.
"Sie haben dennoch Informationen, die ich gebrauchen könnte. Doch zunächst entschuldigen Sie bitte die Umstände der Reise und die Unaufgeräumtheit meines Arbeitszimmers. Vielleicht scheint ihnen ein Thronsaal passender, wenn sie dergleiche Gedanken haben. Aber wie Sie unschwer an der Art ihrer Beförderung und der sonstigen Umstände sicherlich erkannt haben, befinden wir uns in einer Phase, in der Zeit die nützlichste aber auch rarste Ressource ist. Dementsprechend möchte ich alles Zeremonielle von der Agenda unser Zusammenkunft streichen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Dennoch habe ich eine fast schon protokollarische Bitte." Er setzte jetzt ein kleines Spekuliereisen auf und nahm ein anderes, unbeschriebenes Papier hervor, seinen Stift wieder in die Hand.
"Stellen Sie sich vorerst vor. Dabei sagen Sie mir bitte, wie Sie heißen, wie alt Sie sind, wo Sie geboren wurden und wem Ihre Loyalität gehört." Der Braunschweiger schaute reichlich sparsam bei der merkwürdigen Bitte des Herzogs im Rücken der Gäste. "Und danach erklären Sie mir bitte, was Sie über die beiden Herren Nobel und Marius Pedersen wissen."
Der Herzog, der sich reichlich unzeremoniell zeigte, blickte seine Gäste auffordernd an.
 1. Diese Tabakfabrik war die erste Zigarettenfabrik Deutschlands. Yenidze ist nach dem Tabak benannt, die sanfste zu erwerbende Tabakvariante.
 2. Krimkrieg (http://de.wikipedia.org/wiki/Krimkrieg)
 3. Combourg (http://de.wikipedia.org/wiki/Combourg)
 4. Königreich Sardinien (http://de.wikipedia.org/wiki/Königreich_Sardinien)
 5. Gaarden (http://de.wikipedia.org/wiki/Gaarden)
 6. Weimar des Nordens (http://de.wikipedia.org/wiki/Emkendorfer_Kreis)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 29.09.2011, 22:46:02
Das Wasser konnte die Müdigkeit nicht ganz wegwaschen und so erging es allen. Dies galt auch für Carl, der sich immer wieder das kalte Nass ins Gesicht warf, doch sich immernoch so zerknautscht fühlte wie er gerade eben noch ausgesehen hatte. Es war eine lange und ereignisreiche Nacht die Carl durchlebt hatte und die Kutschfahrt hatte nicht dazu beigetragen, die Geschehnisse zu verdauen. Erst jetzt wo er sich notdürftig herrichtete, um den wohl ehrenvollsten Besuch seines bisherigen Lebens durchzuführen, sah er sich dazu in der Lage ein wenig nachzudenken.

Eigentlich wollte er nur ein Bier trinken gehen, nein eigentlich hatte er einen Brief schreiben wollen. Anstatt einen Brief zu schreiben hatte er also in der letzten Nacht ein Schiff gesteuert, ohne dies jemals zuvor getan zu haben und Schiffbrüchige aus brennenden Trümmerhaufen von der Förde heruntergeholt. Dies führte wiederum zur Bekanntschaft mit dem Schweden Alfred Nobel und dessen Bruder und nun sah sich Carl innerhalb merkwürdiger politischer Verstrickungen, die er nicht durchblicken konnte. "Hätte ich doch bloß den Brief geschrieben..." wünschte er sich, als er seine Kleidung ein letztes Mal richtete und sich zu seinen Begleitern begab.

Den Umständen entsprechend sah Carl bestens aus, nur die Uniform hatte ein paar Falten von der Reise davon getragen und seine Gesichtsfarbe war etwas blasser als sonst und natürlich sah die Frisur etwas verwegen aus, doch dies war ja schon beinahe Carls Markenzeichen.

Dem Braunschweiger durch das Gutshaus folgend grübelte der junge Student noch immer darüber nach ob er etwas hätte besser oder anders machen können, er hoffte sehr, dass es Herrn Nobel gut ergehen mochte. Wäre van Widdendorp nicht so plötzlich aufgetaucht hätte der Schwede nicht in dieser misslichen Lage sein müssen. Carl glaubte noch immer nicht, dass der Schwede eine Art Spion oder dergleichen war, hatte er doch selbst miterlebt wie der Mann auf die Entdeckung der Urkunde reagiert hatte, aber dennoch rief sich Carl in Bewusstsein, dass er Alfred Nobel noch vor wenigen Stunden als Verräter bezeichnet hatte und mit Waffengewalt abführen wollte - wenn auch nur vorgeblich, aber er würde dabei bleiben müssen, wenn er dem Herzog nun gegenübertreten würde. Ein Besuch voller Ehre doch Carl empfand ganz anders, ein großer Widerwillen hatte sich in ihm breitgemacht und auch eine niederschlagende Enttäuschung.

Der Anblick des Herzogs trug nur wenig dazu bei, seine Empfindungen zu revidieren. "Der Mann sieht aus, als wären seine Tage gezählt" dachte Carl bei sich als Herzog Friedrich das Wort an sie alle richtete. Der Wunsch des Herzogs nach Namen und Geburtsort und -datum erheiterte Carl zumindest ein wenig, denn es versprach zumindest die Illusion eines Spiels mit offen Karten, auch wenn der preußische Offizier es sich nun schon besser denken konnte.

"Carl Heinrich von Lütjenburg, Euer Durchlaucht." Carls Hacken knallten zackig zusammen und er verbeugte sich "Geboren am 28.12. 1837 in Lütjenburg und somit 26 Jahre alt. Als Soldat seiner Majestät gilt meine Loyalität König Wilhelm von Preußen."

Carl sah dem Herzog offen in die Augen, er war nicht hier um sich zu unterwerfen, sondern um sich zu stellen und er hatte nicht vor andere zu denunzieren.

"Über beide Personen kann ich Euch nicht viel berichten, Euer Durchlaucht. Alfred Nobel ist ein schwedischer Unternehmer, der sich in der Nähe von Kiel niederlassen möchte. Ich lernte ihn in der vergangenen Nacht kennen und hielt ihn für einen sehr freundlichen Herren, bis ich von dem Haftbefehl erfuhr, den Euer Diener mit sich führte. Da sich Nobel daraufhin mir ergab, habe ich dafür Sorge getragen, dass er in Gewahrsam genommen wurde. Emil Nobel ist durch den Beschuss der fremden Schiffe schwer verwundet und ich habe bis Dato noch nie ein Wort mit ihm gewechselt. Als ich ihn das letzte mal sah war er nicht bei Bewusstsein und seine Zukunft ungewiss.

Was Marius Petersen angeht, so kann ich berichten, dass er ebenso wie ich und meine Kommilitonen Mitglied in der Burschenschaft Teutonia Kiel ist und aus Leck stammt. Mehr kann ich nicht über den Mann berichten, da ich mich kaum mit ihm abgebe."
Den Streit am gestrigen Abend verschwieg Carl vorsichtshalber, immerhin hatte Marius von einem Attentat auf den Herzog geredet.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 30.09.2011, 18:33:04
Auch wenn Hermene für gewöhnlich die unerschütterliche Ordensschwester spielen mochte, war dieser Augenblick für sie doch eine neue Situation, etwas, das sie nicht mochte - sie stand immerhin einem Herzog gegenüber, und aus ihrem Geschichtsstudium wusste sie, dass Staat und Kirche nicht immer kooexistieren konnten. Nicht, dass sie fürchtete, dies könnte auch in jener Nacht der Fall werden, doch sie war sich bewusst, dass sie Vorsicht walten lassen musste im Umgang mit einem politischen Organ solchen Grades. Belehrungen und Zurechtweisungen, wie sie sie noch einen Tag früher am laufenden Band ausgesprochen hatte, wollte sie nun lieber zurücknehmen.

"Mein Name ist Schwester Hermene, Dienerin Gottes, und unserem allmächtigen Herrn gilt meine uneingeschränkte Loyalität", stellte sie sich vor - in Wirklichkeit empfand sie es als Beleidigung, nach ihrer Loyalität gefragt zu werden. Es war ein Akt der Beherrschung, dass sie dies den Herzog nicht wissen ließ. "Gebürtige Bremerin, nun wohnhaft in einer Einrichtung der Kirche", fügte sie hinzu. Ohne große Umschweife ging sie über in die nächste Frage des Herzogs - sie sah es nämlich ferner nicht ein, dem Herzog ihr Alter zu nennen, da dies nichts zur Sache tat. Sie war eine Dienerin des Herren, und jegliche irdische Eigenschaften waren für sie nichtig.

"Was Marius Pedersen angeht, so weiß ich etwas zu berichten. Nicht darüber, wer er ist oder was er tut. Er befindet sich momentan zur Behandlung in unserem Stift. Es scheint, als sei er Opfer eines verheerenden Angriffs geworden. Die Oberin kümmert sich persönlich um ihn, um seine Wunden zu lindern. Sein Zustand ist kritisch."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 02.10.2011, 18:43:16
Conrad hat die Zeit im Bad gut genutzt und sich etwas frisch gemacht. Sein Schlafplatz die letzte Nacht war zwar nicht angenehm, aber trotzdem konnte der Geschichtsstudent etwas schlafen. Nun war er mehr oder weniger ausgeruht.

Als der Herzog dann eine Vorstellung forderte, kam Conrad dem prompt nach und verbeugte sich zur Begrüßung des Herzogs und sagte: "Seid gegrüßt, werter Herzog! Mein Name ist Conrad Rosenstock, geboren am 8.4.1841 in Kiel, also 22 Jahre alt. Ich bin Student der Geschichte und meine Loyalität gilt meiner Universität, meinem Heimatland und meinem Elternhaus. Carl hat ja schon einiges über Herrn Alfred Nobel gesagt und ich kann nur noch sagen, dass ich diesen Herrn für ziemlich sympathisch hielt. Ich kann gar nicht glauben, dass an den Anschuldigungen gegen ihn tatsächlich etwas dran ist. Er machte nicht den Eindruck eines Gesetzesbrechers. Emil Nobel habe ich nicht weiter kennengelernt, sein momentaner Gesundheitszustand könnte immer noch kritisch sein. Viel mehr über ihn weiß ich ansonsten nicht zu berichten.

Marius Petersen halte ich für einen ziemlichen Schwätzer. Er hat eine große Klappe, aber da steckt meiner Meinung nach wenig dahinter. Trotzdem finde ich es schade, dass er es ihm als einer meiner Kommilitonen anscheinend im Augenblick so schlecht geht, wie die Schwester es berichtet hat."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 03.10.2011, 14:52:16
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05 Uhr - Gut Emkendorf

Karl Schreiber trat, trotz der beengten Verhältnisse einen Schritt vor. "Karl Schreiber, euer Durchlaucht. Ich bin so alt wie Carl von Lütjenburg und ein Offizier der Reserve. Ich habe für die Holsteiner Armee in Rendsburg gedient und meine Loyalität ist bei Holstein verblieben. Bei den anderen Aussagen schließe ich mich dem Herrn Rosenstock an." Dann trat er wieder einen Schritt zurück und auch Donald stellte sich ebenfalls vor. Er erwähnte, dass er inzwischen 32 Jahre verlebt hatte und er ebenfalls eine martialische Ausbildung nachgeht. In Sachen Loyalität schweigt Donald sich jedoch aus und bricht seine Aussage ab. Der Herzog strich sich über seine müden Augen und überging diese Feinheit wohlwollend, wahrscheinlich war keine Antwort ihm bereits Antwort genug. Seine Augen hatten am zufriedensten dreingeblickt, als Karl sagte, dass seine Loyalität Holstein gehöre und als Conrad sagte, dass dessen Loyalität seinem Heimatland galt. Wahrscheinlich interpretierte der Herzog dies als Schleswig-Holstein. Sein Blick war andererseits am kritischten, als Donald seine Loyalität verschwieg und Carl von seiner Loyalität zu Preußen sprach. Bei Carl schienen seine Zähne kurz zu mahlen. Er versuchte jedoch, als er bemerkte, dass die Anwesenden auch auf seine Mimik achteten, die Szenerie etwas aufzulockern.
"Sie sind am 28.12.1837 geboren und schaffen es dabei bereits 26 Jahre alt zu sein? Sie sind ein bewunderswerter Preuße, Herr von Lütjenburg.", bemerkte der Herzog beinahe schnippisch und lachte dann mit kräftiger Stimme über diesen Umstand.

Es dauerte einen Moment ehe er sich wieder gesammelt hatte und sich sogar eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Unbeabsichtigt hatte Carl dem Mann ein Lachen abringen können, doch seine Ernsthaftigkeit kehrte jäh zurück. Eine Ernsthaftigkeit, welche zum dunklen, stickigen Ambiente seines Arbeitszimmers passte. "Ich sehe, wir alle haben unterschiedliche Loyalitäten und es nicht so einfach, wie ich dachte. Von der Verantwort vor Gott bis zum preußischen König finden wir hier fast alles versammelt. Aber so ist es immer, nicht wahr? Man wäre zu schnell geneigt, schwarz und weiß aus solch einer Konstellation zu malen. Daher frage ich einmal genauer. Könnten Sie sich trotz ihrer potentiell andersgearteten Loyalitäten vorstellen, den schleswiger und den holsteinischen Freiheitskampf zu unterstützen? Ich weiß, dass Sie antworten werden, dass dies nicht mit den Interessen ihrer Patrone kollidieren darf und ich werde Ihnen nur halbwegs versprechen können, dass ich dafür sorge, dass dies nicht dazu kommt. Einen Teil davon tragen nämlich auch Sie."
Seine Finger klöpfelten auf den Schreibtisch, nacheinander und geordnet. Der Zeigefinger fing an, dann folgte der Mittelfinger und es endete nach dem Ringfinger auf dem kleinen Finger. Wieder und wieder.
"Wie fange ich am Besten an?`Sie haben von der unsäglichen Novemberverfassung gehört, nehme ich an? Nun, es ist wie..."
Scheiben barsten, im selben Moment war erst der Schall des abgegebenen Schuss zu hören. Urplötzlich fiel Licht in den Raum, als der vom Schuss durchschlagene Vorhang zur Seite weht und einen Blick auf den Hof freigab. Mitten auf dem Hof, in mehr als einhundert Metern Entfernung stand eine übergroße Person im Hof. Einzelheiten fern ab ihre Größe war kaum zu erkennen, ihre Kleidung war an die Umgebung angepasst. Nur eins fiel auf. Der Kolben des Gewehrs war schneeweiß und stach deutlich vor der Brust des menschenähnlichen Wesens hervor. Sie war ansonsten von oben bis unten vermummt, sodass wirklich nichts außer der Körpergestalt auf die Art des Wesens schließen ließ.
Der Herzog warf sich zu Boden und ebenso tat es der Schwarze Braunschweiger, beide waren nicht getroffen worden. Erst jetzt fielen die gurgelnden Geräusche auf, welche Karl Schreiber von sich gab. "Verdammte Attentäter, verdammte Kultur des feigen Angriffes!", polterte der Herzog, während er durch die Scherben seines Fensters kroch, um nicht im Sichtfenster des Attentäters zu sein, der sein eigentliches Ziel nur um Zentimeter verfehlt hatte. Karl röchelte, Blut quoll zwischen seinen Händen hervor, die er auf seinen Hals gepresst hatte. Kraftlos und mit Furcht in den Augen ging er zu Boden, hilflos schaute er zu Conrad und griff mit einer Hand an dem Ärmel des Mannes, doch sein Griff war zu schwach. Nur Blut unterließ er an der Seite Conrads, ehe er vornüber kippte. Der merkwürdige Mann legte derweil wieder seine Waffe an und zielte auf die Gäste des Herzogs. Von den Männern des Braunschweigers gab es keine Spur.

Die Frage nach der Loyalität stellte sich genau in diesem Moment, aber auf eine andere Weise, als der Herzog erwartet hatte. Wie würden die Gäste reagieren? Würden sie den Herzog schützen oder waren sie heimliche Sympathisanten mit Marius Pedersens Ideen? Zumindest schien der Braunschweiger diesen Gedanken zu haben. Er hielt eine Pistole in der Hand und achtete sowohl auf die Gäste als auf den Angreifer.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 07.10.2011, 23:37:29
"Ich muss schon sagen, Herr Ohlendorf," begann Alfred zu sprechen, während er die goldene Taschenuhr aus seiner Westentasche hervorzog und mit einem bewundernden Blick die Uhrzeit musterte, "Es sind noch nicht ein Mal zwölf Stunden seit den Ereignissen vergangen, doch schon sind Sie bemerkenswert umfassend informiert." Den Kupferschlüssel hatte Alfred zunächst nur kurz zwischen seinen Finger gedreht und ihn behutsam auf die Tischplatte gelegt. Das kleine Stück Metall lag nun wie ein achtlos liegen gelassener Groschen neben der Tasse Tee. Mit einem wachen Blick musterte der Schwede seinen neuen Anwalt. Alfred war sehr überrascht, welche Maßnahmen Ohlendorf bereits unternommen hatte, und er legte besonderen Wert darauf, diese Verwunderung nicht zu verbergen. Doch so unterschwellig misstrauisch Alfreds Worte auch klangen, so lag in seinem Blick ein viel bedeutenderes Zeichen von Anerkennung und Akzeptanz. Endlich traute sich Alfred ein kleines Lächeln zu äußern, während er den Stuhl zurückrückte und aufstand. "Sie geben sich sehr bescheiden, mein Herr. Ich denke jedoch nicht, dass dazu jegliche Notwendigkeit besteht. Sie haben in jeden Fall beeindruckende Arbeit geleistet. Reichen Sie mir bitte die Feder, ich unterschreibe den Vertrag." Mit einem bestätigenden Nicken ließ sich Alfred das Dokument geben, las es schnell aber sorgfältig durch und setzte mit fein geschwungenen Linien seinen Namen darunter. Wie zum symbolischen Besiegeln des Vertrages griff Alfred nach dem Kupferschlüssel und hängte ihn an seinen eigenen Schlüsselbund.

"Wir können aufbrechen, Herr Ohlendorf. Ich bin im Übrigen mehr als erleichtert zu hören, dass der Herr Professor um meine Anwesenheit und um meine Lage Bescheid weiß. Richten Sie ihm bitte meinen herzlichsten Dank aus, ich stehe scheinbar jetzt schon tief in seiner Schuld. Doch zunächst der Reihe nach." Für einen Moment sammelte sich Alfred, blickte auf den Tisch und schien zu überlegen. Schließlich hob er entschieden seinen Blick und ging auf die Vorschläge Ohlendorfs ein.

"Die Versetzung scheint mir eine gute Idee. Angesichts der Umstände natürlich ein Zugeständnis des Rechtsapparates, aber sie sagen es selbst, auch die Stadt Kiel wird sich den größten Ärger ersparen wollen. Ich verweilte die Tage im Gasthof "Quellenhain" am Blücherplatz, dort befindet sich mein Reisekoffer. Meine Arbeitstasche liegt im Lazarett, ich hatte letzte Nacht ob der plötzlichen Verhaftung leider wenig Gelegenheit, diese zurück in das Zimmer zu bringen. Ich benötige beide Taschen, Kleidung und Arbeit. Ich spiele zwar keine Karten, Herr Ohlendorf, aber ich werde die Wartefrist zu nutzen wissen."

Kurz nickte Alfred, um diesen Punkt als abgehakt zu markieren. In seinem Hinterkopf pochte die Gewissheit wieder, dass das vermaledeite Schriftstück, das all diesen Ärger verursacht hatte, sich ebenfalls in seinem Chemiekoffer befand. Wäre der Koffer nicht ohnehin schon bedeutsam gewesen, so wurde er nun ein äußerstes brisantes Eigentum des Wissenschaftlers. Alfred zwang sich dazu, diesen Gedanken vorerst bei Seite zu schieben.

"Werde ich die Gelegenheit haben, mich mit meinem Bruder zu unterhalten? Mir missfällt der Gedanke, während der Untersuchung von ihm getrennt zu sein. Zudem kann ich mir nicht vorstellen, dass es ihm noch immer so miserabel ergeht, wie es letzte Nacht der Fall war. Ich sage es ganz offen und mit Nachdruck, ich wünsche, dass Emil und ich uns die Unterkunft teilen können."

Zwar schätzte Alfred schon die Meinung Doktor Kerns, und dass Ohlendorf sich bereits mit ihm unterhalten konnte, war eines der beeindruckenden Umstände, die den Einfluss und die Fähigkeiten seines Gegenübers bestimmten. Doch Alfred konnte und mochte es nicht länger aushalten, von seinem Bruder getrennt zu sein. Mit einem ausdrücklichem Blick gab der Schwede die Bedeutung dieser Bitte wieder, ehe er fortfuhr.

"Wie ich verstehe werden wir warten, bis Herrn Hergren Nachricht erreicht und sich der Angelegenheit annimmt. Meine Anklage ist jedoch eine Sache, Herr Ohlendorf, ich werde auch jemanden brauchen, der meine Interessen vertritt. Die Seeschlacht letzter Nacht ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil meiner Situation, und ich gedenke den Verantwortlichen für den Überfall auf die Brigg "Seeros" zu finden. Wird dies ebenfalls eine Aufgabe Herr Hergrens sein, oder kann ich Sie damit vertrauen?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.10.2011, 20:12:09
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 10:46 Uhr - Gebäude des Kommandanten, provisorische Zelle

Ohlendorf hörte dem Chemiker aufmerksam zu und sah ihm bei der Unterschrift zu, hielt jedoch stets einen Respektsabstand. "Machen Sie sich darum keine Sorgen, Herr Nobel. Schnelles und effizientes Arbeiten wird von mir verlangt. Verwundete oder verstümmelte Veteranen ohne monetäre Rücklagen überleben in dieser Welt nicht lange, das gewöhnt einem das schnelle Arbeiten von ganz alleine an. Zudem haben Sie das Glück, dass Sie nicht alleine in der Sache stehen. Das ist ein nicht zu verachtender Vorteil." Der Mann vergrub seine schwieligen Hände in seinem Jackett und trat in die Richtung der Tür. "Ich werde Ihre besten Wünsche übermitteln, sobald Professor Himly und ich uns wiedersehen. Doch vorerst müssen wir Sie einfach nur verlegen."
Jens Ohlendorf wechselte ein wenig, er wirkte jetzt zwar deutlich erleichtert, drückte jedoch auch auf das Tempo. Er konnte es entweder nicht erwarten, sich endlich wieder an die Arbeit zu machen oder vielleicht drückte noch etwas anderes auf ihn ein, sodass es ihn zu Schnelligkeit ermunterte.
"Ihre Gegenstände werden geholt werden und ich werde mich persönlich und umgehend darum kümmern, dass Ihr Bruder zu ihnen verlegt wird! Die Geschichte um die Solros werde ich wahrscheinlich, zumindest am Rande, auch übernehmen. Es ist zu erwarten, dass der Angriff auf Ihr Schiff im Zusammenhang mit Ihrer Anklage zu sehen ist. Das ist für mich bisher jedoch nur eine vage Vermutung."
Er begleitete Alfred zur Tür und übergab diesen der Obhut der beiden Obergefreiten, erklärte kurz, dass er sofort den Oberstwachtmeister aufsuchen würde, um ihn von der Verlegung Emils zu überzeugen. Er war äußerst kurz angebunden nach der Unterschrift Alfreds, aber es schien nicht unehrlich oder unaufrichtig zu sein, sondern seinen Auftrag sofort und sorgfältig ausführen zu wollen. Aber Alfred wurde das Gefühl nicht los, dass er alleine kaum der Grund dafür sein konnte, dass Jens Ohlendorf dermaßen Kohle im Ofen hatte.
"Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Herr Nobel. Wir sehen uns alsbald wieder!" Schnellen Fußes entfernte sich der Anwalt, nachdem er dem Schweden die Hand gegeben hatte. Sein Weg würde ihn zum OWM führen, während die beiden Obergefreiten Hammer und Fritz sich Nobel annahmen und ihn in seine neue Wohnung führten.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:25 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Alfred wurde von den beiden deutlich übermüdeten Obergefreiten in die Wohnung geführt, welche einer Dame namens Martha Borggrefe gehörte. Nur der Soldat Fritz wusste zwei, drei Worte über die Dame zu verlieren. Sie war zu Lebtagen mit einem Ingenieur oder einem Industriellem verheiratet. Sie sei dadurch zu einigem Ansehen und Vermögen gekommen und habe sich immer als Mäzenin junger Wissenschaftler verstanden. Hammer kannte die Frau gar nicht, Fritz hingegen hatte etwas Wehmut in seiner Stimme. Alfreds Eindruck, dass der junge Mann den Militärdienst nicht freiwillig gewählt hatte, bestärkte sich. Dennoch gab es nicht viel Gelegenheit, darüber zu sprechen. Fritz und Hammer hatten zwar zusammen mit dem Schweden einen formidablen Fußweg vor sich, sie waren fast zwanzig Minuten unterwegs gewesen, aber die beiden Soldaten hielten sich sonst eher bedeckt und antworteten evasiv.

Frau Borggrefes Wohnung war entgegen der Vermutung, welche sich nach Fritzens Worten aufgedrängt haben mochte, sehr nüchtern eingerichtet. Fritz und Hammer hatte ihm an der Tür sich selbst überlassen und ihm einen angenehmen Tag gewünscht und Nobel mitgeteilt, dass sie ein Zimmer am Ende des Ganges beziehen würde und später am Tag zwei weitere Soldaten einziehen würden: Obergefreiter Rix und Corporal Röschmann. Wenn Alfred Probleme, Sorgen und Nöte hatte, sollte er Bescheid geben und man würde sich darum kümmern, so man in der Lage dazu war.
Das Haus war als Mehrfamilienhaus ausgelegt gewesen, auf drei Stockwerken hatten zwölf Wohnparteien ihren Platz in diesem einfachem Haus aus gelben Backstein gefunden. Die Fenster waren unzureichend und es zog wie Hechtsuppe durch die schmalen Gläsern, an denen sich aufgrund des kalten Wetters auch Eisrosen gebildet hatten. Das galt auch für die kleine Wohnung, in der Alfred einen Platz fand. Anderthalb Zimmer boten sich ihm an. Eine kleine Stube wurde von einem Kanonenofen[1] dominiert, lediglich ein bequemer Lesesessel und ein unverzierter, aber äußerst stabiler Sekretär[2] standen im Raum. Alles stand auf alten, durchgetretenen Dielen, die sehr stark nachgedunkelt waren. Trotz aller Unannehmlichkeit, den Eisrosen an den Fenstern und der Kargheit, strahlte dieser Raum eine gewisse Gemütlichkeit aus. Auf dem grün bezogenen Sessel lag eine einfache Wolldecke.
Ein kleiner Durchbruch führte in eine kleinere Kammer, in der lediglich ein Bett stand, welches frisch bezogen war. Es war etwas durchgelegen. Merkwürdigerweise hing über dem Bett ein Bild des Alten Fritz[3]. Auch die Stube war zwei weiteren Bildern behangen, sie ähnelten sich lediglich dadurch, dass die Bilder Herrscher darstellten, welche für ihre Liebe zur Philosophie berühmt waren. Ansonsten waren sie im Stil, in Farbe und Arrangement unterschiedlich. Die beiden anderen Bilder stellten Mark Aurel[4] und Friedrich II.[5], dem römischen-deutschen Kaiser aus dem Geschlecht der Staufer, dar. Auf dem Sekretär lag ein Kruzifix, auf dem Nachtisch neben dem Bett stand eine kleine Madonna. Neben den beiden Räumen gab es noch ein sehr kleines Bad und eine Küche. Während die Küche ein fast völlig unbestückter Raum war, in dem eine Arbeitsplatte und eine kleine Hexe stand, auf der Tee gekocht und Kleinigkeiten zubereitet werden konnten, sowie ein kleiner Eimer mit sauberen Besteck, war das Bad die eigentliche Schatzkammer des Hauses. Es war zwar auch sehr klein, sodass nur eine Toilette und eine kleine Kabine hineinpasste, aber diese beiden Gegenstände hatten es im Vergleich mit einen gängigen Wohnung in sich. Die Toilette besaß eine eigene Spülung, die Kabine entpuppte sich tatsächlich als Dusche mit fließend Wasser. Kleine Röhrchen zogen sich durch die Wand und Alfred erkannte, dass sie mit dem Ofen und der Hexe verbunden war. Ein Wasserbehälter konnte somit erhitzt werden, wenn man sowieso die Wohnung heizte oder sich Nahrung zubereitete. Eine Dusche war ein herausragender Luxus in solch einer kleinen Wohnung. Sie war zwar klein, aber sicherlich würde sich die Zeit ertragen lassen. Auch wenn man für Emil eventuell ein zweites Bett anschaffen müsste.

Während Alfred sich fröstelnd umblickte, konnte er erkennen, dass draußen leichter Schneefall einsetzte. Aber im Zweifelsfall würde Alfred sich die Kamin anzünden können. Der Himmel war komplett mit schneeweißen Wolken eingedeckt, die sich kaum angekündigt hatten, Alfred wurde immer kälter. Jetzt hieß es warten, dass die ersten Ergebnisse kamen, seine Habseligkeiten ihm gebracht wurden oder er widmete sich bereits...es klopfte an der Tür. Ein schlaksiger Soldat hatte sich angekündigt, er hatte ein schmales, kantiges Gesicht. Er wirkte so, als hätte er bereits einen am Tee, denn seine Augen waren glasig und sein Schritt nicht ganz sicher, dennoch machte er seinen sympathischen Eindruck. Seine Kleidung saß etwas schief. "Gestatten, Corporal Richard Röschmann.", sagte er kaum hörbar. Seine Stimme war laut genug, aber sie wirkte stammelnd. Der Alkohol war sicher kein Grund dafür, es schien seine Art zu sprechen zu sein. Er wischte sich seine halblangen, braunen Haare über den Kopf nach hinten und setzte die Mütze wieder auf, die er zur Begrüßung gelupft hatte. "Ich bringe Ihre Sachen, Herr Nobel." Er stellte tatsächlich Alfreds Sachen ab, konnte aber noch nicht bestätigen, was jetzt mit Emil passieren würde. Auch er kündigte an, dass er in der Wohnung am anderen Ende der Etage wohnen würde. Alfred konnte sich vorstellen, dass es nicht sehr komfortabel sein konnte, mit vier Soldaten in einer ebenso kleinen Anderthalbzimmer-Wohnung zu nächtigen. Röschmann war schon weiter gehumpelt und Alfred schloss wieder die Tür. Die Schneefall war inzwischen stark und tiefweiß.
 1. Kanonenofen (http://de.wikipedia.org/wiki/Kanonenofen)
 2. Sekretär (http://de.wikipedia.org/wiki/Sekretär_(Möbel))
 3. Der Alte Fritz (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preußen))
 4. Mark Aurel (http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Aurel)
 5. Friedrich II. (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(HRR))
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 15.10.2011, 20:13:24
Zögernd beäugte Alfred seine Reisetasche, welche neben Koffer und Gehstock auf dem Boden standen. Langsam hob er die Hand und kratzte sich am Kinn. Das letzte Mal als er sie gesehen hatte, hatte er eben jenes Dokument darin verstaut, welches ihm all diesen Ärger eingebracht hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, die Tasche so lange aus seinen Augen lassen zu müssen; er hätte es besser wissen müssen und sie am Vorabend zu der Begegnung mit dem Braunschweiger mitnehmen sollen. Angespannt seufzte Alfred, als er schließlich seinen Mantel auszog und über die grünen Ohren des Sessels warf und den Spazierstock mit seinem Kleiderkoffer in die Bettenkabine brachte. Für einen kurzen Moment wunderte sich Alfred, wo seine Fellmütze abgeblieben war, bis ihm einfiel, dass sie sich wohl noch immer in dem Maschinenraum der Helka befinden musste. Mit einem merkwürdigen Gefühl blieb der Schwede jedoch an der Schwelle zur Kammer stehen. Das Zimmer kam ihm eigenartig vor.[1]

Vorsichtig legte er seinen Koffer auf das Bett und besah sich die Ecken und Wände des Schlafzimmers. Mit seinem Stab in der Hand trat er wieder hinaus und schritt die geschätzten Maße des Zimmers an der Außenwand der Kammer ab. Er täuschte sich nicht, irgendwo zwischen Bad und Schlafzimmer müsste ein Leerraum sein oder es wurde zu viel Platz verschenkt. Stirnrunzelnd trat Alfred wieder in das Schlafzimmer. Die immerwachen Augen Friedrichs des Großen schienen ihn vielsagend anzuschauen. Verstehend nickte Alfred schließlich und warf seinen Stock ebenfalls auf das Bett, um seine Reisetasche zu holen.

Obwohl die Chemikalien in der Tasche ungefährlich und sicher verstaut waren, hob Alfred seine treue Begleiterin mit einer besonderen Sorgfalt auf. Die Sorgfalt galt nicht den Ingredienzien seiner Arbeit, sondern viel eher einem ehrfürchtigen Umgang mit der bedeutungschweren Schrift. Langsam trat er an den Sekretär und ließ die Arbeitsplatte herab. Mit einer ebensolchen Sorgfalt ließ er die Tasche ab und beschaute sich die Scharniere. Beruhigt stellte Alfred fest, dass scheinbar niemand versucht hatte, sich an ihr zu schaffen zu machen.[2] Mit einer geübten Handbewegung ließ er die beiden Verschlüsse aufschnappen, das vertraute Bild der Phiolen und Gläser bot ihm ein wohltuendes Bild der Heimat. Mit einem flinken Griff zog der Chemiker sein Laborbuch aus dem dafür vorgesehenen Fach und trat damit wieder in die Schlafkammer. Auge in Auge stand Alfred dem alten Fritz gegenüber, als er auch seinen Schlüsselbund hervorkramte und den kleinen Kupferschlüssel hervorsortierte. Achtsam schob Alfred das Gemälde zur Seite.
 1. Wahrnehmung: 24
 2. Wahrnehmung: 13
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 23.10.2011, 11:32:39
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:27 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der Alte Fritz wich ohne Gegenwehr und offenbarte einen in die Wand eingelassenen Stahlschrank, dessen Dicke schon beim ersten Klopfen bewusst wurde. Er war jedoch nicht halb so groß wie das Gemälde und da er breiter als hoch war, konnte Alfred davon ausgehen, dass sich dieser kleiner Stahlschrank eher zum Aufbewahren von Papieren eignete. Vorsichtig ließ der Chemiker den für ein solch massiven Schrank ungewöhnlichen fragilen Schlüssel in das dafür vorgesehene Schloss gleiten. Er brauchte nicht einmal drehen, leise quietschend schob sich die Tür ein Stück vor und schwang dem Schweden entgegen.

Es war wie erwartet, Papiere lagen vor Alfred. Sprach Ohlendorf nicht davon, dass es nur ein Schriftstück war? Alfred blätterte sie grob durch und erkannte, dass die meisten tatsächlich noch alte Briefe waren, die an eine gewisse Frau Borggrefe addressiert waren, sie stammten alle fast ausnahmslos von einem gewissen Wilhelm Bauer. Unter dem Stapel von Briefen lag jedoch ein weiteres, in ein Kuvert verpacktes, Schriftstück, es war jedoch unförmig, weil jemand auch einen anderen Gegenstand in den kleinen Kuvert gezwängt hatte. Mit krakeliger Schrift stand auf der Vorderseite des Kuverts Nobel und auf der Rückseite Himly.

Alfred öffnete den Kuvert and fand in seinem Inneren einen Ring und einen Brief, vorsichtig entfaltete er den Brief, welcher in derselben krakeligen Schrift verfasst war. Aus den Briefwechseln mit Himly erkannte Alfred dessen sonderbar, schlechte Schrift sofort wieder. Wie immer musste Alfred fast jedes Wort ein zweites Mal lesen, ehe er es auch wirklich entziffern konnte.
"Sehr geehrter Herr Nobel,

lassen Sie selbst in Schriftform meine Worte auf das Zentrale kondensiert sein. Ich habe von einem gemeinsamen Freund von Ihrer Lage gehört und möchte versucht sein, Ihnen meine Hilfe anzubieten. Es gibt jedoch gewisse Verbindungen, die man aufgrund von Überwachung nicht persönlich wahrnehmen kann. Deswegen habe ich Ihnen einen sogenannten Kommunikationsring geschickt.

Bevor Sie ihn nutzen können, müssen Sie ihn aber an sich gewöhnen. Entschuldigen Sie zunächst einmal, dass ich Ihnen mit leidiger Magie zu Leibe rücken muss, aber ich wüsste keinen anderen Weg. Das Problem des Gewöhnen ist, dass man nur dann mit einem anderen Trägers kommunizieren kann, wenn die jeweiligen Träger ihre Ringe in getragener Weise magisch miteinander koppeln. Ich habe lange gerätselt, nachdem ich diese Ringe bekommen habe, wir man dieses Problem lösen kann. Ich habe ein zweischneidiges Schwert als Lösung gewählt, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich habe meine Ringe mit Goldcyanid[1] vergoldet und die Kommunikationsfähigkeit an die Art des besonderen Ringüberzuges angepasst, sodass die bestehenden Ringe stets mit einander verbunden sind, ganz unabhängig von seinem Träger. Das ist natürlich ein Stück weit gefährlich, allerdings gibt es nur drei dieser Ringe, wovon einer jetzt in Ihrem, einer in meinem und einer im Besitz unseres gemeinsamen Freundes ist.

Wenn sie den Ring nutzen, müssen sie Ihn mit einem Befehlswort aktivieren. Damit er nicht von jedem genutzt werden kann, der in Besitz dieses Ringes kommt, werde ich Ihnen eine Frage stellen, deren Lösung das Befehlswort ist. Wer hat die Vulkanisation entdeckt?

Sobald Sie die Lösung gefunden haben, bei der ich mir sicher bin, dass Sie sich dieser Lösung sicher sind, ist es doch unser Fachgebiet, und es gesprochen haben, werden Sie ein leichtes Prickeln spüren, so Sie den Ring tragen. Fortan werden sie den kalten Ring immer an ihrem Finger tragen müssen. Sobald er warm wird, befindet sich ein Träger des anderen Ringes innerhalb eine Meile, wenn Sie dann wieder das Befehlswort sprechen, so der Ring warm ist, werden Sie mit dem anderen Träger kommunizieren können, als würden Sie ein gewöhnliches Gespräch führen, nur dass Sie ihr Gegenüber nicht sehen.

Ich hoffe, dass Ihnen das für das Erste helfen wird.

Ergebenst,
Himly"


Der Ring war relativ schlicht, ein einfacher Goldring ohne weitere Verzierungen, glatt und glänzend poliert. Nobel wusste es jetzt besser, es lediglich ein vergoldeter Ring. Er war sehr klein und würde nur auf den kleinen Finger passen. Doch bevor Nobel ihn nutzen konnte, klopfte es schon wieder an seiner Tür.
"Herr Nobel?" Die fragende Stimme lallte ein wenig. "Hier ist Corporal Röschmann nochmal. Ich muss nochmal in die Stadt. Soll ich Ihnen irgendwas besorgen?"
 1. Himly ist vor allem für die Entwicklung des Goldcyanids bekannt.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 25.10.2011, 00:21:54
"Ja, einen Moment!", rief Alfred aus der Schlafkabine, während er eilig die Tür zuklappte und den Ring in seiner Brusttasche verschwinden ließ. Als das Gemälde zurückschwang schienen die wachsamen Augen des Alten Fritz den Chemiker tadelnd anzuschauen. Fast als würden sie fragen: "Was tun Sie hier eigentlich?"
"Ich komme!", meldete Alfred sich erneut, als er aus dem Schlafraum in die Stube trat und sein Buch und den Brief auf die Tischplatte des Sekretärs legte. Mit einem raschen Griff holte er aus seiner Reisetasche eine lederne Geldkatze hervor, aus welcher er schnell einige Groschen abzählte. Mit den Münzen in der Hand öffnete er die Tür.

"Ich möchte Sie darum bitten, mir eine Zeitung mitzubringen, Corporal," begann Alfred, "im besten Falle ein lokales Blatt aus Kiel. Falls sie jedoch auch eine größere Zeitschrift finden sollten, bringen Sie sie mir bitte ebenfalls mit. Vielen Dank." Mit einem Lächeln drückte Alfred dem schlaksigen Soldaten die Groschen in die Hand und verabschiedete ihn mit einem Lächeln. Mit dem Schließen der Türe drehte sich Alfred zurück ins Zimmer. Fast hatte er schon vergessen, wie erbärmlich kalt es in der Wohnung war. Mit einem leichten und überraschenden Anflug der Vorfreude widmete Alfred sich dem Kanonenofen. Sobald das Feuer brannte, würde er sich das Bad näher anschauen wollen.

Während Alfred darauf wartete, dass das Zimmer aufheizte, nahm er wieder sein Laborbuch vom Sekretär und trat zurück in das Schlafzimmer. Es wirkte fast symbolisch, wie der Schwede erneut den Alten Fritz zur Seite schob, die zusammengefaltete Urkunde von der letzten Seite seines Buches entnahm und in den versteckten Wandschrank einschloss. Selbst Jahre nach seinem Tod nahm der alte preußische König noch staatliche Dokumente entgegen.

Erleichtert, dass er die Urkunde nun nicht mehr bei sich tragen musste, seufzte Alfred leise auf. Langsam begann auch die Luft in den Zimmern wärmer zu werden. Endlich trat Alfred wieder an den Sekretär und schob seinen Laborkoffer zur Seite, um Platz auf der Arbeitsfläche zu schaffen. Aus der Seitentasche kramte Alfred die hölzerne Schatulle hervor, klappte sie mit geübten Fingern auf und band sich wie schon so oft die Objektivgläser um. Mit einem leisen Surren passten sich die Blenden der Brille den schwachen Lichtverhältnissen in der Kammer an. Alfred griff in seine Brusttasche, hielt den vergoldeten Ring vor die dicken Rundgläser und drehte das kleine Stück Metall neugierig zwischen seinen Fingern.

Beeindruckt schätzte Alfred die Verarbeitung der Goldschicht ab. Zwar hatte sich der Chemiker bereits mit der Arbeit Himlys beschäftigt, aber dennoch war er verblüfft, dass der Ring magisch ausstrahlte. Die Resonanz der Ringe über die einzigartige Metallschicht abzustimmen war ein hervorragender Einfall. Durch das einzigartige Metallisierungsverfahren mussten unweigerlich Spuren des Cyansalzes in dem Metall eingearbeitet sein. Somit dürfte es als hervorragendes Basismaterial gedient haben, den Kommunikationszauber über die speziell gleichartigen Objekte zu binden. Alfred entdeckte einen Schriftzug auf der Innenseite des Ringes, welchen er zunächst als Gravur hielt, durch die rauen Kanten jedoch schnell als Ätzung identifizieren konnte. "Fides" stand dort, das lateinische Wort für Vertrauen, mit einer unüblichen Kapitalisierung.[1] Alfred konnte nicht verhindern, dass er mit seinen Gedanken ein wenig abschwief: Für einen Moment fragte er sich, mit welchem Schutzmaterial Himly wohl den Ring überzogen haben muss, ehe er den Schriftzug im aggressiven Aqua Regia[2] bildete, doch mit einem verstohlenen Kopfschütteln lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Wesentliche.

Erneut las sich Alfred den Brief durch, während er noch immer den Ring zwischen seinen Fingern hielt. Der Professor sprach von einem gemeinsamen Freund. Verwundert dachte der Schwede nach; meinte Himly etwa den Anwalt Ohlendorf? Alfred konnte sich nicht daran erinnern, einen ähnlichen Ring an den Fingern des Mannes gesehen zu haben, als dieser spielerisch die Karten gemischt hatte. Somit blieb Alfred etwas ratlos, wen Himly meinen konnte. Doch offensichtlich gab es eine einfache Methode, es herauszufinden. Langsam zog sich Alfred den Ring über den kleinen Finger seiner linken Hand und schaute wieder auf den Brief.

Der Entdecker der Vulkanisation also, des Verfahrens, mit welchem man durch Schwefelverbindungen das Kautschuk von einer zähen zu einer elastisches Masse bilden konnte.[3] Das Gummiband der Laborbrille, welche sich um Alfreds Hinterkopf spannte, war genau aus diesem Material, ein persönlicher Import aus England. Mit einem Räuspern klärte Alfred seine Stimme. "Hancock, Thomas Hancock", sagte er laut und deutlich, und schaute den Ring erwartungsvoll an. Es blieb jedoch still, der Ring schien nicht zu reagieren. Verwirrt runzelte Alfred die Stirn. Nachdenklich trat Alfred vom Sekretär und setzte sich auf den grünen Ohrensessel. Vor einigen Jahren war er zu Besuch in England auf der Londoner Industrieausstellung[4] gewesen. Er erinnerte sich noch gut an ein Gespräch mit einem Aussteller des britischen Unternehmens Charles Macintosh and Co.[5], der nicht müde wurde, stolz von dem englischen Produkt im Namen ihrer Königin zu berichten. Der britische Chemiker Thomas Hancock[6] habe demnach das Verfahrung zur Erfindung des sogenannten Materials "Rubber" entdeckt und patentiert, ehe ihm der Amerikaner Charles Goodyear[7] mit einem Patentstreit drohte, in der Behauptung, selbst das Verfahren entwickelt zu haben. Tatsächlich hatte der Brite auf der damaligen Austellung kein Blatt vor den Mund genommen; Alfred war verblüfft gewesen, wie viel der Angestellte bereit war über den politischen Werdegang seines Unternehmens Preis zu geben. Immerhin hatte Alfred ihm danach tatsächlich eine kleine Menge des Rohstoffs abgenommen. Alfred hob seine linke Hand wieder auf Augenhöhe und kratzte sich mit der rechten bedächtig am Kinn.

"Charles Goodyear."[8]
 1. Wahrnehmung 17
Zauberkunde 30
 2. In Königswasser (http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigswasser) können (bspw. im Vergleich zur Salzsäure) Edelmetalle gelöst werden.
 3. Wissen (Natur) 28
 4. Great Exhibition (http://de.wikipedia.org/wiki/Great_Exhibition)
 5. Charles Macintosh (http://en.wikipedia.org/wiki/Charles_Macintosh)
 6. Thomas Hancock (http://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hancock_%28inventor%29)
 7. Charles Goodyear (http://en.wikipedia.org/wiki/Charles_Goodyear)
 8. Wissen (Geschichte) 25
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 27.10.2011, 21:30:48
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:29 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der Name verklang und Alfred spürte, wie der Nachname etwas in dem Ring bewirkte. Kurz wurde die Schrift brüllend heiß, während der sonstige Ring schlagartig abzukühlen schien. Kurz wurde Alfred schwindelig, Sternchen tanzten vor seinen Augen, doch dann ließ das Gefühl so schlagartig nach, wie es Alfred überkommen hatte. Noch immer fühlte sich jedoch der Ring außergewöhnlich kühl an, während das Wort Fides sehr warm war. "Herr Nobel? Herr Nobel, sind Sie das?", erklang eine fast noch jugendliche Stimme in Alfreds Gedanken, bevor der schwedische Chemiker überhaupt dazu kam, den Ring seinerseits auszuprobieren. "Dann hat es geklappt, wie der Herr Himly prophezeit hatte. Magie und Technik sind gemeinsam also doch zuverlässiger." Die Stimme hatte einen stark italienischen Einschlag und Alfred konnte sie nicht zuordnen, er hatte sie noch nie gehört. Wie sollte er also wissen, ob dies ein gemeinsamer Freund wäre? Vielleicht nur eine Floskel Himlys. Nur anhand der Stimme würde Alfred schätzen, dass der Mann ein minderjähriger Italiener ist. "Ich bin Daniele Nocerino und Herr Himly hat mich Ihnen vermittelt, und das aus gutem Grund. Herr Nobel, ich könnte Ihnen helfen, denn ich weiß einiges von Interesse. Ich werde es Ihnen umgehend zu vermitteln versuchen."
Seine Stimme klang gehetzt, als würde er gerade laufen, zudem waren die Worte undeutlich. Der junge Italiener schien die Übertragungsfähigkeit bis auf das Äußerste zu strapazieren und im äußersten Empfangsgebiet des Ringes zu laufen.
"Aber ich habe vorerst ein kleines Problem. Sie müssen mir dabei helf..Scheiße!.", rief der Italiener und ein Stöhnen war zu hören. "Das war knapp." Dem Chemiker war es nicht möglich zu hören, was um Daniele vor sich ging, aber scheinbar wurde er verfolgt. "Herr Nobel, sie müssen den Oberstwachtmeister dazu bringen..." eine kurze Pause, schweres Atmen, als würde er gerade einen beschwerlichen Weg nehmen. "Sie müssen ihn dazu bringen, dass er..." Ein Aufschrei wird gefolgt von einem schweren und schmerzhaften Aufstöhnen, als wäre er irgendwo runtergesprungen. Völlig aus der Puste sagte er weiter. "...dass er den Notstand für den Hafen ausrufen muss. Lassen Sie sich..." Wieder schweres Gestöhne. "etwas einfallen, wie dass die Reste der Solros gefähr..." Abriss. Scheinbar war der junge Italiener aus dem Gebiet gelaufen, in dem die Ringe einsetzbar waren. Schlagartig wich das Gefühl von Wärme aus dem Ring und er nahm wieder komplett seine Kälte an.

Und so saß Alfred Nobel wieder alleine in der Wohnung von Frau Borggrefe, unter den gestrengen Augen von Mark Aurel und den beiden Friedrichs. Eine Aura lag über dieser Wohnung, eine Aura, welche sich der Chemiker noch nicht erklären konnte. Was aber meinte der Italiener mit seinen Worten? Schlagartig erwärmte sich der Ring Alfreds wieder, für einen Bruchteil eines Augenblicks, lange genug um ein paar abgebrochene Worte mit italienischem Akzent zu hören. "Retten Sie mi..."
Der Italiener war in Gefahr, und zwar unmittelbarer. Aber war er ein Freund? Konnte er helfen? Was hatte dies zu bedeuten?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 28.10.2011, 15:16:34
Mit verwirrtem Blick starrte der Schwede die gespreizten Finger seiner Linken an, als wären sie es gewesen, die mit ihm gesprochen hatten. Erst jetzt merkte Alfred, dass er nicht mehr auf dem Ohrensessel saß, sondern vor Spannung aufgesprungen war. "Himly? Himly!", rief Alfred an Mangel an Alternativen - offenbar war der junge Italiener außerhalb der Reichweite gelangt. Was hatte das zu bedeuten? Was konnte dem Jungen nur geschehen, in so einer Hetzjagd zu sein schien, und was erhoffte er sich davon, den Hafen im Notstand zu sehen? Nicht lange zögerte Alfred, ehe er sich auch fragen musste, ob er dem Jungen überhaupt trauen konnte. Himly hatte von einem gemeinsamen Freund geschrieben, doch Alfred kannte den Italiener nicht.

Andererseits hatte der Chemiker schon so viel dem Professor zu verdanken. Und wenn der Junge nur ein Freund des Universitätsgelehrten sein sollte, so sollte es Alfred recht sein. Er glaubte zwar nicht, dass er viel ausrichten konnte, aber der Bitte des jungen Italieners konnte er nachzukommen versuchen. Mit schnellen Schritten eilte Alfred ans Fenster und sah nach draußen, in der Hoffnung, den Corporal noch in Rufweite zu erwischen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 01.11.2011, 14:06:35
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:30 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Alfred blieb glücklos in seiner Suche, Corporal Röschmann war nirgends zu sehen, vielleicht hatte er sich einen anderen Weg aus dem Haus gesucht oder er war noch gar nicht gegangen und nochmal auf sein Zimmer zurückgekehrt? Und auch Himly war scheinbar außerhalb der Reichweite des Ringes, da Alfred keine weitere Antwort bekam. Es war Sonntag, von daher war es wenig wahrscheinlich, dass Himly in der Nähe der Universität, welche auf der anderen Seite des Ufers sogar in Sichtweite war, arbeitete. Ein Blick gen Himmel verriet dem Chemiker, dass es kurz vor Mittag sein musste. Es war also auch gut möglich, dass Himly noch in einer Kirche saß und sich den Gottesdienst anhörte und dementsprechend nicht gestört werden wollte. Wenn Alfred es recht bedachte, waren die Glocken noch nicht wieder geläutet wurden.

Die Wolkenberge wurden immer größer und Alfred wurde das Gefühl nicht los, dass es gegen Abend sogar einen Schneesturm geben konnte. Der Wind wehte ihm eisig kalt am Fenster entgegen, der Wind bahnte sich seinen Weg durch das unsauber isolierte Fenster, der Schwede fror. Und noch immer tauchte der Corporal nicht auf. Die Straßen Gaardens waren äußerst leergefegt, aber bei diesem Wetter verharrte man auch lieber in der Kirche oder vor dem Kamin. Immerhin wärmte der Kanonenofen Alfreds Rücken ein wenig.
Alfred würde also einen anderen Weg finden müssen, wollte er dem Italiener helfen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 03.11.2011, 22:12:17
Still verwünschte Alfred sein Pech. Hätte er nicht so lange gebraucht, um den Zauber des Ringes zu bestimmen, so hätte er den Corporal vielleicht noch erwischt, wie dieser durch die Haustür ging. So kehrte der Chemiker sich schwunghaft wieder der Stube zu und schritt eilig zu seiner Wohnungstür. Nicht einen Moment zögerte er, als er die Wohnung verließ und ans Ende des Ganges schritt. Er mochte zwar unter Hausarrest stehen, doch er war ganz und gar dazu bereit, zu erfühlen, wie weit sich die Grenzen seiner Haft dehnen ließen. Aus der Wohnung zu treten musste somit völlig selbstverständlich sein.

"Herr Rix!, rief Alfred, als er an die letzte Wohnungstür im Gang klopfte, "Herr Rix, es ist dringlich!"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 06.11.2011, 13:47:35
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:31 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Alfred hatte Glück, der Türe wurde ihm geöffnet. Ein Mann in Hemd mit Dienstabzeichen öffnete, auch wenn das Hemd nicht wirklich akkurat in der Hose saß. Er hatte noch eine Zigarette im Mundwinkel und blickte mit müden Augen drein. Ein kurzer Blick an dem kleinen Mann vorbei, offenbarte, dass Fritz und Hammer in ihren Kojen lagen und die Müdigkeit ihres Wachdienstes wegschliefen, erst dann musterte Alfred den kleinen Mann. Er war bestimmt keine 160cm groß, hatte eine glatt geschorene Glatze und sehr wulstige Augenbrauen. Das pockennarbige Gesicht ließ den Mann sehr verwegen wirken. Seine Dienstkleidung war nicht komplett, denn er trug weder Schuhe, noch sein Wehrgehänge. Er schien gerade Pause zu machen. Er wirkte dennoch in der Dienstkleidung stattlich, war sehr kräftigen Bau, auch wenn der Bauch inzwischen ein wenig zu sehr das Hemd spannte. Er hatte die Tür recht schnell geöffnet und war dementsprechend in der Nähe gewesen. Vor den Betten der anderen Obergefreiten stand ein großer Tisch, auf diesem lagen große, grüne Blätter, die zum Teil in feine Streifen geschnitten worden waren. Noch jetzt trug Rix das kleine Schnittmesser in seiner Hand.

"Was gibt's?", sagte er umständlich mit der Zigarette im Mundwinkel. "Nobel, nehm ich an?" Mit der Hand, in welcher das Messer lag, nahm er die Zigarette aus dem Mundwinkel. Alfred sah auf der Innenseite des Handgelenkes, es war die rechte Hand, eine Tätowierung, welche eine Doppeleiche darstellte. Sein Gegenüber musste so eine Mittzwanziger sein. "Der Corporal kauft Schnaps, Herr Nobel. Also werden Sie mit mir vorliebnehmen müssen."
Der Obergefreite Rix wirkte nicht gerade wie die Ausgeburt der Höflichkeit, auch sein Atem roch ein wenig nach starkem Alkohol.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 08.11.2011, 23:50:15
Verkniffen versuchte Alfred, sich von der ruppigen Art seines Gegenübers nicht abschrecken zu lassen. Für einen Moment musste der Schwede überlegen, ehe er dem Soldaten antwortete, in seinem Drang zur Eile war ihm entgangen, dass er die Angelegenheit geschickt verkaufen musste, damit er dem jungen Italiener helfen konnte. Schnell straffte Alfred seine Haltung und sah dem Obergefreiten mit einer Sorgenmiene in die Augen.

"Herr Röschmann klopfte an meine Tür und fragte, ob ich etwas brauche, ja. Ich kann mir nicht verzeihen, dass mir der Gedanke nicht früher gekommen ist, ehe der Corporal sich auf den Weg machte. Sagen Sie, Herr Rix, ist der Hafen abgesperrt? Wissen etwas über die Bergungsmaßnahmen letzter Nacht? Sicherlich ist Ihnen die Explosion einer chemischen Warenlieferung nicht entgangen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.11.2011, 19:00:19
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:31 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der Glatzkopf sog den Rauch der Zigarette tief ein und ließ ihn nach einer Weile durch die Nase entweichen, mit einem langem Atemstoß, dabei betrachtete er Alfred eingängig, als würde er ganz genau erwägen müssen, was er dem Schweden erzählen könne oder nicht. Die Zigarette wanderte wieder in den rechten Mundwinkel, als er zu einer Antwort ansetzte und dann doch noch innehielt. Die tätowierte Hand nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel. "Es gibt keine Absperrung mehr, Herr Nobel.", sagte er kurz angebunden und wollte den Tabakstummel wieder mit den Lippen aufnehmen, ehe er merkte, dass diese Antwort kaum zufriedenstellend war. Er zog die Stirn kraus und atmete nochmal aus. "Der Hafen wurde um Neun wieder freigegeben. Die meisten Trümmer sind geborgen, es ist noch ein Schiff rausgefahren, als ich meinen Posten verlass'n hab. Sind 'nen paar Taucher drauf, die mit ihren Helmtauchgeräten[1] nach den letzten, verschollenen Leichen suchen. Mehr weiß ich allerdings nicht, ist nicht meine Baustelle, wie Sie sicher verstehen."
Er steckte die Zigarette endlich wieder in den Mundwinkel. "War ihr Schiff, was? Mein Beileid. Muss wehtun, so viel Asche zu verlieren." Takt war nicht die große Stärke des Soldaten Rix.
 1. Helmtauchgerät (http://de.wikipedia.org/wiki/Helmtauchgerät)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 16.11.2011, 23:58:56
Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen senkte Alfred sein Haupt und kratzte sich am Hinterkopf, während er kopfschüttelnd nachdachte. Seine Erkundigung nach der momentanen Situation am Hafen war nicht dazu gedacht gewesen, sich über den Stand an der See zu informieren, sondern über den Wissensstand des Gefreiten. Der Schwede musste sich geschickt anstellen, wenn er den Soldaten dazu bringen wollte, zu kooperieren.

"Das sind schlechte Nachrichten, Herr Rix," begann Alfred zaghaft. "Nach dem Verlust der Fracht sollte sich kein Mann mehr in das Wasser des Hafens trauen. Die gesamte Küste ist kontaminiert! Die Schwefelsäure mag mittlerweile vielleicht verdünnt sein, aber bei den hochkonzentrierten Mengen, die ich habe liefern lassen müssen, ist es viel zu gefährlich die Bergung fortzusetzen. Die Salpetersalze sind in der Zwischenzeit auch im Meerwasser aufgelöst. Die Säuren werden unweigerlich die Schiffshüllen angreifen - oder gar die Helme Ihrer Kameraden. Die Bergung muss verschoben werden!"[1]

Mit wachem und hoffnungsvoll nachdrücklichem Blick beobachtete Alfred die Reaktion des Gefreiten. Der Chemiker spielte gefährlich auf das wissenschaftliche Unwissen seines Gegenübers, als er seine Argumente vortrug. Sein alter Lehrer hätte ihn nur lauthals ausgelacht.
 1. Bluff: 12
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 20.11.2011, 18:14:26
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:31 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der Obergefreite Rix ließ den Zigarettenstummel über seine Lippen rollen und dachte angestrengt nach. Irgendwas zeigte, dass er sich nicht ganz sicher war, warum der Mann vor ihm dies jetzt mit dieser Intensität erzählte, aber scheinbar waren ihm die Worte des Wissenschaftlers doch plausibel genug. "Sie sind die Chemiker, nicht ich, Herr Nobel. Wenn Sie meinen, dass das gefährlich ist, werde ich das natürlich weitergeben.", sagt er schließlich ausweichend, darauf verweisend, dass er keinerlei Garantie übernimmt. Er schien sich nicht wirklich sicher zu sein. "Wie lange glauben Sie denn, wird es dauern, bis die Bergung wieder aufgenommen werden kann?"

Alfreds Worte hatte immerhin bewirkt, dass der Mann in seine Stiefel schlüpfte und die Glut der Zigarette abstreifte, die er später weiterrauchen würde. Er richtete seinen Anzug her, während er mit dem Schweden sprach. "Ich werde den Sicherheitsoffizier aufsuchen und ihm die neue Lage unmittelbar mitteilen. Haben Sie Dank für den Hinweis. Es wäre der Stadt sicherlich nicht positiv aufgefallen, wären daran Bergungstaucher verstorben und Sie hätten still gehalten."
Er wartete noch, bis Alfred die letzte Frage beantwortete und brach dann unmittelbar und schnellen Schrittes auf. Vielleicht hatte Alfred es geschafft und der Hafen würde gesperrt werden, dem Italiener wichtige Momente schenken, in denen er sich verteidigen konnte. Aber das blieb abzuwarten, musste der Obergefreite Rix doch auch noch den Sicherheitsoffizier überzeugen...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 20.11.2011, 21:39:26
Scheinbar erleichtert nickte Alfred dem Obergefreiten zu, als dieser seine Bereitschaft signalisierte und eilte rufend zurück in sein Zimmer.

"Mein Ruf ist ohnehin schon im Eimer, wie man so schön sagt. Ich kann es jedoch mit meinem Gewissen nicht verantworten, wenn durch die Überreste meiner Ladung noch mehr Schaden aus Achtlosigkeit entsteht."

Alfred trat an den Sekretär und zog aus seiner Reisetasche Briefbogen und Schreibutensilien. Flink öffnete er das Etui seiner Schreibfeder und tunkte ungeduldig die Spitze in das kleine Tintenfass, während er weiterhin in den Flur rief.

"Ich gebe ein Schreiben mit meiner Signatur mit, die sie dem Herrn Sicherheitsoffizier vorlegen können. Die Absperrung sollte mindestens bis morgen früh halten, und dies nur für den Fall, wenn es die Nacht regnet. Ich bin bereit, Wasserproben zu nehmen, wenn dies eine Hilfe sein sollte."

Geschwungen setzte Alfred seine schlichte Unterschrift auf das Dokument, trat wieder heraus und reichte dem Obergefreiten dankend das zusammengefaltete Stück Papier.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 20.11.2011, 22:36:03
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:36 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Es war sicherlich ein ungewöhnlicher Nikolausmorgen, der äußerst geschäftig war und an dem sogar die Soldaten den Kontakt mit ihren Familien unterlassen musste, um am Vorabend Gestorbene zu bergen. Und jetzt würde man ihnen auch noch sagen, dass sie ihr Leben in der kalten Ostsee hätten verlieren können. Nicht nur wegen der Kälte, den unvorhersehbaren Strömungen und den sonstigen Gefahren des Tauchens, sondern auch noch durch die Behauptung, welche der Chemiker aufgebaut hatte. Alfred hatte dick aufgetragen und es war zu hoffen, dass keine fähigen Hobbywissenschaftler unter den Soldaten waren, welche den Gedankengang Alfreds überprüften, oder wenn sie es taten, war zu hoffen, dass sie es nicht darauf ankommen ließen und erst sicherten und dann hinterfragten.

Der Obergefreite Rix hatte nichts mehr dazu gesagt, hatte das Schriftstück an sich genommen und war wirklich flinken Fußes unterwegs gewesen. Er schien die Bedrohung wirklich ernstzunehmen. Alfreds Angebot Wasserproben zu entnehmen, lehnte er mit einem Kopfschütteln ab. Er würde Alfred kaum vom Hausarrest befreien können, um Wasserproben zu nehmen. Und so wurde Alfred auf seine Wohnung geschickt. Doch auch von dort aus, konnte er mit etwas Mühe und Verrenkung auf die Förde schauen. Bis ins Mark ging ihn das auf einmal an- und abschwellende Heulen einer ihm aus dem St. Petersburger Stadtteil Kronstadt[1] mehr als bekannten Erfindung[2]. Mehrere Sirenen schallten über die Förde und ließen mit ihrem durchdringenden Ton das Blut in den Adern gefrieren. Alfreds Plan war aufgegangen, tatsächlich wurde eine Gefahrenmeldung rausgegeben. Oder war es doch ein Hausbrand, der gemeldet wurde? Alfred rannte auf den Flur und schaute aus einem Fenster, aus dem er besser sehen konnte. Ein Militärschiff drehte tatsächlich bei und hielt auf den eigenen Hafen zu, über die nicht sehr breite Förde sah er die laufenden Soldaten, welche Passanten bedrängten und das Hafengebiet absperrten. Aufgrund der Gefahr liefen auch Männer über eine Pontonbrücke am schmalsten Arm der Förde und kamen rüber nach Gaarden. Auch hier sperrten sie den direkten Küstenstreifen ab. Die Verantwortlichen wählten den sicheren Weg.

"...fred...hö..ch? lfred...hör...ich?", der Ring um Alfreds Finger wurde wieder sehr warm und er hörte eine Stimme in seinem Kopf, wenn auch undeutlich, noch immer war sie am Rand der Übertragungsfähigkeit des magischen Ringes. "Alfred, hören sie mich?" Die Stimme war völlig außer Atem, aber jetzt klang sie so, als wäre die Person stehen geblieben und schnappte stehend nach Luft. "Ich weiß nicht, wie Sie es gemacht haben, Herr Nobel, aber Sie haben mir meinen venezianer Arsch gerettet."
Alfred konnte sogar das schwere Atmen hören, der Ringträger schien sich sehr auf das Atmen zu konzentrieren. Stück für Stück wurde die Atmung ruhiger und der junge Mann konnte wieder sprechen. "Haben Sie gehört, Herr Nobel? Sie haben einen venezianer Hintern gerettet! Ha! Sie Teufelskerl. Hören Sie?"
 1. Kronstadt (http://en.wikipedia.org/wiki/Kronstadt)
 2. Sirene (http://en.wikipedia.org/wiki/Siren_(noisemaker))
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 21.11.2011, 20:01:46
Mit einem schweren Seufzen lässt sich Alfred wieder auf den Ohrensessel fallen und massiert sich mit den Fingern der Linken seine Schläfe. Die Gefühle des Wissenschaftlers waren gemischt, auf der einen Seite war er froh darum, dass dem Jungen offenbar geholfen war, auf der anderen musste er sich ins Gedächtnis rufen, dass er gar nichts über die Ursachen der Bitte gewusst hatte. Absolut blind und uninformiert zu handeln war eigentlich nicht die Art des Chemikers.

"Es ist schön zu hören, dass Sie wohlauf sind, Herr Nocerino. Aber Sie werden verzeihen, wenn ich über die Maße hinaus neugierig darüber bin, wie die Evakuierung des Hafens zu Ihrer Unversehrtheit beigetragen hat. Ich denke, eine Erklärung wäre inzwischen durchaus angemessen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 21.11.2011, 22:08:42
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:37 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Ich bin Ihnen Erklärungen schuldig? Wir wollen es mit unserer Nähe doch nicht gleich übertreiben, Herr Nobel. Die Nordmänner sind doch sonst eher für ein reserviertes, distanziertes Verhalten bekannt und wenn Sie erlauben, Herr Nobel, will ich dies für den Moment auch weiterhin so halten.", erklärte die Stimme nun deutlich erholter, auch wenn noch immer Anstrengung in der Stimme lag. "So, wie ich für Sie ein unbeschriebenes Blatt bin, sind Sie es für mich. Wir beide müssen die Grenzen unserer Freundschaft früh ausloten, wenn wir uns verstehen wollen. Aber ich beruhige Sie, Alfred, Sie haben den ersten Schritt dazu getan, in dem sie mich aus einer kniffligen Situation befreit haben."

Es folgte einen Moment der Stille, Nocerino erwägte seine Worte jetzt wohl ganz genau. "Die Holsteiner dulden meine Anwesenheit nicht wirklich, vor allem nicht jene, welche dem Herzog nahestehen. Sie sehen, Herr Nobel, ich war in der Vergangenheit, sagen wir, etwas naiv. Ich habe Dinge getan, welche mich beim Herzog nicht sonderlich beliebt machen, aber das soll nicht Ihre Sorge sein. Dieses delikate Verhältnis sorgt dafür, dass ich eine Informationen trage, die Ihnen dienlich sind." Der augenscheinlich junge Mann gab schnell das kryptische Sprechen auf.
"Hören Sie, Herr Nobel, ich weiß, dass Sie unschuldig sind und ich kann es beweisen. Das wird Ihnen allein wenig nützen, aber ich kann auch Ihren Bruder entlasten. Ich weiß nicht, wieviel er Ihnen erzählt hat. Das Ganze hat nur einen Haken, ich darf nicht den Leibgarden des Herzogs über den Weg laufen und ich kann nirgends vorsprechen. Allerdings kann ich Ihnen deswegen auch nicht einfach die Beweise zustecken, wir werden uns also etwas überlegen müssen. Ist Emil bei Ihnen? Ich habe schreckliches über seinen Zustand gehört. Es ist essentiell, dass er überlebt, so wie es essentiell ist, dass sein Kontaktmann lebt. Marius Pedersen heißt der Junge. Wissen Sie etwas über ihn?"
Dann begann Nocerino zu schweigen. Scheinbar erwartete er nun eine Antwort.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 22.11.2011, 17:12:40
Sehr verdutzt saß Alfred nun aufrecht auf dem Sessel und zog die Augenbrauen verwundert in die Höhe. Die forsche Art des jungen Mann überrumpelte den Schweden, sodass es einige Momente dauerte bis der Schwede seine Sprache wieder fand. Zudem hätte Alfred damit gerechnet, dass der junge Italiener eine Erklärung für seine Forderung gegenüber dem Wissenschaftler nicht verweigern würde. Schließlich hatte er ihn um einen nicht unbedeutenden Gefallen gebeten, über dessen Ursachen und Zusammenhänge Alfred noch immer im Dunkeln war.

"Ja," antwortete Alfred daher bedacht, sparsam an Worten, "Ich weiß etwas über Marius Pedersen," und rief sich das Erzählte des Oberstwachtmeisters in Erinnerung. Der Mann namens Pedersen wurde ebenfalls in der Anklageschrift erwähnt und beschuldigt, im selben Zuge wie Emil und Alfred. Der Oberst sprach davon, dass der Mann nach einem unbekannten Angriff im Altenstift liege und nur knapp dem Tode entgangen sei. Ein Schaudern überkam den Schweden - diese Information hatte er letzte Nacht gar nicht realisiert. Wenn der Mitangeklagte tatsächlich einem Attentat ausgesetzt war, so lag es nicht fern, dass wer auch immer Pedersen tot sehen wollte, vielleicht auch ein Interesse an dem Ableben der Nobels haben konnte. Voller Unmut zog Alfred seine Uhr hervor. Wo blieb denn Emil nur?

"Sprechen Sie nur weiter, Herr Nocerino."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 28.11.2011, 16:09:17
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:39 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Ich sehe, Sie nehmen das mit dem Misstrauen genauso ernst, wie ich das nehme, Herr Nobel.", erwiderte der junge Italiener mit näselndem Unterton. "Kann ich Ihnen nicht verdenken, wenn das alles so stimmt, was man so erfährt. Da ist man gestern noch ein hehrer Geschäftsmann und Chemiker, unbescholten, und am nächsten Morgen ist man bereits des indirekten Hochverrats angeklagt und wird behandelt, als hätte man sich die Pest oder die Cholera eingefangen. Das würde mich auch vorsichtig werden lassen."
Nocerino schwieg einen langen Moment, er konzentrierte sich weiter auf seine Atmung, sodass Alfred diese deutlich hören konnte. Der junge Italiener ließ sich zur Ruhe kommen, als fürchtete er für einen Moment keine Gefahr mehr, so er sie vorher zu empfinden hatte. Dass er zur Ruhe kommen musste, war ein deutliches Zeichen, dass er tatsächlich geflohen war, wovor auch immer. Die Sirene legte nahe, dass es vielleicht holsteinische Beamten sein konnten.

"Sie müssen das Vertrauen einer der ihnen zugeteilten Wachen erringen.", eröffnete Daniele plötzlich wieder das Gespräch. "Wenn Sie das schaffen, dann ist es Ihnen vielleicht möglich, dass man den Herrn Himly zu Ihnen lässt oder gar einer der Wachmänner ein betreffendes Paket bei der Post[1] ab und bringt es Ihnen. In diesem Paket sind Teile der Beweise. Sie sind derartig brisant, dass ich nicht wagte, diese Beweise in ein Paket zusammenzufassen. Des Weiteren fürchte ich, dass Sie zum Erhalt eines jeden Paketes einen anderen Weg einschlagen müssen, sodass man kein System hinter ihren Bemühungen befürchtet. Melden Sie sich, sobald Sie das erste Paket in Ihren Besitz gebracht haben. Gegen Abend müsste Himly Ihnen zur Verfügung stellen. Wenn Sie es nicht abwarten können, müssen Sie einen Wachmann überzeugen, auch wenn das mehr Gefahren birgt. Wie Sie mögen, Herr Nobel."
Dann schwieg der Italiener wieder und nur sein leises Atmen kündigte an, dass er das Gespräch noch nicht beendet hatte. Aber er wartete erstmal ab.
 1. Deutsch-Österreichischer Postverein (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Österreichischer_Postverein)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 28.11.2011, 21:18:58
Kopfschütteln zog Alfred scharf die mittlerweile warme Luft der Wohnkabine ein. Dass der fremde Italiener eine gewisse Selbstgefälligkeit ausstrahlte und seine Position als Ratgeber und vermeintliche Lösung für Alfreds Probleme ganz offenkundig genoss war zwar ein unsympathischer Umstand, doch nicht die eigentliche Quelle für den Ärger des gefangenen Wissenschaftlers. Vielmehr missfiel es dem Schweden häppchenweise seine Unabhängigkeit in die Hände anderer legen zu müssen, deren Motive und Absichten noch nicht mal abschätzbar waren. Alfred machte sich keine Illusionen, er rechnete nicht damit, dass seine Gegenüber ihre Interessen offen mit ihm austauschten. Doch eingesperrt in der Kieler Wohnung wäre der Chemiker sogar mit einem billigen Vorwand glücklich gewesen, warum der Italiener ihm helfen wollte, statt weiterhin im Dunkeln zu tappen.

"Hören Sie, junger Mann," begann Alfred daher in einem reservierten Ton, den er sich nur zu gut von seinen ehemaligen Lehrern abgeschaut hatte, "Sie sprechen zwar von unbeschriebenen Blättern, aber sind dennoch in der Lage Geschichten aus meinem Leben zu erzählen, als wäre ich ein offenes Buch für Sie. Vielleicht möchten Sie gewahr werden, dass unsere gegenseitige Kenntnis noch immer im Unverhältnis steht. Ich glaubte, dass eine solche Form des Umgangs für einen Mann aus Venedig als Beleidigung gelten möge, doch scheinbar irre ich mich, machen Sie schließlich keine Anstalten, sich zu behaupten. Oder aber, es ist tatsächlich eine Beleidigung, und ich ein ignoranter Trottel."

Ein wenig war Alfred selbst über die Härte in seinen Worten erschrocken. Angesichts der Ereignisse des letzten Tages fühlte der Schwede sich als hätte er ein Ventil gefunden, über welches er einen Teil seines Ärgers und des Frustes ablassen könne. Schnell kam jedoch Alfred die Frage in den Sinn, ob es denn so intelligent war, es sich mit dem jungen Italiener zu verscherzen.

"Ich werde Mittel finden, an die Päckchen zu gelangen," wurde Alfred schnell wieder sachlich, aber fügte in einem ebenso geschäftigen Ton hinzu, "sofern der Professor für Sie bürgt, ist Misstrauen fehl am Platze. Ich erwarte jedoch sehnlich, mich heute Abend persönlich mit ihm unterhalten zu können. Gibt es noch etwas, dass Sie los werden möchten, Herr Nocerino? Darf ich für Sie noch den Bahnhof am Ziegelteich evakuieren?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 28.11.2011, 21:47:49
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:41 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Tztz. Herr Nobel. Sie wissen genauso gut, wie ich, dass ich mir kein Urteil über Sie selbst genehmige. Dass, was ich über Sie weiß, ist das, was ich mir von Ihren Feinden zusammengesammelt habe innerhalb der letzten Tage. Wenn Sie also einen Grund brauchen, ungebührlich über mich zu urteilen, dass urteilen sie anhand dessen, dass ich dieses Unglück nicht von Ihnen abwenden konnte. Dass war nämlich mein primärer Auftrag.", erklärte der junge Italiener jetzt bereitwillig. Scheinbar hatten der Widerstand Alfreds und strengen Worte etwas bewegt bei dem jungen Mann, der begleitend seufzte. "Der Professor bürgt für mich, dessen können Sie sich sicher sein. Mir gefällt die Situation auch nicht. Ich habe nicht vorgehabt, in solches hineingezogen zu werden. Sie haben inzwischen sicher bemerkt, dass das, was Sie indirekt verbrochen haben sollen, durchaus ein cassus belli ist. Besonders, wenn Ihre Widersacher sowieso auf Krawall gebürstet sind. Aber beruhigen Sie sich erstmal. Wenn Sie genügend für Herrn Himly getan haben, werde ich Ihnen auch mehr von mir erzählen. Sehen Sie erstmal zu, dass sie das Paket in Ihre Finger bekommen. Bis dann."

Der Italiener beendete das Gespräch abrupt und der Ring an Alfreds Hand erkaltete. Aus den Augenwinkeln sah er, dass der Schneefall deutlich zugenommen hatte. Es würden kalte und weiße Tage werden. Doch es war auch ein Zeichen der Hoffnung. Aber wenn diese komische Geschichte um den merkwürdigen Vertrag ein casus belli sein könnte, dann bedeutete dies, dass jemand dies direkt in Erwägung zog. Konnte man dies verhindern, in dem man den Vertrag an die Dänen oder die Preußen oder aber auch an den Herzog von Schleswig-Holstein gab? Würde man dann nicht vielleicht einen anderen Grund finden, wenn man ihn finden wollte? Dazu bräuchte man sicherlich mehr Informationen, mehr Meinungen, doch wie einholen? Andererseits, vielleicht war es auch schon zu spät und es war etwas ins Rollen gebracht worden, was kaum noch zu verhindern war? Doch die Hoffnung blieb vielleicht ein paar Tage, denn Hoffnung lag ausrechnet in dem russischen Wetter, welches bis an die Förde kam. Der einbrechende Winter würde definitiv eine Mobilisierung, so sie jetzt losbrechen sollte, auf Eis legen. Es gab Alfred Zeit, wertvolle Zeit vielleicht mehr zu lernen. Blieb nur zu hoffen, dass Himly mehr wusste als dieser Nocerino preisgeben wollte...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 29.11.2011, 18:47:18
Ein casus belli, Grund zum Kriege also. Alfred war der etwas bereitwilligere Tonfall des Italieners aufgefallen, sein Ärger daher wenigstens etwas verflogen. Dennoch bewegte sich der Venezianer in einem undurchsichtigen Schleier aus Andeutungen und Unklarheiten. Was hatte es zu bedeuten, dass es sein Auftrag gewesen sei, das Unglück von ihm abzuwenden? Bisher hatte Alfred geglaubt, ein zufälliges Objekt in dieser politisch verstrickten Sache zu sein, dessen Ursache der blauäugigen Abenteuerlust und dem Idealismus seines Bruders zu verdanken war. Doch steckte da mehr dahinter, wenn der fremde Italiener sich eine solche Bemerkung erlaubte?

Etwas widerwillig erhob sich der Chemiker aus dem Ohrensessel und trat an das Fenster, während seine Gedanken weiter kreisten. Ihm war bewusst, dass der Verzichtsvertrag, den mittlerweile der Alte Fritz hütete, ein schwerwiegendes Material war, das seine Bedeutung jedoch erst in den Händen der richtigen Interessenten erlangen konnte. Und nun war ein unabhängiger Schwede im Besitz dieser Schrift, den nicht der patriotische Idealismus sondern ein viel mehr moralisches Bestreben dazu trieb, die Wirkung der Urkunde entfalten zu lassen. Still fragte Alfred sich, ob es denn möglich sei, die Provokation eines Krieges zu verhindern. Natürlich war ihm bewusst, dass wenn es der Druck durch die Urkunde nicht werden würde, schnell ein anderer Grund gefunden werden könnte, wollte ein Konflikt denn angezettelt werden. Dennoch konnte Alfred sich nicht helfen, mit dem Gedanken zu spielen, die politische Spannung entschärfen zu wollen - schließlich hatte er Röschmann nicht umsonst um eine lokale Zeitung gebeten. Das Dokument war in den Händen ihres Besitzers wertvoll, Alfred fragte sich jedoch, was eine schnurgerade Veröffentlichung der Umstände zur Folge haben könnte.[1]

Bedächtig rieb sich Alfred die Schläfe, als er versuchte sich wieder auf die greifbareren Probleme zu konzentrieren. Emil war noch immer nicht angekommen, doch Alfred weigerte sich, an einen schlimmen Umstand zu denken. Sicher waren es die Bedenken des Arztes und des Obersts, die die Sache aufhielten. Und dann war da noch dieses ominöse Päckchen, von dem Nocerino sprach.

Dass Alfred das Vertrauen der Soldaten gewinnen musste war zwar forsch gesagt, aber ein Gedanke, der auch dem Schweden schon gekommen war. Es konnte nicht schaden, sich gut mit seinen Wächtern zu stellen, und scheinbar hatte er mittlerweile sogar schon einen direkten Grund dazu. Vielleicht konnte er einen der beiden Soldaten dazu bringen, das Paket für ihn von der Post zu holen, nur wie? Viel wusste Alfred nicht über die Soldaten, wie er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen. Rix roch streng nach Zigaretten und Alkohol, trug ein Zeichen der Einigkeit Schleswigs und Holsteins auf dem Arm, vermutlich also ein überzeugter Mann. Was war mit Röschmann? Alfred erinnerte sich, dass Rix freigegeben hatte, dass der Corporal zum Schnaps kaufen losgezogen war.

Schmerzhaft verzog der Wissenschaftler das Gesicht, als er vom Fenster trat und einige Schritte in dem kleinen Zimmer ging. Den Männern ein politisches Motiv vorzugaukeln war nicht denkbar, dass er als Schwede die Interessen der Kieler Soldaten vertreten konnte, war schlicht zu unglaubwürdig. Doch eine der Fähigkeiten, die er in seiner Zeit in Sankt Petersburg erworben hatte, würde ihm vielleicht helfen, zu den Soldaten durchzudringen. Schon jetzt wurde ihm bei dem Gedanken daran unwohl, doch es half nichts, eine andere Idee kam ihm nicht, und diese schien ihm vergleichsweise recht harmlos.

Alfred seufzte und trat schließlich an den Sekretär. Sorgfältig räumte er den Inhalt seiner Reisetasche aus, bis Gläser, Pipetten, Trichter und Gasbrenner auf dem Tisch standen, genug, um ein kleines Labor aufzubauen. Während der Chemiker mit wachem Ohr darauf achtete, wann die Soldaten wieder das Haus betreten würden, begann er mit der Synthese eines alten Rezeptes, das sein alter Lehrer Zinin[2] immer liebevoll als die dobrota chimika, die Güte des Chemikers bezeichnet hatte.[3]
 1. Daran hat sein Spieler tatsächlich schon gedacht: Was würde passieren, wenn die Urkunde in der Zeitung gedruckt werden würde? Ich will versuchen, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, und eventuell bei Zeiten eine Antwort für mich (und Alfred) formulieren.
 2. Nikolai Nikolajewitsch Zinin (http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Nikolajewitsch_Sinin)
 3. Craft (Alchemie): Alfred stellt eine Portion Alchemist's Kindness (http://paizo.com/pathfinderRPG/prd/advanced/advancedGear.html#alchemist%27s-kindness) her. Dauer: 10 Minuten
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 29.11.2011, 23:56:20
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:00 Uhr - Gut Emkendorf

[...]..."Wie fange ich am Besten an?`Sie haben von der unsäglichen Novemberverfassung gehört, nehme ich an? Nun, es ist wie..."
Scheiben barsten, im selben Moment war erst der Schall des abgegebenen Schuss zu hören. Urplötzlich fiel Licht in den Raum, als der vom Schuss durchschlagene Vorhang zur Seite weht und einen Blick auf den Hof freigab. Mitten auf dem Hof, in mehr als einhundert Metern Entfernung stand eine übergroße Person im Hof. Einzelheiten fern ab ihre Größe war kaum zu erkennen, ihre Kleidung war an die Umgebung angepasst. Nur eins fiel auf. Der Kolben des Gewehrs war schneeweiß und stach deutlich vor der Brust des menschenähnlichen Wesens hervor. Sie war ansonsten von oben bis unten vermummt, sodass wirklich nichts außer der Körpergestalt auf die Art des Wesens schließen ließ.
Der Herzog warf sich zu Boden und ebenso tat es der Schwarze Braunschweiger, beide waren nicht getroffen worden. Erst jetzt fielen die gurgelnden Geräusche auf, welche Karl Schreiber von sich gab. "Verdammte Attentäter, verdammte Kultur des feigen Angriffes!", polterte der Herzog, während er durch die Scherben seines Fensters kroch, um nicht im Sichtfenster des Attentäters zu sein, der sein eigentliches Ziel nur um Zentimeter verfehlt hatte. Karl röchelte, Blut quoll zwischen seinen Händen hervor, die er auf seinen Hals gepresst hatte. Kraftlos und mit Furcht in den Augen ging er zu Boden, hilflos schaute er zu Conrad und griff mit einer Hand an dem Ärmel des Mannes, doch sein Griff war zu schwach. Nur Blut unterließ er an der Seite Conrads, ehe er vornüber kippte. Der merkwürdige Mann legte derweil wieder seine Waffe an und zielte auf die Gäste des Herzogs. Von den Männern des Braunschweigers gab es keine Spur.

Die Frage nach der Loyalität stellte sich genau in diesem Moment, aber auf eine andere Weise, als der Herzog erwartet hatte. Wie würden die Gäste reagieren? Würden sie den Herzog schützen oder waren sie heimliche Sympathisanten mit Marius Pedersens Ideen? Zumindest schien der Braunschweiger diesen Gedanken zu haben. Er hielt eine Pistole in der Hand und achtete sowohl auf die Gäste als auf den Angreifer.

Carl hatte sich so sehr bemüht die Fassung zu bewahren und tapfer den gehässigen Braunschweiger ertragen und so gut er konnte Konter für Konter nachgereicht, doch das Lachen des Herzog hatte ihn rot werden lassen. Wegen eines dummen Versprechers. Es war schon so lange her, dass man Carl nach seinem Alter gefragt hatte... ausgerechnet vor dem Herzog... und dem Major. Carl verspürte wie seine Fassade für einen viel zu langen Moment von ihm geglitten war, er konnte fast hören wie sie zersplitterte.

Doch es waren in der Tat die Fensterscheiben die da zersplitterten und sein Kommilitone ging beinahe Augenblicklich zu Boden. Jahre des Drills sorgten dafür das Carl seinen gerade noch empfundenen Scham augenblicklich abstreifte und seinen Revolver zog, den lauernden Braunschweiger gar nicht beachtend. Der junge Offizier zielte gar nicht erst auf den Schützen - auf dieser Entfernung war dies ein fruchtloses Unterfangen, aber die Feuerwaffe verliehg in dieser Situation dennoch mehr Sicherheit als der Säbel.

"Im Namen der Krone, Sie sind verhaftet! Legen Sie die Waffen nieder!" Carl war stehen geblieben und näher an die Fenster getreten, achtete aber auf die Bewegungen des Fremden um sich hinzuwerfen falls er zu noch einem Schuss ansetzen sollte.

Conrad ist bestürtzt über den plötzlichen Tod von Karl. Aber für größere Trauer blieb in dieser Situation wenig Zeit, denn immerhin könnte ja auch Conrad selbst ein gefährlicher Querschläger treffen und ihm könnte es so wie Karl ergehen. Conrad geht also einen Schritt zur Tür hin und macht sie auf. Danach lässt er sich zu Boden fallen und wird versuchen jedem Schuss so gut es geht auszuweichen. Zu Carl sagte Conrad bloß: "Was machst du da, Carl? Man muss nicht immer den Helden spielen, denk nur daran wie es dem anderen Karl ergangen ist."

Hermene hielt für einen Moment den Atem an, drehte ihren Kopf lautlos, und starrte kontrolliert auf das Geschehen: Der Schuss, Karl, der leblos in sich zusammensackte, und der Hühne im Hof. Hermene wusste, um wen es sich handelte, es konnte keine andere Möglichkeit geben!

Schlimmer noch: Wenn es ihr wohl bekannter Gegner war, würde auch der schreckliche Strahl möglicherweise zum Einsatz kommen. Sie waren alle in größter Gefahr. Auch Hermene wollte dieses Mal nicht auf ihren, obgleich zweifelsfreien, göttlichen Schutz vertrauen, sondern tat es den anderen gleich und warf sich auf den Boden. "Ein Hühne im Hof!", sagte sie, und schaute in Richtung des Braunschweigers.

Dann erst bemerkte sie, dass der übermütige von Lütjenburg ans Fenster getreten war. Sie konnte ihn sicherlich unterstützen, ja. Doch so, wie der Junge da stand, war er der teuflischen Kunst des Hühnen nahezu ausgeliefert. "In Deckung, geht in Deckung, von Lütjenburg!", schrie sie ihm zu. Danach analysierte sie ihre Möglichkeiten. Sie versuchte, darauf zu achten, ob es draußen wenigstens windstill war, so dass sie ihnen die Flucht erleichtern konnte.

Erschrocken vom plötzlichen Schuss übernahm die Erfahrung des Söldners sein Handeln, blitzschnell warf er sich auf den Boden und suchte sich eine sichere Position hinter dem Schreibtuisch. Wer wusste schon, was der unbekannte Angreifer noch so in der Hinterhand hatte. Er nutzte die Deckung, um seinen ordentlichen Blick zu riskieren, ob in der Umgebung nicht doch noch weitere Attentäter standen. Denn warum stand der Attentäter jetzt noch seelenruhig da, wenn vor dem gebäude angeblich des Braunschweigers Reiter stehen? Eigentlich müsste er doch die Flucht suchen...
Um sich das Gefühl der Sicherheit zu geben, zog Donald die Armbrust.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 29.11.2011, 23:57:36
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:06 Uhr - Gut Emkendorf

Die Überraschung war allgegenwärtig, viel ging durch die Gegend, Bücher flogen durch die Gegend, leere wie volle Tintenfässchen aus Porzellan und Glas zerbrachen und zerbarsten, weil sie umgestoßen wurden und ihr kostbarer Inhalt wurde vom Teppich und umliegenden Schriftstücken aufgezogen. Doch es gab keine Atempause, um auf solche Nichtigkeiten in Anbetracht der eigenen Lebenserhaltung zu achten. Nur Carl blieb übermutig oder vielleicht übermütigt stehen und verkündete die Gefangennahme des Hünen mit dem Gewehr. Zwar war er darauf gefasst, sich zu Boden stürzen, sobald der Mann anlegte. Doch die Bewegung und das Zielen des Mannes war dermaßen fließend, dass Carl zu spät reagierte.
Ein zweiter Schuss ertönte und während Carl sich zu Boden warf, spürte er brennenden Schmerz in sich aufglühen. Ein weiterer Halstreffer! Kurz blieb dem Wahlpreußen die Luft weg, Blut spritzte auf und landete auf Schriftstücken, an den Wänden, auf dem Teppich und jenen Personen, welche in dem Raum verzweifelt nach Deckung suchten. Carl wurde schwummrig vor Augen, die Wunde blutete stark und irgendwas stimmte nicht. Er spürte, wie seine Gliedmaßen taub wurden. Ein schwerer Treffer, der ihn zeichnete[1].
Ein bedrohliche, weibliche Stimme erschien im Raum, obwohl niemand zu sehen war. "Il faut être enclume ou marteau.[2]", verkündete sie süffisant lachend und wurde schlagartig wieder still.
Immerhin war die Tür aus dem Raum wieder offen, weil Conrad sie geistesgegenwärtig geöffnet hatte. Es war draußen noch immer ruhig, keine Stimme war zu hören. Bewegten sich die Reiter des Braunschweigers etwa nicht? Auf einmal hörte Conrad es. Schritte von Stiefeln auf dem Flur.
Der Braunschweiger lud seine Waffe durch und kniete sich vor den Herzog, um ihn vor möglichen Schüssen zu schützen. "Was zur Hölle ist hier los? Was zur Hölle!"
Der Herzog schien mit der Situation völlig überfordert, er zitterte wie Espenlaub. Währenddessen meldete Donald, dass der Attentäter seine Waffe nachlud.

Es berührt Conrad durchaus, dass Carl so schwer getroffen worden ist. Er macht sich richtig Sorgen um ihn. Schon der andere Karl ist einen sinnlosen Tod gestorben und dieser Carl sollte nicht auch noch sterben durch sein leichtfertiges Handeln. Carl war immer ein Vorbild für Conrad, doch sein momentanes Verhalten war einfach aus Conrads Sicht unklug. "Verdammt! Auf diese Entfernung haben wir gegen den Scharfschützen wenig Chancen, das musst auch du doch einsehen, Carl! Können Sie seine Wunden heilen, Schwester?" Bei seiner letzten Frage blickt Conrad natürlich zu Schwester Hermene, die vielleicht tatsächlich die Kraft hat seine Wunden schnell wieder zu heilen.

Conrad merkt, dass die französisch-sprechende Frau- offensichtlich unsichtbar- ganz in seiner Nähe ist, deswegen bereitet er sich darauf vor, vor möglichen Angriffen von ihr so gut es geht auszuweichen, während Conrad dabei ist vom Boden wieder aufzustehen.

Donald musste eingestehen, dass Conrad Recht hatte. Auf diese Entfernung konnten sie nicht an den Scharfschützen herankommen, aber er musste etwas zu ihrem Schutz unternehmen. Der gefallene Mann, Donald meinte sich zu erinnern, dass er Carl hieß, wurde schon von der Nonne umsorgt. Also konnte er sich um den Schutz seines Lebens und das der anderen kümmern. Gleichzeitig würde er den Angreifer zwingen, aus seinem Versteck zu kommen. Er murmelte Worte in der alten Sprache und im Hof zog vor dem Fenster ein dichter Nebel auf. Zwar ging draußen ein leichter Wind, aber für ein wenig Schutz würde es schon ausreichen. Conrad behielt das Fenster im Auge.

Hermene blickte zu Conrad, und ihr Gesicht mochte möglicherweise bereits einen großen Pessimismus ausstrahlen, denn sie wusste um die kritische Lage von Marius, der ebenfalls Opfer des Schützen wurde, und sie wusste um die Gangrene, unter der er litt. Es bastanden kaum die Chancen, dass sie würde helfen können. Dennoch - der Vollständigkeit halber und um ein gutes Bild als ehrwürdige Gottesfrau abzugeben - kroch sie herüber zu den Korpus des Getroffenen .

Dabei blickte sie immer wieder auf ihre Leidensgenossen, die so wie sie hier unverhofft in diese fürchterliche Lage gekommen waren. Die unsichtbare Stimme, die sie plagte, konnte nur eines bedeuten. Eine Unsichtbare war mit ihnen im Raum, und dies war ein Umstand, den Hermene keinesfalls dulden konnte. Sie hob ihr Kruzifix und beschwor die Macht ihres Herren, ihr, seiner Dienerin, Beistand zu leisten. „Erscheine, Weib!“, schrie sie, und schickte eine Welle aus auflösender Kraft in die Richtung, aus der die Stimme kam.

Souverän bleiben und Preußens Gloria verteidigen, diese beiden Gedanken gehen dem Wahlpreußen durch den Kopf, als er sich auf dem vollgebluteten Teppich der Tatsachen wiederfindet. Blut hat ihn noch nie geschreckt, dennoch muss er erstmal die Blutung stoppen. Mühsam bringt er sich wieder auf die Beine, während das Blut warm an seinem Hals und seiner Brust runterfließt. Eine tiefe Wunde, wahrscheinlich wird er sie operieren lassen müssen. Aber Blut und Schmerzen haben Carl noch nicht in der Situation des Kampfes gestört, es war ein Teil des Handwerkes, so wie ein Schmied sich die Hände verbrannte und ein Gleisbauer an Rückenschmerzen litt. Carl drückt sich ein Tuch auf die Wunde. Er spürt, wie das Gift noch immer in im wirkt und ihn innerlich angreift, ihn zerfrisst und ihm das Atmen schwer macht. "Erst die Wunde stoppen, dann das Gift.", murmelte er wie in Trance, während er vom Nebel geschützt, die Wunde verband.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 29.11.2011, 23:58:55
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:12 Uhr - Gut Emkendorf

Donald beschwor einen undurchdringlichen Nebel, welcher den Verteidigern zumindest ein paar Momente Ruhe vor den donnernden Kugel verpassen dürfte, es sei denn, der Scharfschütze war irrsinnig genug, in das Schwarze zu feuern. Währenddessen robbte die Schwester näher an den verwundeten Carl heran, hielt jedoch in ihrer Bewegung inne, als sie ein Flackern der Luft in der südöstlichen Ecke des Raumes ausmachte. Der himmlische Beistand war ihr sicher, dann auf ihren Verdacht intonierte sie einen Zauber, welcher sofort die magische Unsichtbarkeit einer jungen, rothaarigen Frau auflöste, die gerade im Begriff war, ein Wurfmesser auf den Herzog zu werfen. Erschrocken über die Wirkung des Zaubers, zögerte sie einen Moment zu lang und der Braunschweiger zog Friedrich gerade noch aus der Wurfbahn. Mit einem stumpfen Geräuscht blieb die grünlich schimmernde Klinge in einem Buch stecken. Erschrocken fuhr sie zusammen und verlor augenblicklich ihr lachendes Gesicht. Ihre himmelblauen Augen funkelten die Schwester eisig an. Sie griff zum nächsten Wurfdolch.
Derweil hatte sich Carl wieder aufgerichtet, er spuckte aus und stöhnte kurz vor Schmerzen auf, als er die Kugel mit bloßem Finger aus der Wunde beförderte und sich mit Hilfe eines umliegenden Schals und einer Keksdose einen Druckverband um den Hals wickelte, um so selbst kurz die Blutung zu stillen. Sein Hemd war über und über mit Blut, aber er war wieder bei Sinnen, die Schmerzen durch das Gift ließen abrupt nach. Er hatte den Angriff des Schützen überlebt.
Aber noch immer war Gefahr im Verzug, der Braunschweiger verhielt sich passiv, versuchte seinen Herzog vor jedem Angriff zu schützen. Vor dem Nebel konnte der Schütze im Moment nicht beobachtet werden, und auf dem Flur hörte man noch immer Schritte. In wenigen Momenten würde die mysteriöse Frau Verstärkung bekommen. Eine eisige Aura ging von ihr, eine natürlich Kälte, welche sich in ihren Augen spiegelte. Sie war nicht sehr professionell gekleidet, trug für die Jahreszeit viel zu leichten Seidenstoff, der mehr zeigte, als er verbarg. Ihr rotes Haar fiel ihr glatt auf die Schultern. Doch sie sagte nichts, griff nur nach ihrem nächsten Messer, jeder Muskel gespannt. Immerhin blieb der Schuss des Scharfschützen aus, vorerst.

Donald warüberrascht über das Auftauchen der rothaarigen Frau, jedoch erkannte er sie sofort als Gefahr und begann schnell zu handeln. Er bewegte sich auf Schwester Hermine zu, immer die Frau im Blick haltend, zog dabei einen Fellball aus einem Beutel an seiner Seite und warf diesen der Frau vor die Füße. Dort schlug er auf und verwandelte sich in einen Leoparden. "Kämpfe für mich, mein Freund", sagte Donald zu dem Tier. Der Leopard fauchte die Frau wild an. Dann biß und schlug er nach ihr.

Conrad ist ganz froh, dass Carl nicht noch mehr beschossen werden kann durch den Nebel. Seine Blutungen scheinen vorerst auch gestoppt zu sein, auch wenn Carl immer noch ziemlich übel und hart getroffen aussieht. Conrad fackelt nicht lange und geht ein paar Schritte nach Osten, zieht dabei seinen Degen und greift die rothaarige Frau an. Er will sie so vor einem weiteren Angriff auf den Herzog ablenken. Im Eifer des Gefechts geht allerdings sein Degen-Angriff daneben.

Carl biss die Zähne zusammen. Zum einen um nicht lauthals zu fluchen und zum anderen weil es ihn tatsächlich schmerzte. Doch er hatte sein Ziel mehr oder weniger erreicht. Der Schütze hatte nicht auf seine Begleiter und nciht auf den Herzog gefeuert, sondern nur auf Carl. Allerdings hatte der Leutnant nicht darauf spekuliert wirklich verwundet zu werden und vor allem nicht so schwer, aber es war nunmal das Risiko das er hatte akzeptieren müssen.
Nun wo die Wunde vorerst versorgt war und auch der Schmerz langsam abflaute konnte er sich auf den Kampf konzentrieren. Freilich war dies kein Gefecht nach seinem Geschmack, aber begrüßte er es doch beinahe als willkommene Abwechslung zu den politischen Hütchenspielen denen er zuvor noch ausgesetzt war. Und aus ihm nicht bekannten Gründen gab es nun auch einen Feind in seiner Reichweite. Carl stakste durch das Durcheinander von umgestoßenen Büchern an die Seite Donalds und hob seinen Revolver an. Er zielte auf die rothaarige Messerwerferin, versuchte nicht daran zu denken, dass er auf eine Frau schoss und drückte ab.
Treffer. Noch fünf. Carl hatte es sich angewöhnt immer mitzuzählen, wieviele Kugeln ihm noch verbleiben würden. Da er nicht mit einem Kampf gerechnet hatte blieben ihm in dieser Situation nur noch die fünf Kugeln in der Trommel und sein treuer Säbel. Er würde Munition sparen müssen...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 30.11.2011, 00:00:58
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:18 Uhr - Gut Emkendorf

Der Leopard schlug wie wild auf die rothaarige Frau ein und tatsächlich gelang es ihm, der Frau eine Wunde mit den Krallen in das Bein zu schlagen, obgleich er nach dem Hals der Frau zielte und sie zu Boden zerren wollte. Sie wich mit behänden Bewegungen aus, so wie auch Conrads Degen ausgewichen war. Aber Carls Schuss traf ihr bereits lädiertes Bein und Blut floss, sie blieb jedoch beherrscht, verzog nur das Gesicht und biss auf die Lippen vor Schmerz. Und die Sorgen wurden nicht weniger, zwei immense, turmhohe Männer stürmten in den Raum, fast nackend, nur mit einem Kilt gekleidet und schwere Stiefel tragend, mit typischen Zweihandschwertern bewaffnet. Metallene Totenkopfmasken verdeckten den Großteil ihres Gesichtes und sofort begannen sie nach den Verteidigern des Herzogs zu hacken. Wenn Donald sich nicht irrte, waren es Schotten, so wie er, allerdings von Clan Haldane[1]. Einer hackte nach Conrad und schmetterte ihm das Schwert gegen den Rücken, traf jedoch nicht so, dass er eine blutige Wunde hinterließ, trotzdem wurde ihm die Luft aus der Lunge gedrückt[2]. Diese Chance ließ sich die rothaarige Attentäterin nicht entgehen, obgleich sie unbewaffnet schien, zauberte sie aus ihrer leichten Bekleidung einen Dolch und rammte ihn Conrad in die Bauchgegend, doch Conrad wich geschickt aus und konnte dem unverzierten Dolch ausweichen, an dem eine bräunliche Substanz haftete.
Der zweite Maskierte sah noch die Reste des Heilzaubers, den die Schwester nutzte und so schlug er sofort nach ihr, obgleich er eigentlich den preußischen Offizier anvisiert hatte. Hermene wurde an der Seite getroffen, aber durch den improvisierten Schlag ihres Gegenübers, brachte dieser nicht alle Kraft, die in seinem hünenhaften Körper steckte, auf. Schmerzhaft war es allemal[3]. Draußen ertönten keine Schritte mehr, aber jetzt waren es schon drei Feinde, der Herzog und der Braunschweiger blieben noch immer passiv und irgendwo war auch noch der mysteriöse Schütze unterwegs. Es würde kein leichter Kampf werden.

Carl wechselte den Revolver in die Linke und zog nun blanken Stahl, als die beiden leicht gerüsteten Schotten in den Raum stießen und mit ihren antiquiert anmutenden aber dennoch gefährlichen Waffen umherschwangen. Carl Heinrich sah dass sein Kommilitone zwischen einem der beiden Männer und der Frau in Bedrängnis geraten könnte, wollte aber dennoch nicht Schwester Hermene im Stich lassen. Von Conrad wusste er immerhin dass jener ein passabler Fechter war, bei der Nonne war Carl sich allerdings nicht so sicher ob er sie mit dem Schwertkämpfer allein lassen konnte. Also entschied er sich so schnell wie möglich den Mann vor ihm den Gar aus zu machen und ließ seinen Säbel hervorschnellen.

Conrad sieht den Schotten mit dem Zweihänder als die größere Gefahr an. Damit die Gegner ihn nicht mehr flankieren können, geht Conrad einen Schritt nach Norden. Danach täuscht Conrad mit seinem Degen einen Angriff auf die rechte Seite des Schotten einen Angriff an, wechselt aber im letzten Augenblick auf die linke nun ungeschützte Seite, um ihn einen verheerenden Angriff zu verpassen.

Wieder bedrängte der Leopard die rothaarige Frau mit seinem Biß und seinen Pranken. Er hatte das Blut gerochen und dieser Geruch versetzte ihn in Jagdlust.

Donald hingegen stand vorsichtig auf. Währenddessen rief er in seinem Kopf nützliche Fakten aus der Geschichte und den aktuellen Verwicklungen des Clans Haldane[1] auf. Vielleicht fand er ja einen Ansatzpunkt, die er gegen seine Landsleute einsetzen konnte. Oder waren sie etwas verbündet? Als er stand, schlug er mit der rechten Hand nach dem Schotten vor ihm. Das Bild seiner Hand war dabei merkwürdig unscharf, es zeigte scharfe Krallen, wo sonst seine Finger waren, auch schien sein Mund mit scharfen Reißzähnen ausgestattet zu sein und ein Schwanz schien um ihn zu peitschen.

Hermene wich einen Schritt zurück, vor Schreck, denn mit gleich mehreren Widersachern hatte sie nicht gerechnet. Kurz blickte sie sich um und beschloss dann, was zu tun war. Mit ihrem rechten Zeigefinger zeigte sie auf die Rothaarige und schrie in einem schrillen Ton: "Unheilige Hure! Die Strafe Gottes wird dich einholen!". Sofort erschien über ihr ein Flegel aus gleißendem Licht, der auf sie niederraste.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 30.11.2011, 00:02:06
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:24 Uhr - Gut Emkendorf

Die Angriff der Herzogsverteidiger zeigten Wirkung. Donald schaffte es, dem nur leidlich gerüsteten Schotten die Krallen über den Oberkörper zu ziehen, auch wenn er spürte, dass eine schwache Magie diesen schützte. Deshalb drangen die Krallen nicht so weit in das Fleisch, wie sie bei solch einem direkten Treffen hätten müssen. Dennoch bildeten sich blutige Striemen auf der Haut des Schotten, gleichzeitig hatte der Maskierte versucht, Donalds Aufstehen zu nutzen, um ihn mit einem harten Schlag sofort wieder gen Boden zu schicken, doch Donald konnte dem Hieb ausweichen, der knapp neben ihn auf verstreute Bücher ging und diese schwer beschädigte. Carl nutzte diesen Treffer, um seinerseits die kurz bröckelnde Verteidigung des Feindes zu nutzen. Ein zweiter Striemen erschien auf der Brust des fast nackten Mannes.
Der Leopard schlug wie wild nach der rothaarigen Attentäterin, diese konnte sich doch mit einer Menge Glück und ihren Verteidigungskünsten gerade so des Tieres erwehren. Gleichzeitig gelang es ihr auch, sich der spirituellen Waffe zu erwehren, welche die Schwester gegen sie einsetzte. Conrad jedoch setzte einen äußerst wirkungsvollen Treffer gegen den anderen Schotten und trieb ihn die Waffe tief in die Hüfte, sofort trat Blut aus und der Maskierte schrie vor Schmerzen auf, kämpfte aber verbissen weiter und schlug seinerseits nach Conrad. Der Zweihänder sauste hernieder und traf Conrad empfindlich an der Schulter, kurzzeitig verließ jedes Gefühl den Arm Conrads und fast verlor er seine Waffe[1], doch er schaffte es dem zweiten Schlag, der seitswärts geführt wurde, mit einem Ausfallschritt zu begegnen, mit dem er auch dem heransausenden Dolch der Attentäter ein zweites Mal entwischen konnte. Carl hat mit den ungenauen und unter Schmerzen ausführten Schlägen des zweiten Kriegers deutlich weniger Probleme, zwar musste der Wahlpreuße viel Kraft aufwenden, damit die abwehrten Schläge ihn nicht stolpern ließen, aber er wehrte beide Schläge bravourös ab.
Die Überraschung war verflogen, alle kämpften hochkonzentriert, sahen jedoch auch, wie der unwirkliche Nebel vor dem Fenster sich langsam wieder auflöste...

Langsam hatte Conrad schon ein paar Verletzungen, die doch etwas schmerzten. Etwas wütend und unter Schmerzen sagt Conrad dann in Richtung Braunschweiger: "Ihr könntet auch mal etwas in diesem Kampf tun, Braunschweiger. Um so schneller wir die Angreifer erledigt haben, um so besser." Danach wirbelte Conrad wild mit seinem Degen in der Luft herum. Es war unberechenbar für den Schotten, wo der nächste Stich des Degens hingehen würde. Eine Parade würde sich also als ziemlich schwierig herausstellen und das war auch von Conrad bei seinem nächsten Angriff mit dem Degen so geplant.

Der Leopard fand langsam Freude am Kampf und er hatte Blut geleckt. Wieder stürzte er sich mit Klauen und Biss auf die rothaarige Frau.
Donald wunderte sich noch immer über das Erscheinen der Schotten, jedoch hatte seine Kampfinstikte die Führung übernommen. Vielleicht sollte er diesen hier am Leben lassen, damit er ihn befragen konnte. Trotzdem versetzte er ihm mit allem, was sein Gefährte ihm zur Verfügung stellte Schläge und Bisse.

Hermene ließ den heiligen Flegel erneut auf die Feindin niederrasen, und diesmal mit mehr Erfolg. Gleichzeitig war sie der Ansicht, dass die Schergen kurzfristig aus dem Weg geräumt werden mussten. Mit erhobenem Finger zeigte sie auf ihren Gegenüber und schrie ihn an: "Ihr, auf den Boden! Ich spreche im Namen unseres allmächtigen Vaters!"

Carl fühlte sich allmählich in den Rhytmus des Kampfes hinein und begann seinerseits die Schlagzahl zu erhöhen. Immer wieder stach und hieb er nach dem Schotten, während er gleichzeitig dessen Gegenwehr geschickt auswich. Der Stil des Leutnants gleich seinem Wesen: Schnörkellos und ohne Umwege durchdrang er die gegnerische Verteidigung und ließ seine Klinge ihre Arbeit tun.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 30.11.2011, 00:03:18
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:30 Uhr - Gut Emkendorf

Conrads Schlag zeigte eine entsprechende Wirkung, nahe der letzten Wunde, platziert Conrad ein zweiten Streich und der Haldanekrieger brüllt auf. Verzweifelt hatte er versucht, seinen Zweihände dazwischen zu bringen, doch der schwergewichtige Schotte ist deutlich zu langsam für den schnellen Vorstoß. Gleichzeitig traktierten Donald und Carl den anderen Schotten, der sich nur schwerlich den Angriffen der beiden erwehren konnte. Nur die schwache Magie, die ihn wie ein Panzer umgab, sorgte noch dafür, dass er nicht bereits verblutend oder erschlagen am Boden lag. Die rothaarige, leicht bekleidete Frau wurde abermals vom Leoparden angegangen, sie konzentrierte sich allerdings auf die Abwehr die Krallen, die vorher gefährlicher gewesen waren, doch der Leopard schaffte es seine Zähne in die Oberschenkel der Frau zu schlagen und ebenso traf die spirituelle Waffe der Nonne. Wütend zog sie sich ein Stück zurück und schlug dabei nach Conrad, um sich den Weg zu verschaffen. Und tatsächlich! Irgendwie durchbrach sie mit diesem unerwarteten, seitlich geführten Angriff die Deckung Conrads und verwundete ihm an linken Unterarm. Nur ein leichter Treffer, aber der Schotte, der mit Conrad kämpfte, nutzte sofort die Überraschung des Mannes und ließ den Zweihänder zweimal niedersausen. Conrad kam nicht zeitig in seine Verteidigungsposition. Die Waffe traf ihn einmal an der Schulter und verfehlte nur knapp seinen Hals. Der zweite Schlag, seitlich geführt, hätte ihm beinahe den Brustkorb zerschmettert, aber er konnte den Schlag gerade noch ablenken, wurde jedoch noch immer schmerzhaft an der Schulter getroffen. Der Schlaghagel der Feinde endete, doch Conrad spürte, wie seine Finger taub wurden, er Mühe hatte, seine Waffe zu umfassen. Die braune Substanz am Dolch der Frau war ein starkes Gift, und es war für den Herzog gedacht gewesen. Jetzt hatte sie mit mehr Glück denn kämpferische Finesse Conrad getroffen[1].
Hermene versuchte den Schotten mit einem Befehl in die Knie zu zwingen, doch der sture Schotte ließ die Wirkung abprallen mit einem grimmigen Grunzen, kurz schaut es so aus, als würde er doch noch in die Knie gehen, doch er blieb stehen und starrte wieder auf seine Feinde.

Die Angriffe des anderen Schotten verpufften wirkungslos an der Macht des Eidolons, welcher Donald schützte. Ohne diese Macht hätten die wild, aber unsauberen Hiebe schwere Verletzungen zur Folge haben können, aber so konnte Donald ohne Weiteres ausweichen.

Conrad war stark angeschlagen, dies konnte für die drei Angreifer eine Wende sein. Zumindest schienen sie die Positionen so verschoben zu haben, dass die rothaarige im Notfall fliehen konnte. Der Braunschweiger ließ sich nicht zum Handeln ermutigen. "Und wer schützt den Herzog? Ihr braucht man Schwert nicht. Achtet lieber auf das Fenster, der Nebel verschwindet!", sagte der Braunschweiger verschnupft. Seine Haltung verriet, dass er sich notfalls einem Angriff gegen den Herzog entgegen werfen wollte, welcher noch immer überrascht von der Situation still verharrte. Aber tatsächlich drangen langsam die ersten Sonnenstrahlen wieder durch den Nebel. Der Schütze würde in wenigen Sekunden wieder eine große Gefahr sein...

Mit schmerzverzerrtem Gesicht zieht sich Conrad zurück, nachdem er so schwer verletzt ist. Sterben will er nicht in diesem Kampf, denn er merkt schon wie die Verletzungen langsam ihren Tribut zollen. Auch wenn es Conrad nicht nach außen hin zeigt, so hat er doch wenig Verständnis für das bisherige Verhalten des Braunschweigers.

Der Leopard stürzt sich wieder auf die rothaarige Attentäterin, versucht einen Biß und Prankenhiebe anzubringen. Auch Donald ist wild im Kampf und deckt seinen Gegner mit Hieben und Bissen zu.

Carl bemerkte, dass der Ausgang des Kampfes noch immer ungewiss war. Allerdings gewannen die Attentäter allmählich ein gewisses Übergewicht besonders wenn der magische Nebel keine Deckung mehr vor dem Schützen geben würde. Langsam müssten sie sich den ein oder anderen Gegner vom Halse schaffen.
Mit Mut und Entschlossheit begann Carl einen erneuten Ausfall und lies Serien von Hieben auf seinen Gegner niederprasseln, bemüht dem finalen Stoß näher zu kommen.

Der Nonne entging nicht, dass Conrad der erfolgreichste, aber auch der gebeutelste Verteidiger des Herzogs war. Schnell beschloss sie, dass es das Beste sei, wenn sie Conrad zurück in den Kampf brachte. Sie sah, dass die Situation so kritisch wurde, dass sie einen Teil ihrer Macht offenbaren musste. Sie hoffte, dass ihre wolkenförmigen, durchsichten Flügel im abziehenden Nebel nicht auffiel, und so erhob sie sich wenige Zentimeter über den Boden, sonst würde sie Conrad nicht zeitig erreichen. So konnte sie auch schnell am Fenster vorbei, ehe sich der Nebel lichtete. Schnell eilte Hermene herüber, und legte ihre Hände auf Conrads Wunden, während ihre spirituelle Waffe weiter auf die Attentäterin einschlug.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 30.11.2011, 00:04:52
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:05:36 Uhr - Gut Emkendorf

Während Conrad sich hinter den Herzog und den Braunschweiger zurückziehen konnte, nahm der Leopard blitzschnell die Position des Kriegers ein, auch um besser an die rothaarige Attentäterin kommen zu können. Sofort ging er wieder zum Angriff über und ein zweites Mal versuchte die Attentäterin die Krallenhiebe abzuwehren und abermals fiel sie einem Biss des Leoparden zu Opfer. Sie schrie kurz auf, als die Zähne des Leoparden sich in ihre Wade verbiss. Donald versuchte seinem Leoparden nachzueifern, doch auch mit der Macht des Eidolons schaffte er es nicht, durch die magische Rüstung des Schotten zu brechen, der nur seine vergilbten Zähne bleckte und sich zum Leoparden umwandte, ohne Donald aus den Augen zu verlieren. Carls Säbel hingeben traf schmatzend auf Fleisch und schnitt hindurch, der Barbar brüllte auf. Unversehens hatte er eine Lücke in der magischen Rüstung seines Feindes gefunden und traf die blanke Nierengegend. Sofort spuckte der Schotte Blut. Der Attentäterin gelang es derweil, dem spirituellen Hammer auszuweichen. Wütend brüllte sie beißend einen Befehl. "DEFEND ME, YOU MORONS!" Der eine Mann hörte darauf, und griff sofort den Leoparden an, um die Attentäterin zu decken. Zwei schwere Treffer trennten dem Leoparden den Leib auf und sofort verschwand das beschworene Wesen wieder[1]. Der Barbar spuckte auf die sich auflösenden Bestandteile des beschworenen Wesens.
Der andere Mann dagegen griff Carl blind und vor Schmerzen brüllend an, und seine Wut war überragend. Zweimal gelang es dem Preußen nicht, die Angriffe des Mannes zu parieren. Der Zweihänder traf erst die Seite von Carls Kopf, glücklicherweise mit der blanken Seite, doch mit genügend Kraft, um dem Offizier eine schwere Platzwunde zuzufügen, der zweite Schlag gegen den linken Oberschenkel ließ kurzzeitig das Bein des Wahlpreußen taub werden[2]. Und aus dem Nebel aus Schmerz und Blut wurde Carl klar, dass er jetzt in der Schusslinie des Schützen stand, das Tageslicht brach wieder voll in den Raum und machte deutlich, dass das fließende Blut und die fehlgegangenen Angriffe viele schriftliche Arbeitsstunden des Herzoges vernichtet hatten. Darüber dachte Carl nicht nach, er hörte den Knall der feindlichen Muskete. Aber er spürte, dass er noch lebte. Neben ihn flogen Späne hoch. Die Kugel hatte sich in den Schreibtisch gefräßt und Carl vor einem weiteren, schweren Treffer bewahrt.
Die rothaarige Frau wollte die Situation nutzen, um sich abzusetzen. Ein Schuss ertönte und der Braunschweiger hatte eine Pistole aus dem Beinhalfter des Herzogs gezogen und die Pistole abgefeuert. Der Schuss drang in den Rücken der rothaarigen Frau ein, doch diese rannte weiter nach draußen und ließ die beiden Schotten zurück, die noch zu sehr mit dem Kampf beschäftigt schienen, um der Flucht gewahr zu werden.

Auch wenn Conrad immer noch einige Schmerzen hat und noch ein paar sichtbare Verwundungen hatte, die noch nicht geheilt werden konnten, sagt er trotzdem zu Schwester Hermene: "Danke für die Heilung!"

Dann ging Conrad wieder in das Kampfgetümmel. Er trat zu dem Schotten, den er zuvor schon angriff, wieder heran und versuchte ihm einen Stich mit seinen Säbel zu verpassen. Immer noch würde Conrad versuchen einen Gegenangriff des Schotten, so gut es ging auszuweichen.

Carl verbiss sich die furchtbaren Schmerzen. Er war sich so gut wie sicher, dass noch ein Treffer diesen Kalibers sein Ende bedeuten würde. Allerdings blieb ihm kaum eine Wahl als zu kämpfen. Der Weg war versperrt und dieser verdammte Schütze hatte ihn nun wieder aufs Korn genommen.
Kurz schüttelte er den Kopf um den Schmerz aus seinen Sinnen zu scheuchen und versuchte es erneut mit einem Ausfall . Er bedrängte den Schotten mit einer raschen Folge von Hieben und Stichen, so dass dieser seinerseits nicht die Möglichkeit hatte Carl zu attackieren.

Donald bemerkt weder, dass der Leopard gestorben ist, noch dass sich der Nebel aufgelöst hat. Wieder schlägt er auf den Schotten ein.

Da war wieder, dieser elendige Schütze. Und er war, trotz der Wunden, die sie davontrugen, aufgrund seiner vernichtenden Treffer die größte Gefahr. Er hatten diesen einen einfältigen Burschen erschossen und dem anderen auch fast das Leben gekostet. Während der Hammer sich auf den Barbaren stürzte, der Carl angriff, nutzte sie die neu gewonnene Zeit, um zu verhindern, dass Carl, Conrad oder Donald beschossen wurden. Sie wirkte einfach einen neuen Nebel, das würde den Schützen wieder ein paar Sekunden aufhalten...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 30.11.2011, 00:44:39
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:06 Uhr - Gut Emkendorf

Conrad stürzte nach der Heilung wieder nach vorne, doch der Schotte hatte mit seinem Angriff gerechnet und es gelang ihm, so auszuweichen, dass Conrads Schlag Donald zu sehr gefährdete und somit ins Leere ging. Donald traktierte seinen Gegner auch ohne Hilfe des Leoparden weiter. Zwar vermochte der Schotte noch Schwanz und Biss auszuweichen, doch ohne die rothaarige Frau schien die Magie um ihn herum geschwächt. Mühelos durchdrangen Donalds Klauen die schwächer werdende Magie und zerfurchte die Brust des Barbaren mit tiefen Wunden, die stark zu bluten beginnen. Sofort keuchte der Haldane Blut, noch solch schwere Treffer würde er nicht überleben. Carl schlug derweil wie ein Derwisch zu, gleich zweimal durchstach er die Bauchdecke seines Feindes mit schnellen Schlägen, als dieser seinen Zweihänder zu einem kraftvollen Hieb über den Kopf hob. Zu hoch, Carl nutzte dies, und sah sofort wie die Muskeln des Mannes vor Schmerz und Anstregung erschlaffte und er bewusstlos zu Boden zu sinken begann. Doch Hermene hatte dasselbe Ziel gehabt und gerade als der hünenhafte Schotte zu Boden sank, traf die spirtuelle Waffe mit solch einer Kraft auf den Kopf, dass es dem keinerlei Gegenwehr zeigenden Schotten das Genick brach. Wie ein Sack sank er blutend zwischen Büchern und Papieren auf den Boden.
Der andere Schotte bemerkte, dass er mit dem Nebel, den Hermene vor dem Fenster erneuert hatte, und der Überzahl der Feinde, der Tod eines Clansbrüders und der Flucht der rothaarigen Attentäterin keine Chance mehr auf den Sieg hatte. Erschöpft warf er seinen Zweihänder bei Seite und sank auf die Knie. "I surrender, lads."

Die Attentäterin blieb für den Moment verschwunden und der Schütze war hinter Nebel ausgesperrt, zumindest für einen kurzen Augenblick schien die Gefahr gebannt.
Alle brachten sie ausreichend in Sicherheit, dass ein Verziehen des Nebels keinen in der Schusslinie ließ und der Nebel verzog sich. Es war klar, dass der mysteriöse Schütze und die geflohene Attentäterin noch irgendwo im oder in der Nähe des Gebäudes sein mussten. Doch der Nebel verzog sich, ohne dass wer schoss, jedoch auch ohne, dass jemand vor das Fenster zu treten wagte. Der Haldaneschotte war herüber gerobbt zu seinem Clansbruder und betastete dessen hervorstehenden Halswirbel, die auf einen Genickbruch schließen ließen. Der Mann blieb ansonsten regungslos, abwartend, was mit ihr passieren würde. Er wirkte niedergeschlagen, demotiviert und vielleicht auch ein wenig desillusioniert. Er nahm seine Maske ab und warf sie in die Ecke. Ein noch sehr junges Gesicht kam hervor, vielleicht gerade einmal zwanzig Jahre alt. Schweiß und Blut waren hinter die Maske gelaufen und hatten sich mit Schmutz vermischt. Sein Blick war gebrochen.

"Habt Dank.", keuchte der Herzog, der noch zusammengekauert hinter dem Braunschweiger lag und die Hände schützend vor das Gesicht hielt. "Sind sie weg? Sie die anderen geflohen?" Es lag Aufregung in seiner Stimme. Mit einem so dreisten und gefährlichen Angriff hatte der Herzog mitnichten gerechnet. Die Überraschung und die Angst war tief in seine Züge eingedrungen. "Sie könnten eine weitere Falle zurechtlegen oder diese Situation könnte eine Falle sein, wenn irgendjemand hier mit diesen kooperiert.", merkte der Braunschweiger missmutig an und blieb in Verteidigungshaltung, auch gegenüber jenen, die gerade ihr Leben fast für den Herzog gaben, ob freiwillig oder nicht. "Nein. Sie sind keine Feinde. Sonst wären sie nicht fast daran gestorben. So gut plant keiner." Der Braunschweiger musste dem Herzog recht geben, auch wenn er dies nur mit einem widerwilligem Brummen tat. Langsam senkte er die Pistole, behielt sie aber für den Fall der Fälle in der Hand. Er versuchte einen Befehl zu geben. "Schaut nach, ob noch Feinde in der Nähe sind.", sagte er, unwillig den ungeschützten Herzog preiszugeben.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 12:27 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Richard Röschmann hatte sich Zeit gelassen und Alfreds kleine Fingerübung war schon längst zuende gegangen, als es wieder an der Tür klopfte. Er trug eine Beutel um den Arm, leise klimperte Glas dort aneinander. Die glasigen Augen des dürren Mannes blickten Nobel an. "Mit Zeitung an einem Nikolaus bekommen, das war gar nicht so einfach, Herr Nobel.", sagte er stammelnd und leise, fast stotternd. Richard Röschmann war sicherlich kein Gardeexemplar für einen Ehrensoldaten. Vielleicht mochte er Selbstbewusstsein haben, aber strahlte es nicht übermäßig aus. Seine Hände zeigten ein leichtes Zittern, vielleicht vom vielen Alkohol, vielleicht auch aus anderen Gründen. Ein guter Schütze würde er wahrscheinlich nicht sein. Entweder er hatte andere Qualitäten oder man hatte in Holstein nicht viel Auswahl, was die Soldaten anging. "Die meisten sind in der Kirche und beten für die Gefallenen des letzten Tages, für ein gnädiges Weihnachtsfest und jeder Mann in Waffe betet, dass es keinen Krieg geben wird."
Auf der Dienstkleidung des Mannes schmolzen die letzten Schneeflocken, die er mit ins den kalten Flur gebracht hatte. "Aber ich habe Hoffnung, dass der Herr uns gnädig sein wird. Wer hätte gedacht, dass ein harter Winter für einen Soldaten mal ein Segen sein kann. Zumindest, wenn keiner die Nerven verliert."
Der Mann kratzte sich am haarlosen Kinn und reichte dem Schweden eine Zeitung. "Zwei Tage alt. Schleswig-Holsteinische Zeitung. In Rendsburg gedruckt. Liest mein Ohm[1] immer, der hat sie mir geliehen. Sagt immer, was der Mommsen[2] schreibt, hat Hand und Fuß. Haben sie hoffentlich was von."
Die Zeitung war knittrig und an manchen Stellen wellig, sie hatte ein wenig Feuchtigkeit abbekommen, war jedoch noch lesbar. Ein schneller Blick auf die Titelseite verriet, dass man sich noch immer wegen der Novemberverfassung ängstigte. Ein Kommentar zum Londoner Protokoll war drin, ein Rückblick auf die schleswig-holsteinische Erhebung, die Ernennung mehrerer Minister und ein Weihnachtsbrief von Theodor Mommsen an seine Heimat, der Rest würden eher belanglose Lokalitäten sein. Aber mehr an Zeitung war an einem Nikolaus wahrscheinlich auch nicht zu erwarten. Richard Röschmann wandte sich langsam zum Gehen. "Sonst noch was, Herr Nobel? Sonst würde ich sie dem Blatt überlassen?"
Von Emil schien er zumindest keine Neuigkeiten zu haben.
 1. Ohm (http://de.wikipedia.org/wiki/Oheim)
 2. gemeint ist Theodor Mommsen (http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Mommsen), der lange Zeit an der Zeitung beteiligt war
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 30.11.2011, 16:06:33
Mit einem Nicken bedeutete Alfred seinen Dank, als er sich die Zeitung unter den Arm klemmte. Dem Schweden war nicht bewusst gewesen, dass der heutige Tag nicht nur ein gemeiner Sonntag, sondern gar ein Gedenktag an Nikolaus von Myra war. Zwar war Nikolai der Wundertäter, wie ihn die Russen nannten, eine heilige Ikone im Kaiserreich, doch die Familie Nobel pflegte in ihrer Zeit in Sankt Petersburg viel eher nach schwedischer Tradition den 13. Dezember als festlichen Tag der Lucia von Syrakus[1] zu preisen, nicht ohne das immerwährende bestreben Alfreds Mutter, eine gewisse Besinnlichkeit in die immer geschäftliche und beschäftigte Arbeitswelt der Nobelschen Männer zu versetzen.

"Vielen Dank für die Umstände," sprach Alfred in einem freundlichen Ton und einem Verweis auf die Zeitung, "und ein schönes Nikolausfest Ihnen, Corporal. Ich muss wohl befürchten, dass ich nicht unschuldig daran bin, dass Sie den heutigen Tag nicht mit Ihrer Familie verbringen können, sondern sich mit Ihren drei Kameraden eine fremde Kabine teilen müssen."
Entschuldigend blickte Alfred den Soldaten an, wandte sich ab und schritt schnell in die Schlafkammer, während die Tür noch immer weit aufstand. Währenddessen sprach Alfred weiter, um Röschmann nicht die Gelegenheit zu bieten, zu gehen.
"Ebenso wenig kann ich die Verantwortung verschweigen, die ich angesichts der gestrigen Ereignisse auf mich nehmen muss. Dass so viele Männer gestern Ihr Leben verloren haben, mag nicht gänzlich mein Verschulden sein, aber ich will meine Befangenheit ob dieser Sache nicht leugnen."
Mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk warf Alfred die Zeitung auf das Bett, trat wieder in die Wohnkammer.
"Will sagen: wäre ich nicht gewesen, würden einige Kieler, Londoner und Stockholmer heute noch leben. Kommen Sie herein, Herr Röschmann," Mit einem schwermütigen Blick winkte Alfred den Corporal herein, ehe er in der Küche verschwand.
"Im Zarenreich gilt die Heiligenfigur Nikolai als Patron der Seefahrer, Corporal," rief der Chemiker aus der Küche, von wo man einiges weniges Geschirr klirren hören konnte. "In Sankt Petersburg beispielsweise befindet sich ein beeindruckendes Bauwerk in seinem Namen, eine Kathedrale, die auch dem weniger frommen Mann wirkungsvoll erscheint."

Mit drei kleinen, ungleichen Gläsern zwischen den Fingern kam Alfred wieder in die Wohnkabine.
"Nun kommen Sie schon, Röschmann, es wird ja sonst ganz kalt hier drinnen. Jedenfalls. In meiner Zeit in Sankt Petersburg habe ich gelernt, dass die Russen ein jedes Fest in jeglichem Gedenken an die Verstorbenen in Trauer begießen. Ich kann mir keine angemessenere Weise denken, die gefallenen Seemänner in den Schutz des Heiligen Nikolai zu geben, nicht am heutigen Tage, nicht bei dem, was gestern geschah. Kommen Sie, Corporal, Obergefreiter Rix soll auch bald zu uns stoßen. Trinken wir!"
 1. Luciafest (http://de.wikipedia.org/wiki/Luciafest)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 30.11.2011, 21:36:59
Carl hustete und spuckte etwas Blut aus. Er hatte einige sehr heftige Treffer kassiert und lange hätte es auf diese Art wohl nicht weiter gehen können. Karl ist tot, hallte es nun allmählich durch seinen Kopf als das fiebrige Gefühl des Kampfes sich langsam löste. Er sah zu seinem ehemaligen Bundesbruder herüber und er dachte daran wie sie erst vor wenigen Stunden auf der Förde ihr Leben riskiert hatten, um die Schiffbrüchigen zu retten.

Carl ignorierte das Geschen um ihn herum für den Augenblick und begann sich wieder zu sammeln. Auch für einen Soldaten war so ein unerwarteter Überfall nach einer Nacht wie der Vergangenen nichts das man ohne Weiteres abschütteln konnte.

Er blickte zu seinem verbliebenen Freund und sah, dass dieser ebenso sehr in Mitleidenschaft gezogen war wie Carl selbst. "Conrad, wie geht es dir? Bist du wohlauf?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 02.12.2011, 22:13:07
Conrad schnaufft etwas durch nach diesem anstrengenden Kampf. Immer noch hat er mit einigen Verwundungen zu kämpfen. Trotzdem sagt er zu Carl: "Es geht schon, auch wenn ich immer noch einige Schmerzen habe. Aber immerhin sind wir nicht getötet worden wie unser Kommilitone. Er sollte eine anständige Beerdigung von uns und seinen Mitstudenten bekommen. Sein Verlust ist tragisch, aber er ist wohl nicht zu ändern."

Dann wendet sich Conrad an Herzog Friedrich: "Werter Herzog, wir sollten dieses Zimmer nun verlassen. Jederzeit kann der Nebel wieder davongeweht werden und dieser Raum ist einfach nicht sicher und wir müssen uns ja nicht unbedingt alle in diesem Raum in ein Eck hier verkriechen."

Conrad steckt dann den Degen weg und macht sich dann dran den toten Karl an den Beinen zu packen und sagt dann zu Carl: "Hilf mir mal dabei ihn heraus zu tragen, Carl. Ich hoffe nicht, dass wir wieder in Kämpfe verwickelt werden."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 04.12.2011, 02:28:47
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:11 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog erhob sich langsam, als über eine Minute kein Schuss erklang, obwohl der Nebel sich schon längst verzogen hatte. Vorsichtig wagte der Braunschweiger den Blick aus dem Fenster, kurz und flüchtig. Als kein Schuss kam, wagte er es immer länger, versuchte die Umgebung zu erfassen. Zwischen den kahlen Bäumen, die im Vorhof standen, hatte er nicht unendlich Möglichkeiten zu lauern und so war sich der Schwarze Braunschweiger irgendwann sicher, dass der Schütze sich zurückgezogen haben musste. Er lud seine Pistole nach, denn sicher war sicher. Der Schotte blieb derweil kniend am Boden, über seinem gefallenen Kameraden. Fast regenlos betrachtete er dessen leblosen und blutüberströmten Körper, sagte jedoch nichts. Der Braunschweiger nutzte die Chance, um auch auf dem Flur nach dem Rechten zu sehen. "Keine unmittelbare Gefahr. Die Blutspur der Attentäterin führt in die westlichen Räume.", stellte der Mann fest. "Eigentlich hätten dort zwei meiner..." Ein lauter Schuss ertönte, gequälte Schreie ertönten durch die zerbrochenen Fenster. Die Schreie kamen deutlich aus dem Westen. Das Geschreie ließ für einen Moment nicht nach, ehe es gurgelnd und plötzlich erstickte. "Der Versorgungseingang...", brachte der Herzog mit zitternden Lippen hervor. "Sie werden über ihn fliehen wollen. Die Schreie gehörten bestimmt Horst..." Der Herzog blickte traurig auf den verwüsteten Boden seines Arbeitszimmers. Seine Augen wurden feucht, aber er hielt die Tränen zurück. Wieviel Arbeit mochten in der einzigen Minute des intensiven Gefechtes verloren und zerstört worden sein? Jahre der Arbeit waren getränkt mit Blut, durchstoßen von Säbeln, zerschlagen von Zweihändern...

Der Braunschweiger übernahm die Initiative, als er sah, wie fassungslos der Herzog ob dieses Angriffes war. "Sie haben Recht, Herr Rosenstock. Ihre zynischen Worte sind angebracht. Herr von Reventlow ließ einen geheimen Keller für literarische Schätze anlegen, soweit ich weiß. Dorthin sollten wir uns zurückziehen und beraten, austauschen oder was seine Durchlaucht wünscht."
Fast wie eine dampfbetriebene Entwässerungsanlage, so mechanisch und automatisch, bewegte sich der Herzog auf eine Regalwand zu und nahm einen Schlüssel hervor, der zwischen zwei Buddelschiffen[1] gestellt war. Sie waren staubig und hatte Blutspritzer abbekommen. Der Schlüssel war ein großer und dem Aussehen nach sehr alter Skelettschlüssel[2].

Schnell war Karl gepackt und alle konnten den gefährlichen Raum verlassen, doch nicht, bevor der Herzog noch einen Stapel aktueller Briefe und die oberste Schublade seines Schreibtisches an sich genommen hatte. Ein paar Briefe hatten Blut abbekommen und würden alsbald abgeschrieben werden müssen, damit Nuancen nicht unter Umständen verloren gingen. In der Schublade lagen Urkunden. Er ließ sich vom Braunschweiger noch ein Stapel leeres Papier mitnehmen, sowie ein Tintenfässchen, Tintenpulver und eine Schreibfeder hatte er sowieso am Mann. Dem Schotten wurde befohlen, schweigend und unbewaffnet zu folgen, was dieser mit sich machen ließ. Donald sah deutlich, dass dessen Kampfgeist gebrochen war.
Der Braunschweiger und Donald übernahmen Vor- beziehungsweise Nachhut und so bewegten sich alle aus dem Raum. Sie gingen auch nach Westen, folgten einer tiefroten Blutspur bis kurz vor Ende des Traktes. Der Herzog zögerte und wollte durch die große Doppeltür gehen, doch der Braunschweiger hielt ihn fest. "Euer Durchlaucht! Euer Koch wird tot sein und vielleicht lauert dahinter eine weitere Falle. Lasst uns Reventlows Sanktuarium aufsuchen." Die Blutspur führte durch die Tür durch, sie war deutlich. Die Attentäterin musste schnellen Schrittes unterwegs gewesen sein, sie blutete so stark, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe sie verblutete. Während der Herzog auf die Blutspur starrte, öffnete der Braunschweiger eine der umgebenden Türen, welche in ein auffällig leeres Musikzimmer führte. Auch dieses Zimmer war verhangen, was dafür sprach, dass der Herzog es relativ häufig aufsuchte. Es roch deswegen muffig und nach altem Eau de Cologne[3]. Der Boden war ein alter Dielenboden, wohl auch aus akustischen Gründen, die Wände waren beinahe schmucklos. Nur Staubränder an den weißen Tapeten erinnerten daran, dass hier einstmals Porträts hangen. Ein elfenbeinfarbener Flügel stand in der Mitte des Raumes, darum aufgestellt waren mehrere ebenso elfenbeinfarbene Sitzhocker und Notenständer aus Messing. Auf manchen langen noch Notenblätter. Ein Bratschenkoffer stand neben dem Flügel. Auf dem Hinterdeckel des Flügels lag ein abgebrochenes Griffbrett einer Geige. Der Braunschweiger schob das schwere Tasteninstrument ein Stück zur Seite. Die Diele schien hier so geschlossen, wie an anderen Stellen auch. Mit einem Naserümpfen nahm er das abgebrochene Griffbrett vom Flügel und zog zwei der aufgelegten Metallstreben raus. Am Ende der vielleicht fünfzehn Zentimeter langen Metallstreben kamen, als sie herausgezogen waren, Haken zum Vorschein. Mit jenen voraus steckte er die Streben zwischen die Fugen links und rechts einer Diele, bis sie einhakten. Dann nahm er einfach die Diele, die sich erstaunlich leicht rausheben ließ, heraus. Dies wiederholte er bei drei weiteren Dielen, sodass der Boden unbedeckt war. Ein schmaler Durchgang kam zum Vorschein, durch den ein fülliger Mensch kaum käme. Spinnweben hangen in ihm, er war lange nicht benutzt worden.
"Sie sehen ein, dass wir leicht dort unten entdeckt würden, wenn alle dorthin gingen. Ich werde hier bleiben und die Dielen gleich wieder einsetzen und mich umschauen, nach meinen Männern suchen und die Größe des Schadens bestimmen. Sie werden sehen, dass wenn Sie hochwollen, Sie leichtes Spiel haben werden, wenn Sie von unten die Dielen herausdrücken. Den Flügel werde ich seitlich stehend belassen, und den Rest so arrangieren, dass sein neuer Stellplatz natürlich wirkt."
Er deutete auf den dunklen Durchgang, der wahrscheinlich nicht tief in die Erde führte, dennoch strömte kühlere Luft entgegen. Der Herzog nickte nur, schwer in Gedanken und mit der Situation beschäftigt. Der Blick auf den toten Karl verbesserte seinen Zustand nicht sonderlich. "Sie sehen, ich vertraue Ihnen.", fügte der schlanke, soldatische Braunschweiger an. "Sonst würde ich Sie nicht alleine mit seiner Durchlaucht lassen. Sie haben seiner Durchlaucht das Leben gerettet, da wird Ihnen zu trauen sein. Aber da wir vielleicht nicht viel Zeit haben, biete ich Ihnen diesen Unterschlupf nur jetzt an. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie diesen Ort schnell verlassen sollten, werde ich Sie nicht aufhalten. Nicht, dass ich nicht wollte, aber ich kann Ihnen dies nicht verdenken, auch wenn ich es für törricht hielte. Und da Sie dem Herzog das Leben gerettet haben, stehe ich in dieser Hinsicht auch in Ihrer Schuld. Wenn Sie gehen wollen, sind Sie frei zu gehen. Wenn Sie bleiben wollen und gedenken, sich mit seiner Durchlaucht zu arrangieren, würde ich dies das erste Mal auch begrüßen." Der Schwarze Braunschweiger versuchte sich an einem freundlichen Lächeln, aber auch wenn er sich bemühte, das Beil des Argwohns zu begraben, selbst jetzt schaffte er es nicht, sich seine Arroganz und Süffisanz aus dem Gesicht zu wischen. Der Herzog war der gröbste Gegensatz dazu. Stillschweigend und zu Tode betrübt.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 12:30 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der Corporal zuckte mit den Schulter auf Alfreds Worte und trat ein paar Schritte ein. "Keine Sorge, Herr Nobel. Bin Ihnen nicht böse dafür, dass Sie mir meinen Nikolaustag verhagelt haben könnten. Wären Sie nicht gewesen, hätte ich wahrscheinlich den Einlauf irgendeines preußischen Schiffes überwacht und mir die Kronjuwelen am Kai verfroren." Der Corporal versuchte sich diplomatisch und er sah es wahrscheinlich nicht ganz so locker, wie er es auszudrucken versuchte. Er setzte sich hin und legte sein dürres rechtes Bein über sein nicht fülligeres linkes Bein und stütze die Arme darauf ab. Sein Kopf schien wenig Fülle zu haben, unter der Haut lag der Schädel eng an, als hätte man ihn mit zu wenig Haut bespannt und sie deswegen übermäßig strecken müssen. Nur die Falten an den Augen und den Mundwinkeln deuteten darauf hin, dass genügend Haut vorhanden war.
"Wenn Menschen sterben, egal wessen Rock sie tragen, ist das doch meist tragisch, nicht wahr? Und man kann sich immer Vorwürfe machen und vielleicht stimmen sie auch. Aber was hat man davon, wenn man diese Vorwürfe, gerechtfertigt oder nicht, in jede Unterhaltung bringt? Wenn Sie mich fragen, Herr Nobel, können Sie das Thema gerne ruhen lassen, wenn es Sie traurig macht." Die glasigen Augen des dürren Corporals blickten Nobel an, er lächelte sehr sanft für einen so ausgezehrt wirkenden Mann. "Ein Gericht hat über Sie zu urteilen, Sie haben über sich zu urteilen und...", er zeigte mit dem knorrigen Zeigefinger seiner linken Hand an die weiß verputzte Decke des Raumes, "...der da oben. Ich kann nicht urteilen und ich habe keine Freude an ihrem guten oder ihrem schlechten Gewissen. Aber ich bin dankbar dafür, dass Sie an die Männer denken mögen, welche dort draußen auf und in See um Ihr und unser Wohl kämpfen, seien es nun Soldaten oder Fischer."

Die rechte Hand griff nach einem der Gläser, welche Alfred reichte. Ihm schien das Thema mit Alfred und seinem Schiff und dessen mögliche Verwicklung unangenehm zu sein. Vielleicht mochte er es einfach nicht, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Er wechselte das Thema, nachdem er klaren Korn[4] in die Gläser gefüllt hatte und mit Alfred auf die vielen aufopferungsbereiten, aber sicher auch teils egoistischen, Seefahrer getrunken hatte. Auch auf jene Seefahrer, welche in der Nikolausnacht, in der Nacht ihres Patrons, ihr Leben verloren hatten. "Den Obergefreiten haben sie auch geladen? Haben Sie denn nichts für die anderen beiden Obergefreiten, Herr Nobel? Es wäre mir doch schwerlich, wenn ich schon nicht bei meiner Familie sein kann und dann doch jene, die nichts dafür können, dass es ihnen genauso ergeht, darunter leiden müssen. Ich und der Rix dürfen genießen, während Hammer und Fritz lägerig vor Müdigkeit sind?"
Jetzt füllte der Corporal alle drei Gläser, die Alfred mitgebracht hatte und blickte ihn an. Es lag eine gewisse Aufforderung in seinem Blick, aber keine unfreundliche.
 1. Buddelschiff (http://de.wikipedia.org/wiki/Buddelschiff)
 2. Skelettschlüssel (http://en.wikipedia.org/wiki/Skeleton_key)
 3. Eau de Cologne (http://de.wikipedia.org/wiki/Kölnisch_Wasser)
 4. Kornbrand (http://de.wikipedia.org/wiki/Kornbrand)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 06.12.2011, 17:36:39
Obwohl Alfred Nobel nicht lächelte, war sein Blick freundlich, als er zum zweiten Mal zum Glas griff. Er war durchaus erleichtert, als er das Gefühl bekam, dass Röschmann die Ereignisse auf See nicht zum Thema machen wollte. Alfred mochte nicht behaupten, dass sein Gewissen rein und unaufgewühlt war. Der Corporal hatte ein schwerwiegendes Thema angeschnitten, doch zum Glück vorsichtig wieder fallen gelassen. Zwar hatte Alfred die Absicht, eine gesellige Atmosphäre zu bewirken, doch über sein Gewissen zu sprechen war nicht nur nicht die Art des reservierten Wissenschaftlers, sondern auch ein unvorsichtiger Umgang mit seinen fremden Wächtern.

Der erste Schluck Korn brannte noch immer in Alfreds Kehle, der garstige und grobe Geschmack der Spirituose war nicht zu vergleichen mit dem fast reinen Wodka, den der Schwede gewohnt war. Doch schließlich ging es hier um mehr, als nur den Verzehr von Alkohol, dachte sich Alfred, und hob das Glas zum Salut, wie er es zuvor auch schon getan hatte. Eine Angewohnheit, die er sich von den Russen abgeschaut hatte: Trinkt man gemeinsam, so stößt man zu jedem Glas an, keiner trinkt allein.

"Ich war der Annahme, dass Ihre beiden Kameraden ihre vermisste Nachtruhe nachholen, Herr Röschmann," sprach der Chemiker, dem der penetrante Ethanolgeruch langsam in die Nase stieg. Das Glas hielt er immer noch erhoben. "Ich will sie gerne auch als Gäste empfangen, sofern ihnen unsere Gesellschaft lieber ist als ihr Schlaf. Laden Sie sie nur ein, ich bitte darum."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.12.2011, 20:57:54
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 12:34 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Der skelettartig wirkende Mann nickte mit seinem knöchernen Schädel und kratzte sich am kurzen Kinn. "Ja, das machen sie wohl. Besser, dass wir es dabei lassen. Sicherlich werden sie über Schlaf glücklicher als über Schnaps sein.", kommentierte der Corporal kurz und blickte durch das Fenster in das Schneetreiben. "Ich hole eben den OG Rix ran." Dann stand er mit knackenden Knochen auf und verschwand für einen Moment. Während Alfred ihm hinterher blickte, spürte er kurz, wie sein Ring an Wärme gewann, doch dann wieder abrupt abkühlte. Als hätte jemand versucht ihn zu kontaktieren und es sich dann doch anders überlegt. Das Schneetreiben draußen wurde derweil stärker und stärker, die Flocken wurden größer und bedeckten die Pflasterstraßen und die umliegenden Dächer, die im Hafen liegenden Schiffe und Boote. Doch sie wirkten an diesem Tag nicht wie Zuckerwatte oder sonstige schöne Umschreibungen, welche man für große Flocken der Kristalle fand. Der Himmel war grau verhangen und der Schnee wirkte matschig und dreckig auf den Dächern und der Straße. Die beißende Kälte, die sich trotz des brennenden Ofens in die Wohnung zu kämpfen suchte, ließ jede romantisierende Beschreibung klirrend zerspringen.

Der Corporal Röschmann kehrte mit dem Obergefreiten Rix zurück und beide setzten sich wortlos und bedächtig schweigend an den Tisch. Röschmann schenkte von dem schweren Kornbrand nach und still schweigend stieß man diesmal an. Die an sich leichten Schneeflocken wirkte an diesem Tag schwer, wie ein großes schweres Tuch, welches sich mit unbarmherziger Stille über Kiel legte. Und der ebenfalls übermüdete Glatzkopf Rix und der kränklich wirkende Röschmann sorgten nicht gerade für ein helleres Gesamtbild.
"Danke für die Einladung.", sagte Rix schließlich und roch an den Resten in seinem Glas. "Die meisten, die unter Hausarrest stehen, begegnen uns oftmals feindlich oder mit Bestechungen. Da ist ein einfacher Schnaps wirklich mal eine willkommene Alternative."
Röschmann lachte kurz auf, sein Lachen wirkte wie sein Sprechen jedoch etwas stammelig. Seine knotigen Finger hielten das Glas umklammert, welches er nur zur Hälfte geleert hatte. "Ja, wie der alte Hölzlein. An den erinnere ich mich noch gut.", begann der Corporal unvermittelt zu erzählen. "Stand den ganzen Tag an genau diesem Fenster, öffnete es und bepöbelte jeden Passanten in der Hoffnung, dass man ihn verlegte. Fühlte sich unschuldig und dachte, dass er damit seinen Fall in die Öffentlichkeit brachte. Stellte sich aber doch raus, dass er die alte Hölzlein mit einer Klavierseite stranguliert hatte. Tja, auch alte Beamte sind keine Heiligen, was?"
Rix nickte seinen kahlen Schädel energisch und forderte mit einem starren Blick, dass sein Glas wieder gefüllt würde. Röschmann stürzte die Reste seines Glases runter und schenkte nach[1].
 1. Alfred verträgt fünf Gläschchen Korn ohne Probleme (http://www.d20pfsrd.com/gamemastering/afflictions/drugs/alcohol). Jedes weitere Glas birgt Gefahr. Wenn Alfred ein Zähigkeitswurf gegen SG 15 besteht, kann Alfred einen Diplomatiewurf gegen SG 16 mit einem +2 Umstandbonus durchführen, um das Verhältnis zu den beiden Soldaten zu verbessern (für alle fünf Punkte, die der Diplomatiewurf den SG von 16 übertrifft, erhöht sich das Verhältnis um eine weitere Stufe). Patzt Alfred bei Zähigkeitswurf (Ergebnis 5 oder weniger, welches nur bei einer natürlichen 1 eintritt), verschlechtert sich das Verhältnis zu den Soldaten automatisch um eine Stufe.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 11.12.2011, 19:50:28
Ohne das Gesicht zu verziehen trank Alfred weiter, immer im Schritt mit den beiden Soldaten. Der Brand schmeckte schrecklich. Nicht nur war er nicht Alfreds erste Wahl, was Spritiuosen anging, der Schwede dachte auch daran, dass es einige Zeit hergewesen sein muss, als er das letzte Mal einen über den Durst getrunken hatte. Dennoch hielt der Schwede das Tempo der beiden Soldaten, auch wenn er langsam aber sicher schon merkte, wie seine Finger unruhiger und seine Zunge schwerer wurden.[1]

"Glauben Sie mir, meine Herren," sprach Alfred daher bedachter als sonst, "ich habe durchaus Grund zum Groll und Ärger. Aber diesen an Ihnen auszulassen, damit schneidet sich ein Trottel nur selbst ins Bein. Schließlich tun auch Sie nur gewissenhaft Ihre Arbeit und mein Ärger gilt nicht Ihnen."

Wie im Zuge einer Anerkennung schenkte Alfred den drei Männern bei diesen Worten nach, obwohl er unweigerlich über Rix' Worte nachdenken musste. Alfred konnte nicht leugnen, dass ihm nicht unwohl war; obwohl der Corporal und der Obergefreite zunächst einen durchaus rabiateren Eindruck vermittelt hatten, wirkten beide nun wesentlich geselliger. Aber war das, was Alfred hier versuchte, nicht auch eine gewisse Art der Bestechung? Schließlich hatte der gefangene Schwede durchaus seine Motive, die Gesellschaft der beiden Soldaten aufzusuchen. Bedächtig kratzte Alfred sich am Kinn und schob diese Gewissensfrage zur Seite. Seinen Entschluss mit den beiden Männern zu trinken hatte er schließlich schon getroffen.
 1. Zähigkeitswurf geschafft
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 11.12.2011, 21:02:11
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 15:51 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Man sagte, dass Zeit in erträglicher Gesellschaft zwangsläufig schneller vergehen musste, denn Zeit in erzwungener Einsamkeit und vielleicht mochte Alfred Nobel dies ebenso sehen, obgleich sich das Zusammensitzen mit den beiden Soldaten eher als ruhige Angelegenheit entpuppte. Sie wurden im Gegensatz zu vielen Menschen nicht aufgedrehter oder zwanghaft lustiger mit jedem Schluck Alkohol, sondern nur etwas geselliger. Der Corporal Röschmann zeigte sich als Mann, der auch ganze Minuten der Stille genießen konnte, ohne es als langweilig oder drückend zu empfinden. Stille war für ihn keine Strafe, sondern Inhalt. Rix hatte mit dieser Einstellung bei der ersten Flasche Kornbrand noch seine Probleme und regte immer wieder belanglose Gespräche an, aber mit steigendem Pegel wurde auch sein Schweigen mehr ein Zeichen von Selbstzufriedenheit. Alfred erkannte schnell, dass er in dieses genügsame Schweigen einstimmen musste, wenn er irgendwie an den Corporal rankommen wollte, der nichts von gesprächiger Geschäftigkeit hielt. Und wenn er sprach, bevorzugte er die Antwort auf relativ klare Fragen, sodass seine Antworten immer kurz und knapp ausfielen. Es war schwer zu sagen, ob seine stammelnde Sprache dafür sorgte, dass er gerne kurz antwortete, oder ob seine sprachliche Nüchternheit sich irgendwann auf seine Sprache niedergeschlagen hatte. Sodass sich der Obergefreite Rix eher der Ansprechpartner für viele Fragen war, die Alfred im Laufe der gemeinsamen drei Stunden anschneiden konnte.

Bis zum Ende der zweiten Flasche hatte sich ein Großteil des Gespräches durch Schweigen ausgezeichnet. Die knöchernden Beine des Corporals lagen übereinander, Rix sprach vor allem das Kieler Alltagsleben an und seinen Ärger darüber, dass es kaum noch eine gepflegte Gastwirtschaft für dienende Männer Holsteins gäbe, sondern nur noch Hafenspelunken, Fabrikkneipen und dann gäbe es noch die lärmenden Studenten, die von den Idealen der Freiheitsbewegung schwärmten, obwohl sie sich von '48 bis '51[1] noch in die Windel gemacht hätten. Er sprach darüber, wie sehr man sich als ehrlicher Waffenmann und Soldat darüber ärgern konnte, dass man selbst für jede hoheitliche Entscheidung mutig den Tod gegenüber trat, während die Studenten davon philosophierten und sich doch nur mit ihren Zahnstochern die zu teure Kleidung zerritzten. Schnell hatte sich herausgestellt, dass Rix kein Freund der gebildeten Oberschicht war und es doch eher mit den Arbeitern hielt und eigentlich aus den Leder verarbeitenden Berufen stammte. Röschmann hielt sich dabei zurück und gab wenig über sich Preis, erst recht nichts über seine Familie. Und doch kam Alfred über dieses Thema an die Frage der Novemberverfassung und wie die beiden Holsteiner dazu standen.
"Eine Schweinerei. Es ist eine absolute Schweinerei. Wir sind doch keine verdammten Dänen.", polterte der Obergefreite und rieb sich aufgeregt über die kahlgeschorene Kopfhaut. "Ich sag, dass die nicht ganz dicht sind. Die wollen uns einfach so übernehmen und wollen, dass wir ihnen in ihre dänischen Ärsche kriechen." Rix war ein Freund direkter Worte, er war ein schnell überhitzter Mann. Alfred konnte sehen, dass Rix schnell die Fäuste in Disputen schwang. Er redete sich schnell in Rage und wollte am liebsten lieber jetzt als morgen einem Dänen die Augen aus dem Schädel drücken. "Es wird Krieg geben.", schloss er alsbald. "Ich denke, dass die Dänen mit der Verfassung nur prüfen, ob die Garantiemächte von London ein Interesse an uns haben.", sagte er mit inzwischen deutlich schwererer Zunge. "Ich mein, ich kenn mich mit dem Vertragsfirlefanz nicht aus, aber mein Vater erzählte immer davon, dass man uns garantieren würde, dass wir nicht dänisch werden müssen. Wir würden zwar nicht ganz werden, aber auch keine Dänen. Ich wollte gern ganz werden. Habe in Süd- und in Nordschleswig Familie, bis zur Königsau[2] habe ich Freunde, die keine Dänen mehr sein wollen. Ich hoffe, dass die Preußen und der deutsche Bund diesmal bessere Partner sind und die Dänen ordentlich in die Schranken weisen. Und dann haben wir endlich eine echte Doppeleiche! Dafür würde ich sogar an der Front kämpfen. Ja, in einem Stellungsgraben oder ich würde sogar einer Kanone auf einem Hügel entgegenstürmen, für solch ein Ziel."
Corporal Röschmann räusperte sich nur und sagte eher kurz zu diesem Thema. "Wenn das Gerede davon, welcher Flagge man anzugehören hat, immer so viele Menschenleben kostet, dann will ich dafür nicht kämpfen. Kümmert sich ja doch keiner um die Worte von Weitling[3], oder Owen[4] oder meinetwegen Marx[5]. Hier fragt doch keiner nach den Menschen, sondern nur nach Flaggen, Fahnen, Prunk und Hymnen. Ich halte das für erbärmlich. Egal, ob da eine Doppeleiche oder ein Schimpansenarsch aus Carl Hagenbeck’s Handels-Menagerie[6] drauf ist." Kurz erwägte Rix einen Konter, doch Röschmann blickte schon wieder in das wilde Schneetreiben und es folgten einige Minute des Schweigens.

Es war zu Beginn der dritten Flasche, dass alle soweit angetrunken war, dass Alfred auch die empfindlicheren Themen anschneiden konnte. Dennoch musste er vorsichtig damit sein und sich immer wieder auf das Schweigen und das Starren in den Schnee einstellen. Hin und wieder wurde auch ein Scheit Holz in den Ofen nachgelegt und wärmte die Wohnung gegen den unerbittlichen Winter. Die Soldaten genossen, dass sie bei diesem Wetter nicht die Reste der Solros bergen mussten oder gar Wachdienst an der Förde zu verrichten hatten. Rix machte das mit Worten deutlich, Röschmann mit einer Aura der Selbstzufriedenheit. Ein Drittel der Flasche war in die fast schon gelähmten Kehlen der Männer geflossen, die inzwischen nicht mehr mit geradem Rücken saßen, die Hemden aufgeknöpft hatten und sich in bequemere Sitzpositionen begeben hatten. Es war der richtige Zeitpunkt, um zumindest oberflächlich etwas über den Angriff auf die Solros zu erfahren. "Gibt da nur Gerüchte, Alfred." Rix kümmerte sich nicht mehr um Etikette und sprach Alfred einfach mit dem Vornamen an. Er war mit jedem Korn mehr fließend dazu übergegangen. "Manche meinen, dass sie die dänische Trauerflagge gesehen hätten, andere meinen, dass das eine Piratenflagge war. Mir erscheint das merkwürdig, wenn Piraten in der Ostsee solchen Klischees verfallen würde. Ich glaub, das waren Dänen. Sie versuchen hier sowieso Zwietracht zu sähen, das ist wie mit der Novemberverfassung. Sie versuchen uns aufzuhetzen und uns blindlings in den Angriff zu zwingen." Wieder fasste sich Rix an die Glatze, das tat er immer, wenn er aufgeregt war. "Sie provozieren uns, damit ein Korps Wahnsinniger den Angriff wagt, weil wenn einer von uns angreift..." Der Corporal übernahm den Gedanken. "...schützt uns kein Völkerrecht und kein Londoner Protokoll mehr und die anderen Staaten würden zuschauen, wie die dänische Übermacht das Land der Doppeleiche mit ihren Ressourcen zerquetscht. Und dann huldigen wir Christian[7] statt Friedrich[8]." Rix nickte bekräftigend und fügte an. "Und jetzt kommt's. Jene, die eigentlich die Intelligentesten von uns sein sollten - die dummen Studenten - planen angeblich einen Anschlag auf dänische Repräsentanten. Irgend'nen Student wurde gestern wohl in einem Handgemenge schwer verwundet, vielleicht sogar angeschossen oder erschossen. Manche Studenten wollen wohl Revanche. Ein dänischer Botschafter ist angeblich in Königshagen[9], nicht weit von hier, und die Studenten wollen ihn umbringen, um den deutschen Bund zum Handeln zu zwingen. Merken die denn nicht, dass wir dann ordentlich einen auf die Mütze bekommen würden?"
Röschmann blickte bereits wieder zum Fenster heraus, als sich das Schweigen andeutete, fügte er abschließend an. "Die Studenten haben sowieso meist keinen Hintern in der Hose. Überall hört man Positives von Studenten, aus Jena, aus Marburg, aus Halle, aber aus Kiel? Selbst wenn sie davon reden, werden sie - Gott sei es gedankt - nichts tun."

Die dritte Flasche näherte sich dem Ende und es wurde klar, dass dies die letzte Flasche sein würde. Alle waren reichlich betrunken, um noch eine Flasche zu öffnen. Die beiden Soldaten wirkten übermüdet und so stellte Alfred zum Abschluss die persönliche Frage nach seinem Ruf. Erstmals übernahm Röschmann das erste Wort in diesem Gespräch, während Rix sich halb schlafend am Tisch festhielt und auf sein halbvolles Kornglas starrte. Es würde ihm schwer fallen, noch ein oder zwei Kurze zu trinken. Röschmann war auch betrunken, wirkte jedoch nicht so, als hätte der Kornbrand ihn nachhaltig in die Knie gezwungen. "Machen dir keine Sorgen, Alfred." Auch er hatte im Suff zum Duzen gefunden, ohne darüber nachzudenken. "Bist 'nen guter Kerl. Gute Kerle gibts hier nicht so viele. Und so viele kennen dich nicht, sie werden nicht über dich urteilen. Deine Gefangennahme wird kaum jemanden jucken, und noch weniger werden es überhaupt wissen, dass du hier bist. Und wenn jemand vom Schiff hört, wird sich in diesem Klima schnell durchsetzen, dass die Dänen es versenkt haben, Alfred. Dann, Alfred, werden sie dich eher auf Betten händen, statt über dich zu schlecht zu urteilen. Macht dir keine Sorgen, Alfred!" Daraufhin tranken alle ihren Korn aus und Alfred und Richard Röschmann teilten sich den letzten Rest auf ihre Gläser auf und stürzten auch das herunter.

Das Gehen von Rix und Röschmann fand fast ohne Worte statt, aber der fragile Röschmann entwickelte eine formidable Kraft, als er Rixens Arm über seine Schulter warf und ihn rüberzutragen begann. "Wir müssen los. Rixens Kopp is zu voll." Auch Röschmann war fast über den Durst und auch Alfred spürte, wie betrunken er war. Er würde einen schnellen Schlaf, aber einen harten Morgen haben, zumindest ohne sein helfendes Mittelchen. Röschmann brachte stammelnd zu Ausdruck, dass er sich für den Nachmittag zu bedanken habe und es nett fand. Auch Rix murmelte ein alkoholschwangeres Danke und dann schleppten die beiden sich zurück in ihre Wohnung, während Alfred sich langsam wunderte, wie die Anzahl der Fenster in der Wohnung sich innerhalb der letzten fast zweihundert Minuten verdoppeln konnte...
 1. Schleswig-Holsteinischer Krieg (1848–1851) (http://de.wikipedia.org/wiki/Schleswig-Holsteinischer_Krieg_(1848–1851))
 2. Kongeå (http://de.wikipedia.org/wiki/Kongeå)
 3. Wilhelm Weitling (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Weitling)
 4. Robert Owen (http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Owen)
 5. Karl Marx (http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx)
 6. Tierpark Hagenbeck (http://de.wikipedia.org/wiki/Tierpark_Hagenbeck)
 7. Gemeint ist natürlich Christian IX. von Dänemark
 8. Gemeint ist Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein
 9. Dänischenhagen (http://de.wikipedia.org/wiki/Dänischenhagen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 13.12.2011, 21:17:39
Carl trug seinen toten Bundesbruder mit Conrad in den versteckten Raum hinab und legte ihn in einer Ecke behutsam ab. Dann entledigte er sich seines Helmes und seiner blutbesudelten Uniformjacke. Darunter trug er feingewirktes Kettengewebe, dem er wohl nun verdankte dass er Karl hatte tragen können und nicht selbst getragen werden musste.
Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und sah sich forschend in dem kleinen Gewölbe um, wobei er hörbar ausatmete. Erst als sich alle eingefunden hatten und allmählich Ruhe in dem Raum einkehrte erhob er das Wort. In seiner Stimme schwang selbstverständlich eine gute Portion Erschöpfung mit, allerdings hatte sie nicht an der gewohnten Kraft verloren.

"Euer Durchlaucht ich bin kein Diplomat und es wird auch keiner mehr aus mir werden, deshalb und in Anbetracht der aktuellen Umstände gehe ich davon aus, dass das Protokoll nun weitestgehend vernachlässigt werden kann. Wir drei, also Conrad Karl und ich haben in der letzten Nacht unser Leben aufs Spiel gesetzt um Schiffbrüchige aus der Förde zu retten. Ohne einen Gedanken an Lohn und Ruhm. Nach Eurer Einladung kamen wir hierher und haben Euer und freilich auch unser eigenes Leben nach bestem Können versucht zu schützen. Nun sind wir nur noch zwei. Karl ist nun tot und ich weiß noch genau, dass er lieber in Kiel geblieben wäre, aber aus Loyalität mit uns kam."
Carl sah den Herzog mit eindringlichem Blick an fuhr nach einem kurzen Moment fort "Wir wünschen weiterhin keinen Reichtum und keine Ehrungen. Aber wir fordern -  und bei allem Respekt ich bestehe auf diesem Wort - dass Ihr uns den reinsten Wein einschenkt. Was geht hier vor sich und warum befinden wir uns mittendrin? Ist das alles deutsches Blut wert?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 15.12.2011, 01:39:53
Donald hörte auf, auf die Kampfkraft seines Eidolons zurückzugreifen, behielt die Verschmelzung jedoch bei, um die Verteidigung aufrecht zu erhalten. Mit ein paar alten Worten heilte er die Verletzungen seines Gefährten. Dann fragte er in die Runde: "Ich kenne mich ein wenig mit den Heilkünsten aus. Bedarf es meiner Fähigkeiten?"Die Mitwirkung der Schotten gab ihm jedoch zu denken. An den Herzog gewandt sagte er:  "Ja, es ist wirklich an der Zeit, ein paar Dinge zu erklären. Wer trachtet Euch nach dem Leben? Vielleicht kann ich etwas herausbekommen, wenn ich meinen Landsmann ein wenig befrage."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 15.12.2011, 22:37:08
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:18 Uhr - Gut Emkendorf

Der Braunschweiger merkte, dass er an dieser Stelle nicht weiter beachtet wurde. Ohne weitere Umschweife wartete er darauf, dass alle dem Herzog in die Tiefe folgten. Dieser bewegte sich fast mechanisch, schwer getroffen von den Ereignissen und gab den Weg vor. Der Weg in die Tiefe war nicht weit und alsbald stieß man an eine dunkle, wahrscheinlich brünnierte, massive Eisentür, die an der einen oder anderen Stelle Zeichen von Rost zeigte. Sie war dennoch sehr stabil und der Herzog hatte seine liebe Mühe, die massive Tür zu öffnen, weil sie durch Feuchtigkeit etwas verzogen im Rahmen war. Im dritten Anlauf öffnete er die Tür und bat seine Retter in das Refugium.

Den Rettern offenbarte sich ein ungewöhnlicher Raum, der eine sehr geringe Deckenhöhe von weniger als sechs Fuß hatte, sodass die Größeren geduckt gehen mussten. Es roch nach Gewölbe. Die Wände, die einstmals weiß gestrichen waren, hatte einen Großteil ihrer Farbe abplatzen lassen. An anderen Stellen war die Farbe fleckig, Schimmel war durch die gemauerten Steine gedrungen. An den Wänden hingen von der Feuchtigkeit aufgequollene Holzrahmen, in denen keine Bilder mehr hängen. Das magische Refugium der Reventlous, von dem man sich viele Geschichte erzählte? Mit Mühe und Not passten überhaupt alle in den Raum, in dem angerostete Eisenstühle standen, die noch nicht so lange dort gewesen sein mussten. In einer Ecke lagen Holzsplitter und geborstene Holzteile, welche einstmals Stühle gewesen waren. Auf einem einzelnen Regal, welches noch in Takt war, standen eingekochte Speisen, wahrscheinlich Swattsuer[1]. Es war an der Westwand angebracht, an der Ostwand war ein kleines Rohr, aus dem frische Luft in den Raum gepustet wurde. Kalte Luft, wie deutlich spürbar war. Ein sicherer Ort war dies nicht, man würde schnell verfrieren, wenn man hier zu lange blieb. Unter dem Eisenrohr, war ein kupferner Wasserhahn, der einstmals getropfte. Doch nun hatte sich an ihm ein Stalaktit gebildet, der fast einen Meter nach unten reichte und fast den Fußboden berührte. Der Braunschweiger schloss die Tür nachdem auch der gefangengenommene Schotte mit in den kleinen Raum gepresst wurde. Alleine die körperliche Nähe der Menschen in diesem Raum würde vielleicht so etwas wie Wärme aufkommen lassen, ansonsten war dieser Raum furchtbar trostlos, feuchtkalt und beklemmend.

Der Herzog setzte sich auf einen der ungequemen Stühle. Etwas Rost bröckelte ab. Sein Odem gefror beim Ausatmen und bildete einen feinen, gefrierenden Nebel. Es war wirklich bitter kalt in dem Raum. Er wartete, dass Donald und Carl ihren Fragen gestellt hatten. Ganz eben war noch zu hören, wie der Braunschweiger die Dielen wieder einsetzte.
"Ich bin auch kein Diplomat, Herr von Lütjenburg. Ich bin ein Schleswig-Holsteiner.", begann der Herzog stockend mit Blick auf dem gestorbenen Karl. "Ich habe Ihnen vor diesem....dieser...Katastrophe bereits angeboten, weitestgehend auf solche protokollarischen Zwänge zu verzichten. Dies ist nicht der Ort dafür, und dass Sie mir zweifelsohne das Leben gerettet haben, wird an diesem Entschluss auch sicher nichts verändern. Ich respektiere das Opfer Ihres Freundes." Der Herzog wirkte wahrhaft betrübt, während er auf den steif werdenden Karl schaute. "Es ist das Geringste, was ich tun kann und werten Sie es bitte nicht als Bestechung und als das Kaufen Ihrer Gunst.", er blickte dabei alle Anwesenden an. "Aber das Mindeste, was ich tun kann, ist für seine Beerdigung aufzukommen und seinen Hinterbliebenen eine Rente zuzugestehen." Er holte tief Luft und atmete stoßweise aus, beobachtete die kondensierten Wolken vor seinem Gesicht und blickte abermals auf die blauen Lippen Karls.
"Sie sprechen so, als wären sie dazu gezwungen worden, in mein Haus zu kommen. Das ist mitnichten der Fall. Lediglich der Herr Nobel hätte fest erscheinen müssen. Wahrscheinlich haben Sie ihm am ehesten das Leben gerettet. Es tut mir Leid, dass Gerd so ein schwieriger Charakter ist. Er ist zu sehr im Geiste bei den Befreiungskriegen. Aber er ist ein aufmerksamer Beobachter und ein guter Wächter. Er weicht nicht von der Seite, die er zu beschützen gedenkt. Wenn seine Worte Sie in den Glauben versetzt haben, dass Ihr Besuch eine Pflicht ist, dann bitte ich dafür um Entschuldigung. Es ist eine Pflicht, ohne Frage, eine Pflicht dem herrlichen und unteilbaren Schleswig-Holstein gegenüber, aber keine Pflicht meiner Person gegenüber."
Er räusperte sich und gewann im Laufe seiner Worte wieder etwas Sicherheit, er stand auf und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er wandelte sich vom aufgelösten Mann langsam das erste Mal in einen Herzog, was die Präsenz anging.
"Sie haben an der Schiffsrettung teilgenommen und ich habe gehört, dass der Kieler Bürgermeister Sie ehren wollte. Ich beglückwünsche Sie zu dieser Tat, Sie alle haben vielen Männern das Leben gerettet, wie Sie heute auch mir das Leben gerettet haben und wahrscheinlich den Herren Nobel. Emil Nobel, den meine ich damit auch. Gerd hat mich darüber informiert, wie Sie auf den Haftbefehl bezüglich der beiden Herren Nobel reagiert haben und ich kann es Ihnen nicht übel nehmen. Schon gar nicht, da ich persönlich glaube, dass der Angriff Alfred Nobel galt."
Der Herzog nutzte die Pause, um jedem Besucher in die Augen zu schauen.
"Sie haben von den empfindlichen Papieren gehört, nehme ich an? Der gestohlene Vertrag. Ich habe das Gefühl, dass dieser Vertrag noch im Besitz der Nobels ist oder in irgendeinem Versteck, welche der Herr Pedersen dafür gefunden hat. Wie dem auch sei, Sie sind durch Zufall oder Geschick mit allen betreffenden Personen verbunden. Deswegen wollte ich Sie zu einer Diskussion laden und wie Sie sehen und gespürt haben, ist sehr zu meinem, wie dem Ihrigen, Bedauern, eine Katastrophe daraus geworden. Ich hoffe nur, dass der Kieler Oberstwachtmeister die Herren Nobel gut beschützt. Er hat zumindest entsprechende Instruktionen. Hoffen wir's..."

Der Herzog blickte gedankenverloren auf den Wasserhahn, als man leise in der Umgebung einen Schuss hörte. Der Schotte zuckte zusammen, regte sich sonst nicht weiter. Der Herzog selbst zuckte auch zusammen und setzte seine Erklärungen fort. "Ich habe diese Verträge verloren. Sie garantieren mir vor den Londoner Schutzmächten die Freiheit und Einigkeit, welche der Doppeleiche zusteht. Jetzt versuchen Dänen und/oder Preußen diese Verträge zu zerstören. Das ist zudem ein diplomatisches Desaster. Der bescheuerte Bismarck[2] beharrt auf das Londoner Protokoll, um Dänemark zur Ruhe zu zwingen, doch mit mir redet kein Preuße. Und solange das Londoner Protokoll offiziell eingehalten wird, redet auch kein Brite und kein Franzmann mit mir. Das ist furchtbar, glauben Sie mir das. Wie dem auch sei, es dauerte zu lange, die ganze Breite des Konfliktes zu erörtern, aber Sie werden sicher einiges über die Novemberverfassung gehört haben. Dieser Vertrag könnte die Novemberbestimmungen außer Kraft setzen, verstehen Sie? Sie könnten die Freiheit und Einigung Nordelbiens erreichen und gleichzeitig Friedensbewahrer sein. Beim heiligen Vater, es gibt sogar Gerüchte, dass die Preußen mobilisieren und Bismarck Roons[3] Militärreformen testen will, und dass Dänemark bereit ist für unsere Lande das Bajonett zu schwingen." Er verlor mit jedem Wort wieder seine Präsenz und verbitterte über die Tatsache, dass er die Verträge nicht mehr hatte. "Und wenn die Nobels oder Pedersen jetzt sterben oder verschwinden, wer will diesen Krieg noch verhindern? Deswegen glaube ich, dass der Angriff gar nicht mir galt. Verstehen Sie? Es ging gar nicht um mich, sondern um den Herrn Nobel, die Herren Nobel und der Herr Pedersen..."
Erschöpft, zermatert und bedrückt setzte sich der Herzog wieder hin. Er beantwortete nicht, ob Munro seinen Landsmann befragen sollte. Aber die folgende Stille ließ zumindest die Option offen. Der Schotte schwieg beklommen.
 1. Schwarzsauer (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzsauer)
 2. Otto von Bismarck (http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Bismarck)
 3. Albrecht von Roon (http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_von_Roon)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 22.12.2011, 21:19:09
Conrad fühlt sich in dem engen Raum mit einem Toten und wie es eingerichtet ist ziemlich unwohl. Aber ein echter Mann darf sich davon wohl nicht beeinträchtigen lassen, deswegen verbirgt Conrad sein Unwohlbefinden so gut es geht. Überraschend wichtige Dinge werden dann an einem Ort wie diesen besprochen.

Es geht Conrad durch den Kopf wie Carl wohl denken würde. Er war ein echter Preuße, so viel war klar. Doch bisher hat Carl noch nicht das Wort ergriffen, so tut es dann eben Conrad.

"Der Braunschweiger und sie scheinen wirklich gut informiert zu sein, das muss man ihnen beiden lassen. Vielleicht klinge ich nun für einen Geschichtsstudent etwas verträumt Herzog Friedrich, aber mein größter Traum wäre ein wirklich unabhängiges und geeintes Schleswig-Holstein. Bei den notwendigen Mitteln hierfür wäre ich- nun sagen wir einfach- recht 'flexibel'. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob mein Kommilitone Carl genauso denkt. Er ist mit ganzem Herzen ein Preuße. Man kann denken, was man will, aber die Loyalität zu seinem Heimatland ist sicherlich nichts Verwerfliches.

Auch wenn Marius nicht meine Sympathie hat, mache ich mir um ihn, genauso wie um die Herrn Nobel, Sorgen. Sie sollten vor der bevorstehenden Gefahr gewarnt werden. Wer weiß, wer alles noch in diese Angelegenheit verstrickt ist. Dass die Attentäter entkommen konnten, ist eine Schande, aber es war wohl leider bei dem vorherigen Kampfverlauf nicht zu ändern. Zum Glück sind noch nicht mehr Leute gestorben bei der Auseinandersetzung.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass die Herrn Nobel wohl nur durch einen dummen Zufall in diese Angelegenheit verstrickt sind. Verbrecher sind sie meiner Meinung nach keine und wenn es nach mir ginge, könnte man alle Vorwürfe gegen sie fallen lassen. Aber es würde mir sehr am Herzen deren Leben zu retten, auch das von Marius Pedersen.

Meinen Sie, dass Sie derzeit trotzdem noch in Gefahr schweben Herzog Friedrich, obwohl es die Attentäter ja eigentlich auf die Nobels abgesehen haben? Wir sollten Sie nur dann verlassen, wenn wirklich alles in Ordnung ist. Ich hoffe, dass Sie es nicht als Unhöflichkeit empfinden werden, wenn wir nicht länger als notwendig bleiben würden. Doch noch haben sich nicht alle zu dieser Angelegenheit geäußert, doch zumindest so viel Zeit sollte uns schon noch bleiben."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 02.01.2012, 15:05:40
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:21 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog kratzte sich den Bart und massierte sich die Schläfen, als Conrad mit ihm sprach. Verwundert blickte er zwischen den sonstigen Gästen hin und her. Loteten sie die Grenzen und Tiefen des Herzogs aus? Eröffneten sie nur zögerlich das Feld, um sich in keine Falle locken zu lassen? Misstrauten sie dem Herzog grundsätzlich?

"Der Braunschweiger ist deswegen sehr gut informiert, weil ich ihn dafür in meine Dienste genommen habe.", sagte Friedrich fast gepresst und atmete tief ein. "Natürlich drängt sich dennoch immer wieder die Situation auf, dass Spekulationen notwendig werden. Deswegen kann ich Ihnen nicht mit absoluter Treffsicherheit sagen, ob die Nobels oder Pedersen diesen Vertrag haben. Es scheint mir doch naheliegend, weil Angriffe auf die betreffenden Personen stattgefunden haben. Emil Nobel wurde auf der Solros beinahe getötet, Marius Pedersen liegt schwer verwundet, wahrscheinlich sterbend, in einem Altenstift. Was erwarten Sie da? Deutlicher kann der Feind seine Absichten kaum deutlich machen. Allerdings..."
Der Herzog blickte mit müden Blick auf den toten Karl vor seinen Füßen und dann zu dem gefangenen Schotten, allerdings auch zu Donald Munro. "...dachte ich, dass das Söldnerwesen in diesen Tagen keine großen Rolle mehr spielen würde. Aber ich habe mich katastrophal geirrt. Die Attentäter haben Englisch gesprochen. Der Braunschweiger meinte, dass der sterbende Pedersen von dem Schützen angegriffen wurden war. Dieser erinnerte sich nur an einen Hünen mit einem magischen Stab und einem Gewehr mit weißem Kolben. Jener soll jedoch Französisch gesprochen haben. Es werden Männer eingesetzt, die kaum einer Flagge zugeordnet werden können, das macht es schwer, einen Täterkreis festzulegen, sodass Dänemark auch eine Spekulation bleiben muss. Vorerst."

Er atmete wieder schwer aus. "Seien wir ehrlich, natürlich schwebe ich weiterhin in Gefahr. Wenn ich sterbe, sind meine Ansprüche auch dahin. Ich habe...nur Töchter, meine Söhne haben immer den frühen Kindstod erlitten. Und Ernst Günther[1] ist erst ein halbes Jahr alt. Meine Töchter sind auch noch jung. Meine Güte, man stelle sich das vor. Meine Frau ist die Nichte der englischen Königin und dennoch lebe ich wie ein aristokratischer Lump[2]. Aber der Braunschweiger ist für meinen Schutz da. Ich denke, ich werde ausharren können. Noch einmal werden sie uns nicht so überraschen können, die rothaarige Frau wird ihre schwere Verwundung erstmal kurieren müssen."

Der Herzog blieb einen Moment nachdenklich sitzen. "Sie können gehen. Sie sind frei zu gehen. Sie haben mein Leben gerettet, deswegen würde ich Sie zu nichts zwingen oder auffordern." Er machte eine öffnende Handbewegung. "Ich möchte Sie jedoch bitten, dass Sie nach dem Schreiben Ausschau halten. Sollte es Ihnen in die Hände geraten oder Sie vom Aufenthaltsort erfahren, würde ich Sie dringlich bitten, mich darüber in Kenntnis zu setzen. Unabhängig davon, ob Sie ein ehrenhafter und freundlicher Schleswig-Holsteiner sind, wie Sie es sind, Herr Rosenstock, oder ob Sie ein überzeugter Preuße sind. Solange keiner von Ihnen ein überzeugter oder verblendeter Däne ist, wird Ihnen Krieg als die Schlechteste aller Optionen scheinen, egal was ein Clausewitz dazu sagt[3]. Ich kann nur an ihre Moral und ihre Vernunft appellieren. Helfen Sie, diesen Krieg zu verhindern. Diese Schrift ist die Freiheit Schleswig-Holstein."
Dann schwieg Friedich wieder, er wirkte sehr ermattet. Er hatte langsam und bedacht gesprochen. Die geistige Müdigkeit unterdrückte er mühsam, aber effektiv. Augenscheinlich hoffte er, die Stimmen der anderen Gäste zu vernehmen.
 1. Ernst Günther von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Günther_Herzog_von_Schleswig-Holstein)
 2. Lump (http://de.wikipedia.org/wiki/Haderlump)
 3. Gemeint ist natürlich Carl von Clausewitzs (http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Clausewitz) am häufigsten zitierter Satz: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 02.01.2012, 15:58:11
Die Worte des Herzogs vermochten Carl ein wenig zu beruhigen. "Aus dem Munde des Majors erschien mir das Gesuch meines Erscheinens bei Euch als Pflicht, Euer Durchlaucht, und mag mich wohl auch etwas zu sehr verstimmt haben. Ich bitte um Verzeihung wenn ich mich zu sehr vergessen haben sollte." Carl deutete eine Verbeugung an und bemühte sich trotz der beengten Verhältnisse um eine würdevolle Haltung.

Bei der Erwähnung des Vertrages versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, hörte aber dennoch offensichtlich sehr interessiert zu[1]. "Wenn es diese Verträge noch geben sollte, dann haben wir doch so eben am eigenen Leib gespürt wie sehr sie Schleswig-Holstein schützen werden. Schutzmächte hin oder her, ich kann mir nicht vorstellen, dass Dänemark sich ewiglich damit abfinden wird. Clausewitz liegt falsch, denn wer den Frieden wünscht bereite den Krieg vor[2].

Im Augenblick haben wir allerdings ein anderes Problem und auch wenn ich gehen kann wohin ich möchte, werde ich nicht den Tod meines Freundes zur Sinnlosigkeit verdammen, indem ich Euch verlasse und den Halsabschneidern da draußen übergebe, mein Herzog."
 1. Bluffen: 6
 2. Vegetius (http://de.wikipedia.org/wiki/Flavius_Vegetius_Renatus)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 04.01.2012, 18:09:13
Hermene beschloss, nach dem Kampf vorerst zu schweigen. Zu angewidert war sie von dem heuchlerischen Getue mancher Beteiligter, und zu verblüfft von der eigenartigen Wendung, die sie in ihrer Rolle erfuhr. War sie als Opfer, das zufällig in einen gewissen Strudel der weltlichen Politik geraten war, hierher gekommen, so schien ihr nun eine gewichtigere Rolle zu Teil zu werden. Es galt nun, jeden Schachzug geschickt zu wählen, denn möglicherweise stand für die Schwester die Tür offen, eine mächtigere Rolle einzunehmen.

Den Weg hinab in den Unterschlupf, der ihnen von dem Braunschweiger gezeigt und ans Herz gelegt wurde, schritt sie mit strenger Miene hinab. Sie empfand die Nähe zu den Männern als unangenehm, ja regelrecht ekelerregend. Sie konnte ihren markanten Duft riechen, säuerlicher Schweiß und Spuren von Urin. Im Altenstift bemerkte sie, dass Männer und Frauen unterschiedlich riechen, eine sonderbare Entdeckung für die Schwester, da sie selbst freilich niemals intimen Kontakt zu dem anderen Geschlecht hatte.

Sie folgte den Ausführungen der Männer aufmerksam, ehe sie sich dezent räuspert und selbst die Stimme erhob. „Verzeiht. Ich möchte nicht, dass Sie mich für unaufmerksam oder gar dümmlich halten. Meine Loyalität gilt freilich uneingeschränkt dem einen Herren, und Sie werden verstehen, dass das Leben als Ordensschwester eine gewisse Weltfremde mit sich bringt. Da ich diejenige bin, der Pedersen sein…Leben zu verdanken hat, möchte ich etwas genauer über seine Umstände Bescheid wissen. Warum stellt er für die Dänen ein solch interessantes Ziel dar?“, fragte sie etwas zaghaft, wobei die eher aufgesetzt war als tatsächlich eine innere Zögerlichkeit darstellte. „Zudem möchte darauf hinweisen, dass Pedersen derzeit wohl den Stift zu einem möglichen Angriffsziel macht. Die Mutter Oberin hat sich seiner angenommen, und mit ihm halten sich weitere Unschuldige dort auf. Warum wurde dies nicht bedacht? Sie könnten allesamt in größter Gefahr sein!“
Eine tiefe Furche bildete sich auf ihrer Stirn, deren Ende noch unter ihr Nonnengewand reichte und somit kein Ende ihres Zorns in Sicht war.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 06.01.2012, 08:56:26
Donald begab sich zu seinem Landsmann und begann, ihn in seiner Muttersprache anzusprechen. Er wußte nicht, ob er zu dem Mann vordringen würde, denn er vermutete, dass dieser den sprichwörtlichen Dickschädel seines Volkes besaß. Trotzdem versuchte er es.

"In eine tolle Lage hast Du Dich gebracht, mein Junge. Wie heißt Du?"

Er ließ seinem Gegenüber Zeit zum Antworten.

"Was machst Du hier, fern Deines angestammten Clans? Und warum hast Du so wenig Ehre im Leib, bei einem hintzerhältigen Meuchelanschlag mitzumachen? Bist Du nicht Mann genug, um ohne hinterhältige Tricks zu kämpfen? Ich werde Deine Schade jedoch fü mich behalten, wenn Du mir etwas von Deinen Auftraggebern und deren Plänen erzählst. Ich glaube hier versucht jemand, uns alle zum Narren zu machen und für seine miesen Pläne einzuspannen. Darauf habe ich keine Lust."[1]
 1. Diplomatie: 19
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 06.01.2012, 22:39:26
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:25 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog musterte Carl streng, als dieser die Überraschung in seinem Gesicht nicht gänzlich übersehen hat. Dennoch versuchte Friedrich geschickt über diese Situation hinwegzugehen. "Das ist sehr löblich, dass Sie, Herr von Lütjenburg, als Preuße an den Lehren eines Clausewitz zweifeln mögen. Aber erlauben Sie mir die Anmerkung, dass ihr Zitat und Clausewitzs Darstellung des Krieges als Fortführung der Politik sich nicht unbedingt ausschließen. Wenn sie Gewaltbereitschaft und Wehrbereitschaft zeigen, und dies als Druckmittel nutzen, ist das durchaus ein politisches Mittel. Zum Krieg zu rüsten, das macht einen Krieg wahrscheinlicher, aber nicht notwendig. Aber was Sie zum Ausdruck bringen möchten, Herr von Lütjenburg, scheint eine Verteidigung der Politik zu sein, die sie für preußisch und richtig halten, nicht wahr? Ihre Worte deuten dies an, sie haben mich geschützt, vielleicht vor Dänen, aber nicht wegen Schleswig-Holstein als eigener, freier Bundesteil oder meinetwegen, sondern weil es gegen Dänemark geht und sich mit ihren preußischen Idealen vereinbaren lässt, nicht wahr? Ich verübel es Ihnen nicht, wenn Sie die Wahrheit sprechen. Sie können den Hund schon beim Namen nennen." Der Herzog blickte freundlich drein, als würde er seinem Gegenüber die andere Meinung nicht wirklich übel nehmen.
"Entschuldigen Sie die grobe, manchmal ungeschlachte Art des Braunschweigers. Manche Offiziere vergessen sich manchmal. Wenn er den Eindruck erweckt haben sollte, dass Ihr Besuch ein Zwang ist, tut es mir ehrlich leid. Lediglich der Haftbefehl für die Nobelbrüder und den Pedersen war obligatorisch."

Der Herzog blickte zwischen Gästen hin und her. "Ich kann Ihre Sorge gut verstehen. Und ich danke Ihnen herzlich, Herr von Lütjenburg, dass Sie die Lage trotz unterschiedlicher, politischer Position erkennen. Dennoch wird es Ihnen wenig nützen, wenn Sie mich alleine schützen, wenn Sie ein Interesse am Frieden haben. Alternativ können Sie natürlich hier bleiben und ich gebe mich in Ihre Hände, damit meine ich Sie alle. Dann kann ich den Braunschweiger schicken, um die Nobelbrüder zu schützen und wohlbehalten nach hier zu verlegen." Er überlegte einen Augenblick und fasste sich an die geschlossenen Lippen. Der Herzog war eher ein Theoretiker und Schriftmensch, denn ein Krieger oder Tatenmensch. Er setzte sich wieder hin, stand auf, setzte sich wieder hin. Dann widmete er sich den Worten Hermenes.

"Schwester, ich möchte ihren Worten Glauben schenken. Es heißt, dass das monastische Leben eine Weltabkehr sogar fordern würde. Umso erfreuter bin ich, dass Sie sich mit diesem allzu irdischen Problem befassen, sich mit der furchtbaren Fehlbarkeit von Machtmenschen überhaupt befassen mögen. Deswegen werde ich Ihnen Ihre Frage so gut beantworten, wie ich es vermag." Der Blick des Herzogs wirkte nicht so überzeugt, wie seine Worte. Er schien die ganze Zeit schon beunruhigt von der Anwesenheit der Nonne und dass sie jetzt das Wort ergriffen hatte, verstärkte diese Eindruck des Unbehagens noch.
"Der Herr Pedersen hat einen Vertrag gestohlen, welcher dem Land Schleswig-Holstein Autonomie und Frieden zusichert. Dieser Vertrag kann, wenn er verschollen bleibt, zum Krieg führen, weil die Dänen die Gebiete hier für sich beanspruchen. Und dann wird der deutsche Bund kriegerisch reagieren wollen, hat sich eine sogenannte Bundesexekution[1] angekündigt. Was das genau ist, ist kompliziert zu erklären, wenn ihr euch in der politischen Sphäre nicht auskennt. Stellt es euch so vor, als würde die Kirche eine Konklave bilden und einer der teilnehmenden Kardinäle würde sich deutlich versündigen und die restliche Konklave eine ad hoc-Strafe verhängen müssen, um ihn von der Papstwahl auszuschließen. Das wäre sicherlich ein vergleichbarer Vorgang, wenn auch in weniger heiligen Sphären." Der Herzog bemühte sich um eine plastische Beschreibung, war scheinbar aber nicht wirklich zufrieden mit seinem Vergleich, wahrscheinlich in der Sorge, dass Hermene diesen Vergleich falsch verstehen könnte.
"Wenn der Vertrag verschwinden würde, könnte dieser Vertrag nicht mehr die dänischen Bestrebungen sabotieren. Der König Dänemarks würde brüskiert werden, wenn der Vertrag auftauchen würde. Pedersen hat sie gestohlen, aber die Verträge sind seitdem verschwunden. Er wollte die Verträge den Dänen für viel Gold verkaufen, so sind die Dänen, die sich nicht erpressen lassen wollten, auf seine Spur gekommen. Was genau vorgefallen ist, das können aber nur die Nobelbrüder beantworten oder Pedersen selbst. Auch das würde Pedersens Tod für die Feinde rechtfertigen. Man stelle sich vor, er hätte den Vertrag versteckt, und würde sterben. Wenn der Vertrag erst in zwei oder drei Jahren auftauchen würde, würde man nur noch über den Versuch lachen, wenn hier alles schon von dänischen Stiefeln zertreten ist. Sie sehen, es gibt ausreichend Gründe für Attentäter oder Dänen an den Vertrag zu wollen oder Pedersen oder die Nobels ausschalten zu wollen."
Er stützte sich auf seinen Knien ab. "Ja, ich habe die Gefahr bedacht. Deswegen sind Männer in Kiel unterwegs, um immerhin halbwegs für die Sicherheit Pedersens und der Nobels zu sorgen. Allerdings lässt sich der Oberstwachtmeister van Widdendorp ungern direkte Befehle geben und legt sich immer....eigenwillig aus. So konnte Nobels Auslieferung verhindert werden und auch der Transport von Pedersen in das Kasernenlazarett." Der Herzog wirkte immer noch müde, aber die Anwesenheit Hermenes machte ihm aus irgendeinem Grund Sorgen. Man sah es ihm geradezu an.

Donald Munro unterhielt sich mit dem Haldaneschotten, dessen kräftige Kiefer mahlten. Seine Wunden waren noch unbehandelt, dementsprechend kosteten sie ihm Kraft, gerade in dieser kalten, feuchten Umgebung war es wahrscheinlich sehr unangenehm für ihn. Er antwortete auf Gälisch. "Gary Tullister.", murmelte er seinen Namen und zog die Nase hoch. "Aber spar dir deine hochtrabenden Worte, mein Junge." Würden nicht so viele Leute um ihn herum stehen, die ihm feindlich gesonnen waren, hätte er Donald wohl Blut auf die Schuhe gespuckt. "So wenig Ehre im Leib? Hinterhältig? Für die Hinterhältigkeit war ich nicht zuständig. Ich habe ehrlich und stolz mit dem Claymore gekämpft, wie meine Vorfahren es getan habe, seit sie auf den Orkneys[2] landeten. Ich habe einen Freund im Kampf verloren. Ich habe eins gegen eins gekämpft und mich nicht irgendeiner Magie bedient, Munro." Er spie den Clannamen Donalds jetzt aus. Er fühlte sich durch die Worte Donalds gekränkt und beleidigt. "Es ist eine Schande, wie du einen Söldner, wie du selbst einer bist, behandelst, obwohl du mein Hiersein genauso verstehen können müsstest. Oder warum ist ein Munro in Norddeutschland?" Es flammte wieder etwas von dem Kampfeswillen in den Augen des Schotten auf. Er hatte sich ergeben, was schändlich genug für ihn war, aber er hatte dies nicht getan, um sich verspotten oder beleidigen zu lassen. Er war schnell aufgebracht, denn solch ein Verhalten hatte er nicht von einem Volksbruder, auch wenn sie sich gegenüberstanden, erwartet. Dennoch erkannte er, dass seine Verhandlungsposition nicht gut war und er lieber ein paar Informationen preisgab, wenn er hier lebend raus wollte. "Du weißt, wie das läuft bei uns.", begann er fast stotternd, ermattet, seine Stimme wurde ein Flüstern, er sprach nur einen Namen. "Baker."
 1. Zur Erinnerung: Bundesexekution (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesexekution)
 2. Orkney Islands (http://de.wikipedia.org/wiki/Orkney)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 07.01.2012, 20:10:11
Man konnte Herzog Friedrich richtig ansehen, wie er sich durch die Anwesenheit der Nonne unwohl fühlte. Conrad selbst hielt wenig von Religion, er war eher den weltlichen Dingen zugewandt. Trotzdem fühlte er sich so unwohl nun auch wieder nicht durch die Anwesenheit der Nonne. Die magische Kraft der Nonne war sogar sehr nützlich und deswegen wollte es sich Conrad nicht mit der Nonne verscherzen. Solange von ihm keine Diskussion über Religion gefordert ist, wird er sich es schon nicht mit der Nonne verscherzen, denkt er sich zumindest.

Nach den bisher gesprochenen Worten wirkt Conrad äußerlich ziemlich nachdenklich. Letztendlich ringt er sich dann durch folgendes zu sagen: "Wenn wir für Sie, Herzog Friedrich, die Dokumente, die Sie benötigen, besorgen würden, würden Sie dann dafür sorgen, dass die Anklage gegen die Herrn Nobel fallen gelassen werden? Wäre das irgendwie möglich? Was Sie gegen Marius Pedersen noch vorbringen wollen, ist dann ihre Angelegenheit, aber er scheint mir durch seine schwere Verletzung auch schon ziemlich gestraft worden zu sein.[1]

Ich würde außerdem sagen, dass Herr Munro und ich Schwester Hermene wieder zurück nach Kiel begleiten werden. Ich denke wir werden sie schon ausreichend schützen können. Wenn Carl unbedingt will, kann er hier bei ihnen bleiben Herzog Friedrich."


Dann wendet sich Conrad direkt an Schwester Hermene: "Ich weiß, dass Sie am liebsten sofort zu ihrem Stift gehen wollen würden, Schwester Hermene, aber ich würde trotzdem vorschlagen erst einmal zu Oberstwachtmeister van Widdendorp zu gehen. Er hat in Kiel mehr zu sagen und einige Männer unter seinem Befehl, was für uns nützlich sein könnte, wenn wir Marius eben weg vom Stift an einen sichereren Ort bringen wollen. Wir müssen nur Oberstwachtmeister van Widdendorp die Situation entsprechend schildern, ich denke, dass er dann schon mit sich reden lassen wird. Ich hoffe einfach mal, dass man Marius schon abtransportieren können wird."

Danach wendet sich Conrad wieder direkt an den Herzog: "Wenn ich mit Herrn Munro und dem schottischen Attentäter zu Ende gesprochen habe, würde ich gerne unter vier Augen mit Carl unter vier Augen reden. Den schottischen Attentäter sollte man derweil ziemlich gut fesseln oder bewusstlos schlagen oder auch beides, damit er bloß keine allzu große Gefahr während Carls und meiner Abwesenheit darstellt, wenn ein Gespräch unter vier Augen für Carl in Ordnung ist."

Zu Donald und dem schottischen Attentäter sagt Conrad dann auf englisch: "It isn't quite polite that you speak in such a foreign language. Could you repeat your discussion in English? I'm sure that most of us would unterstand that better than your language before."



 1. Take 10 auf Diplomacy macht Diplomacy 20.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 07.01.2012, 23:03:38
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:27 Uhr - Gut Emkendorf

Friedrich schaute Conrad erst fragend an, dann hellte sich seine Miene auf, als wäre er froh darüber, dass Conrad sich um eine baldige Lösung dieser Situation kümmerte und dem Herzog bei der Lösung behilflich war, statt die Situation nur unnötig noch komplexer und undurchsichtiger zu machen. Es war diese Form von Entgegenkommen, in welcher der Herzog eine Chance sah. Er atmete wieder lange aus, diesmal war es jedoch ein Ton der Erleichterung. "Das...ist ein Vorschlag, auf den ich eingehen kann. Sie helfen mir, an die Papiere zu gelangen. Und wenn die Nobelbrüder bei der Rückkehr der Papiere behilflich sind, dann will ich Ihnen Amnestie[1] für ihre Verwicklung garantieren. Marius Pedersen wird einen fairen Prozess bekommen, sollte er seine schwere Verwundung überleben und dann nach dem Landesrecht bestraft werden. Jedem, der mir bei der Aufklärung und Wiederbeschaffung hilft, und an dem Diebstahl beteiligt war, will ich durchaus Amnestie einräumen, solange dies zeitig geschieht natürlich. Wenn der dänische Stiefel über die Königsau tritt, dann wird es wahrscheinlich zu spät sein. Aber ich würde mich für ein Wiederlangen natürlich auch in anderer Hinsicht sehr erkenntlich zeigen, mehr als mein Dank wäre Ihnen dann gewiss.", bemerkte der Herzog fließend und nun Hoffnung schöpfend. Vielleicht las er aus den Worten Conrads, dass die Männer tatsächlich davon wussten, vielleicht sah er auch einfach eine Chance, dass Conrad an die Nobelbrüder überhaupt rankäme.

"Dieser Raum ist jedoch zu klein, als dass Sie nur unter vier Augen reden könnten. Aber wenn Sie eine halbe Stunde Zeit haben, wird der Braunschweiger sicherlich die Umgebung gesichert haben und wir werden Meldung erhalten, wie sich die Situation draußen gestaltet. Dann werden sie auch genügend Möglichkeiten haben, mit dem Herrn von Lütjenburg unter vier Augen zu sprechen. Da er selbst für seinen Verbleib war und Sie, Herr Rosenstock, das auch derartig vorgeschlagen haben, werde ich dieses Angebot gerne annehmen. Ich halte jedoch nichts von unnützer Gewalt, eine Fixierung des Attentäters wird sicherlich reichen." Der Herzog musterte nun Carl neugierig. "Dann werden Sie für die Zeit Ihres Aufenthaltes für meine Sicherheit verantwortlich sein. Ich übergebe dann auch den Attentäter Ihrer Obhut."

Conrad erntete derweil missmutige Blicke des Haldane. Der Schott seufzte und in dem typischen Akzent des schottischen Englischs äußerte der sich. "You think that I am dishonest with you, don't you, lad? To be frank, politeness is not one of me strengths. But well, I asked your friend to stop insulting me. He asked in an rude tone, who me employer was. I answered him that he knew me trade as good as me does." Es war schwer für Conrad zu sagen, ob der Schotte die Wahrheit sprach und ob der Schotte Informationen zurückhielt. Er blickte Conrad nicht an, sondern auf den Boden. Conrad konnte erkennen, dass die Stimme des Schotten sich beruhigt hatte, als der Schotte Conrad ansprach. Als er Donald antwortete war seine Stimme erst wütend erregt und dann ein Flüstern gewesen.
 1. Der Begriff dürfte allgemein bekannt sein, aber wer ihn nochmal nachlesen möchte: Amnestie (http://de.wikipedia.org/wiki/Amnestie)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 08.01.2012, 01:47:01
Carl hatte direkt antworten wollten, als der Herzog seine Beweggründe in Frage stellte, doch Conrad kam ihm zuvor und im Nachhinein war der Leutnant froh drum, so konnte er nun ruhiger antworten. Als der Herzog ihm eröffnete, dass Carl sich nun vorerst um dessen SIcherheit zu kümmern hatte, nahm er stramm Haltung an, was bemerkenswert war in diesen Räumlichkeiten.

"Es ist mir eine Ehre, Euer Durchlaucht. Überdies wäre es mir noch eine viel größere Ehre, wenn Sie nicht so schlecht von mir dächten. Wie soll ich solche Dinge abwägen können, während um uns herum das Glas zersplittert und die Kugeln einschlagen? Bundesexekution, Preußen oder Dänemark - in solchen Augenblicken alles einerlei. Für mich zumindest. Ich habe Sie versucht zu schützen, weil sie Schutz benötigten, nicht mehr und nicht weniger.

Ich wollte mit meinen Worten zum Ausdruck bringen, dass ich mir nur schwer eine goldene Zukunft für ein unabhängiges Schleswig-Holstein vorstellen kann, wenn jetzt schon Anschläge auf einzelne Menschen und ganze Schiffe getätigt werden. Ob Preußens Politik nun tatsächlich die richtige ist, das kann ich wohl nicht mit ausreichender Kompetenz beurteilen. Allerdings scheint die Existenz dieser Papiere sowohl Dänemark als auch Preußen zu misfallen, was in einem unabhängigem Schleswig-Holstein mit verstimmten Nachbarn in Nord und Süd resultieren würde, wenn die Verträge wieder in Ihren Besitz gelangen werden."


Carl sah den Herzog eine Weil mit aufrichtigem Blick an, dann wandte er sich ab und blickte sich im Raum nach etwas um, womit der Schotte gefesselt werden konnte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.01.2012, 21:17:53
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:30 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog strich sich über den Bart und biss sich nachdenklich in die Unterlippe, während Carl eine alte Leine fand, welche den Schotten zumindest provisorisch, aber ausreichend, im Zaun halten dürfte, sollte der Haldane auf dumme Ideen kommen. Im Moment schien er nichts wagen zu wollen, angesichts der vielen Feinde innerhalb eines kleinen Raumes. Aber vielleicht würde er sich dies anders überlegen, wenn nur noch der Herzog und Carl im Raum waren. So war es sicherer, ihn den Fesseln. Mit ein wenig Mühe schaffte es Carl, die Hände und die Beine zu verbinden. Die Hände auf den Rücken, die Beine so, dass nur Tippelschritte möglich waren, und beides so mit einander verbunden, dass man den Schotten wie an einer Leine führen konnte.

Der Herzog hatte weiter über den Bart gestrichen und nichts zu der Fesselung gesagt, während Conrad die Worte des Schotten nochmal für alle seine Gefährten übersetzt und würde auch den weiteren Austausch übersetzen, sollte er zustande kommen. Friedrich antwortete schließlich. "Das mag sein, dass dieser Vertrag Preußen oder Dänemark verstimmt, Herr von Lütjenburg. Aber betrachten wir das nüchtern. Nutzen wir den Vertrag nicht, werden wir dänisch oder irgendwas anderes. Der Vertrag garantiert, dass sie uns in Ruhe lassen müssen. Wenn sie uns dann vor den Bug schießen wollen, müssen sie mit diplomatischen Verstimmungen rechnen und sich vor den Garantiemächten rechtfertigen. Wenn etwas offiziell ist, dann wird eine Vergrößerung ärgerlich sein. Vor allem das Zarenrreich wird sich die Hände reiben. Ich kann mit dem Missfallen Dänemarks oder Preußens leben, aber nicht mit ihren Stiefeln auf dem Land meiner Väter!" Er atmete tief ein. "Keine Sorge, Herr von Lütjenburg. Unabhängig jeder Gesinnungscouleur werden sie mein Vertrauen genießen, wenn Sie mich weiterhin so gut schützen, wie Sie es vor wenigen Minuten taten."

Dann blickte er zwischen den Männern, die ihn retteten hin und her. "Nochmals vielen Dank. Sie sollten sich jetzt vielleicht einen Augenblick ausruhen und dann wieder aufbrechen. Also jene, welche aufbrechen wollen. Es sei denn, Sie wollen den Schotten noch ausfragen. Ansonsten werde ich das mit dem Herrn von Lütjenburg machen, während Sie unterwegs sind. Ich werde Ihnen dann alle wichtigen Informationen per Brief zusenden." Der Herzog schien im Moment kein gesteigertes Interesse an dem Schotten zu haben. Stattdessen stand er wieder und hatte die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt. Er beobachtete seinen kondensierenden Atem. Oben hörte mein derweil Bewegung. Der Braunschweiger schien den Rückzugsort wieder freizulegen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 18.01.2012, 20:30:07
Carl überprüfte noch ein letztes Mal den Sitz der Fesseln seines Gefangenen und wischte sich mit dem Handrücken Schweiß und Blut von der Stirn.

"Freilich steigt die Hemmschwelle, wenn dieser Vertrag erstmal publik ist. Ich meine ja nur, dass auch das keine Garantie darstellen kann. Und das Zarenreich ist auch keine Garantie für irgendwas, außer für eine schmachvolle Niederlage."

Carl sah von dem Herzog weg und es schien fast so als spräche er mehr zu sich selbst. "Dies ist auch das Land meiner Väter und auch ich stamme hierher. Und dänische Stiefel möchte ich hier nicht marschieren sehen. Aber das hier ist deutscher Boden und ein solcher gehört von Deutschen verteidigt und nicht von Briten noch von Russen."

Carl sah wieder zum Herzog herüber "Aber das ist nur meine Meinung und mit der stehe ich allein auf weiter Flur. Und um die Gesinnung brauchen wir gar nicht zu verhandeln, mein Herzog, denn in der Pflicht gibt es so etwas nicht."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 19.01.2012, 11:52:24
Mit geschlossenen Augen griff sich Alfred an die Schläfe und atmete die vom Atem dreier Männer abgetragene stickige Luft der kleinen Kammer tief ein. Schwerfällig quälte er sich schwankenden Fußes auf die Beine. Was als koordinierter Versuch begonnen hatte, das Vertrauen der Soldaten Röschmann und Rix für sich zu gewinnen, war nicht lange ein manipulatives Unternehmen des Schweden geblieben. Zu schnell hatte der einsame Wissenschaftler gemerkt, dass die Gesellschaft der Doppeleiche tragenden Männer ihm tatsächlich mehr als nur willkommene Abwechslung war, als dass er den Korn mit rein diplomatischer Miene hätte weitertrinken können. Die sauber gebundene Fliege des Schweden hatte sich mit der Zeit wie die höfliche Verschlossenheit Alfreds gelockert. Obwohl es ihm doch noch in den Sinn gekommen war, einige der Fragen zu äußern, die ihn beschäftigten, ließ er die Zeit dann doch in einer gewissen wenn auch schwerwiegenden Gemütlichkeit verstreichen. Doch am tiefsten berührte Alfred der Eindruck von Angst und Sorge der beiden Schleswig-Holsteiner um einen möglichen Krieg, in welchem die getrennten Herzogtümer zwischen den Interessen Dänemarks und Preußens die Opfer zahlen müssen würden. Kurz dachte Alfred an die über hundert Mann, die letzte Nacht schon im Rahmen dieses Konfliktes ihr leben haben lassen müssen. Der Schwede konnte nicht deuten, ob das plötzlich auftretende schreckliche Gefühl im Magen eine Antwort auf den Korn oder den bitteren Gedanken war.

Wankend kämpfte sich Alfred zum Sekretär und versuchte sich zu konzentrieren als er nach dem kleinen Reagenz Zinins griff, um nicht seine aufgebauten Gläser und Titriervorrichtung umzuwerfen. In der klar durchsichtigen Flüssigkeit zeigten sich einige wenige Schlieren, welche die gelösten Salze bildeten. Rasch kippte Alfred die kleine Menge hinunter, ohne dabei das Gesicht zu verziehen, legte das Glas ab und kämpfte sich zu dem Bett im Nebenzimmer. All die Aufgaben, die ihm bevorstanden, fraßen sich mit einem Mal in sein Gedächtnis. Noch immer musste er seinen Vater von den Geschehnissen letzter Nacht unterrichten. Er musste eine Lösung dafür finden, was mit dem Dokument zu tun sei. Himlys Paket lag noch immer auf der Post - ursprünglich wollte er die beiden Soldaten darum bitten, es für ihn zu besorgen, doch im trüben Beisammensitzen hatte Alfred sich nicht mehr getraut, seine Bitte auszusprechen. Und wollte Himly Alfred heute Abend nicht noch kontaktieren?

Schmerzhaft stöhnte der Chemiker auf und ließ sich auf das Bett fallen. Innig hoffte er darauf, dass die Güte bald ihre Wirkung zeigen würde. Es gab noch genug zu erledigen.

Und wo war eigentlich Emil geblieben?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 20.01.2012, 22:42:49
"Nun, Herr Rosenstock, wir sind hier nicht auf einem Kaffeeklatsch und Schotten sind gesprächiger, wenn man sie in ihrer Sprache anspricht und nicht auf ", hier machte er eine missbilligende Pause, "auf Englisch." Dann wandte er sich an seinen Landsmann: "Thank you for your answer. It is very interesting for me. I didn't want to deny your honor. Excuse me."

Er überlegte, was um alles in der Welt Baker mit der Sache zu tun hatte. Er musste den Gefangenen unbedingt alleine sprechen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 23.01.2012, 21:09:36
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:33 Uhr - Gut Emkendorf

"Dann bin ich beruhigt, Herr von Lütjenburg. Lassen wir die politischen Querelen ruhen und widmen uns der Pflicht.", sagte der Herzog sichtlich erleichtert und blickte nun zu dem gefangenen Haldane. Derweil drang ein wenig Sonnenlicht in die kleine Kammer, in der sie gemeinsam saßen und froren. Alle zitterten, ob sie wollten oder nicht, inzwischen ob der unangenehmen Kälte und der Sonnenstrahl, der vom Treppenaufgang in die Kammer strahlte, verhieß die Rückkehr in wärmere Räume. Der Braunschweiger hatte die Dielen wieder abgedeckt und kam die Treppe zur Hälfte hinunter. "Euer Durchlaucht", begann er etwas außer Atem, "die Angreifer sind verschwunden. Ich habe bis auf drei alle Männer verloren. Von euren Männern leben noch Udo, Heiner, Heinrich, Ewald und Deter. Sie liegen in provisorischen Stellungen und schützen das Umfeld." Der Braunschweiger hatte sich eine zusätzliche Wunde eingefangen, er blutete am linken Arm. Augenscheinlich wurde er von einem Reitersäbel verwundet. "Ein sauberer Angriff. Gut koordiniert und das trotz der unterschiedlichen Nationalitäten. Während des Angriffes habe ich Englisch, Gälisch, Französisch, Deutsch, Dänisch und Italienisch gehört. Das ist augenscheinlich eine zusammengewürfelte Truppe von Attentätern, die jedoch schon einige Wochen zusammenarbeiten müssen. Ich kenne eigentlich nur einen Mann, der als Kopf für einen Auftrag solcher Größe in Frage kommt."
Während er sprach, verband er sich seinen Arm. Der Braunschweiger war deutlich bodenständiger, da er unter Schmerzen stand, und sprach direkter, als es zuletzt der Fall gewesen war. Eine fast schon peinliche[1] Stille entstand, der Herzog machte eine drängende Handgeste, dann erst sprach der Braunschweiger den Namen aus: "John Baker."

Der Haldane blickte sich um und versuchte eine angenehme Position zu finden. Doch gefesselt, wie er war, wollte es ihm nicht gelingen. Schweiß trat auf seine Stirn, die Fesselung war ihm sichtbar peinlich. Er kniff die Augen zusammen. "Yeah. Interesting, isn't it, lad? Time is ticking, people are born and dying. Nothing new to me mankind.", sagte der Schotte inzwischen zynisch. Scheinbar beschäftigte ihn der Austausch zwischen den Männern mehr, als er eigentlich zeigen wollte[2]. Sein Arm ruckte raus, scheinbar wollte er eine beschwichtigende Geste zu Donald machen, aber seine Hände waren gefesselt. "Never mind, lad.", sagte er stattdessen und nahm die Entschuldigung Donalds an.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:07 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Zweierlei Klopfen weckte Alfred aus seinem unruhigen, doch traumlosen Schlaf. Zwar hatte das Mittelchen die wildesten Auswirken des Kornbrands abgewehrt, aber dennoch wachte Alfred mit trockenem Hals auf. Er hatte einen Geschmack auf der Zunge, als hätte er an einer Petroleumlampe geleckt. Zum einen klopfte sein Schädel etwas von dem übermäßigen Alkoholgenuss, zum anderen klopfte es an seiner Tür. Mühsam konnte sich Alfred aufrichten, spürte wie der Schwindel ihn kurz übermannen wollte. Aber er spürte auch, dass sein Mittel seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Er wusste, dass Leber, Milz, Galle und Magen diese kleine Trinksitzung ohne größere Nachwirkungen ertragen hatten. Die Chemie bewahrte Alfred vor einem bitterbösen Kater.

Dennoch spürte der Schwede, dass er für den Moment noch etwas langsamer war, denn das Klopfen wurde energischer. Scheinbar hatte die Person vor der Tür bereits gesprochen, denn sie wirkte ärgerlich. "Herr Nobel, öffnen sie endlich die Tür und ich bin gezwungen davon auszugehen, dass sie jegliche Kooperation eingestellt haben. Sie werden doch nicht wollen, dass wir ihren schwer verwundeten Bruder noch einmal durch den kalten Schnee in eine noch kältere Garnison zerren müssen." Es war die Stimme van Widdendorps. Alfred hörte es an dem schweren, pfeifenden Unterton in der Stimme des gewichtigen Mannes. "Machen Sie schon auf, Herr Nobel." Nochmals klopfte der Oberstwachtmeister.

Ein Blick nach draußen offenbarte ein schweres Schneetreiben, welches Kiel in einem festen Griff hatte. Es hatte über die letzten Stunden bestimmt zwanzig Zentimeter Neuschnee gegeben. Obwohl es draußen schon längst dunkel war, konnte der Nobel den noch immer schweren Schneefall anhand der entzündeten Laternen beobachten. Die Nacht wirkte kalt und ungemütlich, noch immer pfiff der Wind durch die Fenster, hob immer wieder an, um dann wieder abrupt nachzulassen. Irgendwo klapperten Fensterläden, ein Hund bettelte jiffelnd nach Wärme, wahrscheinlich war er irgendwo draußen angebunden worden oder jemand führte ihn in der Nähe Gassi. Hier und da hörte der Schwede gar eine Schiffsglocke. Trotz des Feiertages des heiligen Nikolaus bereiteten alle ausländischen Seeleute ihre Schiffe vor. Wenn das Wetter anhielt, mussten sie zusehen, dass sie wieder auf die Ostsee kamen, ehe sie in Kiel festsaßen, gerade wenn sie empfindliche oder dringliche Ladung an Bord hatten. Alfred wusste, dass St. Petersburgs Hafen bei diesem Wetter alsbald wieder in Eis und Schnee liegen würde. Die Schifffahrt und der Winter waren im finnischen Meerbusen[3] kein glückliches Paar. In der Kieler Förde[4] war es wohl nicht so problematisch, aber dieses Wetter war allemal ein Ärgernis, zumindest für Geschäfte. Für den Frieden in Holstein war es wahrscheinlich ein göttlicher Segen.

Das Klopfen ertönte wieder, doch der Oberstwachtmeister sprach diesmal nicht zu Alfred. Es mussten einige Stunden vergangen sein, seit Alfred die warme Umarmung des Bettes gespürt hatte. Jetzt fror er jedoch, der Kanonenofen war schon einige Zeit aus, der Windzug hatte das Zimmer wieder in einen russischen Kühlschrank verwandelt. Alfred sah im Schein der Laterne unter seinen Fenstern sogar einige Eisblumen an den dünnen Fenstern. Es schneite nicht nur, es war auch ziemlich kalt. Nochmal ein Klopfen, dann hörte Alfred die Stimmen vor der Tür. "Doktor Kern, beruhigen sie sich. Herr Nobel wird nur genächtigt haben und wir ihn unsanft geweckt." "Wenn sie das sagen, OWM, wird das so sein.", hörte der Schwede die verschnupfte Antwort, welche leicht von einem schweren Husten beinahe verschluckt wurde. Eine dritte, offenbar kranke Person stand vor der Tür. Ob dies tatsächlich Emil war?
 1. peinlich im Wortsinne, also schmerzhaft
 2. 
Motive erkennen SG 10 (Anzeigen)
 3. Finnischer Meerbusen (http://de.wikipedia.org/wiki/Finnischer_Meerbusen)
 4. Kieler Förde (http://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Förde)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 24.01.2012, 20:21:15
Conrad hörte den Gesprächsteilnehmern aufmerksam zu. Er war sich nicht sicher, ob Carl so erfreut darüber wäre, wenn er dem Herzog das Dokument geben würde. Wenn noch Zeit für ein vier Augen Gespräch wäre, würde Conrad dies auch nutzen.

Zu Donald Munro sagte Conrad noch: "Sie können sich auch weiterhin in ihrer eigenen Sprache mit dem anderen Schotten unterhalten, wenn sie so sehr darauf bestehen, auch wenn ich das trotzdem nicht so gut finde. Mehr als ein Kritisieren dieses Verhaltens bleibt mir ja auch nicht übrig. Hoffentlich ist es nichts Geheimes, denn der Herr Braunschweiger könnte ihre Sprache ja vielleicht verstehen.", entgegnet Conrad mit einem schelmischen Grinsen. Offenbar war sein letzter Satz nicht allzu ernst gemeint und er wollte Donald Munro nur etwas damit ärgern.
 
Dann sagte Conrad- wieder ernsthaft- zu allen in der Runde: "Übrigens kann unser schottischer Attentäter doch Deutsch verstehen. Seine kurzzeitige Mimik, Gestik und Körperhaltung sprachen eindeutig dafür.
Um noch einmal kurz zum Attentat zurück zu kommen: Ich glaube mittlerweile auch, dass die Nobelbrüder das Ziel waren. Die französische Attentäterin hätte einen vergifteten Dolch auf den Herzog werfen können und die Schotten hätten womöglich auch anders reagieren können.

Der Schotte hier hat vorhin außerdem auch schon den Namen Baker erwähnt. Sie liegen also wahrscheinlich goldrichtig mit ihrer Vermutung, Braunschweiger. Wissen Sie Herr Braunschweiger, wer genau dieser John Baker ist und was seine Motivation hinter diesem Attentat sein könnte? Haben die Dänen ihn vielleicht gekauft? Dieser Name klingt auf jeden Fall schon einmal Englisch. Mehr fällt mir aber auch nicht zu diesem Namen ein."
Dann dreht sich Conrads Kopf in Richtung Donald Munro: "Wissen vielleicht Sie auch etwas über diesen John Baker, Mr. Munro? Womöglich ist dieser Name in England oder gar in Schottland bekannter."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 24.01.2012, 21:28:12
Hermene beobachtete interessiert die Wachsende Unsicherheit des Herzogs, und je mehr ihr bewusst wurde, wie unangenehm ihm ihre Anwesenheit war, desto starrer und kälter blickte sie mit ihren eisigen Augen in ihn hinein. Seine Worte interessierten sie nur beiläufig – dummes, irdisches Geschwätz über Politik und Machtspiele der Menschen. All dies, so wusste Hermene, war vergänglich und obsolet vor dem einen Herren.

Dennoch: Dieser Pedersen schien ein wichtiges Dokument gestohlen zu haben, und dies lenkte Gefahr auf den Stift, Gefahr auf ihre Arbeit und somit Gefahr auf ihr bisheriges Dasein. Sie tippte in einer durchkonstruierten Beiläufigkeit gegen ihre Schläfe und schien nachzudenken. Das Geräusch[1], das von diesem Tippen ausging, wurde mit jedem Male, da ihr Finger ihr Gewand berührte, lauter und unnatürlicher, bis sie ihren Finger schließlich still hielt. Sie stierte erneut auf den Herzog. „Sagen Sie mir noch eines zu dieser Angelegenheit: Wie konnte ein Student wie Pedersen überhaupt in die Nähe eines solch für die irdischen Belange wichtigen Dokuments kommen? Ich verstehe hiervon nicht viel, doch scheint es mir, als würden solcherlei schicksalhafte Verträge für gewöhnlich nicht in Umständen aufbewahrt, aus denen sie von einem dahergelaufenen Studenten entwendet werden könnten?“, fragte sie unwissend. „Oder irre ich?“, fügte sie scharf hinzu.
 1. Ghost Sound
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 26.01.2012, 16:58:32
Mit einer leichten aber erwartungsvollen Euphorie stemmte Alfred sich vom Bett und verzuchte krächzend eine Antwort zu rufen. Doch noch weigerte seine Stimme sich, mehr als ein Keuchen von sich zu geben. Missmutig verzog Alfred das Gesicht, schmatzte trocken, während er aus dem Schlafzimmer trat und nach seiner Uhr tastete. Er musste scheinbar auf ihr draufgelegen haben, dachte er sich, als er einen ungesunden Druck unterhalb der Brust verspürte. Zudem verhieß die Dunkelheit draußen ohnehin schon schlechte Nachrichten, und die goldenen Zeiger verrieten Alfred ungeniert, wie viel Zeit er doch verschlafen hatte. Eilig steckte er das goldene Stück weg, und griff nach den Gläsern auf dem Tisch. Mit heftigen Husten räusperte sich der gerade erst erwachte.

"Moment!", klang seine Stimme noch immer etwas brüchig durch die kalten Zimmer, "ich öffne!"

Schnell verfrachtete Alfred das Geschirr in die Küchenzeile, ehe er an die Wohnungstür trat. Mit einem tiefen Atemzug richtete sich der Wissenschaftler, zog seine verknautschte Kleidung glatt und griff an seinen Kragen, um die Fliege zu richten. Verwundert griff Alfred als in Leere, der Querbinder war verschwunden. Suchend fand sein Blick das kleine schwarze Stück Stoff in seiner ganzen Länge auf dem Bett liegen. Für einen Moment ertappte er sich bei dem Gedanken, sie zu holen und sich säuberlich umzubinden, ehe er wieder zur Vernunft kam. Verärgert über sich selbst räusperte er sich erneut, fuhr mit der Hand durch das schüttere Haar und öffnete sachte die Tür.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 27.01.2012, 16:33:42
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:40 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog überließ die Schottenfrage seinen Gästen, obwohl er Conrad interessiert zuhörte. "Wir sollten wieder in die wärmeren Teile des Hauses gehen, Durchlaucht. Es ist kalt und feucht hier unten, eure Gäste sind von der langen und unsanften Reise ermattet. Sie werden nur unnötig krank werden, wenn sie hier unten weilen. Dasselbe gilt für euch, Durchlaucht. Ihnen stünde Schlaf auch gut zu Gesicht." Der Herzog nickte nur müde und dann wurde der kleine Schutzraum verlassen. "Braunschweiger. Helft dem Herrn von Lütjenburg beim Tragen von Karls Leichnam. Conrad, führt bitte den Haldane mit nach oben." Der Schotte ließ sich widerstandslos, aber mit Problemen beim Aufstieg durch die Fesselung, nach oben führen. Hermene musste damit leben, dass sie ihre Antworten erst später bekommen würde.

Als sie wieder im Musikzimmer angekommen waren und damit Reventlows kaltes Sanktuarium hinter sich ließen, legte der schwarze Braunschweiger die Dielen wieder ein und schob das Musikinstrument wieder drüber, um kurz darauf seine Uniform zu richten und den Staub von den Knien zu wischen. Die Vorhänge waren zugezogen, um dem Schützen kein Ziel zu bieten. "Keiner stellt sich ans Fenster oder in direkte Schusslinie, es sei denn, er will Lotto[1] um sein Leben spielen.", mahnte der adrett gekleidete Mann an, als er sich an die Wand nahe der Tür lehnte. Es waren genug Sitzhocker in der Farbe cremigen Elfenbeins vorhanden, sodass sich jeder außer dem Braunschweiger und dem Haldane setzen konnte, wenn er wollte. Der Herzog setzte sich vor den gleichfarbigen Flügel und legte einen Hand auf das Holz, während er tief durchatmete. Der Braunschweiger warf ihm einen finsteren Blick zu, weil er damit im Schusslinie eines möglichen Schützen saß. Friedrich kratzte sich den Bart und blieb ungerührt sitzen, hieß den Braunschweiger lediglich ein Feuer im Kamin zu entzünden, da es kalt war. Der alte Kamin war neben dem Flügel das einzig schmückende Element des Musikzimmers. Nochmals atmete der Mann durch, während sich der Haldane in eine bequemere Position zu begeben versuchte, dabei musterte er Conrad, der seine Sprachkenntnisse enttarnt hatte, aufmerksam. Seine Lippen bewegten sich ein bisschen, aber sie brachten dann doch kein Wort hervor[2].

Im hellen Raum schien Hermene weniger bedrohlich auf den Herzog, der nicht zuletzt aufgrund der merkwürdigen Geräuschkulisse bereit war, das kleine, eiskalte Refugium zu verlassen und wieder in das angegriffene Haus zurückzukehren. Dennoch hatte er die Nonne aufmerksam im Blick, sie machte ihm noch immer Sorgen. Nachdenklich blickte er auf ihre Kutte und dann in den Kamin, wo langsam ein wärmendes Feuer zu lodern begann, welches der Braunschweiger mit Zündhölzern und einer alten Zeitung entzündete. Friedrich antwortete nun Hermene.
"Die Verträge waren nicht in meinen Händen, als sie gestohlen wurden. Sie lagen in Kiel in einem Vertretungshaus meines Hauses[3] und dort sollten die Abschriften für die weiteren Unterzeichner angefertigt werden. Das waren die beiden dänischen Könige, zwar ist Friedrich VII. Karl Christian von Dänemark[4] bereits verstorben, aber seiner Witwe[5] hätten wir als Zeichen des Beweises eine zukommen lassen. Christian IX. von Dänemark[6] sollte eine bekommen, ich wollte noch eine zweite Abschrift für mein Haus haben, dann sollte Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen[7] noch eine Abschrift bekommen, da sein Diplomat Karl Georg Ludwig Guido von Usedom[8] an den Verhandlungen beteiligt war. Mein Verwalter und Skriptor sollte den Vertrag vervielfältigen. Doch er wurde bereits Stunden nach Empfang des Schriftstückes von einer Gruppe von Männern überfallen und das Schriftstück wurde gestohlen. Rädelsführer war Marius Pedersen, wahrscheinlich waren andere Studenten daran beteiligt. Wir konnten die Verträge nicht auffinden und Marius Pedersen entschlüpfte uns mehrmals. Mein Skriptor, Burkhard Tietje, wurde bei dem Angriff schwer mit Degenstichen verwundet, die beiden Wachmänner, welche inkognito über Tietje wachten, wurden gar getötet. Die Bewaffnung lässt ebenfalls auf Studenten schließen. Einen der beteiligten Männer konnten wir festsetzen, aber der schweigt noch beharrlich. Lediglich die Spur zu den Nobelbrüdern haben wir gefunden. Sie sehen, wir haben es nicht mit dahergelaufenen Studenten zu tun, sondern mit...durchorganisierten Aufständischen, welche eventuell sogar von Dänemark angeheuert wurden. Am 28. September wurde die spätere Novemberverfassung das erste Mal vorgelegt. Am 9. November haben wir dann den Vertrag geschlossen, damit es nicht zur Novemberverfassung kommt. Am 15. stirbt jedoch Friedrich, in der Nacht von 17. auf den 18. verschwindet der Vertrag und am 18. unterschreibt Christian die Novemberverfassung[9]..."
Friedrich atmete wieder durch und stand auf. Er ging zum Kamin, um sich seine Hände am Feuer zu wärmen. Leise knisterte es. Selbst durch die Vorhänge erahnte man nun, dass die Sonne langsam von Wolken verdunkelt wurde. Wind klopfte an die Fensterscheiben. Friedrich fasste scheinbar einen Entschluss, während er so am Feuer stand. "Aber Schwester Hermene. Sie sollten vielleicht anfangen, sich um dahergelaufene Studenten und weltliche Politik Gedanken zu machen. In Dänemark gibt es nur die Lutherische Staatskirche[10], selbst im Herzogtum Schleswig ist der katholische Glauben noch verboten, solange meine Herzogswürde nicht vollkommen anerkannt ist. Dann würden Sie und der Papst mehr verlieren, als nur ein paar Menschen im Altenstift. Denken Sie auch bitte daran. Und denken Sie daran, dass die katholische Kirche vielleicht auch ein Symbol neu gewonnener Kraft benötigt, wenn es auch nur kleines Zeichen sein mag. Aber soweit ich weiß, lebt der weltliche Kirchenstaat nur, weil französische Truppen ihn verteidigen[11]." Leise pfiff der Wind durch die nur leidlich dichten Fenster.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:09 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Vor der Tür stand Oberstwachtmeister van Widdendorp, an dessen ganzem Körper schmelzende Schneekristalle hingen, die er gar nicht wegzuwischen versucht hatte. Neben ihm stand ein grimmig dreinschauender Doktor Kern, der trotz der geöffneten Tür noch mit nervös tippelnden Fuß dastand. Die Stelzenbeine des OWM waren dagegen still, es schein, als habe er nur seinen Arm zum Klopfen bewegt. Hinter den beiden Männern standen Fritz und Hammer, die beiden Obergefreiten, welche sowas wie ständige Begleiter für Alfred inzwischen waren. Sie hatten die beiden betrunkenen Röschmann und Rix inzwischen abgelöst. Sie hatten zwischen sich eine Trage, auf der ein sich nur leidlich bei Bewusstsein befindlicher Emil lag. Das Keuchen kam jedoch nicht von Emil, sondern von Fritz, vom Obergefreiten mit dem markant vorstehenden Kinn, der sich augenscheinlich durch das schlechte Wetter und die dauernde Übermüdung eine Erkältung eingefangen hatte.
Emil schien seinen Bruder kaum wahrzunehmen, seine Augen waren nur halb geöffnet und er brabbelte mehr als dass er sprach. Doktor Kern bemerkte Alfreds Blick und hob beschwichtigend eine Hand. "Wundfieber. Nichts, was wir nicht in Griff kriegen würden, Herr Nobel." Noch immer tippelte der Fuß des Mannes. "Er hat Fieberträume. Aber das wird sich geben. Haben Sie ein Feuer entzündet, Herr Nobel? Man könnte Kiel an diesem Abend glatt denken, man wäre auf der unglückseligen Franklin-Expedition[12] und an Bord der Erebus oder der Terror." Bei den Worten schüttelte sich der Doktor und klopfte sich den restlichen Schnee von den Schultern.

Van Widdendorp nickte den beiden Obergefreiten zu und sie trugen Emil Nobel in das Zimmer und verlegten ihn dann in Alfreds Bett. Der OWM entließ die beiden Obergefreiten dann, sie durften auf ihr Zimmer zurückkehren. "Meine Güte, Herr Nobel. Es riecht hier drin wie in einer Hafenspelunke. Haben sie gesoffen?", fragte der Oberstwachtmeister und blickte in der Dunkelheit umher. Doktor Kern entzündete ohne Aufforderung den Kaminofen. "Es ist wirklich wie auf der Expedition hier drin. Wenn Sie ihren Bruder schon bei sich haben wollen, Herr Nobel, dann müssen Sie auch zusehen, dass es hier drin warm wie bei der Baikieexpedition[13] ist.", tadelte der Doktor Alfred, während er etwas altes Papier in den Ofen warf, um das Entzünden zu beschleunigen. "Ich werde morgen früh wieder nach Emil schauen. Solange passen Sie auf ihn auf. Aufgrund des hohen Blutverlustes kann ich ihm leider nicht noch mehr Schmerzmittel verabreichen. Sollte es nicht nachlassen und seine Schmerzen zu stark werden, werden wir morgen früh über Opiat-Nutzung reden müssen. Hier haben Sie noch etwas Verbandsmaterial, falls seine Wunde aufbrechen sollte. Sollte er sich zu ruckartig bewegen und seine Narbe aufbrechen, zögern Sie nicht, den Obergefreiten Rix zu wecken. Er ist ausgebildeter Feldscher. Er wird sich darum kümmern, bis ich Ihnen morgen wieder zur Verfügung stehe. Eine gute Nacht."
Der Arzt ließ auch die für eine Neuvernähung notwendigen Werkzeuge liegen. "Achja, schauen Sie alle drei Stunden bitte, um sich die Wunde nicht entzündet hat." Dazu erklärte er, welche Stellen am Bein Emils Alfred zu betasten hatte, um das herauszufinden, ohne Emil zu stark zu quälen oder die Wunde zu berühren.
Dann wandte sich der Doktor bereits zum Gehen, aber van Widdendorp folgte ihm nicht, sondern betrachtete Alfred im schwachen Schein des Kanonenofens.
"Alles in Ordnung, Herr Nobel? Sie sehen...miserabel aus. Gibt es etwas, was ich für Sie tun..." "NEIN! ICH WAR ES NICHT!", brüllte Emil wie vom Teufel geritten dazwischen. "ES WAR NICHT MEINE IDEE! ICH SCHWÖRE ES! NEIN! ICH HABE NICHTS GETAN! AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!", Emil schrie auf und hielt sich seine Wunde, als hätte jemand ein glühendes Stück Eisen in die Wunde gerammt. Der Doktor rannte sofort zu Emil, der jedoch nur weiterschrie. So schnell wie der Schrei und der Schmerz kamen, so plötzlich lag Emil wieder ruhig in seinem Delirium da und blabberte wirres und schwer verständliches Zeug. "Das kann häufiger passieren, ist aber nicht wild. Das Delirium macht das.", versuchte Doktor Kern Alfred zu beruhigen. Dann wandten sich der Oberstwachtmeister und Doktor Kern wirklich zum Gehen. Der OWM nickte Alfred zu. "Das Wetter ist beschissen. Das wird eine ruhige Nacht. Kümmern Sie sich um ihren Bruder und machen Sie zwischendrin auch die Äuglein mal ein, zwei Stündchen zu. Sie werden sehen, morgen sieht die Welt schon wieder besser aus."
Behutsam schlossen sie die Tür hinter sich.

"Es tut mir Leid, Alfred...Das war alles nicht meine Absicht...", flüsterte Emil nachdem die Männer gegangen waren. "Sie haben mich erpresst, ich schwöre es bei unserem Vater. Sie haben mich erpresst!." Tränen rannen das Gesicht von Alfreds jüngerem Bruder herab. "Sie haben mich erpresst...Sie sagten, sie würden sonst..." Jetzt weinte Emil hemmungslos.
 1. Geschichte des Lottospiels (http://de.wikipedia.org/wiki/Lotto#Geschichte_des_Lottospiels)
 2. 
Motiv erkennen SG 16 (Anzeigen)
 3. Damit ist sein Adelshaus gemeint
 4. Friedrich VII. (http://Friedrich VII.)
 5. Louise Christine Danner (http://de.wikipedia.org/wiki/Luise_Christine_Danner)
 6. Christian IX. (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_IX.)
 7. Wilhelm von Preußen (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_I._(Deutsches_Reich))
 8. Guido von Usedom (http://de.wikipedia.org/wiki/Guido_von_Usedom_(Diplomat))
 9. Novemberverfassung (http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberverfassung) und wer sich auch den Inhalt anschauen möchte: Inhalt der Novemberverfassung (http://www.verfassungen.eu/dk/gesamtstaatsverfassung1863-i.htm)
 10. Staatskirche (http://de.wikipedia.org/wiki/Staatskirche)
 11. Kirchenstaat nach 1815 (http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenstaat#Kirchenstaat_nach_1815)
 12. Franklin-Expedition (http://de.wikipedia.org/wiki/Franklin-Expedition)
 13. Baikieexpedition von 1854 (http://en.wikipedia.org/wiki/William_Balfour_Baikie)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 27.01.2012, 20:04:59
Mit einer undefinierten Mischung aus Sorge, Erleichterung und Ärgernis legte Alfred seinem Bruder die Hand auf die Stirn, verzog jedoch keine Miene. Die vollen Haare Emils lagen wirr auf seinem Haupt, und die Haut des jüngeren Schweden brannte auf Alfreds Fingern heißer als der Kanonenofen.

"Niemand wird Dir etwas antun, Emil,", sprach der Chemiker seinem Bruder leise aber bestimmt in ihrer Muttersprache zu. Sein konzentrierter Blick blieb auf dem Gesicht Emils haften. Zwar war Alfred noch immer etwas durch den Wind von der ungeplanten Mittagsruhe und dem plötzlichen Weckruf, doch sein Kopf war klar genug, so dass er mit zusammengezogenen Augenbrauen seinen Bruder ausführlich musterte und sich wunderte. Doktor Kern hatte bewiesen, dass er in seinem mundanen Handwerk wusste was er tat. Doch warum hatte der Chirurg Emil nicht auch metaphysisch behandeln lassen? Es konnte doch nicht sein, dass ein erfahrener Kasernenarzt keinen Zugang zu magischen Heilern oder Heilmitteln hatte, oder sich selbst in ihr bildete. "Vielleicht ist Kern einfach ein Mann der alten Schule," dachte sich Alfred, während seine Hand noch immer auf der Stirn des unruhigen Emils lag. Er würde jedenfalls kein Risiko eingehen, was den Zustand Emils anging.

"Niemand wird Dir auch nur irgendetwas antun, mein Bruder," wiederholte Alfred erneut, und zog sein zerknittertes Jackett aus. Mit flinken Fingergriffen krempelte Alfred seine Hemdärmel hoch, beobachtete aber noch immer Emil. Für einen kurzen Moment blieb er reglos stehen, und legte seinen Kopf schief. Wäre Emil etwas zugestoßen, so hätte er es sich nie verzeihen können. Mit einem glücklichen Lächeln trat Alfred von dem Bett zurück und schritt in die Wohnkabine. Wie in einem Ritual legte der Chemiker Handschuhe und Brille an, eher sich daran machte, die Gläser und Pipetten zu säubern, doch immer sorgte er dafür, dass er Emil aus den Augenwinkeln beobachten konnte.[1]
 1. Alchemie: Alfred braut 1x Lesser Restoration (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/restoration), 1x Remove Disease (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/r/remove-disease) mit einem Gegenmittel (http://www.d20pfsrd.com/equipment---final/goods-and-services#TOC-Antiplague) als alchemische Komponente, 1x Cure Moderate Wounds (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/c/cure-moderate-wounds), insgesamt 3 Minuten
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 28.01.2012, 21:56:59
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:17 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Emil blieb ruhig nach dem kurzen Anfall, den er noch im Beisein von Doktorkern und des Soldaten van Widdendorp hatte. Seine Atmung hatte sich weitestgehend beruhigt und er dämmerte wieder vor sich hin, während Alfred sich zurecht fragte, warum man nur die Arbeit eines Feldschers an seinem Bruder durchgeführt hatte. Hatte die Garnison keine anderen Möglichkeiten? Vielleicht gab es einen guten Grund, solch diffiziele Methoden nicht an seinem Bruder zu nutzen. Magie war etwas, welches nie ohne Preis und nie ohne Aufmerksamkeit genutzt wurde. Vielleicht war es eine Sicherheitsvorkehrung, denn Alfred erinnerte sich an solche Vorkehrungen in Kronstadt, wo jedem magiebegabten Soldaten und Arbeiter die Nutzung der Magie untersagt war. Dunkel erinnerte er sich daran, dass die Nutzung von Magie noch über Sekunden bis zu Stunden später festgestellt werden konnte. Man fürchtete sich immer vor feindlichen Agenten in Kronstadt, welche die Verteidigung durchbrechen konnten, wenn sie Wissen über Kronstadt erlangten. Alfred hatte sogar mal von einer Erschießung eines Soldaten gehört, der sich weigerte, auf die lebenserleichternde Magie im soldatischen Alltag zu verzichten. Aber an sowas zu denken, war sicher eher ein Anzeichen von Paranoia, wozu sollte man Emil deswegen einen einfachen Heilzauber vorenthalten? Wahrscheinlicher war, dass sie nach dieser Nacht mit den vielen, vielen Verletzten und Sterbenden keine Ressourcen mehr übrig hatten, um ihre Heilzauber jedem angedeihen zu lassen.

Langsam stieg die Raumtemperatur wieder und mit jedem gewonnen Grad ruhte Emil wieder etwas ruhiger. Das Knistern des Holzes wirkte entspannend und so fühlte Alfred beim Herstellen der Mittelchen die Schwere des Alkohols noch immer in seinen Gliedern. Es war dieses typische Unwohlsein, welches man nach einer durchzechten Nacht hatte. Es ging einem nicht furchtbar schlecht, aber man fühlte sich müde, etwas erschöpft und nicht gerade beschwingt. Alfred musste seinen Willen aufwenden, um konzentriert zu arbeiten, aber es gelang ihm. Die nur leidlich dichten Fenster entpuppten sich eher als Segen, denn die unregelmäßigen, scharfkalten Windzüge hielten den schwedischen Chemiker konzentriert.

Nach wenigen Minuten waren die Mittel fertig und trotz des nun ruhigeren Schlafes, wollte Alfred kein Risiko bezüglich seines kleinen Bruders eingehen. Das Mittelchen gegen die Krankheit gab Alfred seinem Bruder zuerst, um möglichst schnell das Wundfieber zu senken und den beginnenden Wundbrand[1] aufzuhalten. Augenblicklich senkte sich die erhöhte Temperatur Emils, zwar konnte Alfred dabei nicht sagen, welche Art des Wundbrandes es geworden wäre, aber es war klar, dass das dreckige, mit Pocken[2], Algen und Muschelresten versetzte Holz seine Spuren im Körper seines Bruders hinterlassen hatte, dazu noch das Salzwasser. Er tat gut daran, seinem Bruder dieses Mittel einzuflößen. Nachdem das Mittelchen die Krankheit aus dem Körper gespült hatte, verabreichte der Chemiker seinem Bruder das Heilmittel, um die abgestorbenen Gewebeteile verschwinden zu lassen und die Nähte unnötig werden zu lassen. Dazu nahm er das Verbandmaterial vorsichtig ab und entfernte mit dem Verabreichen des Heilmittels die Nähte, damit sie nicht schmerzhaft in das genesende Fleisch einwuchsen. Das Werkzeug, welches der Doktor hinterlassen hatte, war äußerst hilfreich bei dieser Arbeit. Der Schwede konnte richtig zuschauen, wie das Gewebe sich langsam schloss und dann die Hautschichten sich Stück für Stück regenerierten bis nur noch eines fleischigrosane Narbe an die fast zwanzig Zentimeter lange Verletzung erinnerte. Alfred konnte sehen, dass Doktor Kern auch mit beschränkten Mitteln sehr gute Arbeit geleistet hatte. Sein Bruder hätten fast sein Bein verloren, was bei dieser Wunde nicht verwunderlich war. Zum Abschluss verabreichte Alfred die letzte Medizin, welche ein stärkendes Mittel war, welches die Muskelfasern wieder stärkte, den angeschlagenen Knochen stabiliserte und Emil dabei helfen würde, sein Bein alsbald wieder voll belasten zu können. Ohne diese Anwendungen hätte die natürliche Genesung einer solchen Verletzung mindestens zwei bis drei Wochen gedauert, dank der Kenntnisse Alfreds war es eine Frage von wenigen Minuten.

Dennoch durfte sich Alfred keine Illusionen machen. Sein Bruder würde die Nacht schlafen müssen, ehe er wieder bei Kräften war. Sein Körper war von dem Fieber erschöpft gewesen, dann der aufregende Todeskampf, die Operation und der viele Blutverlust durch die Verwundung und die Operation. Wahrscheinlich steckte ihm auch noch der Untergang der Solros in den Knochen. Den Schlaf würde Emil brauchen und sein Körper nahm sich den auch. Emil schlief endlich tief, ruhig und richtig fest. Während Alfred sich zufrieden in den Sessel der alten Borggrefe zurücklehnen konnte und das erste Mal die Sorgen um seinen Bruder von sich schieben konnte, der gar zufrieden zu schnarchen begann, spürte Alfred, wie sich das Vertrauen, graviert in seinen Ring, erwärmte. Die Stimme war deutlich, aber etwas näselnd, als sei die Person erkältet oder hätte zumindest eine laufende Nase. "Herr Nobel, Herr Nobel, hören Sie mich? Himly hier. Hören Sie mich? Wie geht es Ihnen? Sind sie allein?"
 1. Wundbrand (http://de.wikipedia.org/wiki/Wundbrand)
 2. Seepocken (http://de.wikipedia.org/wiki/Seepocken)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 29.01.2012, 22:27:01
Alfred hatte seinen Kopf auf die Hand gestützt und war in einer grüblerischen Pose versunken, als der Ring warm zu strahlen begann. Mit einer leichten Begeisterung ob der Magie und Funktion des kleinen Gegenstandes streckte der Chemiker die beringte Hand aus und spreizte die Finger. Es war das erste Mal, dass er die Stimme des Chemieprofessors hörte, bisher war ihr Kontakt nur schriftlich gewesen.

"Ich höre Sie klar und deutlich, Herr Himly," antwortete Alfred, und wie schon in seinem Gespräch mit dem jungen Italiener fühlte er sich albern, als er in die Leere der Wohnkammer sprach. Kurz fühlte er einen unnatürlichen Impuls, den Ring an Ohr oder Mund zu halten, doch es blieb dabei, dass er seine gespreizten Finger nur anstarrte.

"Nein, ich bin glücklicherweise nicht mehr allein. Vor einigen Minuten ist mein Bruder eingetroffen. Er ruht bereits, sein Zustand hat sich wesentlich verbessert. Doch wir können selbstverständlich reden."

Es fiel Alfred schwer, sich zwischen einem geschäftlichen Ton und einem offenen und persönlichen Umgang zu entscheiden. Schließlich hatte der Schwede den Kontakt mit dem Professor ursprünglich aus rein wirtschaftlichen Gründen aufgenommen, doch bei alle dem, was der offenbar einflussreiche Kieler mittlerweile für die Brüder bewegt hatte, erschien Alfred ein distanziertes Wesen ungemein unangemessen.

"Mein Bruder und ich sind Ihnen zutiefst dankbar, Herr Professor", sprach also Alfred sein unverkennbares Anliegen an, und wartete einen Atemzug, um den Worten Nachdruck zu verleihen. "Ich kann nicht einschätzen, wie viel sie bereits für mich und meinen Bruder getan haben, doch allein Ihr Einfluss auf den OWM van Widdendorp, Herrn Ohlendorf und den jungen Nocerino und deren Taten sprechen für sich. In Zeiten wie diesen ist Hilfe und Rat teuer und wertvoll, gleich, ob man Söhne einer wohlhabenden Familie ist. Es gibt nur so viel, das sich für Geld kaufen lässt. Haben Sie Dank, Herr Himly."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 29.01.2012, 23:24:26
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:19 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Ach, machen Sie sich darüber keinen Kopf, Herr Nobel. Machen Sie sich darum keine Sorgen. Vielen Norddeutsche sind störrische Typen, die Sie erst lange, lange Zeit aufweichen müssen, ehe Sie sich an ihre Seite begeben und Sie bei Grog[1] und Köm angenehme Zeiten verleben. Oder Sie müssen zusammen was erlebt haben. Erlauben Sie mir, Herr Nobel, davon auszugehen, dass wir einiges zusammen erlebt haben, auch wenn wir gerade das erste Mal sprechen." Carl Himly hatte einen sehr jovialen Unterton in der Stimme. Er schien sich ernsthaft darüber zu freuen, endlich mit Alfred in Kontakt treten zu können. "Wissen Sie. Während ich so auf das Schachbrett vor meiner Nase schaue und an einer kniffeligen Aufgabe des Schachmeisters Adolf Anderssen[2] knoble, dem wohl besten, aktiven Schachspieler der Welt, fällt mir doch immer wieder auf, wie politische Menschen dieses schöne Spiel für allmögliche, fehlerhafte Allegorien auf das Leben anwenden. Und das ärgert mich ernsthaft. Schach kommt zwar von persisch Schah, und heißt damit krude übersetzt König, aber müssen wir ein solches Menschenopfern immer als Leitlinie unserer Allegorien nehmen? Ich sage, Herr Nobel, nein! Nein, nein und wieder nein!" Carl Himly schien empört, ja geradezu brüskiert von diesen Menschen, welche das Schachspiel zu einem Lebensabbild erhoben und dementsprechend echauffierte er sich darüber. Es klang wegen seiner näselnden Stimme bisweilen noch immer jovial. Als empfände Himly eine gewisse Freude darin zu nörgeln oder sich aufzuregen.

"Das ist der Wissenschaft ein furchtbarer Graus, wenn man unsere Erkenntnisse immer den politischen Strömungen unterordnen will, finden Sie nicht auch? Es mag nicht an Ihrem Brief und Ihrem Angebot gelegen haben, sondern Sie werden sonstwie in diesen Strudel geraten sein. Und Sie haben mein herzlichen Mitleid, was diese Maulwurfshaufen im Rasen des Lebens angeht. Ich habe nur Marginales gehört, um ehrlich zu sein. Aber genügend, ja genügend, um empört zu sein! Empört darüber, dass man einen jungen, tüchtigen und begabten Chemiker mit einer guten geschäftlichen Idee für solch...ja, lassen Sie es mich sagen, perverspolitischen Spielchen wie Schach nutzen will. Zu glauben, dass man einen Wissenschaftler...Wir Wissenschaftler, Herr Nobel, das sage ich Ihnen geradeheraus, sind doch keine Bauern und können dementsprechend keine Bauernopfer sein. Wissen Sie, zwei Freunde von mir haben sich in diesen lächerlichen Widerstreit der Nationen, Länder, Könige und diesen ganzen, unwichtigen Firlefanz eingemischt. Sie haben bitter dafür bezahlt und ich möchte nicht sehen, dass ein weiterer, so begabter Kopf, wie Sie es sind, Herr Nobel, wieder einem politischen Manöver untergeordnet oder gar geopfert wird. Das kann mein Herz und das kann mein Geist nicht ertragen!", sprach der sehr offenherzige Mann weiter. Er atmete durch und putzte sich die Nase.
"Verdammter Winter. Aber wie dem auch sei, Herr Nobel. Sie wissen sicherlich, dass ich einstmals auch für politische Interessen eingestanden habe[3]. Vielleicht würde ich es wieder tun, aber dafür müssen die Weichen gestellt sein, die Umstände richtige sein. Sehen Sie, ich bin für Liberalität eingetreten und nicht für verwöhnte Männer, welche Allegorien auf das Leben in einem simplifizierten Brettspiel finden. Und solche Männer bedrohen nun Ihren Namen und Ihre Existenz. Von daher habe ich mich gar nicht darüber informiert, was nun genau der Fall sein soll. Ihr Anliegen erschien mir ehrlich und so behandle ich sie, Herr Nobel, sein Sie sich dessen gewiss. Ich erwarte keine Geständnisse, keine Erklärungen und dergleichen. Ich möchte, dass Sie an meine alma mater kommen und wir uns gemütlich bei einem Grog zusammensetzen, fachsimpeln und eben jenes tun, was den Erdball wirklich am Laufen hält. Freilich nicht die Wissenschaft allein, aber die Wissenschaft und der Austausch von Menschen. Politik und dergleichen, das ist alles wichtig, dass will ich gar nicht verneinen. Aber es ist störend, wenn persönliche Machtideen oder politische Schachspiele da über das Leben entscheiden sollen, wo es gar nicht nötig, erforderlich und schon gar nicht förderlich ist. Und deswegen, genau deswegen, Herr Nobel, habe ich beschlossen, Ihnen zu helfen. Koste es, was es wolle."

Carl räusperte sich noch einmal und näselte weiter, heftig und freudig erregt.
"Der Oberstwachtmeister und ich kennen uns schon lange, Herr Nobel. Genauso der Herr Ohlendorf und ich. Machen Sie sich um jene keine Sorgen. Der Herr Nocerino entgegen..." Himly schwieg einen Moment. "Keine Sorge. Er hört Sie und mich nicht. Ich habe seinen Ring, nachdem er getan hat, was getan werden musste, deaktiviert. Ich werde Sie alsbald, zu Ihrer Sicherheit, in die Christian-Albrechts-Universität bringen lassen. Bereiten Sie sich auf einen baldigen Aufbruch vor. Herr Ohlendorf wird sich um ihre Verlegung kümmern. Und ich hoffe, Sie haben gut geschlafen. Halten Sie, Herr Nobel, bitte die Nacht über die Augen auf. Es ist sehr gut, dass Ihr Bruder bei Ihnen ist. Dann können Sie für ihn auch die Augen offen halten. Ich glaube, dass jene, die Ihre Solros zerstört haben, noch nicht fertig sind." Seine Stimme war vom Jovialen und das Ängstliche gefallen. "Ich bereite Ihnen in der Universität gerade eine Bleibe, aber das wird noch mindestens elf oder zwölf Stunden dauern, ehe ich Sie hierher bringen lassen kann. Solange müssen Sie aushalten. Ich weiß nicht, was passieren wird, aber ich weiß, dass etwas passieren wird, Herr Nobel. Halten Sie, bei Gott, Ihre Augen offen. Ich bitte Sie."
Himly atmete schwer aus. "Gibt es irgendwas, was ich unmittelbar für Sie tun kann?"
 1. Grog (http://de.wikipedia.org/wiki/Grog)
 2. Adolf Anderssen (http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Anderssen)
 3. Gemeint ist seine Beteiligung am Schleswig-Holsteinischen Krieg 1848-1851 bei der Verteidigung Kiels.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 30.01.2012, 19:14:50
Betrübt nahm Carl zur Kenntnis, dass der Anschlag offenbar noch weitere Opfer gefordert hatte. Er war Soldat und sein Weltbild vom Soldatentum geprägt, also konnte er den Tod von Menschen prinzipiell in Kauf nehmen. Aber es herrschte kein Krieg und dennoch ließen so viele ihr Leben. Der junge Leutnant fühlte sich gänzlich fehl am Platze. Der Drill den er selbst durchlaufen hatte und durch den er so viele Rekruten geschickt hatte, war hier nicht von Hilfe. Dies war keine Situation für Soldaten, aber für Diplomaten war sie es wohl nun auch nicht mehr.

Der anfängliche Unwille gegenüber dem Herzog war nun weitgehend gewichen. Durch das Gespräch mit dem Mann konnte Carl diesen nun viel besser verstehen und die ihm zu Teil gewordene Aufgabe den Herzog zu schützen, empfand er nicht mehr nur als bloße Pflicht seinem verstorbenem Freund gegenüber, sondern auch als Privileg.

Während er so in Gedanken war hatte er nur am Rande erfasst, dass sie ihr eisiges Versteck verlassen hatten und nun im Musikzimmer waren. Carl sah sich um, große Lust zu sitzen hatte er nicht, war er doch froh endlich wieder aufrecht und gerade stehen zu können. Und so stellte er sich zwischen Herzog und Fenster, seiner Pflicht und des Braunschweigers finsteren Blick wohl gewahr.

Eigentlich hätte Carl sich gerne über die Drahtzieher des Attentats unterhalten, aber sowohl der eitle Braunschweiger als auch der nicht sehr höfliche Donald Munro schwiegen sich bisher zu Conrads Fragen aus. Also blieb Carl nichts anderes übrig als sich wieder der Politik zuzuwenden.

"Herzog, verstehe ich es recht, dass die preußische Krone durch Graf Guido von Usedom ihr Einverständnis zur Einigkeit Schleswigs und Holsteins gegeben hat?"

Er würde gewiss noch zum Diplomaten, wenn dies so weiterging, aber dennoch hoffte er, dass seine Vermutung richtig war und somit die Grenzen etwas klarer verlaufen würden. Wenn dies alles der Wille des Königs war...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 31.01.2012, 22:21:37
Hermene lauschte den Worten des Herzogs aufmerksam. Zunächst, so schien es jedoch, konnte sie kein besonders großes Interesse ob seiner Geschichte vom Versagen seiner Männer aufbringen. Es erschien ihr, als ob der gute Mann versuchte, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Adlige zu nennen – etwas, mit dem sich die Schwester kaum beeindrucken ließ. Natürlich, so dachte sie, handelte es sich um aufständige Studenten. Sie ließ den anderen anwesenden dieser Rasselbande einen vorwurfsvollen Blick zukommen – für sie steckten sie alle unter einer Decke. Doch ein Teil in ihr war fast der Meinung, Pedersen könnte seine gerechte Strafe erhalten haben, auch wenn sie nicht verstand, was der Student eigentlich mit dem Vertrag anstellen wollte. Nun denn, einerlei.

Was der Herzog danach jedoch zu bedenken gab, erwischte sie auf kaltem Fuß. Sorge war plötzlich in ihr Gesicht geschrieben, und auch die Furche auf ihrer Stirn war wieder deutlich zu sehen. Sie blickte den Friedrich sprachlos an, dann wanderten ihre Augen fast beschämt nach unten. Sie schein nach Worten zu ringen. “Dann wissen Sie zu wenig“, erwiderte sie scharf. “Er existiert, weil der Herr es so will!“, sagte sie, und dies war das Einzige.

Nach einigen Sekunden jedoch blickte sie auf den Braunschweiger, und nun fiel ihr erst wieder ein, warum sie überhaupt hier war. “Doch nun zu einer anderen Angelegenheit. Der Braunschweiger, sofern mein weltfremdes Hirn sich recht entsinnt, hat mich unter einer bestimmten Bedingung hierher nach Emkendorf…gebracht. Mir wurde ein Gegenmittel gegen die schreckliche Krankheit in Aussicht gestellt, die der Attentäter mit seinen schwarzen Fähigkeiten verbreite. Wie steht es hierum? Gibt es ein solches, und wenn ja…was ist es?“, fragt sie, und blickt stierend auf den Braunschweiger.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 02.02.2012, 14:25:25
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:44 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog räusperte sich nur bei den Worten Hermenes, wahrscheinlich auch, weil er eher in einer adelig-deistischen[1] Tradition aufgewachsen  und zudem auch noch Protestant war. Er ließ sich keinen Kommentar abringen, wahrscheinlich sah er eine Diskussion mit Hermene über ihren Glauben oder welche weltlichen Ansätze eine Religion haben musste, nicht als wirklich zielführend an, weshalb er mit einer Handgeste lediglich auf den Braunschweiger wies, der selbst anwesend war und ihm damit übertrug, seine eigenen Versprechen selbst einzulösen. Der Herzog würde sich dabei raushalten, so schien es, und wandte sich lieber den politischen Komponenten und damit Carl von Lütjenburg zu.

"Ganz recht", begann er mit nicht verkennbarem Stolz in der Stimme. Das schien irgendwie der Clou der ganzen Verhandlung gewesen zu sein, weshalb der Herzog gerne darauf einging, "der preußische König hat sich sogar regelmäßig brieflich über den Stand der Verhandlungen erkundigt! Graf von Usedom ist extra nach Abschluss der Verhandlungen mit Italien nach Kiel berufen wurden. Nachdem er derartig viel Erfahrung mit der Risorgimento[2]-Bewegung sammeln konnte, hat der preußische König eingesehen, dass es Kräfte gibt, die schwerlich aufzuhalten sind. Und so ist eine kleine schleswig-holsteinische Vereinigung doch leichter tragbar, ehe dass irgendwelche vergleichbaren Situationen wie die Märzrevolution[3] entstehen mögen, nicht wahr? Deutsche Studenten und Liberale träumen doch noch immer davon, in manchen Ländern hat sich der Geist auch noch in der Verfassung gehalten. Und ich hoffe doch, dass das auch für Schleswig-Holstein gilt, wenn es auch nicht für alle gilt, wie man am Herrn Pedersen erkennen musste."
Der Herzog strich sich durch seinen Bart. "Der Graf von Usedom ist zurückgekehrt nach Italien. Dort warten wichtige Geschäfte auf ihn. Aber er bot sich einfach an, weil er einen Bezug zu den Dänen hat, hat er nach dem Schleswig-Holsteinischen Krieg bereits den Frieden mit Dänemark geschlossen. Seine Hilfe war unbezahlbar." Aber die Freude über die Verhandlungen, die guten Erinnerungen, sie waren schnell wieder vergangen. "Aber das hilft uns leider nichts ohne den Vertrag."

Der Braunschweiger lächelte Hermene an, ein Ausdruck tiefster Süffisanz[4]. "Ihre Augen fallen gleich raus, Schwester.", sagte er ihn hochmütigen Tonfall, während er sich neben dem Kamin an die Wand lehnte und die Arme verschränkte[5]. "Ich habe es Ihnen in Aussicht gestellt und davon werde ich nicht abweichen. Aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass Sie die Worte des Herzogs wirklich verstanden haben. Vielleicht wäre es nur legitim, wenn Sie den Studenten und vielleicht sogar dem Herzog insoweit eine gewisse Loyalität einräumen." Er hob kurz beschwichtigend die Hände, verschränkte diese dann aber wieder. "Sie haben deutlich gemacht, dass nur Gott Ihre uneingeschränkte Loyalität genießt. Aber der Herzog hat Ihnen bereits den Vorschlag gemacht, wie das handzuhaben ist und ich werde Ihn so formulieren, dass auch Sie Weltfremde es verstehen. Der Herzog fordert keine absolute Loyalität von Ihnen. Sie sollen weder für Ihn sterben, noch sollen Sie Ihren Glauben verraten, Schwester. Eine konditionierte Gemeinschaft schwebt ihm vor. Eine Spielart des weit gefassten Begriffs Loyalität[6], welche keine Einbahnstraße ist. Der Herzog respektiert Ihren Glauben und wird Sie nicht zu Taten bringen, welche sich mit Ihrem Glauben schneiden oder beißen, dafür helfen Sie dem Herzog. Er stellt Ihnen sogar in Aussicht, die Aufnahme religiöser Tätigkeiten in Schleswig zu gewähren. Sie müssen mir kein Lippenbekenntnis liefern oder sich mit mir darüber disputieren, Schwester. Es wäre jedoch ein guter Anfang, wenn Sie Ihren neuen Verbündeten vielleicht verraten würden, wofür Sie das Heilmittel brauchen und welcher Gefahr Sie sich im Kampf mit den Attentätern überhaupt ausgesetzt haben." Wieder zuckte das süffisante Lächeln über die Lippen des Braunschweigers. Er hatte begriffen, dass die Situation noch sehr diffizil  war. Die Loyalität der Schwester war trotz der Heilung nicht eindeutig geklärt und das konnte man für die Situation auch nutzen. Die zweite Unsicherheit war Donald Munro, da er auch ein Schotte war und dementsprechend seine Hilfe bei solchen lokalen bis überregionalen Problem sicher keine persönliche Herzensangelegenheit war. Der Braunschweiger wusste, dass er Conrad noch eine Antwort schuldig war. Dennoch blickte er mit demselben süffisanten Lächeln zu Donald, zumal Hermene ungewollt auch Aktien in dieser Angelegenheit erworben hatte.
 1. Deismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Deismus)
 2. Risorgimento (http://de.wikipedia.org/wiki/Resorgimento_italiano)
 3. Deutsche Revolution 1848/49 (http://de.wikipedia.org/wiki/Märzrevolution)
 4. Süffisanz (http://de.wikipedia.org/wiki/Süffisanz)
 5. 
Motiv erkennen SG 21 (Anzeigen)
 6. Loyalität (http://de.wikipedia.org/wiki/Loyalität)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 06.02.2012, 17:23:47
Mit jedem Satz, den der Professor sprach, fühlte sich Alfred zunehmend entspannter. Seine beringte Hand ruhte auf der Armlehne des Sessels, während Alfred mit wechselndem Blick zwischen dem eisigen Fenster und dem schlafenden Emil der Stimme in seinem Kopf lauschte. Geduldig und neugierig ließ er Himly sprechen, und lächelte mittlerweile ein wenig, als der Professor endete. Der Wissenschaftler schien nicht müde zu werden, seinem schwedischen Kollegen jegliche nur mögliche Hilfe anzubieten. So vorsichtig Alfred auch sein wollte, so erfüllte ihn dieser freundschaftliche Umgang mit einer frohen Geborgenheit.

"Sie haben schon reichlich für mich getan, Herr Professor," antwortete Alfred daher nur, aber seine Stimme war freundlich, und ging in ein Lachen über. "Ich frage mich, ob ich es mir denn leisten kann, noch weiter in Ihrer Schuld zu stehen.

Aber Sie sprechen wahre Worte. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Die Politik der heutigen Zeit widerstrebt dem Interesse der Forschung. Nationale Konflikte bremsen die Räder des Fortschritts. Während der Wohlstand des Einen nur mager steigt, ist der Untergang des Anderen gewiss. Die Politik muss doch einsehen, dass diplomatischer Handel und Investition in eigene und gegenseitige Entwicklung der alleinige Brennstoff für zukünftigen Wohlstand sein kann! Nicht nur der Wohlstand des einen, sondern der Wohlstand aller!
"

Plötzlich war Alfred selbst aufgebracht über seine eigenen Worte. Es war ein hitziges Thema, das die Wissenschaftler angebracht hatten, doch auch eines, das Alfreds Meinung nach zu wenig Gehör fand. Viele Forscher, die Alfred kennen gelernt hatte, teilten sich eine von zwei Gegenseiten. Die einen versteckten sich hinter ihrer weltfremden Neugier und waren nur zufrieden, wenn sie in Ihrer Forschung alleine gelassen werden konnten. Die anderen sahen in ihrer Forschung den Schlüssel zu politischer Macht und Reichtum. Kaum ein Wissenschaftler übernahm die Verantwortung, die ihm unweigerlich zustand.

Tief atmete Alfred ein und strich sich durch das Haar. Er hatte das Gefühl, in Himly einen Kollegen gefunden zu haben, mit dem er seine ideologischen Ansichten teilen konnte. Doch dafür war jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt.

"Ich denke, Professor, wir werden noch einiges zu besprechen haben," seufzte Alfred, stand aus seinem Sessel auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. "Jedoch alles zu seiner Zeit. Zunächst: Ich werde mich und Emil auf die Reise vorbereiten. Ich bin überrascht, wie es Ihnen gelungen ist, die Behörden zu einer nochmaligen Versetzung zu überzeugen. Ich wäre froh darum, wenn Corporal Röschmann und Obergefreiter Rix die Eskorte übernehmen könnten.

Ich möchte über Herr Nocerini sprechen. Sie sollten wissen, dass er mich heute Mittag dazu nötigte, den Hafen evakuieren zu lassen. Ich habe mir eine undenkbare Geschichte aus den Fingern gesaugt, und ich glaube es ist mir gelungen. Doch der junge Italiener weigerte sich, mich über die Ursachen seiner Forderung zu informieren. Ich denke, Sie sollten davon wissen.

Herr Nocerino sprach zudem von Beweisen, die mich entlasten könnten. Ich weiß nicht, was es damit auf sich hat. Ein Teil davon läge auf der hiesigen Post. Ich werde einen der Soldaten am frühen Morgen danach schicken; es sei denn, Sie raten mir davon ab.
"

Alfred blieb im Gang stehen, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, und dachte darüber nach, welches Thema noch eine dringende Eile hatte. Sein Blick auf das Porträt des alten Fritz in der Schlafkammer. Emil ruhte sanft unter den Augen des alten Königs.

"Um eine Frage möchte ich Sie noch bitten, Herr Himly. Ich weiß Ihre Meinung teuer zu schätzen. Was denken Sie über den Herzog Friedrich?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 06.02.2012, 23:12:18
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:46 Uhr - Gut Emkendorf

Dann jedoch wischte sich der Braunschweiger sein süffisantes Grinsen aus dem Gesicht und blickte über Schwester Hermene weg, stieß sich an der Wand ab und trat an den elfenbeinfarbenen Flügel, näherte sich damit Donald und dem Haldane. "Wer Baker ist", begann der Mann in soldatischer Kleidung nun ruhig und mit leiser Stimme, "das ist eine wahrlich gute Frage. Weiß man es so genau? Das weiß man nicht so genau, denn wüsste man, wer Baker exakt und mit all seinen Einzelheiten ist, dann wäre ein Mann wie Baker tot. Baker, das ist eine Art vermaledeiter Titel, der in den Kreisen, in denen sich ein Baker aufhält, gebenedeit scheinen mag." Kurz lachte der Schwarzgekleidete leise über seinen Witz mit christlichen Formeln, ehe er weitersprach. Er faltete die Hände zusammen und ließ sie vor dem Bauch hängen. "Baker, John Baker, ist ein Kerl[1], der sich selbst archaisch als Condottiere[2] bezeichnet. Er ist kein Mensch, sondern ein Zwerg. Einer von diesen kleinen, kriegswütigen Clansmännern, deren Volk so zerfallen ist, dass sie nur noch in Kaledonien[3] eine Heimat wissen. So einer ist Baker. Sein wahrer Name ist nicht bekannt, er nennt sich John Baker und wird so genannt."
Der Braunschweiger kniff sich Augen zusammen und rieb sie sich mit der linken Hand. Eine Geste des Überlegens. Entweder überlegte er was er sagen sollte oder wie er es sagen sollte.
"Das Söldnertum ist nicht mehr so gefragt, deshalb fungieren seine Leute als Militärspione. Ein Land kauft sie, schickt sie zum nächsten, um zu wissen, wie ihre Landwehren funktionieren, welche Waffentypen sie einführen und was der Ausbau der Eisenbahnnetze macht. Daher kenn ich ihn. Ich habe im Auftrag Braunschweigs dreimal mit ihm zusammengearbeitet."
Er legte die Hand zurück vor den Bauch, nachdem er sich über die hohe Stirn gestrichen hatte.
"Er ist, was man in Kieler Hafensprache durchaus eine miese Ratte nennt, und so sieht er auch aus. Keine fünf Fuß hoch, ein pockennarbiges Gesicht, blondes, mit Pomade[4] nach hinten gekämmtes Haar, eine riesige Nase dominiert das Gesicht und er riecht wie eine, entschuldigt den Ausdruck, Durchlaucht, orientalische Hure." Er ließ seine negative Darstellung einen Moment wirken, ehe er weitersprach. Vorher machte er noch eine entschuldigende Verbeugung vor dem Herzog, da er so drastische Worte wählte.

"Aber man darf ich nicht unterschätzen. Er kommt aus Leeds[5], wurde da von einer Bergbaufamilie großgezogen und adoptiert, den Bakers, daher auch der Name. Musste mit den Kindern immer in den Kohleschächten arbeiten, weil er so schön klein und kräftig war[6]. Aber er war extrem kräftig und fand so ein Weg aus dem tötenden Kohleschacht, trat dann der Royal Navy[7] bei. Dort taucht er auch das erste Mal in den Akten auf, die ich über ihn gelesen habe. Hat erst Kohlen geschleppt und wurde dann irgendwann Gefängniswächter auf einem ausrangierten Hulk[8]. Man hat ihn immer nur auf seine Stärke reduziert, aber auch wenn er aus einem harten Leben ohne Schule kommt, kann man ihm eine Bauernschläue[9] nicht absprechen. Ganz im Gegenteil, hat in den napoleonischen Kriegen[10] und speziell in den Befreiungskriegen[11] so viele Kontakte gesammelt, dass er danach Söldnerführer wurde. Da reißen seine Akten jedoch weitestgehend wieder ab. Baker ist 1816 aus der Navy verschwunden, desertiert offiziell, aber nie strafrechtlich verfolgt wurden.", der Braunschweiger machte einen angestrengten Eindruck, da er die ganzen Fakten erinnern musste. "Seitdem taucht er nur sporadisch auf, arbeitet aber manchmal noch mit alten Navyveteranen zusammen, die ihn auch zu mir geschickt haben, als ich noch für die Navy aktiv war. Die sind jedoch über die Jahre fast alle gestorben und er hat dorthin wenige Kontakte übrig. Deswegen kann ich nur von den Sachen berichten, von denen ich weiß. Seit fast zwanzig Jahren spioniert er hin und wieder deutsche Armeen für die Briten aus mit seinen Leuten. Der Krimkrieg hat ihn wohl fast ruiniert, weil er auf Seite des Zarenreiches gegen die Osmanen kämpfte und verlor. Da habe ich in Braunschweig noch einen Bericht, da die britische Krone ihn für 25.000 Gold freikaufen ließ aus osmanischer Gefangenschaft. Seitdem taucht er in keinem Konflikt mehr auf, hat eine Menge Kunden und Vertrauen verloren. Soweit ich weiß, rekrutiert sich fast 95% seiner Truppe inzwischen aus Schotten, der Rest hat sich anderen angeschlossen oder ist in reguläre Armeen gewechselt."
Der Braunschweiger zuckte mit den Schultern. "Wie ich sagte, schwer zu greifen. Aber ich wette, dass Donald und der Haldane mehr wissen könnten, wenn Baker sie eingestellt hat. Von Donald weiß ich das." Er blickt mit einem süffisanten Lächeln Donald an und nickte ihm zu. "Ich habe durch Glück, als ich mit Schwester Hermene über den Tortionnaire[12] sprechen wollte, den Boten abgefangen und den Brief persönlich an Donald gegeben. Den Inhalt kann ich jedoch nicht wiedergeben. Herr Munro kam in die Kneipe, ehe ich ihn durchleuchten konnte."
Mit einem fast hinterhältig wirkenden Lächeln schob er die Situation vor die Füße des Schotten, während der Herzog alarmiert aufhorchte. "Und was soll das bedeuten?", fragte er entrüstet. "Soll das heißen, dass dieser Baker vielleicht auch..."
Der Braunschweiger hob beschwichtigend die Hand. "Das will ich nicht ausschließen, aber auch nicht zu früh in Form gießen, Durchlaucht. Es kann sein, dass er angeheuert werden sollte mit den anderen, oder dass er andere Aufträge hatte." "Dazu sollte er sich am Besten selbst äußern, aber sofort!", griff der Herzog empört ein. Auf einmal empfand er die Schotten doch als interessant und widmete sich ihnen. War die Gefahr noch nicht gebannt? War Donald eigentlich ein Feind?
 1. Kerl ist gemeint als freier Mann
 2. Condottiere (http://de.wikipedia.org/wiki/Condottiere)
 3. lateinisch-eingedeutschte Variante für Schottland
 4. Pomade (http://de.wikipedia.org/wiki/Pomade)
 5. Leeds (http://de.wikipedia.org/wiki/Leeds)
 6. Zur Geschichte der Kinderarbeit in Leeds (http://www.bbc.co.uk/history/british/victorians/source_bsurface_01.shtml) - Die Grundlage ist ein Bericht eines Robert Bakers, aber auch Charles Dickens (http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Dickens) hat über das harte, ungemütliche Leeds geschrieben, auch wenn in zeitlicher Relation Baker vor Bakers Bericht in den Minen gearbeitet hat. Dickens Beschäftigung mit dem Thema ist am bekanntesten umfasst in seinem Werk Oliver Twist (http://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Twist).
 7. Royal Navy (http://de.wikipedia.org/wiki/Royal_Navy)
 8. Prison hulk (http://en.wikipedia.org/wiki/Prison_ship)
 9. Bauernschläue (http://de.wikipedia.org/wiki/Bauernschläue)
 10. Koalitionskriege 1792-1815 (http://de.wikipedia.org/wiki/Napoleonische_Kriege)
 11. Befreiungskriege 1813-1815 (http://de.wikipedia.org/wiki/Befreiungskriege)
 12. frz. für Folterknecht
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 07.02.2012, 11:48:02
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:22 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Ach, Herr Nobel. Sehen Sie, es geht hier nicht um Schuld, Ehre und solche diffizilen Konstrukte, bei denen doch kaum einer im Detail wissen kann, was der Nächste darunter versteht. Laden Sie sich bitte gar nicht erst ein Gefühl von zu viel Schuld auf.", antwortete Carl Himly freundlich, während Alfred draußen den stärker werdenden Schneefall sehen konnte. Die Flocken wurden wieder so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen sah, wenn man draußen stand. Nur mit Mühe konnte Alfred jetzt noch die Laterne vor dem Fenster in physischer Form erkennen, nur das Licht brach sich noch bis zu seinem Zimmer. "Aber ja, ich gebe Ihnen sowas von recht! Immer diese Selbstetikettierung der Männer, welche sich auf dem politischen Feld oder auch sonst als Potentaten befeuert von Technologie geben, wie ein Alfred Krupp[1], oder Männer, die in ihrem Elfenbeinturm[2] verkümmern und all ihren Geist vor der Welt verschließen, als sein sie katholische Mönche unter der Führung Benedikt von Nursias[3]!" Carl merkte, dass er sich selbst schon wieder in Rage sprach, weshalb er umgehend auf Alfreds Vorschlag einging.
"Sie haben vollkommen recht. Solche Gespräche sollten wir uns für die Zeit aufbewahren, in denen wir sie haben, um uns endlich wieder mit der Wissenschaft und der Redlichkeit in ihr zu beschäftigen."

Carl Himly nahm sich einen Augenblick, in dem er augenscheinlich etwas trank. Kurz war nur das Knistern des brennenden Holzes im Kanonenofen zu hören und der sanfte Schlaf Emils. Dann setzte der Wind wieder ein und blies frisch durch die Lücken in der Dichtung des Fensters, trug sogar zwei, drei Schneeflocken mit in das Zimmer, welche jedoch sofort wieder den Aggregatzustand wechselten.
"Ich werde versuchen, es zu arrangieren, dass Röschmann und Rix Ihre Überführung übernehmen. Ist es Ihnen recht, wenn ich alle vier auch in der Nähe stationieren lasse, um weiterhin vollen Schutz gewährleisten zu können? Dieser Schutz könnte notwendig sein. Gerade auch in Hinblick auf Nocerino. Der Hafen wurde also Ihretwegen evakuiert? Meine Güte. Das war ein ganz schöner Aufruhr. Ich weiß jedoch nicht, zu welchem Zweck dies geschah, Herr Nobel..." Seine Stimme ging vom Neutralen auf einmal ins Ärgerliche. "Doch! Mir fällt es wie Schuppen von den Augen! Zumindest glaube ich es! Wenn die Sirene alle Soldaten zurück zum Hafen gerufen hat, kann das nur bedeuten, dass Daniele Nocerino von Soldaten verfolgt wurde, nicht wahr? Ich mein..." Himly atmete schwer. "Es war klar, dass dieser Italiener doppeltes Spiel treiben würde! Ich weiß schon, warum ich seinen Ring nur temporär gestaltet habe. Es wird dringend Zeit, dass es ein neuer Morgen wird und Sie ihre Stellung wechseln können, Herr Nobel. Ich glaube, dass Nocerino einige Daten verkauft haben könnte. Ein Glück, dass ich ihn nirgends wirklich eingeweiht habe. Ich hoffe, Sie haben es auch nicht getan, Herr Nobel. Ich hoffe, sie haben es auch nicht getan."

Der Universitätsprofessor mochte sich gerade die Nase kratzen oder in ein Feuer starren, auf jeden Fall dachte er wieder einen Moment nach. "Ja, das Paket existiert. Ich habe es mit der Hilfe von van Widdendorp aufgestöbert. In einer alten Kate im Dorf Elmschenhagen[4] hat van Widdendorp einen Studenten gefunden, der an dem Diebstahl, der Ihnen angelastet werden soll, beteiligt gewesen sein soll. Dort sind Papiere bei, welche die Planung der Studenten umschreiben. Unter anderem eine Auflistung von Möglichkeiten, Sie und Ihren Bruder zu erpressen, um ein Gold und Einfluss zu kommen und um die notwendigen Gerätschaften und die Ausrüstung zu besorgen. Die Papiere sind hoch brisant, weil Sie auch vom Anwerben von Söldner für die dreckige Arbeit sprechen. Otto Ribbeck[5] ist seit Tagen dabei sie auszuwerten, was gar nicht so einfach ist, weil sie in einem grässlichen Latein verfasst sind. Von einem Teil der Papiere wurde eine angebliche Abschrift gemacht, die Ihnen zukommen soll. Sie werden die Papiere brauchen, um Sie zu entlasten, das ist eindeutig. Aber die Originalpapiere sind noch bei Otto, deswegen kennt der Oberstwachtmeister den Inhalt noch nicht, aber Sie ahnen, woher ich meine Zuversicht nehme, dass Sie frei sein werden. Ich habe Nocerino falsche Papiere zukommen lassen, da ich Ihm nicht traute. Lassen Sie diese trotzdem von der Post abholen. Wenn das Paket geöffnet wurde, haben wir einen Beweis, dass Nocerino doppeltes Spiel treibt. Die Originalpapiere wird Otto nach der Übersetzung an Van Widdendorp geben und Sie eine wirkliche Abschrift bekommen oder Sie werden sie empfangen und weitergeben. Zudem stehe ich in Verhandlungen mit Albert Hänel[6], wenn Sie von ihm gehört haben. Er wird Ihre Freilassung beschleunigen, sobald der gute Otto die Übersetzung durchhat."

Der Professor atmete tief durch. Augenscheinlich hatte er an der Kieler Universität viele bekannte Namen auf seiner Seite und was Alfred deutlich werden konnte: Die Professoren und Dozenten waren nicht weniger, sondern eher noch politisch engagiert als viele Studenten. Eine Generation, welche die 48er-Revolution[7] als junge Männer erlebt hatte und die Ideen der Liberalität[8] nicht verloren hatte. Himlys Worte unterstützten oder verstärkten diesen Eindruck. "Der Herzog ist ein guter Mann. Ein anerkannter Mann, der ein Auge für die Wissenschaft, für unseren alten Kampf, für das neue Bestreben zur autonomen Einigung Schleswig-Holsteins als ein Teil des Deutschen Bundes hat. Der deutsche Bund erkennt das an, nur das vermaledeite Preußen, Österreich und Dänemark verwehren sich, verweisen immer auf das Londoner Protokoll[9] und fordern die Ausweisung Friedrichs, seit er sich zum Herzog proklamiert hat und seine realen Erbansprüche geltend gemacht hat. Der Verlust des Herzogs wäre eine Tragödie für Schleswig-Holstein, da Schleswig-Holsteins Zukunft dadurch von Mächten gesteuert wird, die kein reales Interesse an den Menschen und ihren Traditionen hier haben, sondern nur an die geographische Lage, an Macht und an Prestige im internationalen Völkerverbund denken. Der Herzog hat sich einem Kampf gestellt, der...unmöglich scheint. Ich habe sogar gehört, Männer der[10] sein hier. Das riecht danach, als würde man wie '48 den Widerstand versickern lassen und schwächen. Das sind furchtbare Zeiten, in denen wir an Gesetzen glauben wollen, aber von starken Armeen den Willen oktroyiert bekommen."
 1. Alfred Krupp (http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Krupp)
 2. Elfenbeimturm (http://de.wikipedia.org/wiki/Elfenbeinturm)
 3. Der hl. Benedikt (http://de.wikipedia.org/wiki/Benedikt_von_Nursia)
 4. Elmschenhagen (http://de.wikipedia.org/wiki/Elmschenhagen)
 5. Otto Ribbeck (http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Ribbeck)
 6. Albert Hänel (http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Hänel)
 7. Märzrevolution (http://de.wikipedia.org/wiki/Märzrevolution)
 8. Politischer Liberalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Liberalismus)
 9. Zur Auffrischung: Londoner Protokoll von 1852 (http://de.wikipedia.org/wiki/Londoner_Protokoll_(1852))
 10. Preußischen Geheimpolizei (http://de.wikipedia.org/wiki/Preußische_Geheimpolizei)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 07.02.2012, 18:43:34
"Ich verstehe," antwortete Alfred, ehe er begann wieder auf und ab zu laufen. Himly war somit ein weiterer Schleswig-Holsteiner, der für den Herzog zu bürgen schien. Im mittaglichen Beisammensitzen hatte Alfred auch schon von Rix und Röschmann sympathisierende Worte für Friedrich gehört. Und die Argumente des Professors waren mehr als real; der Schwede konnte mehr als vorstellen, dass sowohl Dänemark als auch Preußen nur taktisches und konfliktpolitisches Interesse an dem Verbleib der Herzogtümer haben könnte. Wenn Friedrichs Prinzipien tatsächlich der Unabhängigkeit des schleswig-holsteinischen Volkes und nicht persönlicher Machtgier unterlagen...

Im Moment gelang es Alfred nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Schließlich war er noch immer vom Herzog angeklagt und stand deswegen auf politischer Ebene als Feind der schleswig-holsteinischen Einigung auf dem Papier. Der Schwede entschied, dass er noch ein wenig darüber nachdenken musste, und wechselte das Thema.

"Ich habe Nocerino gegenüber keine Worte erwähnt, die jemandem gefährlich werden konnten. Er klang in der Tat gehetzt, als er mich kontaktierte, als ob ihn jemand verfolgte. Und ich vertraue Ihrem Urteil, Herr Himly, doch es fällt mir schwer, die Rolle des jungen Italieners in dieser Sache einzuordnen."

Innerlich hoffte Alfred, dass Himly von selbst noch einige Worte über den Italiener verlieren würde. Er würde in diesem Moment nicht direkt danach fragen, doch noch immer war er neugierig, was Nocerinos Beisein zu bedeuten hatte.

"Zu meiner Situation: Es ist also Erpressung," fasste Alfred den nächsten Gedanken, und sein Blick wanderte zu Emil. Auch sein Bruder hatte davon gesprochen. Die Miene des Schweden verfinsterte sich. "Doch scheinbar hat etwas oder jemand die Pläne der Erpresser wesentlich durchkreuzt, eine Forderung kam nie bei mir an." Welche Forderungen es auch gewesen sein mochten, so konnte Alfred sich diese nur denken. Emil wusste natürlich mehr. Der Transport des Vertrages, der in Borggrefes Wandtresor ruhte, musste ein wichtiger Bestandteil derer gewesen sein. Vielleicht ging es wirklich nur um Geld. Aber vielleicht wussten sie auch, dass die Familie Nobel auch mehr zu bieten hatte.

"Wir werden sehen. Warten wir Herrn Ribbecks Übersetzung ab. Über den Geleitschutz und die Stationierung der Soldaten bin ich Ihrer Meinung. Ich werde dafür sorgen, dass wir sechs Mann am Morgen bereit sein werden, um abzureisen. Das Paket lasse ich abholen, zudem werde ich selbst Briefe an meinen Vater und die Herren Winkler verfassen - ich habe Ihnen von ihnen geschrieben."

Tief holte Alfred Luft, ehe er das Gespräch von seiner Seite aus beendete. Sein Ausdruck war streng und konzentriert, auch wenn Himly ihn nicht sehen konnte. Den Blick auf die feinen Kristalle am Fenster gerichtet, sprach Alfred weiter.

"Eine letzte Bitte habe ich, wenn Sie gestatten. Es geht um die Herren Ribbeck und Hänel. Bitte sorgen Sie für ein gemeinsames Treffen zum Zeitpunkt unserer Ankunft, Sie, die beiden Herren, mein Bruder und ich. Zudem ein Notar Ihres Vertrauens. Halten Sie das für möglich?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 08.02.2012, 14:47:21
Donald wirkte gefasst, als er die Worte des Braunschweigers hörte, doch war er innerlich aufgewühlt. Wie konnte es sein, dass hier alles schief lief. Er musste an den Verräter in der Organisation denken, doch es konnte doch nicht Baker sein. Wieso hätte er ihn dann warnen sollen?
'Ich muss mich endlich mit dem Rätsel beschäftigen, dass in dem Brief steht', dachte der Schotte. Donald wurde bewußt, dass er ins Zentrum des Interesses gerückt war, eine Position, die ihm garnicht behagte.

"Nun, ich bin hier als Beschützer, nicht als Attentäter. Das könnt ihr glauben oder nicht, es ist mir egal. Nun, Braunschweiger, Eure Leute scheinen gute Arbeit zu liefern, wenn es darum geht, Informationen zu beschaffen. Das meiste jedoch pfeifen sowieso die Spatzen von den Dächern. Jedoch bin ich von einigen Dingen nicht so überzeugt wie Sie."

Er machte eine Pause, um seine Worte zu wählen. "Vielleicht kann ich etwas Licht in die Sache bringen, wenn ich mit meinem Landsmann ungestört reden kann - allein."

Er wendet sich an die anderen. "Ich glaube nicht, dass ich Euer Feind bin, noch dass unsere Interessen in einen Konflikt treten könnten. Aber das müßt ihr entscheiden."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 09.02.2012, 19:59:20
Carl vernahm die Berichte des Braunschweigers mit Erstaunen. Der Mann, dem Carl nun doch mehr und mehr Respekt zugestehen musste, war unglaublich gut informiert. Anfangs hatte Carl noch angenommen Donald Munro hätte direkt zum Braunschweiger oder vielleicht zur Schwester gehört, aber nun wuchs sein Interesse an dem Schotten genauso wie es auch beim Herzog der Fall war.

Donald war ein Söldner und gehörte zu Baker, einem der wenigen Männer, die dazu im Stande waren, solch ein Attentat, wie es heute geschehen war, durchzuführen. Als Nationalist und Soldat war Carl das Konzept des Söldnertums vollkommen zuwider. Ihm haftete wenig Ehrenhaftes an - Treue, Pflicht und Zuverlässigkeit - diese Tugenden verband man selten mit einem Mann, der seine Loyalität an den Meistbietenden verschacherte. Solange bis jemand mehr bieten würde. Carl war preußischer Soldat und das aus Überzeugung, genauso wie alle seiner Kameraden es auch waren. Es wäre undenkbar zu den Franzosen zu gehen, weil sie einen höheren Sold zahlten. Er schüttelte den Kopf. Erst recht nicht zu den Franzosen.

Hatten ihn die Worte des Braunschweigers erstaunt, so entgeisterten ihn die des Schotten erst recht. War dies Hochmut, Taktik oder Ignoranz? Der Mann schien seine Lage nicht im Ansatz einschätzen zu können oder zu wollen.

"Es ist Ihnen EGAL?", das letzte Wort brüllte Carl schon beinahe. Er machte eine kurze Pause, um seinen Ärger, den die Unbekümmertheit des Schotten in ihm aufkommen lies, wieder in den Griff zu bekommen. Dann fuhr er mit gemäßigterer Stimme fort "Herr Munro, Sie sind einem ernsten Verdacht ausgesetzt. Ein Attentat auf den Herzog von Schleswig und von Holstein hat sich soeben ereignet und es scheint bisher, dass Ihr Arbeitgeber, Herr Munro, darin verwickelt sein könnte. Und alles was Ihnen dazu einfällt ist, dass es ihnen egal sei, wie man über den Anteil Ihrer Taten an alledem befinden wird? Sie glauben nicht, dass sie unser Feind sind? Was bilden Sie sich eigentlich ein, Mann?"

Auch wenn erkannbar war, wie sehr Carl sich im Zaum hielt, war seine Stimme schneidend und anklagend "Es mag sich mit Ihrer Söldnermoral wohl schwerlich vereinbaren lassen, aber dies ist nicht der Zeitpunkt für vage Ungenauigkeiten. Sie sollten sich nun zu einer Seite bekennen und, sofern Sie dazu überhaupt im Stande sein sollten, anschließend Ihre Andeutungen in konstruktive Beiträge zur Sachlage verwandeln."

Carl schlug mit der Faust auf den Flügel neben ihm, um seine Worte zu unterstreichen. Es tat ihm im selben Augenblicke Leid, da es sich dabei nicht um seinen eigenen Flügel handelte. Er lies sich jedoch nichts von seiner Sorge um das Musikinstrument anmerken, sondern sah den Schotten mit kühlem, soldatischen Blick an. Sicherheitshalber verschränkte er seine Arme jedoch nun hinter dem Rücken, während wieder Ruhe in seine Stimme einzukehren schien.

"Und Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir Sie mit Ihrem Landsmann ungestört verhandeln lassen, während Ihre Loyalität in so argem Zweifel steht, Herr Munro. Zuerst müssen Sie uns Gründe liefern, Sie nicht ebenfalls gefangen zu nehmen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.02.2012, 13:00:04
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 21:24 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

"Beschweren Sie sich nicht mit Gedanken an Nocerino, Herr Nobel. Lassen Sie das meine Sorge sein.", sagte der Kieler Chemiker freundlich. "Er ist nur ein notwendiges Übel gewesen, weil die...wie soll ich sagen. Wie schon angedeutet, die PGP ist durchaus zu einigem in der Lage. Da dachte ich, einen Ausländer anzuwerben, würde die Dinge erleichtern. Vielleicht hat es das, vielleicht auch nicht. Aber das ist etwas, was ich eingebrockt habe, nicht Sie, also lassen Sie das bitte auch meine Sorge sein." Himly versuchte Alfred ein paar Sorgen vom Gemüt zu nehmen und sich aufzulasten. "Sie müssen sich erstmal um Ihren Bruder kümmern und sehen, dass Sie durch die Nacht kommen. Über Nocerino sprechen wir gegebenenfalls morgen nochmals."

Himly trank wieder einen Schluck und schien sich selbst durch sein eigenes Zimmer, oder wo auch immer er sein mochte, bewegen. "Erpressung ist etwas furchtbares. Er zerreißt einem das Innerste und doch, auch wenn man um die Methoden weiß, hilft es doch nichts, wenn jemand den Hebel anzusetzen weiß. Dass musste auch so mancher Stoiker erfahren, ja selbst ein Seneca[1] oder ein Mark Aurel. Es gibt Punkte, da bringt das Konzept der Apatheia[2] nichts. Und diesen Hebel mögen sie darin gefunden haben, dass sie vielleicht gar nicht Sie, Herr Nobel, als zu Erpressenden genutzt haben, sondern als Objekt der Erpressung. Aber darüber kann ich keine gesicherte Aussage machen, vielleicht ist auch schlichtweg einfach bei den Erpressern etwas schief gegangen und es hat Sie deswegen nicht erreicht." Himly bewegte sich weiter und dachte augenscheinlich nach.

"Wenn Sie morgen zu uns stoßen, werden wir im Hörsaal sitzen. Dort werden Sie auch die Herren Hänel und Ribbeck treffen. Unauffällig zu sein, dass ist ein guter Anfang und sich zwischen Studenten und Dozenten gleichermaßen zu verschanzen, wird uns für wenige Momente Ruhe verschaffen, ehe Sie Ihre neue Unterkunft betreten werden. Es gibt morgen eine Antrittsvorlesung, die Sie sich vielleicht auch anhören möchten. Der Rahmen ist ideal, um sich auch ungezwungen auszutauschen. Ich kann Ihre Bitte in diesem Rahmen leicht erfüllen, Herr Nobel. Ich wünsche Ihnen jetzt aber eine angenehme und vor allem ruhige Nacht. Passen Sie auf sich auf."

Der Ring an Alfreds Finger erkaltete und der Schwede spürte, dass die Zeit gekommen war, dem Kanonenofen neues Futter in Form von Holz zu geben. Der Schwede kam nicht umher, aus dem Fenster zu schauen, in das wilde, kalte Schneetreiben. Die Sicht war noch immer äußert gering und auch kaum Geräusche drangen an das Ohr des Chemikers. Der ruhige Schlaf seines Bruders war vernehmbar und wenn er ganz genau lauschte, konnte er ein schweres, alkoholgetränktes Schnarchen aus der nächsten Wohnung hören, wo entweder Röschmann oder Rix in der Art einen ganzen Forst versägten. Das ideale Wetter, um sich ungesehen der Wohnung der Borggrefe zu nähern. Zumindest bis zum Haus war man nicht zu entdecken. War es sicher, am Fenster zu sein und die ganze Zeit zu beobachten? Alfred hatte genügend Zeit, über diese Frage nachzudenken, denn müde war er nach dem Schlaf und dem Gespräch im Moment nicht. So beobachtete er, lauschte und achtete auf seinen Bruder, während die Nacht davonlief.

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 07:56 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Alfred schreckte aus dem Sessel hoch. Er fror. Der verdammte Ofen war schon wieder ausgegangen, er musste irgendwann noch ein wenig geschwächt durch den Alkohol und angestrengt durch das monotone Beobachten eingeschlafen sein. Die Sonne kroch langsam die Horizont hinauf, auch wenn sie von den Wolken verborgen war. Es schneite nicht mehr, aber das Dorf schien noch wie gelähmt, nur wenige Menschen schleppten sich über den Platz und kehrten den Schnee vor ihren Häusern weg. Im Hafen war bereits reger Betrieb, es waren Teile der Förde bereits zugefroren. Ausländische Schiffe versuchten noch schnell die Ladung zu löschen und wieder auf offenes Gewässer zu kommen, wenn sie unter terminlichen Druck standen. Andere machte ihre Schiffe und Boote hingegen jetzt richtig winterfest.

Als Alfred sich umdrehte, sah er, dass Emil die Augen geöffnet hatte und an die Decke starrte. Er sah gesünder aus, seine Wangen waren rosig und er betastete die frische Narbe, die noch an die Schwere der Verletzung erinnerte. "Ich...lebe und fühle mich...gut.", stellte er verwundert fest, als er sich Alfreds Blick gewahr wurde. Emil spürte auch, dass keine Naht seine Wunde zusammenhielt. "Wie lange war ich weg?", fragte er mit sichtlicher Verwunderung in der Stimme. Er wusste auch, dass so eine Verletzung schwer war. "Was ist mit der Solros?" Und schlagartig wurde klar, dass Emils Verletzung wirklich stark gewesen war und er die letzten Stunden in Fieber und Schock verbracht hatte, der einen Teil seiner Erinnerung blockte. "Ich erinnere mich an den schwarzen Danebrog, an Kanonenfeuer, irgendwas passierte dann. Ich sah nur noch Blut und To...Wo sind wir?"
An den Bewegungen und am Gesicht von Emil erkannte Alfred, dass Emil schon eine ganze Weile wach lag. Er sah nicht verschlafen aus, er hatte alle Glieder probehalber bewegt und beherrschte die Bewegungen bereits wieder. Nur dass Aufstehen hatte er sich nicht getraut.


 1. Seneca der Jüngere (http://de.wikipedia.org/wiki/Seneca)
 2. Apatheia (http://de.wikipedia.org/wiki/Apatheia)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 14.02.2012, 17:58:20
Mit einem zufriedenen Lächeln blickte Alfred seinen Bruder an und trat zu ihm in das Schlafzimmer.

"Du befindest Dich zu Gast im Haus der Frau Borggrefe im Kieler Stadteil Gaarden. Wir sind in Sicherheit, Emil, im Moment jedenfalls. Du warst verletzt," antwortete Alfred seinem Bruder. Wieder Worte in seiner Muttersprache wechseln zu können fühlte sich gut an, vor allem, da es sein Bruder war, der die Worte hörte. Alfred rieb seine Handflächen aneinander und legte Emil die Finger auf die Stirn. Das Fieber war verschwunden. Tief blickte Alfred seinem Bruder in die Augen, der verwirrte Blick sprach wesentlich dafür, dass es notwendig war, die Erinnerung des jüngeren Nobels wieder aufzufrischen.

"Aber mittlerweile ist es wieder vorbei. Du hast eine Operation von einem Feldarzt hinter Dir, eine Wunde am Bein. Lass sie mich ansehen," Sprach Alfred weiter, und zog mit Emils Einverständnis die Decke von ihm weg. Nachdem Alfred letzte seinem Bruder die Heilmittel verabreicht hatte, hatte er den Verband vorsichtshalber wieder gewechselt. Die Wunde war nicht geeitert und hatte nur den Umständen entsprechend ein wenig weiter geblutet. Doch der größte Schaden war doch behoben.

"Ich bin zwar kein Arzt," begann Alfred wieder, und schenkte seinem Bruder einen neckischen Seitenblick, "aber ich glaube, auch meine Mittelchen haben Ihren Teil dazu beigetragen. Hier, nimm diese hier," sagte der ältere Nobel, griff nach zwei Ampullen in seiner Weste und reichte sie Emil. "Heilmittel[1] und biotischer Thermoregulator[2]. Stell Dich nicht so an! Du hast Blut verloren und Dir ist kalt, sie werden Dir helfen."

Weiterhin glücklich lächelnd nickte Alfred Emil aufmunternd zu und ließ ihn für einen Moment alleine. Vom Sekretär griff sich der Chemiker vier Reagenzgläser des russischen Rezeptes, trat aus der Wohnung und klopfte an die Tür der Soldatenkammer. Ohne sich in ein Gesppräch verwickeln zu lassen übergab er dem wachhabenden Soldaten die Flüssigkeiten, zwei Briefe und ein paar Geldstücke, mit der Bitte, die Post aufzusuchen und Frühstück für die Nobelbrüder und die Soldaten zu besorgen. Außerdem bat er um die neue Ausgabe der Rendsburger Zeitung und ein Exemplar von Hänels Schrift, fügte jedoch hinzu, dass der Soldat sich keine allzu große Mühe machen sollte, wenn er sie nicht auf Anhieb fand. Bevor Alfred wieder zurück in seine Wohnung ging, zeigte er auf die Gläser in der Hand seines Gegenübers. "Gegen Kopfschmerzen," sagte Alfred nur, zog die Augenbrauen hoch und nickte wissend.

Wieder in der Wohnung kniete Alfred vor den Ofen und warf ihn wieder an.

"Es ist der Morgen des siebten Dezember," rief er in die Schlafkabine zu seinem Bruder, "die Solros-Katastrophe fand in der Nacht zum sechsten statt. Du warst vermutlich die meiste Zeit nicht bei Dir. Als wir Dich an Land gebracht haben, haben wir gesprochen, erinnerst Du Dich? Kurz bevor Doktor Kern Dich operiert hat."

Alfred kam zurück in Emils Zimmer, sein Ausdruck war sorgenbelastet, wirkte jedoch keineswegs kraftlos. Auch wenn er eine unerholsame Nacht hinter sich hatte, fühlte sich der ältere der beiden Brüder durch das Wohlsein des jüngeren belebt und entschlossen, die Umstände anzugehen und die Sache hinter sich zu bringen.

"Die Solros liegt auf Grund," fuhr Alfred fort, "Es gab nur wenige Überlebende. Ich kann nur von Glück reden, dass einige waghalsige Studenten ihr Leben riskiert haben, um meinem Flehen nachzukommen, auf See zu stechen."

Kurz sammelte Alfred seine Gedanken, ehe er weitersprach. In kurzen und knappen Sätzen berichtete Alfred seinem Bruder von dem Angriff auf die Solros und seiner Rettung. Er sprach von dem schwarzen Braunschweiger, wie er den Haftbefehl gegenüber den Nobel Brüdern vortrug und Alfred sich weigerte, dem Herzog ausgeliefert zu werden. Alfred berichtete von Ohlendorf und Himly, und ihrer bevorstehenden Reise.

"Ich hoffe Dein Kopf ist mittlerweile wach genug, das alles zu verdauen," stöhnte Alfred, als er zum Schluss kam, "denn unsere Situation ist nicht rosig. Ich vertraue Himly, ich glaube er kann und will uns helfen. Aber dennoch müssen wir vorsichtig sein."

Bedächtig kratzte Alfred sich am Kinn und hob den Blick zum Gemälde an der Wand. Mit einem Seufzen strich sich Alfred die Kleidung glatt und setzte sich neben Emil auf das Bett.

"Du bist dran, Bruder. Was ist mit Dir geschehen?"
 1. Extract: Cure Light Wounds
 2. Potion: Endure Elements
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.02.2012, 12:51:25
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 08:51 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Die Soldaten dankten Alfred für seine Fürsorge und sagten ihm zu, für ihn die betreffenden Besorgungen und Vorbereitungen zu leisten, und auch Emil tat dies. Alfreds kleinen, chemischen Mittelchen erwiesen sich als Segen in diesem Moment für die unbedarfteren oder angeschlagenen Personen in seinem Dunstkreis. Alkoholbedingter Kopfschmerz, körperliche Gebrechen, gab es denn noch irgendwas, was die Chemie nicht zu heilen im imstande war? Diese Frage mochte man sich allen Ernstes stellen und man fand für gewöhnlich schnell Antworten. Zum einen waren dort geistige Schädigungen, welche noch nicht vollends geheilt werden konnte und die Chemie barg ihre eigenen Gefahren. Was heute noch ein Segen sein mochte, konnte grobe gesundheitliche Nachteile am nächsten Tag bringen, wenn man aus Versehen das falsche Präparat verabreichte oder man könnte die Chemie auch für furchtbare Dinge nutzen, für wahrlich furchtbare Dinge. Wissenschaft ließ sich von manchen mit Tugend in Zusammenhang bringen. Jeder wissenschaftlicher Erfolg konnte ein menschlichen Segen sein, wie eine weise genutzte Tugend ein Segen für einen oder mehrere Menschen war, doch beides konnte überstrapaziert, ausgebeutet und korrumpiert werden. Aus zu viel Tugend konnte Sünde oder Leid erwachsen und dasselbe galt für die Wissenschaft. Manche gingen soweit, dass sie Wissenschaft und Tugend für untrennbar hielten, während andere, wie Himly schon sagte, glaubten, dass die Wissenschaft frei davon sei[1]. Es blieb eine schwierige Frage, die man alleine in Emils Augen zu lesen konnte, als er trotz ehrlicher Dankbarkeit mit viel Widerwillen die von Alfred gemixten Mittelchen zu sich nahm. Wie auch Alfred kam Emil aus einer Hause, in dem die Gefahr solcher Experimente deutlich gegenwärtiger war als in einem gewöhnlichen Kieler  Durchschnittshaus. Die Faszination war groß, aber die Gefahr bekannt. Er schluckte beide Mittelchen schließlich runter, um gegen die restliche Schwäche und die Kälte anzukommen.

Emil richtete sich in seinem Bett auf, ließ die Decke jedoch trotz des Thermoregulators über den Beinen. Er blickte in seinen Schoß. „Ich weiß es ehrlich nicht, Alfred. Ich…erinnere mich an die Schüsse auf die Solros. Auf einmal war dieses Schiff hinter uns. Wir dachten erst, es würde mit uns einlaufen, auch wenn es merkwürdig aussah. Mit Eisen verstärkt…nein, aus Eisen war es, und da war dieser Schotte an Bord, der verdammt viel darüber wusste. Er erzählte uns, was für ein Monstrum dieses Schiff war und wir hörten ihm gebannt zu. Es sei das erste komplett Schiffs aus Eisen der Dänen war, stark wie 700 Pferde und es schaffte angeblich mit diesem Motor bei jedem Wetter um die 11 Knoten[2]. Ja, er erklärte uns, dass es in Glasgow[3] gebaut wurde, und er deswegen kannte. Es trotz des Eisens drei Masten und starke Segel hatte, um Kraftstoff zu sparen und den Wind bei gutem Wind nutzen zu können. Er war gerade dabei, uns zu erklären, dass sie vier wahnsinnige 60-Pfund-Kanonen an Bord hatte. Er hatte uns von allen technischen Daten erzählt und so waren wir ins Gespräch gekommen. Ich erinnere sie noch alle. Länge: 57 Meter; Breiteste Stelle: elf Meter; Tiefgang: dreieinhalb Meter, die Dampfmaschine mit einer Leistung von 520 Kilowatt, die absolute Reichweite des Schiffes von 1150 nautischen Meilen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8 Knoten[4]. Ja, ich erinnere mich sogar noch an den Ingenieur, der dieses Schiffs entworfen haben soll. Cowper Phipps Coles[5]! Er war gerade dabei, von den Kanonen zu erzählen, als sie zündeten. Dann ging alles drunter und drüber. Ich spürte einen Schmerz, dann wurde alles rot um mich herum, dann schwarz. Und jetzt…jetzt sitze ich vor dir.“ Emil wirkte aufrichtig und schien insofern verzweifelt, dass er sich versuchte mit Gewalt an irgendetwas dazwischen zu erinnern. Alfred kannte dieses Verhalten seines Bruders zu gut. Wenn er unsicher war, warf sich sein Bruder in das einzige, was ihm neben der Familie geistige Sicherheit gab. Er klammerte sich an technische Daten und die Mathematik, da diese Dinge faktisch waren und Grundkonstanten des menschlichen Lebens war, gerade in der Mathematik. Ein definierter Zahlenbereich oder eine Zahl mochte in unterschiedlichen Kulturen und Sprachen unterschiedlich bezeichnet werden, aber das was hinter der Zahl 2 beispielsweise stand war eine alles durchdringende Wahrheit. Bezeichnungen, Wortklaubereien, Streit, nichts änderte etwas daran, dass eine 2 im Wesen eine 2 blieb, ganz anders als Begriffe wie Schuld, Unschuld oder alle Spielarten der Moral. Es gab Emil Sicherheit, auch wenn es nur ein schmaler Strohhalm in dieser Situation war[6]. Emil schien nicht wirklich beruhigt.

Alfreds jüngerer Bruder hatte aufmerksam zugehört und als Alfred schließlich seine Ausführungen beendet hatte, die Emil mit einem Nicken oder einem schockierten Blick kommentierte, sackte er zusammen und ließ sich wieder ins Bett fallen. Wortlos rannen ein paar Tränen über seine Augen und bevor er etwas sagen konnte, klopfte es bereits an der Tür. „Herr Nobel. Ihr Frühstück und die anderen Besorgungen.“ Röschmann überreichte Alfred die Besorgungen, welche er alle erledigen konnte, einschließlich des kleinen Traktates von Albert Hänel[7]. Er lächelte freundlich mit seinem skelettartigen Kopf und bedankte sich noch einmal für das schmerzlindernde Mittelchen und betonte, wie hilfreich es an diesem Morgen gewesen sei. All das tat er in seiner typisch nuscheligen Sprache, eher er dann wieder seines Weges zog.

Gemeinsam frühstückten Emil und Alfred. Auf einem einfachen Holztablett lag eine Zeitung und Hänels Traktat in einer etwas verblätterten und sehr einfachen Druckausgabe. Darauf lagen zwei Teller und zwei Messer. Etwas Käse, der einen starken Geruch entfaltete[8] und ein kleines Gläschen mit einer dunklen Geleemasse, welche marmeladenähnlich war. Auf dem Gläschen stand Fliederbeergelee[9] in eine feinen Handschrift geschrieben darauf. Eine metallene Kanne mit einem dampfenden Saft fand sich auch darauf. Es roch ähnlich wie das Gelee. Dazu gab es relativ geschmackloses Graubrot. Jemand hatte sich dennoch Mühe mit dem Frühstück gemacht, denn ein starker Käse brauchte kein geschmackvolles, kräftiges Brot und das säuerliche, wenig süße Fliederbeergelee ergänzte den mild-würzigen Käse sehr gut. Das dampfende Getränk wärmte zusätzlich, auch wenn es Emil augenscheinlich ein wenig zu sauer war und er vom beistehenden Zuckerpott reichlich Gebrauch machte.

Die Stärkung kam Emil zu Gute und er nutzte die gefräßige Zeit des Schweigens, um sich Gedanken über das zu machen, was Alfred ihm offenbart hatte. „Ich wurde erpresst…“, presste er schließlich peinlich berührt zwischen den Lippen hervor, dass Alfred es kaum hören konnte. Vorsichtig goss er sich vom warmen Fliederbeersaft ein und kippte wieder vier Löffel Zucker in das säuerliche Getränk. „Sie kamen kurz vor unserem Aufbruch. Eine Französin, sie stellte sich als Erica Lavalle vor. Eine sehr anmutige Frau mit glänzend roten Haaren, vielleicht ein bisschen freizügig. Sie sprach fließend russisch und zeigte Interesse an einer Zusammenarbeit. Ich vereinbarte ein Treffen mit ihr. Ich…ging alleine. Vater hat immer dich für alles in Rat gezogen, aber nie mich. Ich wollte nur zeigen, dass ich nützlich sein kann, Alfred!“ Emil blickte Alfred mit traurigem Blick an. „Ich habe euch nicht Bescheid gesagt und so ging ich alleine. Wir trafen uns in einem Haus nahe des Smolny-Klosters[10]. Sie sagte, dass sie einst dort gewesen wäre und sie gerne in der Nähe des Gewohnten bei Verhandlungen sein wollte. Ich hatte zugesagt. Das Gespräch…es war eine kleine, kalte Wohnung. Sie wirkte schmutzig und nur halbherzig bewohnt. Die Tapeten fielen langsam aufgrund der Feuchtigkeit herab, sie fühlte mich unwohl. Sie versuchte mich zu beruhigen, da ich mein Unwohlsein schwerlich verbergen konnte. Ich blieb, obwohl alles in mir schrie, diesen Ort zu verlassen.“
Er hielt seine Nerven beisammen und trank einen weiteren Schluck.
„Sie hielt mich interessiert. Sie wusste viel von Technik und gab mir dadurch das Gefühl, dass ich der richtige Ansprechpartner sei. Sie wollte sich unsere Dienste sicher, und dass sie ein interessantes Projekt in Frankreich für uns hätte und dass sie interessante Daten von Giovanni Luppis[11] hätte, irgendwas über seine Torpedos[12]. Es interessierte mich brennend, ich blieb.
Und während wir Belanglosigkeiten austauschten und ich versuchte, das Eis zu brechen, überwältigten mich zwei Hünen. Ich weiß nicht, wie sie so an mich rankamen…Das Gespräch, es war nun ein anderes. Ein völlig anderes! Diese Erica, sie schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht und bedrohte mich. Sie schrie mich an, warum Alfred Nobel nicht erschienen sei, sondern nur ich, der nichts wert sei…“
Emil blickte wieder in seinen Schoß und wagte es nicht seinen Bruder anzuschauen. Augenscheinlich fühlte er sich sichtlich schwach.
„Dann meinte sie, dass sie dann wohl das „Beste“ daraus machen müssten. Sie drückten mir einen Vertrag in die Hand. Ich wusste nicht, was ich damit sollte. Sie sagten, dass ich ihn zu einem Mann bringen sollte, der in Schleswig residiere. Wenn ich das nicht täte…drohten sie Vater und dich zu töten, Alfred. Ich konnte nicht anders! Ich verbarg den Vertrag und versuchte mich normal zu benehmen. Ich wollte ihn hier nur nach Kiel bringen und dann sofort nach Schleswig aufbrechen. Der Adressat heißt Christian Julius de Meza[13], er würde den Vertrag in Empfang nehmen.“ Verzweiflung trat in die Augen des jungen Mannes. „Wenn der Vertrag de Meza nicht erreicht…werden sie uns töten wollen, Alfred! Uns und Vater!“
Jetzt weinte der junge Mann wieder.
 1. Wirkliche Wissenschaftsethik (http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftsethik) entwickelt sich im universitären Umfeld jedoch erst ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Unterschwellig gegenwärtig ist sie natürlich gerade in der Industrialisierung je nach sozialer, imperialer oder ökonomischer Schule.
 2. Knoten (Einheit) (http://de.wikipedia.org/wiki/Knoten_(Einheit))
 3. Glasgow (http://de.wikipedia.org/wiki/Glasgow)
 4. Gemeint ist hier die Rolf Krake (http://en.wikipedia.org/wiki/Rolf_Krake_(warship)).
 5. Captain Cowper Phipps Coles (http://en.wikipedia.org/wiki/Cowper_Phipps_Coles)
 6. Emils Gedankenwelt ist ein undefinierter Vorgriff auf den mathematischen Realismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Realismus_(Philosophie)) nach Kurt Gödel (http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Gödel) und Paul Erdős (http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Erdős) und ein Rückgriff auf den klassischen Realismus nach Platon (http://de.wikipedia.org/wiki/Platon) - Er besagt, dass mathematische Gegenstände (Zahlen, geometrische Figuren, Strukturen) und Gesetze keine Konzepte sind, die im Kopf des Mathematikers entstehen, sondern es wird ihnen eine vom menschlichen Denken unabhängige Existenz zugesprochen. Mathematik wird folglich nicht erfunden, sondern entdeckt. So wird dem objektiven, also interpersonellen Charakter der Mathematik philosophisch Rechnung getragen.
 7. Hier nochmal der Link: Albert Hänel - Aus Schleswig-Holstein an das Preußische Haus der Abgeordneten. Von einem bisherigen Mitgliede der deutschen Fortschrittspartei in Preußen und jetzigen Schleswig-Holsteiner (http://books.google.de/books?id=82gMAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false)
 8. Tilsiter (http://de.wikipedia.org/wiki/Tilsiter)
 9. Schwarze Holunder (http://de.wikipedia.org/wiki/Fliederbeere)
 10. Smolny-Kloster (http://de.wikipedia.org/wiki/Smolny-Institut)
 11. Giovanni Luppis (http://de.wikipedia.org/wiki/Giovanni_Luppis)
 12. Torpedo (http://de.wikipedia.org/wiki/Torpedo)
 13. Christian Julius de Meza (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Julius_de_Meza)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.02.2012, 15:13:44
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:30 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Büro von Gustav Karsten

Gustav Karsten[1], der deutschlandweit bekannte Professor der Mineralogie und Physik, lief durch sein Büro. Weite ausholende Schritte, welche die Nervosität offenbarten, welche eigentlich seinem neuen Mitarbeiter anzumerken sein sollte. Er kraulte sich den Bart, glättete seine langen Haare, zupfte an seiner Brille, blickte von seinem Fenster aus auf die Förde, die seit diesem Morgen wieder bevölkert war. Die Vollsperrung des Hafens war aufgehoben wurden, auch auf Druck der Reeder und auf den Druck von Professor Karsten. Diese Vielzahl an Ereignissen ließ den Professor unruhig sein, denn er war Politiker und zudem Direktor des Eichwesens nördlich der Elbe. Seine Verbindungen in die Politik und gerade in preußische Gefilde waren bekannt und nun hatte er einen neuen Dozenten geworben, aus dem städtischen Herzen Preußens. Er hatte gleich versucht zu zwei Dozenten werben und die Physik zu vergrößern, neben Samuel Weissdorn hatte er ein großes Interesse an dem überaus begabten Absolventen Leo August Pochhammer[2] gehabt.
Das machte ihn vielleicht auch zurecht nervös, denn obzwar die Dänen ihm nur einen neuen Dozenten zuließen, kam dieser noch immer aus Berlin und er würde gleich seine Antrittsvorlesung geben.
"Haben Sie alles vorbereitet, Herr Weissdorn? Haben Sie alle Papiere, alle Gedanken und alle Nerven beieinander?", fragte der nach draußen schauende Professor in seinen Rücken. "Wir haben heute einen sehr wichtigen Tag. Da sollten wir nichts, aber absolut nichts dem Zufall überlassen. Das Auditorium ist geeicht, wenn Sie es so ausdrücken wollen, Herr Weissdorn, und ich wäre sehr beruhigt, wenn Sie das zu nützen wüssten."
Der Professor kam selbst aus Berlin und hatte noch immer einen guten Draht dorthin, das war vielen ein Dorn im Auge. Deshalb hatte der Professor nur ausgewählte Studenten und Dozenten zur Eintrittsvorlesung eingeladen und dies damit begründet, dass nur ein begrenzt großer Hörsaal zur Verfügung stünde. Alle anderen wurden sollten über das Wochenende renoviert oder es sollten dort kleinere Schäden behoben werden, doch ein Großteil der benötigten Materialien, die dafür angeschafft wurden, blieben verschollen, die Arbeiter tauchten nicht auf oder es gab bürokratische Verfahrensbehinderungen. Professor Karsten war berühmt dafür, die mechanismen der Bürokratie zu beherrschen und er hatte in der Chemie und der Jurisprudenz mächtige Verbündete, die Professoren Carl Himly und Albert Hänel. Zusammen waren sie sowas, wie das subtile Schreckgespenst dänischer Verwaltungsversuche. Aber man durfte sich nicht täuschen, viele Studenten und Jungdoktoren kannten den Kampf der 48er gar nicht mehr oder strebten diesem entgegen oder verstanden ihn schlichtweg nicht, oder was viel schlimmer war: sie waren prodänisch. Der Professor hoffte, dass er in Weissdorn eine gute Wahl getroffen hatte, doch die letztendliche Ungewissheit darüber, sie ließ ihn zusätzlich an Nervosität gewinnen.

"Schauen Sie sich die Förde an. Endlich fahren wieder Schiffe und verhindern zumindest kurzfristig, dass eine Fahrrinne frei bleibt. Stellen Sie sich das vor, da versucht ein einfacher Soldat einem Meeresforscher zu erzählen, dass eine geringe Menge Schadstoffe reichen würde, um eine ganze Förde, ein dauernd in Bewegung seiender Wasserkreislauf, zu einem gefährlichen Gebiet zu machen und im Dialog beruft er sich dann auf das Lametta auf seiner Schulter. Autoritätsargumente[3], mein lieber Herr Weissdorn, sparen Sie sich diese bitte. Sie wissen schon, dieses «Wasser kommt nur in flüssiger Form vor und das ist deswegen richtig, weil ich einen Doktor vor meinem Nachnamen trage.» Dieses Beispiel mag trivial klingen, aber Sie werden in Ihrer kurzen und doch so beeindruckenden Laufbahn genau diese Erfahrung gemacht haben, dass frevelhafte Wissenverschachteler so tun, als würde ihr Rang ihr Unwissen korrigieren. Kennen Sie den Eramus von Rotterdam[4] und sein moriae encomium[5]? Ein wirklich großartiges Buch und es zeigt uns, dass die Wissenschaftler, Theologen und Politiker im 15. und 16. Jahrhundert nicht anders waren als sie heute auch sind. Das Ziel kann es also nicht sein, mein lieber Herr Weissdorn, ein Wissenschaftler zu sein, sondern sich als solcher von der grob, unschlachten Masse abzuheben, sowohl in der Qualität als auch im Schaffen. Ihre ungewöhnliche Vita ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.", bemerkte der Professor und befühlte damit die Verfassung seines neuen Schützlings, in dem er ihm einen wohlgemeinten Rat mit auf dem Weg gab. "Ich sage ja auch nicht allein: ich bin Meeresforscher, deswegen ist dies mit der Förde Schwachfug. Ich lege auch die Beweise dafür vor, weil intelligente Menschen machen sich nichts aus Autoritätsargumenten."
Samuel hatte schon gehört, dass Gustav Karsten ein Mensch war, der sich viel und gerne rechtfertigte. Das brachte politische Partizipation wohl mit sich und zudem war er einer der Nachfolger des großen Kieler Ehrenbürgers Christoph Heinrich Pfaff[6], welcher aus einer großen Forscherfamilie kam, das Apothekenwesen reformiert hatte und auch sonst noch immer präsent in Kieler Forschungsleben war, obwohl er seit inzwischen elf Jahre begraben lag. Jeder verglich Karsten mit Pfaff, obwohl sie unterschiedliche Bereiche in der Physik absteckten und unterschiedliche Charaktere waren. Karsten kam nachdem Pfaff 1845 sein Lehramt aufgab als Zwischenkandidat und übernahm dann 1847 dann die Geschäfte komplett, sechszehn Jahre der Rechtfertigungspflicht im wissenschaftlichen, politischen und organisatorischen Sinne hatten tiefe Furchen im Charakter Karsten entstehen lassen, die ihn für manche sympathisch, für viele aber auch unausstehlich machte.

"Ich hoffe zudem, dass Sie sich schon ein bisschen in das beschauliche Kiel eingelebt haben. Sie sehen ja, es ist wirklich pittoresk[7] während des Winters, wenn man die Kälte zu ertragen weiß. Normalerweise ist es hier im Winter aber angenehmer als in Berlin, das kann ich Ihnen versichern. Wahrscheinlich wird dieses Wetter nur zwei, drei Tage anhalten und dann sehen wir wieder Milde. Aber dann bricht das politische Unwetter wieder los. Lesen Sie jeden Tag fleißig Zeitung? Heute ist es soweit. Man entscheidet im Bund über die Bundesexekution, das bedeutet, da der dänische König auf Fürst im deutschen Bund ist, kann er bezüglich Holsteins wie ein deutscher Fürst behandelt werden und nicht wie ein dänischer König, zumindest rechtlich. Und so kann er dazu gebracht werden, wie ein Hund zu spuren, wieder nur rechtlich. Aber das wäre ein wichtiges Zeichen, ich würde es fast schon als politisches Fanal[8] bezeichnen. Sie sehen, heute ist ein bedeutender Tag. Ein Tag, der vielleicht über Krieg oder Frieden entscheidet. Ja, lassen Sie mich das zitieren, was mein alter Geschichtslehrer in seiner ersten Stunde mit uns sagte, als wir den Klassenraum betraten. «Meine Herren, Sie lernen nicht nur Geschichte, Sie erleben Geschichte.» Sprüche, die einen für das Leben prägen. Was halten sie von den politischen Verwerfungen? Sie werden diese...Sache sicherlich beobachtet habe, als Sie sich für Kiel entschieden, nicht wahr?"
Der Professor drehte sich wieder um und setzte sich auf seinen Stuhl und nahm einen Bleistift, mit dem er zu hantieren begann, gespannt wartete er auf eine Antwort, während die Sekretärin schon warmenen Hagebuttentee brachte und Samuel und Gustav eingoss und jeweils zwei Kekse dazulegte. Mit einem Nicken entließ Karsten die Sekretärin und widmete sich wieder Samuel. Dieser konnte sehen, dass dem Professor kalt war, was aufgrund der niedrigen Temperatur nicht verwunderlich war. Der kleine Ofen, der in diesem tristen Raum, der Schreibtisch, drei Stühlen und einem ächzenden, wandlangen Bücherregal zu bestehen schien, der einzige Akzent war, konnte kaum etwas daran ändern, auch wenn die Temperatur in Karstens Büro verglichen mit der im Hörsaal schon als tropisch bezeichnet werden konnte. Der kleine, dünne Professor nahm vorsichtig einen Schluck vom heißen Tee.
 1. Gustav Karsten (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Karsten)
 2. Leo August Pochhammer (http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_August_Pochhammer)
 3. argumentum ad verecundiam (http://de.wikipedia.org/wiki/Autoritätsargument)
 4. Erasmus von Rotterdam (http://de.wikipedia.org/wiki/Erasmus_von_Rotterdam)
 5. Lob der Torheit (http://de.wikipedia.org/wiki/Lob_der_Torheit)
 6. Christoph Heinrich Pfaff (http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Heinrich_Pfaff)
 7. malerisch
 8. Fanal (http://de.wikipedia.org/wiki/Fanal)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 16.02.2012, 20:01:41
Conrad selbst hält auch von Söldnern nichts und die Kritik von Carl hatte schon etwas. Erst musste Mr. Munro erklären, wem seine Loyalität nun tatsächlich galt. Conrad selbst hält sich erst einmal zurück. Er schaute gespannt zwischen Carl und Mr. Munro hin und her.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 16.02.2012, 20:49:36
Es schien tatsächlich eher, als wäre Samuel der Direktor und Karsten der neue Dozent: Während sein neuer Arbeitgeber nervös auf und ab lief, saß Samuel ruhig und selbstbewusst im Stuhl und hörte sich die Worte des Wissenschaftlers an. "Autorität", erklärte er, "entsteht aus drei Quellen: Der Wahrheit, der Hilflosigkeit oder aus sozialer Vereinbarung."

Er lächelte, eher um sein Gegenüber zu beruhigen, als aus Amüsement. "Da die Studenten kaum gefesselt und geknebelt sein werden, kann man Hilflosigkeit wohl ausschließen. Soziale Vereinbarung benötigt das Einverständnis beider Seiten, so wie bei einem Priester, der im Tausch für Autorität ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Doch der Grund für die Studenten, die Vorlesung zu besuchen, sollte der Hunger nach Wissen und Wahrheit sein. Würde ich mich also auf irgendetwas anderes als auf Erkenntnis berufen, würde ich zwangsläufig scheitern - oder ein Pfaffe im Gewand eines Wissenschaftlers werden, was für mich persönlich dem Scheitern gleichbedeutend wäre."

Samuel ließ seine Worte ein wenig im Raum stehen, bevor er weiter sprach. "Aus eben diesem Grunde habe ich auch keine Mitschrift. In vielen Köpfen steckt der Irrglaube: Was geschrieben steht, muss wahr sein! Brächte ich Papier in die Vorlesung, würde ich den Eifer des Hinterfragens bremsen. Alles, was ich benötige, ist ein durchdachtes Thema und das Wissen in meinem Kopf, der Rest ist logische Fortführung."

Mit einem Blick aus dem Fenster nickte er Karsten beruhigend zu. "Ich habe die meisten Winter meines Lebens ohne den Schutz von vier Wänden verbracht, insofern ist dies mehr Wärme, als ich zu dieser Jahreszeit gewohnt bin. Machen Sie sich um mich keine Sorgen - ich passe mich den Notwendigkeiten an, wie sie kommen, ob in einer Vorlesung, bezogen auf das Wetter oder auf die Politik. In letzterem verfolge ich die Geschehnisse natürlich, doch haben sie bisher wenig Einfluss auf mein Handeln. Was auf der politischen Bühne geschieht, ist ein Schauspiel von solcher Komplexität, dass sich durch einen begrenzten menschlichen Geist kein sicheres Ergebnis ableiten lässt, nur Wahrscheinlichkeiten. Doch was nützt mir die geringere Wahrscheinlichkeit eines Krieges an einem anderen Ort, wenn ich dort von einem Halunken nächtens überfallen werde? Welche Dinge uns erwarten, lässt sich niemals genau sagen, und so gehe ich stets den Weg, den ich für den Richtigen halte, auch wenn die Umstände ungünstig wirken."

"Wenn Sie meine Meinung hören wollen, so sage ich: Ein Krieg ist sehr wahrscheinlich. Wir sind inmitten eines Labors mit brodelnden Flüssigkeiten, von denen einige äußerst explosiv sind. Es sind die Fähigkeiten der politischen Chemiker, und ihre Schnelligkeit im Handeln, die über Glück und Unglück entscheiden werden. Oh, und natürlich ihr Wille. Den einen oder anderen wird es geben, der sich auf die Explosionen freut."

Samuel beobachtete Karstens Reaktionen ein wenig, während er sprach. Allzu viel Aufmerksamkeit schenkte er ihm nicht, da er sich recht sicher war, den richtigen Ton getroffen zu haben - aber vielleicht konnte er dennoch ein paar wichtige Rückschlüsse ziehen.[1]
 1. Sense Motive: 15 (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6648.msg762215.html#msg762215)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 17.02.2012, 21:21:11
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:35 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Büro von Gustav Karsten

Es war nur noch eine Dreiviertelstunde, dann würde Samuel Weissdorn seine erste Vorlesung halten. Was würden die Studenten davon halten? Was würden die Dozenten davon halten? Spielte es eine Rolle, was altgediente Professoren wie Carl Himly oder Gustav Karsten davon hielten, solange die Vorlesung selbst keine bodenlose Frechheit oder ein Affront war?
Gustav legte den Bleistift nieder und blickte zu Samuel, wobei der rechte Fuß weiter nervös auf dem Boden tippelte. Es war nicht so, dass Samuels stoische Ruhe den Professor zu mehr Unruhe veranlasste, aber er kontrastierte den Professor doch bezeichnend.
"Autorität ist ein sehr komplexes Thema, mein lieber Herr Weissdorn, aber grundsätzlich vermag ich Ihnen recht zu geben. Sie brauchen eine gewisse Natürlichkeit, um sich die Autorität zu wahren, die Sie benötigen. Eine beflissene Lockerheit, gerade da der Wissenschaftskritiker vor dem Herrn im Raum sein wird. Ich möchte Sie nicht nervös machen, aber Sie kennen den Ruf von Carl Himly sicherlich?" Gustav strich sich mit der linken Hand durch den Bart und tippelte mit den Fingern der rechten Hand rhythmisch auf dem hölzernen Schreibtisch, während er sich den neuen Dozenten besah.
"Da benötigen Sie wahrlich ein durchdachtes Thema und das Wissen und eine gewisse Rhetorik, wenn Sie nicht mit Papier glänzen können. Papier ist den meisten Menschen nämlich heilig. Sie sehen es im Rahmen der menschlichen Entwickung und im Speziellen in der wissenschaftlichen Entwicklung. Von der oralen Tradierung zur schriftlichen und bleibenden Weitergabe von Wissen. Ihre aufgezeichneten Vorlesungen lassen sich nicht nur so archivieren, sie können sogar schneller und eher Vorlage Ihres nächstes Hauptwerkes sein. Aber wenn Ihnen der spontane Impuls wichtiger ist, dann kann ich das respektieren. Sich dann nicht vom Moment davongleiten zu lassen, wie ein Ikarus[1] der Aeronautik[2], ist eine formidable Kunst, mein lieber Herr Weissdorn."
Gustav Karsten zeigte ein nüchternes Lächeln und Samuel spürte, dass der Professor ihm gegenüber nicht missgünstig, aber auch nicht wirklich wohlwollend war. Dieses Gespräch war kein lockeres Gespräch, aber ebenso wenig ein stocksteifes, auch wenn der Professor so wirkte. Seine Nervosität war eine durchaus untergründig Strenge und so langsam konnte Samuel dies in den Worten des Professors erkennen.
"Das Schicksal eines Albrecht Ludwig Berblinger[3], dem Flugpionier, soll ja keiner teilen. Als Held gefeiert und dann eben ein Ikarus seines Faches geworden. Aber ich habe da einiges Vertrauen in Ihre Person, dass Sie nicht solch ein Schicksal für sich erwählen."

Der Professor stand wieder auf und blickte aus dem Fenster, ließ sich ein paar Sekunden Zeit, ehe er weiter antwortete. Kurz kaute er an einem Fingernagel, ehe er wieder auf die teilgefrorene Förde schaute. "Haben Sie, mein lieber Herr Weissdorn, jemals «Der Einzige und sein Eigentum[4]» von Max Stirner gelesen? Dieses Werk ist unglaublich schwer zu bekommen, da es im Vormärz[5] verboten wurde. Aber Ihre Worte erinnern mich an dieses Werk. Sollten Sie es nicht kennen, werde ich Ihnen die Abschrift eines Kapitels schicken lassen, sobald Sie sich eingelebt haben. Es ist wirklich interessant."
Der Professor drehte sich wieder um und setzte sich wieder hin, einen ruhenden Pol hatte dieser Mann mit seiner kleinen Brille scheinbar nicht, an der er unablässig zupfte.

"Ja, Sie haben zweifelsohne recht. Ein Krieg ist so furchtbar wahrscheinlich, ein Durchkommen der Bundesexekution ist gleichbedeutend mit einer stillen Kriegserklärung an Dänemark und es gibt massig Menschen, die sich auf diesen Knall freuen. Fragen Sie den Professor Hänel danach, der kann Ihnen ein Lied davon singen. Das müssen wir in Betracht ziehen und deswegen ein freundliches Wort der Warnung, mein lieber Herr Weissdorn. Sie haben offiziell einen dänischen Dienstherren, da Christian IX. der Herzog von Holstein ist, auch wenn Sie sicher wissen, dass sich in Schleswig-Holstein ein eigener Herzog ausgerufen hat und vom Deutschen Bund grundsätzlich anerkannt wird. Da Sie sich selbst als überlebensgestähltes Quecksilber bezeichnen, als amorphes Geisteswesen mit einem freien und starken Willen, mögen Sie bitte in Betracht ziehen, dass eine unflätige Äußerung gegen das dänische Haus genauso kritisch sein kann, wie zu liberale Worte einem Preußen gegenüber. Wie versprochen, das Auditorium ist geeicht, aber wir wollen es ja nicht übertrieben. Vor allem gilt dieser Hinweis auch für die spätere Zeit. Unserer Geist ist nämlich leider nicht so frei, wie wir gern hätten. Aber mit Ihrer Metapher des politischen Chemikers haben Sie das sehr gut gefasst, mein lieber Herr Weissdorn. Und dieses Fach muss man doch dieser Tage beherrschen, denn obwohl man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen will, gerade bei diesem kalten Wetter, gilt eine der wenigen Weisheiten, die ich je von einem Literaten gelernt habe. Wie sagte der alte Dante[6] doch so gern. «Der heißeste Platz der Hölle ist für jene bestimmt, die in Zeiten der Krise neutral bleiben.»"
Interessiert blickte der Professor zu Samuel, der zusehends in ein politisches Thema gezogen wurde. Der Professor schien ihn ausquetschen oder auf Glatteis führen zu wollen. Die Nervosität des Mannes konnte nicht darüber wegtäuschen, ganz im Gegenteil, beides stand im engen Zusammenhang.
 1. Ikarus (http://de.wikipedia.org/wiki/Ikarus)
 2. Aeronautik (http://de.wikipedia.org/wiki/Aeronautik)
 3. Albrecht Berblinger (http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Ludwig_Berblinger)
 4. Der Einzige und sein Eigentum (http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Einzige_und_sein_Eigentum) ist das Hauptwerk von Max Stirner (http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Stirner)
 5. Vormärz (http://de.wikipedia.org/wiki/Vormärz)
 6. Dante Aligheri (http://de.wikipedia.org/wiki/Dante_Alighieri)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 17.02.2012, 21:54:47
Erneut zeigte Samuel sein beruhigendes Lächeln. "Von Herrn Himly habe ich selbstredend gehört, und freue mich auf seine Anwesenheit. Ich stelle mich jedem Kritiker und hoffe, dass Herrn Himlys Anwesenheit das kritische Denken der Studenten zusätzlich anreizt. Vieles in meinen Arbeiten fusst auf bewiesenen naturwissenschaftlichen Tatsachen. Was noch Theorie ist, mag entweder bewiesen oder falsifiziert werden, in beiden Fällen ist die Konsequenz ein wissenschaftlicher Fortschritt, den ich als solchen nur willkommen heißen kann. Und verstehen Sie mich nicht falsch: Papier ist auch mir heilig, ohne solches hätte ich in dieser kurzen Zeit niemals so viel über diese unsere Welt lernen können, wie gut meine menschlich anwesenden Lehrer auch gewesen sein mögen. Und ich habe für mich auch durchaus Dinge zu Papier gebracht, als ich die Vorlesung vorbereitete. Doch in der Vorlesung möchte ich, dass die Studenten ihre eigenen Erkenntnisse zu Papier bringen, anstatt nur aufzuschreiben, was ich ihnen vorsage. Nur dann ist garantiert, dass sie verstehen, was sie aufgeschrieben haben, wenn sie ein Jahr später noch einmal einen Blick darauf werfen."

Als Karsten das Werk Stirners erwähnte, zeigte sich sofort Neugier und eine gewisse Begeisterung in seinem Blick. "Über Stirner habe ich mit meinem Doktorvater gesprochen, aber es gelang mir bisher leider nicht, sein Werk in die Hände zu bekommen. Über eine Abschrift würde ich mich sehr freuen. Habt schon jetzt vielen Dank für das Angebot."

Mit den weiteren, auf die Politik gerichteten Worten, seines Gegenübers, zeigte Samuel zum ersten Mal eine etwas deutlichere Reaktion, die jedoch eher für eine intensivere Auseinandersetzung als für Unruhe sprach. Er stand aus seinem Stuhl auf und schritt auf und ab. "Die Erklärung, von der ihr sprecht, wird meiner Ansicht nach zweifelsohne kommen. Sicher ist in der Politik sehr wenig, und es mag noch Überraschungen geben, aber eben das: Ich wäre überrascht, wenn sie nicht käme. Ob das gleich am ersten Tag zum Krieg führt, oder die Sache noch eine Weile schwelt, wird sich zeigen. In letzterem Fall bestehen vielleicht noch Chancen, großes Leid zu verhindern. Wenn nicht, bedeutet es wohl den Tod von Tausenden."

Es war zu sehen, dass dieser Gedanke schwer auf Samuels Brust lastete. Die Verschwendung menschlichen Lebens, menschlichen Geistes, war ihm zuwider. Er blickte aus dem Fenster und schüttelte den Kopf. "Und doch, den Kopf einzuziehen und die Dinge hinzunehmen kann auch nicht der richtige Weg sein. Hätten unsere Vorväter dies stets getan, würden wir heute in Ketten liegen, wer auch immer unsere Herren wären. Wenn Sie meine Arbeit gelesen haben, Herr Karsten, dann wissen Sie, dass ich mir über die richtige Art und den richtigen Zeitpunkt der Kommunikation und der daraus folgenden Kettenreaktionen im menschlichen Gefüge bewusst bin. Sie können sich sicher sein, dass ich nicht zu jenen gehöre, die eine Explosion herbeiführen wollen, doch wenn es brennt, werde ich vor dem Feuer nicht davon laufen. Auch wenn ich vielleicht wenig Erinnerung an meine Kindheit habe, ist diese Stadt meine Heimat, und ich kam aus gutem Grund hierher zurück."

Samuel blieb stehen, und dachte ein wenig über seine Worte nach. "Siehe da. Wer hätte gedacht, dass ich so entschlossen eine Position einnehme. Aber es gefällt mir, sehen wir einmal, was sich daraus entwickelt."

"Um noch einmal auf Ihr Bild des Ikarus zu kommen. Mein Ziel ist, die Leidenschaft der Studenten zu wecken, den Himmel zu erreichen, doch dabei ihren Verstand ebenso zu wecken, damit sie keinen Absturz erleben. Eben deshalb kann meine Vorlesung nicht einem vorgeschriebenen Pfad folgen, sondern muss auf die anwesenden Personen ausgelegt sein. Dies ist für mich der einzig gangbare Weg der Wissensvermittlung, von vollkommen schriftlichen Werken einmal abgesehen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 19.02.2012, 13:54:59
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:40 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Büro von Gustav Karsten

Der Mineraloge nickte zufrieden und beruhigte sich nun etwas, er ging nun etwas langsamer durch das Zimmer, aber immer wieder zu Förde blickend, als würde er etwas Bestimmtes erwarten. Vielleicht wartete er auf die Ankunft eines Schiffes, doch es war keins zu sehen, welches sich dem Kieler Hafen näherte, so Samuel es von seiner Position aus beobachten konnte. Er richtete sich seine Brille und atmete durch, ging zum Ofen und wärmte sich die Hände, die er vorsichtig dabei rieb.
"Nun denn, das ist sehr erfreulich. Wirklich sehr erfreulich, mein lieber Herr Weissdorn. Da Sie sich den Auswirkungen ihrer Worte bewusst sind, werden Sie Ihre Worte auch weise wählen. Das beruhigt mich in diesen Tagen wirklich außerordentlich."

Gustav Karsten verfiel in ein unangenehmes Schweigen, auch wenn seine Worte zweifelsohne ernst gemeint waren. Es lastete irgendwas auf ihm, was ihm die Kälte in die Glieder fahren ließ und wie ein überdimensionierter Amboss auf seinem Kreuz liegen. Seine Lippen setzten irgendwelche Worte an, er hatte sie bereits geformt und das beginnende Schwingen seines Kehlkopfes entwich in einem wortlosen Ton, der in ein Räuspern überging und dann verklang. Er besann sich darauf zu schweigen und nichts zu sagen, stattdessen drehte der Professor dem Doktor den Rücken zu und blickte wieder zur Förde hinunter[1].
Er versuchte wieder an den Resten des Gesprächs anzuknüpfen.
"Wenn Sie Ihre Vorlesung an die anwesenden Personen auslegen, haben Sie sich eine Liste beschafft, wer unter anderem Ihr Kolleg besuchen wird? Jetzt nicht Person für Person, aber schon von der Masse der Zuhörer?"
 1. 
Motiv erkennen SG 20 (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 20.02.2012, 13:27:52
Donald hörte die Worte des deutschen Adligen. Hielt er ihn bisher für einen Verbündeten, so brachten dessen Worte die Vorurteile gegen diese Bevölkerungsschicht wieder hervor - aufgeblasen und arrogant. Höchstwahrscheinlich bewunderte er auch noch den hinterhältigen Geheimdienstmann, der es wunderbar verstand, Zweitracht in die Herzen zu säen. Er spürte das Drängen der Bestie in ihm, doch er widerstand, ihr freien Lauf zu lassen.

"Söldnermoral", ein spöttisches Lächeln umspielt Donalds Lippen. "Nun, wenigstens gestehn Sie mir Moral zu, Herr von Lütjenburg. Glauben Sie wirklich, ich würde helfen, die Attentäter zu bekämpfen und gegen einen meiner Landsmänner kämpfen, wenn ich zu den Attentätern gehören würde? Verstehe einer die Gedanken eines Deutschen. Nur glaube ich nicht, dass der Anschlag auf Betreibens meines Auftraggebers erfolgte. Durch Verrat ist mir die Möglichkleit genommen worden, meinen Schutz gegenüber meinem Clienten nicht wirksam werden zu lassen - durch Verrat in der Organisation. Es ist für mich eine persönliche Sache geworden, den Verräter zu stellen und die einzige Möglichkeit ist es, ungestört mit meinem Landsmann zu reden, denn in ihrer Gegenwart wird er nicht reden; und schon garnicht in seiner."

Sein Kopf deutete kurz in Richtung des Braunschweigers.

"Ich traue ihm nicht soweit, wie ich ihn werfen könnte. Sicherlich, er ist gut. Ohne Zweifel. Er ist informiert  und ein Meister der Intrige. Und sie hängen ihm an den Lippen, wie die Bienen am Honig."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 20.02.2012, 14:05:13
Die Sache wurde Conrad letztlich doch zu bunt und er ergriff noch vor Carl das Wort gegenüber Mr. Munro.

"Aber was ist Mr. Munro, wenn sie der Verräter sind in der Organisation? Nicht, dass Sie sich spontan entscheiden, dass Sie doch auf Seiten ihres Landsmann wechseln wollen nach einem Gespräch mit ihm zum Beispiel. Ich weiß, dass es Ihnen nicht leicht fallen wird, aber bekennen Sie sich entweder zu Herzog Friedrich oder tragen Sie die Konsequenzen, wenn Sie das nicht tun. Sie müssen eines bedenken: Herzog Friedrich wird wohl bald ein mächtiger Mann werden, wozu brauchen Sie eigentlich dann noch John Baker, wenn Sie auch ihn als neuen Auftraggeber haben könnten? Nebenbei ist es sehr schade, dass Sie denken, dass Ihr Landsmann in unserer Anwesenheit nicht reden wird. Das glaube ich nicht, aber dazu später mehr.

Sie reden sich außerdem gerade etwas um Kopf und Kragen, Mr. Munro, indem Sie Misstrauen gegen den Herrn Braunschweiger schüren wollen. Der Herr Braunschweiger hat nicht meine uneingeschränkte Sympathie, aber eines glaube ich nicht, dass er nämlich Herzog Friedrich irgendeinen Quatsch erzählen würde oder ihn gar anlügen würde. Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, warum er in dieser Angelegenheit lügen sollte. Ich halte ihn Herzog Friedrich gegenüber außerdem für loyal. Doch ihre Loyalität könnte schwanken und steht längst noch nicht fest. Also sagen Sie nun schon: Wie werden Sie sich Herzog Friedrich gegenüber entscheiden."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 20.02.2012, 19:57:43
Carl vernahm die Worte Munros ungläubig und kopfschüttelnd. Was dachte sich dieser Mann eigentlich? Verkannte er den Ernst der Lage oder war er einfach nur ein begnadeter Schauspieler?

"Nehmen Sie sich die Worte Conrads zu Herzen, Schotte und erfreuen Sie sich an deren Freundlichkeit. Langsam aber sicher sorgen Sie dafür, dass es mir nicht mehr möglich sein wird ihnen selbige entgegen zu bringen." Carl stand immer noch neben dem Herzog am Fenster, aber seine Haltung hatte sich deutlich verändert. Blutbesudelt, aber aufrecht und stolz dastehend mit zorniger Miene, wirkte er beinahe wie ein rachsüchtiger Geist, der sich gerade erst vom Schlachtfeld erhoben hatte.

"Halten sie uns eigentlich für bescheuert? Das Attentat galt nicht dem Herzog, das hat Conrad ja hinreichend belegt. Es galt den Gebrüdern Nobel, die - wie sie ja sicher wissen - nicht anwesend waren. Sollten sie sich nun ihren Waffenbrüdern in einem ungewissen Kampf anschließen, der sie nicht einmal ans Ziel bringt? Oder geben sie lieber weiterhin vor vermeintlich mit uns im Bunde zu sein, da Sie genau wissen, dass wir sie früher oder später zu den Nobels führen werden? Ich denke eher Letzteres scheint Ihresgleichen ähnlicher zu sein.

Und erzählen Sie mir nichts von ihren Landsmännern, Sie Stammeskrieger Sie. Man bezahlt Sie gegen wen auch immer zu kämpfen, ob Schotte, Italiener oder Türke - Hauptsache die Münze klingt im Beutel."


Carls Ärger war beinahe stofflich, so wie sehr dichter Nebel. Dennoch blieb er dort wo er stand und wich weder vor noch zurück. Dieser Mann übte den ehrlosesten Beruf aus, den der junge Offizier sich denken konnte und dennoch wagte er in der Position eines Angeklagten dem Braunschweiger eine Unterstellung nach der anderen unterzuschieben.

"Der Herr Major hat eine eigenwillige Art, die uns bis zum jetzigen Zeitpunkt davor bewahrt hatte allzu schnell Freundschaft zu schließen. Aber dennoch ist er ein Mann von Ehre und nicht zuletzt deutscher Offizier, vergessen Sie das nicht!. Er ist über ihre unbelegten Anschuldigungen vollkommen erhaben und dennoch rate ich Ihnen von nun an darauf zu achten, welche Worte sie aus ihrem ungewaschenen Mund entweichen lassen. Sie wissen ja sicherlich wo sie sich befinden und selbst ein kulturloser Wilder wie Sie sollte wohl begreifen, dass Sie hier kaum mehr als geduldet sind und sich entsprechend verhalten sollten. Jemanden wie sie, Herr Munro, würden wir nicht einmal unsere Straßen kehren lassen."

Carl sog hörbar Luft durch seine zusammengebissenen Zähne ein. Während seiner Tirade hatte er kaum atmen müssen, war er es doch gewohnt in einem Atemzug Befehle zu erteilen und Rekruten kurz und klein zu kommandieren. Nun da er sich langsam beruhigte, hoffte er, dass seine Worte Donald eine Warnung sein könnten. Der Schotte verkannte nicht nur die Situation, er verkannte auch seine eigene Position. Wenn er so weiter machte würde man ihn zumindest wegsperren oder mehr. Es wäre bedauerlich, wenn dies geschehen sollte, obwohl der Söldner unschuldig war und sich aus Dummheit oder falschem Stolz nicht auf ihre Fragen einlassen wollte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Donald Munro am 20.02.2012, 23:37:18
"Man bezahlt mich nicht, um zu irgendjemanden zu meucheln. Solche Aufträge übernehme ich nicht. Ich werde als Leibwächter bezahlt - Leibwächter für die Brüder Nobel."

Mehr  sagte Donald nicht mehr.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 21.02.2012, 19:48:08
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 11:58 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog blickte jetzt alarmiert drein, und ging einen Schritt auf den Schwarzen Braunschweiger zu. Er hielt sich mit einer Hand am selben Flügel fest, den Carl von Lütjenburg mit seinem Schlag erzittern ließ, ohne einen bösen Blick oder strenge Worte seitens den Herzogs zu hören. Der Herzog lehnte sich gegen den Flügel und atmete schwer aus, während Carl mit Inbrunst und preußischer Strenge auf den schottischen Söldner einsprach, der seinerseits die Schuld von sich schob und sie dem von ihn so benannten Meister der Intrige in die Schuhe schob. Conrad versuchte auch auf ihn einzureden, wieder eine inbrünstige, flammende Zurechtweisung des preußischen Offiziers, doch der Schotte reagierte lakonisch. Dieses Lakonische trieb dem Herzog den Grimm in die Augen. Der Herzog fühlte sich vielleicht verhöhnt von diesem Schotten, denn er richtete jetzt seinen Körper auf, als würde er jeden Moment lospöbeln wollen, doch der Schwarze Braunschweiger spürte die Situation und sprang in die Bresche, ehe der Herzog sich vergaß und damit jede Form der Haltung vergaß.

"Herr Munro, Ihre Worte mögen Sie selbst zufriedenstellen, aber ich habe Ihnen bei unserem ersten Treffen gesagt, dass Sie ihre Worte nicht mit solcher Einfalt wählen sollten. Ich habe Ihnen die Metapher eines kastrierten Katers angedeihen lassen. Dass war im guten Glauben, dass Ihre Laune aufgrund einer langen Reise und stumpfen Umgangs in schlechten Manieren resultierte. Aber ich habe mich geirrt." Der Braunschweiger stellte sich in fünf Schritt Entfernung vom Schotten aus dem Clan Munro auf, blickte auf dessen Gestalt und dann in dessen Gesicht. "Ich habe mich geirrt, weil Sie sich ganz schön viel herausnehmen. Worauf stützen Sie Ihre Behauptung, dass ich ein Meister der Intrige sei? Warum haben Sie es nötig, meine Ehre anzugreifen, wenn die Ihre in Frage gestellt wird? Ich habe Sie vor diesem Moment gewarnt."
Der Braunschweiger zeigte auf die Schwester und sprach weiter, ohne den Blick vom Schotten zu nehmen. "Die ehrenwerte Schwester ist sogar Zeugin dieses Momentes gewesen. Sie könnte Ihr Fehlverhalten bezeugen und wenn Sie glauben, aufgrunddessen mich nun bloßstellen wollen zu müssen, sollten Sie sehr vorsichtig sein! Da ich Ihren Unwillen sehe, sich ausreichend erklären zu wollen, gebe ich Ihnen jetzt genau fünf Minuten Ihre Unschuld zu beweisen. Wie Sie das anstellen, das ist mir gleich, solange Sie zu keiner Waffe greifen. Sollten Sie diesem Befehl nicht nachkommen, werde ich Sie als politischer Gefangener internieren lassen."

Der Herzog nutzte die Chance, um etwas durchzuatmen und zupfte seinen Kragen zurecht und ließ die Daumen hinter dem Revers. "Nun", sprach er gefasster als er es vor eine Minute noch getan hätte, "ich kann wohl kaum den Worten der beiden Offiziere und des Herrn Rosenstock hinzufügen. Zwar habe ich erlaubt, die Etikette nicht auf die Goldwaage zu legen. Aber jemanden der Zwietracht zu beschuldigen und jene damit selbst zu säen, das ist das Niederste, was ich seit langer, langer Zeit in einem Gespräch zwischen Männern erlebt habe! Erklären Sie sich ordentlich, Herr Munro. Denn solange Zweifel an Ihrem Gewissen und Ihrer Ehrbarkeit bestehen, werde ich Sie nicht mit einem Mann konspirieren lassen, der offenkundig meinen Tod gewollt hat!"

Der Haldane blickte nun auch und blickte Donald mit traurigen Augen an[1]. "Bullocks, lad! You know, how those games are played nowadays. Baker always said himself, that we are the most anachronistic joke in warfare. It is not about the fightin' anymore, it is about dirty games played by dirty rats in parliaments and castles. You were tricked, lad. Baker's an asshole and you were just another sacrificial lamb for his plans."
 1. 
Motiv erkennen SG 19 (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 21.02.2012, 20:56:19
Samuel zögerte sichtlich mit seiner Antwort. Dass der Professor ihm nicht das gesagt hatte, was ihm eigentlich auf der Brust lag, war offensichtlich. Aber vielleicht war im Augenblick einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Gute Vorbereitung war wie immer der Schlüssel zum Erfolg...

"Eine Liste würde mir nicht helfen. Um bei der Metapher der Chemie zu bleiben, die im Grunde gar nicht so metaphorisch ist, nimmt man das Gebiet der Körperchemie mit hinein: Ich muss nicht nur wissen, mit welchen Elementen ich arbeite, sondern auch, in welchem Zustand sie sind, ob sie sich gerade mit anderen Elementen verbunden haben, und so fort. Ich ziehe es daher vor, aus der Situation heraus zu agieren."

Dann blieb er stehen, und sah den Mineralogen direkt an. "Um noch einmal auf unser anderes Thema zu sprechen zu kommen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich nicht einfach nur ein Dozent bin, sondern durch meine Vergangenheit Erfahrungen habe, die sonst vermutlich keine Lehrkraft mit sich bringt. Sollten diese Erfahrungen von Nutzen sein, um für unsere Heimat einzustehen..."

Die Erfahrungen des Samuel Weissdorn, ein ganzes Leben, das ihn von anderen Dozenten unterschied. Ja, das war etwas, das man nicht außer Acht lassen sollte.

Er ließ den Satz unbeendet, dann blickte er zur Tür. "Wenn Sie sonst nichts mehr haben, mache ich mich auf den Weg zur Vorlesung. Wir wollen die Studenten ja nicht warten lassen, jedenfalls nicht zu lange. Ansonsten... sprechen Sie mich einfach an, wenn Sie mich brauchen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 04.03.2012, 16:02:16
Mit entsetzter Miene blieb dem älteren der beiden Brüder nicht mehr übrig als fassungslos aus dem Fenster zu starren. Es war also doch Erpressung im Spiel, doch es war nicht Alfred, dem die Forderung galten - auch wenn sie das ursprünglich vielleicht hätten tun sollen. Emil war der Erpresste, und der Preis ein hoher.

"Es ist alles gut Emil, es wird alles gut,", sprach Alfred seinem Bruder zu und griff nach dessen Hand. Doch die Stimme des Chemikers klang nicht so überzeugt wie er es gerne hätte. Alfred konnte Emil wenig vormachen, es waren beschwichtigende Worte, die sie beide von ihrer Mutter kannten. Der analytische Zweifler in den Köpfen der Brüder sorgte dafür, dass beide den Worten Alfreds nicht unmittelbar glauben schenken konnten.

"De Meza ist General des dänischen Königshauses. Dein Adressat ist kein unwichtiger Mann in den Ländern Schleswig und Holstein. Ich frage mich, ob er das Dokument erwartet", spricht Alfred seine ersten Gedanken aus und klärt seinen Bruder auf, ohne dabei dessen Hand los zu lassen. Alfred schweigt kurz, als er überlegt, den Blick weiterhin leer nach draußen gerichtet beginnt der Chemiker nachdenklich zu nicken.

"Du erinnerst, was Vater sagte, als Ludvig und Robert die Firma übernehmen mussten? 'Was geschehen ist, lässt sich nicht ändern. Was vor uns liegt, durchaus.' Du machst Dir keine Vorwürfe, du lernst daraus. Mademoiselle Lavalle ist eine zwielichtige Person, ich habe schon von ihr gehört. Ich vermute, dass sie am Diebstahl einiger Erfindungen beteiligt sein könnte, ich habe jedenfalls gelesen, dass sie versucht hat, in Kronstadt einzusteigen. Eine schwierige Person."

Alfred wechselte den Blick zu Emil und sah in ernst an. Weder Vorwurf noch Rüge spiegelte sich in Alfreds Augen wider, doch durchaus ein gewisser Nachdruck, die Sache zu begreifen und als geschehen wahrzunehmen.

"Wir reden nicht über das 'hätte' und 'könnte', Emil. Was geschehen ist, führt zu Konsequenzen. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken, welche wir daraus ziehen können. Wir werden vorsichtig sein, und wir werden dafür sorgen, dass wir heil aus der Angelegenheit entkommen."

Diese Worte wiederum klangen überzeugt und bekräftigend, wie die Worte des Nobelschen Vaters.

"Du sagst, sie drohten mit meines und Vaters Leben. Haben sie von Mutter, Ludvig oder Robert gesprochen? Unseren Brüdern gehört nun die Fabrik in Sankt Petersburg, ich bin überrascht, dass sie uns und unser junges Unternehmen als Ziel ausgesucht haben."

Alfred ließ von der Hand seines Bruders ab, stand auf und seufzte tief, während er überlegte und nach der Uhr in seiner Westentasche griff. Bald würden sie zur Universität und dem Treffen mit Himly aufbrechen, bis dahin sollten die Nobels eine Vorstellung davon entwickelt haben, wie sie in dieser Sache umzugehen haben.

"Ich habe den Vertrag versteckt," sprach Alfred, und sah Emil an. "Die Frage steht, was wir mit ihm tun. Wir treffen uns in einigen Stunden mit Professor Himly und einigen seiner vertrauten Kollegen. Wir halten politischen Sprengstoff in den Händen, Emil. Ich will zusehen, ob wir ihn nicht entschärfen können, ohne irgendjemanden damit in die Luft zu sprengen - doch dazu brauchen wir die Meinung von Männern, die sich in dieser Angelegenheit besser auskennen als zwei Schweden aus Russland."

Wieder nickte Alfred, trat an den Sekretär und begann, seine Laborutensilien zu reinigen und abzubauen.

"Doch eine Sache ist noch schleierhaft", begann er seinen letzten Gedanken. "Wer war es denn schließlich, der die Solros angegriffen hat? Ist der schwarze Dannebrog die Flagge dänischer Seperatisten? Wenn ich davon ausgehe, dass Lavalle auch für die Dänen arbeitet, dann stellt sich mir die Frage, ob sich der Befehlshaber der Krake bewusst war, dass er mit seinem Angriff eine dänische Absicht sabotiert hat."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.03.2012, 23:58:16
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 12:00 Uhr - Gut Emkendorf

Donald wollte weiterhin nicht antworten, doch niemand konnte nach den Ereignissen genau sagen, was es nun wirklich war, was den Munro Schweigen ließ. War es die berühmte und so oft berüchtige Sturheit und Störrigkeit eines schottischen Highlanders oder versteckte der rothaarige Schotte seine Niedertracht nur hinter den Angewohnheiten der Highlandsclans? Der Haldane hatte ihn schwer zugesetzt mit seinen Worten und auch wenn seitens des Haldane Berechnung dabei sein sollte, die Worte lösten in dem Herzog etwas aus. Entschieden nickte er.
"Braunschweiger! Ich habe genug von diesem Mummenschanz, den Baker und seine Mannen betreiben. Verhaften Sie auch Donald Munro. Ich lasse mir diese Art der Insubordination nicht mehr gefallen." Der Herzog hob seinen Zeigefinger und fuchtelte damit drohend von Munro. "Sie können auf meinem Titel, meine erblichen Würde und auf allen Attributen, die mir zugesprochen werden, rumtrampeln, Herr Munro! Aber wenn Sie persönlich werden und mich und meine Gäste für dumm verkaufen wollen und diese auch noch gröbstens durch Ihr Auftreten beleidigen, dann ist der Bottich mehr als voll!"

Der Braunschweiger trat auf den rothaarigen Söldner zu und setzte ihn wie den Haldane auch in Fesseln, wobei er die unbequeme Fesselung des Haldanesöldners kopierte. "Ich nehme Sie hiermit in Beugehaft. Aufgrund Ihrer söldnerischen Aktivität und des mangelnden Nachweis einer staatlichen Beschäftigung, werden Sie nicht wie ein politischer Gefangener behandelt werden können. Damit sind Ihre Ansprüche auf eine offizielle Verteidigung solange nicht geltend, bis Sie uns genügend Auskunft gegeben haben oder die Obrigkeit es für richtig empfindet."
Der Braunschweiger setzt bei diesen sehr formalen Worte ein sehr süffisantes Lächeln auf, während der Herzog die anderen Gäste anschaute.
"Entschuldigen Sie dies bitte. Ich konnte mit so einem flegelhaften Benehmen beim besten Willen nicht im Vorfeld rechnen. Ich habe verwahlloste Landstreicher mit besserem Benehmen kennengelernt!" Er atmete tief durch, um sich von dieser Beleidigung etwas zu erholen. "Ich glaube, dass die Wunden zu frisch sind, als dass wir noch etwas herausfinden werden im Moment. Ich schlage also vor, dass ich Ihre Reise nach Kiel vorbereiten lasse und Sie möglichst bald aufbrechen. Ich werde Herrn von Lütjenburg die Befragung des Schotten bei Gelegenheit überantworten, damit Sie sich über die Ergebnisse und deren Richtigkeit keine Sorgen zu machen brauchen. Die Ergebnisse werde ich dann möglichst zeitnah nach Kiel senden. Ist das in Ordnung für Sie?"

Der Braunschweiger zog die Fesseln bei Donald noch ein letztes Mal fester, sodass der Schotte das Gesicht vor Schmerzen etwas verziehen musste. Dann zog er seinen Anzug straff und blickte die Schwester an. "Das mit dem Heilmittel müssten wir lösen, aber da Sie mit Ihrer Loyalitätsbekundung genauso so langsam sind, wie der Schotte, muss ich mir rausnehmen, Sie noch etwas hinzuhalten. Wenn Sie in den Altenstift zurückkehren, werden Sie dort auf einen Freund von mir treffen. Er wird alles weitere bezüglich des Heilmittels gegen die Wundmale übernehmen. Ich schätze, dass Sie und mein guter Freund sich blendend verstehen werden, Schwester." Mit einem höhnischen Lächeln nahm der Braunschweiger die beiden Gefangenen an den Fesselungen und führte sie wie geprügelte Hunde aus dem Musikzimmer.

"Haben Sie noch Fragen oder muss noch etwas geklärt werden?", fragte der Herzog noch einmal. In seinem Blick sah man, dass selbst er manchmal am Benehmen des Braunschweigers zweifelte, denn man sah ein leichtes Kopfschütteln.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 11.03.2012, 01:21:42
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:45 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Büro von Gustav Karsten

Karsten gab Weissdorn die Hand. "Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer Vorlesung. Wir sehen uns dann zu Vorlesungsbeginn." Der Mineraloge drehte dem neuen Dozenten nun wieder den Rücken zu und trat mit dem Händen hinter dem Rücken an das Fenster, um die halb gefrorene Förde zu beobachten, während Samuel Weissdorn sich zu seinem Horsääl aufmachte, doch soweit kam er gar nicht, denn der Professor setzte gerade an, als Samuel an der Tür angekommen war, freilich ohne den Doktor anzuschauen. Vielleicht beobachtete er ihn durch die Spiegelung des Glases, das konnte Samuel nicht mit Sicherheit sagen. "Nicht alleine ihre Vorgeschichte macht Sie interessant, Herr Weissdorn. Ihr Typ macht Sie interessant. Es wird sicher zu gegebener Zeit etwas zu tun geben für Ihren Typ. Sie haben die Probleme unserer Doppeleiche[1] selbst gesehen und sogar in Berlin vernommen, Sie werden zum einen selbst sehen, was zu tun ist und Sie werden auch genügend Chancen bekommen, sobald Sie sich in Ihrer Vorlesung bewiesen haben."
Es war das Schlusswort, dessen war sich Samuel bewusst, sodass er ruhigen Gewissens die Tür wieder ins Schloss ziehen konnte und den kurzen Weg rüber in den Hörsaal antreten konnte.

Gustav Karsten hatte nicht zu viel versprochen, das sah Samuel sofort, als er zwei Häuser weiter in einer Backsteinhalle stand, die einfach in vier Vorlesungssäle aufgeteilt wurden war. Hörsaal 1,2 und 4 waren abgesperrt und weiße Schilder mit der Beschriftung Renovierungsarbeiten hingen daran. Vor dem Eingang zu Hörsaal 3 standen schon mindestens zehn Studenten, welche sich aufgeregt über etwas austauschten und sich darüber der Anwesenheit Weissdorns nicht soweit bewusst wurden, dass sie das Gespräch für eine Begrüßung unterbrachen. Es waren auf jeden Fall wohlhabendere Burschen im Alter über 20 Jahre, die sich herausgeputzt hatten, aber scheinbar keine Zeichen von Burschenschaften und dergleichen trugen. Dennoch wusste Weissdorn, dass es einen Nebeneingang gab und den konnte er in den Hörsaal wählen, um ihn noch einmal zu überprüfen.
75 Sitzplätze präsentierten sich dem Dozenten, noch keiner war besetzt. Einfache Eichenstühle bildeten die Sitzreihe hinter durchgehenden Tischen. Es gab keine Erhöhung in diesem Saal, sodass eine frontale Lesung vor vollem Raum für Dozenten und Studenten gleichermaßen enervierend sein konnten. Auch dem Lesenden stand nur ein einfaches Redepult zur Verfügung und ein einziger Stuhl mit einem einfachen Lederpolster. Nordischer Luxus wurde beißend behauptet. Die Wände waren steril und weiß, es gab kaum einen Schmuck. Nur an der Wand im Rücken des Lesers war die Christiana Albertina[2] an der Wand, stolz verkündete sie ihr Motto: Pax optima rerum. Der Frieden ist das beste aller Güter. Ihr Wort in Gottes Ohr, das mochte so mancher an diesen Tagen denken. Mit stehenden Gästen mochten vielleicht einhundert Zuhörer die Einführungsvorlesung von Samuel Weissdorn hören. Noch eine Viertelstunde, dann würden die Zuhörer eintreten dürfen, Platz nehmen und gespannt warten. Samuel hörte, dass sich vor der Tür langsam mehr Menschen einfanden.

Ein junger Mann stand derweil am Seiteneingang und blickte durch die offene Tür. Er hatte blondes, kurz geschnittenes Haar, welches er nach links gescheitelt trug. Die Versuch war formell, der junge Mann sah sehr verschlafen aus und einzelne Haarsträhnen waren nicht zu bändigen gewesen. Unter seinen kleinen, grünen Augen waren tiefe Augenränder, die von Müdigkeit kündeten. Er trug die Uniform eines holsteinischen Soldaten, sie war jedoch etwas zerknittert, als habe er in ihr geschlafen. "Guten Morgen. Herr Weissdorn, nehme ich an?" Der junge Mann, der vielleicht Mitte 20 sein durfte, hatte er eine bewunderswert ruhige Stimme, wie Samuel befand. Wenn man nicht sein bartloses und jungenhaftes Gesicht sah, würde man ihn anhand der Stimme älter wahrnehmen. "Ich soll Ihnen behilflich sein, wenn Sie noch irgendwelche Vorbereitungen treffen sollen." Er lächelte freundlich, aber müde. Kurz fragte sich, warum ein Soldat in seiner Vorlesung helfen wollte, aber dann fiel Samuel wieder ein, dass viele Studenten sich freiwillig gemeldet hatten, um Holstein gegen Dänemark zu schützen, als die Novemberverfassung publik wurde. Der junge Mann schüttelte lachend den Kopf. "Entschuldigen Sie vielmals die Unhöflichkeit. Mein Name ist Fiete Riensche." Er verneigte sein Haupt andeutungsweise und verbarg den formelle Mütze höflich hinter dem Rücken. Er war eher von kurzem Wuchs, keine 1,65m groß, aber von sehr kräftiger Gestalt. Das konnte auch sein jugendliches Aussehen nicht verbergen.
 1. Doppeleiche (http://de.wikipedia.org/wiki/Doppeleiche)
 2. 
Christiana Albertina (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 11.03.2012, 21:21:34
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 08:57 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Emil beruhigte sich dank der Worte seines bemühten Bruders wieder, auch wenn es wahrscheinlich nur solange anhielt, solange Alfred da war und Emil auf positivere Gedanken bringen konnte. Mit einem alten Tuch aus seiner Tasche trocknete er seine Tränen und stand auf, um aus dem Fenster zu schauen. Er atmete schwer und ließ das restliche Frühstück hinter sich, jeder Schritt schien ihm erst wehzutun, doch schnell begriff Alfred, dass nur die Angst vor möglichen Schmerzen Emil humpeln ließ. Nach wenigen Schritten ging der junge Nobel wieder normal und das schien ihm zudem eine gewisse Sicherheit zu geben, auch wenn Alfred nicht entging, dass seines Bruders Schultern noch immer etwas vor Trauer und Selbstzweifel hingen.

"Ich weiß es nicht, Bruder. Ich habe darüber nachgedacht. Vielleicht waren es Separatisten oder vielleicht waren es die Dänen, die glaubten, dass wir wegen der Verspätung sie zu hintergehen gedachten? Vielleicht ist aber auch de Meza ein Mann, der lieber Frieden will? Ich verstehe diese ganze Politik und dieses Gehabe ganz ehrlich nicht, ich frage mich, wie Vater diese Querelen immer ausgehalten hat, wie unsere Brüder dies tun und wie du es schaffst, dir das Ganze zu betrachten und durchzustehen. Ich würde...wahnsinnig werden.", sagte der junge Nobel halblaut und ließ sich in einen der Sessel fallen, um seine Atmung wieder etwas zu beruhigen. Er spürte, dass er viel Kraft verloren haben musste bei seinem Todeskampf und sie nur langsam wieder regenerierte, trotz magischer Hilfe.
"Oder es haben sich Dinge geändert? Ich weiß es ehrlich nicht."

Emil schloss die Augen, um nachzudenken. Leicht massierte er sich die Schläfen, als würde es das Nachdenken anregen und ihm helfen, sich an die Einzelheiten des Gespräches mit der augenscheinlich mehr als kriminellen Französin zu erinnern.
"Sie haben nicht von unseren Brüder oder Mutter gesprochen. Nicht, dass ich mich erinnern könnte.", sagte er schließlich, doch seine Schultern sanken dabei kurz ein. "Aber das muss nicht heißen, dass sie das nicht in Betracht ziehen, wenn es nicht nach ihren Willen läuft..." Emil richtete seinen Oberkörper auf und öffnete die Augen, wie vom Schlag getroffen. "Oder, Bruder, die Französin hat auch versucht die Dänen mit dem Vertrag zu erpressen und diese dachten, es wäre das leichteste, mich aus dem Weg zu räumen samt des Vertrages? Kann es das sein? Ich mein, wenn sie eine Diebin ist? Industriespionage und solche Verträge stiehlt man nicht, um einen Beweis für die eigenen Fähigkeiten zu haben. Man verdient damit!", zeigte Emil sich nun wieder so aufgeweckt, wie Alfred seinen jüngeren Bruder in Erinnerung hatte. "Was ist, wenn die Dänen im letzten Monat den Handel haben auffliegen lassen oder ihn haben zurückgezogen und es für die Diebe zu spät war, weil ich bereits auf der Solros war? Dann wäre es...", Emil schluckte hart, "nicht verwunderlich, dass versuchen die Solros zu versenken, ehe die Diebe wieder an den Vertrag kommen?"

Bevor Alfred länger über seines Bruders These nachdenken konnte, spürte Alfred eine vertraute Wärme. "...r Nobe.., er..N...,Herr Nobe...? acke..s..e...sammen, schne... g...holt in dre...Min...Sehe...Sie...zu. Packen...sie...Wir...Uni...verstecken..." Dann riss die Verbindung wieder ab und der Ring erkaltete, doch beinahe gleichzeitig hörte Alfred im Zimmer der Soldaten bellende Befehle und eine Menge Schritte. Das Knallen einer Tür, die Treppe knarzte. Ein paar Stiefel spurteten die Treppen herunter, aber selbst aus dem Fenster war die Person nicht zu sehen. Alfred hatte die Stimme nicht erkannt, sie war bärbeißig und dunkel, aber er hatte auch keine Worte verstehen können. Nun hörte er jedoch die Stimme vom Obergefreiten Rix. "Packen! Ausrüsten. Leichtes Gepäck, Bewaffnung. Nächster Halt: Hörsäle am Schloss." Die Wände waren wirklich hellhörig, dachte Alfred, auch wenn Rix ziemlich laut war. Scheinbar um Hammer und Fritz aus dem Bett zu holen. Scheinbar überließ Röschmann Rix diese Aufgabe, oder es war Röschmann gewesen, der die Treppe runtergelaufen war. "Fritz! Sie gehen vor und sichern die Passage am Hafen lang. Das ist der schnellste Weg. Hammer, sie sichern uns den Rücken, achten sie darauf, dass niemand aus Richtung Altenstift uns in den Rücken fällt. Ich führe die Nobels. FRITZ, HÖREN SIE MIR ZU VERDAMMT! IHR SCHEISS SCHUH KANN WARTEN!" "Jawohl!" "Fritz, Sie holen noch zwei Männer von der Hafenwache. Sie sollen uns ab der Garnison folgen in ausreichender Entfernung und die Seitengassen auf dem Weg sichern! FRITZ, VERDAMMTE SCHEISSE!" Alfred hörte ein Knallen, welches wahrscheinlich eine Ohrfeige war. "WENN SIE SICH NOCH EINMAL UM IHREN VERMALEDEITEN SCHUH KÜMMERN, WÄHREND SIE EINEN BEFEHL BEKOMMEN, PUTZEN SIE AUCH DEN REST IHRES LEBEN SCHUHE! VERSTANDEN!?" "Jawohl." "Dann wiederholen Sie den verdammten Befehl!" Alfred hörte, wie Fritz den Befehl ohne Murren wiederholten und dann rüsteten sich die Soldaten aus. Scheinbar war etwas Unvorhergesehenes geschehen.

"Alfred, was ist da los? Wieso müssen wir zu den Hörsälen? Haben sie uns gefunden?", Emil war aufgeregt und durchfühlte seine Kleidung. "Wo ist mein Revolver?", fluchte er, während er aus dem Fenster schaute. Auf einen weißen, unaufgeregten, stillen Dorfplatz mitten in Gaarden.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 12.03.2012, 12:27:22
Verwundert ob der plötzlich lauten Eile zog Alfred die Augenbrauen hoch, verstaute aber in Ruhe das letzte verschlossene Glas in seiner Tasche. Fünf Reagenzien standen noch auf dem Tisch, das selbe Mittel, das Alfred zuvor seinem Bruder gegen die Kälte gegeben hatte. Eines für ihn, vier für die Soldaten.

"Keine Sorge. Wir sind in Sicherheit," antwortete Alfred seinem Bruder, als er nach seinem Laborbuch griff und an das Bett trat. "Wir werden an die Universität verlegt, Professor Himly wartet auf uns. Bist Du bereit? Wir brechen auf."

Flink holte der Chemiker das Dokument aus dem Wandschrank, das Porträt rutschte widerstandslos zur Seite. Wie um sich zu vergewissern, dass es noch das selbe Stück Papier war, faltete Alfred es auf und sah kurz drüber. Ohne ein Wort darüber zu verlieren hielt er es in die Höhe, so dass Emil es sehen konnte. Ein vielsagender Blick wechselte zwischen den Nobel Brüdern, eher Alfred den Vertrag mit einem Nicken wieder zusammenfaltete und in sein Laborbuch legte. Das Buch verschwand schließlich auch in seiner Tasche, eher der Chemiker die Schnallen zuschnappen ließ.

"Du glaubst also, dass Lavalle gar nicht im Auftrag der Dänen, sondern in Eigenregie gearbeitet hat? Gut möglich. Aber wenn Du ihr Mittelsmann bist, fällt es mir schwer zu verstehen, wie sie ihren Lohn einstreichen wollten. Hmm," murmelte Alfred mit nachdenklichem Blick und griff nach seinem Mantel.

"Wie dem auch sei, die Forderungen der Erpresser an uns sind eindeutig, nicht wahr? Sie wollen, dass das Dokument de Meza erreicht. Gleich, ob sie auch Forderungen an die Dänen gestellt haben oder nicht. Es ist möglich, dass der General auch einen Frieden bevorzugt. Wichtig ist aber," betonte Alfred mit Nachdruck, "dass wir heil aus der Sache herauskommen. Wenn wir die Forderung Lavalles erfüllen, werden sie uns nichts mehr entgegenzusetzen haben."

Alfreds Worte klangen wenig überzeugt. Der Schwede war nicht glücklich darüber, sich in einen Handel mit Erpressern einlassen zu müssen, und doch ging es um die Sicherheit seiner Familie.

"Ich habe einen Plan," sagte Alfred schließlich und sah Emil nachdrucksvoll in die Augen, "doch um mich von ihm zu überzeugen, muss ich mit Himly sprechen. Ich will sehen, ob ich uns nicht aus der Affäre ziehen und dennoch dem Schleswig-Holsteinischen Volk einen Gefallen tun kann. Wir werden sehen," wiederholte Alfred sich, griff nach dem Thermoregulator und trank ihn in einem schnellen Schluck hinunter. Seinen Gehstock hängte er sich an die Elle, nahm die restlichen vier Gläser vom Sekretär um sie Röschmann und seinen Männern zu geben. Zwar war der Weg zur Universität nicht weit, doch dem launischen Wetter traute Alfred trotzdem nicht.

Alfred seufzte schwer, ehe er die Wohnungstür öffnete. Doch schnell fasste der ältere Nobel sich wieder, straffte seine Haltung, und lächelte Emil aufmunternd an.

"Ich sehe, was Du meinst. Politik ist ein graus. Wir studieren die Geheimnisse der Natur, erforschen die Kräfte und Wirkungen zwischen Molekülen[1]. Wir bauen Maschinen und Motoren und verstehen, wie sie funktionieren. Wir Nobels beschäftigen uns nun mal lieber mit den einfachen Dingen der Welt."
 1. Im frühen 19. Jahrhundert waren sich viele Chemiker einig, dass Moleküle (http://en.wikipedia.org/wiki/Molecule#History_and_etymology) tatsächlich existierten. Einige Physiker sahen sie nur als abstrakte Modelle um z.B. die Thermodynamik zu beschreiben.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Schwester Hermene am 14.03.2012, 21:55:37
Hermene ließ die Festnahme Munros wortlos über sich ergehen. Und sie empfand es tatsächlich als eine Zumutung, denn richtigerweise sollten solcherlei irdischen Prozeduren nicht vor ihren Augen vollzogen werden, gar ihr Gemüt belasten. Dennoch scherte sie sich freilich einen Dreck darum - ihre Gedanken waren abgeschweift und kreisten um die Geschicke des Stifts. Sie musste schnellstmöglich dorthin zurück, und den Zustand des Patienten überprüfen, möglicherweise die Oberin warnen...oder nein, nicht warnen, sie musste sie als Informationsquelle nutzen. Dann erst würde sie nach Kiel reisen, und wenn sie dafür Loyalität vorgaukeln musste.

Als der Braunschweiger sie schließlich anspricht, richtet sie ihm ihren kalten Blick entgegen. Seine Worte waren es kaum wert, eine Regung zu zeigen, und doch wirkten sie beunruhigend auf die Schwester. Wer konnte dieser Freund  sein?

"Gewiss", quittierte sie knapp. Als sie ihren Kopf wieder in Richtung des Herzogs drehte, ertönte plötzlich ein knirschendes Geräusch vom Boden unter ihr, wie eine schwere Holzdiele oder eine schlecht geölte Tür. Sie schien es nicht zu bemerken, sie schien über die Worte des Herzogs nachzudenken. Schließlich schüttelte sie wortlos des Kopf und signalisierte, dass auch sie bereit zum Aufbruch war.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 18.03.2012, 00:47:01
Samuel sah den Studenten mit undeutbarem Gesichtsausdruck an, und nickte ihm zu. "Ja, das bin ich."

Als sich der Student entschuldigte, lächelte Samuel. "Guten Morgen, Herr Riensche. Die -", er deutete auf die Uniform , "sollten sie aber besser keinen Vorgesetzten sehen lassen. Ich habe gehört, dass man in der Armee sehr streng ist mit solchen Dingen."

Das undeutbare Gesicht hatte sich zu einem Lächeln verwandelt. "Sie könnten mir tatsächlich helfen. Gehen Sie rein, und öffnen Sie die Türen. Lassen Sie die Leute in den Saal, und sagen Sie ihnen, dass ich jeden Moment kommen muss. Verraten Sie nicht, dass ich hier draußen bin. Bleiben Sie an der Tür, bis die meisten Teilnehmer im Saal sind. Dann gehen Sie zum Redepult, und putzen es ab. Ich meine nicht einfach nur ein wenig drüber putzen - wienern Sie es richtig ab, als wäre es Ihr Stiefel vor einer Inspektion vom obersten General. Wenn Sie damit fertig sind, stellen Sie sich hier am Seiteneingang an die Tür, aber innen im Saal. Dort warten Sie - und zwar so lange, bis Sie merken, dass sich eine gewisse Nervosität und Unruhe im Saal breit gemacht hat. Wenn jemand Sie fragt, wo ich bleibe, antworten Sie immer nur, dass ich jeden Moment da sein muss. Wenn Sie die Unruhe merken, dann kommen Sie raus zu mir."

Sein Lächeln wurde noch ein wenig freundlicher. "Und wundern Sie sich bitte nicht über diese Anweisungen. Das Thema ist Psychophysik. Sie sind mein persönlicher Assistent in einem Experiment, in das alle Besucher der Vorlesung eingebunden sind. Aber verraten Sie das bloß nicht."

Während er gesprochen hatte, hatte er dem jungen Mann freundschaftlich, fast väterlich eine Hand auf die Schulter gelegt. Vertrauen, Sicherheit, Geborgenheit - das würde ihn dazu bringen, die Anweisungen genau so zu befolgen, wie Samuel es benötigte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 20.03.2012, 13:09:45
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:46 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Fiete, der junge, noch etwas verschlafen wirkende studentische Soldat oder soldatische Student nickte, ob der Anweisung Samuels und begann sich die Uniform zu richten. Wahrscheinlich hatte er gar nicht auf sein Aussehen geachtet, als er zur Vorlesung gehastet war. "Danke.", sagte er lakonisch, aber freundlich auf die Anweisungen und Hilfestellungen und wartete darauf, dass der Dozent den Hörsaal verließ. Dann ging er langsam zum Haupteingang, überprüfte seinen Scheitel und den Sitz seiner Kleidung, streckte den Rücken durch und öffnete die Tür...

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 08:57 Uhr - Frau Borggrefes Haus, Unter Arrest

Emil nickte schließlich, er vertraute seinem Bruder in der Angelegenheit. Er überprüfte den Sitz der Kleidung und blickte kurz mit zweifelndem Blick in das verschneite Gaarden. In der weißen Pracht würde man über hunderte von Metern in den dunklen Kleidern zu erkennen sein. Der Weg würde wahrlich gefährlich werden, wenn sie nach Kiel laufen mussten. Wie weit es wohl zur Universität sein würde? Emil konnte sich diese Frage kaum beantworten, aber er stellte sie auch nicht. Immerhin würden von der Förde selbst kaum Angriffe kommen. Sie war zwar weitestgehend offen gebrochen, aber frei manövrieren würde man wohl kaum, und wenn es bereits einen Angriff im Hafengebiet gegeben hatte, würde man zumindest eine Wachstaffel für die Bewachung des Hafens eingesetzt haben, und sei es nur, um die Bürger zu beruhigen.

Es klopfte an der Tür, es war Rixens Stimme. "Herr Nobel. Ich würde Sie bitten, so schnell wie möglich ihre Besitztümer zu packen. Wir müssen los." Emil öffnete die Tür und so konnte der Obergefreite Rix sehen, dass Alfred und Emil ihre Sachen schon längst gepackt hatten, was der Obergefreite mit einem breiten Lächeln quittierte. Wahrscheinlich wusste er, dass seine Befehle durch das ganze Haus zu hören waren. Alfred sah an den Augenränder und den leicht zusammengekniffenen Augen des Soldaten, dass er noch etwas mit den Auswirkungen des gemeinsamen Trinkens zu kämpfen hatte. Aber auch für holsteinische Soldaten galt die urdeutsche Feststellung einer Parallelgesellschaft. Dass Privatleben und Berufsleben zu trennen sein und dass der Spaß und die Freude nicht in den Weg der Pflicht kommen durfte. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.
Rix trug selbst bereits einen prall gefüllten Rucksack auf dem Rücken, obwohl er nur leichtes Gepäck ausgegeben hatte. Entweder galt es nur für Hammer und Fritz, oder man wollte besser nicht wissen, was schweres Gepäck für jene Soldaten war. In der linken Hand trug er ein Gewehr. Alfred konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Emil es auffallend genau musterte und ein zufriedenes Nicken von sich gab.

"Dann wollen wir mal.", sagte Rix wahrscheinlich mehr zu sich selbst als zu den beiden Nobelbrüdern. "Wir werden jetzt in die Hörsäle verlegen. Dort werden Sie mit dem Kameraden Schlosser zusammentreffen, und auf den Herrn Himly treffen, der gemeinsam mit Schlosser auf sie wartet." Man hörte wie Fritz halb laufend, halb stolpernd die Treppen runterhastete, damit er die Vorhut stellen konnte. Hammer lachte auf, trat dann zu Rix und übergab diesem einen Säbel und eine alte Pistole. "Hier, Rix. Nimm meinen Säbel mit und die Pistole. Falls sie an uns vorbeikommen, brauchst du mehr Munition." Rix nickte und band sich den Säbel samt Scheide an sein Wehrgürtel und hing die Pistole samt Holster ebenfalls dran. Dann sprintete auch Hammer die Treppe runter, ebenfalls mit einem solchen Rucksack und mit einem Gewehr, welches aber deutlich archaischer als Rixens Gewehr aussah. "Ich bitte Sie, dass sie die Augen ebenfalls aufhalten und die Köpfe runternehmen. Es sind zwar nur im Laufschritt eine Wegstrecke von etwas mehr als fünfzehn Minuten, aber wir sollten Vorsicht walten lassen."

Ehe sie sich versahen, drehte sich der Obergefreiter um. "Kommen Sie." Noch einmal versicherten sich die Nobels, dass sie alles mitgenommen hatten und dann endete ihr kurzer Hausarrest im Haus der Borggrefe auch schon. Mit dem Klacken des einrasteten Schlosses beendete Alfred seine Gefangenschaft.

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:11 Uhr - Am Bahnhof, Ziegelteich

"Es sind nur noch fünfhundert Meter.", rief Rix. Durch die breite Hauptstraße konnte man bereits schemenhaft das Kieler Schloss ausmachen. Rechts von ihnen war die Förde und sie hatten sogar schon die Garnison und den Altenstift hinter sich gelassen. Rix hatte es sich nicht anmerken lassen, aber bei der Garnison hätte eigentlich die von Kamerad Fritz alarmierte Verstärkung ihren Weg schützen sollen. Zwar hätten sie im Hintergrund bleiben sollen, aber soweit Emil und Alfred das beurteilen konnten, hatte sie keinen Soldaten auf dem Weg gesehen.

Ein Schuss erklang aus dem Nichts. Die Nobels und Rix zogen unwillkürlich die Köpfe ein, denn das Geräusch war bedrohlich nah. Ein Mann stürzte vom Dach ab und schlug vor den Nobels auf das Kopfsteinpflaster auf. Ein furchtbarer Anblick und das Brechen der Knochen ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. Wenn der Schuss in den Hals ihn nicht getötet hatte, dann war es der Aufprall aus acht oder neun Metern Höhe. Er trug eine holsteinische Uniform, ein kleiner Mann , der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatte und einen schmalen Oberlippenbart trug. "Behrend, verdammt.", fluchte Rix. "Sie haben uns eine Falle gestellt. Sie haben den Weg antizipiert. Wir brechen Richtung Südfriedhof[1] aus und nähern uns dann über den Exerzierplatz[2] dem Schloss[3]." Schnell lief Rix westwärts und die Nobels folgten hastig, den toten Soldaten liegend lassen.

Die Idee von Rix hatte eine gewisse Gefahr, dessen war er sich bewusst. Wenn es irgendwo liegende und verborgene Schützen gab, war der Exerzierplatz selbst ein Todesurteil, denn weit über einhundert Meter über offene Fläche zu laufen, war reiner Selbstmord, wenn irgendwo ein guter Schütze lag. Dasselbe mochten Alfred und Emil denken, als der unbebaute Exerzierplatz in Sichtweite kam, doch Rix zog sich hinter die Gebäude zurück und rannte in eine Straße, die als Kirchhofallee bezeichnet war. "Wir pflügen durch den den Botanischen Garten[4] der Universität. So ein Mist, dass es kein Sommer ist, dann würde man uns gar nicht sehen...Wir kommen dann am Kloster[5] raus und von da an sollten wir es zum Schloss schaffen."

Sie rannten zwischen manchen Reihe von Baumstümpfen und immergrünen Pflanzwerk[6] zwei- oder dreimal, in der Hoffnung mögliche Verfolger zu verwirren. Alfred und Emil brannte die Lunge, oder auch Rix war bereits schweißüberströmt. Zweimal hörte sie in der Ferne noch Schüsse, die sie daran erinnerte, dass sie das Laufen nicht einstellen sollten. Dann sprangen sie über den Zaun des Botanischen Gartens am Kloster, vorbei am alten Refektorium[7], in schmale Gässchen, in denen die eine oder andere Studentenkneipe ihren Sitz hatte. Doch bei diesem Wetter und der Uhrzeit waren die kleinen, studentischen Vergnügungsgässchen eher nicht beseelt. Doch wenige Meter weiter, hatten sie endlich das Schloss erreicht. Sie rannten am prächtigen, barocken Palais vorbei in eine mehr als ungeschmückte und profane Backsteinbaut, welche nur dadurch Aufmerksamkeit erringen konnte, dass auf einem Schild die Christiana Albertina[8] abgebildet war und in Frakturlettern[9] Hörsäle geschrieben stand.

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 09:50 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Über eine halbe Stunde hatten sie länger gebraucht als sie beabsichtigt hatten. Sie hatten Wege doppelt und dreifach genommen und jeglichen Kontakt zu Fritz und Hammer verloren. Ein völlig ermatteter Rix, blickte zu einem ebenso ermatteten Emil Nobel. Es war bewunderswert, was Menschen aus sich herauszuholen in der Lage waren, wenn der Henker hinter ihnen er war. Emils Bein hatte diese Belastungsprobe mit Bravour bestanden. Während sie an den Hörsälen vorbeischritten, sahen sie, dass nur einer geöffnet war, die anderen drei Hörsäle waren wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Vor der offenen Tür stand ein schlanker Mann mit dunklem Haar, einer auffallend großen Nase und einer kleinen, runden Brille. Er war kein Riese, aber doch etwas größer gewachsen als der Durchschnittsbürger. In seinem dunklen Anzug und dem sorgsam gebundenen Krawattenschal machte er einen seriösen, wie auch selbstbewussten Eindruck[10]. Neben ihm stand ein Soldat mit halblangen, rostroten Haar, mit ebenso auffälliger Nase. Er war untersetzt, hatte einen merkwürdig verstockten Gang und blickte desinteressiert an den Nobels vorbei zu Rix. Es war der bebrillte Mann, der auf die Nobels zutrat. "Herr Nobel! Sie haben es geschafft! Welch eine Ehre, welch eine besondere Ehre, sie in der CAU begrüßen zu dürfen. Ich bin Carl Himly."
Himly schüttelte den beiden Nobels die Hände und klopfte ihnen aufmunternd auf die Schulter. "Ich habe uns Plätze besetzen lassen. Ruhen Sie sich erstmal nach der sicher aufregenden, wenn ich ihren Schweiß interpretieren darf, Reise hierhin aus. Das Haus ist gesichert, keine Sorge. Wir werden Sie zwischen den Gästen der Vorlesung gut verbergen, und wenn alle den Hörsaal später verlassen, können wir Sie in aller Ruhe, ohne viel Aufhebens in eine neue Unterkunft bringen."

Alfred und Emil folgten Carl Himly in den Hörsaal, der schon fast bis zum Bersten gefüllt war. Studenten, auch ältere Herren, vor allem wohl Dozenten, saßen auf den Plätzen, die jüngsten Studenten mussten stehen. Sie schauten wild tuschelnd einem Soldaten zu, der das Redepult unter der großen, wandfüllenden Christiana Albertina putzte, als würde er einen Tanzboden bohnern.
Sie setzen sich an einen Tisch in der relativen Mitte des Auditoriums. "Ich bin außerordentlich erfreut, Sie hier sehen zu können, Herr Nobel." Doch bevor Carl etwas sagen konnte, begab sich ein weiterer Mann mit Brille zu Carl Himly und Alfred Nobel. Er stellte sich nur kurz als Gustav Karsten[11] vor und setzte sich dann sichtlich nervös an seinen Platz neben Carl Himly. "Entschuldigen Sie, die Nervosität meines Kollegen, Herr Nobel." Karsten wurde bei dem Namen kurz hellhörig und musterte Alfred mit einem freundlichen Lächeln, drehte sich dann wieder zum Pult, an dem ein stämmiger, etwas verschlafen wirkender Soldat noch immer das Rednerpult polierte. "Aber Herr Karstens neuer Schützling hält gleich seine Antrittsvorlesung. Herr Samuel Weißdorn. Wir dürfen sehr gespannt sein."

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 10:16 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Tatsächlich beruhigten sich Puls der beiden Nobels wieder, alles setzte sich ein wenig[12]. Rix und der rothaarige Soldat, der wohl Schlosser war, waren draußen geblieben und der Soldat im Inneren des Hörsaals hatte sich inzwischen neben den Dozenteneingang gestellt. Um 10:00 hätte der Dozent erscheinen sollen, und dass er nicht zeitig zu seiner Antrittsvorlesung erschien, um pünktlich um Viertel nach zehn zu beginnen, schien vor allem jene Besucher mit preußischem Geiste zu verwirren und zu stören. Immer wieder fragten sie den Soldaten, wann Herr Weißdorn denn zu erscheinen gedenke und immer wieder antwortete er nur lakonisch: "Bald."
Doch die Nachfragen wurden immer dreister und verärgerter und als sich die ersten anschickten, ihre Papiere für die Mitschriften wieder zusammenzusammeln und die Vorlesung zu verlassen, öffnete der Soldat die Tür des Dozenteneinganges und ging kurz durch die Tür, um nur Sekunden später wieder zu erscheinen. Still schweigend stellte er sich neben die nun geöffnete Tür. Ein Murren ging durch den Saal.
 1. Südfriedhof (http://de.wikipedia.org/wiki/Kiel-Südfriedhof)
 2. Exerzierplatz (http://de.wikipedia.org/wiki/Kiel-Exerzierplatz)
 3. Kieler Schloss (http://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Schloss)
 4. Botanischer Garten (http://de.wikipedia.org/wiki/Botanischer_Garten_Kiel)
 5. Kieler Kloster (http://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Kloster) - Gründungsort der Kieler Universität, nachdem es ja keine eigentlichen Klöster mehr in Holstein geben durfte.
 6. Immergrüne Pflanzen (http://de.wikipedia.org/wiki/Immergrüne_Pflanzen)
 7. Refektorium (http://de.wikipedia.org/wiki/Refektorium)
 8. 
Christiana Albertina (Anzeigen)
 9. Fraktur (Schrift) (http://de.wikipedia.org/wiki/Fraktur_(Schrift))
 10. 
Carl Himly (Anzeigen)
 11. 
Gustav Karsten (Anzeigen)
 12. Erfahrungspunkte: 13.500 für Alfred
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 23.03.2012, 17:42:55
Es war schade für Conrad, dass sich Donald Munro als so vertrauensunwürdig erwies. Bei Conrads Reise zurück nach Kiel wäre er sicher eine gute Hilfe gewesen, wenn man ihm doch nur trauen könnte, doch das konnte man momentan tatsächlich nicht. Insofern handelten der Braunschweiger und Herzog Friedrich richtig.

Dem Braunschweiger antwortet Conrad nur knapp: "Ja, dieses Vorgehen ist schon in Ordnung, Herr Braunschweiger."

Dann wendet sich Conrad an Schwester Hermene: "Können Sie Carl und mich noch etwas heilen, Schwester Hermene? Natürlich nur wenn sie dies auch wollen. Ich werde auch auf ihre Sicherheit bei der Reise nach Kiel so gut es geht Acht geben."

Zum Schluss redet Conrad noch mit dem Herzog: "Und ich hätte noch eine Bitte an Sie, Herzog Friedrich, die mir fast etwas peinlich ist, aber hätten sie etwas zu Essen und zu Trinken übrig? Ich habe schon seit einiger Zeit nichts mehr gegessen und weiß auch nicht, ob ich in nächster Zeit großartig zum Essen und zum Trinken kommen werde. Es wäre also nicht schlecht, wenn ich jetzt etwas Essen und Trinken bekommen würde und sei es auch nur eine Kleinigkeit zu Essen und ein Wasser zum Trinken.

Wir sollten dann jedenfalls sobald wie möglich aufbrechen. Ich denke mittlerweile, dass auch ein Gespräch mit Carl unter vier Augen nicht unbedingt mehr nötig ist."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 25.03.2012, 04:29:12
Kaum hatte der Student die Tür geöffnet, betrat Samuel den Hörsaal. Er würdigte die Studenten keines Blickes, während er – ein Wasserglas in der einen Hand, einige Unterlagen in der anderen – zum Rednerpult schritt. Er knallte seine Unterlagen auf das Pult, und stellte nicht weniger heftig sein Glas darauf ab. Das Wasser darin spritzte hoch, und einige Tropfen bahnten sich ihren Weg das Glas herunter bis zum Pult.

Nun erst sah er sich im Hörsaal um. Kurz blickte er zu dem Soldaten, der das Rednerpult so mühsam geputzt hatte, und deutete auf die Tür. „Schließen“, befahl er mit einem kurzen Nicken. Während der Soldat der Anweisung folgte, war beinahe spürbar, wie sich die Empörung weiter im Saal ausbreitete.

Ohne sich vorzustellen oder die Anwesenden zu begrüßen, geschweige denn, sich für seine Verspätung zu entschuldigen, nahm er etwas von seinen Unterlagen, und schritt nach vorne auf die Studenten zu.

„Ich halte hier in meinen Händen ein bedeutendes Buch“, erklärte er. Kurz hielt er es nach vorne, deutete mit dem Finger der freien Hand darauf, und ließ es dann von der einen Hand in die andere wandern, während er mit der nun freien Hand gestikulierte. „Ein Buch, das ihnen, meine Herren, die Augen öffnen wird, wenn sie sich seiner Bedeutung gewahr werden. Wer von ihnen kann mir sagen, welches Buch es ist, oder zumindest eine Vermutung anstellen, um welche Art von Buch es sich handeln könnte?“

Er sah sich unter den Studenten um. Den meisten war anzusehen, dass sie noch immer überlegten, den Hörsaal zu verlassen. Samuel suchte sich einige Gesichter heraus, Studenten, die sich noch immer eine gewisse Offenheit bewahrt hatten.

„Ja, Sie, in der ersten Reihe?“

Der Student, ein junger Mann mit etwas zerzausten kurzen blonden Haaren, zögerte kurz, dann sah er Samuel in die Augen. „Es ist ein schwarzes Buch, vielleicht ein Gesetzestext oder… eine Bibel?“

Samuel sah dem Mann kurz in die Augen, dann wandte er sich dem nächsten Studenten in der Reihe zu. „Und wie ist Ihre Meinung? Sehen Sie sich das Buch ruhig ganz genau an.“

Er fixierte den Studenten mit seinen Augen. Fixierte ihn so sehr, dass dieser auch ihm nur in die Augen sah. „Es ist dann wohl ein Gesetzestext“, antwortete der Student mit offener Ablehnung in seiner Stimme.

„Ein Gesetzestext also. Was fällt Ihnen an diesem Buch noch auf?“ Er deutete auf einen Studenten in der zweiten Reihe. „Sie.“

Samuel hielt das Buch hoch, zeigte darauf, und ließ es schnell von einer Hand in die andere und wieder zurück wandern.

„Es ist ein dickes Buch“, erklärte der Student.

„Sehr gut. Und nun betrachten Sie das Rednerpult. Was fällt Ihnen daran auf?“

Kurz starrte der Student ihn verwirrt an, dann sah er zu dem Pult. „Ihr Wasserglas steht darauf, und einige Wassertropfen laufen an dem Pult entlang nach unten.“

Samuel nickte, und sah in die Reihen der Studenten. „Können alle von Ihnen die Aussagen Ihrer Kommilitonen bestätigen?“

Ein allgemeines Nicken ging durch die Reihen.

Auf einmal veränderte sich etwas. Das zunächst herrische, leicht hektische Verhalten Samuels wich einer plötzlichen Ruhe, und ein Lächeln erschien in seinem Gesicht.

„Nun, meine Herren, ich frage Sie: Wie kann es sein, dass Sie einige winzige, transparente Wassertropfen auf einem Rednerpult bemerken, dass einige Meter von ihnen entfernt steht – aber Ihnen fällt nicht auf, dass das schwere, dicke Gesetzesbuch“ – er machte eine Pause und überreichte den Gegenstand in seiner Hand dem Studenten, den er zuerst angesprochen hatte – „nichts weiter ist als ein dünnes, schwarzes Blatt Papier?“[1]

Es herrscht ein kurzer Moment der Stille. Der Student, der das Buch – oder vielmehr das Blatt Papier – in Händen hielt, drehte es herum, versuchte mit offenem Mund herauszufinden, wie dieser Trick funktioniert hatte.

„Empörung.“

Samuels durchdringende Stimme ließ das Wort einige Sekunden im Saal verharren, bevor er weiter sprach. „Ich begrüße Sie, meine Herren, zu unserer heutigen Vorlesung der Psychophysik. Ich bin Doktor Samuel Weissdorn, und Sie sind Teil eines kleinen Experiments geworden, mit dem ich Ihnen die mathematische Berechenbarkeit der menschlichen Wahrnehmung präsentieren möchte.“

Nach einem Moment der Stille ging ein Raunen durch den Saal, das in heftiges Tuscheln überging. „An dieser Stelle möchte ich Herrn Riensche danken, der mir so hervorragend bei dem Experiment assistiert hat. Während ich da draußen vor der Tür gewartet habe, hat er in mühevoller Arbeit das Rednerpult poliert. Eine Arbeit, die ich dann bei meinem zu späten Erscheinen mit dem achtlosen Abstellen des Wasserglases ruiniert habe. Sie haben ihm lange bei dieser Arbeit zugesehen, zudem waren sie bedingt  durch meine Verspätung und seine nicht sehr hilfreichen Antworten emotional stark involviert. Ihre Wahrnehmung war auf die Ordentlichkeit und Sauberkeit des Rednerpults geschärft. Hingegen-“

Er deutete auf das Blatt Papier, das bereits durch die Reihen der Studenten ging. „Hatten Sie aufgrund meiner gezeigten Impertinenz wenig Interesse, mir zuzuhören oder den von mir präsentierten Dingen Beachtung zu schenken. Mit ein wenig geschicktem Gestikulieren konnte ich Sie nicht nur Glauben machen, dass es sich bei einem Blatt Papier um ein Buch handelt, Sie haben sich sogar der kollektiven Täuschung hingegeben, dass es sich um ein dickes Gesetzesbuch handelt.“

Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht. „Nehmen Sie es nicht zu schwer, meine Herren, Sie sind schlicht und ergreifend Opfer physikalischer Gesetze geworden. Und um eben diese Gesetze soll es in dieser Vorlesungsreihe gehen. Was macht Wahrnehmung aus? Wieso nehmen wir bestimmte Dinge wahr, andere aber nicht? Wie kommt eine Sinnestäuschung zustande? Sie werden sehen, dass all diese Dinge nicht nur nachvollziehbar, sondern sogar mathematisch berechenbar sind. Ich werde Ihnen die theoretischen Grundlagen und Formeln nahebringen, und Sie selbige anhand praktischer Beispiele wirklich verstehen lassen.“

Er ging zum Rednerpult, legte die Unterlagen, die er achtlos darauf geworfen hatte, sauber zusammen, und tupfte mit einem Ärmel das Wasser weg, das von seinem Glas herunter gelaufen war. Dann drehte er sich wieder um und sah mit einem freundlichen Lächeln die Studenten an.

„Ich hoffe, ich kann Sie für diese Themen begeistern und habe Sie nicht durch meine für das Experiment leider notwendige Verspätung und das dazu gehörige hochmütige Verhalten verschreckt. Wenn dem so ist, wenn Sie also Begeisterung für dieses Thema empfinden können, möchte ich Sie hiermit noch einmal ganz herzlich Willkommen heißen.“

Er kam nicht ganz dazu, den Satz in Ruhe auszusprechen, da sich der Raum durch das anerkennende Klopfen der Studenten im Saal mit Lärm füllte. Samuel allerdings schüttelte nur den Kopf. „Bitte, meine Herren. Wir wollen die Zeit doch für die Wissensvermittlung nutzen. Und dieses Wissen entstammt keinesfalls nur meinem Kopf, sondern auch der genialen Vorarbeit von Menschen wie Gustav Theodor Fechner, Wilhelm Wundt oder auch Leonardo da Vinci.“[2]
 1. Power of Suggestion: 29
 2. Grand Hoax: 32
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 25.03.2012, 21:55:23
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 12:19 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog nickte nur und besorgte, da er nicht wusste, wo genau seine Bediensteten gewesen waren, mit seinen Verteidigern zusammen die notwendigen Getränke, ein paar gerade reife Winteräpfel, ein bisschen Graubrot, eine alte Salami und eine handvoll Heiltränke[1]. Mehr besaß der Herzog nicht in seinem verwüsteten Büro und aufgrund der Geschehnisse, bestand der Herzog darauf, noch nicht in die Küche zu gehen. Und so saßen sie kurz schweigend beieinander im Musikzimmer und erhaschten wohl vorerst die letzten Blicke auf den herrlichen, elfenbeinfarbenen Flügel, ehe ihre Reise nach Kiel begann. Das galt freilich nicht für Carl. "Ich danke Ihnen für ihre Hilfe und wünsche Ihnen alles Gute. Seien Sie dennoch auf der Hut. Das Wetter soll bald umschlagen und die Gefahr ist sicher noch nicht gänzlich gebannt. Seien Sie also umsichtig."

Carl und der Herzog brachten dann die frisch gestärkten Personen zur Tür, wortlos, aber mit freundlichen Gesten schickte Friedrich den jungen Kieler Studenten und die ebenfalls noch junge Nonne zurück nach Kiel. Während Hermene und Conrad die schwarze Kutsche bestiegen, welche bereits wieder reisefertig war, sahen sie auch den drapierten und fest verschnürrten Sarg auf dem Dach der Kutsche. Beide Seiten mochten angestrengt darüber nachdenken, was ihnen dieses Zusammentreffen gebracht haben mochte und während der Braunschweiger den Kutschbock besetzte und die Pferde in Bewegung setzte, schloss der Herzog die Eingangstür und setzte sich nahe der Tür auf die Treppe, welche zur Galerie führte. Er äußerte jene Gedanken, welche auch Conrad und Hermene haben mochten, während sie in Richtung Osten aufbrachen, unter kaltem, aber blauem Himmel.
"Wie Ihre Freunde, Kameraden und/oder Leidensgenossen es wohl sehen, Herr von Lütjenburg? Sie sind zu fünft zu mir gereist, Sie sind in jenen Hinterhalt gelaufen, welcher den Nobels und zum Teil auch mir galt. Und nun reisen nur noch zwei davon zurück. Sie werden diese Treffen nicht als segensreich empfunden haben.", der Herzog hatte wieder diesen schweren Blick, den er schon untem im nasskalten Refugium gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er dort schon über diese Sache nachgedacht. "Eigentlich reist nur einer zurück. Ich, mit Verlaub, mag gar nicht glauben, dass diese Schwester ein Interesse an unserer Sache hegt. Nicht einmal die Verlockung der Wiederzulassung des katholischen Glaubens in den hiesigen Gebieten wirkt schlagkräftig genug. Sie interessiert sich für nichts, was ihren Altenstift nicht betrifft. Aber ich habe auch keine Idee, wie man das miteinander verbinden kann. Es fiele mir schwer, die alten Menschen in diesem Stift zu belästigen, um die Schwester an uns zu binden. Andererseits kennt sie die Geschichten, die hier ausgetauscht wurden. Ich hoffe nur, dass der brave Braunschweiger sich bezüglich dieses Problemes etwas überlegt." Der Herzog stand auf und bedeutete dem preußischen Offizier, ihm zu folgen. Einige Minuten des Schweigens folgten.

Conrad und Hermene, sie dämmerten trotz des ruppigen Weges langsam weg. Gerade noch bemerkten sie, dass die drei überlebenden Männer, von denen der Braunschweiger sprach, mit Pferden aufschlossen, um die Kutsche zu schützen. Gar nicht auszudenken, was passieren würde, wenn es einen Verräter unter den Männern des Herzogs gab und man sie jetzt angriff. Würden drei Männer, ein hochmütiger Offizier und zwei sich selbst verteidigende Personen reichen, um einen Angriff auf die Kutsche aufzuhalten? Diese unheilvollen Gedanken schwanden, als der Schlaf sie übermannte[2].

Der Herzog stoppte an einer Tür, die unweit seines Büros war. "Meine restlichen Männer halten die Stellung und sie hatten eine harte Nacht und einen noch härteren Tag. Schlafen Sie sich aus, Herr von Lütjenburg. Und dann können Sie die beiden Schotten, Tullister und Munro, befragen. Wir sehen dann weiter." Er hob die Hand, bevor Carl etwas erwidern konnte. "Keine Widerrede. Sie sind zu müde. Ich werde mich fern von Fenstern halten und in Ihrer Nähe bleiben." Mit der erhobenen Hand öffnete er die Tür und eine kleine, dunkle Schlafkammer, die etwas muffig roch, aber mit feinen, grünen Brokatwäschen bezogen war, offenbarte sich. Dieser Raum war ein kleines Gästezimmer und bot nicht mehr als ein zugezogenes Fenster, vor dem dunkle Vorhänge aufgehängt waren, ein spartanisches Doppelbett und einen kleiner, reichverzierter Tisch mit fein-gedrechselten Beinen. Zwei bequeme Stühle standen an dem Tisch. Wahrscheinlich war es eine Schlafkammer für feineres Gesinde. "Wir sehen uns heute Abend zum Abendessen.", sagte der Herzog und verließ den Raum, und ließ Carl auch keine Chance auf die aufgeworfenen Punkte des Zweifels zu antworten. Nicht jetzt.
Carl entkleidete sich weitestgehend und legte sich hin. Jetzt, da das ganze Gut aufgeschreckt war, würde man nicht unmittelbar einen zweiten Angriff in dieser Art durchführen. Das schaffte eine gewisse Sicherheit und es dauerte nicht lang, da willigte Carls Geist in des Körpers Gesuche zu schlafen ein[3].

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:05 Uhr - Gut Emkendorf

Carl erwachte, weil ein Fensterladen im Wind gegen sein Fenster schlug. Es war dunkel um ihn herum und durch die Fenster drang kein Sonnenlicht vorbei an den Vorhängen. Es ließ sich kein Tag erahnen. Der Heiltrank hatte seine Wunden geschlossen und nach dem Genuss hatte er noch das Ziepen der Wunden gespürt, es war vergangen. Er fühlte sich nicht mehr schwach[4]. Er konnte kaum sagen, wie lange er geschlafen hatte. Langsam zog er sich wieder an und blickte vorsichtig am Vorhang vorbei nach draußen. Es war schneeweiß draußen, starker Wind ließ Schneeflocken durch die Gegend stoben und machte es schwer zu sagen, ob es Schneeverwehungen oder so starker Schneefall war. Vielleicht war es beides. Es klopfte an seiner Tür. "Herr von Lütjenburg?", fragte eine sanfte Frauenstimme, die durchaus etwas betagter klang. "Herr von Lütjenburg! Sind sie bereits wach? Der Herzog erwartet Sie zum Frühstück in seinem neuen Büro. Auf dem Stuhl vor der Tür liegt neue Kleidung für Sie. Ihre jetzige können Sie in die Wäschekammer bringen, dort werde ich Sie reinigen und flicken."
Schritte entfernten sich wieder und Carl ließ ein paar Sekunden vergehen, ehe er einen Blick aus der Tür warf. Kerzen waren auf dem Gang entzündet wurden, die Haushälterin war schon wieder weg. Auf einem Stuhl hing eine holsteinische Uniform. Carl erkannte, dass es die Uniform eines Train-Soldaten[5] war. Er hatte sie bereits gesehen. Oberstwachtmeister van Widdendorp trug so eine[6].

Der Gang war trotz der Kerzen düster und aus einem Zimmer neben dem Musikzimmer brannte etwas stärkeres Licht. Vielleicht war es das neue Büro des Herzogs. Friedrich erschien in der Tür und blickte zu Carl. "Guten Morgen. Ich überlasse es Ihnen, ob Sie die Uniform tragen. Es ist nur ein Angebot für die Zeit Ihres Dienstes hier. Aber bevor Sie eintreten, denken Sie mir bitte über eine Frage nach, die mich die ganze Nacht hat nicht schlafen lassen. Merken Sie auf: Wenn die Dänen feindliche Söldner beauftragen, diese jedoch zu solch harten Mitteln greifen und sogar mein Leben gefährden, wäre das ein internationaler Faux pas sondergleichen! Kann es also sein, dass es den Dänen oder den Söldnern aus den Händen geglitten ist? Denken Sie darüber nach und dann gibt es gleich frisch aufgebrühten Tee und ein paar frische Backwaren." Dann ging der Herzog wieder in sein Zimmer. Er wirkte noch immer nachdenklich, aber etwas munterer als nach dem Angriff am gestrigen Tag.

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 07:25 Uhr - Kieler Hafen

Conrad und Hermene dämmerten aus ihrem Schlaf, zurück an das erste Licht des noch frischen Tages. Sie froren, überall um sie herum war Schnee. Sie sahen den Hafen von Kiel, sie standen ganz in der Nähe der Garnison an der sie vom Braunschweiger eingesammelt wurden. Sie fühlten sich erholt, trotz der harten Fahrt. Der Braunschweiger öffnete die Tür, die Ränder unter seinen Augen waren unverkennbar. Er hatte nicht geschlafen und war kurz davor selbst hier im Schnee vor der Müdigkeit zu kapitulieren. Gespielt lässig streckte er das Kreuz durch und reckte sich gähnend. "Wir sind zurück in Kiel. Wundern Sie sich nicht über den langen Schlaf. Das passiert vielen Gästen in der Kutsche.", sagte er in seiner typisch süffisanten Art und half den beiden aus der Kutsche. "Den Sarg wird das Militär mit allen Ehren überstellen, wenn das in Ordnung ist für Sie. Wenn nicht, dann werden Sie ihn aus der Leichenhalle holen können und selbst für die Bestattungs aufkommen. Schicken Sie die gewünschten Modalität der Beerdigung einfach zum OWM van Widdendorp. Dann kann er auch endlich mal der Arbeit nachgehen, die ihn eigentlich zu interessieren hat.", bot der Braunschweiger den kurzen Dienstweg an.
Er hob die Hand zum Abschied und setzte sich wieder auf den Kutschbock. Zusammen mit den drei nicht minder erschöpften Reitern verlegte er zur Garnison. Sie würden sich ein Zimmer nehmen, sich ausschlafen und sich die Kälte aus den Gliedern vertreiben. Es gab wieder Leben in der Garnison und am Hafen. Es war ein früher Montag Morgen. Ein Blick auf eine nahe Uhr offenbarte, dass es fast halb acht war. In etwas mehr als einer halben Stunde würde die Universität ihre Tore für den Tag öffnen. Im Altenstift würde auch schon Leben sein. Die Oberin hätte schon längst zum Gebet gerufen, das Frühstück wäre bereitet und alle Patienten inspiziert. Würden Conrad und Hermene sich erstmal trennen, die Nobels suchen? Würde Conrad lieber nach Hause fahren oder würde er erstmal seine alma mater besuchen?
 1. Carl, Conrad und Hermene sind voll geheilt.
 2. Erfahrungspunkte: 13.500 EP für Conrad, 10.000 EP für Hermene
 3. Erfahrungspunkte: 13.500 EP für Carl
 4. Attributsschaden geheilt
 5. Train (http://de.wikipedia.org/wiki/Train_(militärisch))
 6. Aussehen der Uniform (http://homepage-andreas-meininger.de/Nr251.jpg)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 25.03.2012, 23:13:07
"Danke für Essen und die Getränke Herzog Friedrich! Machen Sie es gut! Ich werde sobald es geht nach Gut Emkendorf zurückkehren, aber ich muss unbedingt dafür sorgen, dass die Gebrüder Nobel am Leben bleiben und mich auch um das Dokument kümmern."

Dann ging Conrad wortlos zur Kutsche. Eigentlich wollte er ja wach bleiben, aber der Schlaf übermannte ihn dann doch.

Angekommen in Kiel nickt Conrad einfach den Worten des Braunschweigers zu. Er war ganz froh nicht mehr mit diesem Menschen reden zu müssen. Der Braunschweiger war nicht gerade beliebt bei Conrad, auch wenn er schon mehr von dessen Herrn Herzog Friedrich hielt. Wäre aber Herzog Friedrich genauso wie der Braunschweiger gewesen, hätte Conrad sich aber niemals darum gekümmert das Dokument zu besorgen.

"Ich bin ganz ehrlich zu Ihnen, Schwester Hermene: Ihre Heilkräfte und ihre Magie sind ziemlich nützlich, aber ich glaube, dass sich unsere Wege hier trennen werden. Sie werden wahrscheinlich zum Altenstift gehen wollen. Ich muss unbedingt auf dem schnellsten Weg zu OWM van Widdendorp. Wenn Sie das als Christin wollen, können Sie noch für kurze Zeit auf den Leichnam aufpassen, auch wenn ich nicht glaube, dass ihm etwas geschehen wird. Sie müssen es also nicht tun, wenn Sie das nicht wollen, es war nur so ein Gedanke. Machen Sie es gut Schwester Hermene, wenn sich hier unsere Wege schon trennen."

Conrad lässt Schwester Hermene noch ausreden, wenn sie noch etwas zu sagen hat, würde aber dann auf den schnellsten Weg zu Widdendorp gehen wie Conrad sich ja schon gegenüber Schwester Hermene geäußert hat.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 28.03.2012, 15:44:56
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 10:26 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Ein erster Applaus brandete durch die Studenten und die Dozenten, in Erwartung auf weitere Details. Der Auftritt des neuen Dozenten machte zweifelsohne einen gehörigen Eindruck. Er sah hier und da sogar unter den Dozenten ein anerkennendes Nicken, denn dies hatte einen Grund, den Samuel vielleicht gar nicht wissen konnte. In der Universität gab es einigen Ärger und es waren jene neu ausgerichteten Wissenschaftler, welche von der drögen, alten Art des Kollegs genervt, geradezu enerviert waren. Die Wissenschaftswelt galt gerne als staubtrocken oder zu sehr politisiert. Wahrscheinlich war es genau das, wovor Karsten gewarnt hatte, nicht zu Beginn zu sehr zu politisieren und in der Hinsicht mochte Samuels Beginn vielversprechend gewesen sein, obwohl Samuel als auch Alfred merkten, dass Gustav Karsten ungewöhnlich nervös war. Er beteiligte sich nicht energisch am Applaus und versuchte souverän zu blicken. Wahrscheinlich war er dankbar dafür, dass Samuel jegliche Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Denn Karsten war für seine Nominierung genauso unter Beobachtung wie Samuel Weißdorn selbst.

"Ein herausragender Possenreißer und Redner, Herr Karsten.", hörte Alfred Himly zu Karsten zu sagen und sah, wie Himly Karsten aufmunternd auf die Schulter klopfte. Himly wollte gerade noch etwas hinzusetzen, als Karsten genervt dazwischensprang. "Er ist auch ein guter Wissenschaftler!" Himly schreckte kurz zurück, lachte dann jedoch leise. "Das wollte ich gar nicht in Zweifel ziehen, guter Freund. Ich wollte Ihnen nur dazu gratulieren, dass sie ohne Frage nach all der Zeit einen passenden Agent Provocateur[1] gefunden haben." Karsten wedelte genervt die Hand und blickte stur nach vorne, während Himly zu Alfred Nobel schaute und ratlos die Schultern zuckte. "Was meinen Sie, Herr Nobel? Ich denke, dieser Mann wird noch für einiges Rumoren an diesem Standort sorgen. Gestandene Wissenschaftler brüskieren, das werden jene ihm nicht sofort vergessen. Sie kennen das ja. Da plustern sich diese Männlein im Elfenbeinturm auf, und es reicht eine Nadel, die Luft einweichen zu lassen. Und trotzdem nehmen Sie es einem übel, die Nadel der Notwendigkeit geführt zu haben. Herr Weißdorn hat diese Nadel geführt. Sehr brav."
Carl Himly war ob der Vorlesung in jovialer Stimmung und lachte leise, dann blickte er wieder zu Samuel, darauf wartend, wie die Vorlesung wohl weitergehen mochte.
Derweil löste sich die erste Welle des Applaus, der größtenteils aus Überzeugung über Samuel hinwegschwappte, aber sicher bei dem einen oder anderen auch, um diese vom jeweiligen als brüsk empfundene Situation gekonnt zu überspielen.
 1. Agent Provocateur (http://de.wikipedia.org/wiki/Agent_Provocateur)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 28.03.2012, 19:59:18
Wortlos nahm Carl den Denkanstoß des Herzogs auf und wandte sich wieder der Uniform zu. Seit er Conrad verabschiedet hatte, schwieg er nun, wenn auch nicht mit Absicht. Freilich hatte ihm der Anblick des Sargs in dem sich Karl toter Körper befunden hatte ein wenig auf den Magen geschlagen, einen guten Freund verlor man schließlich nciht jeden Tag. Doch Carl hatte sich schon immer dadurch ausgezeichnet, dass er solche Schicksalsschläge rasch überwinden konnte oder, wenn sie ihm länger zu schaffen machten, sich zumindest nicht von ihnen beeinträchtigen zu lassen.

Doch der Verlust, die schweren Wunden und die Erschöpfung hatten es im Verbund geschafft Carl zu umzingeln und so lange zu schleifen, dass er dem Herzog nur noch aus Pflichtgefühl widersprochen hatte, bevor dieser ihn zu Bett geschickt hatte. Und nun war er trotz des langen Schlafes noch immer nicht ganz wach, also sprach er lieber gar nicht, um zumindest dem Anschein nach die Haltung zu wahren.
Tatsächlich war er aber höchst beschämt. Zum Frühstück wurde er nun gerufen, hatte er denn tatsächlich solange geschlafen? Carl schob es auf die Vergiftung, die seinen Körper zu so viel Ruhe gezwungen hatte, doch insgeheim keimte in ihm die Frage auf, ob das Studentenleben ihn nicht vielleicht doch hatte weich werden lassen. Der Anblick der Uniform trug nicht gerade dazu bei ihn aufzubauen. Train. Carl war Infanteriepionier und er wollte nichts anderes sein.

Dennoch würde er die holsteinische Uniform tragen, denn für Carl war eine Uniform von Bedeutung. Es war eine Ehre eine solche tragen zu dürfen und würde er diese ablehnen wäre dies ein Affront sondergleichen gegenüber seinem Herzog. Aber an Carls Loyalitäten änderte die veränderte Coleur nichts, aber doch war der Wahlpreuße froh, dass es schien, das Preußen und Holstein die gleichen Ziele verfolgten.

Dieser Gedanke brachte ihn wieder zu den Worten des Herzogs zurück und Carl dachte darüber nach während er sich notdürftig zurecht machte, die Uniform anzog und Revolver und Säbel anlegte. Wie ihm gehießen brachte er seine eigene Uniform in die Waschküche und begab sich dann zum Herzog.

Inzwischen waren die letzten bisschen Schlaf aus ihm gewichen und er fühlte sich wieder frisch und kräftig, so dass er energischen Schrittes durch die Flure ging und gewohnt zackig die Hacken zusammen schlug, als er das neue Büro des Herzogs betrat und diesen mit einem "Guten Morgen, Euer Durchlaucht." begrüßte.

Carl trat ein paar Schritt in den Raum hinein, blieb aber stehen, bis ihm ein Platz angeboten wurde. "Was ihre Anmerkung angeht sind mir drei Gedanken gekommen." Carl wartete kurz ob der Herzog etwas zu sagen hatte und fuhr dann fort.

"Eine Möglichkeit wäre schlicht, dass die Söldner mit diesem gestrigen ANgriff über die Stränge und die Weisungen ihrer Auftraggeber geschlagen sind, aber dafür wirkte die Ausführung des Überfalls auf mich zu durchdacht.

Die zweite Möglichkeit wäre dass die Dänen diese Söldner geschickt haben und das alles was gestern geschah auch so gefordert wurde. Mit der Ausnahme vielleicht, dass wir den Überfall vereiteln konnten. Aber wie sie gerade eben schon anmerkten, wäre dies ein sehr einfältiger Fehler und wer würde darauf setzen, dass er damit durchkommen könnte?

Die dritte Möglichkeit, die mir auf die Schnelle einfällt, wäre, dass die Dänen vielleicht gar nicht hinter dieser Sache stecken könnten. Vielleicht steckt jemand dahinter, der einen Vorteil daraus ziehen kann, wenn jeder glaubt, dass nicht er, sondern die Dänen in die Sache involviert sind. Bliebe nur noch die Frage: 'Cui bono?'[1]"


 1. lat. Wem zum Vorteil?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 29.03.2012, 23:08:37
„Das war der einfache Teil“, ging es Samuel durch den Kopf. „Die Gruppe derer, die sich etwas mehr Lebendigkeit in der Lehre wünschen, und die sich durch kleine Gauklerspiele begeistern lassen, habe ich überzeugt. Nun geht es um diejenigen, denen ich damit auf die Füße getreten bin.“

Als der Applaus trotz seiner Worte nicht abebbte, hob Samuel beschwichtigend die Hände. „Bitte, meine Herren, führen wir uns vor Augen, dass ich bisher nicht viel mehr gezeigt habe als einen Jahrmarkt-Trick – auf Grundlage naturwissenschaftlicher Gesetze, doch wenn wir darüber nachdenken, gilt dies für jeden Jahrmarktzauber, nicht wahr?“

Er lächelte. Nun waren die an der Reihe, denen Status und Anerkennung wichtig wahr, wichtiger als Ehrlichkeit. „Ich weiß auch sehr wohl, dass einige meiner Herren Kollegen den kleinen Budenzauber gleich durchschaut haben. Ich danke Ihnen, meine Herren, dass Sie das Spiel dennoch mitgespielt haben, im Verständnis, dass es dem Zweck der Lehre und des Verständnisses für die Wissenschaften untergeordnet war.“[1]

Natürlich hatte keiner der anderen Dozenten seine Vorführung durchschaut. Aber er gab ihnen die Möglichkeit, ihr Gesicht zu wahren und sich als besonders schlau und kritisch darzustellen – doch dafür mussten sie sich auf seine Seite schlagen. Denn durch ihr Schweigen hatten sie ihn schließlich unterstützt, hatten ihm die Möglichkeit gegeben, die Vorführung zuende zu bringen.

Gezielt suchte er die Gesichter jener Dozenten, die besonders missmutig geschaut hatten, und nickte ihnen mit einer gewissen Dankbarkeit in der Miene zu.

„Aber eben dem wollen wir uns nun zuwenden – den Wissenschaften. Denn so unterhaltsam der Einstieg in diese Vorlesung gewesen sein mag, wird er bedeutungslos, wenn wir ihn nicht der Theorie unterwerfen. Im Rahmen der heutigen Vorlesung werden wir daher das Erlebte bis in Genaueste analysieren. Es ist die Theorie, das reine, glänzende Wissen, mit all seinen Formeln und Regeln, das die wahre Freude bereitet, und das solches Schauspiel überhaupt erst ermöglicht.“[2]

Dies war das Futter für die Theoretiker, für die „altehrwürdigen“ Professoren, die ihren Elfenbeinturm so sehr liebten. Wieder suchte er sich die passenden Gesichter, und schenkte ihnen – wie er hoffte – die Bestätigung, die sie suchten.

Dies war genug der Rede. Jetzt mussten Taten folgen – und damit Theorien.

Er ging auf den Studenten zu, dem er das vermeintliche Buch in die Hand gedrückt hatte. „Welches war der Moment, in dem Sie begriffen, dass ich Ihnen kein Buch, sondern lediglich ein Blatt Papier überreicht habe?“

Der Student überlegte kurz. „Es war der Moment, in dem Sie losgelassen haben. Das Gewicht passte nicht.“

Samuel hob den Zeigefinger – ein wenig weiteres Futter für die „Altehrwürdigen“. „Sehr gut. Das Gewicht entsprach also nicht Ihrer Erwartung. Angenommen, ich hätte Ihnen statt eines Buches einen größeren Stapel Zettel in die Hand gedrückt, wäre Ihnen der Unterschied also entgangen?“

Wieder zögerte der Student kurz. „Im ersten Moment vermutlich schon. Ich denke, es käme darauf an, wie viele Zettel es gewesen wären. Wie viel leichter die Zettel gewesen wären.“

„Oh, wirklich sehr gut!“ ermutigte Samuel den Studenten. „Sie haben soeben eine wichtige Grundlage beschrieben. Wenn der Reiz R also das erwartete Gewicht des Buches darstellt, dann ist es nicht das absolute Gewicht des tatsächlich erhaltenen Gegenstandes gewesen, der sie aufmerksam werden ließ, sondern die Differenz zum erwarteten Gewicht, also Delta R. Korrekt?“

Der Student nickte. „Ich… nehme es an, ja.“

Samuel nickte. „Und damit sind wir beim ersten Gesetz der Psychophysik angekommen, auch bekannt als das Webersche Gesetz. Bereits im Jahre 1834, lange bevor der Begriff der Psychophysik geprägt wurde, erforschte der angesehene Physiologe Ernst Heinrich Weber[3], dass ein Sinnesorgan eine Veränderung erst ab einem bestimmten Intensitätsbetrag registriert, bekannt als die differentielle Wahrnehmbarkeitsschwelle, oder einfacher ausgedrückt: Den gerade noch wahrnehmbaren Unterschied. Demnach ist k gleich Delta R geteilt durch R[4][5]. Sei k gleich ein Zehntel, bedeutet dies, dass wir bei einem Gewicht – unser Reiz R - von 500 Gramm einen Unterschied – Delta R – von 50 Gramm benötigen, um die Veränderung wahrnehmen zu können. Wie groß k ist, hängt laut den Beobachtungen Webers vom jeweiligen Sinn ab.“

Er war während des Redens ein wenig hin- und hergelaufen, blieb nun aber wieder vor dem Studenten stehen. „Im konkreten Beispiel haben wir ein wenig andere Bedingungen, denn es gab ja keinen realen Ursprungsreiz, sondern lediglichen einen erwarteten oder vermuteten. Dennoch hat das Prinzip funktioniert. Was sagt uns das?“

Für einen Moment herrschte Schweigen, dann brach leises Tuscheln aus. Als nach einigen Momenten noch keine Meldung erfolgte, tippte Samuel sich an die Schläfe. „Dass im ersten Schritt nicht die eigentliche Sinneswahrnehmung des Gewichts federführend war, sondern die Interpretation im Gehirn. Was Sie wahrgenommen haben, war eine ganz grobe Form, sowie meine Worte und die ihrer Kommilitonen. Anders ausgedrückt: Licht und Schall. Zwei Reize also, die keine direkte Aussage über das Gewicht zulassen, und doch über den Umweg von Augen und Ohren in Ihrem Kopf eine Information über das Gewicht erzeugt haben.“

Er ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen, und suchte sich einen Studenten, der den Eindruck machte, als sei eben ein Groschen gefallen. Er nickte dem jungen Mann zu und fragte: „Was sagt uns das also, wenn wir über die Psychophysik reden?“

„Das wir zwischen der Reizbeobachtung, also dem reinen Sinnesorgan, und der Verarbeitung durch das Gehirn unterscheiden müssen“, schoss es dem Angesprochenen aus dem Mund.

Samuel nickte und lächelte. „Hervorragend, meine Herren. Ich sehe, Sie sind im Thema angekommen!“
 1. Bluff: "Gesicht wahren" - 23
 2. Bluff: "Alles für die Theorie" - 36
 3. Ernst Heinrich Weber (http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Heinrich_Weber)
 4. Webersches Gesetz - Formel (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/math/1/3/3/133b0c148d3c1bed55ec9ab5deebc42f.png)
 5. Webersches Gesetz (http://de.wikipedia.org/wiki/Webersches_Gesetz)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 01.04.2012, 15:58:39
Obwohl dem Chemiker unter den Nobels noch immer der Schweiß auf der Stirn stand, versuchte Alfred entspannt der Vorlesung zu folgen. Er hatte nicht mit einer solch nervenauftreibenden Jagd durch Kiel gerechnet. Seine schlimmsten Befürchtungen waren höchstens das Wetter gewesen! Doch die Schüsse in nicht allzu weiter Ferne, der Soldat, der vom Hausdach stürzte, und der plötzlich so energische Röschmann hatten dafür gesorgt, dass der ältere Nobel nur aufgewühlt auf der Holzbank Platz nehmen konnte.

Doch nichtsdestotrotz lehnte Alfred sich zurück, stützte den rechten Ellenbogen auf die linke Hand, und ließ sein Kinn auf der anderen Hand ruhen. Es war eine reservierte, kritische Haltung, die der schwedische Chemiker präsentierte. Doch hinter den verdeckenden Fingern war ein Schmunzeln auf den Lippen Alfreds zu erkennen. Als Himly ihn nach seiner Einschätzung fragte, sah der Chemiker ihn lediglich von der Seite an, lächelte vielsagend und zog demonstrativ die Augenbrauen hoch. Eine Antwort bekam der Kieler Professor noch nicht.

Erst als der eigentliche Teil der Vorlesung begann, schien Alfred wach zu werden und konzentriert zuzuhören. Seine erste Einschätzung bestätigte sich scheinbar. Bedächtig lehnte er sich zu Himly, und flüsterte ihm leise zu.

"Ein beeindruckender Dozent," wählte Alfred seine Worte knapp, um die Vorlesung nicht zu stören, "der Saal hängt an seinen Lippen, er macht einen guten Eindruck."

Als wäre das alles, was er zu sagen hatte, setzte sich Alfred wieder zurück, und stützte die Hand wieder auf. Doch keinen Moment später lehnte er sich wieder zu dem Professor vor.

"Aber Psychophysik? Naturgesetze über die subjektivste Sache der Welt, die menschliche Wahrnehmung? Nicht besonders kartesisch[1], möchte ich meinen. Es heißt doch schließlich cogito[2] und nicht sentio ergo sum[3]!"

Zweifelnd warf Alfred Himly einen weiteren Blick von der Seite zu, ehe er die Arme verschränke, um weiter der Vorlesung zu folgen.
 1. René Descartes (http://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Descartes)
 2. lat.: "Ich denke"
 3. lat.: "Ich fühle, also bin ich."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 01.04.2012, 21:58:40
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 07:39 Uhr - Kieler Hafen - Büro des Oberstwachtmeisters

Als hätte Hermene es nötig gehabt, sich weiter mit diesem rüpelhaften Studentenpack zusammenzuglucken. Sie war weder eine Henne, noch eine Mutter für die Studenten. Und es war klar, dass diese Studenten sich hinter ihrer eigenen Etikette verstecken wollten und gleichzeitig nicht bereit waren, gerade einer Nonne gebührenden Respekt zukommen zu lassen. Erschöpft von der Reise hob Hermene lediglich die Hand zum Abschied, und stampfte dann zurück zum Altenstift.

Conrad bliebt schließlich nichts anderes über, als zur Garnison zu gehen und somit dem Braunschweiger in gewisser Weise zu folgen. Der junge Student konnte mit ansehen, wie Soldaten den Sarg von der Kutsche hievten und der darin gefrorenen Körper Karls samt Sarg absetzten. Auch wenn sie Karl nicht kannten, brachten die vier Soldaten, welche den Sarg schultern sollten, dem Gefallenen Respekt entgegen. Sie gingen alle in das stille Gebet für einen Moment, ehe sie mit klaren Kommandos den Sarg anhoben und in die Richtung des Garnisonslazarettes gingen. Obwohl sie Karl nicht kannten, hatten sie von dem so vorzüglich in niederdeutscher Sprache fluchenden Studenten gehört, der sich mit Conrad Rosenstock und auch Carl von Lütjenburg der blanken See gestellt hatte, um fremde Menschen aus Seenot nach einem Angriff zu retten. Deswegen grüßte auch einer der vier Conrad freundlich, als er sich näherte, ehe sie aufbrachen. Conrad gewann den Eindruck, dass sie Karl Schreiber als Patrioten betrachteten und ihn gebührend behandeln würden.
Conrad jedoch ging schnellen Schrittes in das Garnisonsgebäude und erkundigte sich bei dem im offenen, und weißgestrichenen Flur sitzenden Gefreiten, wo der Oberstwachtmeister zu finden sei. Sie gingen den gefliesten Gang hinunter bis Conrad das Namensschild des Oberstwachtmeisters an einer Tür sah. Scheinbar war sein Büro nicht wirklich besser ausgestattet als das eines jeden anderen Soldaten, zumindest sah das Namensschild wie jedes andere aus. Doch ehe Conrad an der Tür klopfte, hörte er, wie sich die Tür in seinem Rücken öffnete. Der Oberstwachtmeister kam nur bekleidet in langer Unterwäsche und einem Unterhemd hervor. Er hatte tatsächlich einen derartig fülligen Bauch und schmale Storchenbeine. Es war kein Eindruck, der nur durch seine Uniform entstand. "Guten Morgen. Wenn Sie zu mir wollen, guter Mann, geben Sie mir einen Moment für die Morgenhygiene." Van Widdendorp reichte Conrad kurz die Hand und schloss die Tür hinter sich. Conrad konnte nur einen kurzen Blick gewinnen, doch was er sah, sah nach einer einfachen Schlafstube aus. Einfacher Dielenboden, ein einfaches Bett, ein Tisch und zwei Stühle standen in diesem Zimmer. An der Wand ein großer, hölzerner Wandschrank, in dem van Widdendorps Militärkleidung Platz fand. Neben dem Bett stand noch ein Ständer für die ausladende Uniform.

Nach wenigen Minuten kehrte ein gewaschener van Widdendorp wieder, trat in das Zimmer ein, zog sich eine Hose und Socken an. Er schlüpfte in die polierten Stiefel und nahm dann Hemd und Anzugsjacke über den Arm und schloss sein Arbeitszimmer auf, um Conrad einen Stuhl zu weisen. Der Oberstwachtmeister schloss die Tür und zog sich in aller Ruhe an, während er sprach. "Sie sind wieder da. Hat Ihnen die Reise gefallen? Gut Emkendorf ist ein schöner Ort, nicht wahr? Nur einer mit einer trübsinnigen Vergangenheit für jeden Nationalisten[1].", begann er zu erzählen, während Conrads Füße langsam wieder auftauten. Es war asig kalt draußen. Die Arbeitsstube war auch karg eingerichtet. Ein großer, aber einfacher Schreibtisch, der deutlich bessere Tage gesehen hatte. Überall lagen Papiere verstreut. Es gab nur drei Stühle, wovon der einzig gepolsterte dem OWM zustand. Keine Verzierung, rein funktional und nicht sonderlich hochwertig. Die Westwand war dominiert von einem die ganze Wand einnehmenden Wandschrank, in dem massen von Papiere lagen und Ordner standen. Sie waren oft die letzten Tage gewälzt wurden. "Entschuldigen Sie die Unordnung.", bemerkte der OWM die Blicke Conrads, als er sich auf den gepolsterten Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches setzte, welcher ein unheilvolles Quietschen von sich gab. Er wechselte das Thema bereits und ging nicht weiter auf Emkendorf ein. "Es gibt gleich Frühstück und ich habe einen langen Tag vor mir, verzeihen Sie mir also bitte auch, wenn ich etwas kürzer angebunden bin, als ich es normalerweise bin. Doch es ist ein aberwitzig glücklicher Zufall, dass Sie in meine Amtsstube laufen, Herr Rosenstock. Ich möchte Sie nämlich um etwas bitten. Ihr Vater besitzt doch, oder leitet zumindest, die Waffenfabrik hier. Meinen Sie, dass Sie, als schleswig-holsteinischer Patriot, durchsetzen könnten, dass Ihr Vater zu Vorzugspreisen schleswig-holsteinisch Gesinnte bewaffnen könnte? Können Sie da für Ihn sprechen?" Der OWM nahm einen Handspiegel und einen Kamm hervor und kämmte sich das schüttere Haar in einen galanten Scheitel und bemühte sein feistes Gesicht in ein freundliches Lächeln. "Ich weiß, ich überfalle Sie gerade mit meiner Bitte. Vielleicht wäre es besser, wenn ich mir erst anhörte, was ich für Sie tun kann."
 1. Wissen (Geschichte) SG 17
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 01.04.2012, 22:36:31
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 10:38 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Himly lächelte und nickte Alfred zu, als er den aus Himlys Sicht sehr passenden, kartesischen Ansatz zur Hinterfragung wählte. Sogar der nervöse Mineraloge Gustav Karsten warf Alfred Nobel einen Blick zu, der jedoch kaum zu deuten war[1]. Ein unverständliches Brummen entwich dem Physikprofessor, ehe er sich wieder den Worten Samuel Weißdorns widmete.

Es stand außer Frage, dass Samuel die Großteile des Hörsaals für sich gewonnen hatte. Auch viele, die zunächst zweifelten, ließen sich von dem neuen Doktor subtil Honig um den Bart schmieren und aus dem empörten Gemurmel, welches sowieso fast immer in der frenetischen Begeisterung der jungen Studenten untergingen, welche die Auflockerung des Kollegs zunächst gefiel und die augenscheinlich auch der Gedanke reizte, dass Wahrnehmung empathisch und emotional-naturwissenschaftlich zu fassen war, wurde immer mehr neutrales und hie und da auch zustimmendes Gemurmel.
"Ein Henri Martin[2]! Hervorragend, Herr Karsten. Genau jenes, was Sie brauchen, um zu entzünden. Sie haben Ihre Zeit im zoologischen Garten in Berlin also mit der Beobachtung des Wesens der Menschen und der Tiere gleichermaßen verbracht. Ich bin beeindruckt. Sie benötigen einen Dompteur, et voilà, und schon gehen Ihnen sogar die fidelen, preußischen Geheimpolizisten auf den Leim. Jeder guter Dompteur braucht einen noch besseren Direktor in seinem Rücken. Die Universität als politischer Zirkus. Sie sehen mich verblüfft, werter Kollege."
Carl Himly schlug in seiner freundlichen Art Karsten wieder auf die Schulter, der nur die Nase rümpfte und sich räusperte.
Alfred erkannte sofort, dass dies mit der Geheimpolizei wirklich alarmierend auf den Physikprofessor wirken musste, denn er blickte in die hinteren Reihen, musterte vor allem ein paar junge Männer in der Nähe des Einganges auffallend lange. Als hätte er ihre Gesichte noch nie oder zu oft gesehen.

Aber Himly war kaum zu hören, da die Studenten sich kurz austauschten, als Samuel schwieg. Sie waren zweifelsohne begeistert. Irgendwas wollte der Chemiker noch hinzufügen, denn er drehte sich zu Alfred, doch das aufkommende Schweigen der lernwilligen Masse ließ ihn verstummen. Der Saal konzentrierte sich wieder auf Dr. Samuel Weißdorn.

Doch ein Student hob die Hand, in die Stille hinein. Ein blondhaariger, feister Bursche in einem etwas zu engen Anzug und einem Zwicker[3]. Seine dicken Wangen waren gerötet und mit Äderchen durchzogen. Seine näselde Stimme erfüllte den Hörsaal nur schwerlich. "Doktor Weißdorn." Er zog den Namen unangenehm lang. "Bedeutet das, dass das Sein bestimmt ist durch das Werden im Hirne? Dass das Werden ein Prozess des Bekannten, Bewussten ist und so das Unbekannte zu einem direkt Seienden wird, weil es durch das Gewesene ergänzt sei?" Ein genervtes Räuspern ging durch die Reihen, gerade bei den Studenten.  Aber auch ein Gustav Ferdinand Thaulow[4], der unter den Besuchern saß, und nur wenige Plätze vor Alfred saß, rieb sich die Augen und hielt sich die Hand an die Stirn, nachdenklich. Und wenn ein Hegelianer[5] bei der Wortwahl nachdenklich wurde, musste das für einen Philosophiedozenten etwas bedeuten. "Oder anders ausgedrückt: Ist unsere Totalität des Seienden, die wir Welt nennen, ein Konvolut von interpretierten Sinneseindrücken und der Querschnitt aus diesen Eindrücken nennen wir sensorische und objektive Wahrheit?", beendet der junge Student seine Ausführung, wonach nicht wenige die Luft scharf einsogen. War es eine ernsthafte Frage oder wollte der Student den Dozenten verleiten, prüfen? Thaulow rieb sich weiter die Schläfen.
 1. 
Motiv erkennen SG 20 (Anzeigen)
 2. Henri Martin (http://de.wikipedia.org/wiki/Henri_Martin_(Dompteur))
 3. Zwicker (http://de.wikipedia.org/wiki/Zwicker)
 4. Gustav Ferdinand Thaulow (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Ferdinand_Thaulow)
 5. Verfechter der Philosophie Hegels (http://de.wikipedia.org/wiki/Hegelianismus)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 05.04.2012, 20:03:50
Der Geschichtsstudent verstand die Andeutung von van Widdendorp nicht, was wohl an seiner momentanen Aufregung lag. Er musste die Nobel-Brüder umgehend davon in Kenntnis setzen, dass einige Attentäter es auf sie abgesehen haben könnten. Möglicherweise hatten sie schon einen ziemlichen Vorsprung gehabt. Hoffentlich war den Nobelbrüdern in der Zwischenzeit noch nichts passiert. Sowohl die Einfachheit, als auch die Unordnung war für Conrad nichts schlimmes. Es war viel wichtiger, dass seinem Anliegen Gehört geschafft werden würde und die Chancen dafür standen nicht schlecht. Doch dann kam Oberwachtmeister van Widdendorp auf seinen Vater Ernst zu sprechen. Conrad hatte sich geweigert in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und später einmal die Waffenfabrik zu übernehmen. Conrad sah sich eher als ein Student, der eines Tages ein Doktor und dann hoffentlich irgendwann auch Professor werden würde. Er sah die Universität als sein Zuhause an. Dass Conrad daheim nicht von seinem Vater herausgeschmießen wurde, lag daran, dass seine Mutter Martha mit ihrem sanftmütigen Wesen ein paar Kniffe kannte, um dafür zu sorgen, dass Conrad Zuhause blieben konnte. Seit diesem Zeitpunkt allerdings herrschte ein unterkühltes Verhältnis von seinem Vater Ernst zu Conrad. Sein Vater interessiert sich auch überhaupt nicht für Conrads Studium, für ihn war nur sein Geschäft wichtig und er war nicht so politik- und geschichtsinteressiert wie Conrad es war. Trotz allem war Ernst aber nun mal Conrads Vater und irgendwie fühlte sich Conrad immer noch an ihn gebunden. Es wäre seltsam, wenn es in Zeiten wie diesen anders gewesen wäre.

Conrad überlegte intensiv, was er zum OWM sagen würde und entschloss sich dann ihm die Wahrheit über das Verhältnis zu seinem Vater zu erzählen: "Ich will ganz offen zu ihnen sein Oberwachtmeister van Widdendorp: Das Verhältnis zu meinem Vater ist nicht das beste, auch wenn das nicht so sehr von unserer Familie nach außen getragen wird. Ich entschied mich dafür, mich voll und ganz dem Geschichtsstudium zu widmen und nicht in die Waffenfabrik meines Vater miteinzusteigen. Wenn ich das nächste mal meinen Vater sehe, kann ich ihm trotzdem ihre Bitte vortragen. Sie stammt ja ursprünglich nicht von mir. Aber mich würde es nicht wundern, wenn mein Vater sagen würde: 'Vaterland ist Vaterland und Geschäft ist Geschäft.' Aber ich will den Teufel mal nicht an die Wand malen. Nun will ich jedoch zu dem Grund meines Besuchs kommen:

Friedrich VIII. wurde auf dem Gut Emkendorf von Attentätern attackiert. Karl Schreiber verlor bei dem Angriff sein Leben. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte die tödliche Kugel vermutlich Herzog Friedrich getroffen. Karl Schreiber soll ein würdevolles Begräbnis mit allen Ehren bekommen. Seine Familie sollte von seinem Tod umgehend in Kenntnis gesetzt werden. Carl von Lütjenburg, Schwester Hermene vom Altenstift, Donald Munro- ein Schotte- und ich schafften es mit vereinten Kräften, dass Herzog Friedrich nichts geschah. Auch der Braunschweiger war dabei und kann von diesem Kampf berichten. Sie werden sich jetzt sicherlich fragen, was ich nun hier in Kiel mache und weswegen ich Sie sprechen will. Herzog Friedrich meinte, dass der Angriff der Attentäter eigentlich den Nobel Brüdern galt. Ich muss sie unbedingt vor diesen Attentätern in Kenntnis setzen und warnen. Herzog Friedrich braucht ein bestimmtes Dokument, das wahrscheinlich die Nobel-Brüder haben. Wenn ich Herzog Friedrich davon berichten kann, dass die Nobel-Brüder dabei halfen das für ihn wichtige Dokument zu besorgen, dann würde er ihnen Amnestie gewähren. Können Sie mir sagen, wo sich derzeit die Nobel-Brüder aufhalten, Oberwachtmeister van Widdendorp? Ich würde mich dann umgehend zu ihnen aufmachen."
   

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 07.04.2012, 20:14:22
Samuel hörte dem Studenten aufmerksam zu, und ignorierte die teils genervten Reaktionen der anderen Studenten. „Schlüsseln wir Ihre Frage genauer auf, um sie zu beantworten. Sie sprechen von sensorischer und objektiver Wahrheit in einem Atemzug. Müssen wir dies nicht trennen? Bis vor wenigen Minuten war es für die meisten von Ihnen sensorische Wahrheit, dass ich ein Buch in der Hand hielt. Was aber war die objektive Wahrheit? Dass es nur ein Blatt Papier war? Das wäre die offensichtliche Antwort. Doch was, wenn ich selbst einem ähnlichen Budenzauber erlegen wäre? Oder gehen wir einen Schritt weiter: Ein hypothetischer Beobachter, der im afrikanischen Busch aufgewachsen ist und nie ein Blatt Papier gesehen hat: Was wäre seine Wahrheit gewesen? Was die Wahrheit eines Blinden?“

 Er hob die linke Hand und zeigte drei erhobene Finger. „Wir erkennen drei Fragestellungen. Welche Sinneswahrnehmungen haben wir? Dies ist die von Ihnen angesprochene Sensorik.“ Mit der anderen Hand drückte er den ersten Finger nach unten. „Zweitens: Vor welchem persönlichem und kulturellem Hintergrund interpretieren wir die Sinneswahrnehmungen? In diesem Zusammenhang bewegen wir uns sehr schnell im Feld der modernen Hermeneutik[1] eines Friedrich Schleiermachers[2].“ Der zweite Finger ging nach unten. „Und drittens stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Objektivität. Schon das wohl bekannteste erkenntnistheoretische Beispiel, Platons Höhlengleichnis[3], zeigt deutlich die Grenzen der Objektivität. Platons Höhle ist in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel der individuellen subjektiven Sinneswahrnehmungen und ihrer Verarbeitung im Hirne. Platons Gefangene haben die Schatten an der Wand wahrhaftig gesehen, und doch reichte ihr Wissen nicht für eine der Wahrheit entsprechende Interpretation. Aber auch der Befreite, der die Höhle verlässt, war im ersten Moment von der Sonne geblendet – seine Sinne haben ihm nicht gleich im ersten Moment die Wahrheit gezeigt.“

Anstatt auch den dritten Finger nach unten zu bewegen, öffnete Samuel nun seine Hand. „Was ist also die Totalität des Seins?“, fragte er. „Können wir dies naturwissenschaftlich überhaupt endgültig beantworten? Wie können wir mit Sicherheit sagen, dass wir uns nicht immer noch in einer Höhle befinden? Naturwissenschaft bemüht sich um ein in sich konsistentes Bild, um das Auflösen von Widersprüchen, doch können wir im Jetzt nicht Voraussehen, welche Höhlenausgänge zukünftige Generationen noch finden werden.“

Er ließ die Hand sinken, und nickte Herrn Thaulow zu. „Die Frage nach der objektiven Wahrheit möchte ich daher den Kollegen aus dem Fachgebiet der Philosophie, aber wohl auch der Mathematik, überlassen. Doch jeder Einzelne von Ihnen möge sich ebenfalls dazu Gedanken machen. Um aber Ihre Frage nicht ganz unbeantwortet zu lassen: Die subjektive Wahrheit, das subjektive Sein, ist in der Tat ein Konvolut interpretierter Sinneseindrücke. Das Bemühen der Naturwissenschaften ist, die Distanz zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit so gering wie möglich werden zu lassen. Selbst wenn dies jemals zur Gänze gelänge, wüssten wir es nicht, da wir niemals um das wissen, was uns noch verborgen ist.“
 1. Hermeneutik (http://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik)
 2. Friedrich Schleichermacher (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schleiermacher), im Zusammenhang mit Hermeneutik (http://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik#Friedrich_Schleiermacher)
 3. Höhlengleichnis (http://de.wikipedia.org/wiki/Höhlengleichnis)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.04.2012, 22:41:01
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 07:42 Uhr - Kieler Hafen - Büro des Oberstwachtmeisters

Der OWM nickte verständnisvoll, als der junge Student von seinen Problemen sprach und strich sich über sein massives Doppelkinn, nachdenklich und ernsthaft betroffen. Hier und da nickte er, zweimal räusperte er sich auch beinahe empört bezüglich des Vaters. "Ich danke Ihnen für ihre Offenheit, Herr Rosenstock. Und es will mir beinahe nicht gelingen, Worte zu finden, weiß ich doch, wie oberflächlich Sie wirken müssen, da ich ein augenscheinliches Interesse an verlässlichen Waffenlieferungen für die...sagen wir noch...Freischärler[1] habe. Aber glauben Sie mir, dass ich Ihnen nur raten kann, Ihren Vater an die Bedeutung des Wortes Vaterland zu erinnern. Und erlauben Sie mir, wenn ich uns alle in dieser schwierigen Situation daran erinnere, dass wir in Zeiten der bewaffneten Krise, die sich nun mehr andeutet, wenn ich so in den brennenden Hafen blicke, alle zusammenrücken müssen. Wir müssen über unseren Händel[2] hinwegsehen und uns brüderlich verteidigen statt auf Altlasten oder dem Geschäftssinn zu beharren. Ich weiß, dass brauche ich Ihnen nicht erzählen, Herr Rosenstock. An Ihren Worten erkenne ich, dass Sie dies schon längst verinnerlicht haben. Anders kann man sich Ihren Willen, die Nobelbrüder zu beschützen schwerlich erklären." Er klopfte dreimal anerkennend auf die Holzplatte seines Schreibtisches und setzte sich etwas bequemer hin, um daraufhin sofort aufzustehen und die Hände hinter dem Rücken ineinanderzulegen. Sein Bauch wippte etwas unter dem strammen Anzug, als er schwer ausatmete. Er blickte aus seinem Fenster. Conrad konnte von seiner Position auch den Hafen sehen, konnte sich ausmalen, wie das Lichtermeer der beschossenen Solros auf den Oberstwachtmeister gewirkt haben musste. Jetzt präsentierte sich der Hafen geschäftigt, aber doch ruhig verglichen mit dieser verhängnisvollen Nacht. Es war ein früher Morgen, selbst die meisten Soldaten waren noch nicht zum Drill angetreten, sodass nicht die Stimmen der Ausbilder über das Hafenareal hallten, ihre Pfiffe blieben stumm. Conrad wusste aus Erfahrung, dass sich das noch innerhalb der nächsten halben Stunde ändern würde. Im Hintergrund lief ein kleines Schiff gerade aus, es hatte eine russische Flagge gehisst, doch der Name "Suudelma" ließ darauf schließen, dass es aus den finnischen Gebieten des Zarenreiches stammte. Ein Motor war nicht nur hörbar, sondern mit seinem tiefschwarzen Rauch als Kontrast zum Schnee gut sichtbar. Es verließ Kiel in gemächlichem Tempo.

"Um ehrlich zu sein", begann der ältere Offiziere, als er sich wieder Conrad zudrehte, "haben wir ähnliche Informationen. Just in diesen Momenten wird Alfred Nobel aus seinem Hausarrest zusammen mit seinem Bruder an einen sicheren Ort verbracht. Ich habe mich noch nicht darüber informieren lassen, um die Verlegung nicht zu gefährden. Dienstwege vermeiden und dergleichen, aber sein Sie gewiss, dass ich Ihnen mehr sagen kann, sobald die Route und dergleichen gesichert sind."
Er setzte sich wieder hin. "Dementsprechend schlage ich vor, dass wir gemeinsam Frühstücken und darauf warten, dass ich erfahre, wo Sie die Nobels finden. In der Zwischenzeit erzählen Sie mir bitte alles, was Sie über das Attentat erinnern, natürlich verbunden mit meinem Dank, dass Sie den Herzog bewahren konnten!"

Conrad blieb aufgrund dessen wohl nichts anderes über, als das reichhaltige Frühstück, welches wenige Augenblicke später in die Amtsstube gebracht wurde, zumindest zu testen. Gekochte Eier, Schwarzbrot und Katenschinken, dazu gab es wohl riechenden Kaffee. Der OWM bat Conrad an, zu viel zu essen, wie sein Hunger ihm diktierte und begann dann zu Essen und über Gott und die Welt zu sprechen.
 1. Freischar (http://de.wikipedia.org/wiki/Freischar)
 2. Händel (http://de.wiktionary.org/wiki/Händel)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.04.2012, 23:11:22
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 10:42 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Endlich sah Conrad Alfred Nobel, verborgen zwischen groß aufgeschossenen Studenten, neben einer ganzen Reihe von Dozenten in der verborgenen Mitte des Hörsaals sitzen. Es war eine Herausforderung gewesen der Vorlesung zu folgen und gleichzeitig die Nobels zu entdecken. Er war zur Vorlesung gehetzt, sobald ihn der OWN darüber informiert hatte, das Alfred Nobel im Hörsaal sei. Der OWM hatte davon von Anfang an gewusst, nur hatte er Conrad erst kurz vor Vorlesungsbeginn davon informiert. Conrad war losgehetzt, nachdem der Oberstwachtmeister sich gestenreich dafür entschuldigt hatte, dass er dies aus Sicherheitsgründen tun musste. Was das heißen mochte, lernte der junge Student auf dem Weg. Er sah ein paar Soldaten, die einen gefallenen Kameraden wegtrugen, der nach Augenzeugenberichten vom Dach gestürzt war und dabei gestorben war. Andere meinte, dass sie einen Schuss gehört hatten und er tödlich getroffen von seinem Wachposten fiel. Man ließ Conrad nicht nah genug ran, um sich selbst ein Bild zu machen, und er war sowieso spät dran. Er kam ein paar Minuten zu spät, aber zum Glück war der Dozent noch nicht da gewesen, doch der Saal war so vollgestopft gewesen, dass man kaum jemand dort ausmachen konnte, den man nur ein oder zweimal gesehen hatte. Fast eine halbe Stunde kostete es Conrad, um Alfred in der Menge zu entdecken. Er musste stets die Beifallsbekundungen der Dozenten und Studenten abwarten, ehe er sich ungestört umschauen konnte. Die Vorlesung schien anzukommen.

Himly lachte wieder herzlich, während Gustav Karsten langsam immer ungehaltener wurde. Alfred wusste inzwischen, dass es eher an Samuel Weißdorn lag, obgleich sein Kolleg sehr gut war und dementsprechend aufgenommen wurde. Wahrscheinlich trafen ihn Himlys heiteren Worte weiter ins Mark, da sie doch eine gewisse Wahrheit kündeten. "Sehen Sie das, werter Kollege?", setzte Carl Himly wieder an und kicherte, dass ihm die Brille von der Nase zu rutschen drohte. "Er blickt sich um, erkennt die Gesichter und dann, wie ein guter Krämer, versucht er ihnen zu erzählen, dass er alles nur in ihrem Sinne gedacht hätte. Sehr spannend." Karsten mahlte mit den Zähnen und blickte diesmal nicht zu Himly und Nobel, stattdessen blickte er kurz zu Thaulow, ob der auch Himlys Gedanken teilte oder der Ausstrahlungskraft Samuels ebenfalls verfallen war. Thaulow lächelte zufrieden bei Doktor Weißdorns Erklärung, was Karsten mit weiterem Zähnemahlen quittierte. Den neunmalklugen Studenten hatte Samuel auf alle Fälle überwältigt, ihm war sein penetrante Auslegung des Wortes Chuzpe[1] vergangen und müde blickte er drein, er gab auf. Wahrscheinlich hatte er die Frage von langer Hand vorbereitet, vielleicht den ganzen ersten Teil der Vorlesung damit verbracht, sich diese Frage zu ersinnen und nun fiel ihm kein Konter ein.
Karsten drehte sich jetzt wieder zu Himly. "In Ordnung. Wir nehmen ihn.", sagte er schließlich kurz angebunden und drehte sich wieder zur Vorlesung. Diese Entscheidung getroffen zu haben, nahm ihm etwas seiner ungewöhnlichen Nervosität, auch wenn sie noch immer greifbar war. Himly quittierte es mit einem zufriedenen Lächeln.
 1. Chuzpe (http://de.wikipedia.org/wiki/Chuzpe)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 11.04.2012, 00:13:00
Nachdem der Student keine weiteren Fragen an Samuel stellte, begann dieser wieder, sich dem eigentlichen Thema seiner Vorlesung zu widmen. Hatte er seine Vorlesung bisher recht allgemein gehalten, drang er nun jedoch schnell in die tieferen Gefilde der Psychophysik vor. Er umriss die Erkenntnisse eines Hermann von Helmholtz[1], der die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Nervenerregungen gemessen hatte. Dies verknüpfte er mit der von da Vinci beschriebenen Schallgeschwindigkeit und ließ beides in mathematischen Formeln münden, mit denen die Zeitspanne vom Entstehen eines akustischen Reizes bis zur Verarbeitung im Gehirn berechnet werden konnte. Schritt er an einigen Punkten sehr schnell voran, nahm er sich an anderen Zeit, auch kleinste Kleinigkeiten zu erläutern.

Fast schien es, als wäre der gesamte Beginn der Vorlesung nur dazu da gewesen, den gedanklichen Boden zu bereiten, damit die Zuhörer mit Offenheit und Neugier den wissenschaftlichen Erkenntnissen lauschten, kleine Beweise und Erläuterungen der Tatsache, dass die menschliche Wahrnehmung tatsächlich ein Resultat purer Naturgesetze war. Gleichzeitig forderte Samuel die Studenten immer wieder auf, die von ihm vorgebrachten Lehren kritisch zu hinterfragen - nicht ohne jedes Mal eine perfekt ausformulierte Antwort parat zu haben.

Hatte er durch die Ausflüge in die Psychoakustik[2] den Nährboden bereitet, damit die Zuhörer Wahrnehmung als essentiell mathematisch und naturwissenschaftlich begreifen konnten, spannte Samuel schließlich wieder den Bogen zu den Arbeiten Gustav Theodor Fechners[3], und beschrieb die Prinzipien der ästhetischen Schwelle, der ästhetischen Hilfe, und des ästhetischen Assoziationsprinzips. Immer deutlicher formte sich das Bild des Menschen, der den Gesetzen der Physik außerhalb und innerhalb seines Körpers unterworfen ist, und dessen Erfahrungen und Assoziationen nicht mehr waren als Variablen in komplexen mathematischen Formeln.

"Bei all dem, meine Herren, vergessen Sie nicht, dass wir uns in einem wissenschaftlichen Feld bewegen, das noch in den Kinderschuhen steckt. Manches von dem, was ich Ihnen jetzt für wahr verkaufe, mag in einigen Jahren falsifiziert werden; anderes wird seine Wahrheit nur durch Erweiterung behalten. Hinterfragen Sie also stets kritisch! Es ist der wissenschaftliche Austausch, der uns alle hier eint. Vielleicht werden Sie" - er deutete auf einen der Studenten - "im Laufe Ihrer Karriere Entdeckungen machen, die all das, was wir heute besprechen, wie Grundschulwissen erscheinen lässt. Vielleicht aber auch Sie, oder Sie, oder Sie." Sein Finger wanderte von einem Studenten zum nächsten.

Er lächelte. "Behalten Sie dies im Bewusstsein: Jeder einzelne Geist in diesem unserem wissenschaftlichen Betrieb ist von größtem Werte; selbst wenn Sie größte Differenzen haben, sollten Sie den Austausch suchen oder die andere Meinung doch zumindest respektieren."[4]

Schließlich kehrte er, zum ersten Mal seit Beginn der Vorlesung, hinter sein Rednerpult zurück. "In der nächsten Vorlesung werden wir - pünktlich - mit einer kurzen Wiederholung beginnen, und uns dann abschließend den durch Fechner beschriebenen Grundlagen der Psychophysik widmen. Dies wird die Basis aller weiteren Vorlesungen sein - und seien Sie gewarnt, danach wird es deutlich anspruchsvoller werden."

Noch einmal sah er sich im Saal um. "Haben Sie noch Fragen?"

Er wartete noch einen Moment, doch keiner der Studenten hob seine Hand. "Nun, in dem Fall - ich bedanke mich für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!"
 1. Hermann von Helmholtz (http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_von_Helmholtz)
 2. Psychoakustik (http://de.wikipedia.org/wiki/Psychoakustik)
 3. Vorschule der Ästhetik (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Theodor_Fechner#Vorschule_der_.C3.84sthetik)
 4. Diplomatie: 27 - mit dem Ziel, die ggf. auch politisch verfeindeten Mitglieder der Universität wieder näher zusammen zu bringen
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 12.04.2012, 18:02:20
Bevor sich Conrad höflich vom OWM verabschiedete und zur Vorlesung hastete, sagte er noch zu ihm: "Wenn Sie einen ihrer Männer entbehren können, sagen Sie meiner Mutter Bescheid, dass es mir gut geht und dass ich bloß wichtige Sachen zu tun habe. Es könnte also etwas dauern bis ich wieder nach Hause komme. Um was es genau geht, werde ich sagen, wenn ich wieder zu Hause bin. Und noch einmal danke für das Fürhstück Oberwachtmeister van Widdendorp."

Conrad rannte als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Nur für einen kurzen Moment hatte seine Neugier bei dem gefallenen Soldaten gesiegt und Conrad hielt dies für ein schlechtes Omen. Ganze nahe konnte Conrad nicht an den Soldaten heran und dafür war auch keine Zeit. Conrad rannte einfach wieder weiter.

Zu Conrads Glück war der Dozent, der die Vorlesung halten sollte, im Hörsaal noch nicht eingetroffen. Conrad musste mit seiner vollen Ausrüstung in den Hörsaal gehen und würde sicherlich auffallen wie ein bunter Hund. Aber er konnte wenig dagegen tun. Er wollte seine ganze Ausrüstung nicht beim OWM liegen lassen und wer wusste schon, ob er sie nicht bald mal wieder in Kampfhandlungen brauchen würde, auch wenn Conrad das nicht hoffte.

Manchen Teilen der Vorlesung konnte Conrad folgen, bei manchen Teilen der Vorlesung war dies nicht so leicht. Conrad war weder Naturwissenschaftler, noch Philosophie-Student. Aber er machte sich so seine Gedanken. "Das Naturwissenschaft jetzt schon mit Taschenspielertricks gemacht wird, war mir neu. Aber dieser Dozent weiß zu unterhalten, das muss man ihm lassen. Auch wenn er dann seine Vorlesung wieder 'seriös' gehalten hat, soweit ich es beurteilen kann."

Conrad ließ trotzdem wegen der ganzen Vorlesung Alfred Nobel nie vollkommen aus den Augen. Als die Vorlesung aus war, kämpfte sich Conrad durch die Massen durch. Er würde Alfred Nobel immer im Blick behalten und sobald er aufstand, um nach draußen zu gehen würde er nach Alfred Nobel rufen und ihm zuwinken. Conrad war sich nämlich nicht ganz, welchen Ausgang Alfred nehmen würde. Er konnte auch den Dozentausgang nicht ganz ausschließen, da er mit einigen Professoren im Hörsaal saß. Wenn Alfred ersichtlich in Gespräche verstrickt war, würde Conrad mit dem Zurufen noch solange warten wie es ihm möglich war. Aber verpassen wollen, würde er ihn auf keinen Fall wollen. Falls Alfred den Ruf nicht hörte, würde Conrad ihm einfach nachgehen. Seine momentane Position war nicht so schlecht, dass er ihm nicht folgen konnte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 13.04.2012, 00:48:51
Es war erst als der Dozent Weissdorn sich seines darstellerischen Pathos' entledigte, welcher der Menge im Hörsaal mit offenbarer Ausnahme von Professor Karsten Eindruck zu schien, als Alfred hellhörig wurde und seine Skepsis tatsächlichem Interesse wich. Die Experimente, die der Vortragende vorstellte, zeigten dem zweifelnden Chemiker deutlicher zu vermitteln, dass die sogenannte Psychophysik vielleicht doch mit messbaren und beobachtbaren Größen hantierte, anstatt nur einen schmalen Grat zwischen wahrnehmungsbehafteter Subjektivität und arbiträrer Willkür zu bilden. Alfred hielt sich in Gedanken lediglich noch immer an dem Versuch auf, die gewonnenen Erkenntnis auf Teufel komm raus mit einem Formalismus zu versehen. Dass sich Konzepte wie Wahrnehmungen und Reize durch das Werkzeug der Mathematik beschreiben lassen sollte, hielt der Schwede noch immer für unglaubwürdig und für einen angestrengten Versuch, den Theorien verzweifelt einen bekannten wissenschaftlichen Stempel aufzudrücken. Doch wozu, fragte Alfred sich, als er zu dem abschließenden Beifall der Zuhörerschaft beipflichtete, wenn die Gedanken über Wahrnehmung, Empfindung und Reize eine vernünftige Anzahl an Fragen aufwiesen, wäre denn eine verklemmte Verknüpfung mit der Physik denn überhaupt von Nöten.

Alfred hatte nur wenig seiner Zeit in Vorlesungssälen verbracht, er war es nicht gewohnt, eine so lange Zeit einem einzigen Redner zuhören zu müssen. So war der Schwede immer unruhiger in seinem Platz gesessen, je weiter die Vorlesung fortgeschritten war. Doch auch diese Ungeduld wurde von Weissdorns Art zu Sprechen getilgt, ohne dass es dem Schweden gar auffiel. Erschrocken zog Alfred die Augenbrauen hoch, als der Beifall im Saal noch immer tobte und die ersten Stimmen laut wurden, die prüfenden Diskussionen zu beginnen. Sehr darüber überrascht, wie sehr ihn die Vorlesung doch mitgerissen hatte, zog er seine Uhr auf die Tasche und warf einen Blick darauf. Stirnrunzelnd wunderte sich der Schwede, wie schnell die Zeit vergangen war.

"Ich bin geradezu fasziniert," sprach Alfred schließlich die Professoren Himly und Karsten an, während er seine Habseligkeiten zusammensuchte und bedeutete, aufzustehen. "Es gab durchaus einiges zu lernen. Zweifelsohne natürlich auch ein fragwürdiges Thema - ", formulierte Alfred vorsichtig, und sah dabei lächelnd Karstens Reaktion nach, "aber ein hervorragender Dozent, wenn ich meine nicht universitär geprägte Meinung äußern darf."

Schließlich stand Alfred von seinem Platz auf, und bedeutete Emil, das selbe zu tun. Als er über die Köpfe der noch sitzenden und diskutierenden Studenten hinwegsehen konnte, fiel ihm der uniformierte junge Mann auf, der nicht die Augen von ihm ließ. Zwei Mal musste Alfred hinsehen, bis er Conrad an der Tür stehend erkannte. Mit heller Miene winkte er dem Studenten zu, er solle zu ihnen kommen, und wandte sich dann Himly zu.

"Professor Himly, ich fürchte, ich muss mir die Unhöflichkeit erlauben und darauf drängen, dass wir unser Treffen der anderen Sache widmen. Haben Sie vielen Dank für die Einladung zur Vorlesung, Professor Karsten - wenn Sie nichts drängt, sind Sie vielleicht auch daran interessiert uns zu begleiten." Fragend sah Alfred Himly an, wie er über die Einladung Karstens reagieren würde.
"Vielleicht wollen wir an einen Ort, wo wir ungestört sprechen können. Ich hoffe, Sie haben Ihre Kollegen erreichen können. Ist es Ihnen gelungen, einen Notar zu bestellen?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 13.04.2012, 02:43:53
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:03 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Neunzig Minuten konnten wahrlich kurz sein, wenn man von einer Vorlesung fasziniert war und ebenso kurz konnte sie sein, wenn man sich selbst auf das zu sprechende Wort und das Auditorium konzentrieren musste. Ihre Regungen studierte und sich ihren unbewusst und bewusst geäußerten Wünschen anpasste, so es das eigene Konzept und das eigene Thema hergab und zweifelsohne hatte Samuel Weißdorn an diesem Morgen auch die Gescheitetesten unter den Kieler Gelehrten zumindest verblüfft, wenn nicht gar eine ganze Reihe von ihnen überzeugt. Aufgeregt schnatternd löste sich die Menge der Zuhörenden auf, bis nur noch eine kleine Traube von Studenten und zwei Dozenten übrigblieb, welche Doktor Weißdorn nicht nur zu dieser herausragenden Einführungsvorlesung gratulierten, sondern ihn auch mit allerhand kleinen Detailfragen oder nichtigen Nachfragen zum Datum des nächsten Kollegs belästigten. Samuel konnte auch diese zur Zufriedenheit beantworten, die wiederholten Fragen nach dem Sinn der Verzögerung, der emotionalen Aufladung des Gehaltes. Hier ein Lob für die objektivierte Beweisführung darüber, dass selbst hehreste Wissenschaftsversuch doch noch immer den Grenzen des Subjektiven ausgesetzt sei, kurzweilige Ausschnittdiskussionen darüber und immer wieder die Bekräftigungen des Gesagten aus der Vorlesung. Beinahe zehn Minuten hielt der Belagerungszustand an, gleichwohl gewährte Gustav Karsten diesen Zustand, dieses Bad in den Begeisterten, während dieser sich selbst beflissentlich zurückhielt.

Diese Zurückhaltung gab dem immer noch leicht nervösen Karsten die Chance Alfred zuzunicken und das Wort erheben zu wollen, doch abermals kam ihm Carl Himly zuvor. Er rückte die Brille auf der Nase zurecht. "Keine Ursache, Herr Nobel. Natürlich dürfen Sie Ihre - Gott sei es gedankt - nicht so universitär-geprägte Meinung äußern und natürlich dürfen Sie den Herrn Karsten einladen." Carl klopfte Gustav auf die Schulter, der sich ein freundliches Lächeln abquälte. Der Versuch war ehrlich, das erkannte Alfred, doch dieser Mann hatte einfach kein Gesicht für die Freundlichkeit, sondern eher für die beflissentliche Ernsthaftigkeit. Gustav Karsten, der Mineraloge, legte die Hände hinter dem Rücken zusammen und hielt sich im Wissen, dass Himlys Redeschwall nicht so bald enden würde, zurück, auch Conrad und Samuel aus den Augenwinkeln beobachtend. Doch Himlys Lächeln erlosch und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich, seine Stimme so leise, dass nur Karsten, die beiden Nobels und der inzwischen nahende Conrad Rosenstock es hören konnten. "Herr Nobel. Um ehrlich zu sein, ist dies der sicherste Ort, den wir für den Moment haben. Wenn nach Ihnen gesucht würde..." er blickte zu Conrad, ließ ihn aber herannahen, da Alfred ihn höchstselbst, trotz dessen Rüstmontur, rangewunken hatte, "nützte man diesen Moment, in dem die Menge aus den Hörsälen strömt, um sie ausfindig zu machen. Man wird Sie für den Moment verloren glauben und erst später auf die einfachste Lösung kommen. So ist es doch immer, nicht wahr, Herr Nobel? Wir Menschen tendieren danach, immer den Schwersten aller Wege zuerst abzusuchen statt das Augenscheinliche zu beobachten. Ehe Ihnen einfällt, dass Sie noch hier sein könnten, werden wir Sie in Sicherheit gebracht haben. Doch das muss noch zwanzig Minuten warten."
Carl Himly glaubte den Wink verstanden zu haben, und ließ Conrad sehr nahe kommen, stellte sich und den Herrn Gustav Karsten vor. Doch noch mehr Männer waren im Saal geblieben, während die Traube um Samuel Weißdorn sich auflöste und der Doktor nach seiner Vorlesung endlich einen Schluck des inzwischen handwarmen Wassers trinken konnte.

Holsteinische Soldaten, Fiete Riensche und der Kamerad Schlosser, schlossen die Türen hinter sich und stellten sich als Wachposten davor auf. Ein Eindringen würde zeitig bemerkt werden. Wer auch immer dieses Treffen geplant hatte, er hatte junge, sehr kräftige Soldaten für diese Aufgabe ausgesucht. Sich auch darauf verlassend, dass die Präsenz einer Wache viel ihrer wachmännischen Fähigkeit ausmachte. Im Raum umringte alsbald ein ganzer Schlag gestandener Männer das Pult, im Sinne einer kollegialen Kooptation[1] wurde jedoch Samuel nicht am Pult gelassen, sondern in diesen Kreis aufgenommen. Conrad konnte sich gar nicht wehren, als sich auch eingliedern zu lassen. Und so standen sie dort: Alfred Nobel, Emil Nobel, Conrad Rosenstock, Carl Himly, Gustav Karsten, Gustav Ferdinand Thaulow, und sogar der herrisch wirkende Berliner Dozent und Alumi der Kieler Universität, der verehrte Theodor Mommsen[2] war anwesend. Zudem war Albert Hänel[3] dort, der als Rechtsprofessor und Mitglied der Schleswig-Holsteinischen Liberalen Partei bekannt war, außer standen Wilhelm Seelig (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Seelig), Professor für Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Statistik  und zu guter Letzt Johann Carl Otto Ribbeck[4], der bekannte Philologe, dabei. Es war ein unwahrscheinlicher Kreis, der dort zusammengekommen war. Zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt, unter ungewöhnlichen Vorzeichen. Und in diesem Sinne begrüßte Carl Himly auch alle anwesenden. "Die Krone der Doppeleiche[5] ist mächtig, dass ihre vielen Zweige in so viele Bereiche unseres Lebens dringt und sie uns doch bewusst macht, dass wir alle ihrem Stamme angehören. Ich brauche nicht zu erzählen, welche Last auf uns liegt. Der geschätzte Kollege Mommsen berichtete uns eindrucksvoll davon, dass während wir hier stehen und wichtige Entscheidungen treffen werden, der Bund die Bundesexekution[6] gegen Christian IX. berät und mit höchster Wahrscheinlichkeit beschließen wird. Meine Kollegen, wir sind am Morgen eines Krieges, der die Grundfesten der Doppeleiche erschüttern kann! Von Norden nähert sich ein unbarmherziger Holzfäller, während von Südosten ein Brandroder in den Norden ziehen will. Doch wir bleiben dabei! «unde dat se bliven ewich tosamende ungedelt!»" - "Up ewich ungedelt!", antworteten die anderen ranghohen Herren dieses vielleicht schon konspirativen Kreisen, und Himly, der diese Art von Ansprache, diese Art von Pathos vielleicht sogar mochte, hätte sicherlich gerne weitergesprochen, doch nun war es an Gustav Karsten in seine Ansprache zu platzen.

"Wir sind nicht hier, um studentische Parolen aus der Teutonia[7] zu blöken. Das ist etwas für die Straße. Wir sind unserer Sache in diesem Haus gewiss, auch wenn ich Ihren Eifer bewundere, Kollege Himly." Himly lächelte nickend, während Karsten nur ein neutrales Nicken von sich gab. Für den Gesichtsausdruck Karstens war das jedoch schon freundlich. Eine näselnde Stimme schob sich dazwischen, sie gehört dem knapp fünfzigjährigen, zerbrechlich wirkenden Mann mit kleiner Brille und sehr strengem Blick. Mommsen sagte: "Ich habe einiges von Ihnen gehört, Kollege Himly. Ich denke, Sie sollten gleich zu den Punkten kommen, gerade unter dem...Ausblick des Geschehenen und des zu Erwartenden. Ich habe gehört, dass es Schüsse in der Innenstadt gegeben haben soll und das in Dänischenhagen bereits kleinere Schlägereien zwischen deutschgesinnten und dänischgesinnten Studenten gegeben haben soll! Während die sich verunstalten mit liederlicher Gewalt, sollten wir uns also nicht dessen versichern, was wir sowieso wissen. Da gebe ich dem Herrn Karsten aber recht!"
Wilhelm Seelig lachte, es war ein donnerdes, kehliges Lachen, welches man diesem menschlichen Rechenschieber, als den man ihn gerne bezeichnete, gar nicht zutrauen mochte. Wer ihn kannte, wusste jedoch um seine Geselligkeit. Dennoch kehrte schnell Ruhe ein, zumal Mommsen es mit einem Fingerschnippen forderte. Himly setzte wieder an, er blickte gleich zu Alfred Nobel.
"Ich weiß, Herr Nobel. Was ich jetzt fordere ist nicht leicht für Sie. Aber ich würde Sie darum bitten, Ihre Geschichte, Ihre Erlebnisse nochmal kurz für alle darzulegen. Nur die wichtigsten Punkte,tun Sie es für sich und Ihren Bruder." Himly bemühte sich um ein freundliches Lächeln, er wusste, dass diese Versammlung überfallartig war. Alfred konnte sehen, wie Ribbeck ein paar gekrakelte Unterlagen hervorkramte. Ob dies die Erpresserbriefe waren, die er übersetzt hatte? Hänel hingegen nickte Alfred zu und sprach auch aufmunternd auf ihn ein, nachdem er sich nochmal vorgestellt hatte. "Seien Sie unbesorgt, ich werde mich höchstselbst um ihre Causa kümmern! Ich stehe in regen Kontakt mit schwedischen Anwälten, die Sie und mich in dieser Sache unterstützen werden." Himly fügte schnell erklärend an. "Die schwedische Botschaft hat verkündet, dass der schwedische König im Falle einer Bundesexekution Dänemark symbolisch den Rücken stärken wird...Es tut mir Leid, Herr Nobel." Ein tiefes Seufzen ging durch die Männer, die dort versammelt waren. "Überlegen Sie bitte einen Augenblick, und teilen sie unser Wissen mit uns. Krieg steht vor der Tür, Herr Nobel. Himly hat gesagt, Sie hätten einen...Schlüssel zur Lösung." Es war Thaulow, der Philosophieprofessor, dessen Stimme ernsthaft besorgt klang. Und während Alfred überlegte, konnte er sehen, wie Emil kreidebleich wurde. Dass diese vielen Männer, die durchaus als Vorzeigemänner der intellektuellen Elite Schlewigs und Holsteins gelten konnten, so drängend und bittend, fast bettelnd waren, verdeutlichte ihm, in was für Schwierigkeiten er nicht nur sich und Alfred gebracht hatte. Er griff instinktiv nach Alfreds Ärmel. Alfred spürte, wie sein Bruder zitterte.

Karsten blickte zu Samuel Weißdorn und Conrad Rosenstock. "Ihre Anwesenheit mag ihnen unbegründet vorkommen. Aber ich schätze, Sie haben einen guten Grund, in diesem Kreis zu stehen. Der Oberstwachtmeister hat mich bereits informiert.", Karsten blickte zu Conrad. Conrad bemerkte, dass der OWM eine Nachricht weggeben haben musste, als er das Frühstück wegbrachte und die Nachricht empfang, wo Alfred war. "Sie müssen Herr Rosenstock sein, nicht wahr? Sie sind zurück vom selbstproklamierenden Herzog, für den Sie sogar eine Ehrung beim Bürgermeister für ihre zweifelslos, ehrenhafte Tat auf der Förde vorletzte Nacht ausgeschlagen haben. Wir haben von...Komplikationen gehört. Hätten Sie die Güte, ihr Wissen zu teilen?" Sein Blick wanderte zu Samuel Weißdorn. "Entschuldigen Sie, Herr Weißdorn, wenn Sie auf die Kritik für Ihre Vorstellung noch warten müssen. Seien Sie jedoch beruhigt." Er reichte Samuel die Hand. "Sie sind ordentlich als Dozent aufgenommen." Gustav Karsten rang sich wieder dieses Lächeln ab, was ihm schwer fiel. "Aber das ist kein guter Ort, um über Ihre Habilitationsabsichten zu sprechen. Ich habe für Sie etwas besonderes vor. Deswegen bitte ich Sie darum, nehmen Sie alles auf, was Sie hier hören! Sie werden es gegebenenfalls brauchen." Karsten wollte noch etwas hintersetzen, doch dann schnippste der herrische Mommsen wieder. Die Männer blickten gebannt und gespannt auf Alfred und Emil.
 1. Kooptation (http://de.wikipedia.org/wiki/Kooptation)
 2. Theodor Mommsen (http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Mommsen)
 3. Albert Hänel (http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Hänel)
 4. Otto Ribbeck (http://Otto Ribbeck)
 5. Doppeleiche (http://)
 6. Zur Erinnerung: Bundesexekution (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesexekution)
 7. Gemeint ist natürlich Conrads Burschenschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Burschenschaft_Teutonia_zu_Kiel)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 13.04.2012, 16:42:50
Mit einer bedachte Muße atmete Alfred also tief ein, während er sich wieder seines Mantels, Gehstabes und der Reisetasche entledigte und seine wenigen Besitztümer auf die nächste Sitzbank legte. Der Hörsaal wirkte plötzlich gespenstisch, wie die altehrwürdigen Gelehrten sich in diesem versammelten und gespannt die Geschichte zweier Schweden hören wollten, um die Politik von morgen zu bestimmen. Mit angestrengter Miene ordnete Alfred seine Gedanken und gönnte sich einen Moment der Stille. Erst als er die Unruhe seines Bruders spürte, blickte er Emil an und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, ehe Alfred seine Haltung straffte und die Hände hinter seinem Rücken verschränkte.

"Meine Herren, mein Name lautet Alfred Bernhard Nobel," begann der Schwede und schaute in die Runde. Obwohl es offensichtlich war, dass die Anwesenden wussten, wer vor Ihnen sprechen wollte, verzichtete der Chemiker nicht darauf, sich vorzustellen. "Dies ist mein Bruder Emil Oskar. Ich bin Eigentümer eines Geländes auf dem Krümmel bei Geesthacht[1] und im Begriff, mit Investoren aus Hamburg ein Unternehmen zur Produktion von Nitroglycerin aufzubauen. Vor zwei Tagen, in der Nacht auf den sechsten Dezember, ging die schwedische Brigg 'Solros' vor dem Hafen Kiels zu Grunde. Dieses Schiff segelte in meinem Auftrag und sollte mir Chemikalien und Laborgeräte aus Stockholm liefern. In dieser Nacht starben 124 Menschen auf See, als ein massives Panzerschiff den schwedischen Frachter versenkte. Mein Bruder Emil befand sich auf dieser Brigg und ist einer der wenigen Überlebenden jener Nacht, sprach Alfred bedeutungsschwer und mit ernstem Ausdruck, ehe er mit einer offenen Geste auf Conrad deutete, "was nicht ohne die Hilfe von Herrn Rosenstock und seinen Kameraden hätte geschehen können. Emil identifizierte den Angreifer als ein Panzerschiff unter einem schwarzen Dannebrog[2], die 'Rolf Krake'[3]"

Kurz wechselte Alfred einen Blick mit seinem Bruder und nickte langsam und bedächtig. Ihm fiel auf, dass Emil noch keine Gelegenheit hatte, seinen Rettern zu danken. Für einen Moment wunderte sich Alfred seit langem, wo der Leutnant von Lüttjenburg und der Student Schreiber sich aufhielten, ehe er seine Hände wieder verschränkte und weitersprach. Der Unternehmer ließ sich nicht außer Ruhe bringen, auch wenn er wusste, dass seine persönliche Geschichte Ungeduld in den Reihen der Zuhörer säen könnte.

"In selbiger Nacht musste ich erfahren, dass der selbsternannte Herzog Friedrich von Schleswig und Holstein einen Haftbefehl auf mich und meinen Bruder ausgestellt hatte. Die Anklage lautete, sofern ich mich erinnere: Kauf, Anstiftung zum Diebstahl und Schmuggel gestohlener Dokumente. Ich versichere Ihnen meine und meines Bruders Unschuld in Anbetracht dieser Anklage." Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Alfred bei diesen Worten vor allem den Juristen Hänel an. "Seit diesem Zeitpunkt befinden Emil und ich uns in Haft und Hausarrest, bis wir unsere Unschuld beweisen können."

Alfred nickte, als er an diesem Punkt seiner Geschichte angekommen war. Nachdenklich schaute er auf den Boden und schwieg wieder für einen kurzen Moment, ehe er seine Labortasche heranzog und die Scharniere am rauen Leder aufschnappen ließ. Mit einem Handgriff zog er sein Laborbuch aus dem dafür vorgesehenen Fach und es zunächst nur unter seinem Arm.

"Ich beteuerte bereits unsere Unschuld in der Sache: Kauf, Anstiftung und Schmuggel. Jedoch," sprach Alfred und deutete auf seine Unterlagen, "befinden sich besagte Dokumente in meinem Besitz. Der Diebstahl der Dokumente ist auf eine Frau Erica Lavalle zurück zu führen, eine Trickbetrügerin und Agentin im eigenen Auftrag. Selbige erpresste Emil dazu, das Papier von St. Petersburg nach Kiel zu befördern, und drohte ihm mit dem Leben unserer Familie. Hier angekommen sollte das Dokument an General Christian de Meza[4] der dänischen Armee geliefert werden, um die Forderungen zu erfüllen. Entweder erwartet de Meza die Papiere noch immer, oder glaubt sie und Emil in der Solros-Explosion verloren. Womit wir bei der Sache wären, Herr Himly," schloss Alfred mit einem Blick auf den Professor, "doch ich fürchte ist es viel weniger ein Schlüssel zur Lösung als viel eher ein gefährlicher Hebel." Der Chemiker nahm das Laborbuch unter seinem Arm hervor und schlug die letzte Seite auf, wo der Vertrag zwischen losen Blättern über chemische Rezepte und technischen Zeichungen versteckt war.

"Das Dokument besagt folgendes:

Urkunde des Verzichts

In freundschaftlichen Einvernehmen, mit Blick auf die Zukunft Daenemarks und Europas, in Erinnerung an die freundschaftlichen und feindschaftlichen Verwerfungen der Vergangenheit, aber unter Betonung des gemeinsamen Blutes, erklaeren sich beide Parteien, Christian IX. Kronprinz von Daenemark, der Wenden und der Gothen, Herzog von Schleswig, Holstein, Stormarn, Dithmarschen, Lauenburg und Oldenburg und Friedrich VIII von Schleswig-Holstein, unter groesster Respektsbekundung, unter dem strengen Blick des amtierenden Koenigs Friedrich VII. Karl Christian von Daenemark, der Wenden und der Gothen , Herzog von Schleswig, Holstein, Stormarn, Dithmarschen, Lauenburg und Oldenburg, dass Christian IX. Abstand von seinen Erbansprüchen an die Herzogtuemer Schleswig und Holstein, wie vormals im Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 vereinbart, nimmt und sie in Betonung hoechster Wertschaetzung Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein ueberlaesst.

Moegen Daenemark und seine dazugehoerigen Laender ewige Freundschaft schliessen, moege Gott Daenemark und Schleswig-Holstein bewahren.
'

Der Vetrag wurde unterzeichnet am 9. November 1863 von Christian von Daenemark, Friedrich August von Schleswig Holstein, Friedrich von Dänemark und Karl Georg Ludwig Guido, Graf von Usedom - Gesandter von Preußen.
"

Als Alfred endete war seine Stimme mittlerweile fast schon heiser vom Sprechen. Mit einer abschätzenden Art sah der Schwede noch ein mal über den Vertrag, als würde er ihn das erste Mal in Händen halten. Erst langsam hob er den Blick mit seiner üblichen Art, die Augenbrauen hoch zu ziehen, wenn er neugierig sein Gegenüber anblickte. Alfred hatte noch einiges zu sagen, doch die Bedeutungsschwere des Dokumentes war ihm bewusst. Aufmerksam sah er in die Runde.

 1. Tatsächlich gründete Alfred Nobel die Fabrik in Geesthacht erst am 20. Juni 1865 (http://de.wikipedia.org/wiki/Dynamitfabrik_Kr%C3%BCmmel#Gr.C3.BCndung). Für den Verlauf unseres Spieles hat Menthir jedoch erlaubt, dieses Ereignis vorzuziehen.
 2. Dannebrog (http://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_D%C3%A4nemarks)
 3. Rolf Krake (http://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Krake_%28Schiff%29)
 4. Christian de Meza (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Julius_de_Meza)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 13.04.2012, 21:11:14
Erst ist Conrad etwas schüchtern, denn er hatte nicht gerechnet mit so vielen Professoren zu tun zu bekommen. Es war aber durchaus eine besondere Ehre Mommsen hier anzutreffen und mit ihm auf Augenhöhe sprechen zu dürfen, denn so sah es momentan aus. Als Geschichtsstudent wusste Conrad schon einiges über Professor Mommsen. Conrad rang sich letztendlich dazu durch folgendes zu sagen, wenn Herr Nobel vorher schon so ehrlich war:

"Ja, das ist richtig Herr Professor Karsten, ich bin Conrad Rosenstock. Und ich muss mich bei der Professorenschaft hier vor Ort erst einmal entschuldigen, dass ich hier so bewaffnet in den Saal hereinging, als ob wir schon längst im Krieg wären. Ich sehe es aber als meine Aufgabe an Herrn Nobel so gut es geht zu beschützen und ich wollte meine Ausrüstung trotz Vorlesung nicht einfach ablegen. Es ist mir zudem eine Ehre mit ihnen mein Wissen teilen zu dürfen. Die Meinung von klugen Köpfen zu den derzeitigen Problemen kann nie schaden. Der Herr Oberwachtmeister könnte Sie schon entsprechend gut informiert haben, Herr Professor Karsten, aber ich will trotzdem noch einmal mit eigenen Worten vortragen, was Sache ist. Gestern habe ich mich zu Herzog Friedrich VIII begeben. Es ging ihm darum wieder an das Dokument zu kommen, das Herr Nobel besitzt. Er ist ein besserer Mann als der Braunschweiger. Wenn er so ein Mann wie der Braunschweiger gewesen wäre, hätte ich so einen Mann ungern an der Macht gesehen. Aber Herzog Friedrich schien mir ein sympathischer Mensch zu sein. Plötzlich als wir im Gespräch vertieft waren, griffen Herzog Friedrich und alle Anwesenden einige Attentäter an. Karl Schreiber starb bei dem Angriff, als er eine Kugel abfing, die wohl für Herzog Friedrich eigentlich bestimmt war. Er wird demnächst eine würdevoll Beerdigung bekommen. Carl von Lütjenburg, ein Mitstudent, Donald Munro, ein Schotte, Schwester Hermene vom Altenstift und ich schafften es letztlich, dass die Attentäter keinen anderen mehr, vor allem nicht den Herzog ermorden konnten. Herzog Friedrich meinte dann, nachdem die Attentäter zurückgeschlagen wurden, dass dieser Angriff eigentlich den Nobel Brüdern gegolten haben könnte. Ich werde ihnen noch im folgenden die Attentäter so gut es geht beschreiben wie es mir möglich ist." Conrad beschreibt daraufhin die französisch sprechende Attentäterin, die zwei schottischen Attentäter. Den Scharfschützen kann er am schlechtesten beschreiben. So gut konnte er ihn leider nicht erkennen. "Einen Schotten konnten wir gefangennehmen, die Attentäterin konnte wahrscheinlich lebend fliehen, obwohl sie ziemlich blutete, der eine Schotte starb im Kampf, aber der Scharfschütze konnte wohl ziemlich sicher entkommen. Auch war es wohl so, dass die Männer von Herzog Friedrich draußen gegen noch ein paar andere Attentäter kämpften, die auch vertrieben werden konnten. Nach dem Angriff konnte ich mich noch etwas mit Herzog Friedrich unterhalten. Wenn die Nobel Brüder dabei helfen würden ihm sein wichtiges Dokument zu besorgen, würde er beiden Amnestie gewähren. Sie bräuchten sich dann nicht extra einem Prozess zu stellen. Ich bin hier vor allem wieder nach Kiel zurückgekehrt, um die beiden Nobel Brüder zu beschützen. Nur sekundär bin ich wegen dem Dokument in ihrem Besitz hier."

Dann schaut Conrad bloß noch direkt zu den beiden Nobelbrüdern und sagt folgende Worte an die beiden: "Sie befinden sich beide vermutlich in großer Gefahr. Zudem stecken Sie in einer schwierigen Situation. Von ihren Entscheidungen hängt das Leben ihrer Eltern ab. Eigentlich hätte ich diese Diskussion lieber nur mit ihnen und ihrem Bruder geführt, aber es wird schon auch hier in diesem Kreis gehen. Eigentlich ist das Dokument für Herzog Friedrich bestimmt. In dänischem Besitz könnte das Dokument womöglich keine Macht entfalten und vielleicht sogar irgendwie 'spurlose verschwinden', wenn Sie verstehen, was ich meine."

Conrad machte eine kurze Sprechpause und schaut dann konzentriert zu Boden. Er schien zu überlegen, bis er dann nach der kurzen Pause wieder zu den Nobel Brüdern sagte: "Hilft Ihnen vielleicht irgendeine Form von Magie Herr Nobel, um ihre Eltern zu warnen, damit diese sich vor möglichen Attentätern schützen können? Ich könnte mal nachdenken, ob es so eine Möglichkeit hier in Kiel gibt, falls Ihnen das irgendwie hilft."  
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 14.04.2012, 16:59:55
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:11 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog hatte Carl einen Platz gewiesen, vor dem aufgestellten Schreibtisch, der weitestgehend leergeräumt war, bis auf einen Stapel Korrespondenzen, stand ein Tablett mit Brötchen, etwas Aufschnitt und dampfender Milch. Wahrscheinlich wappnete sich der Herzog mit klassischen Hausmittelchen gegen die Kälte, welche auch in diesem Teil des Hauses zu spüren war. Der brennende Kamin änderte kaum etwas an der Tatsache, dass es frisch war im provisorischen Büro des Herzogs. Er trug gesäuberte Kleidung und zurückgelehnt in seinem Stuhl und aß bereits eine Brötchenhälfte mit irgendeiner Art Salami. Er nickte Carl immer wieder zu, während dieser sprach. Während er mit der rechten Hand das Brötchen führte, schrieb die linke Hand, eine Schreibfeder haltend, die Ideen von Carl auf einem Schmierzettel mit. Es wunderte den preußisches Offizier nicht mehr, dass sich solche Papiermengen bei diesem Mann ansammelten.

"Ich sehe, Sie haben einige Gedanken bemüht. Sehr vorbildlich, Herr von Lütjenburg. Sehr vorbildlich. Lassen Sie uns darüber sprechen.", eröffnete er das Gespräch abermals von seiner Seite aus. Er aß das Brötchen auf und bedeutete mit einer Handgeste, dass Carl nehmen solle. Gekochter Hinterschinken, Bratenaufschnitt, teure italienische Salami, der Herzog ernährte sich morgens scheinbar nur von Fleisch und etwas Backwerk mit warmer Milch. "Ihre erste Theorie deckt sich ziemlich mit meiner, deswegen werde ich dies an das Ende meiner Ausführung stellen. Ihre zweite Theorie schließe ich partout aus, aber partout. Selbst wenn es dänisch-nationale Stimmungen gibt und jene auch dort in den Kabinetten verankert ist, wie bei den verdammten Eiderdänen[1]! Sie würden das nicht wagen, weil Sie sich selbst in die Bredouille bringen würden.
Ihre dritte Theorie könnte jedoch sein, aber ich wüsste von niemanden, der...genügend Interesse und Macht gleichermaßen hätte, um sich in diesen Konflikt einzumischen..."
, er blickte auf und machte entschuldigende Geste. "Bis auf Preußen vielleicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will das den Preußen nicht vorwerfen, aber ein Krieg käme ihnen bei der momentanen, innenpolitischen Lage gerade recht." Der Herzog nahm die zweite, belegte Hälfte hervor, auf der Bratenaufschnitt lag, mit einem betrachtlichen Fettrand. "Aber die Preußen würde wahrscheinlich keine so internationalen Söldner mehr anwenden, außer, um sich Zeit zu verschaffen. Die Preußen brauchen aber keine Zeit, sie würden diplomatischen Druck ausüben, aber keinen martialischen Druck. Was ich sagen will: Ich glaube, dass jemand ein eigenes Interesse an der Sache hat, ja, es bei diesem Interesse jedoch nicht um politisches Interesse geht, sondern um Geld und vielleicht eine andere Art von Einfluss, auf jeden Fall keine nationale Macht. Dies hat zu Spannungen geführt. Die Dänen, die durchaus ein Interesse an meinem Tod haben könnten, haben Söldner beauftragt, um keinen direkten Hinweis auf sich zu liefern. Dabei haben sie eigentlich nicht vorgehabt, mich zu töten, sondern sie wollten nur den Vertrag auslöschen, um mich politisch wieder unter Druck zu setzen. Dieser Vertrag ist aber jetzt nicht hier und sie haben keinen Zugriff drauf, also haben sie versucht, mich auszuschalten, um weiter etwas zu haben, um mit den Dänen verhandeln zu können. Das meint: Die Söldner haben in ihrer Aufgabe versagt und versuchen jetzt die Dänen unter Zugzwang zu setzen, um die Verhandlungen nicht platzen zu lassen. Dank Ihnen, Carl, sind die Söldner gescheitert." Der Herzog nickte zufrieden bei der Zusammenstellung seiner Zusammenfassung und setzte nach, er hob den Zeigefinger, um die Bedeutung seiner Worte hervorzuheben. "Und die Dänen müssen beteiligt sein, denn wer würde von dem Geheimvertrag wissen, wenn nicht die unterzeichnenden Parteien! Oder halten sie Botschafer Guido von Usedom für sowas fähig?"
Interessiert musterte er Carl und schnitt sich ein neues Brötchen auf.
 1. Eiderdänen (http://de.wikipedia.org/wiki/Eiderdänen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.04.2012, 14:49:12
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:07 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Stille. Was Alfreds und Conrads Worten folgte, war nichts anderes als eine greifbare, bedrückende Stille. All jene, die sonst die Krone ihre Fachbereiche darstellten, die nichts anderes gewohnt waren, als Epitome der Gelehrsamkeit zu sein und jenes in möglichst beeindruckenden Worten zu verpacken. Jene Wesen aus Bildung und Rhetorik, sie waren sprachlos, fast geistlos, wenn man nur dem Ausdruck ihrer Mienen glaubte. Diese Professoren, also jene, die sich öffentlich als Lehrer der Geschichte, der Philosophie, der Staatslehre gar ausgaben, standen dort, staunend wie kleine Kinder, die erstmalig nach einem harten und schwülen Gewitter den Regenbogen sahen, oder in der Sprache der Theologie: Die Gottes Bund mit den Menschen in der Person Noahs sah. Der Regenbogen als Zeichen, dass der Mensch nie wieder in einer Sintflut dieses Ausmaßes ertrinken würde[1]. Dieser Vertrag war - und dies war einem jedem Mann in diesem Saal, der sich mit der Schleswig-Holstein-Frage auseinandersetzte, anzusehen – war im wahrsten Sinne des Wortes ein Manifest der Hoffnung, gleichwohl die Feststellung Lord Palmerstons[2] wohl immer seine wahre Blüte tragen würde: «Only three people have ever really understood the Schleswig-Holstein business—the Prince Consort, who is dead—a German professor, who has gone mad—and I, who have forgotten all about it.»
Wer wusste schon, wer dieser deutsche Professor sein mochte und ob er unter den Anwesenden war, aber es war zumindest Theoder Mommsen, der als erstes über den Zustand der Schockstarre hinwegkam, mit der Ausnahme Himlys, der durchaus ein freundliches und zufriedenes Lächeln zu zeigen begann als er sich vom ersten Schock erholt hatte.
„Meine werten Herren! Da trifft mich doch der Schlag! Ja, ich alter Nordfriese sage durchaus, dass mich da der Schlag trifft! Welch wunderliches Werk durch das Schicksal in Ihre Hände geraten ist, Herr Nobel.“, er glotzte den Vertrag etwas verdattert an und versuchte ihn vorsichtig zu berühren, als würde er an dessen Existenz zweifeln, ohne ihn vorher berührt zu haben. „Ja, Herr Nobel. Sie mögen Ihre Situation als schwerlich betrachten, aber die Vorsehung, so es sie gibt, oder Hegels Weltgeist[3] oder das, was wir auch manchmal Gott nennen, es hat Großes mit Ihnen vor. Dieses Schicksal ist schon sonderbar. Da liegt vielleicht das Schicksal eines ganzen Reiches auf den Schultern von ein paar Männern.“, sagte er fast lachend und blickte auf Conrad an, der von der Rettung des Herzogs berichtet hatte. „Ja, da sind es doch ein paar Menschen, die nun wirklich nicht der kühnste Rochau[4] und der schnippischte Bismarck mit ihrer Liebe für Realpolitik[5] hätten erkennen können, die solch einen Wandel im Laufe der von uns so großartig antizipierten Geschichte bewirken können.“ Er hob den Zeigefinger und legte ihn tippend an die Stirn. „Wenn sie denn nur wollen!“

Jetzt ging aufgeregtes Getuschel durch die Reihen der Professoren, einer unterhielt sich mit dem Nächsten und doch war kaum ein Wort zu verstehen. Sie murmelten in ihre Bärte, blickten zu Conrad, Alfred und Samuel, nickten sich zu. Es war eine Sprache hohen Kontextes, den Außenstehende kaum verstanden, doch klar war, dass sie sich über ein Parlament und die Idee des Liberalismus[6] unterhielten und es Albert Hänel, der seine Stimme erhob, um den Getuschel Einhalt zu gebieten.
„Freunde! Freunde!“ Das Poltern seiner Hand auf dem Pult war so kräftig, dass alle Gespräche abrupt verstummten. „Sie tun mit Ihren ungesagten und doch nun aufkommenden Forderungen den beiden Herren Nobel unrecht. Und zwar gröbstes Unrecht! Herr Mommsen, Sie mögen von der sehr positiven Schicksalshaftigkeit schwärmen, von der Theodor und Justus[7] im Exil noch träumen. Fast alle von uns waren ein Teil des 48er[8] Gedankens, das will ich nicht verhehlen. Doch vergessen Sie nicht, wir alle sollten dies, dass Herr Nobel nicht darum gebeten hat, dass Seine Familie erpresst wird!“ Ribbeck bejahte dies lautstark und blätterte in seinen Unterlagen, aufgrund der Umstände wenig Rücksicht auf Diskretion nehmend. „Das ist wahr! Ich habe Erpressungsunterlagen hier!“ Er hielt seinen Stapel mit Zetteln hoch. „Es ist ein verdammt furchtbares Küchenlatein[9], wenn Sie mir diesen Ausdruck erlauben, aber lasse Sie mich paraphrasieren, was diesen Papieren zu entnehmen ist.
Es befindet sich eine Auflistung mit zuletzt getätigten Geschäften der Nobelgeschäften, mit ihren Immobilien und Aufstellung einer Ahnentafel mit Kommentaren zur Bedeutsamkeit der jeweiligen Beziehungen. Es wird vor allem vorgeschlagen, Emil Nobel zu erpressen und über ihn an Alfred Nobel ranzukommen. Zudem sollen aber weitere Erpressungsvorgänge gegenüber anderen Familienmitgliedern durchgeführt werden. Es tut mir Leid, die Herren Nobel, aber damit sind ihre Brüder und ihr Vater gemeint.“
Ribbeck stoppte kurz, um die Worte wirken zu lassen und Hänels Worte zu unterstreichen, dann fuhr er mit drängender Stimme fort. „Das meiste sind technische Deteils zu Verschlussmechanismen holsteinischer Türen, Funktionspläne über holsteinische Waffen und eine Kartei über die Waffenfabrik Rosenstock.“ Er blickte kurz zu Conrad. „Dort sollten sich einige Söldner mit Waffen eindecken. Die Papiere umfassen unter anderem vier Auftragsschreiben ausgestellt auf die Namen Daniele Nocerino, Erica Lavalle, Sam Grymes und ein Mann, der in den Schreiben nur den französischen Namen für Folterknecht trägt: Le Tortionnaire. Es gibt keine tieferen Einblicke in sie. Ich bin zusammen mit Wilhelm[10] die Aufstellungen der Ausrüstungen durchgegangen und wir haben dadurch erschließen können, woher die Söldner eingeschifft wurden und von wo ihre Auftragsschreiben kamen und woher ihre Versorgung angeschifft wurde.“ Er legte einen Merkzettel auf das Pult und nahm nun die zentrale Position vor dem Schreibpult ein, die anderen Professoren sortierten sich neu. „Wir haben herausgefunden, dass die Söldner mit einem Schiff namens „Endurance“ aus Dover nach Husum kamen und dann über die Landpassage nach Kiel gekommen sind. Dort sind Sie in einer Gaststätte namens „Gerd's Eck“ einquartiert wurden von einem Mann, der John Baker heißt. Er hat dort aber für insgesamt fünf Gäste gebucht. Ein fünfter Mann taucht dort auf einmal auf: Donald Munro.
Ihre Auftragsschreiben kamen aus Wolfenbüttel[11] und sind dreisterweise per Post zugestellt wurden. Ihre Ausrüstung kommt aus zwei Richtungen. Einmal mit der „Eikboom“, einem lübischen[12] Schiff, welches die Waffen aus Kopenhagen nach Kiel brachte. Die Information haben wir, weil Wilhelm Einblick in die Kontorlisten gewinnen konnte und die Waren abgeholt wurden von einem Daniele Nocerino. Das zweite Schiff ist ein russisches Schiff, welches aus dem Großfürstentum Finnland kommen muss, denn es heißt Suudelma. Dieses Schiff könnte ein Problem werden, wenn es Kiel erreicht, denn es heißt, dass es schwere Waffen bringt und diese von diesem John Baker persönlich gebracht werden. John Baker scheint nach den Aufzeichnungen der Anführer der Bande zu sein.“
Er räusperte sich und blickte zu Carl Himly. „Normalerweise würde ich an der Rechtmäßigkeit dieser Papiere zweifeln und schon recht an ihrer Echtheit, aber diese Papiere entstammen dem Besitz von Daniele Nocerino, welcher für die Planung vor Ort zuständig sein soll. Carl Himly hat es gewagt, sich mit ihm einzulassen, um ihm die Papiere abzutrotzen. Unser Dank sollte also Carl gelten.“ Die Professoren klopften auf das Pult und Otto Ribbeck übergab Abzüge der Papiere an Alfred Nobel und eine handvoll Abzüge an Hänel, der auch wieder an Ribbecks Worte anknüpfte. „Das wird sowohl die schwedische Botschaft überzeugen, als auch die holsteinischen Behörden, Herr Nobel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sehr schnell für Ihre offizielle Freilassung sorgen kann, alternativ kann der Herr Ohlendorf auch die Arbeit übernehmen. Wie sie möchten.“

Jetzt war es an Thaulow auf das Pult zu klopfen, doch es war sanfter und mit der ganzen Handfläche. „Das ist sehr erfreulich, dass das dann für die Herren Nobel gut ausgehen wird, dennoch möchte ich darum bitten, dass wir unsere Aufmerksamkeit dem Lande widmen und nicht eventuell nur einem Einzelschicksal, zumal wir den Eindruck gewinnen konnten, dass dieses sich im Guten ausgehen mag.“ Thaulow machte eine entschuldigende Geste den Nobels gegenüber. „Aber erlauben Sie mir die Anmerkung, dass ein Krieg eine Sammlung vieler tragischer Einzelschicksale ist und erlauben Sie mir, den Krieg als der Menschheit größte Tragödie zu bezeichnen. Das muss also verhindert werden!“ Jetzt rückte Gustav Karsten an das Pult und Ribbeck macht wieder Platz für den Mineralogen, der eine Hand in der Tasche hatte und mit der anderen beim Sprechen wild gestikulierte. „Mein geschätzter Thaulow hat recht und lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen. Obwohl sich der Vertrag in den Händen von Alfred Nobel befindet, ist eine einfache Übergabe an Friedrich VIII. keine Lösung. Dessen sind wir uns alle bewusst. Friedrich, der sich selbst, ohne Zustimmung der alten Stände und ohne das Einberufen eines Parlamentes zum Herzog deklarierte, obwohl seinem Adelsgeschlecht das Herrschaftsrecht vor Jahrhunderten abgenommen wurde, ist ohne Zweifel ein Anhänger eines Absolutismus[13]. Im Ernst, meine Herren, so sehr ich schätze, dass Friedrich dieses Attentat überlebt hat – dafür gebührt Ihnen unser Dank, Herr Rosenstock! - so sehr muss ich erwähnen, dass es kein Zeichen von schleswig-holsteinischen Großmut ist, ausgerechnet auf Gut Emkendorf[14] zu residieren, einer Hochburg der Reventlows[15], die sich durch ihre Treue Dänemarks gegenüber und gegenüber einer dänischen Einheitsidee hervortaten. Diese Schimmelmanns[16] und Reventlows, sie sind dänische Diener! Warum sich also in ein dänisches Herrenhaus begeben? Hat er es als holsteinische Symbolik genommen? Nein! Meine Herren, ich plädiere dafür, dass wir dieses Dokument als Druckmittel für uns nutzen. Und...“ Mommsen vervollständigte den Satz. „...dem ungeteilten Schleswig-Holstein ein regierendes Parlament zu geben. Eine ehrlich Demokratie nach dem Vorbild unserer Bewegung von 1848!“ Die Professoren trommelten wie verrückt auf dem Pult herum, doch es war wieder Theodor Mommsen, der Alfred Nobel anschaute. „Sie können eine wichtige Rolle spielen, sie beide, aber auch Sie, Samuel und Sie, Conrad.“ Er blickte zu den letzten beiden. „Sie könnten einen Krieg verhindern, wenn Sie nur wollen. Grundlage ist der Vertrag, der vor die Garantiemächte muss, bei einem gleichzeitigen Verzicht Friedrichs auf die Herzogswürde beim gleichzeitigen Einsätzen eines sich konstituierenden Parlamentes! Denn der selbsternannte Herzög wäre zu schwach, aber nicht ein einiges Schleswig und Holstein!“ Die Professoren klopften wieder und Hänel schaltete sich noch ein.
„Es wird natürlich nicht ganz so einfach werden. Der Herzog wird das nicht wollen, aber wir können uns seinem Einfluss entziehen. Durch die Papiere der Söldner sind die Herren Nobel nicht auf die herzögliche Amnestie angewiesen! Und vielleicht würde der deutsche Bund uns recht geben, wir müssen die Probleme nur an Preußen vorbeischaffen und uns Österreich zuwenden.“ Himly nickte verstehend. „Ja, die Preußen. Nun ja. Wie dem auch sei. Herr Nobel, ich hoffe Sie sind nicht enttäuscht darüber. Wie Sie sehen, haben die Professoren vollstes Verständnis für Ihre Lage und im Namen aller möchte ich nochmal mein Beileid für jenes aussprechen, was Ihnen in den letzten Tagen alles widerfahren ist. Es muss alles so überfallartig wirken, aber ich gestehe, dass wir Ihnen kaum mehr Zeit lassen können, drückt Dänemark doch wie ein Ungetier auf uns. Daher fragen ich Sie, Alfred, aber auch Sie, Emil, Herr Rosenstock und Herr Weißdorn: Sind sie bereit, Schleswig-Holstein in dieser schweren Zeit beizustehen und den Menschen ein bisschen Selbstbestimmung zu geben? Eine Selbstbestimmung, die dem Volk nicht zusteht. Wir sind Spielball politischer Mächte, die über unser Gedeih und Verderb entscheiden, ohne dass den Menschen auch nur das Wort gegeben wird. Sie werden nicht einmal angehört und so hat es Friedrich mit uns gemacht. Ohne die Partei zu fragen oder auch nur irgend jemanden, hat er sich gleich an allem Volke vorbei an die Garantiemächte gewandt, jeden liberalen Keim erstickend.
Sie sind alles Männer von Bildung! Sagen Sie mir bitte, dass sie helfen oder erklären Sie mir, warum ein sinniger, reeller Mann diesen politischen Mummenschanz mitspielen sollte!“

Carl Himlys Anfrage war sehr ernst gemeint, denn es schwangen glaubhafte Emotionen in seinen Worten mit. Er blickte zwischen Conrad, Samuel und Alfred hin und her, während Emil betreten zu Boden schaute.
 1. „Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.“ - Genesis 9, 14-15
 2. Lord Palmerston (http://de.wikipedia.org/wiki/Lord_Palmerston)
 3. Weltgeist (http://de.wikipedia.org/wiki/Weltgeist)
 4. Ludwig August von Rochau (http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_August_von_Rochau)
 5. Realpolitik (http://de.wikipedia.org/wiki/Realpolitik)
 6. Liberalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Liberalismus)
 7. Gemeint sind natürlich die Olshausenbrüder
 8. Zur Erinnerung: Märzrevolution (http://)
 9. Küchenlatein (http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCchenlatein)
 10. Gemeint ist Wilhelm Seelig
 11. 
Wissen (Geografie) SG 10 (Anzeigen)
 12. aus Lübeck
 13. Aufgeklärter Absolutismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Aufgekl%C3%A4rter_Absolutismus)
 14. Gut Emkendorf (http://de.wikipedia.org/wiki/Gut_Emkendorf)
 15.  Friedrich Karl Reventlow (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Karl_Reventlow)
 16. Heinrich Schimmelmann (http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Carl_von_Schimmelmann)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 17.04.2012, 19:41:53
Es war eben jene folgenschwere Reaktion der Gelehrten, mit der Alfred Nobel gerechnet hatte. Als die Männer teils reihum, teils durcheinander sprachen, wanderte auch Alfreds Blick zwischen den Professoren umher und beobachtete eingehend. Tatsächlich ließ es sich keiner der Kieler nehmen, zu Wort zu kommen, bis auf den Statistiker Seelig jedoch, der seit der Vorstellung kein Wort von sich gegeben hatte.[1]

Als Himly endete, verfiel Alfred mit nachdenklichem Blick in ein immerwährendes Nicken. Es dauerte einen Moment, bis er das Wort ergriff, auch wenn ihm niemand damit zuvor kam.

"Sie haben ganz gewiss bereits meinen und den Dank meines Bruders, meine Herren," begann der Schwede, und konnte sich nicht entscheiden in welches der erwartungsvollen Gesichter zu blicken. "Und Herr Rosenstock - Der Verlust Ihres Kameraden ist schrecklich. Mein Beileid kommt von Herzen, ich lernte Herrn Schreiber als einen wagemutigen und entschlossenen jungen Mann kennen." In einer dankbaren Geste senkte Alfred kurz den Kopf. Mit einer vorsichtigen Berührung entnahm Alfred den Vertrag aus dem Buch und breitete ihn mit auf den Tisch aus, neben Ribbecks Dokumenten. Fast ebenso sorgfältig klappte er auch seine Laborunterlagen zusammen und legte sie ebenfalls daneben. Als er weitersprach, tippte der zeichnend auf den Buchdeckel.

"Doch Sie haben Recht, werte Herren, es wird noch einiges geschehen um die Angelegenheit Schleswigs und Holsteins. Die Angreiferin, welche Herr Rosenstock erwähnte, beschreibt Frau Lavalle verdächtig nahe. Mit Herrn Nocerino hatte ich bereits das zweifelhafte Vergnügen, zu sprechen - auch wenn ich damals um seine Affiliation nicht wusste. Auch der Name Monro ist mir ein Begriff. Hmm," brummte Alfred mit gerunzelten Augenbrauen. Die Auftragsschreiben der Männer kamen aus Braunschweig - war es zu weit gedacht, den schwarzen Braunschweiger in irgendeine Verbindung mit den Attentätern zu bringen? Unschlüssig schüttelte Alfred den Kopf, noch zu verschwommen waren die Angelegenheiten, als dass er sich einen Reim machen konnte. Sein Blick fiel auf Emil, der in gesenkter Haltung zu Boden sah. In bittender Weise hob Alfred den Zeigefinger und sprach in die Runde. "Sie entschuldigen mich für einen Moment, wenn ich mich mit meinem Bruder berate."

Alfred griff den überraschten Emil sanft am Arm und führte ihn einige Schritte von den Professoren weg. Er seinem Bruder tief aber beruhigend in die Augen, als er sich zu ihm vorbeugte und ihn leise in ihrer Muttersprache fragte: "Was liegt Dir auf dem Herzen? Ist es noch immer die Gram darüber, die Schuld an der Sache zu tragen? Ich bitte Dich, Emil. Es ist Vaters feige Art, sich vor der Welt zu verstecken, so dass nur nichts passieren darf. Du bist ein Risiko eingegangen, korrekt, und es hatte für uns bisher nachteilige Konsequenzen, ja. Aber das muss so nicht bleiben! Hörst Du, wir werden die Sache richten. Und außer Dir selbst macht Dir keiner Vorwürfe, mein Lieber."

Aufmunternd lehnte sich Alfred noch ein wenig weiter zu Emil vor. Mit zusammengesteckten Kopfen standen die Nobelbrüder da, als der ältere dem anderen schließlich die Hand auf die Schulter legte.

"Du hast Herrn Ribbeck gehört, Robert, Ludvig und Vater stecken vermutlich auch in der Sache drin. Zum einen heißt es, dass Du ohnehin nichts an der Erpressung hättest können. Zum zweitan aber auch, dass Vater und unsere Brüder gewarnt sind! Sie können dort, wo sie sich befinden, selbst besser auf sich aufpassen. Wie ich sie kenne, zerbrechen sie sich viel eher den Kopf über uns, als dass aus ihrer eigenen Angelegenheit nicht herauskommen."

Alfreds Worte waren zwar aufmunternd gemeint, doch keineswegs ausschließlich so gedacht. Ihr Vater Immanuel befand sich in Stockholm und wusste sich zweifellos durch alte Freunde in Sicherheit zu begeben. Und Robert und Ludvig waren im Zarenreich unabdinglich Persönlichkeiten geworden, an deren Schutz war noch viel weniger zu zweifeln.

"Diese Männer," beendete Alfred schließlich seine Gedanken, "sind unsere Gelegenheit die Sache unbeschadet zu überstehen. Vielmehr, aus ihrem Einfluss sogar einen Gewinn für uns zu finden. Oder zweifelst Du, Bruder? Etwas bedrückt Dich."
 1. Hunch (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6648.msg772703.html#msg772703) gegenüber der ganzen Runde
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 18.04.2012, 00:33:43
Carl setzte sich zu dem Herzog und lauschte dessen Ausführungen. Dabei tat er sich an dem herzhaften Frühstück gütlich und zwar zu genüge. Die Entbehrungen der schicksalhaften Nacht und die lange Ruhe danach hinterließen einen sehr hungrigen Preußen. Dennoch konzentrierte sich Carl nicht nur auf den Herzog und das Frühstück, sondern hielt auch immer ein Auge auf die Umgebung um sie herum, schließlich war er nicht ohne einen Grund hier geblieben.

"Wie ich schon andeutete" setzte Carl an, als der Herzog geendet hatte "gehe ich mit ihnen vollkommen konform was diese zweite Theorie angeht. Solch einen Fehler würden wohl nur solche begehen, denen eine derartige zur Schaustellung von Ressourcen nicht zuzutrauen wäre."

Carl trank etwas von der heißen Milch und spürte, wie die Lebensgeister wieder in ihn hineinfuhren. "Zugegeben, die erste Theorie, welche besagt, das Dänemark zum Diebstahl der Verträge Söldner angeheuert hat, die nun mehr oder weiniger eigenständig operieren ist sehr plausibel, aber dennoch möchte ich meine dritte Theorie nicht so leichtfertig aufgeben.

Wie Sie sich denken können traue ich das von ihnen beschriebene Verhalten Preußen nicht zu. Was Graf Guido angeht, kann ich nur sagen, dass ich ihn nicht pesönlich kenne, aber die Vorstellung solcher Niedertracht erscheint mir kaum möglich für einen preußischen Adeligen und Diplomaten. Überhaupt, warum sollte seine Majestät sich nach dem Stand der Verhandlungen erkundigen, wenn es nicht Preußens ureigener WIlle wäre, dass diese Zustande kämen.

Ich mag nun also nicht wahrhaben, dass Preußen, meine Heimat, solcher Söldner bedient und so ganz gegen die eigenen Tugenden ins Felde zieht, dennoch sehe ich hier und da einige Indizien, die für einen wissenden Drahtzieher im Hintergrund sprechen.

Sie selbst haben uns ja berichtet, dass ihr Skriptor nur kurz nach dem Erhalt der Verträge schon überfallen wurde. Das heißt für mich, wenn man nun mal den totalen Zufall ausschließt, dass nicht nur die Existenz der Papiere sondern auch ihre Destination im Vorfeld bekannt sein musste. Wussten die Dänen von ihrem Verfahren mit dem Vertrag und wo er sich befand?

Außerdem haben uns die Söldner hier auf Gut Emkendorf angegriffen. Wenn dies geschah, um die Gebrüder Nobel zu erfassen, so frage ich mich, warum man so sicher war, dass diese hier waren. In Kiel konnte sie niemand beim Einsteigen in die Kutsche beobachtet haben, im Gegenteil, man hätte sehen müssen, dass Alfred Nobel durch mich den Oberstwachtmeister übergeben wurde. Daraus schließe ich, dass das Ziel der Söldner entweder nicht die Nobels waren, oder ihre Informationen von jemandem stammten, der von dem Plan wusste, dass die Nobels zu jener Zeit hier auf Gut Emkendorf weilen würden. Ich denke, dass solche Informationen den Dänen wohl kaum zugefallen sein konnten..."


Carl atmete einmal tief durch und machte eine ernste Miene "Zuletzt werde ich ihnen noch etwas gestehen müssen. Bezüglich Marius Pedersen war ich ihnen gegenüber nicht ganz aufrichtig. Es wird mir nicht zur Ehre gereichen, wenn ich sage, dass ich noch nicht wusste, was ich von Ihnen zu erwarten hatte, als ich hier eintraf und das Marius neben allen Meinungsverschiedenheiten auch immer noch ein Bundesbruder ist. Wie gesagt mag das nichts Ehrenhaftes in meinem nur wenig ehrenhaften Verhalten durchscheinen lassen, aber ich hoffe, dass sie mich dadurch zumindest verstehen können."

Carls Worte waren aufrichtig und so wie er den Herzog ansah, war deutlich zu erkennen, dass ihm eben dieses Taktieren mit Worten und Informationen ein Graus sein musste. "Marius sprach noch am Abend des Schiffsunglück auf einer studentischen Feier von einem Attentat, um ihren Erbansprüchen ein Ende zu setzen. Ich tat es damals als das Gewäsch eines Halbstarken ab, der sich zu profilieren suchte. Doch nach den letzten Erkenntnissen und Ereignissen, die nicht zuletzt Marius selbst beinahe das Leben gekostet haben, neige ich dazu meine erste Einschätzung zu überdenken und frage mich, ob Marius nicht mit etwas prahlen wollte, von dem er wusste das es geschehen würde."

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 18.04.2012, 22:50:25
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:14 Uhr - Gut Emkendorf

"Interessant. Das ist höchst interessant. Nicht nur, weil ich Ihnen glaube, Herr von Lütjenburg. Sondern weil es die Bestätigung dessen ist, was ich als Mensch schon immer gefürchtet und verachtet habe. Meine Hoffnung legt mir immer wieder nahe, an Prinzipien und Werte glauben zu können, die Realität zeigt mir, dass man selbst an sowas glauben kann und sollte, aber man sich aufgrund dessen nicht darauf verlassen sollte, dass anderes dies tun. Das ist völlig unabhängig, ob sie äußerlich dieselbe Couleur tragen, sich denselben Prinzipien verpflichten und manchmal sogar unabhängig davon, ob sie einen Eid geschworen haben oder nicht. Wie häufig gilt dann leider: Verlass dich auf andere und du bist verlassen." Der Herzog stützte den Kopf nachdenklich auf die Faust, während er sprach, sein Ellenbogen war dabei auf den Schreibtisch aufgestützt. Er atmete tief ein, es wurde deutlich, dass der Herzog ein sehr negativistisches Weltbild haben mochte. Wer seine Lebensgeschichte kannte, der konnte sich schnell zusammenreimen, woran das wohl lag. Er nahm den Kopf wieder hoch und schnitt sich noch ein Brötchen auf. Während er es mit Butter bestrich, sprach er weiter.
"Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich nicht so positiv über die preußische Mithilfe denken mag, solange Sie sich nicht bestätigt hat. Beim letzten Krieg verließ Preußen schnell wieder unsere Seite verlassen, und sie sind diplomatisch durchtrieben. Alleine die vielen Gerüchte über ihre neue Geheimpolizei, die sich in Holstein befindet, gefällt mir gar nicht." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Entschuldigen Sie und verstehen Sie es bitte nicht als Verurteilung."

Schnell landete eine Bratenscheibe auf dem Brötchen, darauf etwas Katenschinken und ein Stück Gewürzgurke. Genüsslich biss er rein und musterte den preußischen Offizier vor sich. "Das ist das Werk des Teufels, wie man so schön sagt. Er verführt unsere Brüder zu Taten, die einfach furchtbar sind, für die Mitmenschen oder vor allem für jene Menschen in deren Vertrauen. Was Marius Pedersen wohl begehrte, dass er die Studentenschaft verriet? Und was er wohl falsch machte, dass sein Verrat so schnell gerächt wurde? Es spricht in der Tat dafür, dass einiges gehörig schief gegangen ist. Und auch dafür, dass er vielleicht davon wusste." Er biss nochmal ab. "Wenn Sich dieser Verdacht erhärtet... Wissen Sie was? Ich glaube, es ist das Beste, wenn Sie nach dem Frühstück unsere Gäste noch einmal befragen. Diese beiden Schotten, sie werden mehr wissen."

Der Herzog aß die Hälfte auf und lehnte sich zurück. "Ich denke über Ihre Worte nach. Ja, natürlich haben die Dänen davon gewusst, dass für Sie eine Abschrift angefertigt wird, wie auch die Preußen. Ihre Botschafter haben jeweils darauf gewartet. Das ist ein eeiteres Problem, ich vertröste sie seitdem. Beide Botschafter fordern natürlich auf diplomatischen Wege die Herausgabe und ich muss mich winden wie ein bayerischer Aal. Allerdings wussten Sie nicht vom genauen Ort, das ist wahr. Ich werde meine eigenen Männer überprüfen müssen, da haben Sie wahrscheinlich recht. Das werde ich veranlassen, wenn Sie nachher die Schotten befragen." Er legte wieder das nachdenkliche Haupt auf eine Faust, sein morgendlicher Frohsinn wich wieder dem Trübsal. Doch dann kam ihm eine Idee, seine Augen funkelten fast listig, als er die Frage stellte.
"Carl, wenn Sie jetzt Herzog von Schleswig-Holstein wären. Was würden Sie jetzt tun?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 19.04.2012, 00:08:27
Als seine Zuhörer nach der Vorlesung zu ihm kamen, nahm Samuel seine Unterlagen vom Redepult und klemmte sie unter seinen Arm. Wer darauf achtete, mochte bemerken, dass diese „Unterlagen“ in Wahrheit nichts anderes waren als ein Stapel leerer, weißer Papierzettel.

Geduldig beantwortete Samuel alle Fragen und nahm sich die Zeit, auch kleinste Details zu erklären und sich auf kleine Folgediskussionen einzulassen. Doch machte er nicht den Eindruck, als würde er das Bad in der Menge genießen; vielmehr schien es ein wenig wie ein notwendiges Übel, das er über sich ergehen ließ. Er wirkte nicht ganz unglücklich, doch wer genau auf ihn achtete, konnte merken, dass er die Vorlesung nun am liebsten hinter sich bringen wollte.

Insbesondere die Lobesbekundungen und die Wiederholungen des von ihm in der Vorlesung Gesagten schienen ihm tatsächlich unangenehm zu sein.

Sichtlich genoss er es dann, nicht mehr ganz so im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen, als sich der Kreis der Professoren bildete – ebenso offensichtlich war er allerdings irritiert darüber, dass die Menge den Saal verließ, während der auserlesene Kreis der Gelehrten, bewacht von ausgebildeten Soldaten, sie offenbar bewachten. Er schien zwar nicht eingeschüchtert, aber zumindest schien er die Situation anfangs nicht ganz einschätzen zu können, und eine gewisse Anspannung an ihm war kaum zu übersehen.

Als die Gespräche sich dann der Bundesexekution und dem Schicksal Schleswigs und Holsteins zuwendeten, dämmerte dem frisch gebackenen Dozenten allmählich, was es mit dieser Versammlung auf sich hatte. Neugierig wanderte sein Blick über die Anwesenden, und er hielt sich die ganze Zeit über vornehm zurück, beobachtend und die Lage einschätzend.

Schließlich fand Karsten zumindest einige Worte für ihn. Ihm fiel durchaus auf, dass der Mineraloge das Wort „Vorstellung“ anstelle von „Vorlesung“ gewählt hatte – ein kleines Detail, das ihm jedoch eine Menge verriet. Vielleicht gab es ja doch ein oder zwei Zuhörer, die verstanden hatten, was er in der Vorlesung gemacht hatte.

„Vielen Dank“, entgegnete er knapp, als Karsten ihn als Dozent willkommen hieß. Er schien nicht wirklich überrascht, aber doch ein wenig erleichtert über die Bestätigung.

Wie sein Direktor ihn anwies, lauschte Samuel anschließend sehr genau den folgenden Ausführungen. Als Alfred Nobel sich vorstellte, blieb in seinem Blick jedes Erkennen aus – vermutlich war er tatsächlich der einzige im Saal, der keine Ahnung hatte, wer der Chemiker war, und suchend sah er sich in der Runde um, als würden ihm die Gesichter der anderen Professoren Aufschluss über die Identität dieses Mannes geben.

Bei Alfreds Erzählung hingegen wurden seine Augen groß – und mit jedem zusätzlichen Detail wirkte Samuel entgeisterter. Es war offenkundig, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte.

„Ich weiß sehr wohl, was ich Karsten zugesagt habe“, ging es ihm durch den Kopf. „Aber das… ich hätte nicht gedacht, dass ich in so etwas verwickelt werde. Und vor allem nicht so schnell. Erpressung, Attentate, ein zerstörtes Schiff… aber immerhin weiß ich jetzt, was es mit dem Schiffsunglück auf sich hatte.“

Und auch, wenn Alfreds Berichte ihn schon auf einiges eingestimmt hatten, genügten Conrads Offenbarungen, ihn zu einem überraschten Kratzen am Hinterkopf zu bewegen. Vermutlich war Samuels Bild von der politischen Lage und den damit verbundenen Verwicklungen am unvollständigsten von allen, die im Saal waren, und er hatte sichtlich Mühe, die Mosaiksteine zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.

Als Conrad dann wie selbstverständlich davon sprach, Magie einzusetzen, schrak Samuel sogar ein wenig auf, und betrachtete den Soldaten mit undeutbarer Miene. Erst nach einigen Sekunden wandte er seinen Blick wieder ab, als Mommsen das Wort ergriff.

Schließlich war es Himly, der sich direkt – zumindest unter anderem – an Samuel wandte.

Wieder kratzte er sich am Kopf, und sah dem Kollegen etwas mitgenommen, aber doch direkt in die Augen. „Ich muss zugeben, dass ich von der Vielzahl der Eröffnungen in dieser Runde ein wenig… überrumpelt bin. Dennoch möchte ich mich für das von Ihnen allen gezeigte Vertrauen bedanken und als allererstes betonen, dass ich nicht vorhabe, es zu enttäuschen.“

Er nickte, mehr zu sich selbst als zu Himly. Die Machtergreifung des Herzogs war tatsächlich etwas, das ihm bitter aufgestoßen war, und wenn es jemanden gab, der für Selbstbestimmung und freie Entfaltung war, dann wohl Samuel selbst.

Er hatte ganz gewiss nicht vorgehabt, sich mitten in den womöglich anstehenden Krieg hineinziehen zu lassen. Und doch, sofern er nicht gerade als Soldat an vorderster Front würde kämpfen müssen, musste er zugeben, dass es einen gewissen Reiz auf ihn ausübte, Einfluss zu nehmen. Es war zum einen der Reiz des Neuen, dessen, was er würde lernen können. Was er würde perfektionieren können. Aber es war auch der Reiz, für die Freiheit zu  kämpfen. Hatte er das nicht letztlich sein ganzes Leben lang getan?

Wieder nickte er, diesmal selbstsicher und bestimmt. „Nun, meine Studien des Hebräischen werde ich dann wohl etwas abkürzen müssen. Sie können auf mich zählen, meine Herren, unter der Voraussetzung, dass ich von der Durchdachtheit der Pläne überzeugt bin. Jedoch würde mich zunächst eines interessieren. Ist bekannt, wie der von Herrn…“ Er zögerte kurz. „Nobel? Wie der Vertrag zustande kam? Was hat Christian von Dänemark dazu bewegt, einen Teil seines Reiches abzutreten? Glaubt er, größeren Ärger vermeiden zu können, wenn er das Land einem dänemarkstreuen Herrscher übergibt, den das Volk eher akzeptieren wird? Oder gibt es andere, verdecktere Gründe für diesen Vertrag? Ich bin trotz eines gewissen Grundwissens kein großer Politiker und wäre für eine Aufklärung wirklich dankbar.“

Als Alfred sich dann kurz entfernte, wandte sich Samuel zwar der Runde der Professoren zu, lauschte aber mit einem Ohr dem Gespräch zwischen den beiden Brüdern.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 22.04.2012, 21:21:45
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:11 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Emil ließ sich ohne Widerrede von Alfred die paar Schritte wegführen, doch sein Blick blieb nach unten gerichtet, sein Verhalten war auf Schweigsamkeit ausgerichtet und Alfred spürte zurecht, dass etwas nicht stimmte. Emil schien eine gewisse Furcht zu spüren und diese strahlte er auch aus. Die Professoren hatte der Bitte sich zu beraten ohne Weiteres zugestimmt und verfielen in aufgeregtes Palavern über die Situation, was er Samuel unmöglich machte, aufzuschnappen, was die beiden Nobels wohl besprochen mochten. Diese hochrangigen Hochschullehrer sahen sich vor einer besonderen Situation und dementsprechend angespornt sprachen sie über die Werte des Liberalismus. Wie freudig es doch wäre, wenn man Friedrich zum Rücktritt brächte und ein Parlament von frei gewählten Menschen über ihre Geschicke beraten würden! Und mit dem neuen Wissen aus den Jahrhunderten würde man die alten, attischen Demokratie[1] mehr als vergessen machen, ja selbst die amerikanischen Kongresse würden erblassen. Im Überschwang der Freude würde das Andenken der Olshausen sogar die Herren Adams[2] und Jefferson[3] und vielleicht den ganzen zweiten Kontinentalkongress[4] vergessen machen. Genau so würde es werden, da waren sich die hohen Herren sicher, zumindest für jenen Holsteiner würde es so sein und für jeden Schleswiger.

Doch während die Professoren noch immer schwärmten, mahlte Emil Nobel mit den Zähnen und nahm langsam den Blick hoch. "Ich zweifel, Bruder.", sagte er schließlich leise, dass es sogar Alfred schwer fiel, die Worte bei dem aufgeregten Austausch der Professoren zu hören. "Diese Höflichkeit bedient doch nur eine Etikette und in Wirklichkeit wollen sie doch nur den Vertrag. Wenn wir ihn zu schnell hergeben, werden Sie uns fallen lassen. Allesamt werden sie uns fallen lassen, nicht wahr? Diese hochrangigen Schwafler sind doch auch nur Söldner ihrer Ideen. Wir müssen sichern, dass es unserem Vater und unseren Brüdern gut gehen wird. Sie sollen das nicht nur zusichern, wir müssen das irgendwie schriftlich haben und wir brauchen einen unbefangenen Zeugen, Alfred! Sie sind alle eine Horde, sie sind das Wolfsrudel, welches uns armen Schafe umringen..."
Emil blickte wieder zu Boden, aber Alfred spürte, dass Emils Sorgen echt waren. Die Sorge, abermals ausgenutzt zu werden für fremde Zwecke, sie ließ ihn schier melancholisch werden und jegliche Zuversicht verlieren. Emil blickte kurz zu der Gruppe von Professoren, die sich aufgeregt unterhielt und Samuel Weißdorn gerade die Situation zr erklären versuchten.

Derweil beruhigten sich die Professoren, als auf einmal Wilhelm Seelig seine Stimme erhob. Er hatte keine tiefe oder sehr eindringliche Stimme, es war nicht die Stimme eines geborenen Redners. Sie hatte auch nicht die Schärfe eines Mommsen und die Rohheit eines Karsten und auch nicht die freundliche Sanftheit eines Carl Himly, sie war beinahe etwas heiser. Es war die Stimme eines geselligen Rauchers oder Trinkers und seine etwas massigere Gestalt unterstrich diesen Bild. Kein Mann lauter Töne, aber ein höchst geselliger Mann. Dafür war Wilhelm Seelig bekannt und so waren im allgemeinen Gemurmel und Gespräch seine ersten Worte nicht zu hören. "...ge gestellt. Und eine solche Frage will beantwortet werden, ehe wir uns irgendwelchen Hirngespinsten hergeben. Unsere Hoffnung darf uns nicht den Blick auf die Wahrheit vernebeln. Und sie, meine Herren, vernebeln gerade aber ganz gehörig. Der Herr Weißdorn hat ihnen eine wohlersinnte Frage gestellt."
Theodor Mommsen kniff die Augen zusammen und kurz schien es, als wollte er eine scharfe Antwort geben, doch er atmete dann genervt aus. "Sie haben ja recht, mein guter Seelig. Sie haben ja recht!" Die Professoren blickten sich an, wer das Wort ergreifen sollte und beinahe wäre es Samuel über das Schweigen der Professoren gelungen, ein paar Worte von den Nobels aufzuschnappen, doch bevor ihm das gelang, sprach Mommsen weiter. "Nun, die Wahrheit ist, dass Ihre geäußerte Vermutung, Herr Weißdorn, die ist, die wir alle annehmen. Aber wir können das nicht vollkommen beweisen. Es gibt Indizien, es gibt dänische Schriften, die das nahelegen, aber niemals können wir das absolut wissen. Aber darüber dürfen wir nicht in die Versuchung kommen, erst handeln zu wollen, wenn wir ein Höchstmaß an Informationen haben. Natürlich wollen wir nicht blind handeln, verstehen Sie uns nicht falsch, aber wir haben nun einmal jetzt den Zugriff auf den Vertrag, wenn der Herr Nobel unserer Causa zustimmt. Ich gehe jedoch mit vollem Ernste und vollster Überzeugung davon aus, dass der Herzog von Augustenburg-Sonderburg eine dänische Teillösung ist, um die Ruhe zu wahren und den Einfluss zu behalten. Eine Art schlechter Kompromiss, weshalb er auch jetzt auf dänischem Land sitzt."
Hänel nickte Mommsen zu und übernahm den Gesprächsfaden. "Wahr ist zudem, dass Christian das nicht veranlasst hat, sondern der politisch uninteressierte Vorgänger Frederik, also Friedrich von Dänemark, der vor kurzem gestorben ist. Christian kann jetzt nicht einfach die Hoffnung der einflussreichen Eiderdänen[5] in seinen Kabinetten zerschlagen. Da er als neuer Herrscher seine Herrschaft erst einmal sichern muss, sich also einen gewissen Stand erarbeiten muss, kann er es sich nicht von jetzt auf gleich mit seinen Untertanen verscherzen und die Eiderdänen sind leider sehr einflussreich. Vielleicht war diese Lösung jene für Christian, welche am ehesten sein Gesicht wahren würde und gleichzeitig am ehesten einen Krieg verhindern würde. Das würde bedeuten, dass es einen Spalt innerhalb Dänemarks gäbe, doch darauf...können wir uns kaum verlassen. Aber es ändert nichts daran, dass es unsere letzte Chance ist, zu handeln, denn gerade Holstein gehört nicht dem dänischen König, sondern er ist Herzog von Holstein und damit deutscher Reichsfürst und kein dänischer König hier. Ich weiß, das ist vertrackt und schwer zu erklären, aber nun gut. Es ist unsere Chance und die sollten wir nutzen, völlig unabhängig davon, ob Dänemark nur eine Schwächephase durchmacht und uns droht, um falsche Stärke zu beweisen oder wahrhaft tyrannisch-repressiv gegen uns vorgehen will."
Seelig erhob noch kurz wieder seine heisere Stimme und fügte langsam hinzu.
"Unsere Pläne sind jedoch noch nicht durchdacht. Das können sie nicht, Herr Weißdorn. Die Situation hat sich so günstig verändert in so wenigen Stunden, dass wir jetzt bei'n'ander stehen, um sie zu durchdenken. Sie dürfen daran natürlich kräftigen Anteil nehmen."
Die Professoren klopften auf dem Pult ihre Zustimmung. Sie brauchten jede gute Idee, so eine Chance gab es wahrscheinlich kein zweites Mal.
 1. Attische Demokratie (http://de.wikipedia.org/wiki/Attische_Demokratie)
 2. John Adams (http://de.wikipedia.org/wiki/John_Adams)
 3. Thomas Jefferson (http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Jefferson)
 4. Kontinentalkongress (http://de.wikipedia.org/wiki/Kontinentalkongress)
 5. Eiderdänen (http://de.wikipedia.org/wiki/Eiderdänen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 22.04.2012, 22:20:52
Conrad hatte die ganze Zeit die Arme verschränkt und hatte erst einmal nichts weitergesagt. Er wurde sogar teilweise nicht von Professoren bemerkt, als sie sich so angeregt unterhielten. Trotzdem versuchte Conrad eine neutrale Miene zu bewahren. Er hatte Sorgen und Bedenken, aber er wollte sie nicht allzu offen zur Schau tragen. Zumindest noch nicht. Zu ein paar Sachen musste noch Stellung bezogen werden. Jetzt war ein guter Zeitpunkt um sich erst einmal mit einer Frage und Bemerkungen in die Diskussion einzuschalten und Conrad löste die Verschränkung seiner Arme. Mit lauter Stimme gab Conrad folgendes von sich:

"Herr Professor Hänel, wie kommen Sie darauf, dass Österreich einer Demokratie in Schleswig-Holstein positiv gegenüberstehen könnte? Wenn ich Sie nicht völlig falsch verstanden habe, wollten Sie ja gerade dies zum Ausdruck bringen. Eines wundert mich außerdem schon sehr: Sie sagen, dass Herzog Friedrich in Wirklichkeit ein Bauer auf dem dänischen Schachbrett wäre, aber es ist schon merkwürdig, dass Herzog Friedrich gerade Dänen hinter dem Anschlag vermutet. Ja, es könnten zwar Eiderdänen Friedrichs Meinung nach gewesen sein, die hinter dem Attentat stecken, auch wenn er das gar nicht behauptet hat, aber auch sonst machte er auf mich auch keinen Pro-Dänemark Eindruck, von dem Sie alle so selbstverständlich ausgehen. Er schien mir ein Patriot Schleswig-Holsteins zu sein und ein Mensch mit gutem Herzen. Ich könnte mir wirklich schlimmere Herrscher vorstellen, aber diese Bemerkung mag für sie womöglich keine allzu große Bedeutung haben. Herzog Friedrich könnte zwar ein geschickter Lügnern sein, aber das glaube ich nicht, wenn sie mich fragen. Doch bevor ich nun auf ihren Demokratie-Gedanken zu sprechen komme, warte ich erst einmal auf ihre Reaktionen, zu dem von mir gesagtem und vor allem zu meiner Frage am Anfang." 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 24.04.2012, 03:54:42
Carl legte sein Brot sichtlich erstaunt auf seinen Teller zurück. Die Frage des Herzoges hatte ihn unvorbereitet erwischt. Was qualifizierte ihn dazu sich solche Gedanken zu machen? Andererseits saß er hier mit Herzog Friedrich zusammen und teilte diesem dennoch seine Sicht der der Dinge mit. Schon immer war er ein Mann der Tat gewesen und auch in dieser Situation hatte das Unerwartete nur für einen Augenblick Macht über den preußischen Offizier, so dass er sich schnell wieder fing und zu einer Antwort ansetzte.

"Wäre ich an Ihrer Stelle, würde ich zunächst sicherstellen, dass meine Leute von jemanden überprüft werden, der über jeden Zweifel erhaben sein muss.

Was die Papiere angeht, so sollten wir schon bald Nachricht von Conrad erhalten. Er ist mein Freund und mehr Schleswig-Holsteiner als ich es je sein könnte, auf ihn wird Verlass sein. Und auch Herr Nobel schien mir sehr vernünftig zu sein. Er hat zwar keinen ideologischen Bezug zu dieser Situation aber, wenn Conrad ihm erklärt, dass man ihm nach dem Leben trachtet wird er einen emotionalen Bezug dazu haben. Außerdem ist er neben seiner Wissenschaft auch ein Geschäftsmann, wenn ich es richtig verstanden habe, dann möchte er in Holstein eine Fabrik eröffnen. Die Dankbarkeit des Landesherrn ist ihm sicher ein zusätzlicher Anreiz ihnen die Verträge zu übergeben. Eigentlich sollte an dieser Front also nichts mehr schief gehen können."


Carls Worte über Conrad und Alfred waren selbstverständlich ernst und aufrichtig gemeint, aber dennoch machte sein Tonfall deutlich, dass er es nicht für zulässig hielt die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten.

"Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass etwas Unerwartetes eintritt. An ihrer Stelle wäre ich also bemüht einen Ersatzplan zu haben, falls der jetzige an irgendeiner Stelle nicht funktioniert. Haben sie denn noch mehr Männer neben dem Braunschweiger in Kiel und eine Möglichkeit diese schnell zu erreichen?"

Carl sah den Herzog an und versuchte einen Hinweis darauf zu bekommen, ob es das war, was der Herzog von ihm hören wollte. Nebenbei widmete er sich wieder seinem vernachlässigten Frühstück.

"Was die preußische Durchtriebenheit angeht, so denke ich, dass auch Preußen sehen muss wo es bleibt. Natürlich ziehlt ihre Politik auch auf das Erreichen ihrer eigenen Interessen ab, aber das muss kein Nachteil bedeuten. Preußen hat aus der letzten Konfrontation mit den Dänen seine Schlüsse gezogen. Außerdem sieht es sich immernoch und mehr denn je als deutsche Schutzmacht an. In allen Landen ob hier oder im Rheinland oder in Bayern wohnt der deutsche Geist, doch nur durch Preußen kann er wirken. Wer sich nach einer Lösung der deutschen Frage sehnt, der muss in diesen Tagen zweifelsohne nach Berlin sehen und auch dort nach Hilfe suchen. Aber diese Antwort haben sie sicherlich sowieso erwartet."

Carl lächelte milde wurde aber sofort wieder ernst. "Wenn sie doch noch in diese Richtung denken wollen, so versichere ich ihnen, dass ich mich gerne für sie einsetzen werde so gut ich kann. Das politische Gewicht eines Leutnants mag zwar nicht sehr viel wiegen, aber nun können sie immerhin nicht mehr behaupten, es rede keine Preuße mit ihnen. Sollten sie also einen verlässlichen Boten suchen, der für sie nach Berlin aufbricht, so sitzt er gerade vor ihnen." Carl nahm dem Herzog seine vorsichtige Haltung gegenüber Preußen nicht im geringsten übel, aber dennoch war offensichtlich, dass er nichts auf seine Wahlheimat kommen lassen wollte.
 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 24.04.2012, 20:06:54
Samuel nickte, als Conrad seine Kritik vorbrachte. "Ich muss unserem jungen Soldaten hier zustimmen", erklärte er. "Welche Herrschaftsform auch immer gelten mag, sie ist nichts wert, wenn sie von jenen an der Spitze korrumpiert wird. Und das ist auch in einer Demokratie durchaus möglich. Außerdem möchte ich den Begriff des Schachspiels aufgreifen. Woher wissen wir, was von dem Geschehenen glücklicher Umstand, und was ein geplanter Schachzug war? Die Rede ist von Politikern, von Erpressern und Attentätern. Wäre es da so unwahrscheinlich, zu glauben, dass der Vertrag in diese Runde kommen sollte?"

Er ließ die Worte einen Moment im Raum stehen, bevor er weiter sprach. "Ich würde zu diesem Zeitpunkt keinesfalls davon ausgehen, dass die Herren Nobel außer Gefahr sind. Und, meine Herren Kollegen, so wertvoll die Chance sein mag, die sich uns bietet, welchen Wert hätte eine neue, freiheitliche Demokratie, die ebenso frei die Leben Unschuldiger opfert, die sich keinesfalls freien Willens entschlossen haben, an diesem Schachspiel teilzunehmen und um deren Heimat es nicht einmal geht."

Er warf einen kurzen Blick zu den Nobels. Es war gar nicht so sehr Mitleid, das ihn antrieb, sondern vielmehr der Gedanke, dass er selbst höchst ungern in einer solchen Situation stecken würde. Zum Glück wäre es bei ihm deutlich schwerer, ihn dermaßen aufs Korn zu nehmen...

Noch einmal rief er sich die vielfältigen Informationen ins Gedächtnis, die man ihm mitgeteilt hatte. Wie kleine Puzzlestücke setzten sie sich zu zusammen zu einem Bild, einer Formel, die jedoch zu viele unbekannte Variablen enthielt, um ihre Lösung zu ermitteln.

"Wenn Sie mich fragen, sollten wir als Erstes einmal prüfen, welche wirklich entscheidenden Informationen uns fehlen, und uns eben diese Informationen beschaffen. Dazu gehört die Frage, aus welchem Grund der Vertrag aufgesetzt wurde, aber auch die Frage nach dem Antrieb, den die Erpresser haben. Weiters wäre zu klären, wer tatsächlich als Verbündeter in Frage käme - hier würde ich mich nicht auf nette Worte oder gar Vermutungen, sondern einzig auf schriftliche Zusicherungen verlassen."

Kurz musste er ein Lächeln unterdrücken. Er war in die Rolle eines Beamten gefallen: Tun Sie nichts ohne schriftliche Anweisung, verlassen Sie sich auf nichts ohne schriftliche Bestätigung. Es entsprach nicht ganz seinem Wesen, und doch war es in dieser Situation angebracht.

"Und bei allen Plänen, die geschmiedet werden mögen, sollte man bei jedem einzelnen Zwischenschritt einberechnen, dass man scheitern könnte, und die Konsequenzen vorausahnen. Immerhin sind es Konsequenzen, die nicht nur Unschuldige" - wieder wanderte sein Blick zu den Nobel-Brüdern - ", sondern ein ganzes Volk betreffen. Schnelligkeit und Schläue sind angebracht, Leichtsinn aber nicht."

Vor seinem inneren Auge betrachtete er die Formel dieses politischen Ränkespiels. Ja, es würde ihm Freude machen, diese Formel zu lösen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 24.04.2012, 20:35:32
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:19 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog Augustenburg blieb in seiner nickenden Haltung, als Zeichen dessen, dass er beständig und aufmerksam zuhörte. Dennoch erkannte der preußische Offizier, dass der selbstproklamierte Herzog von Schleswig und Holstein in unterschiedlicher Intensität zuhörte und sich auch für die Worte Carls interessierte. Immer dann, wenn Carl von Preußen sprach und seine Liebe zu Preußen äußerte, seine Loyalität wie eine Stute ritt, wirkte der Herzog trotz seines bekräftigten Nickens abgelenkt und ein Stück weit konnte Carl es dann auch in der Leere von Friedrichs Blick sehen, dass seine Gedanken dann immer abschweiften.

"Sie nach Berlin?", fragte er erstaunt über die letzte Äußerung Carls, ohne die vorherigen Worte mit Kommentaren bedacht zu haben. "Das ginge nicht, Herr von Lütjenburg. Das ginge nun wahrlich nicht. Oder zumindest erst dann, sobald wir jemand anderes hätten, der für meinen nun leider notwendig gewordenen Schutz sorgen könnte. Er lehnte dieses Angebot des preußischen Offiziers für den jetzigen Augenblick kategorisch ab. "Aber es gibt nur einen, der über jeglichen Zweifel erhaben ist, Herr von Lütjenburg. Einer, der auf ihre gerechte Hoffnung antworten könnte, aber bei allem Respekt, ich bezweifel, dass der Herr selbst mir ein solch deutliches Zeichen gibt. Menschen aber, Menschen sind immer befangen. Ich hänge irgendwo in einer Thronfolge, Sie sind so preußisch, dass ihr Urteil auch nicht als völlig objektiv gelten dürfte. Der Braunschweiger war dazu nicht in der Lage und meine politischen und persönlichen Freunde, wie auch Feinde, sind dazu auch nicht in der Lage. Ich glaube, wir erleben einen Fall in der Geschichte, bei dem wirklich jeder Mensch, der mit Schleswig-Holstein lebt und fühlt, politisiert ist und sich einer Idee einer Nation anhängen will oder maximal alten, autokratischen Werten anhängen will. Ich werde mich also auf meine Menschenkenntnis verlassen müssen und im regen Austausch mit anderen, wie mit Ihnen, hoffen, dass ich den Kreis der Schurken, die mich umgeben, eingrenzen und kontrollieren kann."
Unablässig notierte der Herzog weiter, vielleicht schrieb er Carls Worte auf oder seine eigenen Gedanken.

"Ich danke Ihnen für Ihre Gedanken. Aber erlauben Sie mir, dass ich sie, abgesehen von dem jetzt Gesagten, nicht weiter bewerten möchte. Es ist töricht auf dem Stuhl eines Herzogs zu sitzen und die Qualität der Worte seines Gegenübers bewerten zu wollen. Das steht mir nicht zu, weil erst in der Nachlese die Qualität der Aussagen bekannt werden wird. Doch seien Sie sich sicher, dass Ihre Worte meinem Denken wertvolle Impulse gegeben haben. Dafür gebührt Ihnen mein Dank. Erlauben Sie mir auch, Herr von Lütjenburg, dass ich noch ein wenig darüber nachdenken werde, während Sie die beiden Schotten noch einer Befragung unterziehen. Darum würde ich Sie auch als nächstes bitten." Schon während der Herzog sprach, klopfte es am Türrahmen der offenen Tür. Erst als der Herzog seine Worte beendet hatte, zeigte der Herzog der Person in der Tür, dass Sie sprechen sollte. Carl sah, dass ein Reiter in der Tür stand. Er trug wie Carl jetzt auch, eine holsteinische Tracht. "Durchlaucht, ich bin früher als gefordert zurückgekehrt aus Altona, und mit wichtiger Kunde. In der Vorhalle steht Gustav von Stiehle[1] und möchte dringendst zu Ihnen vorgelassen werden, Durchlaucht. Er sagt, er bringe Nachrichten von der Bundesexekution, und habe zudem Nachrichten aus Berlin vom Ministerpräsidenten[2]. Warum dies nicht per Depesche[3] geschehen ist, sagte er nicht, jedoch betont er die Dringlichkeit dessen, was er mitzuteilen hat."
Der Herzog zog ein schwer lesbares Gesicht. "Carl, Sie werden am Besten die Gefangenen befragen, während ich mich auf das Gespräch mit Herrn von Stiehle vorbereite." Er blickte zu dem holsteinischen Reiter. "Thoralf, sagen Sie dem Herrn von Stiehle, dass er es sich in dem Lesezimmer bequem machen kann und ich ihn in einer halben Stunde empfange und weisen Sie dem Herrn von Lütjenburg den Aufenthaltsort bevorzugt zu behandelnder Gäste." "Jawohl, Durchlaucht.", antwortete der Reiter knapp. Der Herzog verabschiedete sich von Carl für den Moment und fügte nur an, dass er auf gute Ergebnisse hoffe, während Carl dem Reiter folgte.

Dieser Reiter war noch recht jung, doch an den O-Beinen konnte Carl erkennen, dass der vielleicht zwanzigjährige, junge Mann viel Zeit auf einem Gaul verbrachte. Sein blondes Haar war ungewöhnlich lang gewachsen, dem Gesicht eines Milchbuben haftete ein gewisser Freigeist an, das spürte Carl. Die Anrede des Herzogs ließ darauf schließen, dass dieser Reiter adeliges Blut in sich trug. Der junge Mann mit den eisblauen Augen führte Carl anstandslos in die Halle, wo Carl ihn auch sah: Gustav von Stiehle[4]. Er trug preußische Uniform und wirkte bei weitem nicht so abgehetzt wie der Reiter. Vielleicht war er in einer Kutsche gefahren. Er hatte die Mütze abgenommen und hielt die in den Händen, die hinter dem Rücken verschränkt waren. Ein Blick auf die Rangabzeichen genügte, Carl von Lütjenburg hatte einen Major vor sich. Er nahm seine Hand von der Mütze und strich sich durch den schwarzen Vollbart. Stiehle hatte etwas Ehrwürdiges an sich, obwohl er noch nicht so alt war. Er wirkte wie ein gelehriger Mann und blickte aufmerksam drein. "Sein Sie mir gegrüßt.", begrüßte von Stiehle Carl recht unmilitärisch in der Vorhalle von Gut Emkendorf.
Der Reiter blickte den Major an und sprach, bevor Carl die Begrüßung erwidern konnte. "Ich soll Sie in den Lesesaal führen, dort können Sie auch die Galerie bewundern, Herr Major. In etwa einer halben Stunde steht Ihnen der Herzog dann zur Verfügung." Der Reiter deutete den Weg in den rechten Flügel des Gutshauses, doch die linke Hand von Stiehle machte eine verneinende Geste. Er war nicht sehr groß gewachsen, hielt sich aber aufrecht und machte einen ernsten Eindruck. "Lassen Sie gut sein. Ich bleibe hier. Vielleicht mag der gute Herr Leutnant in ihrem Schlepptau mir die Zeit vertreiben, in der eigentlich herzöglicher Eile geboten wäre?" Dem Reiter war klar, dass diese Frage nicht von ihm zu beantworten war, doch wollte er abwarten. "Ich würde mich gern unter vier Augen mit dem Herrn Leutnant unterhalten." Der Reiter neigte das Haupt mit einem Gesichtsausdruck, der sich um Freundlichkeit bemühte. "Herr von Lütjenburg. Ihre beiden anderen Gesprächspartner", der blondhaarige Reiter mit den eisblauen Augen zeigte auf eine Tür nahe des Eingangs, "warten im Keller auf Sie." Dann zog er die Tür und zu ging wieder den Gang herab, wahrscheinlich zum Herzog.
Der Major blieb stehen und musterte Carl und fragte dann noch ein paar Sekunden freundlich. "Sie haben doch eine Minute?"
 1. Gustav von Stiehle (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_von_Stiehle)
 2. Gemeint ist natürlich Bismarck
 3. Depesche (http://de.wikipedia.org/wiki/Depesche)
 4. 
Major von Stiehle (Das Bild stellt ihn bereits als General da) (Anzeigen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 26.04.2012, 20:57:39
Mit gerunzelter Stirn sah Alfred seinen Bruder an. Dieser plötzliche Bedarf nach bürokratischer Sicherheit war ein ungewohntes Verhalten des jüngeren Schweden. Dabei war Emil doch impulsiv, ein kreativer Geist, der eigentliche Erfinder und Bastler unter den vier Brüdern. Für einen Moment antwortete Alfred nicht und sah Emil tief in die Augen[1]. Erst als er tief Luft geholt hatte, setzte der Ältere zu einer Antwort an.

"Emil, wir geben uns gar nicht in die Hände der Schleswig-Holsteiner. Wir sind ihnen nicht ausgeliefert, wir handeln mit ihnen. Diese Männer sind die ersten in der ganzen Sache, die uns auf Augenhöhe begegnen. Auch was Himly bisher für uns getan hat, dürfen wir nicht vergessen. Ich verstehe Dich nicht, warum ausgerechnet ein Vertrag mit diesen Professoren uns vor den Erpressern schützen soll, vor Erpressern, Emil, vor denen wir uns sehr wohl auch selbst beschützen können!"

In den Augen des älteren Nobel lag ein wundersames Flimmern, ein Funken zwischen Übermut und Ehrgeiz. Ohne zu energisch zu werden griff Alfred Emil am Arm und sprach nachdrücklich aber mit einem Lächeln weiter.

"Vater und unsere Brüder sind in Sicherheit, sie können auf sich selbst aufpassen. Zum Teufel, ich glaube ja gar nicht, dass die Erpresser überhaupt Forderungen an sie gestellt haben. Was sollen sie denn verlangen, dass sie höchstpersönlich nach Kiel fahren? Was sollten Ludvig und Robert aus Sankt Petersburg tun, um den Vertrag in die Hände der Dänen zu befördern? Und Du hast es doch selbst gehört - Lavalle ist hier. Wir sind der Dreh- und Angelpunkt. Aber wir sind in Sicherheit."

Noch ein letztes Mal drückte er seinen Griff, ehe er von seinem Bruder abließ, doch sein aufmunterndes Lächeln verschwand noch nicht. Alfred straff seine Haltung wieder, ehe er sich wieder an die Professoren im Kreis wenden wollte.

"Du sagtest, De Meza soll den Vertrag erhalten. Wenn dies das Objekt ihrer Forderungen ist, dann wollen wir sehen, was wir tun können. Wollen wir nur hoffen, dass der General eine Kopie nicht von seinem Original unterscheiden kann."

Einen abschließenden brüderlichen Blick schenkte Alfred seinem Bruder, ehe er wieder seine neutrale Haltung annahm. Fragend zog er die Brauen hoch und wartete darauf, ob Emil noch reagieren wollte, ehe er sich wieder den diskudierenden näherte.
 1. Hunch 23
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 02.05.2012, 03:47:23
"Gewiss Herzog Friedrich", antwortete Carl auf den Wunsch des Herzoges er solle die Gefangenen befragen und ließ sich von Thoralf dem Reiter hinaus geleiten. Zu den vorangegangenen Worten Friedrichs hatte er nichts gesagt. Der Herzog seine Ausführungen nicht kommentieren wollen und Carl sah keinen Grund darin seine eigenen Aussagen in ein anderes Licht zu rücken. Natürlich war er preußisch und somit befangen. Der Herzog hatte ja schließlich gefragt, was Carl machen würde er selbst an des Herzogs Stelle wäre. Auch der Verweis auf den Herrn war für Carl eine indirekte Beendigung des Gesprächs. Natürlich war er kein Atheist und war sehr wohl der Meinung des Herzoges, dass nur dieser Eine wirklich frei von allen Zweifeln sein konnte, aber dennoch, sobald sich ein Gespräch in die himmlischen Sphären verabschiedete, war es für Carl meißtens beendet. Zu endgültig, zu ultimativ erschien ihm der liebe Gott in solchen Dingen, als dass er noch ein Widerwort geben wollte.

Thoralf hatte Carl inwzischen in die Halle geführt und der junge Leutnant nahm Gustav von Stiehle wahr. Dessen preußische Uniform gab Carl ein gutes Gefühl, fast als würde er in fremden Gestaden auf einen Landsmann treffen und so gleich schöpfte er ein wenig Optimismus. "Vielleicht ist es ja eine gute Nachrichten, die Herr von Stiehle überbringt", überlegte er, während er dem Major entgegenschritt.
Bei Thoralf hatte er sich mit einem Nicken bedankt, doch auch wenn das Gebahren des Majors wenig militärisch schien, blieb Carl seinem Gelernten treu und salutierte gewohnt zackig mit Hackenschlag.

"Leutnant Carl Heinrich von Lütjenburg, Herr Major. Vierte Kompanie, Garde-Pionier-Bataillon[1]. Bitte um Verzeihung für verkehrte Uniform. Die mit der ich hier eintraf ist momentan nicht vorzeigbar."
 1. Garde-Pionier-Bataillon (http://de.wikipedia.org/wiki/Garde-Pionier-Bataillon)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.05.2012, 19:44:53
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:24 Uhr - Gut Emkendorf

Von Stiehle erwiderte den Salut und winkte dann ab und legte die Hände wieder hinter dem Rücken zusammen. "Machen Sie sich nichts draus, Herr Leutnant. Ihr Aufzug ist nicht so bedeutend wie Ihre Gesinnung, und wenn die preußische Tracht trägt, können Sie meinethalben die Stammestracht eines Zulu[1] tragen, mein guter Leutnant." Der Major lachte freundlich und reichte dann dem Leutnant die Hand. "Als ich mich am heutigen Morgen anmeldete, fragte ich mich schon, warum ich zuerst davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein preußischer Leutnant hier verweilen würde, bevor mir Auskunft darüber gewährt wurde, dass der Herzog hier sei. Eigentlich wäre ich auch schon am gestrigen Tag hier gewesen." Von Stiehle blickte zur Tür, welche der Reiter vor wenigen Momenten geschlossen hatte. Seine Stimme wurde etwas leiser. "Die Einschlaglöcher von Gewehrkugeln in den Wänden zeugten von dem Angriff, von dem ich hörte. Dazu gab es erste Zusammenstöße zwischen holsteinischen und dänischen Studenten in Dänischenhagen, es wurde wohl vor mehr als einem Tag sogar eine Brigg im Kieler Hafen versenkt. In Dänemark selbst werden Pionierregimenter aus dem Boden gestampft, und das Land ruft augenscheinlich nach Krieg. Das sind ziemlich viele beängstigende Nachrichten in relativ kurzer Zeit. Und ein Zeichen davon, dass viele Menschen ihre Nerven in Zeiten der Krise verlieren." Das freundliche Gesicht von Stiehles bekam jetzt die Härte, die man einem preußischen Offizier zutraute, dennoch erlaubte er sich gleichzeitig die Lockerheit sich gegen einen der Pfeiler der Eingangshalle zu lehnen. "Entschuldigen Sie also vielmals, wenn ich nicht für Weibergewäsch hier bin. Obzwar sich unser Treffen als höchst zufälliger Akt entpuppt, soll es sich nicht um eine vertan'e Chance handeln. Leutnant von Lütjenburg, hiermit sein Sie in Kenntnis gesetzt darüber, dass die Bundesexekution keine vollständige Bundesexekution im Bundessinne ist. Obzwar sie ausgesprochen sein wird, werden nur Preußen und Österreich, Garantiemächte des Londoner Protokolls von 1852 die Vollstreckung dieser Exekution übernehmen."

Er ließ diese offenen Worte wirken und nahm wieder eine strammere Stellung ein, um ein paar Schritte zu gehen. "Sie müssten sich also bei nächstbester Gelegenheit zurückmelden bei ihrer Einheit. Oder anders ausgedrückt, was verschlägt Sie nach Holstein statt in Berlin bei Bataillon zu sein?" Er blickte Carl jetzt in die Augen und fragte sich das scheinbar ernsthaft. "Die Truppen werden mobilisiert, Herr Leutnant. Sie sollten sich diesen Vorbereitungen anschließen. Wenn Sie mögen, werde ich Ihnen einen schriftlichen Befehl erteilen, der Sie sofort nach Berlin sendet und Sie Bahn und dergleichen nutzen lässt. Doch vorher habe ich ein paar Fragen, Herr von Lütjenburg. Sehen Sie, ich bin kein Diplomat in erster Linie und ich mag diese französische Sanftzüngigkeit in Unterredungen nicht. Können Sie mir also sagen, in preußischer Direktheit, was hier genau vorgefallen ist?"
 1. Zulu (http://de.wikipedia.org/wiki/Zulu_(Volk))
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 10.05.2012, 23:27:47
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:15 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Die Professoren hörten Conrad und Samuel interessiert und genau zu. Angeregtes Gemurmel schwoll wieder an, welches dafür sprach, das gerade Samuels Worte unter den liberalen Lehrern für Unmut sorgten oder zumindest nur widerwillig aufgenommen wurden. Conrad jedoch, nötigte den Professoren das ein oder andere Murmeln ab. Dennoch brauchte es der schlagende Handfläche des vollbärtigen Albert Hänels, um die Professoren wieder aufmerksam zu machen. "Bewahren Sie die Countenance, meine Herren!" Wieder schlug der Staatsrechtler mit der flachen Hand auf das Holzpult, während Alfred wieder zu den Diskutierenden fand. Auch Emil folgte zwei Schritt dahinter, nachdem er Alfred dankbar die Hand gedrückt hatte und mit einem verhaltenen Lächeln bekräftigte, dass er seinem Bruder traute und wieder etwas Hoffnung geschöpft hatte. Die Professoren verstummten wieder und Albert Hänel begann mit seinen Ausführungen. "Herr Weißdorn, ihr Urteil ist etwas voreilig und vor allem leidlich simplifizierend! Sie können nicht pauschal jegliche Problematik in pessimistischer Sicht egalisieren. Eine Demokratie ist per se nicht von oben zu korrumpieren, denn dazu müsste sie etwas haben, was über ihr ist. Zudem lässt sie sich in der Hinsicht von Korrumpierbarkeit nicht auf eine Stufe mit monarchischer Herrschaft setzen. Lassen Sie mich das Ganze anhand des Herrn Herzog von Sonderburg-Augustenburg erläutern. Herr Rosenstock hat sich für die Integrität dieses Menschen ausgesprochen, und ich nehme für dieses Beispiel mal an, dass Friedrich eine engelsgleiche Seele besitzt. Was haben wir dadurch gewonnen? Ist seine Güte ein Zeichen der Qualität seiner Herrschaft? Jeder Mensch ist grundsätzlich fehlbar, da dürften wir uns doch einig sein und der Herzog hat keine Erfahrung vorzuweisen. Selbst unter den Gütezeichen der Gnade und Weitsicht wäre der selbstproklamierte Herzog anfällig für Fehler und nur eine einzelne Person, die sich maximal Berater an seine Seite holen könnte. Selbst jene müssten besten Gewissens sein, um des Herzogs Herrschaft ehrlich zu unterstützen. Wie kann er damit ein junges Volk zwischen Königsau und Elbe schützen, er alleine? Wie kann er womöglich alle Listen der Eiderdänen und eventuell anderer Feinde durchschauen? Wer sagt, dass er nicht korrumpierbar ist? Niemand. Jetzt lassen Sie mich den Sinn einer Demokratie erläutern. Ausgehend von der Tatsache, dass alle Menschen fehlbar, bisweilen irrational und in fast allen Fällen vor allem dem eigenen Wohl verpflichtet sind, hat jeder Mensch seinen materiellen oder ideellen Preis[1]. Die Demokratie versucht diesem Menschen ausgleichend durch die Herrschaft des Volkes zu begegnen. Natürlich hat sie auch Gründen der Praktikabilität Repräsentanten, aber alleine daran erkennen Sie, dass viele Einzelmeinungen schwerer zu korrumpieren sind als eine einzelne Stimme. Natürlich, und da gebe ich Ihnen recht, Herr Weißdorn, Rousseau[2] hat unrecht, wenn er glaubt, dass die breite Volksmenge gleichbedeutend mit Gerechtigkeitswille ist und immer das Beste im Sinne hat. Da halte ich Ihnen die noch junge Schrift[3] von John Stuart Mill entgegen. Die alten Griechen kannten schon die Gegenüberstellungen von Herrschaftsarbeiten, so hatte fast jede Regierungsart einen korrumpierten Gegenpart. Die Monarchie die Tyrannei, die Aristokratie die Oligarchie und nicht zuletzt hatte in vielen Bildern auch die Demokratie ein Gegenbild. Auch in seiner aktuellen Schrift warnt der liberale Mill vor der Tyrannei der Mehrheit und stellt sich der -  nach Polybios[4] -  Antithese der Demokratie, der Ochlokratie: der Pöbelherrschaft. Mill stellt sich Polybios dabei auch durch den Ausweg der Bildung. Die Römer beriefen sich auf Polybios, um die Republik als beste Regierungsform zu legitimieren, genauso machen es die Amerikaner dieser Tage. Mill stellt sich dem, indem er Demokratie und dessen Repräsentanten von Bildung und Ausbildung abhängig macht. Aber alleine daran ist auch zu erkennen, dass die Demokratie eher von unten her korrumpiert werden kann durch einen schädlichen Gemeinwillen, wohl aber kaum in ihrer Reinheit von oben, denn dort reinigt sie sich durch Legislaturperioden und Gewaltenteilung selbst. Nun also ist der Herzog, selbst wenn er integer ist, als systemischer Schwachpunkt auszumachen."

Albert Hänel kraulte sich zufrieden den Bart, auch wenn er nur einen kurzen Abriss gegeben hatten. Dennoch setzte er noch ein paar Worte hinten ran, riss das Gespräch nun völlig an sich, während er zustimmendes Gemurmel von den Professoren bekam. "Der Herzog könnte also, selbst wenn er Patriot sei, durch Anschläge, wie der von Ihnen verhinderte, Conrad, sterben und dann hätten wir wieder ein Thronfolgerprobleme, da seine Kinder kein ausreichendes Alter haben. Weil er in die dänische Thronfolge gehört, würde dies doch wieder in einen direkten Eingriff und Zugriff der Dänen legitimieren. Deswegen auch der Vertrag, meine Herren! Er ist ein gutes Geschäft für die Dänen, selbst wenn der Herzog hehre Absichten verfolgt! Er nimmt dem Konflikt doch nur für eine gewisse Zeit die Schärfe." "Davon ab, dass der Herzog ja nicht mal mit seinen patriotischen Landsmänner über seine patriotischen Absichten spricht.", wand Professor Mommsen beißend ein, aber Hänel führte das Gespräch weiter, wobei er zu Alfred blickte. "Zudem sind wir uns bewusst darüber, dass die Nobels noch in Gefahr sind, Herr Weißdorn. Wie sie vielleicht zu Beginn dieses Gespräches mitbekommen haben, ist das der Grund, warum wir hier sind." Er nickte Alfred zu. "Aber um nochmal auf die momentane Situation zu kommen. Am heutigen Tag wird der Deutsche Bund die Bundesexekution verabschieden, dessen können wir uns sicher sein. Warum sollte Österreich, Herr Rosenstock, also ein Interesse an der Freiheit Schleswig-Holsteins haben. Ganz einfach: Österreichs Grenzen brodeln und die reaktionären Kräfte in Österreich warten nur darauf, provoziert zu werden. Gleichzeitig kämpfen sie gegen die Vormachtstellung Preußens, und alleine um zu verhindern, dass Preußens Einfluss auf Schleswig und Holstein größer wird, sind sie dazu gezwungen, sich mit unserem Fall zu beschäftigen. Also ja, Österreich ist ein möglicher Verbündeter."

Die Professoren murmelten wieder zustimmend. Es war erkennbar, dass es schwer war, diesen Kreis von Kieler Gelehrten davon zu überzeugen, von einer demokratischen Entwicklung abzusehen zugunsten eines Quasimonarchen. Sie hatten sich ihren Fall sehr genau überlegt und handelten danach. Die Hoffnungen, die Ideale von 48[5] Wirklichkeit werden zu lassen, sie waren stark spürbar. Wilhelm Seelig erhob das Wort, drang wieder nur schwer durch, doch erleichterte sich dieses Vorhaben mit einem hörbaren, mehrfachen Räuspern. "Ich danke Ihnen für Ihre Ratschläge, Herr Weißdorn." Seelig hatte auf einmal einen ziemlich scharfen Blick, der Karsten fast abfällig streifte. "Aber Sie sind nicht der kameradschaftliche Typ, oder?" Die Professoren blickten verwirrt Seelig an, dem sie solch scharfe Worte gar nicht zugetraut hatten. "Sie sprechen wir ein preußischer Schulmeister mit seinen Knaben. Wir haben seit Jahrzehnten für diese Sache gekämpft!", echauffierte der untersetzte Mann sich nun. "Und sie geben uns derartig triviale Eingebungen? Halten Sie uns für töricht, Herr Weißdorn? Ich finde Ihren Ton höchst beleidigend und Ihre Wortwahl schon nicht mehr beleidigend, sondern nur noch dreist! Wir stehen am Vorabend eines Krieges, wir haben die Verantwortung in der Hand und Sie wollen uns das Alphabet beibringen? Das ..." Mommsen schlug mit der Faust auf das Pult. "WILHELM! WILHELM!" "Es ist doch wahr! Dieses oberflächliche Palaver! Dafür hat Gustav ih!" "WILHELM!", bellte Mommsen wieder. "Jetzt beruhige dich endlich!" Seelig stampfte auf und schüttelte den Kopf und murmelte wütend vor sich hin, während Karsten das Wort erhob. "Leider kann man nicht wissen, welche Informationen wirklich entscheidend sind. Nach unserer Meinung jedoch, ist der Grund für das Aufsetzen des Vertrages geklärt. Es ist eine Besonderheit dieser Situation. Friedrich von Sonderburg-Augustenburg ist tatsächlich dem Dänentum zugeneigt. Er hätte eigentlich dänischer Thronfolger werden können, aber das Londoner Protokoll entschied sich für Christians Linie, der nun König ist. Daraufhin wandte sich Friedrich dem Deutschtum zu. Auf der anderen Seite steht Christian, der zwar dänischer König ist und durch sein Parlament gezwungen wird, das Dänentum zu unterstützen, insgeheim heißt es aber, dass er dem Deutschtum zugeneigt ist und am heimischen Tisch nur deutsch spricht. Der Vertrag ist also der Versuch Christians diesen Konflikt zu verschleppen, bis die Eiderdänentum zurückstecken muss oder er auf dem Thron Fuß gefasst hat. Es ist gleichzeitig der Versuch den selbstproklamierten Herzog zu saturieren, damit er für den Moment Ruhe gibt, da Christian IX. auch dem deutschen Bund zugeneigt ist und dieser Friedrich maximal als Herzog anerkennen wird, aber niemals als freiheitlicher Herrscher eines völlig autonomen Schleswig und Holsteins. Dann gibt es noch die Preußen und die Österreicher, welche wollen, dass das Londoner Protokoll erfüllt wird. Das bedeutet zwar, dass die Dänen sich zurückziehen haben, aber Friedrich auch keinen Thronanspruch hier hat. Dafür werden sie wohl auch bei der Bundesexekution votieren. Preußen, weil es Friedrich nicht will und Österreich, weil es verhindern will, dass preußische Stiefel alleine bis zur Königsau marschieren. Warum lassen also die Preußen diesen Vertrag also ratifizieren? Das wäre noch eine interessante Frage. Aber eine, die wir nicht klären können in so kurzer Zeit. Die Wahrheit ist nämlich, dass der Bund gerade tagt. Wahrscheinlich müssen wir Friedrich innerhalb der nächsten zwei Tagen überzeugt haben, sonst werden die Armeen beider Seiten schon mobilisieren, das dürfte klar sein. Die Frage nach den Verbündeten ist sicher auch interessant, aber schwer zu realisieren. Deswegen brauchen wir Friedrichs freiwilligen Verzicht, weil dann der deutsche Bund uns legitimieren würde und auch beschützen müsste. Da Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in deutschen Landen ringen,  werden auch sie sich weiter mit uns befassen müssen. Die Eiderdänen blieben feindlich, aber sie würden von den anderen Großmächten zurechtgewiesen werden oder einen Vielfrontenkrieg führen. Das ist das, was wir sagen können. Aber entscheiden müssen wir uns trotz der wenigen Informationen. Wenn wir also Informationen sammeln wollen, bleibt uns maximal noch der heutige Tag. Konkrete Vorschläge, wo wir das machen können oder wie?" Karsten und Mommsen hatten es geschafft, wieder in die Politik zu kommen, doch Seelig murmelte noch immer genervt. Himly schuf trotzdem eine Zäsur. Seine Brille zurechtrückend, nahm er Alfred wieder ins Gespräch. "Und? Haben sich die Herren beraten?"
Die Professoren schauten interessiert zwischen Alfred, Emil, Conrad und Samuel hin und her, nur Seelig war noch immer bedient.
 1. Eindeutig ein Ansatz nach Thomas Hobbes (http://de.wikipedia.org/wiki/Bellum_omnium_contra_omnes).
 2. Gemeint ist Jean-Jacques Rousseaus (http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau) Hauptwerk Du Contract Social ou Principes du Droit Politique (http://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Gesellschaftsvertrag_oder_Prinzipien_des_Staatsrechtes) und die Grundannahme, dass es einen unkorrumpierbaren Gemeinwille eines Volkes gäbe.
 3. gemeint ist John Stuarts Mill (http://de.wikipedia.org/wiki/John_Stuart_Mill) erschienenes Werk On Liberty (http://de.wikipedia.org/wiki/On_Liberty) von 1859.
 4. Polybios (http://de.wikipedia.org/wiki/Polybios)
 5. Märzrevolution
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 14.05.2012, 15:48:36
"Ja, vielen Dank," antwortete Alfred dem Professor, als er wieder an die Runde getreten war. Neugierig war er dem durchdachten Exkurs Hänels und dem aufgebrachten Gezeter Seeligs gefolgt. Die aufgeregte Diskussion der Kieler schien nicht um Uneinigkeit und Streit zu bestehen, Alfred war überrascht, wie klar der Konsens der gebildeten Herren zu sein schien.

"Es gibt noch einige Dinge zu erwähnen," sprach Alfred also in die Runde, während er wieder an den Pult trat und auf das Dokument tippte. "Ich rechne fest damit, dass Preußen einigermaßen über den Verbleib dieses Vertrages informiert ist. Seine Existenz ist dem Kaiserreich ganz offensichtlich, schließlich steht, wie schon betont, der Name des Grafen Usedom unter der Urkunde. Vor allem jedoch war, sofern mich nicht alles täuscht, die Preußische Geheimpolizei maßgeblich daran beteiligt, Friedrich von Augustenburg über die Situation der Urkunde zu informieren. Der Haftbefehl, den der Herzog ausstellen ließ, erwähnte den Preußischen Dienst ausdrücklich."

Erwartungsvoll sah Alfred die Professoren an, als erwartete er eine Reaktion, einen Hinweis darauf, was diese vermeintliche Kooperation zu bedeuten haben könnte. Zaghaft begann der Chemiker selbst mit einer Interpretation.

"Lassen Sie mich für einen Moment wild denken: Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass Herzog Friedrich als Agitator der preußischen Interessen funktionieren könnte. Die Hinweise sind zwar gering, und vielleicht ist sich Friedrich selbst seiner Rolle nicht bewusst. Doch mit der angekündigten Bundesexekution im Nacken frage ich mich, wie souverän sich der Herzog der Sache Schleswig-Holstein zeigen können wird, oder ob er machtlos dem Einmarsch der preußischen Armee zusehen muss. Hmm," brummte Alfred unzufrieden und rieb sich mit den Fingern die gerunzelte Stirn. Er lehnte sich mit seinen Gedanken weit aus dem Fenster, und kam doch zu keinem plausiblen Ergebnis. Und die Zeit drängte.

"Hören Sie, meine Herren," betonte Alfred schließlich, als er weitersprach, "Ich halte nicht viel von Heimlichkeiten. Es mag zwar sein, dass solche Methoden einem Italien zu einer Einigkeit verholfen haben[1], doch ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Art der Diplomatie diejenige sein soll, die Vertrauen und Sicherheit bedeutet. Teufel, diese Ungewissheit fühlt sich doch so an, wie wenn ein Haufen Blinder im Minenfeld auf Steine schlägt, um die Sprengkörper zu finden!"

Entrüstet schüttelte Alfred Nobel seinen Kopf, sein Blick war dabei fast vorwurfsvoll auf das Dokument unter seinen Fingerspitzen gerichtet.

"Herr Hänel, halten Sie es für möglich, dieses Dokument unverwechselbar zu kopieren?", fragte Alfred, als er den Vertrag wieder aufnahm und ihn kritisch beäugte. "Sie haben schließlich auch nicht vergessen, meine Herren, dass der ursprüngliche Grund, weswegen mein Bruder und ich zu ihnen kamen, nicht der war, die unabhängige Einigkeit Schleswigs und Holsteins zu finden. Seit wir dieses Dokument bei uns halten, fürchten wir um unser Leben. Lassen Sie mich eines betonen: Ich bin nicht bereit, den politischen Machenschaften unserer Erpresser nachzugeben. Es erfüllt mich mit Widerstreben, Lavalle und ihre Männer als Gewinner aus dieser Situation gehen zu sehen, wer auch immer ihre Auftraggeber sein mögen. Auf der anderen Seite," fuhr Alfred fort und hob bedeutsam die Augenbrauen, als er tief Luft holte um weiter zu sprechen. Die nächsten Worte kamen selbst ein wenig ungewohnt verschwörerisch über seine Lippen. "Auf der anderen Seite habe ich selbst ein persönliches Interesse daran, Schleswig und Holstein als starkes und unabhängiges Land zu sehen. Wie bereits erwähnt bin ich Sinne, ein Unternehmen in Holstein zu gründen. Nicht nur, dass meine Financiers die Gründung meiner Fabrik auf deutschem Boden verlangen, ich wäre natürlich äußerst dankber, wenn ich meine Lieferungen aus Stockholm oder London nicht erst durch die Repressalien des Zollvereins[2] schicken müsste. Ganz konkret, meine Herren: Unsere Interessen liegen gar nicht so fern außeinander, mit dem Unterschied, dass meine Familie im Moment als lebende Zielscheibe fungieren muss."

Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen wechselte Alfred einen kurzen aber bedeutenden Blick mit seinem Bruder. Noch ließ er nicht zu, dass man ihm ins Wort fiel, und sprach weiter.

"Herr Himly, ich dachte bereits früh daran, dass der Vertrag seine Macht auf mich und meinen Bruder so lange auszuüben vermag, wie er als politisches Druckmittel Bedeutung hat. Was denken Sie, meine Herren, würde es bedeuten, wenn wir dem Vertrag seine Heimlichkeit entnehmen? Flugblätter, Zeitungsdrucke, Briefkopien an Wien, London, meinetwegen auch Berlin und Kopenhagen: Nehmen wir gerade damit nicht den gierigen Großmächten den Wind aus den Segeln, in dem wir publik zeigen, dass ihre Politik nicht in der Lage ist, im Einverständnis über Schleswig und Holstein zu richten? Bitte, meine Herren, Sie werden meine Idee besser einzuschätzen wissen als ich."
 1. Der Risorgimento (http://de.wikipedia.org/wiki/Risorgimento) (it.: Wiedererstehung) des Köngreichs Italien (http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Italien_%281861%E2%80%931946%29) gingen einige wesentliche Geheimbünde (z.B. die Carbonari (http://de.wikipedia.org/wiki/Carbonari)) und Geheimverträge (z.B. der Vertrag von Plombières-les-Bains (http://de.wikipedia.org/wiki/Plombi%C3%A8res-les-Bains#Geschichte)) zuvor.
 2. Deutscher Zollverein (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Zollverein)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 17.05.2012, 22:44:19
Carl lächelte, als von Stiehle ihm zu bedeuten gab, dass er sich nicht an der Uniform störte, erwiderte jedoch zunächst nichts darauf und hörte dem Major in Ruhe zu.

"Preußen und Österreich also?" Carl nahm die Neuigkeiten die von Stiehel mit sich brachte gefasst aber deutlich interessiert auf. Es lag auf der Hand, dass in den nächsten Tagen oder vielleicht auch nur Stunden über Krieg und Frieden entschieden wurde, und Carl war mittendrin.
Trotz seiner Arbeit für den Herzog war es unvermeidlich, dass er nach Berlin gehen musste, da sein Regiment mobil machte. Er freute sich nicht darauf dies dem Herzog mitteilen zu müssen, immerhin hatte er den alten Mann inzwischen ein wenig besser kennengelernt und nichts lag ihm ferner als diesen enttäuschen zu müssen. Doch es gab keine höhere als seine Pflicht Preußen gegenüber und das hatte er bei ihrem ersten Treffen dem Herzog gegenüber deutlich gemacht.

"Der Grund für meinen noch nicht erfolgten Aufbruch, liegt in der Tatsache, dass mich diese Nachricht erst jetzt, durch sie Herr Major, erreicht hat. Ich studiere in Kiel, habe die Stadt aber in der Nacht verlassen, als besagte Brigg versenkt wurde. Wenn sie mich fragen, warum ich hier bin und was hier vorgefallen ist, dann muss ich mit dieser Nacht anfangen. Trotz preußischer Direktheit, ist die Geschichte aber dennoch nicht mit ein paar Sätzen erzählt wie sie feststellen werden."

Damit begann Carl zu erzählen. Den Anfang machte er mit der Katastrophe auf der Kieler Förde und dem Rettungseinsatz durch die Studenten. Er berichtete von Alfred und Emil Nobel, den Vertrag den letzterer bei sich trug und das Treffen mit dem Braunschweiger. "Da wir dem Mann nicht ohne Weiteres trauen konnten und dieser einen Haftbefehl gegen Nobel vorlegte griffen wir zu einer List, so dass sich Herr Nobel nun im Gewahrsam von OWM van Widdendorp befindet und nicht hierher kam."
Mit steinernem Geischt berichtete Carl vom Tod seines Freundes der bei dem Attentatsversuch erschossen wurde und legte von Stiehle seinen momentanen Kenntnisstand um die Zusammenhänge zwischen den Nobels, den Attentätern und der Situation selbst dar.

"Und nun bin ich hier geblieben, um auf den Herzog zu achten. Allerdings habe ich schon vorher klargestellt, dass ich mich dadurch niemals meinem Eid gegenüber Preußen und dem König entlöst sehe. Für einen schriftlichen Befehl von ihnen wäre ich sehr dankbar, aber eine Frage hätte ich an sie, Herr Major. Wie kommt es, dass sich meine Anwesenheit hier so sher herumzusprechen scheint, dass sie zuerst von dieser und dann erst von der des Herzogs erfuhren? Schließlich bin ich kein Soldat von großer Berühmtheit oder hohem Renomée."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 20.05.2012, 15:33:26
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:38 Uhr - Gut Emkendorf

Major von Stiehle hörte dem Leutnant von Lütjenburg sehr aufmerksam zu, als dieser die Ausführungen über die Geschehnisse machte. Von Stiehle stand dabei äußerst stramm, der Rücken war durchgedrückt und der aufmerksame Blick und die tiefen Furchen in der Stirn dieses Mannes zeugten von der Konzentration, mit der er den Ausführungen des preußischen Soldaten folgte. Als würde er versuchen jedes Detail in eine imaginäre Steintafel meißeln oder zumindest als würde er schon jetzt die nächste Depesche nach Berlin formulieren. Am Ende von Carls Ausführung lachte er freundlich. "Nein, Ihr Renommee ist auch nicht das, was Ihre Anwesenheit bedeutender scheinen ließ, als die Anwesenheit des Herzog dies tut. Aber der Herzog weilt, so wurde ich informiert, eigentlich häufiger als Gast in diesen Räumen, wenn er nicht in seinem Stammhäusern weilt, während ein preußischer Offizier in dänischem Hause wohl deutlich seltener sein dürfte. Was heißt dänisches Haus, also im Haus der Reventlows, die vor allem als Holsteiner in dänischen Diensten bekannt sind. Da fällt ein Preuße dieser Tage folglich auf, als sei er ein bunter Hund inmitten eines preußischen Gardekorps. Deswegen berichtete man mir dies zuerst. Das Besondere vor dem Gewöhnlichen, wenn Sie so wollen."

Major von Stiehle kramte in der linken Innentasche seines Anzug und holte einen Briefumschlag heraus und drückte ihn Carl in die Hand. "Das ist ein Generalbefehl, er war eigentlich für einen anderen Offizier, der in Rendsburg weilt, bestimmt. Als Generalbefehl ist er jedoch nur auf Ihren Offizierstatus beschrieben, nicht auf Ihren Namen. Sie können den Befehl also vorzeigen und gleichzeitig ist er auch hier Fahrschein für die Eisenbahn und Kutschdienste, die sich auf Ihrem Weg in Anspruch nehmen müssen." Dann verschränkte der preußische Offizier aus Erfurt die Arme und blickte auf die Tür. "Wahrscheinlich wird der Herzog mich jeden Moment empfangen, lassen Sie mich meinen Danken für Ihre Information aussprechen. Sollten Sie auf Ihrer Reise also Probleme haben mit anderen Offizieren, lassen Sie ihm Wissen, dass er Sie im Willen von Major von Stiehle reisen würde und wenn der Problemgeber einen höheren Rang als meinen hat, scheuen Sie sich nicht, zu betonen, dass Generalfeldmarschall von Wrangel[1] Sie beauftragt hat durch die Worte von Stiehles!" Wieder griff er in seine Innentasche, um wiederum einen Brief hervorzunesteln. "Das sind Ihre neuen Befehle. Überbringen Sie diesen Brief bitte an so schnell, wie es Ihnen möglich ist zu Moltke[2]. Noch bevor Sie zu Ihrer Einheit zurückkehren! Danach kehren Sie in Ihre Einheit zurück und warten dort auf den Marschbefehl." Er ging zwei Schritte auf Carl zu, überreichte ihm den versiegelten Brief und klopfte ihm auf die Schulter. "Machen Sie Ihre Sache gut."

Von Stiehle blickte zu der Tür und wartete einen Augenblick, dass er abgeholt wurde, doch als er merkte, dass der Herzog ihn noch weiter warten ließ, wandte er sich doch nochmal an Carl. "Ich finde Ihre List bemerkenswert.", sagte er schließlich. Scheinbar hatte er dieses Thema zuerst nicht anschneiden wollen, vielleicht wollte er diesem sogar ausweichen, doch als das Warten und die Stille doch unangenehm wurde, sprach er es doch an. "Ich halte, da muss ich es so drastisch sagen, es nicht mit Söldnertum. Warum setzt man also einen Braunschweiger hier ein? Warum lässt der Herzog sich von Männern aus allen Herren Länder vertreten, aber nicht von den eigenen Holsteiner Buben? Das will mir persönlich nicht in den Kopf." Bezeichnenderweise schüttelte der Major den Kopf dabei. Wahrscheinlich lag es an dem Vertrag, dass von Stiehle desbezüglich schwieg. "Herr Leutnant", rang er sich schließlich durch, "dieser Vertrag verkompliziert das preußische Vorgehen ungemein. Es geht das Wort herum, dass Graf Guido ihn unterzeichnet haben soll. Ich halte das jedoch für eine Fälschung, für eine ziemlich stumpfe Fälschung. Man hat in Berlin darüber beraten und hat die PGP geschickt, um den Sachverhalt aufzuklären. Das ist auch Grund für meine Anwesenheit hier. Ich werde den Herzog zur Rede stellen und wenn ich so darüber nachdenke und höre, dass Sie an diesem Fall irgendwie beteiligt sind, würde ich Sie bitten, mich gleich zum Herzog zu begleiten und mir zu helfen, diesen zur Rede zu stellen. Auch wenn das vielleicht bedeutet, dass...ich die Befehle, die ich Ihnen eben gab rückgängig machen müsste und Sie, je nach Verlauf, nicht nach Berlin gehen könnten, sondern weiter in meinem Auftrag vor Ort handeln müssten. Darüber will ich Ihnen aber keinen Befehl erteilen, Herr Leutnant. Sie haben ausreichend deutlich gemacht, dass Preußen Ihnen eine Herzensangelegenheit ist. Also frage ich Sie, würden Sie mich begleiten, wenn auch das, was Sie tun müssen, Ihr Leben außerhalb eines Schützengrabens kosten könnte?" Major von Stiehle zeigte auf seine Seite, wo eine kleiner Revolver hervorlugte. Flüsternd fügte er an. "Ich erwarte einen Angriff, und dass der Herzog eine Falle vorbereitet oder zumindest einen Ausweg."
 1. Friedrich von Wrangel (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Graf_von_Wrangel)
 2. Helmuth Karl Bernhard von Moltke (http://de.wikipedia.org/wiki/Helmuth_Karl_Bernhard_von_Moltke)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 20.05.2012, 18:04:45
Carls Verblüffung war offensichtlich als er die geflüsterten Worte des Majors vernahm. Von Stiehle vermutete Gefahr im Verzuge und das ausgerechnet durch den Herzog? Es fiel Carl schwer dies hinzunehmen, doch zwang er sich zur Ruhe und dachte einen kurzen Augenblick nach. Es stimmte, der Herzog beschäftigte ungewöhnlich viele nicht-Holsteiner in seinen Diensten, dem Namen nach schien der junge Reiter auch eher aus dem skandinavischen Raum zu stammen. Dazu kam noch diese Lokalität und die allgemein ablehnende Haltung des Herzogs, wenn es in ihren Gesprächen um die Deutsche Sache ging. Natürlich konnte Carl anhand dieser Indizien für sich noch keine Schlüsse ziehen, aber sie reichten für einen begründeten Zweifel. Gleichzeitig kam Carl für einen Augenblick der Gedanke, dass von Stiehle ja seinerseits ebenso ein verkehrtes Spiel mit ihm treiben könnte. Doch diese Idee ruhte keine Sekunde in Carls Kopf. Wenn er begann an der Ehrbarkeit eines Preußens zu zweifeln, dann könnte er genauso gut nach Hause gehen und die Hände in den Schoß legen, bis der Konflikt vorrüber war.

Sein Gesicht zeigte nun keine Verwirrung mehr sondern eine verschwörerische Entschlossenheit "So etwas muss man auch nicht befehlen, Herr Major, das ist eine Selbstverständlichkeit." sprach er mit gedämpfter aber eindringlicher Stimme. Wie hätte er auch seine Befehle nehmen können und Major von Stiehle hier allein und im Stich lassen?
Kurz gab er noch einmal den Inhalt des Vertrages wieder "Eine Unterschrift von Graf Guido findet sich tatsächlich darunter, Herr Major. Aber wenn sie gefälscht ist, dann nützt das Papier doch allerhöchstens um Zeit zu gewinnen?"

Carl fiel eine der Überlegungen des Herzogs ein, die dahin ging, dass wenn die Söldner die sie überfallen hatten von Preußen gesandt waren ebenfalls Zeit erkaufen konnten. Der Herzog hatte jedoch eingeschränkt das Preußen mit anderen Mittel Zeit schinden konnte und dies wohl auch gar nicht wollte. Wofür würde der Herzog Zeit benötigen? Wenn er den Vertrag öffentlich machte würde eine Bundesexekution zumindest solange ausgesetzt bleiben, bis die Fälschung des Vertrages bewiesen war. Dem Herzog ging es um Schleswig und Holstein und um seine eigene Legitimation. Mit einem gefälschten Vertrag war dies nur für kurze Zeit möglich und würde danach alles zu nichte machen. Es musste also noch etwas nachfolgen. Angestrengt dachte Carl nach. Konnte es etwas mit dem Reiter zu tun haben? Er hatte gesagt er wäre aus Altona gekommen. Befand sich dort etwas, dass die Legitimation des Herzogs langfristig sichern konnte, oder jemand? Vermutlich mit dem Schiff eingetroffen. Wenn es nicht über Kiel kam, dann kam die Sache nicht aus dem Ostseeraum und durfte wohl auch nicht durch dänische Gewässer geschifft werden. Er wusste zuwenig, um seine Thesen fortzuspinnen, also teilte er sie kurz und bündig mit von Stiehle.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 22.05.2012, 15:21:15
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:41 Uhr - Gut Emkendorf

Major von Stiehle schüttelte den Kopf energisch. "Solange kein ausreichender Beweis erbracht ist, dass die Unterschrift gefälscht wurde, wird die diplomatische Notwendigkeit uns darauf festnageln. Das Problem ist, dass des Grafen von Usedom Aussage nicht reichen wird, um die Briten und die Franzosen von der Wahrheit dieser Fälschung zu überzeugen. Das ist diese verdammte Crux mit diesen Geheimverträgen. Ich sage Ihnen, diese ganze, diplomatische Geheimniskrämerei, sie wird noch ernsthafte Konsequenzen haben. Kaum einer der eigenen Männer weiß, was der Nächste tut, weil er und der andere jeweils ein Geheimnis für die beste Art des Handelns erachtet. Meinethalben sollte man dies im Rahmen eines - wie nennen die Briten es noch - Gentlemen's Agreement[1] verbieten. Wir Preußen predigen doch sonst immer, dass das Flagge zeigen das Größte ist." In des Majors Stimme war ein deutlicher Ärger zu vernehmen über die Ereignisse. "Das ist eine Schuld dieser übertriebenen Diplomatie, welche Ehrlichkeit und Worttreue schwört und doch nur aus Lüge besteht. Und genau deshalb wird Preußen nicht einfach sagen können, dass es eine Fälschung ist, ohne einen Beweis zu haben. Die Feinde Preußens werden das als Wortbrüchigkeit auslegen und versuchen, Preußen damit außenpolitisch zu isolieren. Und darauf bauen der Herzog und die Dänen doch, falls Sie mich fragen, Herr Leutnant. Sie fürchten Preußens Vorgehen und das Preußen die Position des Herzogs in Frage stellt. Und um ein Zeichen zu setzen, hat der Generalfeldmarschall und sein Stab mich damit beauftragt, dieses unmissverständliche Zeichen an den selbsternannten Herzog zu senden, dass wir uns nicht mit einer Fälschung zu einem bestimmten politischen Handeln erpressen lassen. Deswegen erwirkt Preußen, unter anderem, in der Bundesexekution, dass es Sache der Garantiemächte ist, die Ruhe in Schleswig und Holstein wieder herzustellen. Damit wird der Herzog von seinen Befürwortern im deutschen Bund getrennt. Aber dank Ihres Wissen um den Verbleib des Vertrages öffnen sich uns ganz neue Möglichkeit. Wir können diese Lügner und diesen Usurpator bloßstellen und entwaffnen."

Der Major kraulte sich nachdenklich den Bart und wollte scheinbar etwas nachsetzen, als sich die Tür öffnete und der Reiter wieder erschien. Die halbe Stunde hatte der Herzog nicht ganz ausgereizt. Stiehle blickte prüfend auf seine Taschenuhr, die er aus der rechten Tasche seiner Offiziersjacke zog. 22 Minuten waren vergangen. Augenscheinlich war der Major von Stiehle ein ziemlich genauer Beobachter jeglicher Ereignisse, was nicht verwunderte, da er eine Falle erwartete. Thoralf nickte dem Major zu. "Der Herzog ist bereit sie in seinem provisorischen Büro zu empfangen", was der Major nur mit einem Nicken bekräftigte. Er gab Carl das Zeichen, ihm zu folgen, was der blondhaarige, o-beinige Reiter mit einem Schlucken aufnahm. Damit hatte er augenscheinlich nicht gerechnet. "Erlauben Sie, dass ich Sie dem Herzog nochmal gesondert ankündige.", sagte der blondhaarige Reiter plötzlich, doch Major von Stiehle lächelte nur. "Das brauchen Sie nicht, Herr?" Gustav von Stiehle machte eine Pause, um den Namen des Reiters zu erfahren, der jedoch versteinert in der Tür stand und keine Antwort gab. "Der Herzog hat uns ja nun dreißig Minuten warten lassen, da wird er schon wissen, dass wir jetzt erscheinen." Der blondhaarige, junge Mann wollte etwas erwidern, doch da schob sich der Major bereits an ihm vorbei mit Carl im Schlepptau.

Wenige Schritte später standen sie schon im provisorischen Büro, in dem Carl noch vor einer halben Stunden mit der Herzog beim Frühstück saß. Es war noch duster draußen, die Sonne würde erst in einer Stunde wirklich sichtbar werden, wenn das Wetter dies überhaupt zuließ. Carl fiel auf, dass das Frühstück weggeräumt war und der Herzog entspannt im Sessel saß. Er hatte sich eine Pfeife angesteckt und trug eine Art kleine Lesebrille. Er trug jetzt hochwertigere und etwas weiter geschnittene Kleidung, einen ordentlichen Anzug auf dem ein Orden prangte.  Dieser Orden bestach durch seine Schlichtheit, ein Kreuz, auf dem das holsteinische Nesselblatt[2] und die beiden schreitenden, schleswigschen Löwen[3] abgebildet waren. Es hing an einem blau-weiß-roten Band herab. Neben den beiden Wappenteilen standen die Jahreszahlen 1848 und 1849. Ein Erinnerungskreuz an die erste schleswig-holsteinische Erhebung. Der Herzog hatte sich wirklich vorbereitet, trug er nun eine Aura des Trotzes, aber auch des Weltmännischen mit sich herum. Der im Kampf so aufgelöste und danach so nachdenkliche Herzog, er wirkte das erste Mal zum Kampfe gerüstet. Nur kurz ließ er durchblicken, dass er von Carls Auftauchen verwundert war, doch er schluckte seine Verwunderung schnell wieder herunter, aber an Stiehles Lächeln erkannte Carl, dass Stiehles kurzgefasstes Manöver erfolgreich gewesen war.
Der Herzog stand auf und begrüßte den Major förmlich. Der Herzog schien zu riechen, dass Preußen ihn nicht anerkannte und dementsprechend auch nicht die Förmlichkeit entgegenbrachte, die er als Herzog in dieser Situation gerne gesehen hätte.
"Seien Sie mir gegrüßt, Major von Stiehle. Was bringen Sie für Kunde aus Berlin?"
Major von Stiehle nahm die Hand des Herzogs entgegen und hielt dann die Offiziersmütze hinter dem Rücken.
"Aus Berlin? In erster Linie bringe ich Nachrichten aus Frankfurt. Der Bundestag beschließt in diesem Moment die Bundesexekution gegen Holstein. Meine Nachricht aus Berlin ist eine Konsequenz dieser Nachricht, Herr von Augustenburg-Sonderburg." Der Herzog verzog das Gesicht, als Major von Stiehle den Herzog wie einen Zivilisten ansprach. Zwar hätte von Stiehle ihn immer noch wie einen Adeligen ansprechen müssen, aber der Major erhob sich über diese Etikette, augenscheinlich um den Herzog zu provozieren, was ihm gelang. "Ihr selbsterklärter Regierungsanspruch endet hiermit. Sächsische und hannoveranische Truppen werden die Bundesexekution noch vor dem Weihnachtsfest durchführen. In Anbetracht dessen, wie viele holsteinische Truppen desertiert sind und dem dänischen König und ihnen die Gefolgschaft verweigert haben, wird es externen Bundesmitglieder brauchen, um sie alle zur Räson zu bringen. Der preußische Ministerpräsident bietet ihnen Folgendes an: Sie reisen noch heute mit mir nach Kiel und erklären dort ihre Proklamation für ungültig und verhindern, dass Sie sich zum Landesherrn ausrufen lassen. Im Gegensatz erhalten sie einen Altersruhesitz und eine Rente für Sie und Ihre Familie. Wir brauchen nicht darüber streiten, dass Ihre Thronbesteigung - wie Sie diese gern nennen - unrechtmäßig ist."
Der Herzog bekam einen wütenden Blick, aber atmete einmal tief durch, ehe er antwortete. "Mein lieber Herr Stiehle." Auch er nahm Stiehle den Adelsrang. "Sie nehmen sich in meinem Haus ganz schön viel raus. Sie vergessen, dass ich in Besitz des Vertrages bin!" Hilfesuchend blickte er zu Carl, als ob dieser es bestätigen könnte und ließ seine Worte zur Drohung werden. Stiehle verzog das Gesicht, aber Carl erkannte, dass er mitspielte. Dafür, dass er die Diplomatie so sehr verachtete, spielte Stiehle dieses Spiel ziemlich bravourös. Er antwortete verärgert. "Und warum bekommen unsere Botschafter dann nicht die versprochenen Abschriften?" Diese Aussage ließ des Herzogs Blick augenblicklich weicher werden, scheinbar wähnte er sich darin, dass Carl dem Preußen noch nichts über den Verlust des Vertrages gesagt hatte. "Sehen Sie, Major von Stiehle", gewann der Herzog nun seine Fassung zurück und zeigte auf den Orden. "Dieses Erinnerungskreuz ist aus den Kanonen der Christian VIII.[4] hergestellt, als Zeichen unseres Widerstandes. Ein solcher Widerstand braucht ein gewisses Fundament und als solches, eine sehr sorgfältige Arbeit. Gerade wenn es um die selbstbestimmte Freiheit eines Volkes geht!"
Major von Stiehle schaubte verächtlich und schaute dann lächelnd zu Carl. Die rechte Augenbraue des Herzogs zuckte kurz, als er dem Blick folgte. Stiehle wollte, dass Carl seine Meinung äußerte. Das war unmissverständlich.
Damit zwang Stiehle von Lütjenburg dazu, Flagge zu bekennen. Er lenkte Carls Preußentum mit voller Kraft gegen des Herzogs Ambitionen. Doch welche Konsequenzen würde es haben, wenn Carl sich jetzt entschied? Wenn er sich jetzt für von Stiehle aussprach, dann würde die Macht des Vertrages an diesem Ort schwinden. Die Preußen würde klar machen, dass sie dem Vertrag keine Bedeutung mehr beimessen würden und versuchen würden, ihn aufzuheben. Ja, Carl konnte gut abschätzen, was sein nächster Auftrag sein würde. Er würde den Vertrag besorgen müssen. Stiehle machte, obwohl er kein Wort darüber verlor, keinen Hehl daraus. Es war die unweigerliche Folge. Gleichzeitig sprach von Stiehle davon, dass Sachsen und Hannover die Bundesexekution in Holstein umsetzen würden, aber gleichzeitig mobilisierte sich die preußische Armee. Es konnte nur bedeuten, dass Preußen mit Widerstand rechnete und glaubte, dass die Bundesexekution alleine nicht reichte. Carl stand vor einer schweren Entscheidung: sich auf einen scheinbar gefälschten Vertrag verlassen und dafür Frieden wahren, so er brüchig er auch erst einmal sein mochte, oder sich für Preußen aussprechen, wie es seiner Gesinnung geschuldet schien und dafür seine Heimat mit Krieg überziehen...oder gab es einen Ausweg aus diesem Dilemma?
 1.  Gentlemen's Agreement  (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentlemen’s_Agreement)
 2. Nesselblatt (http://de.wikipedia.org/wiki/Nesselblatt)
 3. Schleswigsche Löwen (http://de.wikipedia.org/wiki/Schleswigsche_Löwen)
 4. Christian VIII. (Segelschiff) (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_VIII._(1841))
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 24.05.2012, 21:53:27
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:18 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

"Aber natürlich steht Ihre Familie nicht zurück.", wandte Seelig sich dazwischen, und jetzt haftete ihm wieder das Kollegiale, das Gemeinschaftliche an. "Darum sollen wir uns unverzüglich kümmern, denn ich erachte Ihren Vorschlag des Publizierens für achtbar und richtig! Ich rede schon die ganze Zeit davon, dass ein Volk nicht nur eine Stimme braucht, sondern auch einen Grund sie zu erheben. Und die Machenschaften sich selbst gegenseitig als groß bezeichnender Männer aufzudecken, das deucht mir wirklich, könnte das vor den Kopf gestoßene Holstein aufwecken und auch jene jenseits der Eider, welche das Herz am rechten Flecke sitzen haben!" "So ein Kladderadatsch[1], mein guter Seelig!", wand Theodor Mommsen mit scharfer Stimme ein und mühte seine Haare wieder in einen Scheitel mit einer Hand. "Mit solchen Aussagen landen Sie nicht nur in dieser Zeitschrift[2], sondern Sie zeigen sich selbst wieder sich selbst höchst satirisch! Dass Demokratie eine Volksstimme will, heißt noch lange nicht, dass jeder ein Interesse daran hat. Demokratie muss sein, aber wir dürfen nicht darauf hoffen, dass sich jeder erhebt, nur weil wir zur Fahne rufen. Es muss drastischer sein! Wir müssen jeden Schleswiger und jeden Holsteiner an den Hörnern packen und ihm sagen, dass es ihm wehtun wird, wenn er nicht seine Stimme erhebt. Ihm wehtun wird, weil sie allerlei Mäuler von Nichtholsteinern und Nichtschleswigern füttern müssen. Der Vertrag alleine kann nur eine Grundlage sein. Eine simple Grundlage, auf der wir ein Bedrohungsszenario aufbauen müssen." Mommsen schlug zur Verdeutlichung nun auf den Tisch. "Ein Mensch ist kein Zoon politikon[3], zumindest nicht, wenn er keinen guten Grund hat, einer zu sein. In Mensch in Zufriedenheit denkt nicht so sehr über gemeinschaftliche Notwendigkeiten nach wie einer, der in der Krise lebt und leidet." Mommsen zeigte nun auf die beiden Nobelbrüder. "Sein Sie mir nicht böse, Herr Nobel, aber ich nehme Sie als Beispiel. Sicher haben Sie ein Interesse an einem konfliktfreien Aufbau ihrer Fabrik, aber sein wir doch ehrlich, ohne Ihre Furcht um Familie und durch diesen schicksalshaften Fall, dass Sie den Vertrag besitzen, würden Sie nicht in diesem Umfang partizipieren. Das will Ihnen nicht verübelt sein, zumal Sie auch nicht von hier stammen. Was ich damit verdeutlichen will, ist, dass es immer einen besonderen Auslöser dafür braucht, dass ein Mensch sich betätigt. Oder hat irgendeiner der Anwesenden davon gehört, dass März 1848 eine Veranstaltung aus Jux und Dollerei war? Haben die Amerikaner einen Unabhängigkeitskongress[4] gegründet, weil sie ohne Grund Autarkie und Autonomie anstrebten? Hatte die französische Revolution[5] nicht einen trifftigen Grund? Oder die Bauernkriege[6] des frühen 16. Jahrhunderts? Unsere Aufgabe ist es, die Menschen hier an die Gründe zu erinnern und ihnen lebhaft vor Augen zuhalten, wofür und warum sie streiten müssen. Demokratie ist nichts, was man einfach nennt, wie ein Zauberwort, und schon ändert sich die politische Lebenswirklichkeit. Zu Demokratie muss man hart erziehen und hart erzogen werden! Also sage ich ja, wir machen das publik, aber wir kommentieren das. Wir verfassen einen Aufruf an das schleswigsche und an das holsteinische Volk, aber wir sprechen auch gesondert die Friesen und die Dithmarscher an. Es muss groß angelegt sein, wenn wir so einen Vorstoß wagen, denn wir werden Preußen damit vor das Schienbein treten. Und da sollte man sich zurecht fragen - wollen wir das? Und wenn wir zurecht ja sagen, müssen wir mit dem Echo klarkommen! Denn klar ist, dass Preußen den selbsterklärten Herzog einfach übergehen, da er nicht mal uns als Stütze hat, aber ein entschlossenes Volk kann Preußen nicht einfach bekämpfen im Rahmen des deutschen Bundes!"

Thaulow hob die Hand und mischte sich ein. "Dieses Schienbeinbild gefällt mir." Er fuhr sich ebenfalls durch die wilden Haare. Seine Stirn war schweißnass, wie bei fast allen Anwesenden. Ein Zeichen, dass sie mit Inbrunst dachten, atmeten, diskutieren. "Ein Freund schickt mir immer den Münchener Bilderbogen[7] hierher, weil er sich dort über die religiösen Themen immer so aufregen kann. Dort bei dem Verlag gibt es einen Zeichner namens Wilhelm Busch[8], der die Geschichte von Max und Moritz[9] schreibt. Zwei Lausbuben, die allerlei Schnabernack treiben. Auf jeden Fall gibt es dort als Gepiesackten den Onkel Fritz. Ich kenne nicht die ganzen Geschichten und Inhalte, aber in diesem Fall soll Preußen - nicht zu letzten dank des Alten Fritz[10]  - Onkel Fritz sein und wir Schleswiger und Holsteiner sind dann wohl Max und Moritz. Wir sollten vorsichtig sein mit dem Streiche treiben!", ermahnte Thaulow in seiner ungemein komplizierten Art, viel zu reden und doch weniger zu sagen, als er eigentlich wollte. Aber es war sogar Himly, der ebenfalls kritische Gedanken teilte. "Die preußische Geheimpolizei[11] ist hier häufig gesehen wurden, einer ihrer Männer war sogar während der Vorlesung hier, trotz Gustavs Vorsicht versteht sich. Wer weiß, was die Preußen mit dem Vertrag selber bezwecken. Ich glaube jedoch nicht, dass sie wirklich mit Friedrich rechnen, eher gegen Friedrich. Vielleicht wollten die Preußen sich selbst Zeit erkaufen, bei der dort laufenden Verfassungskrise[12]? Wie dem auch sei, ich halte eine gewisse Geheimhaltung für notwendig, um unser Vorhaben nicht zu früh zu riskieren. Ich sage deshalb, dass wir zusammen zu Oberstwachtmeister van Widdendorp gehen und, dass wir ein paar Holsteiner zusammenstellen, die Ihre Familie, Alfred, in Sicherheit bringt. Dann haben wir das schonmal geschafft! Während Ihre Familie in Sicherheit gebracht wird, reisen wir zum Herzog und überzeugen ihn davon, dass er zu Gunsten eines Parlamentes seine Regentschaft abgibt. Mit seiner Zustimmung, dass er seinen Erbanspruch zurückstellt, machen wir den Vertrag publik und erhalten in diesem Augenblick automatisch den Zuspruch aller deutschen Länder bis auf Preußen und Österreichs. Das ist an sich nichts wert, da Preußen und Österreich zusammen zu viel Stimmengewicht haben. Allerdings ist Preußens Unterschrift unter diesem Vertrag, weshalb Preußen die Garantiemächte aufklären muss und somit auch England und Frankreich überzeugen muss, dass dieser Konflikt um die Grenzen nur durch den eigenen Willen Schleswig-Holsteins zu beenden ist. Österreich sind derweil auch die Hände gebunden, weil es keine Ressourcen hat, um einzugreifen. Ein falsches Verhalten, wie Albert festgestellt hat, und dieses Pulverfass des Panslawismus[13] explodiert. Ich denke, so sollten wir vorgehen. - Wohlbemerkt ist das in Sicherheit bringen nur eine Vorsichtsmaßnahme! Denn wenn wir den Herzog innerhalb der nächsten 72 Stunden überzeugen, besteht sowieso keinen Grund mehr für die Nobels, um ihr Leben zu fürchten. Die Sache wäre erledigt!"
Karsten verkündete für seine Verhältnisse mit stürmischen Beifall seine Zustimmung und auch Seelig zeigte sich doch davon überzeugt, doch alle anderen verfielen in Diskussionen und Getuschel, von dem sich nur Hänel etwas trennte.

"Ich kann es versuchen, aber es wird schwer sein und einen oder zwei Tage in Anspruch nehmen.", antwortete Hänel schließlich auf die Frage Alfreds, während die anderen Professoren weiterstritten und sich darin überboten, wer mehr Ahnung von Demokratie hatte. Gelehrte Männer hatten ihren Stolz und das zeigten sie hier deutlich, wobei Himly und Seelig vor allem auf die Nobels und deren Not verwiesen, während gerade Mommsen und Thaulow der Meinung waren, dass die Sache der Nobels zwar wichtig war, sich aber den holsteinischen Willen unterzuordnen habe. Ribbeck brachte sogar den Utilitarismus[14] hervor, um Mommsens Sicht zu unterstreichen, auch wenn er als einziger nicht klar machte, auf welcher Seite er stand. "Und es könnte gefährlich sein, wenn wir jemanden eine Fälschung unterjubeln. Urkundenfälschung ist ein ziemlich großer Straffall. Woran denken Sie dabei, Herr Nobel?"
Die letzten Worte nahmen die Disputierenden wahr und interessiert blickten sie wieder zu Alfred Nobel, während Emil verkniffen reinschaute. Dieses Politische war scheinbar nichts für ihn, aber Alfred sah, dass er sich ärgerte, dass man - wenn auch nur andeutungsweise - so leichtfertig über die Leben der Familie Nobel sprach.
 1. Kladderadatsch (http://de.wikipedia.org/wiki/Kladderadatsch)
 2. Hier ein Link zur Ruprecht-Karls-Universität, die alle Ausgaben des Kladderadatsch (http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/kladderadatsch.html) digitalisiert vorhält. - Ich verlinke auch gleich auf ein interessantes Gedicht aus dem Dezember 1863 (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla1863/0221?sid=b416bcb2476b044f3dd399fb52f38d09). :)
 3. Zoon politikon (http://de.wikipedia.org/wiki/Zoon_politikon)
 4. Kontinentalkongress (http://de.wikipedia.org/wiki/Kontinentalkongress)
 5. Französische Revolution (http://de.wikipedia.org/wiki/Französische_Revolution)
 6. Deutscher Bauernkrieg (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bauernkrieg)
 7. Münchener Bilderbogen (http://de.wikipedia.org/wiki/Münchener_Bilderbogen)
 8. Wilhelm Busch (http://)
 9. Max und Moritz (http://de.wikipedia.org/wiki/Max_und_Moritz) - Wer dieses Originalbuch kennt, weiß ja, wie die Geschichte endet... :wink:
 10. Friedrich der Große von Preußen (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preußen))
 11. Preußische Geheimpolizei (http://de.wikipedia.org/wiki/Preußische_Geheimpolizei)
 12. Preußischer Verfassungskonflikt (http://de.wikipedia.org/wiki/Preußischer_Verfassungskonflikt) - An dieser Stelle sei auch an Bismarcks berühmte Blut und Eisen-Rede (http://de.wikipedia.org/wiki/Blut_und_Eisen) erinnert.
 13. Panslawismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Panslawismus)
 14. Utilitarismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Utilitarismus)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 28.05.2012, 21:17:15
Carl hatte das Wortgefecht zwischen von Stiehle und dem Herzog schweigend verfolgt, während er ein wachsames Auge auf ihre Umgebung hielt. Er hatte gerade zur anderen Seite geblickt als von Stiehle ihn stumm dazu aufforderte Farbe zu bekennen, weshalb er erst verspätet darauf reagieren konnte. Vorbereitet war er auf dieses Bekenntnis rein gar nicht, weshalb quäland langsame Sekunden verstrichen bevor Carl etwas sagte.

Fieberhaft ging er alle sich ihm ergebenden Lösungsmöglichkeiten im Geiste durch, denn er war sich sehr wohl bewusst, das ee in diesem Augenblick über einen möglichen Krieg in Schleswig-Holstein entscheiden würde. Er hatte als Junge dieses Land verlassen und es war damals sein Wunsch gewesen wiederzukehren und es dem dänischen Einfluss zu entreißen. Dennoch wusste er nun als ausgebildeter Soldat in etwa was ein Krieg für Schleswig-Holstein und seine Bevölkerung bedeuten könnte. Wenn es eine zufriedenstellende Möglichkeit gäbe, Preußens Interessen, und für Carl war dies gleichbedeutend auch deutsche Interessen, zu wahren und denn noch einen Krieg zu umgehen... Carl hätte sie mindestens in Erwägung gezogen. Doch er sah sie nicht. Die Tatsache dass der Vertrag gefälscht war und der Herzog auch noch so stolz auf diesen schien, ärgerte Carl maßlos. Wie konnte man die Freiheit eines Volkes mit solchen Methoden zu erlangen versuchen?

Carl registrierte, dass er schon eine gewisse Zeit lang stumm geblieben war, wo man von ihm erwartete zu reden und das Erinnerungskreuz des Herzogs ansah. Für ihn symbolisierte es keinen Widerstandsgeist, sondern lediglich den flickenteppichhaften Lokalpatriotismus der klein machte, was eigentlich groß und großartig sein sollte.

"Die Christian VIII.", sagte er ruhig und blickt dem Herzog nun ins Gesicht "Ich habe davon gelesen, als ich gerade ein paar Monate in Berlin war. Wieviele wurden davon angefertigt? Für wieviele hätten die Kanonen ausgereicht? Die Dänen hätten sicherlich ein Vielfaches an Erinnerunsgstücken aus den Geschützen fertigen können, die sie damals erbeutet hatten. Erinnerungen in Stahl gehauen, die noch heute die Fortschrittlichkeit einer Nation gegenüber einem Herzogtum anpreisen würde. Dieser Orden bedeutet im Augenblick nur ihren eigenen Widerstand, ihre Weigerung die Realität als solche anzuerkennen. Dieses Volk, um dessen selbstbestimmte Freiheit es ihnen geht gibt es nicht mehr. Es spricht die gleiche Sprache wie das Volk in der Mark oder unsererseits des Rheins. Und ja, es ist eine Schande, dass es teils immer noch von Dänen beherrscht wird, aber wie kann es sein, dass sie es davon befreien wollen aber man hier kaum einen Holsteiner sieht? Und wie können sie es verantworten Freiheit durch gefälschte Verträge zu erlangen?"

Carl Stimme war schneidend und dringlich, aber dennoch hatte er nicht geschrien, wenngleich man ihm seine Empörung auch durchaus anmerken konnte. Tief atmete er einige male durch, um sich wieder zu beruhigen und setzte noch einmal an.

"Ich habe Herrn von Stiehle über den Verbleib des Vertrages unterrichtet und auch um die ganze Situation um diesen herum. Mit ihrem Verhalten tun sie weder sich selbst noch unserer Heimat keinen Gefallen, also erbitte ich sie im Interesse aller den Wünschen des Herrn Ministerpräsidenten zu entsprechen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 30.05.2012, 00:39:50
"Zunächst einmal", erklärte sich Samuel, "hatte ich nicht die Absicht, jemanden zu beleidigen. Aber ich bin weder ein Politiker, noch in allen Details mit den Kämpfen vertraut, die Sie, meine Herren, früher ausgefochten haben. Noch dazu bin ich erst sehr kurz in der Stadt und möchte nicht behaupten, auch nur einen in der Runde wirklich zu kennen. Meine Fragen mögen naiv erscheinen, doch ich stelle lieber eine naive Frage zu viel, als eine entscheidende zu wenig. Meine Absicht ist lediglich, ein sehr komplexes Gebilde in sehr kurzer Zeit zu verstehen, und nicht, irgendwen zu beleidigen. Oder, um es anders auszudrücken, Herr Seelig - ich versuche nicht, Ihnen das Alphabet beizubringen, sondern mir die mir noch fehlenden Buchstaben aufzudecken."

Mit einem respektvollen, aber keinesfalls unterwürfigen Nicken wandte er sich an Seelig. "Aber Ihre Worten überzeugen mich und beantworten auch gleich einige der weiteren Fragen, die ich ansonsten gestellt hätte. Auch verstehe ich den Mangel an Zeit. So müssen wir also mit Wissenslücken leben. Wie bei einem guten Schachspiel allerdings würde ich nicht aufs Risiko gehen, sondern versuchen, jede andere Figur, die ein Schach erzwingen will, zunächst ihrerseits in eine bedrohte Stellung zu positionieren. Hierfür brauchen wir weniger Zeit, als Intelligenz. Und ich denke, davon ist genug in diesem Raum vorhanden."

Damit wandte er sich an Mommsen, und nickte auch ihm respektvoll zu. "Und auch Ihre Worte passen auf das Schachbrett, denn ja, wir müssen alle Figuren mobilisieren, die auf unserer Seite stehen - selbst die, die lieber dort stehen bleiben würden, wo sie gerade sind. Sie müssen begreifen, dass sie vielleicht geschlagen und vom Feld genommen werden, wenn sie nicht selber handeln."

Samuel wusste nicht genau, ob seine Stimme in dem allgemeinen Getuschel und Gerede überhaupt wahrgenommen wurde, doch setzte er schlicht auf die Stärke seines Organs. "Aber um in mehr als nur Metaphern zu sprechen. Sie, meine Herren, sprechen davon, die besten Figuren an vorderster Front kämpfen zu lassen. Der Gedanke, Friedrich zu einer Machtübergabe an ein Parlament zu motivieren, geht schon eher in die richtige Richtung. Bringen wir auch die übrigen gegnerischen Figuren dazu, sich dorthin zu bewegen, wo wir sie haben wollen! "

Er wandte sich an die beiden Nobel-Brüder. "Würden Sie es vorziehen, in Sicherheit gebracht zu werden, bis alles vorbei ist? Oder lieber die Attentäter aus ihrem Loch locken, und sie zu Fall bringen?" Er drehte sich zurück zu den übrigen Professoren. "Und was ist, wenn Preußen oder Österreich noch etwas in der Hinterhand hat, von dem wir nichts ahnen? Bringen wir sie vorab zu einer Zusage. Sind irgendwelche bedeutenden preußischen oder österreichischen Männer in der Stadt?"

Ein überraschender Eifer hatte Samuel gepackt, während er Pläne schmiedete. Er sah bereits das Ergebnis vor sich, nur war ihm die dazu gehörige Formel noch nicht ganz bekannt. Doch sie offenbarte sich, Stück für Stück.

"Meine Herren, wir müssen Mittel einsetzen, die man uns nie zutrauen würde. Unser Erfolg kann nur in der Überraschung liegen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 03.06.2012, 23:52:31
"Aber eben die heimlichen Mittel zu einer riskanten Überraschung halte ich für viel zu gefährlich,", antwortete Alfred mit zusammen gekniffenen Augenbrauen dem neu ernannten Dozenten der Universität. "Herr Himly sagte schon, dass die PGP in Ihrer Vorlesung vertreten war. Ich kann nicht daran zweifeln, dass man meinen Bruder und mich gesehen hat. Nehmen Sie an, dass der Geheimdienst über den Verbleib des Vertrages weiß, dann sind diesem Dokument mittlerweile der Herzog, Dänemark, Preußen und für wen auch immer Lavalle arbeitet auf den Fersen! Verwechseln Sie meine Bedenken bitte auch nicht einzig als die Sorge um unser Wohl," bat Alfred mit einer Geste auf Emil, kam jedoch umher, den vorwurfsvollen Blick seines Bruder zu bemerken, "denn wenn der Vertrag verloren gehen würde, so hätten Sie kein Mittel mehr in den Händen."

Mit einem unzufriedenen Blick senkte Alfred den Kopf und kratzte sich an seinem langsam kahlenden Hinterkopf. Als wäre ihm gerade wieder eingefallen, dass er sie noch besaß, zog er seine goldene Uhr aus der Westentasche und prüfte die Zeit. Er wusste genau, dass wenn sie wollten, sie noch lange hier sitzen bleiben konnten, doch jede Minute, die ohne einen Entschluss verstrich und ohne Tätigkeit blieb, war Gift für die Sache Schleswig-Holsteins.

"Ich denke, ich stimme Ihnen schlussendlich zu, Herr Himly", antwortete Alfred also, verstaute seine Uhr und sah den Professor mit einem herausfordernden Blick an. "Die Überzeugung Herzog Friedrichs, die Publikation des Vertrages. Doch unter dem Zeitdruck und der Gefahr, welchen der Besitz der Urkunde ausgesetzt ist, muss ich darauf bestehen, die Reihenfolge umzukehren. Wenn es gelingt, den Vertrag schnell abzustoßen und öffentlich wirken zu lassen, dann sitzt derSache nicht mehr die lauernde Gefahr Preußens oder Dänemarks im Nacken. Friedrich zu überzeugen wird sich als Schwierigkeit darstellen, gleich, wie die außenpolitischen Mächte wirken."

Mit gespreizten Fingern tippte Alfred auf das Pult, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. "Ich sehe durchaus ein, dass die Versuchung nahe liegt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen geht es um die Unabhängigkeit, zum zweiten um eine Demokratie in Schleswig-Holstein. Doch ich kann mir nicht denken, wie der Vertrag Ihnen bei der zweiten Sache zu helfen vermag, als dass es das Risiko lohnt, Zeit zu vergeuden. Die Zeit wird einer Ihrer ärgsten Feinde sein, meine Herren."

Mit einem bitteren Gesichtsausdruck rieb sich Alfred die Stirn, während er den Männern in die Gesichter blickte. Am Ende hatte der Schwede es also doch geschafft, in die politischen Machenschaften eines fremden Landes einzugreifen. Tief holte Alfred Luft und zog ungläubig über sich selbst die Augenbrauen in die Höhe über das, was er als nächstes sagen würde.

"Sehen Sie, ich bin bereit meinen Teil zu leisten. Es geht noch immer um die Sicherheit meiner Familie, die Sache muss beendet werden. Wenn Sie sich davon überzeugen lassen, den Vertrag alsbald wie möglich zu publizieren, will ich ihn persönlich zur notwendigen Stelle überbringen. Ursprünglich dachte ich daran," sprach Alfred weiter und warf einen beantwortenden Blick auf Professor Hänel, "eine Kopie des Dokumentes an Lavalle oder gar de Meza zu liefern, mich quasi von der unfreiwilligen Schuld der Erpresser zu entbinden. In der Absicht, den Vertrag ohnehin zu veröffentlichen, wäre Ihrer Sache damit auch nicht geschadet. Aber ich fürchte, dazu wird die Zeit nicht mehr genügen. Nun, vielleicht lässt sich ja Herr Rosenstock dazu überreden, zu meinem und meines Bruders Schutz uns zu begleiten? Es würde jedenfalls sehr unserem Gewissen dienen."

Lächelnd nickte Alfred Conrad zu, der noch immer in voller Montur vor ihnen Stand. Der Schwede war sich bewusst, dass die Angelegenheit sehr gefährlich werden konnte. Doch ebenso konnte er sich nur vorstellen, dass je mehr Zeit verging, die Gefahr schlussendlich ihn finden würde.

"Nichtsdestotrotz brechen Sie, werte Herren, unverzüglich zu Friedrich auf und leisten dort die notwendige Überzeugungsarbeit. Ich kann Ihnen nur zustimmen, dass dieses Vorhaben nicht minder wichtig ist als die Publikation der Urkunde. Und Sie sehen, im Endeffekt wird es kürzer Dauern mit einem Herzog zu sprechen, als eine Kopie des Dokumentes nach Österreich oder London zu befördern. Schlussendlich bitte ich Sie nur darum, keine verzichtbaren Risiken einzugehen.[1]
 1. Diplomatie 18
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 17.06.2012, 22:08:12
Während Alfred sprach, schüttelte Samuel mal den Kopf, mal nickte er zustimmend. Schließlich kommentierte er die Worte des Schweden, als dieser fertig gesprochen hatte. "Ich kann mich mit der grundlegenden Linie dieser Pläne durchaus anfreunden, halte sie aber in dieser Form immer noch für zu riskant. Wir haben es mit Regierungen und mit Attentätern zu tun. Eine falsche Begegnung zur falschen Zeit, ein treffsicherer Schuss, und der Traum kann zerplatzen, vom verlorenen Leben mal ganz abgesehen. Mindestens sollten wir Verwirrung stiften - eine falsche Fährte für den Vertrag, Gerüchte, dass man die Herren Nobel wo gesehen hat, wo sie sich nie aufgehalten haben... die größte Gefahr, der wir uns stellen müssen, ist, dass unsere Gegner irgendetwas zu früh erfahren. Also geben wir ihnen Informationen, aber falsche. Vielleicht können wir mit Gerüchten auch die Volksseele aufheizen und bereit machen für den Kampf gegen die Demokratie. Wir könnten die Veröffentlichung des Vertrags auf diese Weise sogar, sagen wir, emotional vorbereiten."

Dann wandte er sich wieder an seine Kollegen von der Universität. "Was ich mir noch nicht ganz vorstellen kann, wie Friedrich zur Aufgabe bewegt werden soll. Welchen Vorteil sollte er davon haben? Er muss entweder beim Beibehalten seines Kurses zu viel zu verlieren haben, oder bei einer Kursänderung genug zu gewinnen - oder beides. Was genau sollen sein Gewinn oder sein Verlust sein, mit der er zum Verzicht bewegt werden soll?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 18.06.2012, 15:46:25
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:46 Uhr - Gut Emkendorf

Die Augen des Herzogs bekamen ein verärgertes Funkeln, wie ein Schatten legte es sich über die sonst eher hellen Augen des Mannes, der sich nach dem Erbrecht, welches formell tatsächlich bei ihm liegen dürfte, vielleicht sogar zurecht an der Spitze Schleswig und Holsteins wähnte. Und selbst wenn dies so wahr, zeugte doch Carl von Lütjenburgs Reaktion und die von Major von Stiehle doch davon, dass man dem Herzog - ob nun selbstproklamiert oder erblich legitimiert - gar keine Wahl lassen wollte. Aufgrund welcher Entscheidung sah Preußen und sah auch Dänemark seine Herrschaft für überholt? Die Antwort war in den Augen des Prätendenten[1] Friedrich deutlich zu lesen. Der Expansionswille Preußens und Dänemarks sprang ihn geradezu in dieser Dreistigkeit an, dass es das erste Mal Wut war, welche die Mimik des Mannes aus dem Hause Oldenburg[2] beherrschte. Er bewegte die Lippen und drohte loszupoltern und gerade noch sagte ihm eine Vernunft, dass ein Ausbruch fehl am Platz war. Stattdessen kniff er die Lippen zusammen, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und schlug die Beine übereinander, wie er auch die Hände ineinander legte und blickte Stiehle und Lütjenburg für eine Weile still an.

Schließlich sprach der Mann, der sich deutlich angegriffen fühlte und er suchte sich einen ausweichenden Weg. "Dänemark ist keine Nation[3], Herr von Lütjenburg. Zwar gibt es dänische Nationalisten, aber Dänemark ist ein sogenannter Gesamtstaat[4], eine multikulturelle, völkerübergreifende Macht, welche mit der Flagge eines Möchtegernnationalstaates seine expansive Politik verteidigt. Dänemark ist eigentlich ein kleines, verhungertes Österreich, wenn Sie so wollen. Aber in Ihrem Missverständnis über die Worte eines Volkes, der Nation und dergleichen beweisen Sie Ihr Unverständnis über die Situation, Herr von Lütjenburg und Herr von Stiehle. Nicht nur ist Ihr Opportunismus ekelerregend," Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, "sondern Ihr Versuch, mir die preußischen Wünsche zur Realität diktieren zu wollen, sehr bedenklich. Sie beziehen Ihre Meinungen auf Gerüchte und eigene, unvollständige Beobachtungen. Es gibt in Schleswig genug Menschen, die dänisch aus Überzeugung sprechen, weil ihre Väter und ihre Urväter bereits dänisch sprachen und es gibt jene, die deutsch sprechen. Gehören die dänischen Menschen Schleswig-Holsteins nicht mehr dazu, weil Preußen es nicht will? Preußen und Dänemark sind wie ein Spiegelbild voneinander. Wo die Dänen alles Deutschtum aus Kirche und Schule drängen wollen, wollen es die Preußen genau andersherum, um irgendwelche stillen Hoffnungen auf dieses Kunstwort der Nation zu erhalten. Was hat das mit Realität zu tun? Die Realität ist," Der Herzog schlug mit der Faust auf die Holzplatte seines Schreibtisches, "dass Sie die Frechheit besitzen, mich in meinem Haus brüskieren zu wollen und mit so einer ungeheuren Forderung und Anschuldigungen auftauchen. Zwar haben Sie, Herr von Lütjenburg, deutlich gemacht, dass Ihre Loyalität Preußen gilt, aber ich habe nicht erwartet, dass Ihre Loyalität derartig stumpf und dümmlich ist, dass Sie ihr eigenes Volk in einen Krieg gegen Dänemark stürzen wollen. Was sind Sie nur für ein furchtbarer Mensch, der für ein eingebildetes Prinzip unnötige Menschenleben opfert?"

Der Herzog wirkte jetzt immer noch wütend und als hätte der Gram Besitz von ihm ergriffen. Er blickte sich wütend um. "Sagen Sie ihrem MP, dass er mich Götz von Berlichingen[5] kann. Und nun raus!" Der Herzog zeigte entschlossen zur Tür mit dem Zeigefinger. "Alle beide. Ich will Sie beide nicht wieder in diesem Haus sehen!"
 1. Prätendent (http://de.wikipedia.org/wiki/Prätendent)
 2. Haus Oldenburg (http://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Oldenburg)
 3. Nation (http://de.wikipedia.org/wiki/Nation)
 4. Dänischer Gesamtstaat (http://de.wikipedia.org/wiki/Dänischer_Gesamtstaat) - Zu der Aufzählung im Artikel gehören nach dänischen Verständnis eigentlich auch die Kolonien in Indien (http://de.wikipedia.org/wiki/Dänische_Kolonien) bspw.
 5. Schwäbischer Gruß (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwäbischer_Gruß)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 18.06.2012, 16:33:32
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:22 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Wilhelm Seelig atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen, als er Samuel Weissdorn beim Sprechen zuhörte. "Er tut es schon wieder...", murmelte er dazwischen. "Da kommentiert er, dass es schon «eher der richtige Weg wäre» und enthält uns des richtigen Weges. Wie kann er sowas beurteilen? Für wen hält er sich?" Wilhelm Seelig ballte eine Faust und bevor irgendjemand der anderen Dozenten reagieren konnte, erhob er schon seine Stimme. "Ich sehe, ich bin in diesem Gespräch nicht mehr vonnöten, also werde ich als Erstes dieses Haus verlassen und den Oberstwachtmeister aufsuchen und ihn darum bitten eine Kutsche bereitzustellen, welche noch heute nach Emkendorf aufbricht, mag die Witterung auch noch so bescheiden sein. Des Weiteren werde ich eine begleitende Einheit organisieren, welche die Kutsche bewacht! Jeder, der mit nach Emkendorf fährt, hat sich um 15:00 Uhr am Hafen einzufinden, damit wir aufbrechen können." Wilhelm hob die Hand zum Gruße. "Ich werde auch Proviant und dergleichen besorgen." Dann entschwand er durch die Dozententür, wo der immer noch Fiete Riensche wachte.

Alle anderen Dozenten warteten bis Seelig gegangen war und dann hob das Gemurmel nur langsam wieder an, während fast alle Uhren abgeglichen und mit Erschrecken feststellten, wie viel Zeit sie schon in diesem erhitzten Gespräch verbracht hatten. Die Zeit lief wirklich schnell und Alfreds Erkenntnis, dass Zeit auf einmal zum Herr der Peitsche wurde, bewahrheitete sich mit jedem unbarmherzigen Ticken der Uhren. Mommsen rümpfte die Nase beim Blick auf die Taschenuhr und zwang abermals den Scheitel zurück in Position. "Herr Weissdorn, ich befürworte den Vorschlag der Herren Nobel. Die Wahrheit soll uns als stichhaltigste Fehlinformation dienen. Ich denke, damit ist uns am ehesten geholfen." Mommsen richtete seine kleine Brille, welche seinen strengen Blick noch begünstigte. "Albert, ich weiß, dass die Zeiten lange zurückliegen, aber ich will, dass Sie den Vertrag fälschen lassen, und zwar dreimal. Einmal für die Erpresser der Nobels und einmal für die Preußen, damit wir beide Seiten für den Moment blenden können und sie vielleicht zu spät merken. Sie müssen den Herrn Ohlendorf umgehend damit beauftragen, dass er die Verträge zu drei Uhr fertig hat und diese am Hafen sind. Den Originalvertrag belassen wir beim Herrn Nobel. Es wird das größte Zeichen des Pfandes sein und soll uns daran erinnern, dass wir die Situation der Nobels - auch wenn sie meiner Ansicht nach ihr Wohl noch immer dem eines ganzen Landes unterzuordnen haben - nicht blindwütig ausnutzen wollen. Die dritte Kopie soll den Herzog verlocken, falls er uns ausspielen will." Das konnte durchaus als ungewohnte und einknickende Geste von Theodor Mommsens gewertet werden, der durchaus von Alfreds Willen zu helfen, gerührt schien.

Carl Himly zeigte sich deutlich beruhigt als Alfred seine Zusage zur Hilfe gab und klopfte ihm und Emil aufmunternd auf die Schulter. "Ich sehe das ähnlich, wie Sie es tun, Alfred. Conrad sollte sich ebenfalls und in erster Linie um Ihren Schutz kümmern. Des Weiteren würde ich vorschlagen, dass Sie uns nach Emkendorf begleiten und sich dem Herzog stellen. Sie können die Bedrohung Dänemarks, Preußens und durch die Söldner durch Ihr eigenes Schicksal am besten darstellen, es wäre dadurch eine Schnittstelle unserer Erklärungen und zudem sehr plastisch. Vielleicht kann es den Herzog überzeugen, der beinahe ja selbst ein Opfer eines Anschlags wurde. Außerdem würde ich - auch wenn der alte Seelig keinen Narren an Ihnen gefressen hat, Herr Weißdorn - Sie darum bitten, ebenfalls mit nach Emkendorf zu reisen. Sie sind zweifelsohne der beste Redner von uns. Zweifelsohne werden jene Elemente der Blendung, die wir zum Selbstschutz brauchen, Ihnen am besten von den Lippen gehen." Karsten ergänzte umgehend. "Zudem hat ihr Kollegaufbau und ihre Vorlesungsthematik bewiesen, dass Sie der situationsbedingten Improvisation mächtig sind und diesen Situationen einige Wirkmächtigkeit abgewinnen können. Dazu kommt der unschlagbare Vorteil, dass der Herzog unsere Viten in- und auswendig kennt, sich mit unseren Schriften und politischen Visionen beschäftigt. Sie sind nicht zuletzt aufgrund Ihres...Werdeganges ein unbeschriebenes Blatt für den Herzog und würden uns dementsprechend einen ungeheuren Vorteil bringen." Himly wollte wieder übernehmen, bekräftigte Karstens Worte auch mit einem Nicken, doch Hänel hob schließlich die Hand, ebenfalls im Gehen begriffen, und drängte sich dazwischen. "Ich werde mit dem Herrn Ohlendorf alles vorbereiten und er wird die Arbeit dann während der Fahrt erledigen müssen." Dann brach er auf und Thaulow und Ribbeck schlossen sich ihm direkt an. "Ich werde dann am Besten mit der Partei sprechen und sie auf die Straße schicken, damit sie die ersten Stimmen einfangen. Und Thaulow kann seine Freunde der Publizistik zusammentrommeln, um die Veröffentlichung vorzubereiten.", sagte Ribbeck. Und derartig leerte sich der Raum, dass am Ende noch Himly, Karsten, Mommsen, die beiden Nobels, Rosenstock und Weissdorn übrig blieben.

Himly setzte wieder an. "Wie genau der Herzog zu überzeugen ist, wird schwer zu sagen sein. Aber kaum etwas wird ein vis-a-vis-Gespräch ersetzen können. Werden müssen das Gespräch gebührend führen und die Problematik personalisieren. Wenn der Herzog es auf seine Person spiegeln kann, werden ihm die ganzen ansonsten genutzten Abstrakta vielleicht bewusst oder verständlich. Welche Vorteile er davon hätte, das müssen wir uns ausmalen. Wenn er jedoch ein solcher Held für die Holsteiner sein will, kann er sich als Demokrat stellen und das Volk wird es sicher zu würdigen wissen, wer ihnen die Freiheit gebracht hat. Auf diese Art würde ich argumentieren. Aber ich werde vor Abreise noch ein Dossier zusammenstellen lassen. Defintiv hat er jedoch viel zu verlieren, aber noch wenig zu gewinnen."

Karsten fasste es also zusammen und blickte dabei Weissdorn an. "Wir können also hier noch stehen bleiben und weiter Metaphern austauschen oder unsere Pläne noch ergänzen. Ansonsten werden nun eine Schutzeinheit für die Nobelfamilienteile organisiert, eine Kutsche und Proviant durch Seelig, Thaulow bereitet die Veröffentlichung vor, Ribbeck beginnt mit dem Aufrütteln der Bürger und Hänel bereitet die Kopien vor. Wir werden zum Herzog reisen und mit den Verhandlungen beginnen und gleichzeitig werden wir die Kopien unterjubeln. Dazu brauchen wir auch keine weiteren Zusagen, denke ich. Der Vertrag ist Zusage genug! Jemand dagegen etwas einzuwenden? Ansonsten verlassen wir nun das Gebäude und bereiten uns vor."
Karsten und Mommsen nickten Himly nur zu und zeigten an, dass sie bereit waren. Gespannt blickten die Dozenten zu den beiden Nobels, Rosenstock und Weissdorn. Emil blickte undurchsichtig, er schien den Dozenten nur schwer folgen zu können, auch wenn langsam ein Vorgehen manifest wurde.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 19.06.2012, 19:43:24
Perplex sah Samuel dem davon preschenden Seelig hinterher. "Aber in der Strategie geht das Abstrakte dem Konkreten immer voraus", erklärte er, offenbar verblüfft über den Ausbruch des Kollegen. Die weiteren Diskussionen verfolgte er mit einer ähnlichen Ungläubigkeit. Einige Vorschläge konnte er durchaus nachvollziehen, doch die Voreiligkeit der Professoren, ihr Unwille, strategisch hilfreiche Mittel einzusetzen, überrumpelte ihn. Bei Männern von solchem Intellekt hätte er eine solche Blindheit nicht erwartet. Es geschah selten, doch Samuel war tatsächlich zutiefst überrascht - nur leider nicht im Positiven.

"Himmel hilf", ging es ihm durch den Kopf, "das erklärt dann wohl auch, wieso man 1848 gescheitert ist. Sie legen sich mit gewieften Politikern und Attentätern an und glauben allen Ernstes, die Wahrheit als güldene Lanze würde sie zum heiligen Sieg führen."

Er konnte noch immer aussteigen. Sich absetzen, woanders neu anfangen - das wäre keine große Schwierigkeit für ihn. Doch etwas hinderte ihn. Er hatte hier die Gelegenheit, außergewöhnliche Erfahrungen zu machen... und das wollte er nicht an sich vorbeiziehen lassen. Wenn es zu brenzlig wurde, könnte er sich immer noch absetzen.

"Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Plan gelinde gesagt lückenhaft ist. Aber wenn Sie schon meine Fähigkeit zur Improvisation loben, dann biete ich an, zu improvisieren, um diese Lücken zu füllen. Ich würde nur ungern auf der Reise eine Kugel in den Kopf bekommen, nur weil man es jetzt zu eilig hatte. Wenn Sie mir diese Freiheit gewähren, dann bin ich dabei. Aber eines möchte ich noch anmerken. Ich bin nicht bereit, irgendjemandes Leben oder Freiheit unnötig zu riskieren, der sich nicht freiwillig entschlossen hat, hieran teilzunehmen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 20.06.2012, 22:56:56
Nachdem Professor Karsten ihm mit einem Nicken die Zustimmung gegeben hatte, informierte sich Samuel, wo sie sich wieder treffen würden, und machte sich dann auf den Weg. Zunächst packte er seine Sachen zusammen, doch zunächst ließ er einige Sachen draußen. Er würde nicht lange brauchen... die Kleidung hergerichtet, die Frisur ein wenig verändert, und das Übrige würde sein sonderbarer Hut erledigen, dessen Wirkmechanismus er bis heute nicht ganz hatte entschlüsseln können.

So gerüstet, ging er auf den Markt, suchte sich einen freundlich und offen wirkenden dänischen Landsmann, und verwickelte ihn in ein belangloses Gespräch - auf Dänisch. Er sei froh, wieder in seiner Muttersprache reden zu können, erklärte er dem Gesprächspartner, und wechselte doch bald wieder ins Deutsche, da sich immer wieder andere Menschen zu ihnen gesellten. Er erzählte von seinen Geschäften, die er hier in Kiel abzuschließen hatte, und schließlich von den neuesten Gerüchten aus der Heimat: Dem Plan des dänischen Regenten, das Militär in Schleswig und Holstein deutlich zu verstärken, und die benötigten Gelder dafür durch höhere Steuern in eben diesen Ländern flüssig zu machen. Sehr sorgte sich der dänische Händler um seine Geschäfte hier im Ausland, und als genug Menschen auf dem Markt die Gerüchte mit angehört hatten, machte er sich wieder auf den Weg...

Keine halbe Stunde später, er hatte auf dem Weg zwei Mal sein Äußeres verändert, war er wieder in seinem Zimmer, für eine deutlich anspruchsvollere Verkleidung. Er bemühte seine Erinnerung, versuchte, jede Geste und jede Mimik in seine Erinnerung zurück zu rufen. Zunächst schloss er die Verkleidung nicht gänzlich ab, sondern strich unerkannt durch die Stadt, weniger auf der Suche nach einem Ort als einer Person... die er schließlich auch fand. Ein preußischer General, gerade auf dem Weg in eine Bäckerei. Eilig huschte Samuel in eine Seitenstraße, bemühte sich, unbemerkt die Verkleidung zu vollenden. Gerade rechtzeitig kam er wieder hervor.

Alfred Nobel, oder zumindest jemand, der genau wie er aussah, prallte mit dem General zusammen, der ob des Zusammenstoßes glatt seine Stofftüte mit frischem Brot und Brötchen verlor. Doch "Alfred", der sich nur knapp entschuldigte, schenkte dem General nicht einmal genug Aufmerksamkeit, um ihn genauer anzusehen. Er schien jemanden zu suchen, der wohl schon voraus geeilt war, und rief ihm - mit gedämpfter Stimme - hinterher: "Schnell, wir müssen die Kutsche erwischen, um den Vertrag nach London zu bringen!"

Nur einen Moment später war "Alfred" auch schon in einer Seitengasse verschwunden. Mit einer schnellen Handbewegung riss Samuel die extra für solche Zwecke gefertigte Kleidung von seinem Körper, und darunter kam die einfache Straßenkleidung eines Arbeiters zum Vorschein. Ebenso schnell veränderte sich sein Gesicht, seine Haare, und natürlich seine Mimik und Gestik. Als der General um die Ecke blickte, um "Alfred" zu suchen, sah er bloß einen verwirrt dreinblickenden jungen Mann, der sich umschaute und schimpfte, warum die Menschen es heutzutage nur immer so eilig hatten...

Es war kurz nach halb drei Nachmittags, als Samuel wieder in seinem Zimmer war, sich noch einmal frisch machte, und die letzten Sachen zusammen packte. Gern hätte er noch ein kleines "Geschenk" für die Attentäter hinterlassen, doch wusste er zu wenig und blieb ihm zu wenig Zeit, um dies noch anzugehen. Vielleicht hatte er Glück und die Fährte nach London würde sie ablenken - wenn diese Leute Zugriff auf preußische Informationen hatten...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 01.08.2012, 19:16:47
Alfred verfiel in ein stummes, bestätigendes und ernstes Nicken, als die Professoren zum Aufbruch ansteuerten. Mit strenger Miene blätterte er sein Laborbuch auf, in welches er den Vertrag vorsichtig gefaltete wieder verschwinden ließ. Als er kurz Aufblickte, trat sein Blick sich mit dem seines Bruders. Ein Lächeln huschte über das Gesicht Alfreds, doch seine Augen trübten sich in Ungewissheit und Sorge vor der allzu nahen Reise und der schwerwiegenden Begegnung. Dennoch blinzelte er Emil an, die Brüder teilten ihre unausgesprochenen Ängste stumm. Wieder eifrig nickend senkte Alfred seinen Kopf, als er die Scharniere seiner Tasche zuschnellen ließ. In ihm regte sich ein Gefühl, eine große Gefahr einzugehen, in der Absicht etwas solches zu bewegen, was manch einer als groß und richtig verstehen könnte. Ob seine Zukunft sich so entwickeln würde, stand jedoch in einer schwerwiegenden Frage.

"Herr Rosenstock", sprach Alfred schließlich den Studenten an, als er seine Habseligkeiten und nach einem kehligen Räuspern seine Stimme erst wiedergefunden hatte, "wenn ich Sie dazu überzeugen darf, als persönlichen Schutz meines Bruders und mir in unseren Dienst zu treten, so möchte ich gerne sehen, dass ich Sie auf unsere Reise vorbereiten kann. Eventuell finden Emil und ich vor Aufbruch einige Rezepte, die Ihrer Standhaftigkeit dienen. Bitte, folgen Sie mir, sofern Herr Himly uns ein Labor zur Verfügung stellt. Wir haben nicht mehr viel Zeit."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 03.08.2012, 14:00:30
Conrad hätte ja gerne noch etwas gesagt, hielt sich aber dann doch zurück. Die Argumente einiger Professoren waren schon sehr gut. Es wären ja außerdem höchstens ein paar Details gewesen, die Conrad zu kritisieren gehabt hätte. Conrad würde aber vor Ort durchaus aufpassen, dass sich das ganze nicht zu einer unschönen Erpressung entwickeln würde. Das durfte man nicht zulassen. Der Zweck würde nicht so eine schändliche Tat rechtfertigen. Eine Demokratie, die auf so einer Tat aufbauen würde, wäre keine Gute.

"Herr Nobel, ich werde alles dafür tun, um Sie und Ihren Bruder zu beschützen. Das versichere ich Ihnen! Ich habe schon einmal gegen diese Söldner gekämpft und werde es auch ein zweites Mal tun. Ich werde ab sofort immer an Ihrer Seite bleiben bis keine Gefahr mehr für Ihr Leben besteht. Ich habe im übrigen auch schon alles bei mir, was ich brauche."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 05.08.2012, 11:29:44
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 15:00 Uhr - Am Hafen

Keiner erlag der Verlockung des Alltags, sich hier und da von den Eindrücken des Tages oder der kurzfristigen Entrückung in Zeitung oder Gespräch derartig ablenken zu lassen, dass er zu spät am gemeinsamen Treffpunkt wäre. Jeder Beteiligte ging etwas geduckter als sonst, während die aufmerksamen Augen sorgsam Häuserfassaden, Dächer, verwaiste Stände und die Förde, die Schiffe darauf und ebenso die wenigen Boote darauf musterten. Wurden sie beobachtet? Näherte sich ungesehens Menschen und lauerten ihnen auf? Die Gefahr war so greifbar wie der eisigkalte Dezemberwind, der durch ehemalige Hansestadt wehte. Schnee legte sich wieder wie ein weißer Vorhang über die Stadt und über die zufrierende Förde. Ein Blick zum Horizont wurde unmöglich, eine gewisse Schwere legte sich über die Szenerie, welche auch in fast allen anwesenden Gesichtern zu sehen war. Gerade in dem strengen Gesicht von Theodor Mommsen, aber auch dem immer freundlichen Himly schien eine Laus über die Leber gelaufen zu sein, auch er spürte die Gefahr, welche diese Reise mit sich bringen mochte. Und nicht nur die Gefahr, da war auch noch die ungeheure Verantwortung, welche auf ihren Schultern lastete. Sie hatten eine Vision und sie waren nur an der letzten Biegung ihres Weges angekommen. So glaubten sie zumindest. Ein Wegekreuz, von dem zwei Pfade weiterführten. Einer hieß Erfolg, der andere Niederlage.

Sie standen vor einer Postkutsche, die - wie es dieser Tage üblich war - eine ganze Reihe von Passagieren aufnehmen konnte. Sie war dementsprechend mit vielen Paketen und Säcken voller Briefe beladen, wahrscheinlich auch, um einen Anschein von Alltag zu wecken. Gustav Karsten sprach mit dem Kutscher, während Himly und Mommsen halfen, die Sachen ihrer Passagiere Weißdorn, Rosenstock und der beiden Nobels zu verladen. Alfreds kleinen Mittelchen wurden dabei besonders vorsichtig im Innenraum verpackt. Noch Stunden hatte er nach dem Beschluss in Carl Himlys Labor verbracht, um sich auf die Reise vorzubereiten, da Himly sein Labor nicht brauchte, da er genug zu tun hatte. Im Innenraum der Kutsche war genügend Platz, um ihre Habseligkeiten und ihre Waffen griffbereit zu haben. Bis auf Mommsen, der nichts weiter als seinen schweren Anzug gegen die Kälte trug, waren die Dozenten vorbereitet. Gustav Karsten und Carl Himly hatten beide alte Offizierssäbel am Mann, wahrscheinlich noch aus ihrer Zeit bei der Armee. Bei Karsten war auch noch durch das verrutschte Revers seiner Jacke ein Innenhalfter zu erkennen, in dem er wahrscheinlich einen Revolver trug. Es war fast fünfzehn Uhr, wie immer läutete die Kirche von Gaarden wenige Minuten zu früh, ihr Klang war durch den Schneeteppich zu vernehmen, als sei sie eine Art Aufbruchszeichen oder läutete sie eine entscheidende Etappe ein.

"Steigen Sie ein meine Herren. Ich habe Decken und warmen Tee für die Fahrt mitgenommen, damit wir nicht in der Kutsche verfrieren. Wir haben auch Schaufeln mit, falls die Kutsche einschneit.", sprach Carl Himly die Männer freundlich an. Sein Gesicht zeigte Sorge, aber seine Manieren blieben tadellos. Und so bestiegen die Männer die Kutsche. Jetzt sahen sie, dass sich vor dem Garnisonsgebäude Reiter ausstatten, ihre Pferde mit Schabracken zumindest etwas gegen die Kälte zu schützen versuchten und sich schwere Rucksäcke auf den Rücken banden. Diese Männer waren allesamt sehr zäh und stark, viele von ihnen untersetzt, aber von beeindruckender Gestalt. Sie unterschieden sich von den meisten Soldaten, welche hier in Kiel eher zwei, drei Kilo zu viel auf den Rippen hatten und eher untauglich wirkten. Doch diese Männer waren gestählt, Samuel erkannte auch Fiete Riensche unter ihnen. Ihre missmutigen Blicke galten dem Wetter, der Witterung und dem beschwerlichen Weg, den sie auf sich nehmen würden. Auch bei ihnen sah Conrad Pionierzeug. Äxte für unter dem Schnee umgestürzte Bäume, Spitzhacken, Schaufeln, Spaten und sogar Baumaterial für kleine Zäune. Sie zählten zehn Männer, welche für die sichere Reise der Männer zuständig waren.

Seelig war in der Tat ein ausreichend guter Organisator und die Reisenden hatten wahrhaft Glück, dass sie sich so gut mit dem dicklichen, storchenbeinigen Oberstwachtmeister verstanden. Er hatte tüchtige Männer ausgesucht und ihnen eine geräumige Kutsche ausgesucht. Beim zweiten Hinsehen wirkte auf der Kutscher vom Schlage wie die Pioniere. Es waren sogar elf Soldaten, welche die Gruppen beschützten.

Das Läuten der Gaardener Kirche verstummte und mit einem Peitschenknall und einem lauten Kommando setzte sich die Kutsche langsam in Bewegung. Zwei stoische Kaltblüter zogen auf dem rutschigen Pflaster die Kutsche im zweiten Versuch an und knarrend nahm das Vehikel Fahrt auf. Die Männer auf den Pferden näherten sich, salutierten vor dem Kutscher und den Personen im Inneren und verteilten sich dann außerhalb der direkten Sichtweite der Kutsche, immer in kleinen Gruppen a zwei Reiter. Vor seinem Verwaltungsgebäude stand OWM van Widdendorp und salutierte ebenfalls energisch. Kein Zweifel, der Mann war auf der Seite der Bestrebungen Holsteins. Das hatte nicht zuletzts ein vorsichtiger, bürokratisch jedoch einwandfreier Widerstand gegen den Braunschweiger und damit gegen den Herzog gezeigt, aber Conrad wusste dies nur umso besser nach seinem letzten Gespräch mit dem Mann. Als die Kutsche an ihm vorbei war, kehrte er zurück in die warme Amtsstube.
Die Kutsche verließ das Hafengebiet und Mommsen erzählte ihnen nebenbei etwas zum Kutschenwesen, und wie es sich verändert habe. Und während er davon schwadronierte in Dorflehrermanier, dass um 1700 die Infrastruktur so schlecht war, dass eine Postkutsche nur durchschnittlich zwei Kilometer pro Stunde zurücklegen konnte, aber dank der heutigen Infrastruktur ihr Tempo verfünffacht hatte, blickte Emil aus dem Fenster der Postkutsche. Mit seinem Ärmel hatte er die zarten Eisblumen weggewischt und blickte durch das von der Kälte milchig-transparente Glas in den fallenden Schnee. Mommsen erwähnte gerade mit einem schweren Seufzer, dass der Schnee sie quasi auf den Stand von 1700 zurückkatapultieren würde, als Alfred anfing Emils Blick zu folgen. Am Ausgang zum Hafen sah er ihn dann. Einen Mann mit pechschwarzem Haar, in welchem sich der Schnee fing. Ein aalglattes Gesicht, fast ohne Auffälligkeiten außer der buschigen, fast durchgehenden Augenbrauen. Braune Augen blickten die Kutsche an. Seine Haut war zu gebräunt für den holsteinischen Winter. Und doch wäre dieser Mann mit seinen 1,70m und seiner drahtigen Gestalt in einer kaum aufgefallen, doch unter diesen bestimmten Zuständen fiel er auf. So locker die Person sich gab und mit einer gewissen Beiläufigkeit sein Tagwerk zu vollrichten gedachte, als er Schnee von einem leeren Holzstand kratzte und sich geschäftigt gab, fiel es Emil zuerst auf. Warum nimmt man den Schnee erst zu dieser späten Stunde von seinem Holzstand? Der Stand trug keine Zeichen von Werbung, sondern war nur eine Auslage, was dafür sprach, dass er für Informationen genutzt wurde. Der Stand war zudem schlecht gepflegt und die Witterung würde ihm diesen Winter den Rest geben, doch das auffälligste Merkmal, dass etwas an diesem Mann nicht stimmte, lag wie der Teufel im Detail. Warum trug solch ein Mann Sporen an seinen Stiefeln? Emil stellte die Frage laut und Alfred sah die Sporen auch. Es war gar ein Sporenrad. Alfred schaute sich den Mann genauer an, konnte aber nicht zu viel erkennen. Doch er erinnerte vom Aussehen doch sehr an einen Italiener, kurz trafen sich Alfreds und des Mannes Blicke. Der Mann tat gelangweilt und räumte den alten Stand weiter frei, doch Alfred konnte sich vorstellen, wer dies war. Carl Himly blickte inzwischen auch aus dem Fenster und sein Blick verhärtete sich. Mit einem ungewohnten Ärger in der Stimme, sagte er schließlich, was Alfred schon längst eingefallen war: "Nocerino..."
Doch als die Kutsche auf seiner Höhe war, blickte der Mann nochmal auf und lief los, er wollte zwischen die Häuser. Wahrscheinlich zu seinem Pferd und er würde wie der Wind fliegen wollen, Bericht erstatten. In diesem Moment begannen die Glocken der nahen Nikolaikirche[1] zu dröhnen. Fünfzehn gewaltige Schläge würden die Glocken von sich geben und unter ihrem Schall Gespräche verstummen lassen.
 1. Nikolaikirche (http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Kiel)) - Damaliges Aussehen (http://www.daos-clan.de/Kiel/GalerienKiel/Nikolai1850.jpg)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 13.08.2012, 00:20:54
"Wer ist der Mann?" fragte Samuel, griff in seine Jackentasche, und holte einen silbern schimmernden Revolver heraus. Er sah von einem zum anderen, und es war offensichtlich, dass es nicht nur um die Frage nach der Identität des Mannes ging, sondern auch darum, welches Schicksal er erleiden sollte...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 29.08.2012, 11:35:44
Conrad wich Alfred nicht von der Seite bis sie aufbrachen. Der Student glaubte nicht an Gott, aber in Situation wäre vielleicht ein fester Glaube nicht schlecht gewesen. Immerhin rechnete Conrad damit, dass ein größerer Kampf ausgefochten werden müsste. Ob solchen Kampf jeder heil überstehen würde, war noch ungewiss. Conrad hoffte es zwar, aber genau wissen konnte man das ja im voraus nicht. Er würde auf jeden Fall alles tun um Alfred zu schützen und würde einen Kampf, wenn es denn dazu käme, nicht scheuen. Er hatte Alfred sein Wort gegeben, dass er ihn beschützen würde und das würde er auch halten.

Conrad holte schnell sein Gewehr hervor. Aber er war keine kaltblütige Person, die einfach so abdrücken würde ohne genauere Informationen über diesen für ihn Fremden. Er musste einfach zunächst einmal erfahren, wer dieser Nocerino war und ob von ihm überhaupt irgendeine Gefahr ausging. Fragend schaute Conrad Himly an. Immerhin war es er, der den Namen Nocerino erwähnte und dabei verärgert klang.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 02.09.2012, 21:09:51
Erschrocken hielt Alfred die Luft an, als Samuel und Conrad ihre Schießeisen zückten. Es dauerte einen Moment, bis sich die Blicke der drei Männer trafen, und der des Schweden war stirngerunzelt und ratlos. Unschlüssig öffnete Alfred den Mund, kam jedoch nicht dazu, schloss ihn jedoch wieder, ohne zu sprechen. Als er wieder den Blick nach draußen warf, war die Kutsche weitergefahren und der Italiener nicht mehr zu sehen.

"Daniele Nocerino, wenn ich richtig verstehe", sprach Alfred schließlich, und rutschte sichtlich auf der Bank zurecht. "Einer der Söldner, der mit Lavalle zusammen arbeitet. Ich hatte bereits die Ehre, auf eine gewisse Art und Weise."

Fragend warf nun auch Alfred Professor Himly einen Blick zu. Es war erst ein Tag vergangen, als der schwedische Jungunternehmer holsteinischen Alarm hatte auslösen lassen, um auf Bitten des Italieners den Hafen zu räumen. Den Kontakt hatte der Professor hergestellt. Nun erst fiel Alfred auf, dass er es versäumt hatte, den Dozenten danach zu fragen, wie es zu dieser ungewöhnlichen Bekanntschaft kam. Alfred seufzte tief, und dachte verbissen nach.

"Ihre Einschätzung ist gar nicht verkehrt, Herr Weissdorn. Der Mann könnte uns in der Tat gefährlich werden. Er arbeitet mit den Erpressern zusammen, die hinter dem Vertrag her sind. Selbst wenn wir bereits einen Vorsprung haben sollten, und die Söldner erst aufbrechen müssten, sind wir in der Kutsche kein uneinholbares Ziel."

Missmutig rieb sich Alfred die Stirn. Er hätte nicht erwartet, dass ihre Reise zum Herzog so früh schon mit Hindernissen gespickt werden würde. Der Hals wurde dem Schweden trocken, als er daran dachte, dass Conrad den gewaltbereiten Söldnern nur unter dem Tod seines Kameraden entgehen konnte. Doch während der Schwede sich die Augen rieb, fiel ihm das kalte Stück Metall an seinem kleinen Finger wieder auf. Himly hatte ihm den Ring gegeben, und Nocerino besaß auch noch einen.

"Herr Himly,", wandte sich Alfred hoffnungsvoll an den Professor, zog den Ring von seinem Finger und hielt ihn dem Chemiker fragend hin, "können Sie ihn kontaktieren?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 02.09.2012, 22:22:14
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 15:01 Uhr - Am Hafen

Der junge Italiener verschwand zwischen den windschiefen Häusern der ehemaligen Hansestadt. War es ratsam gewesen, den jungen Italiener fliehen zu lassen und ihn nicht sofort nach seinem faux pas zu stellen? Das Dröhnen der Glocken machte die Unterredung schwer und so war die Chance schließlich vertan. Alfred erkannte in den Augen Himlys, dass er auch nicht über einen Angriff nachgedacht hatte, diesem wahrscheinlich sogar kritisch gegenüberstand. Vielleicht war er aber auch zu sehr in Gedanken darüber gewesen, dass er mit eben diesem Nocerino zusammenarbeiten musste, um an Alfred Nobel überhaupt ranzukommen. Wer um die besondere Position Nocerinos in diesem eiligen, durch den zeitlichen Druck kaum zu durchschaubaren Geflecht kannte, war sich dessen bewusst, dass die Grenzen der Loyalität und der parteilichen Zugehörigkeit gedehnt und verzerrt waren. Sie waren verschwommen und in vielen Punkten unerkenntlich geworden. Das betraf nicht nur Nocerino, sondern auch einen der bisher treusten Verbündeten, Carl von Lütjenburg. Es wurde vor Preußens Einmischung gewarnt und im Falle einer Einmischung, wäre der Leutnant dann nicht kronloyal, wie man es von ihm verlangte?

Himly griff nach seinem Ring und rieb daran. Er hatte den Kontakt über den Ring eingedämmt, wahrscheinlich konnte der Professor diesen Kanal auch wieder öffnen. Er bestätigte dies mit einem müden Nicken, als wäre sein Geist etwas abwesend. Er trug die Sorge, dass Nocerino und seine Männer ihnen Steine in den Weg legen würden. Nur eine Wegengung, eine eingeschneite Weggabelung und der Scharfschütze, welcher schon fast jedem gezeigt hatte, wie süß ein Überleben war, brauchte nur in Seelenruhe die Kutsche unter Beschuss nehmen. Wie wahrscheinlich war dann ein Überleben? Wie wahrscheinlich waren die Träume von einer schleswig-holsteinischen Unabhängigkeit? "Ich könnte das tun, doch was beabsichtigen Sie damit, Herr Nobel?", fragte Carl Himly schließlich, während er aus dem Fenster schaute, die Kutsche nahm etwas Fahrt auf.

Mommsen und Karsten blickten Himly nun interessiert an und es war schon am Naserümpfen Mommsens zu sehen, dass er sich seinen Teil dachte und den auch auszusprechen gedachte. "Herr Nobel hat recht. Wir sind eine fahrende Zielscheibe. Man wird uns schnell einholen, wenn man uns wirklich aufhalten will. Vielleicht war der Teil unseres Planes etwas überstürzt." Er kniff seine eng zusammenliegenden Augen zusammen und rieb sich angestrengt hinter seiner kleinen Brille. Es wurde deutlich, dass auch oder gerade der alte, manchmal biederer, manchmal sehr gestrenge Mommsen sehr müde war. Er setzte gerade an, als Karsten ihn unterbrach. "Sie werden uns nicht in der Nähe von Kiel angreifen. Es wird gefährlicher je näher wir Emkendorf kommen. Vielleicht sollten wir im Schutz der anbrechenden Dunkelheit die Kutsche verlassen und sie mit den Soldaten weiterreiten lassen. Vielleicht greifen sie dann trotzdem die Kutsche an, während wir abseits der Wege nach Emkendorf reisen?" Karstens Gesichtsausdruck bekam etwas triumphierendes, als er Samuel zunickte. "Herr Weissdorn ist ein Meister des Verschleierns solcher Tatsachen, wenn Sie alle seiner Vorlesung aufmerksam gefolgt sind."
Ob Samuel Weissdorn nun wollte oder nicht, scheinbar erwarteten die Professoren, dass der Doktor die Lösung parat hatte.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 07.09.2012, 22:17:22
Samuel sah dem Nocerino einen Moment nach, bevor er seufzend seine Waffe wegsteckte. Die Männer in dieser Runde waren nicht besonders entschlussfreudig. Zugegeben, er hatte selbst noch nie einen Menschen getötet, und obwohl er den Schein der Kaltblütigkeit erweckt hatte, grauste ihm bei dem Gedanken an das, was er beinahe getan hatte. Aber der Gedanke, dass sie alle hinterrücks von Attentätern ermordert würden, grauste ihm noch viel mehr. Manchmal musste eben getan werden, was getan werden musste...

Auf Himlys Worte hin nickte Samuel. "Etwas überstürzt, ja. Sagen Sie, besteht die Möglichkeit, dass Nocerino oder seine Hintermänner mit den Preußen in Kontakt stehen?" Er fragte sich, was sein kleines Schauspiel mit dem preußischen General wohl für Auswirkungen gehabt hatte. Und ob Nocerino seine Illusion gerade platzen ließ, oder seine Anstrengungen in Kiel nun sogar für zusätzliche Verwirrung sorgen könnten.

"Nun, wäre ich unser Verfolger, würde ich wohl etwas in dieser Art von uns erwarten."

Er sah zu den Soldaten. Musterte sie, um Körpergröße und Figur abzuschätzen, und sah dann zu Alfred Nobel. "Wie wahrscheinlich ist es, dass unsere Verfolger Kontakte auf der Strecke haben? Spione und ähnliches. Leute, bei denen sie sich Informationen einholen, wenn sie auf der Suche nach uns sind."

Er dachte einen Augenblick nach. "Und noch eine Frage. Gibt es in der nächsten Zeit einen Militärstützpunkt, bei dem wir uns Unterstützung holen können?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 27.09.2012, 12:46:57
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 15:03 Uhr - Am Hafen

Himly kratzte sich seine markante Nase und blickte weiter aus der Kutsche. Es sah nach weiterem Schneefall aus, der Winter würde Holstein und wahrscheinlich auch Schleswig diesen Dezember im Griff haben. Das machte die Reise nach Emkendorf beileibe nicht einfacher und würde ihnen eine Menge abfordern, egal ob sie auf der Kutsche blieben oder gar alleine durch Felder und Flur reisen wollten. Mommsen schloss sich dem betretenden Schweigen und dem durchs Fenster Starren an und es dauerte einen Augenblick, ehe Carl Himly, der alte Kriegsheld, sich zu einer Antwort durchrang. Er massierte die Schläfen und sein Atem kondensierte dank der Kälte sofort. Die Kutsche hatte auf den festen Wegen etwas Fahrt aufgenommen, sodass mehrere Häusern und verwaiste Marktstände an ihnen vorbeizogen.
„Die Möglichkeit besteht immer, Herr Weissdorn.“, hieß die zuerst wenig sagende Antworte Himlys. „Das liegt in der Natur der Politik, von der Rochau immer schwärmte. Seit jener Zeit schwindet zusehends die Prinzipientreue der Politik und wird manchmal einem erbarmungslosen Opportunismus unterworfen. Sie dürfen also davon ausgehen, dass die Söldner in Kontakt mit Preußen getreten sind oder gar von den Preußen kontaktiert wurden. Das macht es mir jedoch schwer, den Ausgang dieser Verhandlungen zu antizipieren. Gehen wir davon aus, dass die Preußen ein Interesse daran haben, dass der Vertrag verschwindet, könnten sie sich zumindest Wege offen gehalten haben, den Vertrag einfach zu kaufen. Die Söldner könnten einfach daran interessiert sein, dass Vertragswerk dem Meistbietenden angedeihen zu lassen und auf die Art mit Preußen in Kontakt gekommen sein. Nach den Geschichten, die wir ausgetauscht haben, scheinen sie die Söldner in Danzig zumindest nicht bemerkt zu haben oder sie wollten sie gar nicht bemerken. Ich kann das Verhalten aber nicht ernsthaft einschätzen, aber ich werde damit rechnen, dass auch Preußen mehr als eine passive Rolle spielt, gerade nach den letzten Nachrichten aus Frankfurt[1].“

Mommsen blickte nur auch zu Weissdorn, hob mahnend den Zeigefinger. Eine Geste, welche bei Theodor Mommsen das Klopfen auf die Schulter ersetzte. „Sorgen Sie sich da nicht so sehr, Herr Weissdorn. Sie haben einen Wissensvorsprung und es fällt Ihnen in der Art leicht, unser Handeln zu antizipieren, auch aus der Sicht des Feindes. Der Feind hat diese Information nur, wenn es einen Verräter in unseren Reihen gibt. Glauben Sie denn ernsthaft, dass der Feind erwartet, dass alte Männer einen langen Weg per pedes bei diesem Hundswetter und dieser Hundskälte nach Emkendorf zurücklegen werden?“ Mommsen rümpfte die Nase und putzte seine zwickerartige Brille. „Demnach wird es schon nicht so wahrscheinlich sein, dass der Feind viele Kontaktpunkte hat. Zwar wird dieser Italiener seine Gruppe vorwarnen, aber wären unsere Feinde so zahlreich, dass sie allenthalben Spionen und dergleichen einsetzen könnten, hätten Sie uns schon lange überrannt oder die zuständigen Behörden unterlaufen. Dies kann immer angehen, aber wir sollten uns mehr mit unseren Aufgaben, denn mit unserer Paranoia beschäftigen. Herr Rosenstock und der Herzog hätten dann wahrscheinlich auch den Angriff der Söldner auf Emkendorf nur leidlich oder gar nicht überlebt. Ich glaube also schon, dass unsere Feinde sich auf uns einstellen werden, aber ich glaube auch, dass sie ganz eigene Probleme haben, vor allem logistischer Art.“

Es war schwer zu sagen, ob Mommsen allen Reisenden nur Mut machen wollte oder speziell sich selbst. Es herrschte wieder eine Minute des Schweigens, bevor Himly die letzte Frage Weissdorns beantwortete und das frierende Schweigen der Männer durchbrach.
„Der nächste Militärstützpunkt ist dänisch, nämlich Friedrichsort[2] nördlich von hier. Der nächste holsteinische Stützpunkt würde uns abverlangen, dass nach Süden, nach Molfsee[3], reisen. Dort wird gerade ein Winterbiwak abgehalten und wir könnten vielleicht noch mehr Soldaten rekrutieren. Ich weiß nur nicht, ob man das so gerne sehen würde und wie leicht dieses Unternehmen wäre.“
Emil Nobel blickte derweil aus dem Fenster, aber er wirkte lebendiger, als er ehedem noch gewesen war. „In Friedrichsort und an anderen Orten an der Kieler Förde begannen mehrere wichtige Karrieren in der Schleswig-Holsteinischen Erhebung oder es waren die ersten Ausrufezeichen prominenter Männer, welche sich in den Naturwissenschaften und der Technik auskennen. Das gilt nicht nur für Sie, Herr Himly, sondern auch der preußische Leutnant, Werner Siemens[4], verdiente sich dort seine Sporen. Sie alle und mein Bruder sind Männer des Geistes und des Erfindungsgeistes. Ich sage, vertrauen wir auf unsere Auffassungsgabe und unseren Ideenreichtum und verzichten wir auf viele Männer. Je martialischer unser Auftreten ist, desto wütender werden wir die anderen Länder und vor allem den Herzog nur machen.“, gab der junge Bruder Alfreds zu Bedenken. Auch hier war es schwer zu sagen, ob die Ereignisse der letzte Tage, gerade der menschenlebenintensive Angriff auf die Solros, nicht Emils Urteil bestimmten. Die Kutschenräder rumpelten über Pflastersteine und die ersten, größeren Flocken fielen wir aus den tiefen, weißen Wolken.
 1. Er verweist damit auf die Ankündigung der Bundesexekution
 2. Friedrichsort (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichsort)
 3. Molfsee (http://de.wikipedia.org/wiki/Molfsee)
 4. Werner Siemens (http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Siemens)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 30.09.2012, 12:13:47
Überrascht zog Samuel die Augenbrauen hoch. "Sie antizipieren zu viel, meine Herren. Ich bin lediglich dabei, Informationen über die Rahmenbedingungen und die Ressourcen zu sammeln. Das Erstellen eines Plans folgt erst im nächsten Schritt."

Er kratzte sich kurz nachdenklich am Kinn, und sah dabei wieder aus dem Fenster. "Und in dieser Hinsicht ist der Mangel an feindlichen Spionen sogar fast schade, da sie für uns ebenfalls eine Ressource darstellen können."

Bevor er sich dem Schmieden eines Plans zuwandte, sah er noch kurz zu Mommsen. "Was die alten Männer angeht... nun, alte Männer, von denen man weiß, dass sie bereits früher mit Leidenschaft für ihre Sache gekämpft haben, und die nun vielleicht ihre Chance gekommen sehen... ich an der Stelle des Feindes würde es unbedingt erwarten."

Dann schien er einen Entschluss zu treffen, und nickte, als hätte er soeben eine nie gestellte Frage beantwortet. "Vor dem Hintergrund unserer leider recht begrenzten Möglichkeiten schlage ich folgendes vor. Einer der Soldaten da draußen ähnelt in seiner Statur dem Herrn Nobel. Mit dem, was ich noch an Material dabei habe, welches eigentlich für meinen Unterricht angedacht war, sollte es mir möglich sein, ihn als Herrn Alfred Nobel zu verkleiden. Wenn wir durch Friedrichsort kommen, steigt er aus der Kutsche und sucht sich einen scheinbar sicheren Ort. Scheinbar, weil es den Eindruck erwecken muss, als wolle er sich verstecken, es aber offensichtlich genug sein muss, damit er eben doch beobachtet werden kann. Dort legt er seine Verkleidung ab, geht anschließend zum Postamt und lässt dort einen Brief aufsetzen. In diesem Brief wird - natürlich in etwas kryptischer Sprache - stehen, dass die Irreführung funktioniert hat, der Feind glaubt, dass wir nach Emkendorf unterwegs sind und der Vertrag in Wahrheit sicher auf der Reise nach London ist. Vielleicht bekommen weder die Attentäter noch die Preußen etwas davon mit, dann wäre es umsonst. Aber die Chance besteht, und dann.."

Er stockte, und sah mit einem leicht nervösen Lächeln zu Alfred Nobel. "Dann würde sich eine Beobachtung bestätigen, die ein preußischer General in Kiel gemacht hat, nämlich dass ein gewisser Herr Alfred Nobel eilig nach London aufgebrochen ist." Samuel räusperte sich verlegen, bevor er weitersprach. "Wenn der Plan gelingt, werden unsere Feinde ihre Ressourcen auf die Suche nach dem Vertrag in London verlagern. Mißlingt er, haben wir einen Soldaten weniger im Kampf, was, wie ich hoffe, nicht für Sieg oder Untergang entscheidend werden sollte."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 08.05.2013, 20:48:03
Niedergeschlagenheit ergriff Carls Herz während der Herzog sprach. Warum bloß konnte er nicht hören, was die ganze Welt aus voller Kehle heraus rief? Der Wunsch nach einem geeinten deutschen Staat hallte aus jedem Winkel der alten Reichsgebiete, doch des Herzogs Wünsche stellten sich so offen gegen die einzige Macht, die den Deutschen Größe und Ehre verleihen konnte, welche ihnen seit ewigen Zeiten vorenthalten wurden: Preußen.
Der junge Holsteiner, der sich so sehr in Preußen verliebt hatte begriff, dass das Überschreiten der herzoglichen Türschwelle der Überquerung des Rubikons gleichkäme. Es gäbe kein zurück mehr, der Würfel wäre geworfen. Doch im gleichen Atemzug wurde ihm auch klar, dass es keine andere Möglichkeit für ihn gab. So sehr der Herzog von seiner Einstellung überzeugt war, so war es auch Carl seinerseits. Er wollte diese Schwelle überschreiten, an der Seite Major von Stiehles, im Dienste Preußens. Einen Schritt in Richtung eines einigen Vaterlandes, weg vom diplomatischen Reigen und den undurchsichtigen Geheimniskrämern der letzten Tage.

Carl wandte sich zur Tür, hielt aber inne. Ohne sich um zudrehen sagte er ruhig: "Wer einmal auf Preußens Fahne schwört, hat nichts mehr was ihm selber gehört. Die Pflicht ist in Preußen das höchste Gut, sie ist in jedes Mannes Herzen und entwächst diesem allumfassend. Auch wenn dies viele Menschen nicht verstehen, ist es doch etwas das uns vor anderen auszeichnet."

Während er sprach streckte er seinen Körper durch beinahe als wolle er Haltung annehmen. Wieviel Schleswig-Holstein war noch in diesem Soldaten, dessen jugendlicher Stolz beinahe fühlbar war? Gemessenen Schrittes verließ er mit von Stiehle das Zimmer, drehte sich jedoch, um die Tür zu schließen.

"Ich bedanke mich, für Ihre Gastfreundschaft und die mir zu Teil gewordene Pflege. Leider sind wir über das Opfern von Menschenleben schon längst hinaus. Ich bitte sie nicht zu vergessen, dass es kein Däne und kein Schleswiger, noch ein Holsteiner war, der sein Leben für Sie lies, Herzog. Karl Schreiber war Deutscher." Carl sagte dies in aufrichtigem, gemessenem Tonfall, ohne Häme oder Spott. Danach schloss er leise die Türe.
Carls Entschluss auf Gut Emkendorf zu bleiben, entstand aus dem Wunsche das der Tod seines Freundes nicht umsonst gewesen sein mochte. Wenn Carl nun seinerseits diese verzwickte Geschichte mit dem geheimen Vertrag aufdecken konnte, dann nur weil er hier gewartet hatte und so Major von Stiehle treffen konnte.

Dann sah er von Stiehle an. Der Major war zum Ende des Gesprächs hin sehr ruhig geworden, was wohl in ihm vorging? "Ich teile ihre Missgunst, was die Diplomatie angeht, habe aber im Gegensatz zu Ihnen, Herr Major, zusätzlich keine vorhandene Befähigung im Umgang mit derselben. Was liegt nun vor uns?"
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 09.05.2013, 17:44:09
Conrad war die ganze Zeit recht schweigsam gewesen. Er überließ den großen Männern hauptsächlich das Reden und die Entscheidungen, zumindest im Moment. Dieser Nocerino sollte wohl nicht weiter verfolgt werden, schloss der Student konkludent und das tat Conrad dann auch nicht. Hoffentlich würde er nicht derjenige sein, der später für ihren Untergang verantwortlich sein würde durch seine jeweiligen Taten.

Conrad nutzte Zeiten der Stille, um sich seine Überlegungen zu machen. Der Herzog würde seine Machtposition bestimmt nicht so leicht aufgeben. Der Geschichtsstudent überlegte sich schon einen brauchbaren Kompromiß zwischen der Professorenschaft und dem Herzog. Hoffentlich würde das klappen, was er vorhatte.

Doch Herrn Weissdorn hörte er auf jeden Fall aufmerksam zu. Es lohnte sich durchaus seinen Worten genau zu folgen. Schließlich sagte Conrad dann in die Runde: "Herr Weissdorn hat vollkommen recht. Sein Plan ist durchaus einen Versuch wert. Ich muss schon sagen, dass Herr Weissdorn für unsere Mission einige gute Qualitäten mitbringt. Und ich glaube, dass der Verlust eines einzigen Soldaten durchaus zu verschmerzen ist. Hochmut kommt zwar vor dem Fall, aber trotzdem kann ich mich mit dem Degen gut zur Wehr setzen und ich habe zumindest mit einem Teil der Angreifer im Kampf schon Erfahrungen gemacht. Ich hoffe, dass ich den Ausfall dieses einen Soldaten irgendwie kompensieren kann. Als Fechter habe ich mir zumindest schon einen gewissen Ruf in meiner Burschenschaft erarbeitet. In einer Schlacht gegen einige Söldner könnte das zwar am heutigen Tage anders aussehen, ich hoffe aber nicht und dass das Glück letztlich mit den Mutigen ist."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 09.05.2013, 23:07:56
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:51 Uhr - Gut Emkendorf

Während Carl von Lütjenburg sprach, überließ Major von Stiehle ihm das Feld und mit bescheidenem, fast süffisantem Lächeln blickte er den Herzog an. Friedrichs Augenbrauen und Lippen bebten vor Wut bis zum Abschlusswort und Carls Abgang. "VERTEIDIGEN SIE IHRE HOHLEN WORTE IN DER NÄCHSTEN KÜNETTE[1], UNTER BESCHUSS, SIE ARMLEUCHTER[2]!", brüllte der Herzog erzürnt und schlug mit der Faust wild auf den Tisch, dass die Papiere wild flogen, ehe die Tür ins Schloss fiel. Es ziemte sich nicht für seine Person, derart die Nerven zu verlieren. Die Etikette verbot solche Ausbrüche. Der Herzog war jedoch nur ein Mensch und keine herzogliche Maschine, so gern er es auch gewesen wäre. Die Winde hatten scheinbar innerhalb weniger Tage so häufig und so auffällig gedreht, dass keiner mehr einen Durchblick durch die Situation hatte. Sie war opak, wie schwarze, sternenlose Nacht. Tausende von Einzelentscheidungen wurden getroffen, und mitten in diesen tosenden Wellen von Entscheidungen und ihren schäumenden Konsequenzen, standen eine handvoll Männer und versuchten die Gezeiten der Geschichte zu beherrschen oder manche von ihnen sie zumindest zu überstehen. Die Angriffe Einzelner, dieser Söldner, hatten in diesem angespannten Kontext fast genauso viel erreicht, wie die Staaten und werden-wollenden Nationen. Der Herzog hatte in diesem Moment des Ausbruches bemerkt, dass ihm zumindest die Kontrolle entrissen wurden war oder er sie nie hatte. Er, der er Landesherr sein wollte, um das Schicksal seiner Heimat selbst in die Hand zu nehmen, war ein von den Ereignissen Getriebener geworden, bei einem Anschlag fast gestorben und jetzt noch von preußischen Botschaftern brüskiert, die die Grenzen zwischen Preußen und Deutschland aus seiner Sicht nicht mehr kannten.
Die Tür war bereits geschlossen und noch immer hörten von Lütjenburg und von Stiehle den Herzog aufgeregt toben und zetern, obwohl er keine Worte mehr artikulierte. Ein Brummen, ein Brüllen, ein Grummeln, das Holz der Tür erbebte, unmittelbar gefolgt von dem Klirren brechenden Glases. Kurz darauf ein zweites Beben, ein stumpferes Klirren. Steingut oder Porzellan zerbrach an der Wand.

Gustav von Stiehle deutete den Weg und sie gingen zum Hauptportal des Gutes und er lehnte sich dort, jetzt eine ungewöhnliche Lässigkeit präsentierend, als sei eine Menge Druck von seinen Schultern gefallen. Ein Fuß lehnte an der Wand, sodass er nur noch auf seinem linken Bein stand. Er kramte in seiner Tasche herum und fand dort ein Silberetui, welches schlicht war und eine einfache Gravur trug: «Zur Ertüchtigung.». Stiehle atmete tief durch und öffnete das Etui. Der Geruch trockenen, fast vertrockneten Tabaks strömte hervor. Er hielt Carl einen Klimmstängel hin, nahm sich dann selbst einen und mit der Hilfe eines Streichholzes entzündete er die Zigarette. Er atmete den Zug tief ein, ließ ihn einen Moment an der Lunge kratzen und atmete dann gespannt aus. Ja, irgendwas war von seinen Schultern gefallen. Eine schwere Last. Vielleicht hatte Carl seinen Nerv getroffen dank dieser sehr offenkundigen Loyalitätsbezeugung, andererseits war Stiehle nach eigener Aussage auch hier gewesen, um die Gewässer auszuloten. Der Herzog hatte ähnlich reagiert, wie Stiehle befürchtet und gehofft hatte. Er nahm einen zweiten Zug. "Kennen Sie den Huppmann, Herr Leutnant? Joseph Huppmann. Hat in St. Petersburg Zigaretten hergestellt und das Wissen mit nach Dresden gebracht. 'Nen Reservist, den ich kenn', arbeitet dort. Schickt immer wieder was. Ist gerade auf Reisen angenehmer als die Pfeife." Auf einmal schien Stiehle in Plauderlaune. Schon beim ersten Kontakt hatte er diese ungewöhnliche Mischung aus Härte und dann immer wieder betonter Lockerheit zur Schau gestellt. Diese Lockerheit war eine Art Fingerübung zur Selbstberuhigung. Das sah Carl jetzt genau. Auf diesem Mann lastete ein enormer Druck, der für diesen Moment verraucht schien. In kurzer Glut aufgegangen, wie die Zigarette es jetzt tat. "Aus Petersburg mögen einige gute Dinge kommen. Wir haben erst Sorge gehabt. Das russische Zarentum entstammt seit Katharina der Großen zum Teil aus Schleswig und Holstein, wenn man es so will. Sie verstehen sie manchmal besser als der Rest der deutschen Lande mit den Russen."

Stiehle rauchte für eine Minute stillschweigend seine kurze Zigarette, öffnete dann die Portaltür und trat hinaus. Der Reiter geleitete sie nicht mehr nach draußen, die Gefangenen im Keller waren für den Moment unwichtig, zumal Carl sowieso das Haus zu verlassen hatte. Gustav von Stiehle kratzte sich hörbar am Bart, nahm einen letzten Zug und war die glimmende Zigarette in den frischen Schnee. Geräuschvoll atmete er aus. "Ich bin der Diplomatie, wie sie wissen, nicht sehr zugetan. Wenn alle stets versuchen das Gesicht zu wahren, kommen viele falsche Zusagen heraus, viele falsche Aussagen. Insofern bin ich dankbar, dass der Herzog reinen Tisch gemacht hat. Er tut mir ein wenig Leid." Stiehle ging mit durchgestreckten Rücken, verbarg die Hände aber ob der Kälte in den Hosentaschen. Zur frühen Morgenstunde und in klirrender Kirche war sein kondensierender Atem im matten Laternenschein deutlich zu sehen. "Sie haben sich besser geschlagen, als ich es hätte können." Stiehles rechte Hand fand einen Weg aus der Hosentasche und klopfte Carl auf die Schulter, ehe sie wieder in der warmen Tasche verschwand. Seine Stimme ging jetzt in ein Flüstern über, er hatte auf einmal wieder Haltung. Nachdem dem Moment der drucklosen Auszeit, hatte ihn die Spannung wieder. "Sie bleiben bei mir. Wir lassen unsere Kutsche abfahren, lauern aber den Tag über etwas abseits der Wege. Wie gesagt, fürchte ich eine Falle. Die gefälschte Unterschrift, die Reaktion des Herzogs. Wissen wir, wo der Braunschweiger ist? Bereiten Sie sich auf das Schlimmste vor. Wenn der Herzog verzweifelt ist, kann uns Schlimmes wiederfahren. Sie bleiben den Tag bei mir, halten die Augen auf und wenn wir in Sicherheit sind, dann bekommen Sie von mir, wie besprochen, den schriftlichen Befehl sich wieder Ihrer Einheit anzuschließen." Stiehle verließ die Treppen vor dem Gut und ging aus dem schwachen Licht und deutete Carl dasselbe zu tun. Noch war es dunkel. Und wenn aus irgendeinem Grund der Scharfschütze hier noch lauerte, waren sie immerhin dank der Dunkelheit noch in Sicherheit. Stiehle deutete in Richtung Osten. In der Dunkelheit zeichnete sich eine Kutsche ab. "Das war groß, wie sie den Herzog auf das Blut gereizt haben, dank der Fakten und dank Ihrer Art. Haben Sie noch große Ziele in der Armee? Wollen sie mehr als Subalternoffizier[3] werden? Hauptmann? Stabsoffizier? Generalität? Preußen braucht loyale Männer mit genügend Hirnschmalz, um nicht nur neben einer Kanone zu stehen."
 1. Künette (http://de.wikipedia.org/wiki/Künette)
 2. Armleuchter oder Armloch als Verhüllungswort für derbere Ausdrücke (http://de.wikipedia.org/wiki/Armleuchter#Weitere_Bedeutung_.E2.80.93_Schimpfwort)
 3. Subalternoffizier (http://de.wikipedia.org/wiki/Subalternoffizier)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 10.05.2013, 15:43:14
Die Worte des Herzogs trafen Carl, doch nicht so sehr ihr Inhalt wie die Art und Weise, wie der Alte sie ihm entgegen spie. Er war nicht umhingekommen, eine gewisse Sympathie für den Herzog zu entwickeln und so war es kein Zorn, sondern vielmehr ein Bedauern das ihn umfing. Der Herzog schien selbst nunmehr ein kleines Blatt im Sturm zu sein. Ein Sturm den er vielleicht selbst entfesselt hatte? Jedenfalls diese Front war nun ein wenig klarer abgesteckt befand Carl, dessen Miene, wie so oft, nicht offenbarte, welchen Wegen seine Gedanken gerade folgten.

Auf dem Rückweg bat er von Stiehle einen Augenblick zu warten, damit er die Uniform wechseln könne. Carl tat dies geschwind und kehrte nach wenigen Augenblicken - noch nicht ganz ordentlich - zum Major zurück. Dankend nahm der die ihm dargebotene Cigarette an und ließ sich Feuer geben. Kurz behielt er sie zwischen den Lippen, um seine Erscheinung vollends herzurichten und hielt das Ertüchtigungsmaterial fortan zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand.

"Sorge? Haben wir denn inzwischen Gewissheit, dass Zar Alexander uns keine Steine in den Weg zu legen versuchen wird? Wäre ja nicht das erste Mal, dass die Russen eine deutsche Lösung zu verteilen suchen..." warf Carl ein, nachdem Stiele von den Cigaretten auf Russland im Kontext zur aktuellen Situation kam, schwieg dann aber gemeinsam mit von Stiehle. Eigentlich gab es außerhalb der deutschen Lande niemanden, der ein interesse an einem deutschen Staate hatte, so wie Carl es sah. Auch im Innern gab es Widersacher zu genüge, das Haus von einem verließen sie gerade. Wenn es so war, dass ihre Sache gerecht war und gewisser Maßen auch notwendig, um deutsche Interessen auch in Zukunft vertreten zu können, welche Rechte könnten sie sich dann nehmen, wenn niemand an ihrer Seite stehen wollte?

Diesen Gedanken folgend antwortete Carl auf von Stiehles Ausführungen zur Diplomatie. "Sind sie sicher? Ich würde lieber eine Befestigung auf einem Hügel im Sturme nehmen, als solche Gespräche führen zu müssen. Ich kann die Lage nur partiell überblicken und unsere Aufklärung ist höchst unzureichend, wie mir scheint. Mir tat es auch Leid, er hätte sicherlich ein besseres Schicksal verdient, aber ich habe ihm niemals einen Hehl aus meinen Überzeugungen gemacht. Vielleicht hätte er mich lieber wieder zurück nach Kiel gesandt..." Er zog ein letztes Mal an seiner Cigarette, warf sie dann neben die von Stiehles und trat beide in den Schnee.
"Major, ich gewinne in den letzten Tagen immer mehr den Eindruck, dass man es in dieser Sache niemandem Recht machen kann und erst recht nicht alle Beteiligten mit Glacéhandschuhen[1] anfassen kann. Wenn wir uns zurückhalten können wir nicht darauf vertrauen, dass es die anderen ebenso halten."

Er blickte den Major von Stiehle nicht an, als dieser zu ihm flüsterte, sondern nickte lediglich kurz und kaum merklich. Zum Verbleib des Braunschweigers meinte er ebenfalls flüsternd "Kiel, Garnision. Was danach kommt weiß ich nicht." er zuckte mit den Schultern "Ob die Leute des Herzogs ihm vollkommen loyal sind darf auch bezweifelt werden." Kurz fasste er seinen Gedankenaustausch über diese Theorien mit dem Herzog im Flüsterton zusammen und sprach auch von den beiden Schotten, die auf Gut Emkendorf festgehalten wurden. "Aber auch hier tappen wir im Ungewissen."

Auf von Stiehles abschließende Worte antwortete Carl nicht augenblicklich. Dies kam wahrlich unerwartet. Freilich wolte er nach dem Studium seine Karriere beim Militär fortsetzen, aber diese Gedanken waren ihm in den letzten Tagen ferner denn je gewesen.
"Unsere Überzeugungen mögen uns manchmal blenden und vielleicht bin ich geblendet, doch der Herzog ist es auch. Ich wollte ihn konfrontieren aber ihn so sehr in Rage zu bringen wäre niemals mein Wunsch gewesen. Dennoch, dass er am Ende des Gesprächs so sehr die Haltung verloren hat und nicht ich, gibt mir Hoffnung, dass ich bei aller Überzeugung noch genug Distanz zu den Dingen bewahrt habe."
Dann sah er von Stiehle ins Gesicht und lächelte ein wenig spitzbübisch: "Major von Stiehle, ein jeder möchte ein General sein und ich schließe mich da sicherlich nicht aus. Aber eine Carrière war niemals der einzige Wunsch der mich zur Armee brachte. Ich arbeite stets aus Überzeugung. Und wenn ich als Leutnant Preußen am besten dienen kann, bin ich Leutnant; wenn man mich als Student braucht, dann will ich ein Student sein; und wenn sich heraus stellen sollte, dass ich der beste Kanonier im Norddeutschen Bund sein sollte, dann, bei Gott, von Stiehle bringen sie mir auf der Stelle eine Kanone, neben die Sie mich stellen können." Carls Tonfall war heiter und kündete ebenso von Erleichterung wie die von Stiehle'sche Lässigkeit zuvor. "Aber, wenn Sie als Major der Meinung sind, eine Beförderung wäre im Sinne aller Beteiligten, wer wäre ich dann mich gegen Sie und eine solche Ehrung zu stellen, Herr Major?" Carl nahm ein wenig Haltung an, das schelmische Lächeln war aber immer noch in seinen Mundwinkeln verankert und einen gewissen Stolz konnte er auch nur schwerlich unterdrücken.
Mit Gewalt zwang er sich wieder in das hier und jetzt zurück. Man durfte sich Ruhm stets nur in kleinen Dosen genehmigen, zuviel davon war nicht gut, für niemanden. "Worauf können wir zurückgreifen, Major?" fragte er halblaut "Ich führe einen Säbel und einen Revolver mit mir, zwölf Kugeln insgesamt. In Kiel habe ich noch ein neues Gewehr und ein gutes Pferd..."

 1. Glacéhandschuhe (http://de.wikipedia.org/wiki/Glaceehandschuh)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 10.05.2013, 17:34:38
Kopfschüttelnd und mit bitterem Blick starrte Alfred aus dem Fenster, während die leeren Marktstände an ihnen vorbeizogen. Mit einem Mal wurde ihm jedes Rumpeln der Kutsche, jeder Stein der Straße bewusst. Sie waren eine langsam schleichende Zielscheibe.

"Ich versuche, unsere Möglichkeiten abzuschätzen, Herr Himly," seufzte Alfred nur, während er unschlüssig nachdachte. Sich mit den Fingerspitzen an der Schläfe reibend wandte der Schwede sich den Männern in der Kutsche zu, ohne direkt einen von ihnen anzusehen. Aus dem Augenwinkel entging ihm jedoch nicht, dass sein Bruder in konzentriertes Murmeln vertieft war. Mit einem Kohlestift kritzelte der junge Nobel auf einem Stück Papier.

"Herr Weißdorn, ich halte Ihren Vorschlag für... unkonventionell. Bitte verzeihen sie den Ausdruck mangels angemessener Alternativen. Aber trauen Sie sich eine solche Täuschung zu? Meine unvorteilhafte Erscheinung an einer anderen Person nachzubilden? Zu Ihrer Gunst darf ich hinzufügen, dass ich weder Nocerino, noch Lavalle oder einem ihrer Männer je persönlich begegnet bin. Vielleicht mag das Ihnen zu Gute kommen; jedes Mittel, das uns Zeit gewinnen kann, halte ich für sinnvoll. Andererseits," holte Alfred aus und atmete tief mit hochgezogenen Augenbrauen ein, "könnten wir Nocerino auf die Spur eines der falschen Verträge schicken. Sofern Ohlendorf bereits mit seiner Arbeit ausreichend vorangeschritten ist - die ursprüngliche Idee, Herr Himly, weswegen wir ihn würden kontaktieren können. Aber: Entweder - Oder, wie ich fürchte. Die Ideen sind in dieser Form nur exklusiv."

Unzufrieden stöhnte Alfred auf.

"Und in jedem Fall nur einen Funken von Zeit wert."

Kopfschüttelnd richtete Alfred schweigend den Blick wieder aus dem Fenster. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, obwohl es trotz der Decken, unter denen die Männer saßen, eisig kalt in der Kutsche war. Worauf hatte er sich nur eingelassen? Diese Kutschfahrt war ein Urteil ins Verderben. Die Absicht, aus freiem Willen das Rennen nach Gut Emkendorf auf sich zu nehmen, bewirkte mit einem Mal die offensichtliche Gefahr, in die er seinen Bruder und sich begeben hatte. Gefährlicher als noch zehn stürmische Nächte zur brennenden Solros.

"Alfred?"

Könnte er der Sache noch entkommen? Würde es ihm gelingen, sich und seinen Bruder aus dieser Affaire zu ziehen, jetzt, wo sie bereits so tief in die Angelegenheit verstrickt waren? Sie könnten den Vertrag Himly überlassen, die Kutsche anhalten und sich verabschieden. Vielleicht würde Rosenstock sie noch bis zum Hafen eskortieren. Doch selbst ohne seinen Schutz, würden sie das nächste Schiff aus Kiels Hafen nehmen. Ob London, St. Petersburg oder direkt nach Stockholm, Hauptsache aus dieser Stadt, aus diesem uneinigen Land, welches zwischen zwei Fronten im Kraftakt seine Freiheit begehrte. Stöhnend schloss Alfred die Augen.

"Alfred!", meldete sich die Stimme des jüngeren Nobels wieder, dieses Mal energischer. "Emil?" antwortete Alfred seinem Bruder, und wandte sich fragend zu ihm. Noch sind wir in Sicherheit, dachte Alfred sich, warum verlassen wir diese Stadt nicht einfach?

 - "Alfred, wir sind zu langsam. Die Kutsche ist zu langsam."
 - "Ja, richtig.", antwortete der Ältere, ohne einen Spott in der Stimme.
 - "Wenn wir weiter mit der Kutsche fahren, werden wir gemeinsam eine ganze Tages- und Nachtzeit benötigen, um nach Emkendorf zu gelangen."[1]
 - "Ebenfalls korrekt." Alfred wurde stutzig. "Was schlägst Du vor, Emil?"
 - "Was, wenn wir schneller wären?

Es gibt eine Legende aus einer Grafschaft im Süden Englands. Sie handelt von einem wohlhabenden Frau, welche jung hat heiraten müssen. Doch als ihr Mann schon kurz nach der Hochzeit starb, heiratete sie ihre eigentliche Liebe - doch auch ihr zweiter Mann starb bald! Zwei weitere Ehemänner überlebte sie noch, ehe sie selbst das Zeitliche segnete. Es heißt, sie sei für den Tod der vier Männer verantwortlich gewesen, doch man weiß es nicht. Aber,
" schloss Emil endlich, aufgeregt unter dem Druck Alfreds verwirrten Blickes, "man sagt, dass sie nach ihrem Tod noch immer durch die Grafschaft zieht. Sie sitzt in einer geisterhaften Kutsche, welche aus den Knochen und Gerippen ihrer toten Ehemänner gebaut ist, und ein kopfloser Kutscher fährt sie nachts über die Felder!"[2]

Mit gerunzelter Stirn und unverständnisvoll schaut Alfred seinen Bruder an. Er konnte sich noch keinen Reim auf die Gedanken Emils machen, doch er wusste, dass sein Bruder noch nicht fertig gesprochen hatte.

"Diese Kutsche - oder Helios Sonnenwagen![3] sie würde den Weg nach Emkendorf in weniger als zwei Stunden hinter sich bringen. Hätte ich mehr Zeit, dann könnte ich einen Zauber für eine solche Kutsche berechnen - ", erklärte Emil endlich, und tippte energisch auf seine Notizen. Erst jetzt sah Alfred, dass Emil Formeln und Berechnungen niedergeschrieben hatte, welche unter der unruhigen Fahrt der Kutsche bizarre Formen angenommen hatten. "Ich kann mir vorstellen, dass sie Wege und auch Schnee und sogar Wasser überqueren kann, aber das wird mir nicht gelingen. Aber wenn wir eine Formel zu dem Zauber kaufen könnten..."

Endlich erhellte Alfreds Miene ein wenig, als er begriff, worauf sein Bruder hinauswollte. Kiel war schließlich eine Handelsstadt mit einem bedeutenden Hafen, es war durchaus möglich, dass auch obskure magische Gegenstände und Behelfsmittel ihren Weg an die hiesigen Märkte fanden.

"Ich verstehe," antwortete Alfred seinem Bruder nur knapp, aber legte ihm dankend eine Hand auf dessen Knie. Unverzögert wandte sich der ältere Nobel an die Kieler Herren.

"Ist dies eine Möglichkeit? Meinen Sie, wir können eine solche Formel innerhalb kurzer Zeit beschaffen? Es ist Montag, die Geschäfte sollten geöffnet sein. Wenn wir tatsächlich ein solches Transportmittel finden - " bedeutend sah Alfred zu Samuel "dann schicken wir eine Attrappe ins vermeintliche Emkendorf!"
 1. Reisezeit Gut Emkendorf (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6638.msg802345.html#msg802345)
 2. Lady Howard's Coach (http://www.dartmoorresource.org.uk/index.php?option=com_content&view=article&id=142&Itemid=301)
 3. Sonnenwagen (http://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenwagen)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 12.05.2013, 13:37:10
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:55 Uhr - Gut Emkendorf

Major Gustav von Stiehle hörte dem Leutnant aufmerksam zu, nickte hier und dort und kratzte sich immer wieder nachdenklich und geräuschvoll im Bart, lachte und freute sich mit Carl über die humorvollen Aussprüche, während sie zur Kutsche gingen. Es war erkennbar, dass Major von Stiehle eine Grundsympathie für Carl hegte und dass dieser wiederum den Major überzeugt hatte. Zwar hatte dieser keine Möglichkeiten, sich im dienstgradlichem Sinne tatsächlich zu betätigen, denn diese Aufgabe hatte unter diesen besonderen Vorzeichen General Wrangel[1] - Ein sehr bekannter General, der inzwischen in seinem 80. Lebensjahr war und es in weniger als einem halben Jahr vollenden würde. Ein Mann, der bereits im ersten schleswig-holsteinischen Krieg[2], die preußische Truppen anführte und Stiehles Anwesenheit und Worte waren ein Manifest der Tatsache, dass Wrangel auch diesmal das Kommando führen würde, so es denn dazu käme. Etwas, was immer wahrscheinlicher wurde - aber dennoch hatte Carl das Gefühl, dass ihm der Kontakt zu Stiehle einige Türen öffnen würde und wahrscheinlich schon geöffnet hatte. Stiehle war ein Loyalist, vielleicht etwas pragmatischer als die meisten, aber ein Loyalist.

Sie erreichten die Kutsche. Im fahlen Licht zeichneten sich fünf Soldaten ab, welche um die Kutsche standen und in Berliner Schnauze[3] miteinander sprachen. Carl von Lütjenburg bekam keine spezifischen Sachen mit, musste sich irgendwie um Wetter und Frauen drehen, typische Soldatenthemen eben. Stiehle trat hinzu und die Soldaten nahmen Haltung an. Stiehle hatte jetzt auch wieder eine andere Haltung. Sein Gesicht bekam einen Zug väterlicher Strenge, als er die Soldaten in Linie zu einem Glied antreten ließ und sich gegenüber postierte. Keine Begrüßung, keine langen Worte, kaum Erläuterungen. Stiehle schien schon länger mit den Soldaten, von denen keiner unter 30 Jahre alt war, zusammenzuarbeiten. "Zeltaufbau. 550 Ellen[4] Nord-Ost. Weißlage. Genügend Decken. Danach Kutsche nach Haßmoor bringen. Folgende Posten werden besetzt, immer zwei Mann, um die Straßen zu bewachen. Bei diesem Wetter wird kaum einer abseits der Straßen sich sammeln. Also: Klein Vollstedt, Groß Vollstedt, Haßmoor, Bokelholm, Westensee. Wittmaack und Kienast bleiben hier mit mir. Das neben mir ist übrigens Leutnant Carl von Lütjenburg. Merken Sie sich den Namen. Und nun ab."
Die Soldaten nahmen mit sicheren Handgriffen ein paar Dinge aus der Kutsche und vom Dach der Kutsche und legten sie ab, dann stiegen die Soldaten in die Kutsche und brachen auf bis auf Wittmaack, ein kleiner, drahtiger Mann mit langen Kotletten, welcher vom Dienstrang Sergeant war. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, obwohl er vielleicht anfang dreißig sein mochte. Trotz seiner drahtigen Figur, hatte er einen breiten Schädel, an dem sich ein Doppelkinn andeutete. Kienast hingegen mochte bereits 40 sein, und war dennoch Mannschafter. Ein Obergefreiter. Seit zehn Jahren wurden in der Infanterie keine Obergefreiten mehr ernannt, das wusste Carl. Kienast musste also schon lange dabei sein. Sein Rang war nur schwer vom Sergeant zu unterschieden. Kienast hatte kurzes, graues Haar und einen kleinen, grauen Spitzbart. Sein Gesicht war von Aknenarben geziert, seine Augen, von Falten eingerahmt, versprühten trotzdem etwas jugendlich-spitzbübisches. Sie nahmen das Zelt auf und wanderten nach Nordosten. Eine kleine Senke lag dort, wo sich der Schnee besonders tief sammelte. Es war immer noch verdammt kalt.

Stiehle blickte zufrieden seinen Soldaten hinterher, hatte den Gesprächsfaden jedoch nicht verloren. "Ich mache mir um Russlands Segen oder Unbill keine Sorgen. Der Geist des Panslawismus geht dort umher, seit sie die polnischen Januaraufstände[5] Anfang des Jahres niedergeschlagen haben und des selbsternannten Herzogs Reaktion hat mir deutlich gezeigt, dass er sich hilflos und alleine wähnt. Dass er so ein Sammelsurium aus Individualisten um sich scheren muss, um überhaupt mitspielen zu können, sagt zudem auch viel darüber aus. Ja, das Zarenreich wird kaum noch Kontakte hierhin pflegen und wenn, nicht zu Friedrich von Augustenburg. Wenn Alexander bei all diesem Gerangel zwischen Panslawismus[6] und der Spielart der Überlegenheit einzelner Slawenvölker über andere, dieser aufkommende Panrussismus[7], überhaupt wirklich mitbekommt, was hier vor sich geht. Und wenn doch, ist es jetzt für seinen Zug zu spät und es bleibt in unserem Interesse gegen ein immer stärker werdendes Russland um ein starkes Preußen zu wissen." Major Stiehle lachte ein wenig in sich hinein. "Ja, es ist sogar so. Wenn man so will, könnte Russland ein gewisses Verständnis für unsere Situation haben. Sie haben ja ihren eigenen Friedrich Augustenburg, wenn man so will, zwar ist dieser kein Herzog, aber ein selbsternannter Diktator der freien Polen, der sie zur Freiheit führen will. Ihr Romuald Traugutt[8]. "

Stiehle setzte sich wieder in Bewegung und ging in die Richtung, in welche Wittmaack und Kienast aufgebrochen waren und dort gerade das Zelt aufbauten. "Ich mache mir mehr Sorgen um diese Söldnersache und rechne dementsprechend mit einem weiteren Angriff.  Nicht auf den Herzog; eher unter Aufsicht des Herzogs. Verzweifelte Männer neigen zu verzweifelten Taten. Und im Rahmen der Bundesexekution habe ich da ein ungutes Gefühl. Deswegen bleiben wir hier und beobachten die Szene, sagen wir für zwei oder drei Tage. Wir müssen wissen, wer kommt, wer geht, was der Herzog plant oder ob er sich vor Verzweiflung in seiner Gallerie erhängt. Und dann bringen Sie den Brief nach Berlin zu Moltke, wie abgemacht."
Dann durchsuchte der Major seine Taschen. "Mhm. Ich kann Ihnen weitere zehn Patronen abgeben. Dürrfleisch und gefrorenes Wasser haben wir auch ausreichend. Das werden zwei, drei harte Tage und dann können Sie auch Ihr Gewehr und Ihr Pferd holen. Aber bei dem Wetter bräuchten Sie jetzt einen Tag nach Kiel. Zwei Tage Ihrer Abwesenheit kann ich jetzt nicht gebrauchen."

Stiehle und Lütjenburg konnten nun sehen, wie das Zelt sich sanft im Schnee erhob, aber aus großer Entfernung war es kaum zu erkennen im Schneefall. Wenn es nicht unerwartet taute, würde es so, fast 200m von der Straße entfernt, hinter kahlen Bäumen und alten Sträuchern, kaum auffallen. "Gut. Sie sind auch kein Freund der Diplomatie. Das ist erfreulich, Herr Leutnant. Gehen Sie dann besser nicht davon aus, dass das, was uns hier erwartet wird, sehr diplomatisch sein wird." Unwillkürlich dachte man dabei an die vielen Einschusslöcher auf Gut Emkendorf, welche von Scharfschützen stammten. Stiehle schien einen ähnlichen Gedanken haben. "In einer Stunde muss alles vorbereitet sein. Dann geht langsam die Sonne wieder auf und wir wollen ja nicht vor Kimme und Korn sein."
 1. Friedrich Wrangel (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Wrangel)
 2. Eben jener von 1848-1851 (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Dänischer_Krieg_(1848–1851)).
 3. Berliner Dialekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Dialekt)
 4. Die preußische Elle entspricht etwa 66,69 cm.
 5. Polnischer Januarstand (http://de.wikipedia.org/wiki/Januaraufstand)
 6. Panslawismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Panslawismus)
 7. Panrussismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Panrussismus)
 8. Romuald Traugutt (http://de.wikipedia.org/wiki/Romuald_Traugutt)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 14.05.2013, 00:34:45
Conrad überlegte etwas und dachte an einen englischen Händler, der tatsächlich einige exotische, magische Gegenstände in Kiel verkaufte. Aber ob er so eine Zauberformel hatte, ob er sie- wenn er sie denn tatsächlich hätte- verkaufen würde oder auch nur eine gute Empfehlung hatte, wusste Conrad nicht ganz genau. Einen Versuch wäre es aber auf jeden Fall wert. Dieser Gegenstand, den Emil nannte, klang wirklich sehr faszinierend, auch wenn die Geschichte um ihn etwas unheimlich klang im ersten Augenblick. Aber vielleicht war das ganze nicht bloß eine Legende, wie es sich im ersten Moment etwas anhörte. Der Vorteil, den sie aus so einem magischen Gefährt ziehen könnten, wäre einfach zu groß, um diese Geschichte leichtfertig als unwahr abzutun.

Conrad sagte dann letztlich in die Runde: "Ich hätte da schon einen englischen Händler im Gedächtnis, der einige magische Gegenstände angesammelt hat und einen solchen Gegenstand haben könnte. Er kann, glaube ich, auch selbst welche herstellen. Er hat einige ganz ausgefallene Dinge auf Lager, müsst Ihr wissen und ich musste bei der Formel sofort an ihn denken. Ich denke, wir sollten am besten gut zusammenarbeiten, um so schnell wie möglich zu ihm zu gelangen. Dann müssen womöglich Verhandlungen um den Gegenstand geführt werden. Wenn er uns den Gegenstand nicht anbieten kann, müssen wir für Informationen schon etwas Geld zahlen. Denn einfach so wird er uns nicht an einen anderen Händler verweisen. Sie sehen meine Herrn, dass es höchstwahrscheinlich viel zu tun gibt. Ein Sprichwort lautet, dass zu viele Köche den Brei verderben, aber wenn mich circa drei Personen bei meinem Vorhaben unterstützen könnten, wäre das schon sehr hilfreich bei unserem Vorhaben, solch eine Zauberformel zu finden. Aber um mal endlich auf Ihre Nachfrage näher einzugehen, Herr Nobel: So einen Gang zum Händler, warten bis man als Kunde dran ist und Gespräche zu führen, kann manchmal länger dauern als man glaubt. Aber wenn unsere Reise durch diese Zauberformel wesentlich verkürzt werden kann, sollten wir auf jeden Fall eine Suche nach ihr wagen und uns entsprechend Zeit nehmen. Manchmal müssen einfach Risiken im Leben eingegangen werden."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 17.05.2013, 00:43:24
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 16:00 Uhr - Am Hafen

Die Entscheidung schien gefallen. Es gab Situationen, in denen ein weiteres Diskutieren nur das Unvermeidliche hinausschob oder in denen die Diskutanten sich im Kreis drehten, wie sich belauernde und doch feige Duellanten, die sich zu keiner Entscheidung getrauten.  Mommsen erkannte, trotz seiner berühmtem, sturen, fast unumwerflichen Art, diesen Moment und mit einem Wedeln der Hand deutete er an, dass er gegen diesen Plan Alfreds nicht vorzubringen hatte und auch nicht gegen den Samuels. Sie verzögerten zwar diese Reise kurzfristig, aber am Ende würde eine Zeitersparnis bleiben und eine Ablenkung. Wenn dies alles klappte, konnte der alte Historiker wohl kaum etwas dagegen sagen. Wenn er magischen Erscheinungen gegenüber nicht aufgeschlossen war oder wie die meisten, ihnen nicht sehr aufgeschlossen gegenüber auftrat, verbarg er es hinter dieser lässigen Handbewegung. Mit dampfenden Atem blickte er aus der Kutsche.

Himly hingegen schmunzelte über Weissdorns Worte.  Der Mann mit der dünnrahmigen Brille schien sich sehr über die Art und Weise, in der Samuel Weißdorn seine Argumente vortrug, zu amüsieren. Dennoch zeigte er mit einem anerkennenden Nicken, dass er mit dem Plan an sich einverstanden war. Lächelnd rückte er seine Brille zurecht. "Beeindruckend, Herr Weißdorn. Kein Wunder, dass ihre Illusion so überzeugend ist. Augenscheinlich sind sie selbst zu dieser Illusion geworden. Diese dargestellte Souveränität, diese scheinbare Planhaftigkeit ihrer Worte und ihrer Taten. Geschickt nutzen Sie Ihr Umfeld und die Gedanken und Informationen der Anderen, um Ihre Meinung zu bilden und trotzdem sind Sie in der Lage so zu tun, als wäre Ihre Darstellung und Meinung originär und genialisch und geben dabei dem armen Herrn Mommsen das Gefühl, dass er sich von dieser forschen Jugendleistung brüskieren lassen muss." Karsten und Himly lachten herzlich, während Mommsen nur ein zögerliches Grummeln zu entlocken war, welches sich als Unbill lesen ließ. Wer aber genau hinschaute, konnte ein kleines, verkniffenes Zwickern erkennen seitens des grimmig blickenden, schmalen Mannes, was wahrscheinlich schon als positiver Gefühlsausbruch zu werten war.

Karsten wurde jedoch ernst und nickte die Ideen der ihn umgebenden Männer ab. "So muss ein intelligentes, liberales Parlament funktionieren, meine Herren. Jeder trägt sein Scherflein dazu bei und jeder weiß, wann er eigenen Stolz und eigenes Belieben hinter sich zu lassen hat." Er nickte Theodor Mommsen zu und kraulte sich den langen, dunklen Bart. "Und für mich ist dieser Zeitpunkt just in diesem Moment gekommen." Karsten schmunzelte. "Ich kenne den Zauber, von dem sie dort sprechen, werter Herr Nobel. Ich kenne einen sehr aufdringlichen Alumni, der sich sehr gerne mit diesem schmückte und sogar mit solch einem geisterhaften Vehikel, dreist wie er war, zur Verteidigung seiner Promotionsarbeit anreiste...." Theodor Mommsen fuhr auf einmal dazwischen, obwohl Karsten seine Worte noch gar nicht beendet hatte. "Ja. Und noch heute erzäht man sich, lieber Gustav, dass er nur durchgefallen sei, weil dem Materialforscher Gustav Karsten der Sinn für Stil und Schicklichkeit abginge." Gustav Karsten lachte herzlich und deutete auf die Kutschentür. "Es können nur sechs Personen in Ihrer modifizierten Kutsche fahren, Herr Nobel. Ich werde hier in der Kutsche bleiben, wenn Sie alle in die andere Kutsche überwechseln. Carl Himly wird Ihre Kutsche dann am besten steuern. Der Mann kennt sich, wie Sie wissen, mit allerlei Kriegs- und Transportgerät aus. Bis dahin werde ich Sie noch begleiten und dann sind Sie auf sich alleine gestellt. Aber der Zeitvorsprung wird so eklatant sein, dass sich dieses Vorhaben auf alle Fälle lohnen wird. Und ich kann diese Kutsche bewachen und dafür gerade stehen, wenn sie näher unter Augenschein genommen werden sollte."

Die Männer nickten sich zu und dann wurde es still, die Herzlichkeiten der guten Ideen und des Momentes schwanden und mit ihm wurden sich die Gäste der Kutsche wieder des schneidend-kalten Windes gewahr, welcher unbarmherzig durch die schmalen Schlitze der Kutsche pustete. Allen voran dem schmalsten der Männer, Mommsen, fröstelte es ungeheuerlich und nach ein paar letzten, lachenden Sonnenstrahlen verdeckten nun, als Spiegel der Gemütslage, weißgraue Schneewolken den Himmel. In der Ferne war schon der einsetzende Schneefall zu bewundern, wie er sich mit steigender Intensität über die Förde nach Kiel schleppte, getragen von bitterlich kaltem Ostwind. Der Plan war gefasst. Samuel würde einen Soldaten als Alfred Nobel verkleiden und dieser würde nach Friedrichsort gehen und eine falsche Spur auslegen, danach würde Samuel die Soldaten, welche Gustav Karsten, seinen großen Fürsprecher, begleiteten, so verkleiden, dass sie von weiten wie Alfred Nobels Gruppe wirken mochten und zu guter Letzt würde er sich und die restlichen Kutschengäste, auf Mommsen heftige Fürsprache, als ein preußisches Kavalleriekommando verkleiden, welches so tat, als würde sie dem Herzog die Bundesexekution überreichen.
Während Samuel Weißdorn mit seinen findigen Methoden der Irreführung die Verkleidungen aller vorbereitete und Alfred sich in der Kutsche verdeckt hielt, um die Scharade nicht auffliegen zu lassen, kaufte Conrad Rosenstock, der aufgrund seiner burschenschaftlichen Kontakte einige Schwarzhehler kannte, die an Waffengesetzen vorbei einiges an interessanten Kram verkauften, bei eben einem dieser Kleinhändler, Richard Courtright, die von Alfred gewünschte Zauberformel. Richard, auch wenn sein Ruf aufgrund seiner Waren ein anderer war, wurde von vielen, die ihn kannten, respektiert, da er ein ehrbarer Mann war. Seine Waren hatte er nie illegal erworben und Conrad wusste, dass er viele Zauber für die Universität zur Verfügung stellte, doch die Wogen der Zeit hatten viele seiner Handelsaktivitäten in einem falschen Zwielicht erscheinen lassen. Conrad und Richard, sie kannten sich. Aber auch Karsten und Richard, das wurde deutlich. Und so waren die Verhandlungen nicht zäh. An deren Ende stand, dass Richard die Schriftrolle für 675 Münzen über den provisorischen Tresen, also den schweren Eichentisch seiner Wohnung, gehen ließ. Conrad mochte nicht schlecht staunen, als Karsten die Kosten alleine übernahm und keine Widerrede hören wollte.
Als Conrad zurückkehrte, war fast alles vorbereitet[1]. Emil und Alfred hatten einen Großteil der Zauberformel bereits antizipiert und lasen sich dementsprechend schnell in den Zauber ein. Es kostete einige Anstrengung, doch Alfred und Emil webten an diesem Zauber rum, gaben sich einer fast nach Sprechgesang klingenden Intonierung hin und dann entstand sie. Eine typische, preußische Kutsche, wie sie von Kavalleristen für wichtige Dienstfahrten genommen wurde. Kein Sonnenwagen, wenn auch sicher so schnell, aber prunkvoll genug, um etwas herzumachen, schlicht genug, um preußisch zu sein, groß genug um vier Passagiere im Inneren aufzunehmen, einen Fahrer und einen Beifahrer auf dem Sitzbock Platz nehmen zu lassen und mit vier, kräftigen und arbeitssamen, prächtig-muskulösen Pferden davor. Sie waren bereit zum Aufbruch.

Gustav Karsten lupfte den Hut, als sie ihn endgültig verließen. "Ich wünsche Ihnen viel Glück. Für die Doppeleiche! Und für Sie persönlich, meine lieben Nobels, alles Gute!" Die alte Kutsche ratterte davon mit Karsten und den Männern, welche nur grob wie die Reisegruppe, der die Nobels, Rosenstock und Weissdorn angehörten, aussahen. Es würde für die Ablenkung reichen, aber doch so deutlich bei zu naher Betrachtung sein, dass man Gustav Karsten keinen Vorwurf daraus machen konnte, dass er einfach mit ein paar holsteinischen Soldaten in Zivil nach Molfsee reiste.
Dann bestiegen die fertig bekleideten, preußische Soldaten die geisterhafte Kutsche. Mommsen war als Rittmeister eingekleidet wurden und würde den grimmigen, höchstrangigen Offizier geben. Himly war sein Oberleutnant, aber hatte gleichzeitig die Zügel in der Hand. Ein Zeichen der Dringlichkeit ihres Auftrages. Und auch sonst war die Besetzung hochrangig. Nobel und Weissdorn aufgrund ihres Alters waren wohl am ehesten im Rang eines Leutnants, während Conrad Rosenstock und Emil Nobel aufgrund ihres Alters Offiziersanwärter waren, Kornetten, Fahnenjunker zu Pferd. Es sprach für wichtiges Personal und Mommsen nickte anerkennend, als er die mit wenigen Handgriffen und recht wenigen Requisiten zusammengestellten Verkleidungen, die Rosenstock ebenfalls beim britischen Händler Courtright erwerben konnte, prüfte. Selbst den gemeinem Preußen konnte man mit dieser Verkleidung täuschen, so viel war sicher. "Nun denn.", sagte Mommsen bedeutungsschwanger. "Die Sonne geht gleich unter und wir sind noch immer nicht auf dem Weg nach Emkendorf. Es wird Zeit." Himly ließ die Zügel knallen und das magische Gefährt nahm seinen Dienst geräuschlos auf. Mommsen schluckte schwer, als sich die Kutsche in Bewegung setzte. Seine Finger zitterten leicht. Er schluckte nochmals und nahm erstmal seinen Zwicker ab. Er blickte Alfred, Conrad und Samuel an - Emil hatte sich draußen auf den Kutschbock zu Himly gesellt, um ihn über die Himlybombe[2] auszufragen - und sagte einen bedeutungsvollen Satz, der noch lange in ihren Köpfen spuken sollte. Er sprach ihn mit einem Esprit und einem inneren Feuer, dass es keinen mehr wundern mochte, dass dieser Mann Historiker werden wollte.
"Meine Damen und Herren, wir erleben hier Geschichte!"

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 16:00 Uhr - Gut Emkendorf

Es war kalt. Unerbittlich kalt und Carl zitterte wie Espenlaub. Es war dieses ungewisse Warten in der Kälte, in dieser nassen Kälte, obwohl sie dickt vermummt in dem weißlichen Zelt, welches inzwischen völlig eingeschneit war, auf der Lauer lagen. Einfach nur eingeschneit werden, das reichte noch nicht, um unter dem Schnee nicht zu frieren. Das wusste Carl. Er war Pionier. Er war preußischer Pionier mit Leib und Seele. Er hielt sich warm genug, und doch fror er stark genug, um sich an Espenlaub erinnert zu fühlen. Es war merkwürdig, an was für scheinbar unwichtige Dinge man in diesen Momenten dachte, wenn man vor Kälte zu erstarren glaubte und auf einen Schritt des Feindes wartete, auf das Auslösen der Falle oder auf was auch immer von Stiehle noch so warten mochte. Wie Espenlaub frieren. Carl fiel ein, dass die Espe auch Zitterpappel hieß. In seiner Heimat hieß sie jedoch weder Espe noch Zitterpappel, das waren Begriffe, die er in Mitteldeutschland aufgeschnappt hatte. In Holstein waren es Aspen, so hießen auch die Orte, die diese Bäume, aus welchen Gründen auch immer, im Wappen trugen oder sich danach benannt sehen wollten. Hohenaspe bei Itzehoe, Großenaspe südlich von Neumünster, Timm- und Krogaspe nördlich von Neumünster. Carl war schonmal in diesen Orten gewesen. Nur zur Sicherheit blickte er aus dem kleinen Zeltloch, welches fast ganz zugezogen war, damit nicht zu viel Wärme rausströmte. Von was für Bäumen waren sie umgeben? Er blickte sich um. Aspen. Hier standen viele Aspen. Ein paar Birken mit ihren weißen Rinden, ein paar Saalweiden und viele Eichen. Die Bäume waren typisch für Holstein und an diesem Ort waren sie gepflegt, selbst von ihrem Versteck aus im Schnee konnte er sehen, dass sie mehr oder weniger planvoll angelegt wurden. Ein schöner Ort im Frühjahr. Ein karger Ort im Winter. Carl blickte die große Allee entlang, welche nach Osten führte, nach Kiel. Mächtige Linden, Kastanien und Ahornbäume standen dort, viele von ihnen standen dort schon über ein Jahrhundert, vielleicht noch länger. Selbst von hier sah Carl, wie sie die hügelige Straße säumten und ihr preußisch-geordnet folgten. Wie viele Jahre würden sie dort noch stehen[3]? Sie waren ein prächtiger, standhafter Anblick. Viele von den Bäumen dort hatten Zwiesel, eine Gabelung. Carl blickte zurück zwischen die Aspen, Eichen, Birken und Weiden, zwischen denen sie sich im Schnee verbargen und Ausschau hielten. Da entdeckte er sie, nur fünfzig Schritt vor ihm, der Baum mit dem mächtigen Zwiesel, er war eine Eiche. Eine Doppeleiche.

Von Stiehle riss Carl aus seinen Gedanken. "Stecken Sie den Kopf wieder rein, Herr Leutnant." Von Stiehle hatte auf seinem Säckel gelegen und die letzten zwei Stunden keinen Mucks von sich gegeben. Man hätte denken können, dass er geschlafen hatte. Auf seiner Brust lag eine Art Taschen- oder Notizbuch, welches er mit dem Deckel nach oben liegen ließ, von Zeigefinger und Daumen festgehalten, sich rhythmisch mit seinem Brustkorb bewegend. Er schnarchte nicht, er atmete nicht wie ein Schlafender. Vielleicht hatte er die ganze Zeit über etwas nachgedacht. Die Mütze lag tief in seinem Gesicht und hatte seine Augen verborgen, ehe er sie jetzt wieder freigab und sich auf dem linken Ellenbogen aufstützte. "Ich glaube, ich weiß, was im Busch ist." Er nahm das Notizbuch hoch und drehte es um, sodass Carl in der aufgeschlagenen Doppelseite lesen konnte.  Es war irgendeine Schlachtzeichnung, wahrscheinlich von Stiehle selbst angefertigt, nicht sehr kunstfertig, aber klar strukturiert. Es war schwer zu erkennen, was die Aussage dieses Schlachtbildes war. Zwei Begriffe standen auf dem Schlachtfeld: Reisläufer[4] und Morgarten[5]. Carl wusste schon, was ein Reisläufer war. Ein schweizer Söldner des Mittelalters, doch was hatte die Schlacht am Morgarten damit zu tun? Sicher war es eine Schlacht, in der Reisläufer gekämpft hatten oder zumindest in einem Zusammenhang damit standen. Er war kein Historiker und an den Offiziersschulen hatte diese Schlacht keine Rolle gespielt. Von Stiehle war jedoch Kriegshistoriker und als solcher ließ er die Zeichnung nicht im Raum stehen. "Ich hätte früher darauf kommen müssen.", schalt er sich selbst, "Es ist doch deutlich. In der Schlacht am Morgarten kämpften die Eidgenossen gegen die Habsburger, um ihre Freiheit zu bewahren. Das ist weniger wichtig. Wichtiger ist, dass es eine Wende in der Schlachtführung war. Bis dato galten die Reiter als nonplusultra der Kriegsführung, gerade durch ihre Ordnung. Krieg war damals durch eine gewisse Form ritterlicher Fairness geprägt und die Eidgenossen begegneten ihr, in dem sie diese untergruben. Sie kämpften nicht mit der Absicht des Besiegens des Gegners, sondern des Zerstörens und Zermürbens. Da sie nur Fußvolk waren, brauchten sie vor allem das Gelände für ihren Vorteil." Von Stiehle blickte Carl von Lütjenburg sorgenvoll an. "Unsere Reisläufer hier - klar in der Schlacht vom Morgarten waren es noch keine, sie wurden es durch ihren Ruf später, weil jeder unbesiegbare Schweizer an seiner Seite haben wollte - haben genau diese Absicht. Der Herzog hat sich deshalb die Söldner zusammenstellen lassen. Glauben Sie es mir, Herr Leutnant! Die Söldner gehören allesamt zu dem feinen, falschen Herzog. Sie haben mir von dem Angriff erzählt, dass der Braunschweiger - ein Söldner mit ähnlichen Ruf wie ein Reisläufer - im Kampf vor allem den Herzog schützte und nicht eingriff. Der Angriff war gar nicht auf den Herzog gerichtet..." Von Stiehles Augen zeigten ein gewisses Entsetzen. "Ich wette, die Soldaten, die ich losgeschickt habe, um ihre Posten zu besetzen sind schon lange tot, Herr Leutnant. Das war die Falle. Jeder, der ihn aufgrund des Vertrages gefährlich werden kann, soll gebunden oder getötet werden und die Söldner heben die Ordnung der Diplomatie auf. Niemand könnte eine große Region oder gar ein Reich verdächtigen, wenn es die Söldner waren. Niemand könnte mehr als Vermutungen anstellen. Der Angriff auf den Herzog war fingiert, um ihn desbezüglich aus der Schusslinie zu nehmen. Die Reisläufer hebeln das Gentlemens' Agreement[6] der Konfliktlösung unserer Zeit aus." Von Stiehle schluckte hart, als ihm klar wurde, was für einen Fehler er gemacht hatte. "Wir müssen uns darauf gefasst machen, dass wir nur schwer hier rauskommen werden. Wir warten auf die Nacht und dann müssen wir so schnell es geht nach Preußen!"

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:12 Uhr - Gut Emkendorf

Als sie in den Sonnenuntergang ritten, der fahl war und doch eine gewisse Schönheit besaß, wurde Theodor Mommsen noch unruhiger, rutschte auf seinem Platz hin und her. Die Sonne war gerade im Inbegriff zu verschwinden, da fuhren sie über karges Feld. Hier auf dem Land gab es überall Knicks. Er begrenzte nicht nur die Felder der Landwirte und Herren, sondern war auch willkommener Schutz gegen die steifen Brisen, welche regelmäßig über Schleswig und Holstein hinweggingen. Die meisten Wege, die sie nutzten, das wusste Mommsen Alfred Nobel als Nichtholsteiner zu erläutern, waren sogenannte Redder. Wege, welche beidseitig von Knicks, also Hecken, begrenzt waren. Nach einer Weile wurden die Knicks aber kleiner, verschwanden dann ganz und gaben den Blick frei auf die wenigen, freien Flächen. Hier war vor nicht allzulanger Zeit geknickt wurden und auch die Bäume hatte man für den Winter zu Feuerholz verarbeitet. Mommsen seufzte. "Es erinnert mich an ein wunderschönes, melancholisches Gemälde von Caspar David Friedrich. Er hat es 1811 gemalt. Es ist trotz seiner scheinbaren Tristess ein wunderschönes Bild. Glauben Sie mir das, meine Herren." Während sie vorüberfuhren, glaubten Sie einen Mann mit einer Axt beim Hacken eines Baumes zu sehen, doch dann war die schnelle Kutsche schon vorüber. "Es heißt einfach Winterlandschaft[7]. Einfach, aber einprägsam. Das ist das Schöne an den Friedrich-Bildern. Kennen Sie diese? Herr Nobel, Sie kennen Caspar David Friedrich bestimmt. Obzwar er Deutscher war, ist er im schwedischen Pommern geboren und fühlte sich einen Lebtag als Schwede. Aber das soll nicht zur Sache tun. Seine Bilder haben eine melancholische Schönheit, welche in ihrem transzendenten Charakter erst völlige Genialität entwickelt. Es ist dieses Dunkle, was überall scheint und doch von Hoffnung und schwachem Licht durchbrochen ist. Und erst dieses Licht, gibt dem Dunklen sein schönes Gesicht. Wissen Sie, was ich meine?"
Mommsen machte sich Mut. Das meinte er wohl am wahrscheinlichsten damit und so verzog er sich wieder in sein Grübeln, während Himly sich mit Bravour als Kutscher verdingte. Die Fahrt war angenehm und ruhig, dank der Zauberkraft.

Alles war angespannter seit Stiehle seine Befürchtung ausgesprochen hatte und endlich war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, der Schneefall hatte jedoch aufgehört und die anbrechende Nacht war sternenklar. Auf dem schneeweißen Untergrund war dies nicht zu einer Flucht geeignet, sie mussten, so unschön dieser Gedanke war, auf mehr Schnee warten und dann im Schneegestöber von dannen ziehen. Sollte der Scharfschütze noch immer unterwegs sein, wären sie in klarer Nacht ein viel zu leichtes Ziel.  Und dennoch hörten sie Bewegung. Wittmaack kam schneebedeckt ins Zelt gekrochen, er atmete schwer. "Herr Major! 'Ne Kutsche. In'nem unglaublichen Tempo, Herr Major." Erschrocken richtete sich Wittmaack halb auf und salutierte, als habe er das vorher vor Schreck vergessen. "S'e kommen von Ost, Herr Major. Kiel." Wittmaack nahm die Mütze ab und hielt sie vor die Brust, als wäre ihm etwas unangenehm. "Spucken Sie es schon aus, Wittmaack." "Sin' Preußen, Herr Major. Sin' Kavallerie, Herr Major." "Was?" Wittmaack zuckte mit den Schultern und machte einen entschuldigenden Gesichtsausdruck.  "Wir müssen Sie warnen!", sagte Stiehle schnell, nahm sich Revolver und krabbelte nach draußen, Wittmaack und Carl andeutend, es ihm gleichzutun.

Alfred Nobel schaute aus dem Fenster. Die Allee, die sich durchschritten war im vollen Mondschein und sternenklarer Nacht wunderbar zu erkennen, dank des schneeweißen Untergrund. Kastanien, Linden, Ahorn. Eine Allee die sogar entblättert einen prächtigen Eindruck machte, so von Schneeglanz bedeckt. "Wir sind gleich da.", sagte Mommsen schließlich. "Die Allee führt nach Emkendorf, bis zum Gut." Conrad erinnerte sich gut daran, wie das erste Mal hier lang gekommen waren. Und ehe sie sich versahen, bogen sie zum Gehöft ein.

"Verdammt!", entfuhr es Stiehle im Flüsterton als er das Zelt verlassen hatte und Carl sich hinter ihm mehr oder weniger aufrichtete. Die ungewöhnlich schnelle Kutsche raste an ihnen vorbei. Das Mondlicht spiegelte sich in diesem Moment im Fenster und Carl sah etwas, was ihm merkwürdig vertraut vorkam. Waren dies die Gesichter von Alfred Nobel und Conrad Rosenstock?

War es das Gesicht von Carl von Lütjenburg? Der Gedanke huschte sowohl Alfred Nobel als auch Conrad Rosenstock durch den Kopf, als sie an etwas vorbeifuhren, was mehr oder weniger wie übergroßer Schneehaufen aussah, aus dem irgendwas zu klettern schien und vor dem zwei Männer standen. Auch sie trugen preußische Uniformen. War das Carl? Conrad war sich sicher, dass es Carl war. Doch ehe sie Kontakt aufnehmen konnten, war Carl Himly schon vorbeirast und hielt auf den Vorhof des Gutes zu.

Endlich hielt die Kutsche nach ruhiger und fast stiller Fahrt. Geräuschvoll öffnete Mommsen die Tür und ließ einen Fuß rausbaumeln. "Endlich!", er reckte sich auffällig. "Wahrscheinlich noch früh genug, um sogar ein gutes Abendessen zu bekommen." Dann versuchte er wieder gestreng zu wirken. Doch es half nichts, dieser Mann war nervös. Auch Himly, der bereits vom Kutschbock abgesessen hatte und einen Tritt vor die Kutsche stellte, wirkte nervös. Seine Brille war von Eisrosen geziert, sein Gesicht sah verfroren aus, ebenso jenes von Emil, welches auf der anderen Seite der Kutsche auftauchte.
In diesem Moment schob sich eine Wolke vor den Mond und verdüsterte den Vorplatz Emkendorfs. Wind heulte kraftvoll auf und ging durch die Glieder der Gereisten. Sie stiegen aus der Kutsche und blickten zum Herrenhaus, in dem sich noch nichts tat. Mommsen stützte sich schwer auf einem Gehstock. Diesmal wirkten seine Worte noch nicht mehr so kraftvoll, eher ehrfürchtig, als er hinauf zum Gut blickte, in dem einige Fenster beleuchtet waren und matte Schemen vor den Fenster entlanggingen und Geschäftigkeit zeigten. "Meine Damen und Herren, wir erleben hier Geschichte!"
Sie hatten es geschafft. Sie hatten Emkendorf erreicht, ohne aufgehalten oder angegriffen zu werden und so schnell, wie sie lautlos durch das winterlache Holstein gereist waren, hatten sie auch sicher Zeit gewonnen. Mindestens einen Tag. Und doch war ihnen unwohl. Sie spürten, dass ein großer Druck auf ihnen lag und der heulende Wind trug ihn nicht fort. "Wollen wir?", fragte Himly fröstelnd und rieb sich die Hände. Irgendwo war das Knacken alten Holzes zu hören.
 1. Statt 90 Minuten für die Verkleiden zu berechnen, hat Samuel die Fähigkeit des Quick Disguise, welche ich unterschlagen hatte. So braucht Samuel für alle Verkleidungen nur um die 15-20 Minuten. Die Einkäufe, Fahrten mit der Kutsche kosten aber auch Zeit. Es können aber weitere 30 Minuten eingespart werden. Vorbereitungszeit wird mit bummelig 60 Minuten berechnet
 2. Seemine mit Kabelzündung
 3. Sie stehen noch heute dort!
 4. Reisläufer (https://de.wikipedia.org/wiki/Reisläufer)
 5. Schlacht am Morgarten (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_am_Morgarten)
 6. Gentlemens' Agreement (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentlemen’s_Agreement)
 7. Winterlandschaft (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/75/Caspar_David_Friedrich_067.jpg)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 17.05.2013, 21:09:52
Noch nie hatte er so sehr gefroren. Gewiss, als Pionier hatte er sich mit diesen Widrigkeiten zu arrangieren und sie zu erdulden und niemand hätte sagen können, dass Carl dies nicht getan hätte. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte er auch das Zittern abgestellt. "Seiner Majestät Soldaten zittern nicht. Seiner Majestät Soldaten Beben vor Entschlossenheit und Tatendrang." hatte der Unteroffizier, der Carl als jungen Rekruten ausgebildet hatte, immer gerne gesagt. Und er hatte mit dieser Meinung Recht behalten, befand Carl. Die Kälte war es nicht, die ihm am meisten zu schaffen machte. Seit sie vor fast zwei Tagen zum Hafen herunter gelaufen waren, war dies der erste Augenblick, in dem Carl Zeit für sich hatte und gleichzeitig unverletzt und bei Bewusstsein war. Dass wahrhaftig noch nicht mehr als zwei Tage vergangen waren mochte er kaum glauben, es kam ihm beinahe wie zweieinhalb Jahre vor. Doch diese Ruhe, dieses Warten... nach all dem Handeln und den immer neuen Wendungen in dieser merkwürdigen Geschichte, schien es Carl zu überfordern einfach still zu sein und abzuwarten.

Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er schon seine spärliche Ausrüstung überprüft hatte. Sein Revolver mit sechs Schuss geladen, sechzehn Schuss Reserve, sein Helm mit Spitze und sein Offizierssäbel... Es war nicht nötig dieses Ritual immer und immer wieder durchzuführen, doch es half. Es half Carl mit den Gedanken im Hier und Jetzt zu bleiben und nicht ins Träumen zu geraten. Er bewunderte Major von Stiehle um dessen augenscheinliche Gelassenheit, Carl hatte es nicht über sich bringen können, sich hinzulegen oder gar die Augen zu schließen. Er war nicht nervös, aber ruhig war er auch nicht. Alarmiert war wohl der richtige Ausdruck, dachte Carl. Er war innerlich darauf vorbereitet augenblicklich aufzuspringen und Gut Emkendorf im Handstreich zu nehmen, sollte dies notwendig sein und er bemühte sich diesen Zustand aufrecht zu erhalten indem er sich seiner Ausrüstung wie in einer kultischen Handlung immer wieder aufs Neue vergewisserte. Wenn er doch wenigstens nicht zittern würde wie Espenlaub...

Von Stiehles Stimme ließ ihn zusammenzucken. Verflixt, hatte er doch vor sich hin geträumt. Carl wandte sich dem Major zu und lauschte ob dessen Ankündigung interessiert seinen Ausführungen. Die von Stiehl'sche Theorie leuchtete Carl ein, sogar mehr als das, hatte er sie doch beinahe selbst schon dem Herzog dargelegt.... Seine dritte These "Cui bono?"[1] ging davon aus, das jemand die Söldner einsetzt, um selbst unerkannt zu bleiben. Doch Carl hätte damals nicht gedacht, dass er dem Führer der Söldner persönlich gegenüber gesessen hätte. Und das dieser Carl auch noch nach der eigenen Meinung fragt. Das erste Mal war es nun Zorn, mit dem Carl den Herzog bedachte. "Wie kann man bloß so hinterhältig und ehrenlos handeln?" fragte Carl sich selbst und registrierte erst im Nachhinein, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Er ließ von Stiehle an seinen weiteren Gedanken teilhaben und fragte abschließend "Was denken Sie, wie lange es dauern wird, bis die ersten Bundestruppen hier eintreffen, Herr Major?"

"Preußen?" Carl sah Wittmaack verwirrt an, fasste sich dann aber und kroch hinter den beiden Männern aus dem Zelt, nur um eine Kutsche an sich vorbei rasen zu sehen. "Conrad?" brachte er im gleichen Augenblick hervor, als von Stiehle in die Nacht fluchte. Er hatte Conrad gesehen und Alfred Nobel und beide in preußischer Uniform. So merkwürdig das klang, so sicher war er sich dessen gleichzeitig[2].
Carls letzter Stand war, dass Conrad mit den Verträgen zurückkehren wollte, um sie dem Herzog zu überreichen, irgendwie musste er es zwischendrin geschafft haben Herrn Nobel freizubekommen. Aber warum waren sie mit preußischer Kavallerie unterwegs und trugen dazu auch noch deren Uniform?
"Major, das sind keine Preußen." Carl blickte von Stiehle ernst an "In der Kutsche saßen Alfred Nobel und Conrad Rosenstock und vorne auf dem Bock habe ich Emil Nobel erkannt. Sie tragen unsere Uniform, aber sie gehören nicht zu uns. Sie kehren zweifelsohne zurück, um die Verträge zu überbringen, aber sie wissen nicht, was wir wissen. Wir müssen sie abfangen, bevor sie zum Herzog gelangen!" Carl wartete, ob der Major anderweitig entschied, um ansonsten los zu sprinten.
 1. Carls dritte These zu den Söldnern (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg769739.html#msg769739)
 2. Perception: 23
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 19.05.2013, 01:13:00
Samuel war fast ein wenig berauscht von der atemberaubend schnellen Fahrt mit der Kutsche. Während der ganzen Fahrt konnte er sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, und als sie angekommen waren, brauchte er einen Moment, um zum nötigen Ernst zurückzufinden. Dann aber straffte er sich. Er sah Himly an, dann noch einmal in die Runde.

"Meine Herren, ich möchte Sie vorab noch einmal daran erinnern, dass wir nicht wirklich wissen, was uns erwartet. Wir haben Vermutungen, aber wie ich bereits in der Universität anmerkte, besteht auch die Gefahr, dass jemand wollte, dass die Dinge sich eben so entwickelt haben, wie es nun der Fall ist."[1]

Er ließ die Worte einen Moment wirken, bevor er weitersprach. "Wir dürfen auf keinen Fall mit der Tür ins Haus fallen. Der Vertrag darf keine Erwähnung finden, bis wir uns sicher sind, dass dies keine Falle ist. Nicht nur die Zukunft, sondern auch unser aller Leben kann von unserer Vorsicht abhängen. Der erste Schritt muss sein, die Position und die Ziele des Herzogs zu erkunden, bevor wir in konkrete Verhandlungen mit ihm schreiten werden."
 1. http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg774023.html#msg774023
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 23.05.2013, 20:05:25
Für Conrad war diese Kutschfahrt etwas faszinierendes. Magie schien etwas unheimlich mächtiges. Fast fand es Conrad etwas schade, dass er keine beherrschte, aber dafür hatte er eben andere Qualitäten. Der Geschichtsstudent sah sich in diplomatischer Mission und diese ganze Situation übte einen unglaublichen Reiz auf ihn aus.

Was Conrad etwas überraschte, als sie sich dem Gut näherten, war die preußische Uniform von Carl. Also nicht, dass er überhaupt eine trug, sondern jetzt zu genau diesem Zeitpunkt. Preußen könnte, von dem was Conrad so ahnte, schon längst beim Herzog gewesen sein. Was aber derzeit genau vorging, konnte Conrad beim momentanen Informationsstand noch nicht wissen. Carl und er hatten sich womöglich viel zu erzählen. Aber erst einmal ging die diplomatische Mission hier vor Ort vor. Carl würde sicherlich mit ihnen in Kontakt treten, wenn er es für notwendig erachten würde. So ein Mann war er durchaus.

Aber zunächst lauschte Conrad den Worten von Samuel. Der Student hatte lang genug Zeit, um sich auf alle möglichen Eventualitäten vorzubereiten und letztendlich antwortete er auf Samuels Aussagen hin: "Ich werde als erstes mit dem Herzog reden. Immerhin habe ich sein Leben gerettet und ich werde versuchen das Gespräch sehr vorsichtig in unsere gewünschte Richtung zu lenken. Besonders interessiert mich, was in der Zeit unserer Abwesenheit alles passiert ist. Das könnte sehr wichtig sein, dass zuerst in Erfahrung zu bringen." Wenn nichts weiter besonderes geschah oder er aufgehalten werden würde, würde Conrad die Herrn weiter ins Innere des Anwesens führen. Natürlich mit der entsprechenden Höflichkeit und mit Anstand. Dies war bei einem Herzog schließlich einzuhalten.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 23.05.2013, 23:54:40
"Dass Sie uns vorstellen, Herr Rosenstock, halte ich durchaus für angemessen," antwortete Alfred Conrad, während er die preußische Uniform ablegte, Emil bedeutete, das es ihm nach zu tun, und schließlich seine eigene Weste und Fliege zurechtrückte. In seiner linken Hand seine Reisetasche und den Gehstock um den Unterarm gehängt wirkte Alfred Nobel geschäftig, doch der Mangel an frischer Kleidung und die Ereignisse der letzten Tage ließen den Unternehmer zerzaust und erschöpft wirken. Misstrauisch blickte der Schwede in Richtung der Zelte weit vor dem Vorhof des Schlosses. Er wurde das Gefühl nicht los, das Gesicht des Retters seines Bruders erkannt zu haben.

"Doch ich denke, sprach Alfred in Antwort auf Samuels Bitte weiter, ohne den Blick von den beiden Personen in der Ferne abzuwenden, "Herzog Friedrich erwartet bereits, dass sich das Paket bei uns befindet - sofern ich Herrn Rosenstocks Bericht richtig verstanden habe.[1]"

"Doch wir werden sehen. Wir wollen!", bedeutete Alfred nun auch zum Betreten des Schlosses mit einer bittenden Geste.

"Herr Rosenstock," wandte sich Alfred jedoch noch ein letztes Mal an Conrad, ehe die Männer sich in das Innere begaben, "wo sagten Sie, ist Herr von Lüttjenburg verblieben? Wir sollten ihn hier in Emkendorf begegnen, wenn mich nicht alles täuscht, nicht wahr?"
 1. Hier (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg772111.html#msg772111) erwähnt Conrad, dass der Herzog bereit ist, den Nobels Amnestie für den Vertrag zu gewähren.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 24.05.2013, 00:52:50
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:14 Uhr - Gut Emkendorf

Stiehle kratzte sich den Bart und blickte mit leicht zusammengekniffenen Augen der Kutsche hinterher, kräuselte leicht die Lippen und berührte sie dann mit seinen Schneidezähnen. Er wirkte wieder deutlich nervöser, denn er spürte, dass Gefahr in der Luft lag, aber scheinbar gefiel ihm diese Entwicklung, zumindest für den Moment. "Was auch immer unsere Feinde für uns geplant haben, Herr Leutnant. Das Auftauchen dieser Kutsche ändert es. Ob es nun echte Preußen sind oder die Männer, die in dieser ganzen Chose auf die ein oder andere Art verwickelt sind, unsere Chancen hier mit heiler Haut herauszukommen sind gerade rapide gestiegen. Manchmal muss einem das Unvorhergesehene eben genauso verlässliches Werkzeug sein, wie der eigene Plan." Stiehle duckte sich während seiner Worte und deutete seinen Männern an, ihm das gleichzutun. Jetzt hatten sie wahrscheinlich sogar die Chance ungesehen aus ihrem Versteck zu kommen, sollten sie entdeckt worden sein. Kämpfe gegen unsichtbare Gegner, so denn Le Tortionnaire noch immer auf der Lauer lag, waren immer schrecklich. Darauf konnte man keinen Rekruten vorbereiten; selbst Soldaten, die in einigen Feuergefechten gekämpft und sie überlebt hatten, ob verwundet oder nicht, gewöhnten sich nie an diesen besonderen Druck, den feindlichen Schützen nicht sehen zu können. Hier gab es immerhin keine Coehoorn-Mörser[1], und die Pioniere hatten keine Gräben ausgehoben, um sich einigermaßen dagegen zu schützen. Hier gab es nur Bäume, Schnee und einige offene Flächen, welche im Sommer Garten- und Parkanlagen waren, die zum Flanieren einladen sollten. Jetzt lud wahrscheinlich nur Le Tortionnaire dazu ein, sie zu betreten und dort zu sterben. "Haltet euch an den Bäumen!", gab Stiehle den kurzen Befehl, den er eigentlich hätte gar nicht nennen brauchen. Unter Druck musste man aber deutliche Worte sagen, man wollte sie hören, wenn das Herz bis zum Halse schlug und man seinen Puls sogar im kleinen Zeh spürte. Das war soldatisches Training und die Gewohnheit im notwendigen Moment zu springen, zu handeln statt ausführlich zu reflektieren. Reflektieren war etwas für den Strategietisch, aber nicht für den Feldeinsatz unter Beschuss. Stiehle wusste das, Lütjenburg wusste das. Ins Dickicht gedrückt tasteten sie sich vorsichtig vor. Die Tiefe und Beschaffenheit des Schnees testen, um nicht unglücklich zu stolpern. Stiehle zitterte leicht, als er die Hand an den Revolver legte und deutete an, dass er vorlaufen würde, Carl ihm folgen würde, dann Wittmaack und Kienast zum Schluss.

Der Schnee war alles andere als pudrig. Entweder konnten Stiehle und seine Männer aufgrund der dauernden Kälte nicht mehr die feinen Unterschiede in den Temperaturschwankungen wahrnehmen, sodass der Schnee angetaut und wieder gefroren war, oder es war eben sehr feuchter Schnee, der die ganze Zeit gefallen war. Jetzt, da es beinahe sternenklar war, fror es wieder und die Schneedecke verharschte. Die leichte Kruste brach sich unter jedem Schritt und ließ den Schnee noch stärker knirschen. Stiehle hielt immer wieder inne, obwohl er wusste, dass einem die eigenen Schritte immer lauter vorkamen als sie von außen zu hören waren. Er atmete durch und beruhigte sich dadurch, dass er auf Carls Frage im Flüsterton antwortete. "Sie fragten, wann es mit den Bundestruppen losgehen könnte? Ich denke, dass die ersten Truppen zu Beginn des neuen Jahres für einen Einsatz bereit wären. Ja, Teile sind es schon. Sie sind in Bereitschaft, aber noch nicht auf dem Weg, falls der Herzog mit sich reden ließe. Von unserer Antwort hängt dies auch ein wenig ab. Je nachdem, ob wir hier wegkommen oder nicht, können sie also noch diesen Monat in Einsatz gehen." Die Frage nach der Gründen der Ehrlosigkeit beantwortete der Major nicht mehr, aber er ging auch nicht weiter auf seine Gedanken ein, diesen Ort zu verlassen. Stattdessen nickte er Carl nur zu, bereit diese Männer zu warnen, wie der Leutnant dies vorsah. Vorsichtig tastete er sich vor und wurde dann langsam schneller als er sich an den harschen Schnee gewöhnt hatte. Schnell und behände arbeitete sich die Gruppe in die Richtung der Kutsche vor.

Die falschen preußischen Soldaten hatten sich derweil wieder umgezogen und waren im Inbegriff das Gutshaus zu betreten. Mommsen setzte seine Brille wieder auf und zeigte eine fröstelnde Geste. "Ja, wir sollten in der Tat in ein warmes Heim gehen. Aber eigentlich schade um die falsche preußische Uniform. Ich verstehe schon, dass der Preuß' mit seiner Uniform hat. Wenn sie jetzt noch für mich geschneidert gewesen wäre, wie Offiziersuniformen es ja stets sind, hätte ich mich darin fast so breit wie Gustav Karsten gewähnt." Obwohl Mommsen keine Miene in Richtung Freundlichkeit verzog, schien er dies mit dem stoischen Humor seiner nordfriesischen Heimat versehen zu haben, da er ein sonderbares Grummeln von sich gab, welches sich fast als Lachen identifizieren ließ. Die Anspannung war also auch bei dem Historiker groß. Er nickte Samuel ob dessen Bemerkung nur zu, und schien die Erkenntnis zu teilen, sich erst einmal dezent zu geben.
Mommsen und Emil Nobel waren schon auf den ersten Stufen zur Tür, Conrad hatte gerade die Kutschentür geschlossen, als Alfred noch einen Blick in die Richtung des Zeltes warf. Schwarze Schatten bewegten sich an den Birken und Eichen entlang. Kamen sie in ihre Richtung? Alfred hielt kurz inne, während er im Hintergrund hörte, wie Theodor Mommsen, der stoisch-strenge Mann aus Garding, den stilisierten Türklopfer in Schlegelform nutzte, um formell um Einlass zu bitten. Ein dreimaliges Klopfen, welches Alfred glaubte mit seinem Herzen zu erspüren. Als wäre es im Rhythmus seines aufgeregten Herzens gewesen. Emil blickte kurz zu seinem Bruder. Alfred sah die Sorgen im Gesicht seines kleinen Bruders. Würden sie hier wirklich Amnestie erfahren? Würde diese Erpressungssache endlich ein Ende finden und die beiden Nobels könnten sich wieder ihren Leben und ihren Ideen widmen, und ihre ganze Familie aus der Schusslinie habgieriger Söldner bringen? Emil war seine Sorge anzusehen. Er drehte seinen Kopf zu Tür und wartete. Alfred blickte zurück zu den Schatten, aber sie waren verschwunden.

"Jetzt!", gab Stiehle die Weisung aus und geduckt liefen sie so schnell sie konnten aus dem Schutz der kahlen Büsche und entblätterten Bäume in den pfeifenden Wind. Zwei Strecken hatten sie zu überwinden. Einmal eine Strecke von etwa sechzig Meter bis zu einem der Hauswirtschaftsgebäude des Gutes und dann noch einmal einhundert Meter über ganz offene Fläche bis zur Kutsche. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Carl sah, dass die Gruppe um Conrad Rosenstock, seinen Kommilitonen[2], schon in das Gutshaus aufbrechen wollten. Jetzt hieß es die Beine in die Hand nehmen. Carl sah, dass Alfred, der unter einem Laterne stand und schwach ausgeleuchtet wurde, in ihre Richtung schaute. Carl nahm er wohl nur als Schatten wahr. Jedes Handzeichen war verschwendet und über den Platz rufen war töricht, wenn tatsächlich eine Gefahr bestand. Alfred drehte sich kurz um, sie sprinteten los und erreichten wenige Sekunden später bereits das Hauswirtschaftsgebäude. Stiehle atmete schwer von der Anstregung, aber die anderen auch. Für einen Diener der Bürokratie war er recht fit. Den Schweiß von der Stirn wischend lugte er um die Ecke. Ein sehr schmaler Mann mit langen Haaren klopfte bereits an der Tür. "Doppeltes Tempo!" Kienast stöhnte, sagte aber nichts. Stiehle sprintete los.

Mommsen klopfte nochmal an die Tür. Wieder eine Dreierreihe. Alfred spürte es wieder in seinem ganzen Körper. Die Schatten mussten irgendwo in der Nacht verschwunden sein, im Mondlicht unter einer erleuchteten Laterne, ließ sich nicht so viel der Umwelt wahrnehmen. Es war Zeit, dass sie zu den Verhandlungen kamen. Alle hatten sich jetzt bei der Tür gesammelt.

Der Vorplatz war unter Schnee verborgenes flaches Gras, von Stiehle wusste wie ein typischer Park aufgebaut ist. Jetzt konnte er die schweren Lederstiefel tief in den Boden stemmen und seine ganze Beinmuskulatur nutzen, um schnell über den Platz zu laufen. Sie mussten die Kutsche erreichen und dann konnten sie mit den Männer sprechen. Stiehle flog geradezu durch den verharschten Schnee, die Gefahr des Ausrutschens missachtend. Von Lütjenburg, Wittmaack und Kienast folgenden kurz darauf. Sie hatten es fast geschafft.

Ein dumpfes Geräusch in der Ferne[3]. Irgendwas Klopfendes, Schlagendes, was an das Geräusch erinnerte, welches ein Ledergürtel machte, wenn ein strenger Vater die Züchtigung seines Balges ankündigte. Irgendetwas fiel. Alfred Nobel, Samuel Weißdorn und Conrad Rosenstock drehten sich um, sie sahen, dass vier Männer auf sie zugerannt kamen. Sie waren in der Mitte des Hofes. Keine fünfzig Meter entfernt. Einer von ihnen lief jetzt außer Reihe, wurde abrupt langsamer. Hielt er sich den Hals? Vor einer Laterne kam er ins Stolpern, Blut lief aus dem, was sein Hals mal gewesen war. Er bewegte den Mund, als wollte er etwas rufen oder sagen. Dann brach er zusammen. Die drei Männer davor rannten einfach weiter, wie von einer Hornisse gestochen. Wieder dieses Geräusch. Der letzte der drei Männer brach im Laufen zusammen und rutsche im Schnee noch einen Meter nach vorne, dort blieb er reglos liegen. "RUNTER!", brüllte Stiehle jetzt, nahe der Kutsche und warf sich zu Boden und rollte sich unter die Kutsche. "VERDAMMT, RUNTER!"

Mommsen wurde bleich. Er sah, dass der dritte Mann, ohne zu wissen, dass er Wittmaack hieß, röchelte, hustete, zitterte, schwächer werdend. Er sah den anderen Mann mit offenen Hals an der Laterne lehnen. Mommsen erbrach sich über das Treppengeländer. Emil prügelte jetzt an den Türklopfer, versuchte wie wild die Tür zu öffnen. Doch sie war verschlossen. Er klopfte noch heftiger. "ÖFFNEN SIE! ÖFFNEN SIE! HILFE! ÖFFNEN SIE!"

Le Tortionnaire war zurück.
 1. Ein häufig genutzter Belagerungsmörser nach Plänen des Niederländers Menno van Coehoorn (http://de.wikipedia.org/wiki/Menno_van_Coehoorn).
 2. Kommilitone bedeutet Kampfgefährte oder Kamerad. Immer wieder spannend, was für eine Sprache wir modernen Studenten eigentlich nutzen, ohne dass die meisten sich dieser Feinheiten gewahr sind.
 3. Das Geräusch als Hörprobe (http://games.dnd-gate.de/index.php?action=dlattach;topic=6656.0;attach=9604)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 24.05.2013, 11:42:07
Das Warten war nun endgültig vorüber. Wenn Carl sich nicht um die Gefahr, der sie sich nun auslieferten, und der Dringlichkeit ihres Handels bewusst gewesen wäre, so hätte er sich wohl gefreut. Hinter von Stiehle spurtete er durch den abendlichen Schnee und bemühte sich dabei bloß nicht ins Straucheln zu kommen. Lagen Schützen da draußen auf der Lauer, die nur darauf warteten die Preußen ins Ziel zu nehmen? Carl verwarf diesen Gedanken - wenn dem so wäre, würde er es sicher bald erfahren.

Von Stiehles Worte bestärkten seinen Willen diese Nacht durchzustehen und zu überleben. Wenn sie hier erfolgreich wären und es schnell zurück schaffen konnten um Meldung zu machen, würden die deutschen Chancen sicher besser stehen, mit jedem Tage, den dieser Krieg nun früher ausbrechen würde. Carl nickte dem Major entschlossen zu und schon liefen sie weiter, bis sie am Hauswirtschaftsgebäude eintrafen. Von hier war es nun das schwerste Stück, wenn gleich es sich von nun an besser Laufen lassen würde. Doch ohne Deckung servierten sie sich quasi selbst auf dem Silberteller. Kurz blickte er umher, ob man den Platz nicht doch umgehen könnte, doch drängte die Zeit zu sehr, als das ein weiträumiges Umlaufen zu einer echten Option werden könnte. Also mussten sie es wagen.

Den ersten Schuss hatte Carl fast nicht wahrgenommen, so sehr hämmerte sein Puls in den Ohren, er fühlte ihn vielmehr. Beinahe meinte er das Glas zersplittern zu hören, wie damals als es seinen Freund Karl Schreiber erwischt hatte und später beinahe ihn selbst, doch was er wirklich hörte war das Schlurfen von Schuhen, als würde jemand die Füße beim Gehen nicht richtig hochnehmen. Kienast war getroffen. Stiehle konnte er noch vor sich sehen und Wittmaack war genau hinter ihm.

Carl rechnete mit einem zweiten Schuss und wollte sich gerade darauf konzentrieren um die Position des Schützen zu erlauschen, als dieser zweite Schuss schon gefallen war[1]. Übelkeit drohte ihn zu übermannen, als er das Geräusch vernahm, das die Kugel verursachte als sie in Wittmaacks Körper einschlug. Doch Carl zwang sich dazu die letzten Meter zu nehmen und ließ sich neben von Stiehle fallen, die Deckung der Kutsche nutzend.

Leise fluchend  bleib er zunächst flach liegen und gestattete sich einige Sekunden, um wieder zu Atem zu kommen. Dann versuchte er zunächst in Richtung der Tür zu schauen. Bevor es ihn und von Stiehle auch noch erwischen würde, musste er Conrad und Alfred über den Herzog in Kenntnis setzen. "CONRAD!" rief er laut "DIE SÖLDNER GEHÖREN ZUM HERZOG! ER HAT UNS BETROGEN! BLEIBT IN DECKUNG!"

Das musste zunächst reichen, er konnte nicht so viel schreien, brauchte seinen Atem für das was er als nächstes vor hatte. Er riss seinen Revolver aus dem Halfter, linste kurz in die Trommel und ließ sie dann mit einer Bewegung aus dem Handgelenk wieder zuschnappen. Er hielt von Stiehle den Griff der Waffe hin. "Geben Sie mir Feuerschutz, Major! Ich hole Wittmaack!" Carl wartete, dass von Stiehle die Waffe genommen hatte und bereit war. Dann richtete er sich in die Hocke auf, als wäre er ein Sprinter. Und tatsächlich wartete er nur auf von Stiehles Startschuss. Sein erstes Ziel war Wittmaack, der näher an der Kutsche lag, doch wenn dieser schon tot sein sollte würde er Kienast holen. Dieser elende Franzose hatte schon genug Deutsche auf dem Gewissen... Zornig rannte er los, als er den ersten Schuss hörte.
 1. Perception 13, ich gehe davon aus, dass das für nichts gut ist und habe es entsprechend gleich im Text eingebunden
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 24.05.2013, 22:13:10
Samuel sah erschrocken, wie die Männer zu Boden gingen, nachdem die Schüsse zu hören waren. Schnell ging er hinter der Kutsche in Deckung. "Ich hasse es, wenn ich Recht behalte", ging es ihm durch den Kopf. Hätten sie sich doch nur mehr Zeit genommen, mehr Informationen eingeholt. Es war ein Schachspiel, und jetzt gerade war ihr König bedroht.

Seine Augen suchten die Umgebung ab. Bedachte man die Bewegung der Männer, als sie getroffen worden waren, mussten die Schüsse aus Richtung der Scheune kommen... und tatsächlich meinte er, dort eine Bewegung zu entdecken. Der Gegner, offensichtlich ein Scharfschütze, war zu weit entfernt, um ihn mit dem Revolver oder irgendeiner anderen Waffe auszuschalten. Somit reduzierten sich die Variablen, und rasend schnell fügte Samuel aus den ihm zur Verfügung stehenden Elementen diejenigen ein, die ihm voraussichtlich das zufriedenstellendste Ergebnis brachten.

"ER IST UNS IN DIE FALLE GEGANGEN, ZÜNDET DEN SPRENGSATZ! JAGT DIE GANZE SCHEUNE IN DIE LUFT UND DIESEN MISTKERL GLEICH MIT!"

So laut er nur konnte, schrie er über den Platz. Der Schütze würde ihn hören, da gab es keinen Zweifel. Blieb nur die Frage, ob er ihm den Bluff abnehmen würde.[1] Denn wenn ja, würde der Mann so schnell er konnte flüchten, und sie würden wertvolle Zeit gewinnen und wären erst einmal aus der Schusslinie.

Noch während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, nestelte er an seinem Rucksack und holte dort eine Stange hervor, die wie eine Art Feuerwerkskörper aussah. Schnell zündete er den Rauchstab und warf ihn ein Stück weit hinter die Kutsche. Der Rauch würde sich ausbreiten und so die Sichtlinie zwischen ihnen und dem Schützen vernebeln.[2]
 1. Bluff: 37
 2. Sollte das parallel zum Bluff nicht möglich sein, setze ich einen Hero Point für eine zusätzliche Aktion ein.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 25.05.2013, 16:32:35
Mit entsetztem Blick und kreidebleichem Gesicht war Alfred in den letzten Momenten zu kaum mehr in der Lage, als mit beiden Händen seine Tasche vor seine Brust zu pressen und die gefallenen Soldaten anzustarren. Die weit aufgerissenen Augen des Schweden fokussierten den blutenden Mann an der Laterne, unfähig, auf die umgebenden Rufe zu reagieren. Erst als die Schüsse aus den Revolvern des preußisches Majors fielen, wurde Alfred klar, dass er sich nicht geirrt hatte: Es war tatsächlich Leutnant von Lütjenburg, dem sie in Emkendorf trafen. Doch die Umstände erlaubten ganz offensichtlich keine angenehme Begegnung.

"Es... - Es kommt von der Scheune!," brachte Alfred schließlich stammelnd hervor, bevor ihm klar werden konnte, dass Samuel den Schützen schon längst entdeckt hatte. Bei jedem Schuss der Revolver zuckte Alfred zusammen, und als der Rauchstab Samuels wenige Meter vor ihren Füßen mit einem hellen Zischen zündete, blieb ihm der Atem stocken. Es dauerte einen Augenblick, bis Alfred die Absicht des Kieler Dozenten nachvollziehen konnte.

Keuchend presste der Chemiker sich an die Tür zum Herrenhaus neben seinen Bruder und rutschte unsanft in die Knie. Mit fahler Stimme raunte Alfred Emil zu. "Brich es auf, Emil!," keuchte die sonst so ruhige Stimme des Schweden heiser, "Brich das Schloss auf!" Fieberhaft machte sich der Chemiker an den Verschlüssen seiner Tasche zu schaffen, doch seine zitternden Finger schienen stur ihren Dienst verweigern zu wollen. Erst nach unerträglichen langen Momenten schnappten die Scharniere des Lederkoffers auf. Der Schweiß von Alfreds Stirn verfing sich bereits in dessen Augenbrauen. Unvorsichtig griff der Schwede zwischen die Reagenzien und Glasbehälter, um die Werkzeugmappe an seinen Bruder zu reichen. Das klirrende Glas klang schauderhaft, als Alfred die Mappe aus seiner Tasche zog, und Alfreds Augen wurden groß, als er sah, was ihm seine Nachlässigkeit einbrachte: Eine der Phiolen war aus ihrem Fach gerutscht und kippte über den Rand des Koffers.

Alfred presste nur einen erstickten Ton hervor, während er hektisch versuchte, nach dem fallenden Behälter zu greifen. Doch in der einen Hand die Werkzeugmappe und im anderen Arm die Reisetasche gelang es ihm nur, das unscheinbare verkorkte Gläschen mit einer ungeschickten Bewegung von sich zu schlagen. Panisch riss Alfred mit geschlossenen Augen den Koffer vor sein Haupt  und wandte sein Gesicht ab, wohl wissend, dass die Geste absolut nutzlos ob der gleich folgenden Katastrophe sein würde. In hohem Bogen sprang die Phiole einige Meter durch die Luft und landete unsanft zwischen Kutsche und Türschwelle.

Das Glas mit der farblosen Flüssigkeit am Boden zersprang sofort. Einen Sekundenbruchteil dauerte es, bis die Lösung in bösartiger blauer Lumineszenz mit der Luft reagierte. In ohrenbetäubendem Knallen explodierte das Reagenz, und dichter, schwarzer Rauch begann sich zu bilden, nicht ungleich dem Rauchstab, den Samuel hervorgebracht hatte. Ungläubig öffnete Alfred wieder seine Augen. Die Phiole war weit genug geflogen, um niemanden zu verletzen. Der Rauch verschleierte die Türschwelle und verschluckte Kieler und Nobels in einer undurchsichten Wolke.[1]

"Himmel, Oh Himmel...!," stammelte Alfred nur, während er zitternd die Werkzeugmappe an Emil reichte und zu Boden rutschte. Tief atmete Alfred Nobel ein, ehe er wieder in die Tasche griff, um die Schatulle hervorzuziehen. Noch immer zitterten seine Hände, als er die Laborbrille hervorbrachte und sie über sein verschwitztes Haupt zog. Schmatzend schnappten die Okulare über die Augen des Chemikers. Zurrend passten sich die Blenden den schwachen Lichtverhältnissen in der Rauchwolke an. Obwohl Alfreds Puls noch immer Trommelwirbel schlug, verflog das heftige Zittern seiner Hände mit einem Mal. Die Finger des Chemikers fanden ganz plötzliche Ruhe.
 1. Rauchbombe (http://www.d20pfsrd.com/classes/base-classes/alchemist/discoveries/paizo---alchemist-discoveries/smoke-bomb): 24 Feuerschaden, 11 Spritzerschaden (Radius 1,5 m); zusätzlich: Nebelwolke (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/f/fog-cloud), Durchmesser 7,5 m für 54 Sekunden (9 Runden)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 25.05.2013, 17:11:52
Conrad wollte schon auch etwas brüllen, aber die Ereignisse überschlugen sich etwas. Er war schockiert darüber, dass die Söldner nur ein Trick des Herzogs angeblich waren. War der Herzog wirklich so ein großer Schuft? Dann musste man ihm die Herrschaft wirklich verweigern, denn er würde bei solch einer Tat kein Mann von Ehre sein, den man die Führung eines ganzen Landes anvertrauen konnte. 

Aber viel weitere Gedanken konnte sich Conrad gar nicht machen. Der Student hatte durchaus Mitleid mit dem fremden Preußen. Würde er diesen Schuss irgendwie mit viel Glück überleben? Es war ganz sicher der Schütze, der Karl Schreiber getötet hat, hat auch diesen Soldaten verwundet, wenn nicht sogar mittlerweile schon getötet hat. Hoffentlich konnte Carl etwas für ihn tun, auch wenn er keine Heilmagie beherrschte, soweit Conrad wusste.

Conrad wollte erst Zielscheibe für den fremden Schützen spielen, um Carl mehr Zeit zu verschaffen, aber momentan musste er beim Bluff von Samuel Weissdorn mitspielen. Der Nebel kam Conrad ganz recht. Als er noch keinen Streit mit seinen Vater hatte, beschäftigte sich Conrad mit verschiedensten Waffentypen. Trotz Nebel würde er sein Gewehr fast automatisch nachladen können. Die Zeit verstrich allerdings quälend langsam. Sich wieder mit seinem Vater zu vertragen, hätte wohl in dieser Situation den Vorteil für Conrad gehabt, dass er eine noch bessere Schusswaffe gehabt hätte; diese hier hatte schon einige Zeit auf dem Buckel. Trotzdem war es dann irgendwann soweit und die Waffe war schussbereit. Bald würde Conrad auch zum anvisieren übergehen. Aber zuvor würde der gefährliche Fremde wohl seinerseits noch handeln können.  Würde der Schütze wegen den Worten von Herrn Weissdorn einfach panisch aus der Scheune springen? Conrad glaubte ja lediglich, dass die Lüge ihnen nur einige Sekunden an Zeit verschaffen würde. Aber er war gespannt, was als nächstes passieren würde. 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 27.05.2013, 16:23:12
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:16 Uhr - Gut Emkendorf

Mit einem zweiten Revolver bewaffnet, krabbelte Stiehle hinter eines der schattenhaften Räder der magischen Kutsche, richtet sie sich soweit auf, wie es ihm nötig war, um beide Revolver zu bedienen und schoss in die Richtung der Scheune. Scheinbar war der Schütze dort lokalisiert wurden. Stiehle war nicht wahnsinnig genug auf die offene Fläche zu rennen, um Deckung in Form von Schüssen zu geben. Das wäre törricht gewesen und wahrscheinlich konnte er Carl gar nicht ausreichend mit den Revolvern schützen, dennoch hielt er Carl von Lütjenburg nicht auf, als dieser versuchte Wittmaack in Sicherheit zu bringen. Quälend langsame Sekunden, sie vergingen nur zäh. Gustav von Stiehle spürte, wie sein Finger den Druckpunkt des Abzuges suchte, aus reiner Gewohnheit. Ihm war klar, dass es gar nicht um das genaue Zielen ging. Er konnte seinen Feind von hier aus nicht einmal sehen. Die anderen hatten vielleicht den Feuerstoß des Schusses gesehen oder den noch leicht glühenden Lauf der Waffe oder eine Reflektion durch den Schnee, einen Schatten. Stiehle sah ihn nicht. Er zog den Abzug durch, spürte den Rückstoß seines Revolers in der rechten Hand, spürte wie ihm die Sicherheit und Kraft in der Schusshand fehlte, wenn er die Unterstützung der zweiten Hand nicht zum stabilsieren hatte. Er schmerzte furchtbar, als der schießende Revolver sein Handgelenk hochdrückte, doch im selben Moment hatte er bereits den Abzug des Revolvers in seiner linken Hand betätigt. Die Waffe zog nach oben und er verlor sie fast aus dem Griff. Stiehle duckte sich wieder weg und zog die beiden Hähne[1] zurück.

Samuels Worte ertönten lautstark in der Nacht, sein letztes Wort wurde bereits von der explodierenden Reagenz Nobels verschluckt, aus der Reagenz und aus dem Rauchstab Samuels stieg nun fester Nebel auf und würde es für den Scharfschützen die nächsten Sekunden unmöglich machen, seine gefährlichen Schüsse auf die Gruppe gezielt abzugeben. Der Lärm legte sich, es ertönte kein Schuss mehr, nur das Stöhnen des schwer verwundeten Wittmaacks. Carl nahm ihn unter den Schultern und zog ihn mit aller Kraft, so schnell er auf dem glatten, harschen Schnee konnte, hinter die Kutsche. Wittmaack zitterte, die beiden zogen eine kräftige Blutspur hinter sich her. Der Wahlpreuße setzte Wittmaack ab und blickt auf ihn. Er holte nur schnappend nach Luft, mit kurzen, flachen Atemzügen. Er blickte Carl mit glasigem Blick an, als wollte er etwas sagen. Carl sah, dass er sich den Torso hielt auf Höhe des Solarplexus. Seine Hände waren voller Blut, aber auch unter Wittmaack bildete sich eine Lache. Er hustete Blut. Die Kugel musste ihn von hinten erwischt und seinen Körper durchschlagen haben, das konnte Carl sagen.  Dass er Blut hustete, sprach für innere Verletzungen. Es sah nicht gut für Wittmaack aus.

Emil holte ein kleines Mäppchen mit Werkzeugen heraus. "Aufbrechen!", wiederholte er nur die Anweisung seines Bruders, schnappte sich einen Haken[2] und prüfte das Schloss auf Stifte und Verschlussmechanismus. Emil war schweißnass, von kalkiger Gesichtsfarbe. Er fummelte mit dem filigranen Werkzeug in dem Schloss rum, welches schön verziert war, aber wohl nicht besonders einbruchsicher, denn Emil zog den Haken wieder raus, nahm einen einfachen Dietrich[3] hervor und drehte das Schloss mit einem siegreichen einfach von innen auf. "Herrenhäuser, die nur mit Buntbartschlössern[4] verschlossen sind. Wenn ich das als Jugendlicher gewusst..."
Ein weiteres dieser Geräusche peitschenden Leders, ein weiterer Schuss, unterbrach Emil Nobel in seinen Worten und vor Schreck ließ er das Werkzeug fallen mit aufgesperrtem Mund. Er sackte in sich zusammen...

Fassungslos starrte Emil noch immer auf die Tür, nur wenige Zentimeter von seinen Händen entfernt war das Geschoss knapp über dem frisch geöffneten Schloss eingeschlagen, hatte das Holz splittern und den Türbeschlag brechen lassen. Ein Teil des Metalls war herausgebrochen und hatte Emil leicht in die Hand geschnitten. Keine tiefe körperliche Wunde, doch Emil saß nun apathisch da, in sich zusammengesunken und blickte auf das wenige Blut, welches aus dem Schnitt lief. Da die Gruppe recht nah beinander stand, hatte der Schütze wohl einfach einen Schuss gewagt. Es war schwer zu sagen, wie der Schütze auf die Worte Samuels reagierte, da nun eine Nebelwand beide Seiten trennte. Oder gab es noch mehr potenzielle Angreifer? Einer der näher war? Vielleicht waren die Gefangenen, die beiden Schotten, der Haldane und der Munro wieder freigelassen wurden, wenn der Herzog eigentlich die Söldner für seine Zwecke nutzte?

Mommsen machte die Tür auf und versuchte Emil hinter sich herzuziehen. "Raus aus dem Schussfeld!", forderte er nun mit nach Erbrochenem riechendem Atem, zog Emil auf die Beine und schob sich hinter die Tür. Von Stiehle rollte jetzt aus dem Schutz der Kutsche und packte Wittmack an den Beinen, Carl bedeutend, die Arme des schwer verwundeten Preußen zu nehmen. Wortlos verstanden sie sich, sie hoben den Mann an und rannten hinter den anderen im geordneten Rückzug in die großen Vorraum des großen Herrenhauses. Carl konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie Stiehle vor Stunden noch relativ entspannt an der Wand stand und eine Zigarette anbot. Jetzt waren beide klamm vom feuchten Schnee, hatten durch den verwundeten Wittmaack Blut an ihrer Kleidung. Sie setzten Wittmaack auf dem Teppichboden ab. Von Stiehle kniete sich über Wittmaack. Wut, Ärger und Trauer waren in den Augen des Majors zu lesen. "Wittmaack! Wittmaack!", rief er und schüttelte den Soldaten, der langsam wegzudämmern schien. "Es ist wird alles warm.", stammelte der schwer Verwundete langsam und geistesabwesend. "Halten Sie durch, Wittmaack. Das ist ein Befehl, Sie Kerl!"

Emil Nobel und Mommsen verließen den direkten Bereich der Tür, nachdem Emil sie wieder zuschlug. Die Vorhalle war karg eingerichtet, wenige Holzmöbel standen hier, ein großer Teppich lag im Vorzimmer, kaum Bilder, nur die Wände und Decken waren mit Stuck[5] verziert. Es war still im Haus, als hätte keiner die Anwesenheit mitbekommen wollen. So schien es zumindest für einen Moment, ehe aus einer großen Doppeltür Licht drang, sie sich öffnete und ein junger Mann durch die Tür schritt. Eisblaue Augen, lange, leicht wellige, blonde Haare und der Gang eines Reiters. Er hatte ein sehr junges Gesicht und kämpfte mit einem verschmitzenden Lächeln. Carl hatte diesen jungen Mann bereits gesehen. Es war Thoralf. Er trug noch immer die Kleidung eines holsteinischen Soldaten. Sein Lächeln verschwand, als er den schwer verletzten Preußen am Boden liegen und verbluten sah. Kurz wirkte er bestürzt, ehe er dreiste Worte fand. "«Dunner'slach»: Säh de Jäger! «De Rehbuck steit je brilljant inn't Füür"» Dor secht de Drieber: «Scheet man noch mal, he hett dat villicht nich hört[6]»! "
Obzwar seine Art des Plattdeutschsprechens dem Norddeutschen verriet, dass er aus dem Hamburger Raum stammen könnte, waren seine Worte sicherlich geschmacklos. Seine Bestürzung über die Verletzung jedoch schien echt, denn erklärte er seine Worte. "Der Herzog hat Sie des Hauses verweisen, Major von Stiehle, Oberleutnant von Lütjenburg. Ich sehe die Notwendigkeit der Hilfe bei diesem armen Soldaten, doch frage ich mich, was sie spät am Abend noch immer auf Gut Emkendorf machen? Sie hätten längst in Neumünster[7] oder gar mit viel Glück gar in Segeberg[8] sein können. Ich werde Ihnen Hilfe holen. Warten Sie hier."
Schnell drehte sich der Mann wieder um und verschwand hinter der Doppeltür, die weiter ins das Gebäude führte und ließ die Männer dort zurück. Von Stiehle riss derweil eine schwere Gardine vom Fenster, um mit dem Stoff die Wunden Wittmacks zuzudrücken.

Es war eine merkwürdige Situation. Hatte niemand im Gut etwas von dem Lärm vor der Tür mitbekommen? Von den Schreien, den Rufen? Von der Explosion der Reagenz? Es war schwer zu sagen. Vielleicht hatten die vielen Gestalten, die sie an den Fenstern gesehen hatten, auch Angst und der Herzog hatte sich schon längst wieder in seinen klirrend kalten Schutzraum zurückgezogen? Andererseits hatten Carl und Conrad auch beim letzten Male die Männer draußen nicht sterben gehört, nur Karl und den zweiten Haldanesöldner. Mommsen hatte sich auf den Boden gesetzt und hielt sich den Bauch. Es ging ihm noch immer schlecht. Emil sprach schließlich aus, was jeder denken mochte. "Ein bescheidener Beginn für eine Verhandlung..."
 1. Die Revolver zu dieser Zeit sind Hahnspanner-Waffen, also Single-Action-Waffen (http://de.wikipedia.org/wiki/Revolver#Single-Action).
 2. Haken (Lockpicking) (http://de.wikipedia.org/wiki/Pick_(Werkzeug)#Hook)
 3. Dietrich (Werkzeug) (http://de.wikipedia.org/wiki/Dietrich_(Werkzeug))
 4. Buntbartschloss (http://de.wikipedia.org/wiki/Buntbartschloss)
 5. Stuck (http://de.wikipedia.org/wiki/Stuck)
 6. Übersetzung für jene, die sich nicht sofort mit dem Niederdeutschen anfreunden können: "Donnerschlag"! Sagte der Jäger. "Der Rehbock steht ja brillant im Feuer"! Da sagt der Treiber: "Schieß noch mal, er hat es vielleicht nicht gehört"!
 7. Neumünster (http://de.wikipedia.org/wiki/Neumünster)
 8. Segeberg (http://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Segeberg)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 31.05.2013, 17:02:10
Conrad zog sich auch mit den anderen zurück. Einiges an Adrenalin durchfloß immer noch seinen Körper; mit dem Gewehr zielte Conrad auf den Eingangsbereich. Er rechnete mit allem im Moment. Die Worte Carls, dass der Herzog ein falsches Spiel mit ihnen trieb, schockierte Conrad immer noch. Würden sie hier wieder lebend von Gut Emkendorf wegkommen? Wenn man sich den Herzog und den Braunschweiger hier vor Ort zu Feinden machen würde, hatte man es wahrhaft mit mächtigen Feinden zu tun. Möglicherweise erklärte sich so Conrads leichter Anflug von Ungläubigkeit, der sich Carl noch zeigen würde.

Am Rande bekam Conrad die Szenarie mit dem blonden, jungen Mann mit. Trotz aller Konzentration auf den Eingangsbereich horchte Conrad auf, als er beläufig mitbekam, dass Carl, obwohl er zuvor scheinbar das Leben des Herzogs gerettet hat, des Hauses verwiesen wurde. Vielleicht hatte er wirklich nur scheinbar das Leben des Herzogs gerettet? Als der Reiter endlich wieder weg war, sagte Conrad an Carl gerichtet: "Was sagst du da Carl: Der Herzog hat uns betrogen? Es hat uns gegenüber nur ein falsches Schauspiel abgezogen? Die Söldner gehören in Wirklichkeit zu ihm? Hast du dafür Beweise? Wenn du recht hast, sitzen wir nämlich ziemlich in der Scheiße. Übrigens hat Emil diese rothaarige Attentäterin beschossen, die auch beim Kampf gegen diese Schotten dabei war. Sie hat sich geschickt im Nebel angeschlichen und ist dann auch wieder in ihm verschwunden. Es war pures Glück, dass ich sie gerade so noch wahrnehmen konnte, als sie ihren Schuss abgab. Aber am gefährlichsten ist wohl dieser Scharfschütze. Schade, dass sich dieser Feigling nicht in den Nahkampf wagt, bei einer ehrenhaften Auseinandersetzung im Nahkampf hätte ich wahrlich bessere Chancen ihn zu besiegen. So viele Feuergefechte habe ich nämlich noch nicht hinter mir." 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 31.05.2013, 18:20:49
Carl war immer noch außer Atem, als er Wittmaack mit von Stiehles Hilfe in das Haus geschleppt hatte. Tief durch schnaufend sah er den verletzten Sergeanten an und er begriff nun erst wie schlecht es um den Mann stand. Inständig hoffte er, dass es noch nicht zu spät war und in seiner Sorge vergaß sich über das ungebührliche Verhalten des jungen Mannes, den er als Thoralf kennengelernt hatte, zu ärgern. Er nickte lediglich einmal vor sich hin, als dieser meinte, er würde Hilfe holen. Einen Augenblick lang überlegte er, ob der Mann eine Gefahr für sie war, doch schien es Carl, dass seine Bestürzung aufrichtig gewesen war. Außerdem gab es im Augenblick ohnehin nicht viele Möglichkeiten für sie.

Als Thoralf verschwunden war, wandte Carl sich Conrad zu, doch dieser ergriff das Wort zuerst. Dennoch ließ er es sich nehmen, seine Freude zu bekunden, bevor er auf die Fragen seines Kommilitonen antwortete "Conrad! Du glaubst nicht wie sehr es mich freut, einen weiteren Freund hier zu wissen. Das sind Major von Stiehle und Sergeant Wittmaack, wir waren eigentlich drei Mann mehr..." Carl schwieg unwillkürlich, es war immer noch ungewohnt für ihn den Verlust von Mitstreitern zu akzeptieren. Doch schnell mühte er sich wieder seinen gewohnten entschlossenen Ausdruck anzunehmen. "Mein Freund, du hast immerhin ein Gewehr dabei, während meines wohlbehalten aber nutzlos in Kiel liegt. Wir haben nur Revolver und Säbel, damit ist diesem Franzosen nicht ohne Weiteres beizukommen. Aber wenn wir eine Chance bekommen, dann werden wir ihn uns greifen!"

Carl sah nun die anderen Anwesenden an und staunte nicht schlecht, als er Professor Himly, den er als Chemiestudent kannte, erblickte[1]. "Die Herren Nobel. Es freut mich Sie beide wohlauf zu sehen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Sie hinter Schloss und Riegel gebracht habe, doch wie es scheint, war mein Misstrauen gegenüber dem Braunschweiger nicht ungerechtfertigt.

Conrad, ich möchte gerne alles was ich weiß mit dir und den Herren Nobel teilen, doch zunächst muss ich dich bitten mir deine Begleiter vorzustellen. Von denen kenne ich nämlich lediglich Herrn Professor Himly."

 1. Bin ich mal von ausgegangen, wenn nicht bitte heraus editieren.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 02.06.2013, 23:22:20
Als der Hausangestellte den Raum betrat, glitt Samuels Hand sofort zu seinem Revolver. Doch zog er ihn zunächst noch nicht, sondern beobachtete den Fremden nur. Hilfe war notwendig, dennoch hatte er ein wenig ein schlechtes Gefühl bei dem Mann. So ging er zu ihm und hielt ihn noch kurz am Oberarm fest, bevor dieser den Raum verließ.

"Das Überleben dieses Mannes ist entscheidend, nicht nur für uns, sondern auch für den Herzog. Halten Sie sich nicht mit irgendwelchen Formalien auf, holen Sie auf dem schnellsten Weg Hilfe und kehren Sie ebenso auf dem schnellsten Weg wieder zurück. Er verblutet, und es ist höchste Eile geboten. Verstanden, Mann?"[1]

Dann ließ er ihn los - aber nicht, ohne noch nachzusetzen: "Wenn er draufgeht, mache ich Sie persönlich verantwortlich." Im nächsten Moment bewegte sich Samuels Hand - so blitzschnell, dass der Mann der Bewegung kaum folgen konnte. Der Revolver flog aus dem Holster in seine Hand und berührte für den Bruchteil einer Sekunde den Hals des Hausangestellten. Fast im gleichen Moment war die Waffe wieder an Ort und Stelle.[2] "Verstanden?"

 1. Bluff: 33, mit Convincing Lie
 2. Dazzling Display
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 03.06.2013, 01:07:58
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:17 Uhr - Gut Emkendorf

Der o-beinige Reiter ließ Samuels Verhalten über sich ergehen, aber seine Augenbrauen zuckten wild. Seine Mimik ließ sich wie eine Tageszeitung lesen, auf der große Schlagzeilen voller Empörung standen. Das Anpacken schien dem Mann wenig auszumachen, aber die Wortwahl ließ ihn das Gesicht immer mehr verziehen und als Samuel dann auch noch den Revolver nutzte und damit eine offene Drohung aussprach, meißelte der Grimm dem Gesicht gänzlich unbekannte Falten ins Antlitz. Als Samuel ihm dann die entscheidene Frage stellte, ein Fanal als Despektierlichkeit in den Augen des stolzen Reiters, rückte dieser lediglich seine Uniform wieder zurecht und ging forschen Schrittes zu der Tür. Der Blick des Mannes hatte eine gewisse Kälte gewonnen und es schien, als würde er mit seinen Worten ringen.

Die Tür öffnete sich und der blondhaarige, junge Mann zog sie sich in den Rücken, blickte auf Samuel und dessen Revolver, ohne auch nur ein Wort zu sagen; doch dieser Blick. Er verhieß nichts Gutes. Samuel konnte sich sicher sein, dass der blonde Mann mit den eisblauen Augen ihm künftig nur noch mit Antipathie begegnen würde. Er wischte sich über die Stelle, an welcher der kalte Revolver seinen Hals auf Höhe der Halsschlagader berührt hatte. Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und man hörte seine schnellen Schritte kurz über den Flur hallen.

Theodor Mommsen näherte sich derweil dem am Boden liegenden Wittmaack. Emils Worte, dass dies kein idealer Beginn für eine Verhandlung war, schienen gerade neue Bestätigung gefunden zu haben. Mommsen blickte nochmal kurz zur Tür und reagierte auf Carl von Lütjenburg. "Wir können für uns selbst sprechen. Ich bin Professor Theodor Mommsen." Er grüßte mit einem kurzen, direkten und für seine gebrechliche Gestalt sehr festen Händedruck. Carl Himly jedoch grüßte nur aus der Entfernung und betrachtete sich das Loch in der Tür aus ausreichend großer Entfernung. Er rieb sich noch immer die Finger, da er die ganze Fahrt nach Emkendorf im Freien verbracht hatte und zudem die Zügel in der Hand hielt. Er pustete sich warme Luft in den Hohlraum, den er mit seinen Händen bildete. Er enthielt sich momentan der Worte, zu sehr war er dafür unter Wind und durchgefroren. Stattdessen äußerte sich Theodor Mommsen wieder. "Keine Sorge, Herr Rosenstock. Solange wir uns nicht an Fenstern aufhalten, dürften wir von diesem Attentäter Luft haben.", er wandte sich jedoch unverzüglich dem Leutnant zu. "Aber was sagen Sie da? Der Herzog hat wen betrogen? Und in welcher Hinsicht? Und was meinen Sie damit, dass die Söldner eigentlich ihm dienen? Erklären Sie das bitte!"
Himly näherte sich aufgrund der Worte, blickte derweil mit halb nachsichtigen, halb sorgenden Blick auf Samuel und näherte sich ihm dann schließlich doch und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Herr Weissdorn, ich war damals auch so nervös, als wir '48 in Stellung lagen und beschossen wurden. Ich habe mich beinahe eingenässt, vielleicht habe ich das sogar auch. Ich lag lange dort. Es ist nur eine flüchtige Erinnerung und doch nichts, an das man sich je gewöhnen kann." Samuel spürte, dass die Hände Himlys zitterten und völlig durchgefroren waren. Er konnte jedoch nicht sagen, ob sie nur wegen der Kälte so zitterten, oder weil Himly auch von Furcht geplagt war. "Atmen Sie tief durch. Wir schaffen das schon, ohne jedem den Tod durch Sprengung oder dem Revolver anzudrohen. Wir sind aus Vernunftgründen hier. Vergessen Sie das nicht, Herr Weißdorn." Er drückte Samuel aufmunternd die Schulter und beugte sich zu Major Stiehle runter, der inzwischen damit beschäftigt war, seinen getroffenen Kameraden zu wärmen, in dem er ihn seine eigene Dienstmantel umgeworfen hatte. Er hatte den stöhnenden, langsam wegdämmernden Wittmaack auf die Seite gelegt. Er versuchte mit der Dienstmantel auf beiden Seiten des Torsos die durchgehende Wunde zuzudrücken. Obwohl Himly fror, zog er auch seinen dunklen Mantel aus, und übernahm den Rücken Wittmaacks, während von Stiehle dem Getroffnen Mut zusprach, der nur noch schwach flüsterte. "Ich komme nach Hause..."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 03.06.2013, 19:16:10
"Äußerst bescheiden," pflichtete Alfred seinem Bruder mit einem kargen Raunen bei. Beide Nobels saßen nebeneinander an die Wand lehnend auf dem Boden der Vorhalle. Wären die Augen des alteren Bruders nicht durch die dicken Gläser der Brille veschleiert, so wäre der Unmut und das Entsetzen in seinen Augen deutlich erkennbar. Noch immer klammerte Alfred seine Reisetasche an sich, als er gebannt auf den blutenden Soldaten und den bellenden Major starrte. Noch nie hatte Alfred in seinem Leben so viel Blut gesehen.

Obwohl die Tür verschlossen und die Männer aus der Schusslinie waren, traute sich Alfred nicht, aufzustehen, als er auf Händen und Beinen krabbelnd sich in Richtung des verletzten Mannes bewegte. Die offenen Verschlüsse seiner Tasche klackerten metallisch, als er sie hinter sich her zog.

"Ich bin kein Arzt," bedeutete Alfred mit einer strengen Mimik dem preußischen Major, als er neben ihm Platz fand und die Inhalte seiner Tasche preis gab, "aber das könnte ihm helfen."

Schnell und gezielt zog Alfred ein kleines Reagenz aus einem der Fächer seiner Tasche hervor. Das fingerdicke Glas war gefüllt mit einer farblosen, öligen Substanz und zog Schlieren, als Alfred es schüttelte und dem Major überreichte.[1] "Verabreichen Sie es ihm," wies er ihn an, "es wird die Blutung stoppen."

Trotz dem aufkommenden Übelkeit traute sich Alfred erstmals, den getroffenen Soldaten näher anzusehen. Die Kugel hatte ihn im Rücken getroffen und durchdrungen, immerhin befand sie sich nicht als Fremdkörper in seiner Brust. Doch der Schuss traf so nahe am Herzen des Mannes, dass die Blutung von einer Hauptschlagader kommen könnte. Mit trockenem Hals versuchte Alfred zu schlucken, als er wieder seinen Blick abwandte und in seine Tasche griff, doch seine nächsten Worte blieben ihm im Hals stecken.

"Geben Sie es ihm!", krächzte Alfred nur noch mal, als er als nächstes gleich mehrere Fläschchen und Kolben aus ihren Fächern hervorbrachte, die deutlich größer und weitaus mehr gefüllt waren als die dünne Phiole. Mit hochkonzentriertem Blick und schweißgebadet öffnete der Chemiker vorsichtig die Pfropfen und begann, die Inhalte mit improvisierten Methoden in eine kleine Schale zu mischen.[2]
 1. 1 Extrakt (Vorbereitet): Cure Light Wounds; Geheilte TP: 9
 2. 1 Extrakt (Brauen): Cure Serious Wounds (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/c/cure-serious-wounds); Dauer: 1 min. Sofern in der Zwischenzeit keine Hilfe eintrifft, wird Alfred Stiehle auch das zweite Extrakt geben.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 04.06.2013, 23:16:54
"Herr Professor Mommsen hat schon recht, die werten Herrschaften können sich schon selbst entsprechend vorstellen, wenn sie nicht gerade jemanden mit einer Waffe drohen. Und auch mich freut es Carl wieder einen Kameraden wie dich an meiner Seite zu wissen. Auch wenn Herr Weissdorn sich vielleicht nicht von seiner besten Seite gegenüber dem Reiter gezeigt hat, lege ich ansonsten meine Hand für alle Personen, die bei uns sind ins Feuer. Man kann ihnen vertrauen. Warum wurdest du Carl und der Herr Major des Hauses verwiesen? Ich bin ziemlich überrascht, dass dich tatsächlich der Herzog des Hauses verwiesen hat."

Conrad hatte einen freundlichen Empfang für Carl übrig. Er vertraute ihm eigentlich. Ein Teil seiner inneren Ungläubigkeit kam nur davon, dass er eine scheinbar unbequeme Wahrheit nicht gerne akzeptierte. Innerlich war er deswegen hin- und hergerissen. Mittlerweile entspannte sich Conrad allerdings auch wieder etwas auf die Worte von Herrn Mommsen hin, denn er hatte eigentlich recht. Der Student blickte etwas zur Seite und hoffte, dass Alfred Nobels Behandlung des Soldaten mit Tränken ihm auch wirklich helfen würden. Conrad machte sich so seine Gedanken sollte er den Soldaten, den Samuel kurzzeitig bedroht hat, einholen oder sollte er es lieber lassen? Er setzte sich auf jeden Fall noch nicht in Bewegung. Er sprach nur Samuel Weissdorn noch an: "Herr Weissdorn lassen Sie bitte in Zukunft solche gefährlichen Bedrohungen mit ihrer Waffe bei Personen, die uns gegenüber nicht feindlich gesonnen sind, was auch immer der Grund letztlich für ihre Aktion war. Sie könnten uns bei zukünftigen Verhandlungen eher hinderlich statt nützlich sein. Ein Teil von mir hofft ja immer noch auf ein Missverständnis, obwohl ich Carl eigentlich ansonsten vertraue."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 07.06.2013, 00:15:41
Samuel wirkte stark, bis der Mann den Raum verlassen hatte. Dann sackte er zusammen, und ließ sich an der Wand nieder. "Wenn das, was er sagt", er sah dabei zu Carl, "richtig ist, dann bringt er vielleicht keine Hilfe, sondern weitere Mörder."

Dann sah er zu dem Soldaten, der sterbend auf dem Boden lag. Es war offensichtlich, dass ihm der Anblick schwer zu schaffen machte. Samuel war bleich geworden, und seine Hände zitterten leicht. Worauf nur hatte er sich hier eingelassen? War er eigentlich verrückt, sich in ein Abenteuer aus politischen Intrigen und mordenden Attentätern zu stürzen?

Als Alfred dem Soldaten das Mittel verabreichte, und dieser sich scheinbar stabilisierte, beruhigte sich auch Samuel etwas. Dennoch schien es dem sonst so gefassten Dozenten nicht besonders gut zu gehen. "Bitte entschuldigen Sie. Ich glaube, ich hatte mich nicht ganz im Griff."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 08.06.2013, 01:22:16
Naheliegensten und stellte sich vor: "Meine Herren..." er sah einmal in die Runde und sein Blick blieb an Alfred haften. Kurz überlegte er, ob und wie er  helfen konnte, doch auch wenn der Schwede von den Ereignissen mitgenommen schien, arbeitete er so geschwind und zielstrebig, das Carl wohl nur im Weg gestanden hätte.

"Wenn Conrad Ihnen Vertrauen schenkt, dann müssen keine weiteren unnötigen Worte verloren werden. Mein Name ist Carl Heinrich von Lütjenburg und ich gehöre tatsächlich der preußischen Armee an. Als Conrad und ich uns das letzte Mal gesehen haben, hatten wir gerade einen Angriff einer internationalen Gruppe von Söldnern abgewehrt, deren Angriff, wie wir danach vermuteten Herrn Nobel galt. Jener weilte, wie Sie sicher wissen, zu diesem Zeitpunkt nicht hier auf Gut Emkendorf, sondern wurde durch mein Verschulden in Kiel festgenommen." Er blickte zu Alfred herüber und war sich noch immer nicht ganz sicher, ob dieses Manöver, dass er damals gestartet hatte, weil der dem Braunschweiger nicht über den Weg traute, nun glücklich oder töricht gewesen war. Aufrichtig hoffte er, dass Herr Nobel nichts auszustehen gehabt hatte und ihm verzeihen würde.

"Conrad als ihr abgefahren seid, habe ich länger geschlafen, als ich hier zugeben möchte, auch wenn es an der vergifteten Wunde lag, die mir dieser Franzose beigebracht hatte. Erst am heutigen Morgen bin ich aufgewacht. Nach dem Frühstück traf ich auf Major von Stiehle. Er kam hierher um den Herzog davon zu unterrichten, dass eine Bundesexekution beschlossen wurde, der Herzog hat hier also schon bald keine Handhabe mehr. Ich habe Herrn Major über die bisherigen Geschehnisse unterrichtet unter anderem auch von dem Vertrag und seinem Verbleib."

Carl machte eine kurze Pause und sah Conrad dann direkt an "Conrad, erinnerst du dich, dass Friedrich von Augustenburg-Sonderburg uns nicht wenig stolz erzählte, seine Majestät König Wilhelm habe sich persönlich nach dem Stand der Verhandlungen erkundigt habe? Nun wie es scheint glaubt man in Berlin nicht, dass dieser Vertrag tatsächlich von Graf von Usedom unterzeichnet wurde und verlangt deshalb nicht ohne Grund die Herausgabe des Vertrages. Wir haben ihn damit konfrontiert, woraufhin er sich solange in einer günstigen Position zu wähnen schien, bis ich klarstellen konnte, dass ich Major von Stiehle in Kenntnis über den Verbleib des Vertrages gesetzt habe. Sie können sich hier nun nur auf meinen Augenzeugenbericht verlassen, doch glauben Sie mir, dass der Herzog wie ein Mann reagierte, dessen Plan, den er selbst für sehr ausgeklügelt gehalten haben musste, gerade in eine vollkommen verkehrte Richtung verlief und drohte zu scheitern. Er wurde wütend und warf uns aus seinem Hause.

Major von Stiehle befürchtete einen Hinterhalt und schickte unsere Kutsche nur mit zwei Soldaten zurück, während wir neben der Allee eine getarnte Stellung bezogen. Dort warteten wir, bis wir Sie bemerkten. Den Rest haben Sie ja selbst erlebt."

Carl machte einen Augenblick Pause und sortierte seine Gedanken. Für ihn waren all die Indizien genug, doch er konnte sich nicht sicher sein, dass Conrad und seine Reisegefährten sich augenblicklich überzeugen ließen.

"Die Söldner gehören zum Herzog oder sind auf irgendeine Weise mit ihm verbunden. Sie gehen gegen jene vor, die mit dem Vertrag zu tun haben und es scheint als wollen sie ihn erlangen. Würde Preußen so vorgehen? Nein, Ich denke, dies wäre ein Fall für die Geheimpolizei und nicht für Söldner aus aller Herr Länder. Darüber hinaus hat der Herzog im Gespräch mit mir selbst ausgeschlossen, das Preußen hinter den Söldnern stecken könnte, da diese ein Weg seien Zeit zu gewinnen und dies nicht in Preußens Interesse sei. Doch wer profitiert im Augenblick davon, wenn sich die Dinge in die Länge ziehen? Preußen und Dänemark möchten die Angelegenheiten um dieses Dokument so schnell wie möglich geklärt wissen, rüsten doch beide zum Kriege, doch dieses Dokument ist das einzige, was Herrn von Augustenburg-Sonderburg die Möglichkeit gestattet, sich als Herzog zu wähnen. Die Bundesexekution isoliert ihn vollkommen von all seinen Bestrebungen. Nur dieser Vertrag kann ihm noch helfen, selbst wenn er gefälscht ist, wird er vorerst eine Tatsache sein, nach der sich alle anderen Mächte neu ausrichten müssen.

Außerdem scheint der Herzog ein Faible für Söldner zu besitzen. Wollte er sich doch auch unserer Dienste bedienen - auf mehr oder weniger zwingende Weise. Sein engster Begleiter scheint der ominöse Braunschweiger zu sein, der kein Schleswiger und kein Holsteiner ist, jedoch bekannt für seine Fähigkeiten im Guerillakampf und was Anschläge angeht.
Der Anschlag auf Herrn Nobel auf Gut Emkendorf... Wer konnte im Vorhinein wissen, dass man Herrn Nobel nach hierher bringen wollte? Söldner aus Dänemark oder Preußen, hätten ihn verfolgt und erkannt, dass er nicht in die Kutsche des Braunschweigers gestiegen ist. Also wäre der Anschlag nicht hier sondern in Kiel erfolgt. Nur jemand der von diesem Plan, Herrn Nobel nach Emkendorf zu bringen, wusste, vielleicht sogar wusste in welchem Raum wir uns aufhalten würden, konnte also dort auf der Lauer liegen und angreifen.

Erinnerst du dich, Conrad, dass du den Braunschweiger aufgefordert hattest uns im Kampfe beizustehen, er jedoch mit gezogenem Revolver vor seinem Herrn hocken blieb? Es wäre nicht schwer gewesen ein paar Kugel im Zimmer zu verteilen, doch warum auf die eigenen Leute schießen? Du hattest damals ja auch sehr richtig bemerkt, dass die angreifenden Söldner gar nicht den Versuch gemacht hatten, jemand anderen als uns anzugreifen Der Braunschweiger hat erst auf die rothaarige Frau geschossen, als diese fliehen wollte. Wollte er uns da tatsächlich noch helfen oder wollte er nur eine Untergebene richten, die die ihr zugetrauten Aufgaben nicht erfüllen konnte? Oder diente dieser Schuss nur als ein Alibi, der nicht dazu gedacht war die Söldnerin niederzustrecken sondern nur die vermeintliche Loyalität des Braunschweigers darstellen sollte?
Und noch etwas Merkwürdiges: Der Herzog hat mir gegenüber geäußert, dass Preußen nicht mit ihm rede. Warum, wenn man doch zuvor angeblich an diesem Vertrag beteiligt war? Der Herzog wird nicht in dem Maße politisch akzeptiert, wie er den Anschein erwecken wollte und solange er sich den Regeln der Diplomatie beugt, kann er aus dieser Sache nicht als Sieger hervorgehen. Doch der Einsatz von Söldnern gibt ihm Handlungsfreiheit und die Möglichkeit die Initiative zu ergreifen, was er mit rein diplomatischen Mitteln nicht erreichen könnte. Sein Interesse ist es diesen Vertrag publik zu machen und wenn dieser erst ein Faktum ist, arbeitet die Zeit nunmehr für ihn und gegen Dänemark und Preußen, die dann zum Handeln gezwungen wären."

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 13.06.2013, 19:47:53
Conrad atmete einmal tief durch und überlegte sich eine Reaktion auf Carls Worte sehr genau. Letztendlich entschied sich Conrad aber doch für die Wahrheit, das war er Carl einfach schuldig, da dieser selbst offen und ehrlich mit ihnen zu reden schien; trotzdem sprach Conrad zunächst einmal- vielleicht überraschenderweise- den Herrn Major an: "Erst einmal muss ich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, Herr Major von Stiehle, dass es einen ihrer Leute so schwer erwischt hat. Ich hoffe, dass Herrn Nobels Mixtur ihn noch mal vor dem Tode bewahren konnte. Für unsere beiden Fraktionen ist unser Aufenthalt auf Gut Emkendorf nun gleichermaßen gefährlich. Ich fürchte aber, dass wir leicht andere Ziele haben. Mein Gefühl sagt mir, dass Carl uns allen aus seiner Sicht die volle Wahrheit erzählt hat. Ich vertraue ihm und bei manchen Begebenheit war ich ja selbst zugegen. Wenn ich genau darüber nachdenke, hat er schon recht mit allem, was er vorgetragen hat. Sie Herr Major, Carl und ihre Männer haben daher die Wahrheit über den Grund des Besuches meiner Begleiter und von mir verdient zu erfahren: Wir wollen Schleswig und Holstein vereint sehen und unter der Herrschaft des Volkes in Form eines Parlamentes, einer Demokratie also, wissen. So habe ich jedenfalls die zwei Professoren verstanden, die mit mir kamen. Der Vertrag spielt eine entscheidende Rolle bei unserem Vorhaben. Ich bin aber gegen eine Erpressung mit einer gefälschten Urkunde. Denn es hat leider den Anschein, so wie ich Carl jedenfalls verstanden habe, dass es sich in Wirklichkeit um eine falsche Urkunde handelt. Der Gedanke einer Demokratie wird Sie sicherlich nicht begeistern, Herr Major von Stiehle, allerdings verlangen wir ja nicht von Preußen, dass es demokratisch wird. Wenn der Herzog freiwillig auf seine Machtansprüche durch den Vertrag öffentlich verzichtet und die Macht dem Volke gibt, könnte ein Krieg doch noch verhindert werden. Ein Krieg, der unnötig ist. Was meinen Sie, Herr Major? Was meinst du, Carl?"[1]    
 1. Diplomatie 29 beim Herrn Major von Stiehle. Carl ist natürlich nicht davon betroffen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 17.06.2013, 00:20:43
Samuel hörte den Ausführungen des Preußen genau zu, wobei seine Augen immer größer zu werden schienen. Mehr Zeit, ging es ihm durch den Kopf, wir hätten einfach viel mehr Zeit gebraucht. Aber noch etwas anderes ging ihm durch den Kopf. Er war überrumpelt worden. All die Rollen, die er schon ausgefüllt hatte, all das Wissen und die Beschäftigung mit Sprachen und Wissenschaften hatten ihm hier nicht helfen können. Weder hätte er den sterbenden Soldaten alleine retten können, noch hätte er etwas gegen die Attentäter ausrichten können. Er fühlte sich schwach und hilflos, trotz allem, was er an Fähigkeiten mitbrachte.

Selbst jetzt wusste er nicht, was er als nächstes tun sollte. Das Beste wäre vermutlich, den Fehler, den er mit dem Hausangestellten begangen hatte, wieder in Ordnung zu bringen - vorausgesetzt, dieser kam nicht tatsächlich mit weiteren Mördern zurück. Allem voran aber blieb in ihm das Gefühl zurück, dass etwas fehlte. Etwas in ihm - etwas, dass ihm die Hilflosigkeit nehmen konnte...

Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 17.06.2013, 20:44:20
"Die Blutung hat aufgehört, sehen Sie?" murmelte Alfred mit einem klammen Ausdruck in den Augen zu Stiehle, als er ihm das zweite Reagenz übergab. Eilig räumte er seine Utensilien zusammen und verstaute sie in der Tasche, ehe er die Verschlüsse schnappen ließ und das Binokel in seine Stirn schob. Noch immer kauerte Alfred auf den Knien am Boden des Flurs, mit einem erschöpften Stöhnen rutschte Alfred zur Wand und lehnte mit seinem Rücken dagegen. Aufrecht sitzend legte er seine Handgelenke auf die angewinkelten Knie. Mit einem ungewissen Blick nahm sich Alfred das erste Mal in den letzten Minuten Zeit, den Major direkt anzusehen. Sein Blick wanderte hoch zu Carl, der eine entsprechende Kleidung wie der Preuße trug. Die leichtsinnige Erkenntnis, dass Carl von Lütjenburg ebenfalls preußische Uniform trug und womöglich schon immer getragten hatte sorgte für Verärgerung in Alfred. Verärgerung über sich selbst, dass er den Leutnant insgeheim immer als Holsteiner wahrgenommen hatte.

"Herr von Lütjenburg, es ist schön, sie wiederzusehen. Ich wünschte nur, die Umstände wären andere. Emil?", sprach Alfred zu seinem Bruder, und deutete auf den uniformierten Studenten, "dies ist der Mann, der Dir in der Nacht der Solros das Leben gerettet hat. Und mit einem schwarfsinnigen Coup in selber Nacht vermutlich auch das meinige - wären Sie nicht gewesen, Herr von Lütjenburg, wäre ich viel eher in Emkendorf gelandet. Doch leider zeigt sich unsere Situation heute nicht wesentlich besser. Wie dem auch sei - meine Verhaftung von Ihrer Seite war ganz in meinem Sinne. Ich nehme sie ihnen nicht übel, im Gegenteil, seien Sie sich da gewiss: Der Name Nobel steht tief in Ihrer Schuld."

Ohne eine Miene zu verziehen oder eine dramatische Geste zu bedeuten sprach Alfred ehrliche Worte zu Carl. Allein die plumpe Haltung des sitzenden Schweden vermochte ihre Bedeutung zu schmälern. Doch für eine Laudatio war dies weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit.

"Herr Major von Stiehle, wenn ich richtig verstanden habe?", sprach Alfred zu dem ranghohen Preußen und reichte ihm die Hand. "Ich bin Alfred Bernhard Nobel, dies ist mein Bruder, Emil Oskar. Ich wünschte, unsere Begegnung wäre angenehm. Geben Sie ihrem Kameraden die Tinktur, sollte er wieder zu bluten beginnen. Sonst wird sie ihm nicht helfen. Der Mann braucht einen richtigen Arzt, keinen Giftmischer wie mich."

Tief atmete Alfred ein. Seine Brust hob und senkte sich wieder, während der Chemiker sich die Momente nahm, um seine Gedanken zu ordnen. Carl von Lütjenburg hatte Vieles zu erzählen. Mit einem Keuchen raffte Alfred sich auf und hob sich auf die Beine. Der Versuch, eine würdevolle Haltung anzunehmen, misslang. Alfreds Beine zitterten wie Espenlaub, sodass er sich doch wieder mit dem Rücken an die Wand lehnend sah. Geschlagen nahm der Schwede die Situation hin und begann zu sprechen.

"Es stehen zwei Vermutungen im Raum, verstehe ich dies soweit richtig? Zum einen, die Urkunde, um die es geht, sei gefälscht. Zum zweiten, die Söldner arbeiten für den selbsternannten Herzog. Ich kann die Vermutungen nur als solche belassen, aber zudem auch nachvollziehen. Sie sind ein bitterer Bestandteil der geheimen Art der Diplomatie. Verstehen Sie nun, Herr Himly, wenn ich von blinden Schlägen in Minenfelder rede?[1]"

Missgelaunt stöhnte Alfred auf und massierte in gebeugter Haltung seinen Oberschenkel.

"Herr von Lütjenburg, ich möchte die Historie um den Vertrag ergänzen. Er befindet sich - noch immer - bei mir;" bedeutete Alfred und wechselte einen fragenden Blick mit dem preußischen Major, "Doch erst Emil konnte beantworten, wie er diesen Weg gefunden hat. Wir wurden erpresst, mein Bruder und ich. Insbesondere wurde Emil in Petersburg, vor seiner Reise nach Kiel, von Erica Lavalle gezwungen das Dokument nach Schleswig zu bringen, zu Händen von General de Meza. Dänischer General. Der Name ist sicherlich ein Begriff. Lavalle hingegen sind Sie scheinbar schon begegnet, wie ich aus Herrn Rosenstocks Bericht verstehe. Hmm. Tatsächlich ist die Chance wohl hoch, dass sie sich ebenfalls noch in Emkendorf befindet."

Alfred genoss die Berichterstattung keineswegs, doch war er dennoch bemüht, eventuelle offene Fragen zu seinen knappen Ausführungen zu beantworten.

"Sehen Sie, die Forderung der Erpresser lautete, den Vertrag in dänische Hände zu bringen. Gewiss, dies könnte ein doppeltes Spiel sein, und Lavalle beabsichtigte sogar insgeheim bereits, Emils Transport abzufangen, um das Dokument wieder in Friedrichs Besitz zu befördern. Doch ist für mich nicht einfach vorstellbar, dass eine solche Farce gegenüber einer neutralen Partei wie meiner Familie gegenüber notwendig wäre. Die einfache Lösung klingt in meinen Ohren doch plausibel; der Sold in Lavalles Tasche sind vermutlich dänische Rigsdaler[2]. Doch, in einer Sache stimme ich Ihnen nach wie vor zu, Herr von Lütjenburg - der schwarze Braunschweiger macht mir Kopfzerbrechen. Seine vermeintliche Loyalität gegenüber dem Herzog und, schlimmer noch, das Vertrauen des Herzogs in dessen Person sind für mich schemenhafte Rätsel. Es... - Nein, ich möchte keine Vermutungen anstellen, die haltlos sind. Wir haben ohnehin mit den plausiblen zu kämpfen.

Sofern es um die Echtheit des Vertrages geht,. Ich kann Ihnen bezeugen, dass ein Panzerschiff unter dem schwarzem Danneborg vor einigen Nächten eine schwedische Brigg gekentert hat. Und bis auf den Vertrag befanden sich lediglich Chemikalien auf diesem Frachter, sofern Sie sich erinnern. Ich will sagen, dass zumindest die Dänen - sofern es diese gewesen sind, unter denen die Rolf Krake in See sticht - zumindestest ebenfalls von der Existens des Vertrages wissen. Dummerweise lässt dies nicht darauf schließen, ob Dänemark die Spur des Vertrages nicht aus selben Gründen verfolgt wie Preußen es auch tut. Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich darauf verzichte, eine Mutmaßung über die jeweiligen oder vielleicht sogar gemeinsamen Motive anzustellen.
"

Für ein paar Momente schwieg Alfred. Die Anwesenheit des preußischen Majors sorgte für ein Unwohl in dem Schweden. Alfred fühlte sich, als hätte er ein mächtiges Artefakt in seiner Tasche versteckt, und die Begierde der preußischen und holsteiner Dozenten griff gleichermaßen nach dem Objekt. Doch bei allem Unwohl, den die diplomatische Anspannung erzeugte, sah Alfred nun zu Himly und dessen Kollegen auf.

"Herr Himly, ich habe die Befürchtung, dass die Verhandlung mit Herzog Friedrich unerwartet erschwert worden sind. Bitte verstehen Sie meine Formulierung nicht als Beledigung, Herr von Stiehle - aber sollte der Vertrag tatsächlich gänzlich, oder gar nur teilweise eine Schöpfung aus Friedrichs Intrigen sein, dann stehen die Absichten eines einigen und freien Schleswig und Holsteins unter einem unvorteilhaften Banner. Aber erlauben Sie mir, als Außenstehender in meiner Neutralität folgende Möglichkeit in den Raum zu werfen: Was, wenn der Vertrag keine Fälschung ist? Gewiss, Preußen wüsste dies ebenso sicher wie Dänemark. Für diesen einen vielleicht unwahrscheinlichen Fall, wäre es eine bitter vergebene Gelegenheit, den Krieg mit offenen und diplomatischen Mitteln zu verhindern. Obgleich die Exekution bereits beschlossen ist. Nehmen Sie meine Meinung, mit Verlaub, als die eines Mannes, der den Frieden in Holstein lieber sehen will als das Machtgerangel der Kräfte Dänemark und Preußen:

Die Verhandlung mit Friedrich muss stattfinden. Gleich, ob die Urkunde eine Fälschung ist, oder nicht.
"
 1. Am Mittag des selben Tages (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg776343.html#msg776343) verglich Alfred die Geheimdiplomatie mit einer unkonventionellen Art der Minenräumung.
 2. Dänischer Reichstaler (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:1868_Danish_2_rigsdaler_both.png)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 20.06.2013, 21:56:23
Conrad kratzte sich etwas am Kopf, als Herr Alfred Nobel noch einmal die Geschichte mit dem Panzerschiff erwähnte und auch, dass der Vertrag an den dänischen General de Meza eigentlich gehen sollte. Conrad äußerte seine Gedanken laut, aber nicht ohne den Herrn Major vorher noch mal anzusprechen:

"Entschuldigen Sie Herr Major, aber eine Sache muss noch besprochen werden hier in dieser Runde: Kann es vielleicht sein, dass es in Dänemark zwei Fraktionen gibt? Eine Fraktion sieht irgendwelche Vorteile in der Urkunde und will in ihren Besitz gelangen. Das ist eine Fraktion, zu der General de Meza gehört. Die andere Fraktion zeigte sich in Form des Panzerschiffs mit dem schwarzen Danneborg. Die Frage ist nur, welche Dänen einen Vorteil in der Urkunde sehen und wenn dem tatsächlich so ist, warum gibt man dem Herzog nicht gleich höchstselbst diese Urkunde? Warum soll sie General de Meza erhalten? Eine Bloßstellung Friedrichs durch die Feststellung eines gefälschten Vertrages halte ich auch für unwahrscheinlich. Dafür geht man einen viel zu komplizierten Weg und man könnte dem Herzog auch auf anderem Wege schaden. Nicht durch eine Urkunde, die ihm am Ende, wenn es dumm läuft, sogar zu einem Herrscher macht, wenn sie doch den Weg in seinen Besitz findet. Überhaupt frage ich mich, warum man den Weg über die Nobelbrüder nahm. Die Söldner und diese Erica Lavalle sind ja scheinbar höchstselbst vor Ort. Warum überreichen diese die Urkunde nicht einfach selbst bei einem geheimen Treffen mit General de Meza?

Zu dem Angriff des Panzerschiffes gibt es noch eine ganz andere Frage: Warum geschah er so dermaßen nah an Kiel? Wollte man wirklich das Schiff mit dem Vertrag auf dem Meeresgrund versenken? Haben wirklich Dänen das Schiff gesteuert? Welche Intrige wird hier wirklich gespielt? Habe ich überhaupt unter diesen ganzen Gesichtspunkten mit meiner Theorie der zwei dänischen Fraktion recht? Das muss ich mir mal überlegen. Um so mehr man über das alles nachdenkt, um so verwirrender wird die Angelegenheit. Wie soll man Verhandlungen führen, wenn man durch die ganzen Intrigen nicht durchschauen kann? Ich will Holstein vor einem unschönen Dingen aller Art bewahren, aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Mir fehlt einfach wichtiges Wissen. Wir müssten unbedingt einen Söldner gefangen nehmen und ihn verhören. Oder alternativ müssten wir mit einem Schotten reden, der hier angeblich gefangen ist, wenn der Herzog es uns erlaubt natürlich. Aber am meisten wird diese Erica Lavalle noch wissen. Es wird am meisten Sinn machen, sie zu verhören. Aus dem letzten Kampf weiß ich aber, dass sie sich unsichtbar machen kann. Vielleicht kann sie sogar zaubern? Es könnte also schwierig werden, sie zu gefangen zu nehmen. Ich bin außerdem kein Meister in der Einschüchterung anderer und von Folter würde ich eher Abstand nehmen. Man müsste sich also überlegen, wie man diese Frau überhaupt zum Sprechen bringt."
 
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 21.06.2013, 15:40:11
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:20 Uhr - Gut Emkendorf

Gustav von Stiehle nickte Alfred dankbar zu, gab sich für den Moment jedoch wortkarg, während er noch immer damit beschäftigt war, die Wunde von Wittmaack zu verbinden. Auch wenn die Blutung für den Moment gestillt war, jede größere Erschütterung konnte sie wieder aufbrechen lassen und Wittmaacks Leben hing nur an einem seidenen Faden, in gewisser Weise auch von der Willkür des Augustenburger ab, so er einen Leibarzt auf dem Gut hatte oder innerhalb weniger Stunden erreichen konnte. In von Stiehles Blick schlich sich ein Ausdruck von Wut, seine Stirn furchte sich und seine Augen schienen eine Nuance dunkler zu werden. Seine Mimik war grimmig und nachdenklich zu gleich. Er schien sich sehr wohl im Klaren darüber, was diese Situation bedeutete. Er ging vor Conrad nicht darauf ein, dass es sogar mehrere seiner Leute wahrscheinlich erwischt hatte und sie nun verblutend oder bereits tot verteilt um das Gut Emkendorf liegen konnten. Während Gustav von Stiehle mit den Zähnen mahlte, machte jedoch der schmale Mann mit der ebenso schmalen Brille auf sich aufmerksam. Seine halblangen Haare lagen ob der ganzen Anstrengung etwas wirr über seinen Kopf, nur mühsam konnte er sie wieder Stück für Stück bändigen[1].

Mommsen war berühmt für seine gestrengen Einschnitte in Gespräche und unter Studenten berüchtigt für seine herrische Art, wenn es um einen Diskurs oder eine Diskussion ging. "Meine Herren! Meine Herren! Als würde die Welt aus ihnen entstehen, wenn Sie sich Ihrer annähmen und Sie zu verstehen versuchten. Es ist doch das Unglück vieler großer Männer und des kleinen Mannes sowieso, dass er sich darauf versteift, jedes Detail eines Problems kennen zu wollen, ehe er zu handeln weiß. Herr Weißdorn, ich erinnere Sie daran, dass wir dieses Thema nicht das erste Mal haben, seit wir gemeinsame Luft atmen. Aber ich möchte es gerne nochmal für alle darlegen. Kein Wesen dieser Welt, abgesehen vom lieben Gott, kann alle Informationen zur gegebenen Zeit haben und sie dann auch noch einzeln mit ihren Konsequenzen und Bedeutungen verstehen. Obzwar ich zugestehe, dass der Mensch sich dem weitestgehend, also der Perfektion, nähern sollte, sollte er sich nicht nach der Erkenntnis, dass er ihr, also der Perfektion, nicht gerecht werden kann, in oder hinter diesem Faktum verstecken und immerzu darauf pochen, dass er noch mehr Informationen und Wissen braucht, um überhaupt handeln zu können." Theodor Mommsen hatte den Zeigefinger gereckt und schien dies als eine Art Belehrung der anderen zu betrachten und seinen Ruf damit gerecht werden zu wollen. "Oder lassen Sie es mich kürzer formulieren. Sie haben Manschetten. Ja, Sie haben Manschetten! Ich will Ihnen das auch an einem plastischen Beispiel erläutern, warum Sie nicht erst jetzt versuchen sollten, alle Informationen miteinander zu verknüpfen und daraus ihr Handeln zu bestimmen." Mommsen schob die Brille mit dem gereckten Zeigefinger seinen Nasenrücken hoch und räusperte sich hörbar. "Welchen Tag haben wir heute? Den 7. Dezember, richtig? Wissen Sie, welche berühmte, aber doch sehr tragische Persönlichkeit an einem 7. Dezember das Zeitliche segnete? Es war die Kichererbse unter den Rhetoren und Rhetorikern höchstselbst. Am 7. Dezember 43 vor Christi Geburt starb er, der wohl die Fähigkeit besaß, offene Türen einzurennen und die Chancen zu sehen - Sie gleichen ihm fast alle ungemein deutlich  - aber doch ein Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht war. Er hatte zwar grobe Ziele formuliert, wie den Erhalt der Republik, gleichwohl waren sie nicht mehr die Bestimmung einer offenen Tür in einer Zeit, in der ein Caesar[2] die Macht auf sich vereinte. Ich rede natürlich von Cicero[3]. Er war immer darum bemüht, über alles informiert zu sein, alles zu verstehen und zu durchdringen und er ließ sich durch seine Helfer und Sklaven Unmengen an Informationen sammeln, doch machte es seine Entscheidungen besser? Nein, denn Cicero kam in den großen Krisen gar nicht zu einer Entscheidung. Und was bedeutete dies? Zwar überlebte Cicero Caesar, jedoch nur um ein Jahr, denn er wurde von Caesars alten Verbündeten, auch weil Oktavian[4] die Seite wechselte, getötet und zwar sehr übel zugerichtet, will ich meinen. Am 7. Dezember 43 v. Chr. wurde er auf Geheiß von Mark Anton[5] auf der Flucht getötet. Sein Leichnam wurde verstümmelt durch die Straßen Roms geschleift, Kopf und Hände wurden auf den Rostra[6] am Forum Romanum ausgestellt.  Dasselbe passierte mit Ciceros Bruder und dessen Sohn!" Mommsen blickte jetzt vielsagend zu den beiden Nobels. "Verstehen Sie mich nicht falsch. Cicero ist ein beeindruckender Redner gewesen, doch er war handlungsfeige. All seine Informationen waren am Ende nur dazu da, einen Feind rhetorisch zu schlagen. Doch damit ist große Politik nicht getan, schon gar nicht, wenn ein System zu kippen droht." Mommsen Worte hörten sich wie eine unheilvolle Drohung an. Abermals rückte er wieder seine Brille zurecht.
"Was ich also stattdessen vorschlage ist, dass wir uns auf einen groben Ablauf einigen und diesen dann verfolgen. Jedoch nicht - verstehen Sie mich nicht falsch - sklavisch, sondern mit einem offenen Auge und mit der Bereitschaft die Details zu verändern und auf Entwicklungen einzugehen. Vielleicht haben Sie es eben nicht mitbekommen, aber da draußen sind Söldner, die uns ans Leder wollen. Wenn wir keine Entscheidung herbeibringen, wird dieses Ganze gegen uns laufen. Und deshalb sage ich, dass wir mit dem Herzog reden und ihn dazu bringen, dass er zum Wohle Schleswig-Holsteins seine Macht einem unabhängigen Parlament übergibt und nur noch kommissarisch als Herzog agiert bis die Wahlen abgeschlossen sind. Denn die Situation ist ja nun diese, dass die Bundesexekution[7] nicht gegen Herzog Friedrich[8] gerichtet ist, sondern gegen König Christian von Dänemark[9] und seine Novemberverfassung[10]. Dass Herr von Stiehle sich hier eingefunden hat, wird eher an dem Punkt liegen, dass Preußen das Londoner Protokoll[11] zu verteidigen glaubt und im Zuge dessen dürfen sie Herzog Friedrich nicht dulden, denn nach dem Londoner Protokoll ist Christian Herzog von Holstein und damit Teil des Deutschen Bundes[12] - deswegen funktioniert die Bundesexekution ja. Wenn Österreich und Preußen sich also als Verteidiger des Protokolls wähnen, ist Herzog Friedrich ein Dorn im Auge der beiden Mächte. Und demnach wäre eine Machtabtretung des Herzogs an das holsteinische Volk problematisch, weil es aus preußischer Sicht illegitim wäre, da der Herzog ja nach dem Londoner Protokoll hier keine Handhabe hat." Mommsen schaute jetzt Major von Stiehle eindringlich an und zeigte bei jeder Erwähnung Preußens mit dem Zeigefinger auf ihn. "Preußens Problem ist jetzt aber, wenn sie tatsächlich am Vertrag beteiligt sind, verlieren sie selbst ihre Legitimation das Londoner Protokoll zu verteidigen, weil sie es bereits selbst mit Füßen getreten haben. Wenn sie nicht daran beteiligt sind, es aber publik werden sollte...," Mommsen verschwieg an dieser Stelle, dass Nobel, Weißdorn, Rosenstock und die Professoren die Veröffentlichung längst in die Wege geleitet hatten[13], "...würde Preußen auch innerhalb des Deutschen Bundes mit Zweifeln an der Legitimität ihres Handelns konfrontiert werden. Gleichwohl werden die Schleswiger[14], welche unter dänischer Knute leiden, dann den Willen entwickeln, sich mit ihren Holsteiner Brüdern[15] zusammenzutun. Schleswig wird schlussendlich unter der Bundesexekution, da Christian die Novemberverfassung aus politischen Gründen wegen der Eiderdänen[16] nicht zurücknehmen können wird, wenn er seinen Thron nicht opfern will, aus dänischer Hand befreit werden. Nicht nur, dass die Dänen eine Danisierung Schleswigs wollen und sie zur sprachlicher Konformität zwingen, sie nehmen ihnen auch ihre relative, politische Autonomität, welche ihnen zusteht als eigenständiges Herzogtum. Das weiß auch der Augustenburger Herzog und erhebt deswegen Ansprüche, neben seiner dynastischen Verbindung, auf beide Herzogtümer. Da er auf beide einen rechtmäßigen Anspruch hat, der durch dieses künstliche Londoner Protokoll zugunsten Christians überschrieben ist und deswegen für Preußen und Österreich nicht gilt, wird er auch ein umfassendes Parlament für beide Herzogtümer berufen können und Schleswig und Holstein können, wie es die Handfeste von Ripen[17] schon vorsah, endlich ein gemeinsames Land sein! Friedrich hat selbst im Übrigen im Schleswig-Holstein-Krieg gekämpft, genauso wie sein Vater[18]. Wir wissen also seine Taten für Schleswig-Holstein zu schätzen. Wir sind nur der Meinung, dass ein Volkswille den politischen Machenschaften der außenstehenden, repressiven Staaten besser trutzen kann."

Mommsen war noch immer im Inbegriff seine Ausführungen fortzuführen, doch Major von Stiehle war aufgesprungen und musterte Mommsen abfällig. "Professor Theodor Mommsen, dafür, dass Sie in Berlin auf einem Lehrstuhl für römische Altertumskunde sitzen, erdreisten Sie sich aber eindeutig zu viel, wenn Sie mit Ihren Worten zwischen den Zeilen andeuten, dass Preußen genauso einen Grund hätte die Söldner einzusetzen wie Dänemark oder der Augustenburger selbst. Sie sollten es besser wissen, dass Preußen nicht so zynisch ist, eigene Soldaten gegen Söldner in den Tod zu schicken." Erbost deutete Stiehle auf den mit dem Tod ringenden Wittmaack. "Ebenso ist es widersinnig zu glauben, dass unsere Verpflichtung dem Londoner Protokoll gegenüber Ungemach für die Herzogtümer Schleswig und Holstein bedeutet. Preußen ist nach dem Londoner Prokoll vor Ort, um die Autonomität im Rahmen der internationalen Beschlüsse dieser Herzogtümer zu erhalten. Schleswig ist nicht dänisch und es soll nicht dänisch werden. Genauso richtig ist es, den Augustenburger darüber zu informieren, dass seine Selbsterklärung nun Herzog zu sein, nach dem Londoner Protokoll widerrechtlich ist. Da hilft auch nicht die Erklärung, dass die Dänen mit der Novemberverfassung zuerst das Protokoll gebrochen haben, welches ihnen eigentlich die Herzogswürde übergibt statt dem Augustenburger. Ich kann Ihr Feuer für den liberalen Gedanken nachvollziehen, Professor Mommsen, aber es geht hier nicht darum, dass wir an diesem Ort bestimmen, wer nun der legitime Herrscher der Herzogtümer Schleswig und Holsteins ist, völlig unabhängig davon, ob dies nun Christian, Friedrich oder das Volk ist. Was wir hier erleben ist folgendes Szenario: Dänemark hat das Londoner Protokoll gebrochen und Preußen wird es zusammen mit dem Deutschen Bund verteidigen. Im Sinne des Londoner Protokolls sind wir hierhin gereist, um den selbsternannten Herzog an sein Pflichten, Gebote und Verbote zu erinnern. Gleichzeitig hat sich das Unglück dieses gefälschten Vertrages entwickelt und jetzt kann es nur im Sinne Preußens, des Deutschen Bundes und auch Dänemarks sein, diese Frage aufzuklären. Wir haben hier die Involvierung von Söldner. Ein Zustand, der nicht tragbar ist. Diplomaten - meine Männer sind Diplomaten - sind widerrechtlich angegriffen und erschossen wurden[19]. Diese Söldner handeln abseits der Konventionen, haben scheinbar unbescholtene Bürger fremder Staaten hier mit reingezogen, um sich hinter deren Schicksalen zu verstecken. Das ist feige und es muss unsere entschiedenste Handlung sein, herauszufinden, wer die Söldner mit so viel Macht und Möglichkeiten ausgestattet hat, dass sie in den Besitz eines solchen Vertrages kommen und/oder ihn so glaubhaft fälschen können, dass er uns politisch in die Bredouille bringen kann. Darüber dürfen wir die politischen Notwendigkeiten des Momentes, die Bundesexekution und die unrechtmäßige Machtnahme Friedrichs, nicht außer Acht lassen. Und dementsprechend bitte ich Sie, Herr Nobel, mir den Vertrag zu überreichen oder die Echtheit des Vertrages mit unserer Anwesenheit überprüfen zu lassen. Machen Sie diesem Spuk ein Ende und helfen Sie uns die Hintermänner zu finden.
Preußen wird jetzt so oder so an der Unterredung mit dem Herzog teilnehmen. Das ist eine unerhörte Sache und im Gespräch mit dem Herzog wird sich ja ergeben, ob die Söldner in seinen Diensten stehen oder nicht."

Von Stiehle kniete sich wieder neben Wittmaack und überprüfte dessen Gesundheitszustand, um dann Conrad zu antworten. "Ich betone nochmal, dass Preußen letztendlich nicht darüber bestimmen wird, wer aus preußischer Sicht die Herrschaftslegitimation hat. Das ist eine Frage, die der Deutsche Bund zu beantworten hat. Preußen wird den norddeutschen Völkern nicht vorschreiben, wie sie zu wählen haben. Gleichwohl werden wir das Londoner Protokoll verteidigen. In was für eine Welt lebten wir, wenn wir Gesetze und Erlässe veröffentlichten, nur um sie bei nächstbester Gelegenheit zu brechen? Ich erinnere daran, dass Preußen 1848-51[20] bereits auf Seiten Schleswig und Holsteins stand, aber jetzt erinnere ich daran, dass wenn Schleswig-Holstein einen Weg in die selbstgewählte Autonomie - in Grenzen und nur unter dem Schirm des Deutschen Bundes! - einschlagen will, die Herrschaften gewitzt und ehrlich genug sein sollte, und einen legalen Weg einschlagen sollten und sich nicht als Nachfolger eines illegitimen Herrschers aufspielen sollten.
Ein Krieg jedoch, er kann an dieser Stelle nicht verhindert werden. Der Augustenburger ist viel zu unwichtig, um dies zu beeinflussen. Ob es Krieg gibt oder nicht, dass liegt ganz alleine an Dänemark. Der selbsternannte Herzog hat in Holstein zumindest nichtmal Zugriff auf eigene Truppen, wie es scheint. Die Bundesexekution richtet sich gegen Dänemark. Was Sie aber mit der Herausgabe des Vertrages bezwecken können, ist, dass wir diesen Konflikt nicht unnötig kompliziert machen und wenn Preußens Ansehen in dieser Frage nicht geschädigt würde durch Lügen und der selbsternannte Herzog und die freiheitsliebenden Holsteiner und Schleswiger sich kooperativ zeigten, dann wird Preußen sich im Deutschen Bund nicht gegen einen Antrag der Abdankung Christians IX. als Herzog von Schleswig und Holstein wehren und wenn die beiden Herzogtümer mit allen dazugehörigen kleinen Unterherzogtümern - Stormarn, Dithmarschen und dergleichen[21] - ein überzeugendes Konzept darlegen und davon auszugehen ist, dass der Konflikt mit Dänemark nicht sofort wieder losbricht, wird Preußen sicher auch für einen solchen Vorstoß votieren. Gleichwohl wäre Preußens Stimme sicher von geringerer Kraft, wenn der Vertrag in falsche Hände geriete oder seinen Weg in die Öffentlichkeit fände, wenn wir ihn nicht alsbald als die Fälschung entlarven können, die er ist."


Carl Himly massierte bei diesem engagierten Austausch zuerst lediglich seine Schläfen. Sein Gesicht drückte eine gewisse Verdrossenheit aus, er übernahm dann die Antwort, welche Conrad vom Major erhofft hatte. "Ja, es gibt in Dänemark zwei oder gar mehrere Fraktionen." Himly wirkte müde. Das Bevorstehende schien ihn große Sorgen zu machen, zumal es jetzt zumindest zwei Varianten geben mochte, wie gehandelt wurde. Zugunsten Preußens oder doch gegen Preußen, aber beides endete in der Überzeugung des Herzogs? Himly wusste, dass die ganze Frage noch komplexer war. "Das war schon '48-'51 so. Es gibt die Eiderdänen, welche wollen, dass dänische Recht bis zur Eider gilt. Sie sind maßgeblich an der Novemberverfassung beteiligt. Auf der anderen Seite gibt es die gemäßigten Dänen, welche sich von den Großreichsansprüchen Dänemarks, die lange zurückliegen, verabschiedet haben und auch die deutsche Kultur, so man sie so bezeichnen mag, zu schätzen wissen. Interessanterweise gilt Christian IX. selbst als Freund der deutschen Kultur. Er soll fließend deutsch sprechen und sich der dänischen Sprache erwähnen, während man gerne sagt, dass Friedrich im Herzen eigentlich eher Däne sei, aber sich mit der politischen Situation arrangiert hätte und deswegen Schleswig-Holstein vertrete. Christian sind aber durch seine relativ frische Thronbesteigung die Hände noch weitestgehend gebunden und der Einfluss der Eiderdänen ist stark. Ich denke auch, dass es gut möglich ist, dass man deswegen de Meza[22] den Vertrag übergeben möchte. Außerdem ist er bereits im Herzogtum Schleswig und wäre leichter zu erreichen. Welchen Vorteil wer sieht, kann ich aber auch nicht sagen." Himly nahm seine kleine Brille ab und rieb sich seufzend die Augen. "Ich kann sagen, dass es definitiv nicht nur um Geld gehen kann, denn dazu ist die ganze Organisation der Urkunde und dergleichen zu defizil. Ich kann mir aber vorstellen, dass irgendeiner oder vielleicht sogar mehrere beteiligte Parteien doppeltes Spiel treiben, um sich alle Möglichkeiten offenzuhalten. Deswegen denke ich auch, dass der Vertrag echt ist. Eine solches Spiel aufgrund einer gefälschten Kopie auszufechten, das wäre viel zu gefährlich und törricht, weil sich einfach alle Vertragspartner davon entfernen könnten, wenn es brenzlig würde und dann würde der Augustenburger mit seiner Aussage alleine dastehen. Warum sie aber so einen ungewöhnlichen Weg über die Nobels nahm? Das ist eine wirklich schwierige Frage. Daher würde ich als reine Spekulation sagen, dass die Verträge wirklich gestohlen wurden sind, wie der Herzog wohl verkünden ließ. Dadurch wurde der Vorgang der Vertragsschließung gestört." Himly blickte zögernd zum Preußen von Stiehle und zu von Lütjenburg. "Es ist in die Hände der Söldner gekommen. Jetzt denke ich, dass die Söldner unter Druck geraten sind, weil ihnen klar wurde, wieviel der Vertrag eigentlich wert sein könnte. Dabei sind sie in Verhandlungen getreten, wahrscheinlich mit allen Parteien. Preußen, Dänemark und dem Augustenburger vor allen Dingen. Wahrscheinlich sind die Verhandlungen mit den Dänen und den Preußen schief gegangen, der Augustenburger hat es als beste Variante angesehen, seine Ansprüche zu schützen, und hat sich auf die Söldner eingelassen. Weil die Situation für die Söldner jedoch zu gefährlich wurde, und vielleicht auch weil Gier sie zerstritt, mussten sie unauffälligere Wege suchen und sind dann bei den Nobels gelandet. Die Umstände kann ich nicht rekonstruieren, aber das erscheint mir eine Möglichkeit, gerade nach Herrn von Lütjenburgs Worten. Aber das ist natürlich auch nur eine Annäherung wahrscheinlich. Ich weiß ganz ehrlich nicht, ob die Situation so einfach ist, wie Herr Mommsen oder Herr von Stiehle sie gern hätten." Himly hörte auf sich die Augen zu reiben und setzte die Brille wieder auf. "Aber wir sollten dennoch bald in die Verhandlungen übergehen. Vielleicht erreichen wir einfach etwas mit Offenheit. Herr Nobel hat angemerkt, dass wir hier im Sumpf der Geheimdiplomatie[23] stecken. Vielleicht rechnet keiner damit, wenn wir einfach mal offen verhandeln und versuchen, die ganzen Ideen aufzudecken?"

Die Frage schien im Raum stehen zu bleiben, welcher dann von einer gewissen Stille heimgesucht wurde, die nur manchmal vom draußen pfeifenden Wind und dem leichten Röcheln Wittmaacks durchschnitten wurde, während alle Anwesenden sich eingehend musterten. Doch dann erhob Emil nochmal das Wort und verkündete mit geballter Faust. "Das ist alles komplex und verwirrend. Aber wir können es aufklären. Doch eines ist sicher. Wir besitzen den Vertrag, wir behalten ihn und bestimmen den Kurs, bis wir sicher aus diesem Schlamassel sind!"
 1. 
Mommsen im Jahr 1863 (Anzeigen)
 2. Gaius Julius Cäsar (http://de.wikipedia.org/wiki/Gaius_Iulius_Caesar)
 3. Marcus Tullius Cicero (http://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Tullius_Cicero) - Die Aussage Mommsens über Cicero, dass er ein Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht war, ist eine tatsächliche Aussage Mommsens.
 4. Gaius Octavius (http://de.wikipedia.org/wiki/Oktavian), später Kaiser Augustus
 5. Mark Anton (http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Anton)
 6. Die Rostra (http://de.wikipedia.org/wiki/Rostra) sind die Rednerplattformen. Mark Anton hatte einen Sinn für zynische Taten.
 7. Zur Erinnerung: Bundexekution (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesexekution)
 8. Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_VIII._von_Schleswig-Holstein)
 9. Christian IX. (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_IX.)
 10. Novemberverfassung (http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberverfassung)
 11. Londoner Protokoll von 1852 (http://de.wikipedia.org/wiki/Londoner_Protokoll_(1852))
 12. Deutscher Bund (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bund)
 13. Siehe in dem Beitrag (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg779915.html#msg779915), der etwas mehr als ein Jahr zurückliegt. :)
 14. Herzogtum Schleswig (http://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Schleswig)
 15. Herzogtum Holstein (http://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Holstein)
 16. Eiderdänen (http://de.wikipedia.org/wiki/Eiderdänen)
 17. Vertrag von Ripen (http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Ripen)
 18. Christian August von Augustenburg (http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_August_von_Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg_(1798–1869))
 19. Diplomaten (http://de.wikipedia.org/wiki/Diplomat) haben Sonderrechte in ihrer Behandlung. Ein Angriff auf ein Diplomat gilt beispielsweise meist als Angriff auf den von ihm vertretenen Herrscher oder Staat im Rechtssinne.
 20. Schleswig-Holsteinischer Krieg (https://de.wikipedia.org/wiki/Schleswig-Holsteinischer_Krieg_(1848–1851))
 21. Die politische Karte Schleswig-Holsteins in dieser Zeit ist sehr komplex.
 22. Christian Julius de Meza (https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Julius_de_Meza)
 23. Geheimdiplomatie (http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimdiplomatie)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 21.06.2013, 23:13:37
Carl sah Conrad an "Nein Conrad, was Major von Stiehle sagt stimmt. Die Bundesexekution wird nun ausgeführt werden. Wenn wir hier heil rauskommen, werde ich mich sofort bei meinem Regiment melden und dann gegen die Dänen ziehen. Ein Krieg wird kommen, das ist nicht mehr aufzuhalten."  Er runzelte leicht die Stirn und blickte seinen Freund skeptisch an "Eine Demokratie, Conrad? Versteh mich nicht falsch, aber so, wie du das erzählst muss ich dich einfach fragen: Ist dies auch dein Wunsch, oder nur der, deiner Begleiter?" Carl blickte kurz in die Runde, seine Wortwahl machten deutlich, dass er wohl kein Demokrat war, aber sein ruhiger Tonfall zeigte auch, dass er diesen Ideen nicht vollends feindseelig gegenüber stand. Dann wandte er sich Alfred und Emil zu.
"Dann bin ich beruhigt, Herr Nobel, dass Sie mir nichts nachtragen." Er lachte ein wenig und etwas Unbekümmertheit kehrte dabei in sein Gesicht zurück, "Und was die Lebensretterei angeht, glaube ich, dass ich das nicht alleine getan habe. Schuldig sind Sie mir jedenfalls nichts, und wenn doch haben Sie es mit der Rettung meines Kameraden mehr als wett gemacht, mein Freund.  Ich danke Ihnen dafür."


"Also fassen wir nun alles zusammen, was uns bekannt ist: Der Vertrag lag zur Kopie beim Scriptor des Herzogs vor, dies war nur wenigen Menschen bekannt. Also befand sich ein Verräter innerhalb der Reihen des Herzogs. Marius Pedersen hat aus seiner Gesinnung gegenüber den Ansprüchen des Herzogs nie einen Hehl gemacht. Es war also absehbar was passieren würde, wenn man ihm von dem Vertrag und seinem Aufenthaltsort berichten würde.

Der Vertrag wurde Marius abgenommen von den Söldnern abgenommen, nachdem er ihn gestohlen hatte, und - vielleicht auf Umwegen - nach Petersburg verbracht. Was wir nicht wissen ist, warum gerade dorthin und warum überhaupt weg vom Ort des Geschehens? Um es simpel zu gestalten, nehmen wir an, dass Pflaster wurde aus irgendeinem Grunde zu heiß, vielleicht gab es ja tatsächlich einen Streit unter den Söldnern oder Unstimmigkeiten mit ihrem Auftraggeber.  Dass der Vertrag schließlich in Petersburg gelandet ist, war vielleicht nicht von vornherein geplant, jedoch musste er, als die Angelegenheiten hier dann doch geklärt werden konnten, wieder nach Kiel gebracht werden. Die Theorie, dass die Söldner sowohl mit Dänen als auch mit Friedrich von Augustenburg verhandelt haben passt gut in diese Situation und erklärt, warum die man einen Außenstehenden als Kurier missbrauchte. Viele waren nun hinter dem Vertrag her und alle wussten, dass die Söldner ihn besitzen, also konnten diese sich nicht so frei bewegen, wie der unglückliche Emil Nobel. Warum es aber Emil Nobel traf ist eine weitere Frage. Nach allem was ich gehört habe, gehe ich davon aus, dass Sie hier ein chemisches Unternehmen gründen wollen, Herr Nobel? Worum geht es dabei genau? Wäre es von Interesse für den Machterhalt eines frisch geeinten Schleswig-Holsteins, wenn man Sie und Ihren Bruder im Griff hätte?
Sollte der Vertrag de Meza tatsächlich erreichen oder blieben die Söldner ihrer schon vormals erfolgreich eingesetzten Taktik treu und planten Emil einfach zu überfallen? Doch es kam anders und die Solros mitsamt Emil Nobels und des Vertrages wurden von einem beinahe taufrischen Kriegsschiff der Dänen angegriffen. Die Dänen schienen sich nicht darum zu scheren ob man sie als solche identifizieren könnte oder nicht und griffen die Solros im Kieler Hafen vor aller Augen an. Woraus ich noch nicht schlau werde ist die Geschichte mit dem schwarzen Danebrog. Das muss ebenfalls ein symbolischer Akt gewesen sein, wenn wir uns daraus einen Reim machen könnten, wären wir ein gutes Stück weiter, wenn es darum geht nicht nur die Namen sondern auch die Couleur aller Interessensgruppen..."


Carl unterbrach sich abrupt und machte ein so erstauntes Gesicht, als wären Ministerpräsident Bismarck und König Wilhelm persönlich so eben durch die Türe geschritten. Nicht nur die Namen? brauste es wie Donnerhall durch seine Gedanken, als hätte ein Anderer es ihm eingeflüstert . Warum ist mir das nicht schon damals aufgefallen? , ärgerte er sich, was für alle Anwesenden deutlich an den zusammengezogenen Augenbrauen und den schmal gewordenen Lippen zu erkennen. Der junge Preuße erlangte seine Haltung jedoch rasch zurück und blickte sich räuspernd um.

"Wenn ich mich recht erinnere haben auf dem Vertrag vier vermeintliche Unterschriften geprangt. Die von Friedrich von Augustenburg, die von zwei dänischen Königen und die eines preußischen Diplomaten, der eigentlich in italienischen Landen weilen sollte... Ich bin beileibe kein Diplomat, auch wenn ich seit den letzten Tagen mehr über dieses Narrenspiel gelernt habe als in meinem ganzen Leben, und so korrigieren Sie, meine Herren, mich bitte, sollte ich mich irren, aber sind diese Urkunden - Dokumente, wie dieses sind ja mehr als ein bloßer Pachtvertrag oder dergleichen, sondern ein Vertrag von historischem Ausmaß - sind Urkunden dieses Kalibers nicht viel wichtiger in ihrem Aussehen? Ich meine, wir finden dort vier Unterschriften, vier Namen, zu denen ein jeder ein Siegel besitzt, doch besiegelt wurde das Ganze nur von demjenigen, der auch den Haftbefehl gegen unsere Freunde, die Nobels ausgestellt hat!" Carl wirkte als begreife er selbst erst, was er da so lang und breit zusammenfasste. "Von Augustenburg ließ den Vertrag fälschen, jemand verriet ihn und brachte Marius dazu ihn zu stehlen. Die Söldner nahmen Marius den Vertrag ab, allerdings gab es Probleme, so dass sich mindestens zwei Lager bildeten. Der Vertrag wurde in temporäre Sicherheit ins Ausland - Petersburg - gebracht. Als die Söldner, die uns gerade beschossen haben, sich gegen ihre Waffenbrüder durchgesetzt hatten, schafften sie den Vertrag - mit Hilfe in Gestalt von Emil Nobel - wieder nach Kiel, um ihm zu Gold zu machen. Nach Kiel, nicht nach Kopenhagen oder sonst wohin, denn hier sitzt der Mann, der bereit ist dafür zu zahlen, dass die Fälschung wieder in seine Hände kommt."

Carl hatte sich ein wenig heiser geredet und die letzten Worte waren schon von einem deutlichen Krächzen begleitet. Er räusperte sich kurz und setzte mit nun wieder klarer Stimme an: "Können Sie meine Theorie widerlegen? Einiges wissen wir noch nicht, doch ich glaube wir sind schon sehr nah an der Wirklichkeit angelangt." Es war eine kleine Herausforderung eines kleinen Leutnants an die namhaften Professoren, aber Carl wurde alsbald ernst als er ungewöhnlich leise fortfuhr.
"Wie ich schon sagte geht es bald gegen die Dänen. Ich kann selbst dafür Sorge tragen, dass die Heimat meiner Väter nicht mehr von einem Dänen regiert wird. Ich bin vielleicht kein Freund einer Volksvertretung, aber nachdem ich all dies weiß, möchte ich lieber vor Flensburg fallen, als dass dieses Land von einem Lügner und Betrüger regiert wird. Wenn Sie also ein demokratisch geprägtes Schleswig-Holstein durchsetzen wollen, dann kann ich Sie nicht davon abhalten. Aber ich bitte Sie, vertrauen Sie auf Preußen, Sie haben ja gerade eine vernünftige Zusicherung bekommen. Setzen sie die Ehre dieses Landes und seiner Menschen nicht dem Makel aus, den der Weg über Herrn von Augustenburg mit sich bringt."[1]
 1. Diplomatie: 7
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 30.06.2013, 18:24:57
Conrad war etwas hin- und hergerissen, was er machen sollte. Allerdings hatte Major von Stiehle und auch Carl recht. Ein Krieg war vermutlich doch nicht mehr zu verhindern durch diesen gefälschten Vertrag. Es musste auch unbedingt eine Richtigstellung bei der Presse geben. Vielleicht wurde etwas falsches getan. Conrad wollte sich auch letztendlich nicht selbst widersprechen. Einerseits kritisierte er einen Herzog, der womöglich unehrenhaft war und gleichzeitig dachte er an ein geeintes Schleswig-Holstein durch einen gefälschten Vertrag. Das konnte Conrad nicht länger ertragen und er war gewillt Major von Stiehle das Schriftstück zu übergeben.

In die Runde sagte Conrad dann: "Herr Nobel, sind Sie gewillt Herrn Major von Stiehle den vermutlich gefälschten Vertrag zu übergeben? Der Herr Major und auch Carl haben mit ihren Aussagen durchaus recht. Ich will auch nicht länger Wasser predigen und Wein trinken. Ich habe es mir gut überlegt und mit dieser Unehrenhaftigkeit mit einem gefälschten Vertrag etwas erreichen zu wollen, kann ich doch nicht leben. Dann hätte ich nämlich auch gar keine Berechtigung ein unehrenhaftes Verhalten Herrn von Augustenburgs zu kritisieren und hätte meinen Mund zu voll genommen."

Dann wandte sich Conrad konkret an Carl: "Um ganz ehrlich zu sein Carl, muss ich selbst keine Demokratie unbedingt haben. Sie könnte in einem kleineren Rahmen als bei der 1848er Revolution durchaus funktionieren und ich stehe den Wünschen der Professoren nicht allzu kritisch entgegen. Konservative Kräfte und der Adel können auch einen Platz in der Demokratie haben genauso wie Liberale. Eine Demokratie muss Platz für viele Stimmen haben und wandelbar sein, aber das ist nur meine Meinung zu solch einem Konstrukt. Was ich mir vor allem wünschen würde, wäre ein geeintes, unabhängiges Schleswig-Holstein. Die Worte des Herrn Majors stimmen mich durchaus zufrieden. Dieser Vertrag soll an ihn gehen und wer auch immer einen seiner Männer- bzw. eurer Männer- verwundet hat, wird sich dafür rechtfertigen müssen. Falls die Söldner nun zu Herrn von Augustenburg gehören, muss dieser für ihre Taten gerade stehen. Ich bin kein Student der Rechtswissenschaften, aber ich finde schon, dass ihre Taten ihm zurechenbar sind, wenn sie mit ihm unter einer Decke stecken."   
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 02.07.2013, 01:00:01
Es war nicht mehr als ein skeptischer Blick, zu welchem Alfred Nobel sich in diesem Moment bewegen konnte. Noch immer lehnte der Chemiker an der Wand, stützte seine Hände auf die Oberschenkel und wirkte, als wäre er Meilen gerannt, als könne er vor Erschöpfung kaum stehen. Doch war es schon lange nicht mehr das Adrenalin oder die physische Anstrengung, die an den Kräften des Schweden zehrten. Es waren die letzten Worte des preußischen Leutnants, die Alfred in eine ungläubige Starre versetzten.

"Ich verstehe," begann Alfred also langsam den Gedanken Carls zusammenzufassen, "dass - sollte sich der Vertrag als Fälschung herausstellen - Ihre Erklärungen für die Beweggründe der Ereignisse letzter Tage sich als nachvollziehbar erweisen, Herr von Lütjenburg."

Mit einem gekränkten Gesichtsausdruck lehnte sich Alfred zu seiner Tasche und griff sein Laborbuch heraus, um mit einem schnellen Griff das zusammengefaltete Dokument aus seinem Versteck zu befördern.

"Aber ich kann nicht glauben," sprach Alfred weiter, als er die Urkunde aufklappte, "dass ein anstrebender Staatsmann, ein vermeintlicher Herzog ein solches Mittel missbrauchen kann, ungeachtet der Konsequenzen, mit welchen - "

Abrupt verstummte Alfred, als er den Vertrag wieder vor Augen hatte. Er konnte nicht mehr zählen, wie oft er dieses vermaledeite Stück Papier in den letzten Tagen ausgefaltet und durchgelesen hatte, und obwohl die Worte sich ihm fast schon ins Gehirn gebrannt hatten, stockte er beim Anblick des förmlichen Dokumentes. Es war, wie Carl gesagt hatte.

"Die Siegel fehlen," bestätigte Alfred die Erinnerung des Leutnants, und blickte für einen Moment lang stumm auf den Vertrag. "Dies ist tatsächlich nur das Siegel des Herzogs... das selbe Signet befand sich auf dem Haftbefehl auf Emils und meinen Namen.[1]"

Unschlüssig rieb sich Alfred die Stirn mit den Fingerspitzen, als er über die plötzliche Erkenntnis des Leutnants nachtdachte. Vorsichtig reichte er Himly und dessen Kollegen das Dokument. Wie konnte es sein, dass Alfred und den Holsteinern das fehlende dänische Siegel nicht aufgefallen war? War es der Schreck des Momentes[2], der Wunschgedanke auf eine Lösung der schleswig-holsteinischen Frage gewesen, der die Gelehrten geblendet hatte?

"Ihre Erinnerung und Auffassungsgabe ist bemerkenswert, Herr von Lütjenburg" fand Alfred seine Stimme wieder und blickte Carl unschlüssig an, "aber sehen Sie, ob dieser Vertrag eine Fälschung ist oder nicht, mag ich nach wie vor nicht zu sagen - aber nichtsdestotrotz ist dieser vor allen Dingen ungültig! Es fehlt das dänische Siegel, um die dänische Anordnung des Verzichts rechtsam und als gültig zu bestätigen. Somit ist dieses Dokument in seiner Funktion - ganz gleich ob gefälscht oder rechtmäßig - unvollständig! Es besteht natürlich die Frage, ob eine Fälschung oder eine rechtmäßige Unterzeichnung unterbrochen wurde, doch ich habe insgeheim den Eindruck, dass sich die Herren mittlerweile auf eine gewisse Vermutung stützen."

Vielsagend blickte Alfred von Major Stiehle zu Carl, von Conrad zu Himly, von Mommsen zu Samuel.

"Aber Ihre Theorie klingt, gelinde gesagt, Herr von Lütjenburg, plausibel. Wissen Sie, ich habe in meinen Gedanken zwei Fehler gemacht: Zum Einen habe ich wohl auf die Aufrichtigkeit des Augustenburgers gegenüber seinem Volk, und zum Zweiten die Loyalität seiner Söldner zu ihm überschätzt. Hm. Doch wenn ich so darüber nachdenke, ist es wohl doch beidermaßen ein und der selbe Fehler, finden Sie nicht auch?"

Tief seufzte Alfred auf. Carls Theorie klang unter den vorgestellten Umständen sehr glaubhaft. Alfred fiel es nicht schwer, sich vorzustellen, dass Lavalle und ihre Männer unter Umständen selbst Vertragsbruch begingen, für den Fall, dass der Augustenburger sie eingestellt haben sollte. Schließlich ließ sich die Loyalität eines Söldners nur mit Geld gewinnen.

"Herr Rosenstock, unsere Zwecke sind durch unsere Kenntnis der Fragwürdigkeit unserer Mittel nicht mehr oder weniger ehrenhaft. Sehen Sie, als wir gemeinsam aus Kiel nach Emkendorf aufbrachen, waren unsere Absichten beflügelt von einer Aussicht auf Unabhängigkeit und Einigkeit Schleswig-Holsteins - zu Recht, möchte ich sagen, schließlich befand sich in unseren Händen ein vermeintliches Versprechen für ein solches Ereignis. Doch mittlerweile wissen wir mehr: Das scheinbare Versprechen ist in dieser Form ungültig, und der vermeintliche Herzog nicht rechtmäßig. In einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Auf diesem Weg wird sich ein einig Schleswig-Holstein nicht finden lassen. Vielmehr haben Sie den Herrn Major gehört, die Bundesexekution gegebnüber Holstein ist beschlossen; in diesem Maße ist es nur eine Frage der Zeit, bis Friedrich sein nicht gestimmtes Herzogtum verlieren wird. Dennoch,"

Ächzend raffte Alfred sich auf und versuchte, Haltung anzunehmen. Er wusste noch viel weniger, was ihnen bevorstand, als er vor einigen Stunden zur Reise nach Emkendorf zugestimmt hatte. Doch seine Absichten waren noch immer die selben: Er war bereit, seinen Teil zu leisten. Doch vermütlich würde es sich wohl erst im Nachhinein herauskristallisieren, wozu Alfred Nobel tatsächlich beigetragen hatte. Mit einigen Handgriffen rückte er seine Kleidung zurecht, ehe er Emil die Hand reichte, um ihm ebenfalls zum Aufstehen zu bedeuten. Höflich forderte Alfred das Dokument von den Professoren zurück.

"bleibe ich dabei, wir müssen die Stimme des Augustenburgers hören. Wir halten nach wie vor keinen Beweis in den Händen, sondern lediglich eine Vermutung in unseren Köpfen. Es ist, wie der Herr Major bereits sagte: Nur im Gespräch mit dem Herzog wird sich ergeben, ob die Söldner für ihn arbeiteten. Und ebenfalls, wie die Antworten auf unsere Fragen über diese Urkunde lauten mögen. Ich kann die Aufrichtigkeit Friedrichs nicht guten Gewissens verteufeln, ohne ihn selbst gesprochen haben; mir ist diese Erfahrung bisher verwehrt geblieben. Dies ergeht Ihnen natürlich anders, Herr von Lütjenburg und Rosenstock - doch bitte, begleiten Sie uns dennoch. Schließlich haben sich einige neue Fragen ergeben, bei denen ich Friedrichs Weise hören will."
 1. Als Erinnerung:
Alfreds Einladung (Anzeigen)
 2. Ich erinnere an Alfreds mäßig erfolgreiche Würfe (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6648.msg722135.html#msg722135) bei Auffinden des Vertrages. Zudem habe ich trotz Menthirs Hinweis nie auf Linguistics geworfen.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 02.07.2013, 21:39:42
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:23 Uhr - Gut Emkendorf

Theodor Mommsen hatte Alfreds Worte aufmerksam verfolgt und verkniff das Gesicht. Er war deutlich unzufrieden mit der Situation und in welche Richtung sie sich entwickelte. Er blickte auf das Schriftstück und schaute sich das erste Mal ausgiebig das einzige Siegel auf der Urkunde an, stöhnte auf und rieb sich die Augen, als würde ein bisschen Augenwischerei vielleicht noch das ein oder andere Siegel, vor allem das herrschaftliche Siegel Dänemarks, auf das Stück Papier zaubern. Er gab zeigte es den anderen Gelehrten und schüttelte enttäuscht den Kopf. War ihre Queste und ihre Hoffnung derartig umsonst gewesen? Mit zittrigen Händen, wahrscheinlich seiner Hoffnungen beraubt, blickte er zu Major von Stiehle und überreichte dabei Alfred wieder den Vertrag.

Alfreds Worte waren gerade verklungen, da schien es als wollte Emil, der mit Alfreds Hilfe wieder aufgestanden war, gerade noch ein paar Worte verlieren. Er rollte mit den Augen und schlug sich die flache, rechte Hand vor die Stirn und holte gerade zum Sprechen Luft, als die Schritte sich der Tür näherten. Es waren vier Paar Stiefel. Emil verstummte abrupt und Stille legte sich über die Eingangshalle von Gut Emkendorf. Würde Samuel recht behalten und Thoralf hatte bewaffnete Verstärkung mitgebracht? Die Schritte verstummten vor der Tür, es war ein eindringliches Flüstern zu vernehmen, kurz und beinahe herrisch, als würde ein Befehl übergeben werden[1]. Eine Hand legte sich auf den Türgriff und drückte ihn nach unten, öffnete langsam die Tür und lugte durch.
Thoralfs Kopf erschien und blickte kritisch zu Samuel, ob er wieder seinen Revolver auf die Tür gerichtet hatte, und trat dann vorsichtigen und gemessenen Schrittes ein. "Kein Grund zu schießen! Ich habe nur einen Arzt und zwei Helfer bei mir!", kündigte der holsteinische Soldat an und schob sich durch die Tür, während hinter ihm drei weitere holsteinische Soldaten durch die Tür kamen. Einer von ihnen trug eine weiße Binde mit einem roten Kreuz, die berühmte Umkehrung der Schweizer Flagge, welche an das Wirken von Henry Dunant[2] erinnerte und seine Gründung des Roten Kreuzes[3], welche gerade einmal ein Jahr zurücklag. Es war in den Gazetten, als Henri Dunant über die Erlebnisse bei der Schlacht von Solferino[4] im Jahr 1859 berichtete. Im Oktober des aktuellen Jahres kam es zu den Treffen, die zur Gründung des Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege führten, an denen auch Preußen teilnahm. Auch auf dänischer Seite wurde bereits darüber diskutiert, das wusste der informierte Zeitungsleser. Und scheinbar hatte auch der Herzog bereits vorgesorgt. Die drei Männer brachten eine Trage mit und gingen vorsichtig zum schwer verwundeten Wittmaack. Vorsichtig überprüfte der Arzt, ein Mann mit schwarzem, halblangen, zu einem Scheitel gekämmten Haar und dunklen, durchdringend braunen Augen, die Vitalfunktionen des schwer verwundeten Preußen und deutete dann den beiden Helfern, ihn vorsichtig auf die Trage zu hieven. Dann nahm er ein ein längliches, etwa 30 Zentimeter Holzrohr[5] hervor, welches eine trichterförmige Ausformung auf einer Seite hatte. In diese Ausformung legte er das Ohr und legte die dünne Öffnung auf die Brust Wittmaacks. Thoralf sprach derweil weiter. "Wir können Ihren Kameraden nicht hier behandeln. Wahrscheinlich wird er operiert werden müssen. Der Arzt, Dr. Jorit Hasen, ist in Heidelberg zum Doktor promoviert wurden und hat ausgezeichnete Referenzen als Chirurg. Der Doktor hat einen Raum vorbereitet, in dem er Ihren Kameraden behandeln können wird. Ich garantiere Ihnen, dass Ihrem Kameraden nichts passieren wird und er bei Dr. Hansen in guten Händen ist!"
Der Arzt hatte seine Untersuchungen fortgeführt und bekräftigte die Worte Thoralfs. "Sein Solarplexus ist verletzt und vielleicht die Hauptschlagader angegriffen. Wir werden es operieren müssen, sonst sind seine Überlebenschancen gering..." Unsicher blickte er kurz zu Thoralf und dann auffällig zu Samuel Weissdorn. Dann gab er kurz den Befehl, Wittmaack aufzunehmen und ihn abzutransportieren.

Während die beiden Männer Wittmaack wegtrugen und der Doktor dabei dessen Hand drückte, stellte sich Thoralf vor die Tür, öffnete sie wieder und ließ den Krankentransport durch. Von Stiehle ließ es widerwillig geschehen, wohl wissend, dass er seinem Kameraden im Moment wohl kaum helfen konnte. Und während von Stiehle dort grübelnd stand und die Gelehrten immer noch geschockt von der Unvollständigkeit der Urkunde ratlos im Raum standen, räusperte sich Thoralf und schob seine langen, blonden Haare nach hinten.
"Ich muss Sie aufgrund des Eindringens darum bitten, dass Sie mir jetzt folgen. Der Herzog will noch einmal mit Ihnen über die Sache sprechen. Alles Weitere wird der Herzog Ihnen erläutern. Folgen Sie mir."
Ohne ein weiteres Wort drehte sich der holsteinische Soldat um und öffnete abermals die große Doppeltür und ging vor. Die Professoren nickten unentschlossen, vertrauten aber darauf, dass Alfred unbedingt diese Verhandlung wollte. Vielleicht würde sich noch etwas ergeben? Einer nach dem anderen verließen sie die Vorhalle, als Letztes Emil, der Alfred ein Stück zurückhielt und erst ein paar Meter nach den anderen zum Herzog folgte. Schnell und flüsternd erklärte er, warum er sich eben noch an die Stirn geschlagen hatte. "Ich weiß jetzt, warum Sie zu de Meza und nicht zu Christian wollen! Er muss das Siegel haben, um die Urkunde gültig zu machen. Anders kann es nicht sein!"[6]

7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:29 Uhr - Gut Emkendorf - Im Büro des Herzogs

Es erklang sanfte Musik aus einem Zimmer. Es wurde ein Flügel gespielt, Carl und Conrad erinnerten sich, dass es das Musikzimmer des Herzogs war, unter dem der kleine, sehr kalte Schutzraum verborgen lag. Es drang gedämpft an ihre Ohren, denn die Zimmertür war geschlossen oder zumindest sehr nah an den Rahmen gelehnt, sodass nicht ohne weiteres ein Blick in den Raum geworfen werden konnte. Der Musikkenner erkannte es als Beethovens Mondscheinsonate[7]. Es wurde langsam und bedächtig gespielt, mit einer gewissen Schwere. Doch Thoralf deutete auf den Raum davor, der leicht offen stand und aus dem schwere Kaminwärme entgegenströmte. Der blonde, o-beinige Jüngling stellte sich davor und wies den Eingang. "Der Herzog erwartet Sie."
Theodor Mommsen nickte kurz und trat als Erstes ein, dann folgten die anderen einer nach dem anderen, während Thoralf den Gang hinunterging.

Der Raum war aufgeräumt. Ein leerer Schreibtisch und davor waren vier einfache, mit grünen Stoff bezogene Sessel aufgestellt wurden. Ein schwerer, gepolsteter Sessel stand auf der anderen Seite des dunklen Schreibtisches. Das Zimmer war von künstlichem Licht, von Kerzen und einer Petroleumlampe, erhellt. Schwere, grüne Brokatvorhänge waren zugezogen und ließen keinen Blick nach draußen zu. Der Herzog stand neben seinem Sessel, gekleidet in einer holsteinischen Uniform, nur geziert von einem Ehrenzeichen, einem Tapferkeitszeichen aus dem Schleswig-Holsteinischen Krieg[8]. Er wirkte müde und erschöpft. Als er sich seinen Gästen zuwand, roch er leicht nach schwerem Branntwein, aber sein Blick war klar und seine Bewegungen waren nicht schwer. Neben dem Schreibtisch stand eine verkorkte Flasche mit Branntwein auf einem kleinen Beistelltisch mit Globus in der Mitte. Der braune Teppich und die dunkel vertäfelten Wände ließen den Raum sehr dunkel, fast bedrückend wirken. Der Herzog schwitzte stark, was aufgrund der enormen Hitze des Kamins nicht verwunderlich war. Und selbst jetzt lagen im brennenden Kamin, dessen Sims abgeräumt war, zwei gerade eingeworfene und gut durchgetrocknete Eichenscheite. Die Hitze würde so schnell nicht weichen. Und doch zitterte der Herzog leicht als würde er frieren. Wahrscheinlich hatte er auch das Gefühl zu frieren, anders war die Hitze nicht zu erklären.

Bedächtig wartete der Herzog bis alle eingetreten waren. "Verzeihen Sie, dass ich nicht mehr Sessel im Moment habe. Sie werden gleich noch Stühle bekommen, wenn Sie es möchten. Sie haben mir wenig Vorbereitungszeit gelassen, aber wenn Sie so eiligst in mein Gut eindringen, und nach der Beschreibung des jungen Herren von Thienen-Adlerflycht[9], sind Sie abermals beschossen wurden, bleibt mir leider auch diese peinliche Unannehmlichkeit nicht erspart. Ich würde gerne für die Unannehmlichkeiten um Entschuldigung bitten, da dies auf meinem Sitz passierte. Vor allem das Verwunden eines preußischen Soldaten, nachdem ich Sie des Hauses verwiesen habe, wird sicher auf mich zurückfallen in diesem diplomatischen Geplänkel, welches Preußen sicher ausschlachten wird. Allerdings kann ich nichts für die Angriffe. Ich habe glücklicherweise endlich Soldaten vor Ort, welche jetzt das Grundstück absuchen. Nach den Vorgängen des gestrigen Tages, erschien es mir nur sinnvoll, Soldaten aus Rendsburg anzufordern. Sie werden also zumindest für den weiteren Aufenthalt für Ihre Sicherheit sorgen können. Halten Sie sich trotzdem, aus Sicherheitsgründen, von den Fenstern fern."

Nach seiner Eingangsrede blickte er sich zwischen seinen Besuchern hin und her, von denen nur Mommsen sich sofort auf einem Sessel niederließ. Die anderen blickten nach den Worten, die in der Vorhalle ausgetauscht wurden, kritisch und keiner der Gelehrten wagte es für den Moment das Wort zu erheben. Noch zu sehr waren sie von den Entdeckungen auf der Urkunde geschockt. Wieso hatten Seelig oder Hänel oder auch Ribbeck nichts gesagt? Keiner von ihnen war ein Kenner der Urkunden, aber zumindest der Historiker hätte sich doch mit der Sphragistik[10] auskennen müssen? Mommsen grübelte wütend vor sich hin.
"Die Herren Nobel, nehme ich an? Ich bin, wie Ihnen die Preußen sicher mitgeteilt haben werden, der sogenannte selbsternannte Herzog. Wenn wir von von der Wortbedeutung ausgehen, also jener, der vor dem Heer zieht, haben Sie sicherlich recht. Diese Zeiten sind wohl vorbei. Seien Sie jedoch gewiss, dass der Deutsche Bund mich anerkennen wird. Wenn Sie also hier sein sollten, um über den Vertrag zu diskutieren, bin ich durchaus der richtige Ansprechpartner, völlig unabhängig davon, wie viele Bundesexekutionen ein preußischer Vertreter dreist in mein Haus wirft. Die Bundesexekution ist nicht gegen Friedrich gerichtet, sondern gegen Christian. Dessen dürften Sie sich doch bewusst sein?"

Der Herzog atmete tief ein, zog ein Stofftuch aus der Tasche seines Jacketts und wischte sich die Stirn ab. Der Herzog fokussierte sich voll und ganz auf die beiden Nobelbrüder und schien die anderen Personen im Raum für den Moment zu missachten. Nur Conrad musterte er bisweilen noch freundlich. Er ließ sich in den schweren Sessel fallen und atmete dann seufzend aus.
"Zunächst einmal möchte ich mich für die Unannehmlichkeiten...zur Verantwortung ziehen lassen und bitte vielmals um Verzeihung. Holstein ist ein viel freundlicheres Land normalerweise und es schmerzt mich, dass Ihre ersten Eindrücke so schlimm sein müssen. Wir haben einen härteren Winter als gewöhnlich und auch viel mehr fremde Interessen als gewöhnlich, und die politische Situation ist sehr vertrackt. Mein guter Freund, Sie haben ihn sicherlich kennengelernt, erzählte mir davon, wie sehr Sie doch zwischen die Fronten dieses Konfliktes geraten sind. Sie haben einen unglaublichen Mut bewiesen und sehr viel Courage im Sinne Schleswig-Holsteins, dass Sie sich nicht haben von den Preußen oder von Söldnern haben beirren lassen, wenn ich Ihre Anwesenheit richtig deute. Verzeihen Sie mir auch den Haftbefehl. Ich konnte Ihn nicht zurückziehen, sondern musste verhindern, dass die Preußen Sie für ihre Kriegsspielchen in die Finger bekommen." Das erste Mal schaute er kurz zu von Stiehle. "Sie wissen doch, der Passus mit dem PGP[11]. Die einzige Chance, dass Sie nicht als Gefangener des Deutschen Bundes unter Preußens Willkür enden, war ein Haftbefehl meinerseits in freundlicher Kooperation. Gerne hätte ich die Sache mit Ihnen unter vier oder sechs Augen diskutiert, aber Herr von Lütjenburg hat sich Ihrer ja bemächtigt; glücklicherweise für die Kieler Freunde und nicht für Preußen. Ich hoffe, dass Ihnen der Gefängnisaufenthalt in Kiel nicht schlecht in Erinnerung bleiben wird."

Wieder kramte er das Tuch hervor, während im Hintergrund das Spiel der Mondscheinsonate schneller und intensiver wurde. Es war auch durch die Wand leicht zu hören. "Erlauben Sie mir, wenn ich direkt bin. Diese ganze Mischung aus Diplomatie und Diplomatik bringt mich an den Rande dessen, was ein normaler Mensch mit ehrlichen Absichten sich antun sollte. Deshalb biete ich Ihnen volle Kompensation für Ihr verlorenes Schiff, sagen wir eine handvoll Handelspatente und nebst der Dankbarkeit Schleswig-Holsteins, welche in Urkundenform und mit Verdienstorden verbunden sein wird, etwas Land und einen hochdotierten Posten in meinem Kabinett?"

Der Herzog ließ die Frage einen Moment im Raum stehen, und die Kieler Professorenschaft hustete beinahe synchron ihre Verwunderung hinaus. Hatte er von einem Kabinett gesprochen? Also von einem Parlament? Himly machte große Augen, doch der Herzog redete dann unbeirrt weiter. "Es tut mir sehr Leid, dass Ihnen ausgerechnet in Schleswig-Holstein derartige, unglückliche Zustände entgegenstürzen mussten und demnach muss sich das Land für Sie, soweit es dieses kann, verantwortlich fühlen. Sehen Sie, es ist so. Wenn der Vertrag sich wieder in rechtmäßigen Händen befände - und wie ich sagte, wird der Deutsche Bund mich anerkennen, gerade nachdem Dänemark durch die Novemberverfassung so über die Stränge geschlagen hat um des Friedens willen und auch um der wahren Rechtmäßigkeit willen! - würde die Bundesexekution gegen Dänemark ihr Recht verlieren, weil Christian IX. nicht mehr Herzog von Holstein wäre. Gleichzeitig würde auch die Novemberverfassung ihre Gültigkeit verlieren, weil Christian IX. nicht mehr Herzog von Schleswig wäre und das Londoner Protokoll wäre nichtig und Preußen keine Garantiemacht mehr und ihr Aufenthalt und ihre Einmischung hier, würde ihnen wiederum eine Bundesexekution einbringen. Demnach gäbe es keinen nominellen Grund mehr für einen Krieg. Sicher, die Eiderdänen werden Christian IX. innenpolitisch eine zeitlang querschießen, und sicher, der Deusche Bund darf sich mit dem männlichen Gequengel Preußens beschäftigen, aber die Österreicher werden es Ihnen danken, dass Sie nicht in den Krieg müssen, und ganz zu schweigen von den anderen Bundesländern. Sehen Sie, mit dem Vertrag, damit erringt Schleswig-Holstein nicht einfach nur seine Freiheit, die sehr erstrebenswert ist, denn jede Volksgruppe hat ein Anrecht aus seinen Staat[12], sondern ein ganzes Gebiet muss nicht in den vermaledeiten Krieg ziehen! Haben Sie Dunants Buch über die Schlacht von Solferino gelesen? Oder hat Ihnen Herr Himly erzählt, wie es in unserem letzten Krieg hier war? Furchtbar! Denken Sie an all die Toten, all die Verstümmelten? Waren Sie mal in so einem Lazarett?" Emil schluckte hörbar, sich an seine eigene Behandlung erinnernd. "Und wofür würde der Krieg geführt werden? Selbstverständlich für das Ego von Staaten, die andere Völker unterdrücken, ja, gar ihre Brüder unterdrücken wollen. Preußen will ein Zentralstaat mit voller Macht sein, und keine föderalistische[13] Bruderschaft. Für Dänemark gilt dasselbe. Die Dänen wollen, dass wir Dänen sind, die Preußen wollen, dass wir Preußen sind. Wir wollen weder das eine, noch das andere sein. Wir wollen Schleswig-Holsteiner sein und dann endlich wieder jene liberale Verfassung[14] einführen, die Schleswig und Holstein als erstes Land gültig einführten. Und dann wird Schleswig-Holstein sicher und wohl behütet mit Gottes Gnade und der Hilfe seines tüchtigen Volkes bestehen. Aber Sie haben es in der Hand, Herr Nobel. Sie haben es in der Hand. An Ihrer Entscheidung hängen Menschenleben, viele, viele Menschenleben. Väter werden sterben, andere werden ihre Brüder verlieren. Mütter und Schwestern werden vergeblich warten und in schwarzen Trauerkleidern, mit weißen Bannern des Friedens, auf den blutroten Schlachtfeldern nach dem Krieg knietief waten. Ich appelliere an ihre Vernunft und an ihr Herz!" Dann lehnte sich der Herzog zurück, schwer atmend und müde, erdrückt von der Last der Situation und tupfte sich den Schweiß von der Stirn, noch immer zitternd.
Leise murmelte Mommsen vor sich hin. "Meine Damen und Herren, was Sie hier erleben, ist Geschichte."
 1. 
Wahrnehmung SG 13 (Anzeigen)
 2. Henry Dunant (http://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Dunant)
 3. Gründung des Roten Kreuzes (http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Rotkreuz-_und_Rothalbmond-Bewegung#Solferino.2C_Henry_Dunant_und_die_Gr.C3.BCndung_des_IKRK)
 4. Schlacht von Solferino  (http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Solferino)
 5. Stethoskop (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Hörrohr_Stethoskop_Meyers_1890.jpg)
 6. Wer diese Worte (außer Alfred, der bekommt sie natürlich so mit) mitbekommen will, muss einen Wahrnehmenwurf gegen SG 12 schaffen.
 7. Mondscheinsonate (http://www.youtube.com/watch?v=4Tr0otuiQuU)
 8. 
Beschreibung des Ordens (Anzeigen)
 9. Das Adelsgeschlecht Thienen-Adlerflycht (http://de.wikipedia.org/wiki/Thienen-Adlerflycht)
 10. Sphragistik (http://de.wikipedia.org/wiki/Sphragistik)
 11. Preußische Geheimpolizei (http://de.wikipedia.org/wiki/Preußische_Geheimpolizei)
 12. Dies ist eines der Ideale der 1848er-Bewegung und wird später durch Woodrow Wilson begrifflich noch prägnanter als Selbstbestimmungsrecht der Völker (http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstbestimmungsrecht_der_Völker) bezeichnet werden.
 13. Föderalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Föderalismus)
 14. Die Verfassung aus dem September 1848 (http://www.verfassungen.de/de/sh/verfassung1848-i.htm)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 03.07.2013, 07:38:28
Als der "Hausangestellte" mit den Ärzten zurückkehrte, wandte sich Samuel kurz an ihn. "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Ich bin kein Soldat, und dies ist das erste Mal, dass man auf mich und die Menschen in meiner Umgebung geschossen hat. Ich war in Todesangst, und habe für einen Moment überall nur noch Feinde gesehen. Wie ich Sie behandelt habe, war falsch, und ich entschuldige mich aufrichtig dafür."

Was er sagte, meinte er ehrlich, doch gleichzeitig versuchte er, aus den Reaktionen des Mannes herauszulesen, wie ehrlich dieser es meinte...

Bei dem Herzog angekommen, hielt sich Samuel zunächst zurück. "Er ist gut, er weiß mit Worten umzugehen", beobachtete er den Monolog des Herzogs. Was der Mann dort tat, erinnerte ihn an seine Vorlesung. Doch dass er geschickt war, musste nicht heißen, dass er unehrlich war. Und so achtete er auf jedes Detail seiner Mimik und seiner Körpersprache, um herauszufinden, was tatsächlich in dem Herzog vorging. Er achtete dabei auch auf den Kamin - hatte der Herzog ihn vielleicht angezündet, damit er ohnehin ins Schwitzen kam, damit man es der Hitze zuordnete, wenn die Wahrheit ihn ins Schwitzen bringen würde?

Dabei ging ihm auch durch den Kopf, was Emil Nobel noch gesagt hatte... es ergab Sinn, und warf erneut kein gutes Licht auf den Herzog...
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 04.07.2013, 01:30:14
Bevor Alfred reagieren konnte, trat Samuel einen Schritt nach vorne. "Verzeiht, wenn ich mich so vordränge, aber ich denke, dass ich der einzige bin, den Sie noch nicht namentlich kennen, daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich vorzustellen. Samuel Weissdorn, seit kurzem Dozent an der Kieler Universität, und als solcher der Gruppe der hier anwesenden Professoren und ihrer Wünsche und Ziele für die Heimat zugehörig."

Dann, mit einem Blick zu Alfred Nobel: "Ich bin sicher, dass Herr Nobel Ihr Angebot als nette Geste zu interpretieren weiß, wenn es auch für ihn als aufstrebenden Unternehmer wohl tatsächlich kaum mehr als eine Geste sein dürfte. Daher sollten wir diese Fragen zunächst beiseite schieben und uns dem Kern unserer Diskussion zuwenden."

Er schien einen Moment zu überlegen, tippte dabei auf seine Brust, fast, als würde er unter seiner Kleidung etwas verbergen. "Ich denke, wir alle hier verstehen Ihren Wunsch, einen Krieg zu vermeiden. Ich selbst hatte eben mehr als genug Blutbad für ein ganzes Leben. Umso wichtiger aber ist, dass die politische Zukunft, die wir hier zu formen wünschen, nicht auf Lügen fussen lassen, die enttarnt werden können und zu einem späteren Zeitpunkt womöglich einen noch viel schlimmeren Krieg heraufbeschwören könnten, als der, vor dem wir im Augenblick stehen."

Wieder tippte er auf seine Brust, schien sich dann dabei zu ertappen, und nahm etwas zu plötzlich die Hand herunter, mit einem Blick in Richtung des Herzogs, als hätte er versehentlich ein Geheimnis ausgeplaudert. "Ich würde mir wünschen, dass wir mit offenen Karten spielen. Wir wissen um die Rolle der Söldner, um de Meza und sein Siegel, und wir haben sogar konkrete Beweise und Zeugen. Das Schicksal Lavalles und ihrer mörderischen Gefährten ist bereits besiegelt. Sie können sicherlich alleine schlussfolgern, was es für Sie und für Schleswig und Holstein bedeuten würde, wenn diese Dinge veröffentlicht würden. Ich frage Sie deshalb ganz direkt und undiplomatisch, wie Sie es sich ja wünschen: Was ist Ihnen wichtiger, Ihre persönliche Macht, oder das Schicksal von Schleswig und Holstein und das des Volkes? Sind Sie bereit, in die Geschichte einzugehen als der Mann, der der Freiheit den Weg bereitete, oder ist Ihnen der Erhalt Ihrer persönlichen politischen Macht wichtiger?"[1]

Samuel sah den Herzog mit offenem, aber auch unnachgiebigem Blick an. Er setzte alles auf eine Karte. Der erfahrene Politiker hoffte darauf, sein Lügenkonstrukt in irgendeiner Form aufrecht erhalten zu können - Samuel hoffte darauf, ihm mit einem Schlag den Boden unter den Füßen wegzuziehen, ihm jeglichen Halt zu nehmen und nur noch die Hoffnung auf eine Befreiung Schleswigs und Holsteins zu lassen.
 1. Bluff: 44 - ich möchte ihn überzeugen, dass sein Kartenhaus bereits eingestürzt ist, dass seine politische Macht bereits verloren ist, und er bestenfalls noch die Freiheit von Schleswig und Holstein retten kann.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 05.07.2013, 18:40:41
Alfred hatte gewartet, als Friedrich sie begrüßte, und erst auf einem der Sessel Platz genommen, als auch ihr Gastgeber sich setzte. Mit ernstem Gesichtsausdruck hatte der Schwede dem vermeintlichen Herzog zugehört, während dieser sprach, und ihm jegliche Zeit gegeben, seine Gedanken zu formulieren. Selbst als Friedrich seinen Apell aussprach war Alfred für einige Moment stumm geblieben. Natürlich hatte der Herzog direkt ihn angesprochen, doch die Worte des diplomatischen Mittelmannes wollten vorsichtig gewählt werden. Doch durch Samuels eindringliche Stimme kam es soweit nicht.

Mit gerunzelter Stirn und skeptischem Zweifeln im Blick reagierte Alfred, als der Kieler Dozent es sich erlaubte, für ihn zu sprechen. Hatten Sie sich nicht vor der Tür des Gutes darauf geeinigt, dass Conrad sie vor ihrem Gastgeber vorstellen würde[1]? Unruhig lehnte Alfred sich nach vorne, während Samuel sprach.

Doch das Ultimatum, das der Kieler Dozent daraufhin aussprach, lies Alfreds Augen groß werden. Unschlüssig starrte der Schwede den Dozenten an, der stehend und unerschüttert auf den Herzog herabblickte. Welche emotionale Flexibilität dieser Mann aufwies - noch vor wenigen Momenten drohte er mit Pistolen, zeigte sich dann schamhaft und reumütig, nur um nun wieder hartnäckig und beherrscht Kritik und Vorwürfe zu üben - der Person gegenüber, an deren Ermessen die Zukunft Schleswigs und Holsteins hängen würde, ungeachtet des Rechts und Unrechts, welche sie auf sich aufgeladen haben mochte.

Unfähig zu reagieren öffnete Alfred den Mund, nur um ihn daraufhin wieder zu schließen, ohne eigene Worte verlieren zu können. Unschlüssig löste der Schwede seinen Blick von Samuel und sah unsicher zu Friedrich.
 1. Referenz (http://"http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg847720.html#msg847720")
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 05.07.2013, 19:24:12
Conrad wollte tatsächlich die Anwesenden allesamt vorstellen. Doch innerlich war er zwischen zwei Optionen kurzzeitig hin- und hergerissen und das lähmte ihn etwas. Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, was er wohl am besten als nächstes tun sollte, dass er die Vorstellung vergaß. Aber vielleicht würde er sich wieder daran erinnern, wenn er wieder eine innere Balance gefunden hatte und sich zu einem bestimmten Weg durchringen konnte. Conrad verbeugte sich vor Friedrich nur leicht und höflich, aber nicht einmal zur Begrüßung konnte er Worte finden im Moment. Samuel kam ihm und wohl auch Alfred dann zuvor und ergriff einfach das Wort. Er beschritt einen gefährlichen Weg aus Conrads Sicht. Der einfache Student hätte den vermeintlichen Herzog niemals angelogen, aber er hätte ihn womöglich auch auf die Söldner und sogar auf eine vermeintliche Fälschung angesprochen. Womöglich, denn Conrad wollte die Wahrheit selbst nicht glauben. Die Wahrheit in diesem Fall war vermutlich, dass Friedrich den Vertrag tatsächlich gefälscht hat und seit einiger Zeit doch mit den Söldnern unter einer Decke steckt. Er hatte wahrscheinlich sehr noble Ziele, aber er verfolgte sie vermutlich skrupellos und in seinem Vorgehen war nicht viel ehrenvolles zu sehen aus Conrads Sicht. Dennoch: Ein vereintes Schleswig-Holstein mit liberaler Verfassung und kein Krieg klang wie ein Traum im ersten Augenblick. Doch konnte man so einen Schwindler und skrupellosen Menschen wirklich an der Spitze akzeptieren? Das war die wichtige Frage, die hier im Raum stand. Conrad würde sicherlich irgendwann wieder Worte finden, aber zur Zeit schaute er nur gespannt zum Herzog. Wie würde dieser auf Samuels Worte reagieren?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 05.07.2013, 21:12:37
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:32 Uhr - Gut Emkendorf - Im Büro des Herzogs

Das Verhalten des jungen Mannes aus dem Adelsgeschlecht Thienen-Adlerflycht war nicht schwer zu lesen für Samuel. Zwar hatte dieser, bevor er den Gang runter verschwand, die Entschuldigung mit einem kurzen Nicken und einem mehr oder weniger nachsichtigen Lächeln angenommen, doch Samuel konnte hinter dieser angedeuteten Höflichkeit eben nur eine Höflichkeit entdecken. Er nahm sie an, weil die Etikette es forderte, und doch sah Samuel, dass er den Mann mit dem forschen Auftreten tief misstrauisch gemacht hatte und eine Handvoll Worte würden daran so schnell auch nichts mehr ändern. Samuel konnte sich sicher sein, dass Thoralf Thienen-Adlerflycht noch ein wachsames Auge auf ihn haben würde, so er konnte.

Dann jedoch hatte sich Samuel dem Herzog gewidmet und je mehr Samuel sprach, desto mehr ließ sich des Herzogs Reaktion anhand der Mimik ablesen. Während er erst noch müde, den Schweiß von der Stirn tupfend, zurückgelehnt im Sessel saß und eigentlich seine Worte noch wirken lassen wollte, blickte er erstaunt zu Samuel Weissdorn, als dieser sich mit seiner Argumentation aufdrängte. Während der Herzog zuerst aufgeschlossen und vorsichtig neugierig blickte, und das Tupfen unterließ, das Taschentuch unschlüssig in der Luft knapp vor seinem Kopf haltend, schlich sich jedoch mit jedem Satz mehr der Grimm in das Antlitz in das Gesicht des Herzogs. War er erst noch gepaart mit Überraschung, dass Samuel die Dreisheit besaß, eine derartig gutes Angebot als nette Geste abzuwerten und es vor allem für Alfed Nobel zu kommentieren. Kurz blickte der Augustenburger unschlüssig zu Alfred Nobel. Versuchte er den Herzog zu verwirren, in dem er andere für sich sprechen ließ? Samuel stellte sich als Mann der Professorenschaft vor? Des Herzogs Blick fiel auf Carl von Lütjenburg und Gustav von Stiehle. Konnten Sie die Worte von Samuel einfach so hinnehmen. Der Herzog hielt dem festen Blick Stiehles nicht stand und rieb sich die Augen, musterte wieder Samuel, als dieser weitersprach.
Der Blick des Herzogs wurde grimmiger, die Überraschung wich etwas und wich blankem Ärger. Auf der Stirn des Herzogs wurde neben den dicken Schweißperlen nun eine pochende Ader in der Mitte des Stirnbeines deutlich, auch die Dicke seiner Halssschlagader schien zuzunehmen, wurde er gar etwas röter als die Hitze es erforderte?

Die Hitze in diesem Raum war kaum zu ertragen. Jeder konnte erkennen, dass der Herzog absichtlich den Kamin so heftig heizen musste, um jede Anstrengung noch anstregender zu gestalten und einen Nebel über das Denkvermögen der Beteiligten zu legen. Samuel spürte bereits, während er sprach, wie die Hitze auch bei ihm die Poren öffnete und das Wasser aus ihm drang in Form salziger Schweißperlen. Alleine das im Raum sein, machte es unerträglich und die Masse an Menschen in diesem Raum machte es nicht leichter. Es würde mit der Zeit auch nicht leichter werden[1].

Und dann fing Samuel ganz an, behauptete, dass sie alle Schliche durchschaut hätten. Ein gewagtes Spiel, denn was, wenn ihre Erkenntnisse gar nicht stimmten? Was, wenn der Herzog gar nichts damit zu tun hatte? Die Miene des Herzogs wurde zornig und im Hintergrund verspielte sich jemand bei der Mondscheinsonate, sie kam zu einem abrupter Stopp. Das Taschentuch fiel langsam zu Boden, und des Herzogs Faust krachte mit brachialer Gewalt auf die Tischplatte des dunklen Schreibtisches. "WAS ZUR HÖLLE?", brüllte er. "WAS ZUR HÖLLE!", wiederholte er, weniger fragend, sich selbst bestätigend. "Was bilden Sie Steertholler[2] sich eigentlich ein? Wenn Sie so offen sind, dann legen Sie die verdammten Fakten auf den Tisch!" Er lehnte sich über den Tisch und starrte mit rot geäderten Augen in Richtung des Dozenten. Dann blickte er zu von Stiehle und Lütjenburg. "Spielen Sie dieses Spiel mit? Freuen Sie sich daran?" Der Herzog spuckte jetzt fast beim Sprechen und Carl musste unwillkürlich an den Ausbruch des Herzogs denken, den er bei ihrem letzten Treffen ertragen musste. Der Herzog blickte wieder zu Samuel. "In die Geschichte eingehen, ja? Wissen Sie, wer ich bin? Wissen Sie, warum ich die ganze Scheiße hier mache? Um dieses verdammte Land vor den Dänen und den Preußen zu schützen! Verstehen Sie, Aas? VERSTEHEN SIE DAS, SIE AAS?" Der Herzog schlug die Hand nochmal auf die Tischplatte. Seine Knöchel zeichneten sich weiß ab. Dort wo das Fleisch auf das Holz traf, hatte es sich schon tiefrot vom ersten Schlag gefärbt. Er räusperte sich, versuchte nicht mehr zu schreien. "Ich bin hier, den Frieden zu verteidigen, welche Kosten es auch für meine Person haben wird. Oh ja! Seien Sie nicht so ramdösig[3] und naiv! Haben Sie Politik erlebt, die rein auf Wahrheit und Ehrlichkeit basieren kann? Pah! Sehen Sie sich selbst an! Sie legen keine Beweise vor und werfen mir vor, Sie werfen mir vor! Sie!! So ein Aas sind Sie! Und schauen Sie sich die Preußen an! Sind die ehrlich? Kommen Ihnen die Preußen ehrlich vor? Sagen Sie was dazu? Schauen Sie sich die beiden an, na? Na? Was Sehen Sie? Sie sehen zwei Männer, die behaupten, dass Sie das tun würden, was nötig wäre, um Ihren Land zu dienen, oder? Und jetzt schauen Sie sich selbst und ihre bescheuerten, befreudeten Elfenturmbewohner an! Na? Was sehen Sie? Sie sehen Männer, die behaupten, dass Sie das Nötige zu tun, um ihrem Land zu dienen. Pah! Das sagt jeder. Das ist der Grundinhalt jeder gesellschaftlichen Verantwortung. Wenn Sie nicht das Gefühl hätten, etwas Richtiges zu tun, würden Sie es gar nicht tun. Erzählen mir also nicht so einen Schiet! Achten Sie lieber darauf, was Sie wirklich tun können, um Frieden zu wahren. Können Sie Preußen oder Dänemark anders im Zaume halten? Haben Sie? Haben Sie natürlich nicht, Sie Torfkopp!"
Der Herzog trat vor Wut gegen den Schreibtisch, dass eine Tür des Schreibtisches aus seinem Verschluss brach und das Holz barst, und bückte sich dann nieder, um sein Taschentuch aufzuheben. Er schmiss sich wieder in seinen Sessel und tupfte sich die Stirn. Obwohl er so aus sich ausbrach und wieder einzufangen versuchte, dann die Wut wieder aufwallte und er dann doch wieder versuchte, einen rationalen Zugang zu seinen Worten zu finden, konnte Samuel ablesen, dass der Herzog mit sich rang. Er blickte noch immer erzürnt zu Samuel, aber lugte hin und wieder kritisch zu den Professoren. Wie reagierten Sie?
Mommsen rieb sich die Augen und Himly blickte verlegen in den Kamin, beide wagten es noch nicht, einzugreifen. Warteten vielleicht noch, dass der Herzog sich wieder beruhigte, nachdem Samuel derartig mit der Tür ins Haus gefallen war. Der Herzog wirkte unschlüssig und etwas verzweifelt. Wenn er auch nichts zu den Details gesagt hatte, und es ohne Beweise wohl auch nicht tun würde, schien er zumindest Samuel ein wenig recht gegeben zu haben. Ihm doch ein wenig entgegenzukommen. Vielleicht würde es reichen, noch weiter in dieser Wunde zu bohren? Von Stiehle erkannte dieses Problem und kratzte sich nachdenklich den Bart, kaute auf seiner Lippe rum. Samuel konnte dies erkennen. Der Herzog atmete tief durch und setzte zu einer weiteren Antwort an. Seine Gestik machte klar, dass er sich etwas gefangen hatte und gegebenfalls einen weiteren Anlauf machen wollte sich zu erklären oder gar Samuel entgegenzukommen. Langsam erhob er sich und machte eine versöhnliche Geste...

...doch von Stiehle schnitt ihm das Wort ab, bevor er es ergriffen hatte. "Ihre Worten birgen eine gewisse Tragik, Herr Weissdorn. Aber wenn Durchlauchts Schliche gescheitert sind, bedeutet es auch, dass er keine Macht darüber hat, was mit den Herzogtümern Schleswig und Holstein passiert. Wenn Sie den Vertrag als Fälschung entlarven können, dann ist deutlich, dass jede Funktion dieses falschen Vertrages erlischt. Wenn sein Durchlaucht also seinem Volk einen Gefallen tun will, dann richtet er sich nach dem Londoner Protokoll. Dann ist Christian IX. rechtmäßiger Regent von Holstein, die Bundesexektion wirkt und wir können gegen den dänischen Zugriff vorgehen und die Bestimmungen des Londoner Protokolls wiederherstellen. Wie sie sehr zurecht angedeutet haben, Herr Weissdorn, und ich danke Ihnen für ihre klare und schlüssige Argumentation, kann eine Herrschaft auf Lüge und Täuschung nicht funktionieren. Ebenso nicht auf Vertragsbrüchigkeit. Ein ehrlicher Herrscher stellt sich also der Bundesexekution und das muss in diesem Fall der rechtmäßige Herrscher Holsteins tun. So sehr mir diese Worte leid tun, aber Sie Herren, die Sie alle hier versammelt sind, so schön Ihre Worte vom Frieden auch klingen, haben keine Macht über Frieden dieses Landes zu entscheiden, wenn der Vertrag nicht rechtmäßig ist. Ich bitte also ernsthaft, redlich und ehrlich darum, dass Sie dieses diplomatische Beil begraben und sich den politischen Gegebenheiten stellen."
Jetzt war es an Gustav von Stiehle, eine versöhnliche Geste zu machen.
"Ich verstehe Ihren Ausbruch, Durchlaucht, auch mir würde es in Ihrer Position schwer fallen. Aber Sie haben zurecht darauf hingewiesen, dass wir dies tun müssen, was uns möglich ist. Wenn Sie also ihr Land schützen wollen, dann schließen Sie sich der deutschen Sache an, der Sache des Deutschen Bundes und nicht Preußens! Und wenn Sie sich dazu durchringen können, dann stacheln Sie das Volk nicht weiter auf, sondern bereiten es auf die kommenden Wochen vor und helfen ihm, den dänischen Zugriff zu verhindern. Die Bundesexekution ist beschlossen und die Armee des Bundes auf dem Weg, um bereits das Herzogtum Lauenburg zu besetzen. Der Zug gegen Dänemark ist nur noch von Dänen zu verhindern, wenn Christian IX. die Novemberverfassung zurücknimmt. Meine Herren. Ich weiß, wie furchtbar das Gefühl ist, keine Macht über eine Situation zu haben. Ich habe dies zuletzt erleben müssen, als man mir Wittmaack und Kienast weggeschossen hat. Beschränken wir uns also auf das, was realistisch zu erreichen ist."
Von Stiehle trat jetzt einen Schritt nach vorne und legte die Hände hinter dem Rücken zusammen, während er sich leicht durch den Raum bewegend, weitersprach.
"Ich würde also vorschlagen, dass wir uns unabhängig von Schleswigs und Holsteins Schicksal mit den Gefahren vor Ort beschäftigen. Dort draußen sind höchstgefährliche Söldner, die mir wohl nicht nur Wittmaack und Kienast genommen haben, sondern wohl noch mehr meiner Männer. Ich bete also für Sie, Durchlaucht, dass Herr Weissdorns Worte nicht wahr sind, und die Söldner Ihnen nicht anhängig sind, denn dann wäre es ein Angriff auf ein diplomatisches Korps, deren Mitglied im Übrigen im Moment auch Leutnant von Lütjenburg ist. Und Sie kennen die Bestimmungen. Ein Angriff gegen einen Diplomaten seiner Majestät ist im Kriegsrecht ein Angriff auf Seine Majestät. Spätestens dann würde der Deutsche Bund sich sicherlich überlegen, ob er Sie noch stützen möchte, wenn er es tatsächlich angedeutet haben sollte. Es geht mir aber nicht darum, Sie bloßzustellen, Durchlaucht. Deswegen sind Sie mir da keine Antwort schuldig, insofern Sie jetzt die holsteinisches Soldaten einsetzen und uns einen Begleittross zur Verfügung stellen. Entweder Sie geleiten alle ihre Gäste sicher zurück, oder Sie stellen jetzt einen Trupp auf, welches diesen Söldner den Garaus macht. Darum sollten Sie sich kümmern, denn scheinbar wollten die Söldner schon einmal das Leben der Nobels nehmen an diesem Ort, soweit ich informiert bin. All Ihre Verhandlungen sind nichtig, aber Sie verlieren noch mehr Gehalt, wenn Sie nicht einmal glaubhaft die Sicherheit Ihrer Gäste garantieren können oder gar die Söldner selbst anführen. Ich verlange sicheres Geleit. Der Rest wird der Bund entscheiden, und nicht wir, so gescheit und weise wir auch sein mögen. Alles muss seinen Weg gehen."
Dann ging von Stiehle wieder seinen Schritt zurück und blickte zwischen Samuel und dem Herzog hin und her. Und Stiehles Gesicht bekam etwas Gerissenes. Er hatte nicht vor, die Männer vor Ort zu beflügeln. Preußen war in diesem Raum kein Freund des Vertragstheaters, soviel war klar. Dennoch gab sie von Stiehle auch dort versöhnlich. "Es steht außer Frage, dass ich für die Zwecke unseres Aufenthaltes, auch wenn wir unterschiedliche Meinungen haben dürften, alle Ihre Gäste, Durchlaucht, als Diplomaten anerkenne."

Im Hintergrund knisterten die Eichenscheite und der Flügel nahm sein Spiel wieder auf. Entweder hatte die Person ein Ohr an der Wand oder es war ein merkwürdiger Zufall, so mochte es dem Musikkenner zumindest wirken, denn es war eine bekannte Melodie der Winterreise Schuberts, besungen von einer männlichen Stimme, die einem Mann mittleren Alters gehoren mochte und wohl geschult war. Es war das 19. Werk der Winterreise[4]: Täuschung[5].
Schöner Gesang drang durch die Wand und gewährte einen Moment des Sinnierens.

 1. Wer keinen Zähigkeitswurf gegen SG 15 packt, fühlt sich schwerfälliger und müder und bekommt vorerst -1 auf alle seine geistigen Würfe (Alle Attributswürfe und Fertigkeitswürfe, welche die Attribute Int, Wis und Cha umfassen). Wer zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten Wurf nicht schafft, wird zusätzlich erschöpft sein.
 2. Steertholler ist ein niederdeutsches Schimpfwort und bedeutet Schwanzhalter, es bedeutet sowas wie Handlanger; unbedeutender, zweitrangiger Mensch; Mitläufer etc.
 3. Bedeutet so viel wie: weich im Kopf oder schwindelig
 4. Franz Schuberts Winterreise (http://de.wikipedia.org/wiki/Winterreise)
 5. Das kurze Stück: Täuschung (http://www.youtube.com/watch?v=T32DPalaLhI)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Conrad Rosenstock am 05.07.2013, 23:08:45
Conrad schwitzte mittlerweile ziemlich, er wurde schwerfälliger und müder und brauchte dadurch länger, um sich zu irgendwelchen Worten durchzuringen. Doch noch hatte niemand etwas gesagt. Den Wechsel zu diesem Musikstück hielt Conrad für keinen Zufall, aber er ließ sich dadurch nicht in irgendeiner Form beirren. Der Student schaute dem vermeintlichen Herzog direkt in die Augen. Noch immer hatte sich Conrad nicht gesetzt und er trat vorsichtig ein paar Schritte näher in Richtungs Friedrichs, bevor er auch schon anhielt. Conrad begann etwas scherzhaft zu reden, sollte aber dann bald wieder ernster werden: "Diese Hitze hier drin, sorgt irgendwie für noch hitzigere Gemüter, kann man es hier drin bitte weniger heiß machen?

Aber es gibt sicherlich wichtigere Themen als die momentane Zimmertemperatur, das mag sein. Und ich entschuldige mich dafür, dass ich Herrn Nobel immer noch nicht zu Worte kommen lasse; aber werter Herr, bitte erlaubt einem einfachen Studenten ein paar offene Worte. Nehmen wir mal an, dass die Worte von Herrn Weissdorn ein großer Bluff waren und sie mit all den Dingen, die er genannt hat, rein gar nichts zu tun haben. Warum dann diese große Aufregung, die Ihr gezeigt habt? Warum trafen Euch die Worte eines Wildfremden so dermaßen stark, dass es zu solchen Worten und einem Wutausbruch kommen musste? Das kommt mir seltsam vor. Mein Herz hofft trotzdem, dass Ihr nichts mit diesen Söldnern zu tun habt. Sie sind in meinen Augen feige Attentäter und Abschaum, wenn ich ganz ehrlich sein darf. Aber darf ich einmal zwischendrin zwei philosophische Frage in den Raum stellen: Wie extrem dürfen die Mittel sein, um noble Ziele zu erreichen? Ist ehrenhaftes Verhalten etwas, dass einfach so ignoriert werden kann und der Lug und Trug leichtfertig Tür und Tor geöffnet werden kann?

Und eine Sache ist noch sehr wichtig: Wenn mir als einfachem Studenten schon gewisse Zweifel an der Echtheit der Urkunde kommen, wie mag es dann einem Experten oder einer Persönlichkeit von hohem Rang ergehen, die zum Beispiel von Siegeln auf einer Urkunde mehr Ahnung hat? Mein Wort als einfacher Mann ist nicht viel wert im politischen Geplänkel von Kräften hohen Ranges, aber Herr Major von Stiehle weiß um so manchen Zweifel bezüglich der Urkunde, diese wird er auch melden. Aber selbst wenn er keine Meldung machen würde, könnte eine Fälschung trotzdem durchschaut werden.

Vor mir werter Herr braucht Ihr keinerlei Rechenschaft ablegen. Aber wenn Ihr wirklich mit diesen blutrünstigen Söldnern irgendetwas zu schaffen gehabt habt, den Vertrag habt fälschen lassen, um über Schleswig-Holstein zu herrschen und bei Verhandlungen bei solchen Worten wie denen von Herrn Weissdorn so die Fassung verliert, weiß ich nicht, ob man das so gut heißen kann. Diplomatischer kann ich es wohl nicht ausdrücken, es tut mir leid.

Ich zerstöre mir hier mit meinen eigenen Worten einen großen Traum und stoße mir selbst den Dolch ins Herz, denn Ihr wollt ein geeintes Schleswig-Holstein, eine liberale Verfassung und das Verhindern eines Krieges. Letztendlich sind all das noble Ziele. Doch seid Ihr werter Herr ganz sicher der richtige Mann, den ich mir im tiefsten Inneren an der Spitze wünschen würde? Euer Verhalten Herrn Weissdorn gegenüber hat mich daran zweifeln lassen. Es sind nicht einmal hauptsächlich die vagen Vermutungen gewesen, dass Ihr reintheoretisch mit diesen Söldnern zusammenarbeiten könntet oder der Vertrag gefälscht sein könnte, sondern die Art wie Ihr Euch habt gehen lassen gegenüber Herrn Weissdorn. Sogar Beleidigungen von Eurer Seite her gab es. Ein komplettes Ausrasten in heiklen Situationen ist einfach nicht gut. Ich kann nicht für ganz Schleswig-Holstein sprechen, aber mir wäre ein Staatsoberhaupt wichtig, das auch in den schwierigsten Momenten die Fassung bewahren kann. Ich weiß, dass ich mich teilweise etwas wiederholt habe, aber das war mir so wichtig, dass es eine Wiederholung wert war.

Wollt Ihr denn unter allen Umständen Herzog von ganz Schleswig-Holstein werden? Können Euch die Worte von Herrn Major von Stiehle wirklich nicht überzeugen? Ich kann nur sagen, dass ich Major von Stiehle nicht für eine schlimme oder niederträchtige Person oder so etwas in der Art halte. Preußen ist auch nicht der Teufel und auch nicht Herr Major von Stiehle."


Auch wenn man es Conrads reinen Worten vielleicht nicht immer anmerkte, wurde er doch immer etwas unsicherer, vor allem zum Schluss. Er bemühte sich sehr nicht etwas vor sich hinzustottern- oder zu stammeln. Mittlerweile hatte er einen ziemlich trockenen Mund und die Hitze machte ihm durchaus zu schaffen. Doch er hielt den Augenkontakt mit Friedrich. Würde er jetzt auch zornig auf ihn reagieren?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 06.07.2013, 17:09:28
Ohne selbst ein Wort zu verlieren ließ Alfred den emotionalen Ausbruch des Herzogs über sich ergehen, behielt den Tobenden jedoch beständig im Blick. Unglücklich kniff er die Augenbrauen zusammen, während die heisere Stimme Friedrichs durch das Arbeitszimmer peitschte, und erschrocken zuckte Alfred zusammen, als der Herzog im Affekt auf die Tischplatte schlug. Der Schweiß perlte auf der blanken Stirn des Schweden. Mit einem geistesabwesenden Griff in die Brusttasche seiner Weste suchte Alfred sein eigenes Taschentuch, doch erst, als er es nicht fand und Alfred einen Blick zu seinen Begleitern riskierte, wurde ihm klar, dass der Schweiß nicht allein ein Zeichen der Nervosität sein konnte. Sowohl Conrad als auch Carl wirkten, als ob die Hitze in diesem Raum ihnen schwer zu schaffen machte. Kurz schnaubte Alfred auf, als er verstand, dass der brennende Kamin ein misslungener Trick des Herzogs gewesen sein musste, schließlich schien Friedrich unter der stickigen Hitze am meisten zu leiden. Skeptisch blieb Alfreds Blick auf Friedrich ruhen.

So gefährlich Samuels Vorstellung auch war, und so undurchsichtig dessen Absichten für Alfred auch waren, sie schienen immerhin eines erreicht zu haben: Im Affekt wählte Friedrich wohl Worte, die er sich in einem ruhigen Gedanken nicht hätte leisten können. Seine Formulierungen waren merkwürdig, als wären die Handlungen des Herzogs ihm eine Bürde. Doch wenn die Behauptungen Friedrichs wahr waren, wenn der Vertrag eine ehrliche Angelegenheit Dänemarks und Holsteins war, welche Lasten hätte der Herzog denn dann noch auf sich nehmen können, über die er nun klagte? Obwohl Alfred nicht mit Gewissheit sagen konnte, was es war, und er der Vermutung, dass der Vertrag eine Fälschung Friedrichs sein könnte, den Vorteil des Zweifels gönnte, war deutlich, dass Friedrich etwas verschwieg.

Vorsichtig sammelte Alfred seine Gedanken um endlich selbst zu sprechen, bis er sah, dass Friedrich wohl noch etwas zu sagen, doch Stiehle riss die Unterhaltung an sich. Und seine Worte waren mit einer solchen Selbstgewissheit gesprochen, dass Alfred einige Momente benötigte, um dessen Implikationen zu verstehen. Selbst als Conrad seine Bitte und Hoffnungen an Friedrich richtete, war Alfred noch mit gesenktem Kopf dabei, die Absichten Stiehles in seinen Gedanken zu verknüpfen. Erst als Conrads Stimme in stolzer Verzweiflung an den Herzog apellierte, blickte Alfred endlich auf. Der Major war in der Tat ein gerissener Mann.

Für einen Augenblick sah Alfred dem Herzog in die Augen, und gab ihm die Zeit, die Worte Conrads zu verstehen, jedoch nicht, darauf zu antworten. Alfred streckte seinen Hals, griff mit einem Zeigefinger in den Kragen seines Hemdes und zog ihn in die Weite, eher er mit einem Räuspern die Aufmerksamkeit Friedrichs auf sich zog.

"Euer Durchlaucht," begann Alfred vorsichtig mit erstickten Worten, ehe er sich wieder Räuspern musste, um seine Stimme zu finden, "Euer Durchlaucht, es schmerzt mich ebenfalls, dass Holstein die Familie Nobel auf diese Art und Weise begrüßt. Und trotz der fortgeschrittenen Untersprechung, bitte, gestatten Sie mir, von vorne zu beginnen. Dies, an meiner Seite, ist mein Bruder Emil Oskar, mein Name lautet Alfred Bernhard Nobel. Im Moment stehen wir unter Anklage des Diebstahls eines Dokumentes, das Ihnen gehört. Dieses Dokument befindet sich in meinem Besitz, doch von Diebstahl kann nicht gesprochen werden."

Für einen Moment schwieg Alfred, als wollte er den Nachdruck wirken lassen, dass das Objekt der Begierde sich mittlerweile dort befinde, wo es für Friedrich fast schon greifbar wäre.

"Insofern kann ich den Haftbefehl nicht gutheißen und muss ihn vehement ablehnen, Euer Durchlaucht," begann Alfred plötzlich, das Gespräch von vorne aufzurollen; scheinbar meinte der Schwede es ernst, die Unterhaltung von vorne zu beginnen,"auch wenn meine Zustimmung zu einer Verhaftung meiner und meines Bruders Person eine Zusprache meinerseits gewesen sein mag, war sie keineswegs ein Zugeständnis. Euer Durchlaucht, Eure Methode, mich und meinen Bruder nach Gut Emkendorf zu befördern war zweifelerregend und fragwürdig. Sie werden verstehen, wenn ich alles in meiner Hand liegende versuchte, um Ihnen zu entgehen. Vor allem, seien Sie sich dessen Gewiss, war es unter den gegebenen Umständen auf keinen Fall möglich, Vertrauen in Ihrem Gesandten zu finden. Der schwarze Braunschweiger mag Ihr Freund sein, wie Sie ihn bezeichnen, doch für uns ist er wohl ein schwarzes Buch mit sieben Siegeln. Sie sprachen davon, sich Ihrer Verantwortung zu stellen. Ich bin in Gewissheit, dass Sie Ihrem Wort treu bleiben wollen, daher möchte ich meine erste Bitte formulieren. Bitte, klären Sie uns auf: Was hat es mit dem schwarzen Braunschweiger auf sich? Wie kommt es, dass eine Relique der Schwarzen Schar für die Sache Schleswigs-Holsteins arbeitet?"

Alfreds Ton blieb höflich, aber bestimmt. In bester Vorsicht versuchte er, anprangernde Worte zu vermeiden, aber dennoch auf das Angebot des Herzogs zu bestehen. Es würde sich zeigen, wie die Bereitschaft Friedrichs stand. Tief atmete Alfred ein und griff mit einer vorsichtigen Geste in die Innenseite seines Mantels. Langsam beförderte er den gefalteten Verlag hervor. Er hatte sich in den Eingangsräumen des Herrenhauses nicht die Mühe gemacht, es erneut in seiner Labortasche zu verstecken. Mit zittrigen Finger entfaltete Alfred das Dokument, in besonderer Vorsicht, keinen Schweiß von seiner Stirn auf das Papier tropfen zu lassen. Einen Moment lang besah Alfred das Papier stumm, ehe er seinen Blick wieder zu Friedrich hob.

"Ich sagte es bereits, Euer Durchlaucht, dieses Dokument befindet sich in meinem Besitz, wie Sie unschwer erkennen. Ganz unabhängig des Objektes, ist ihr Ärger nur verständlich, wenn ihr persönlicher Besitz einem Diebstahl unterliegt. Und glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich wünschte, dieser Gegenständ hätte nie den Weg zu meinem Bruder und mir gefunden. Doch erlauben mir, angesichts der Umstände, eine zweite Frage zu formulieren; auch wenn Herr Weissdorn sie implizit in seiner eigenen Art schon zu Gespräch brachte. Sehen Sie, in seiner - von mir als solche vermutete - Funktion als Staatsvertrag ist dieses Dokument unvollständig, und demnach ungültig. Eine Verzichtserklärung von Seiten Dänemarks ohne die rechtmäßige Unterzeichnung Dänemarks wird von keiner politischen Seite akzeptiert werden, sofern mein bescheidenes Verständnis in dieser Sache greift. Verstehen Sie meine Frage bitte als Zeichen meiner Neugier, aber wodurch formuliert sich die Bedeutung dieses unvollständigen Vertrages?"

Mit hochgezogenen Augenbrauen und gesenktem Kopf schielte Alfred den Herzog an. So direkt Samuel und Conrad gewesen sein mochten, so unbereitwillig zeigte der Schwede sich, aus seinem unvollständigen Bild eine Entscheidung treffen zu wollen, in welcher Richtung das Ziel ihres Gespräches liegen mochte.

"Denn wenn ich richtig verstehe, Euer Durchlaucht, ist Ihre höchste Absicht, den Frieden zu wahren." Alfred nickte zustimmend bei dieser Feststellung, ehe er weitersprach, "Vielleicht fragen Sie sich, welche Wünsche ich in dieser Sache hege. Sehen Sie, Euer Durchlaucht," begann Alfred, und lehnte sich in seinem Sessel zurück, ohne den Blick vom Herzog abzuwenden, "ich bin kein Deutscher - kein Holsteiner, kein Schleswiger, kein Preuße - ebensowenig, wie ich kein Däne bin. Ich bin geboren in Schweden, wuchs auf im Zarenreich, lernte in Frankreich und arbeitete in den Staaten. So sehr ich nachvollziehen mag, dass der Stolz einer Nation in den Herzen eines Volkes greifen mag, ist mir ein solches Gefühl fremd. Aber Frieden, Euer Durchlaucht, Frieden alleine kann der Nährboden für eine gesunde wachsende Gesellschaft, die Selbstfindung der Völker und der Motor für Wohlstand und Reichtum sein. Ich verstehe mich nicht als Staats-, ich bin ein Weltenbürger, dessen Wunsch es ist, auf einem solchen Boden seine Existenz zu verwirklichen. Insofern lehne ich Ihr Angebot strikt ab, Euer Durchlaucht. Das Geld und das Land, das Ihr mir bietet, ist nicht Eure Schuld zu begleichen; die Position nicht meine anzunehmen. Meine einzige Forderung kann nur der Frieden sein, Euer Durchlaucht."

Mit einem unverständnisvollen Blick fixierte Alfred nun den Herzog. In seinen Augen flimmerte ein Wunsch, dass Friedrich eine Antwort wusste, die eben diese Frage nach dem Frieden unzweifelhaft beantworten konnte, doch insgeheim fürchtete Alfred schon, dass es diese Antwort nicht gäbe.

"Aber auf dem Fundament dieses Dokumentes sehe ich den Frieden nicht, Euer Durchlaucht. Es ist, wie der Herr Major sagt: Allein die Rechtmäßigkeit des Vertrages kann die Grundlage für ein Vermeiden des Krieges sein. Aber wie gedenken Euer Durchlaucht die Rechtmäßigkeit zu etablieren? Denn schließlich hängt nun alles davon ab, nicht wahr? "

Mit seiner letzten Frage faltete Alfred das Dokument zusammen. Die Geste wirkte fast symbolisch.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 06.07.2013, 19:49:46
So sehr er zu Beginn nach vorne geprescht war, so schweigsam  blieb Samuel nun. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht, und auch,wenn der Herzog sich noch nicht ganz offenbart hatte, hatte er genug gesagt. Er war als Mann an der Spitze ungeeignet, sowohl moralisch, als auch, weil er sich in einer solch kritischen Situation  nicht unter Kontrolle hatte. Nun hieß es beobachten, lernen - nicht nur über Friedrich, sondern auch über den Anführer der Preußen. Ganz sicher war er sich dessen Absichten noch nicht.

Samuels Blick blieb unnachgiebig, scheinbar ungerührt, und er schien auf den richtigen Moment für eine Reaktion zu warten. In Wahrheit würde er aber erst wieder sprechen, wenn ihm noch weitere Informationen vorlagen. Gleichzeitig dachte er darüber nach, wer im Nebenzimmer saß und lauschte  - ein weiterer Intrigant, ein Leibwächter oder einer der Mörder?
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 07.07.2013, 02:36:58
Carl blickte unschlüssig den Männern hinterher, die Wittmaack wegbrachten. Alfred Nobel, Major von Stiehle und er selbst hatten ihr Möglichstes getan und nun lag es in den Händen dieses Dr. Hasen, dass diese Anstrengungen nicht vergebens gewesen sein sollten. Alle schienen nur vom Frieden reden zu wollen, was Carl zu einem gewissen Maße zu ärgern begann. Wie konnte man nur, wo doch schon die ersten für ihre Länder gefallen waren? Für Wittmaack war dieser Krieg jedenfalls schon vorbei und an Kienast mochte Carl im Augenblick lieber gar nicht denken...

Eher unbewusst war er den anderen gefolgt und wachte erst aus seinen Gedanken auf, als er Emils Worte über de Meza und das Siegel vernahm. Aus dem Augenwinkel beobachtete er die beiden Schweden kurzzeitig, sagte aber nichts. Die Zeit des Pläneschmiedens war nur vorüber und von einem gewissen Standpunkt aus musste gleich jeder für sich kämpfen. Zwar waren sich wohl alle mehr oder weniger einig, dass der Vertrag gefälscht war aber dennoch ging wohl jeder mit seinen ganz eigenen Absichten zum Herzog. Für den Wahlpreußen war es undenkbar einen falschen Vertrag zu nutzen, um an irgendein Ziel zu gelangen. Die Bundesexekution sollte durchgeführt werden und nachdem man die Dänen ein für alle Mal in ihre Schranken gewiesen hätte, könnte man ein einiges Schleswig-Holstein unter dem Dach des Deutschen Bundes formen. Eine Volksvertretung war Carl jedoch ein Graus. Seine Vorstellung von Demokratie glich einem Raum mit vielen Menschen, die miteinander sprachen. Zwar konnte jeder reden, doch kaum einer konnte gehört werden. Sobald es jedoch einen König in so einem Raum gab, konnten immer noch alle sprechen, würden jedoch verstummen, sobald der König sprechen würde.

Als Carl den Raum des Herzogs betrat fühlte er für einen kurzen Augenblick wohlige Wärme, die nach seinen gefrorenen Gliedern tastete, nur um dann über ihn hinein zu brechen, wie eine große Brandungswelle. Es war hier drinnen zu erdrückend warm, wie es draußen kalt war und Carl, der eigentlich in guter körperlicher Verfassung war, fühlte, wie diese Extreme seinem Kreislauf zusetzten und ihm schwindlig wurde. Gern hätte er sich gesetzt, doch zwang er sich stehen zu bleiben und den Anderen die Sitzgelegenheiten zu überlassen. Auch wenn er etwas benommen war, erkannte Carl sogleich, dass all dies nur aus des Herzogs Wunsch heraus geschah, das Schlachtfeld ein wenig mehr zu seinen Gunsten zu gestalten. Carl positionierte sich etwas abseits der anderen hinter den bereitgestellten Stühlen und lehnte sich dort etwas legere mit verschränkten Armen gegen die Wand. Was nun?, fragte er sich, diese Hitze war offensichtlich auch für den Augustenburger strapazierend und würde auch seinen Geist benebeln. Er will Zeit schinden. Erwartet er Verstärkungen? Ein weiterer Angriff vielleicht?, Carl wandte sich der Tür zu, warf aber auch einen prüfenden Blick in Richtung der Vorhänge[1].

Als der Herzog zu reden begann wurde Carl sogleich hellhörig. Friedrich beteuerte nicht hinter den Angriffen zu stecken und es klang für Carl sogar aufrichtig. Doch nach der momentanen Informationslage mussten die Söldner für den Herzog arbeiten. Was konnte das bedeuten?
Doch das darauf folgende Angebot an Alfred holte Carl aus seinen Überlegungen ins Hier und Jetzt zurück. Er wollte die Nobels kaufen, anders konnte man es nicht ausdrücken. Ländereien, Geld, Handelspatente und politischer Einfluss... Nur wenige würden solche Großzügigkeiten ablehnen können, doch Alfred Nobel war sicherlich kein Mann mit einem schwachen Gedächtnis. Der Herzog hatte gerade eine komplette Kehrtwendung in seinem Verhalten gegenüber den Nobels vollzogen von der Peitsche zurück zum Zuckerbrot[2]. War dies schon das letzte Aufgebot des Herzogs? Sein letztes Ass im Ärmel, mit dem er sich erhoffte Alfred - und damit den Vertrag - auf seine Seite zu ziehen?
Doch bevor Alfred antworten konnte schaffte es dieser merkwürdige Herr Weissdorn, den Herzog auf heftigste zu reizen, so dass dieser einmal mehr einem Wutanfall erlag. Der letzte dieser Art war Carl noch so lebendig in Gedanken verblieben, dass er schon beinahe den Raum verlassen wollte, wie auch schon beim Anfall zuvor. Samuels Alleingang hatte ein hohes Risiko in sich geborgen und auch, wenn er mehr als nur gut ausgegangen war, würde Carl sich stets in Erinnerung halten, dass er es bei Samuel Weissdorn mit einem Hasardeur erster Klasse zu tun hatte. Finten, Waffengewalt, Lügen und auch anrührende Entschuldigungen schienen von dem Mann mit einer unglaublichen Leichtfertigkeit eingesetzt zu werden. Auch wenn Carl mit Conrad gut befreundet war und diesen sehr schätzte, so brachte Samuel den jungen Offizier dazu seine Haltung überdenken, dass es eine gute Sache war, die Universitäten auch für das reiche Bürgertum zu öffnen.

Friedrich spie Gift in seiner Wut und nährte Carls Ärger mit seinen ungerechtfertigten Worten gegen die Preußen. Er öffnete den Mund, um den Anschuldigungen entgegenzutreten, schloss ihn aber wieder und bemühte sich darum Haltung zu bewahren.  Es spielte nur eine geringe Rolle, was der Herzog von den Preußen hielt, solang die anderen Anwesenden seine Meinung nicht teilten und dafür hatte Carl durch seine eigenen Taten zumindest ein wenig vorgesorgt. Etwas gelassener beobachtete er Friedrich dabei, wie dieser seine Wut am Schreibtisch ausließ und sich zu fangen suchte. Doch Major von Stiehle kam ihm zuvor. Der Schachzug des Majors war klug und Carl war froh, nicht augenblicklich für Preußen in die Bresche gesprungen zu sein. Nun wollte Carl sehen, wie er den Major am besten unterstützen konnte. Der Herzog musste aus der Gleichung genommen werden und wenn er freiwillig das Feld räumen würde, wäre dies die beste Option. Und auch die Söldner würden noch von sich hören lassen, wenn nichts gegen sie unternommen werden würde.

Inzwischen hatte Conrad zu reden begonnen und Carl brach seine Überlegungen ab um seinem Freund zuzuhören und was er hörte tat ihm leid. Carl war ebenso wie Conrad gebürtiger Holsteiner, doch im Gegensatz zu Conrad, hatte er sich Preußen zur Heimat gemacht und so war es keine schwere Entscheidung gewesen Preußen loyal zu bleiben, als sich die Ereignisse zu überschlagen begannen. Doch für Conrad war es schwieriger, er musste sich entscheiden, ob er das, was er sich wünschte schnell in die Tat umgesetzt sehen wollte, aber das auf Kosten seiner Ideale oder ob er es zuließ, dass diese Ideale ihm den Weg zu seinem Traum verbauten. Carl wollte nicht in Conrads Haut stecken, doch alleine lassen wollte er seinen Freund auch nicht. Ruhig stellte er sich an dessen Seite und legte ihm die Hand mit sanftem Druck auf die Schulter, nickte ihm zu. "Wenige sind so aufrecht wie Du, Conrad. Aber vergiss nicht, dass Dir noch andere Möglichkeiten für deine Träume bleiben.[3]" Flüsterte Carl, leicht Conrad hinzu gewandt. Allerdings sprach er laut genug, als dass alle in der Nähe Stehenden seine Worte durchaus verstehen können würden. Natürlich waren seine Worte und der Wunsch seinem Freund Mut zu geben aufrichtig, aber Carl hatte sich dazu entschieden, mit dieser Klappe noch eine zweite Fliege zu schlagen. Es war gewiss nicht verkehrt allen Anwesenden noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, dass Preußen nicht zwangsläufig gegen ein geeintes, liberales Schleswig-Holstein stehen würde, solang dies über den Deutschen Bund abgewickelt werden würde. Lediglich der selbsternannte Herzog konnte nicht wissen, um was für ein Angebot es sich dabei handeln würde und Carl beobachtete ihn genau, um aus seiner Reaktion lesen zu können[4]

Nun begann endlich Herr Nobel zusprechen, der - obwohl er direkt vom Herzog angesprochen war - bis jetzt geschwiegen hatte. Carl hatte sich in dem Schweden nicht getäuscht, den Haftbefehl hatte der Mann natürlich nicht vergessen und das ließ er den Herzog auch sehr deutlich wissen. Doch Alfred eröffnete auch gleichzeitig eine neue Front, in dem er nach dem Braunschweiger fragte. Wahrscheinlich wollte Nobel damit auf die Söldner hinaus und an sich war der Braunschweiger auch eine Sache, die Carl noch nicht so recht zu deuten wusste. Dass der geheimnisvolle Mann zu den Söldnern gehörte schien nicht so recht zu passen. Gewiss er hatte im Kampf mit den Söldnern nur den Herzog beschützt aber erst zum Schluss selbst die Söldner attackiert und er war einfach ein grässlicher Mitmensch. Doch gerade letzteres ließ Carl seiner eigenen Theorie gegenüber skeptisch bleiben. Würde ein getarnter Söldner nicht eher versuchen sie alle in Sicherheit zu wiegen und weniger unausstehlich sein? Außerdem wusste Carl, dass die Geschichten, die er über den Braunschweiger kannte, stets betonten, dass der Mann absolut deutsch gesinnt war. Das passte nicht so recht zusammen. Der Braunschweiger aus den Geschichten müsste viel eher gegen den Herzog und die Söldner arbeiten und sich auf Carls Seite befinden. Dieser Gedanke bereitete Carl augenblicklich großen Unbehagen. Bei solchen Freunden bräuchte man tatsächlich keine Feinde mehr...

Inzwischen hatte Alfred die Fakten auf den Tisch gelegt und war direkt auf den Vertrag gekommen, hatte ihn sogar hervor geholt. Fast befürchtete Carl, dass der Herzog nach der Urkunde greifen würde, doch die Gefahr diesen letzten Strohhalm, an dem wohl alle seine Hoffnungen hingen, dabei zu beschädigen wäre sicherlich zu groß gewesen. Mit dem Aufzeigen der Ungültigkeit des Vertrages war aber auch gleichzeitig ihr letztes Pulver verschossen, zumindest wenn es um harte Beweise ging. Doch dieses Pulver hatte bis hierhin gute Wirkung gezeigt. Samuels Einsatz hatte ihnen die Initiative gesichert und es schien, dass die Worte Major von Stiehles dafür gesorgt hatten, dass der Herzog diese sobald auch nicht wieder zurückerlangen würde. Anfangs hatte er noch versucht das Gespräch zu lenken und Angebote gemacht, inzwischen musste er sich anhören was seine Gäste ihm anboten und darauf reagieren. Conrad hatte den alten Mann vermutlich beinahe den Rest gegeben und nun den Vertrag von Alfred Nobel unter die Nase gehalten zu bekommen, musste wie Salz in einer Wunde sein. Er glich einer sturmreif geschossenen Festung und jetzt kam es darauf an, wer diese Festung zuerst einnehmen würde. Carl befürchtete ein wenig, dass die Professorenschaft doch noch ein Eigenleben entwickeln würde und sich auf die Seite des Herzogs schlagen könnten, um noch das "Beste aus der vertrackten Situation zu machen". So würde man wohl begründen, wenn man ein Land auf Lügen aufbauen wollte. Also konnte es wohl nicht schaden vorsichtshalber einen Keil zwischen die Herren von der Universität und den Herzog zu treiben.

"Euer Durchlaucht, wenn ich auch etwas dazu sagen dürfte?", begann Carl höflich und freundlich "Ich möchte Ihnen zunächst versichern, dass ich Ihren Mut und Einsatz für Schleswig und Holstein respektiere und ich denke, dass er Sie durchaus auszeichnet, wenn ich das sagen darf. Ich kann Ihnen das Gesagte deshalb also auch nicht übel nehmen und ich denke, dass die Professorenschaft Ihnen die -" Carl räusperte sich, anscheinend etwas verlegen die Schmähung zu wiederholen, "- Ihnen die "bescheuerten Elfenturmbewohner" ebenso nachsehen werden. Nicht wahr, meine Herren?" Carl sah die Professoren an und hoffte, dass sie so auch ja nicht vergessen würden, was der Herzog von Akademikern zu halten schien.

"Aber sehen Sie, Herr Nobel hat Recht, der Vertrag kann in dieser Form nicht gültig sein und es wirft auch für mich Fragen auf, da Sie ja selbst zugesichert hatten, er hätte schon zur Kopie vorgelegen, als man ihn entwendete. Und es ist nicht so, dass ich ein geeintes Schleswig-Holstein im Deutschen Bund nicht begrüßen würde, doch gehe ich völlig mit der Auffassung Herrn Rosenstocks d'accord. Ich bezweifle, dass man ein Ansinnen - und sei es so nobel, wie das Ihre, euer Durchlaucht- mit allen Mitteln, die einem zur Verfügung stehen, zu erreichen versuchen darf.
Sie haben nun aber bezweifelt, dass Politik auf allein Ehrlichkeit und Wahrheit beruhen könnte. Gut, bitteschön. Ich bin nun kein Politiker, aber vom Kriege verstehe ich ein wenig. Und wenn sich herausstellte, dass man auf einmal gar nicht mehr für das kämpft, für das man ursprünglich zu kämpfen dachte, dann senkt das die Moral der eigenen Truppen augenblicklich und das gehörig. Gleichzeitig bedeutet das auch immer einen Vorteil für den Feind. Und wenn wir jetzt einen Schritt weiter gehen und uns ein Söldnerheer aus vergangener Zeit denken, dann ist dieser Vorteil des Feindes durchaus ein greifbarer, denn die Männer würden wahrscheinlich zu einem nicht unerheblichen Teil zu ihm überlaufen, oder zumindest die Waffen niederlegen. Und ich glaube das die Völker Schleswigs und Holsteins - Dänen, Deutsche und Friesen - in dieser Hinsicht durchaus als Söldnerheer verstanden werden können, ohne damit eine Beleidigung aussprechen zu wollen, versteht sich. Sie haben mehrmals betont, dass dieses Land nicht nur für Dänen oder für Deutsche sein soll, aber wie würden die Menschen es aufnehmen, wenn das Fundament dieses Landes auf einem Vertrag basiert, der im besten Falle ungültig war? Würde das nicht den Dänen und dänisch Gesinnten in die Hände spielen, während der Wille, für die eigene Verwaltung einzustehen, doch stark gebrochen sein würde? Möchten Sie dieses Risiko eingehen, bei solch dynamischen Prozessen verliert man schnell genug den Zugriff[5]"


Sein letzter Satz und das Gerede über Söldner, die die Seiten wechseln, erinnerte Carl daran, dass er das Gefühl gehabt hatte, dass der Herzog tatsächlich nichts für den letzten Angriff konnte. Der Herzog und die Söldner steckten unter einer Decke, das war Carl für Carl inzwischen sicher, aber es beschlich ihn immer stärker der Eindruck, dass die Söldner und nicht der Herzog hier das Sagen hatten.
"Sie sind eine bedeutende Persönlichkeit dieses Landes und sie könnten einer schleswig-holsteinischen Demokratie ein Gesicht geben. Und eine solche lässt sich auch ohne einen unsicheren Vertrag erreichen. Legitim, ehrenhaft und legal. Und sie können diese Demokratie anführen! Nicht als Herzog, der dem Heer voran geht, sondern als jemand der das Wohlwollen seines Volkes genießt, das ihn als seinen selbstgewählten Führer bestätigen wird. Ihre Taten für ihr Land werden unvergessen bleiben und auch ihren Nachkommen viele Stimmen sichern. Es mag vielleicht nicht ganz das sein, das Sie sich für sich vorgestellt haben, aber ihr Land wäre geeint und das haben Sie sich doch für Ihr Land erhofft, oder nicht?"
Carls machte eine kurze Pause um seine Worte wirken zu lassen, setzte dann aber auch bald wieder an: "Doch dazu müssen Sie sich hier und jetzt entscheiden. Diesen Weg können Sie nur in diesem Augenblick einschlagen, in dem Sie Ihre Männer herholen und diesen Söldnern zeigen, dass man sich in diesem Lande nichts von ihnen diktieren lässt. Sie haben es ganz in der Hand, durch Ihren Befehl und Ihre Soldaten kann Schleswig-Holstein ernsthafte Hoffnung die lang ersehnte Einigkeit schöpfen."[6]
 1. Da ist nicht zufällig jemand oder etwas versteckt? Perception: 17
 2.  Zuckerbrot und Peitsche (http://de.wikipedia.org/wiki/Zuckerbrot_und_Peitsche)
 3. Carl meint damit das Angebot (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6646.msg854008.html#msg854008) das Maj. v. Stiehle in der Szene zuvor unterbreitet hatte
 4. Sense motive: 34
 5. Nur um es klar zu machen: Dass soll keine Drohung sein.
 6. Hier soll noch ein Diplomatiewurf folgen.... siehe OOC (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6638.msg857651.html#msg857651)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 07.07.2013, 23:38:38
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:41 Uhr - Gut Emkendorf - Im Büro des Herzogs

Als Carl geendet hatte, war auch nur Sekunden vorher der weiße Flügel im Nachbarzimmer verstummt. Es war unwahrscheinlich, dass jemand ein derartig gutes Gehör hatte, dass er noch ein Gespräch im Nachbarzimmer Wort für Wort belauschen konnte, während er inbrünstig sang und spielte. Aber vielleicht hatte die betreffende Person zumindest die Ausbrüche des Herzogs mitbekommen und hielt sich in Bereitschaft, andererseits wird keiner die Art und Weise des Ausbruches antizipiert haben können. Es war auszuschließen, dass die Person im Nebenraum übermäßig viel des Lärmes und der Worte mitbekam.

Der Herzog saß weiter tupfenderweise auf seinem Sessel und er erlaubte sich die Freiheit, das Jackett seiner Uniform sowie den obersten Knopf seines Hemdes ob der teils hitzigen Debatte und des deutlich zu heißen Raumes zu öffnen. Es war schwer zu sagen, ob das Tuch überhaupt noch trockene Stellen hatte oder der stark transpirierende Herzog es bereits in salzigem Schweiß ertränkt hatte. Die ersten Schweißflecke machten sich bereits auf seiner Uniform bemerkbar. Der Herzog richtete sich jedoch wieder sitzenderweise auf, während Conrad an ihn appellierte. Sein Gesicht verlor diesen grimmigen, zornigen Ausdruck und wurde nachdenklich. So wirklich in die Augen blicken, das mochte der Herzog Conrad Rosenstock nicht, stattdessen legte er seine Unterarme auf seine Knie, faltete die Hände und startre auf die ihm zugewandte Kante des dunklen Schreibtisches, der er so provisorisch nach dem Angriff auf sein eigentliches Zimmer bezogen hatte.
In dieser Haltung, seine Finger oder das fein gemaserte Holz betrachtend, begann er auch Alfred Nobel zu lauschen, nur hin und wieder aufschauend, Blickkontakt suchend oder auch zustimmend nickend, um anzuzeigen, dass er noch immer Teil des Gespräches war und aufmerksam blieb. Der Herzog rang mich sich und kraulte seinen dunklen Vollbart schließlich, während Alfred seine abschließende Frage stellte, während Carl von Lütjenburg den Gesprächsfaden aufnahm. Der Herzog rieb sich die Schläfen und verstand so langsam wahrscheinlich, warum Politiker wie Bismarck entweder offenkundig und absichtlich langweilten vor größerem Publikum, dieses gezielt provozierten und dann alle entscheidenden Entscheidungen in deutlich kleineren Gesprächskreisen oder unter dem Deckmantel der Geheimdiplomatie[1] vorantrieb. Es waren zwar nur wenige Gäste vor ihm in seinem kleinen, viel zu heißem Dienstzimmer, und sie waren sich nur in einem Punkt einig, der Schuld des Herzogs, aber ansonsten hatten sie alle ihre eigenen Motivationen und Ziele mit in dieses Gespräch gebracht und der Herzog brauchte jetzt ein wenig, um alle Worte zu sortieren und es entstand so eine längere Pause, welche der Herzog eintönig mit dem Reiben der Schläfen verlebte.

"Nun...", begann er stockend, nachdem er sich eine Weile Bedenkzeit genommen hat. "Sie behaupten alle irrsinnig viel und sind leichtfertig damit, mich belehren zu wollen. Sie sind ja alle viel tugendhafter und edelmütiger als ich. Es tut mir Leid, dass ich nicht mit Ihrer humanitas[2] nicht in Konkurrenz stehen kann. Doch auch, wenn Sie mich bereits verurteilt haben, ohne weiterhin Beweise vorzulegen, will ich so frei sein, auf die ehrlich gemeinten Fragen des Herren Nobels antworten, wenn sie der Öffnung dieses Problemes tauglich sein mögen. Erlauben Sie mir also, dies an den Anfang zu stellen."
Kurz fiel ein sehnsüchtiger Blick auf die Branntweinflasche nahe der zerbrochenen Schreibtischtür, doch der Herzog erhob sich jetzt wieder, einen zweiten Hemdknopf öffnend und tief einatmend. Leicht kam die behaarte Brust zum Vorschein.
"Wer ist also der Schwarze Braunschweiger? Wie sie sich denken können, ist er kein menschliches Relikt längst vergangener Tage. Er ist Mitglied eines niedersächsischen Adelsgeschlechtes und preußischer Offizier." Sein Blick fiel von von Stiehle und von Lütjenburg, aber ohne Argwohn, sondern eher als wollte er ihnen sagen, dass sie das eigentlich wissen müssten. "Wie Herr von Stiehle ist er Major vom Dienstgrad. Sein voller Name ist Gerhard Anton von Hardenberg[3], er ist der Neffe des Dichters Novalis[4], falls Sie seinen Hang zu romantischen Bildern bewundern, auch wenn Gerhard diesen nicht mehr kennengelernt haben dürfte. Gerhard hat einen Auftrag von der preußischen Krone. Das Bekämpfen einer Gruppe höchst filigraner und dreister Urkundenfälscher. Aus diesem Grund ist er hier in Holstein. Er arbeitet aber nicht für die Sache Schleswig-Holsteins. Genauso wie ich möchte er in den Besitz des Vertrages kommen. Während ich jedoch den Frieden damit zu wahren versuche, der zweifelsohne gefährdet ist, will er die diese Vertragssöldner überlisten und den Vertrag dann vernichten lassen. Sie, Herr Nobel, mussten deswegen mit dem Vertrag nach Emkendorf kommen, ob sie wollten oder nicht.

Genauso lässt sich nicht an der Rechtmäßigkeit des Haftbefehles zweifeln. Völlig unabhängig davon, wie sie ihn letztendlich bekommen haben, sind Sie nicht des Diebstahls beschuldigt..."
der Herzog griff in die zerstörte Tür des Schreibtisches und zog ein weißes Blatt Papier hervor und legte es auf die Platte des Schreibtisches. Es war der Originalentwurf des Haftbefehles[5], welchen der Schwarze Braunschweiger am Kieler Hafen verlesen hatte und er war im Wortlaut identisch. "...sondern Sie sind durch Ihre Mittel und das Mieten der Solros der Beihilfe zum Kauf des gestohlenen Dokumentes beschuldigt. Der schwerwiegenste Punkt der Anklage ist jedoch der Schmuggel dieser Papiere, da er als Dokument öffentlichen Interesse nichts in Ihrer Tasche als Privatbürger zu suchen hat und Sie ihn hätten den Behörden übergeben sollen. Da Sie den Vertrag vor mir ausbreiten, gehe ich davon aus, dass Sie diesen Punkt vielleicht relativieren, jedoch nicht abstreiten können und dass Sie einen guten Grund hatten, dass Sie mit diesem Schriftstück nicht zur Polizei gegangen sind. Ein Grund, den ich beizeiten gerne erfahren würde! Auch Ihr Bruder ist nicht des Diebstahles, durchaus aber der Anstiftung dazu beschuldigt." Er hielt einen Moment inne und sagte dann mit fester Stimme. "Sie können meine Methoden verdammen und kritisieren. Das steht Ihnen als Mann mit freiem Gewissen zu, Herr Nobel. Aber bitte, und das ist nicht nur für das Protokoll, geben Sie dann meine Mittel den Tatsachen getreu wieder. Dennoch werde ich akzeptieren, dass Sie Ihre Freiheit um alle Kosten wahren möchten. Ich werde den Haftbefehl, der durchaus noch voll gültig ist, an diesem Ort nicht vollstrecken. Hier sind Sie sicher. Der Haftbefehl war dazu da, Ihrer habhaft zu werden und Sie vor den Söldnern zu schützen."

Der Herzog setzte sich wieder hin. Diese Sache geradezurücken, das schien dem Augustenburger sehr wichtig gewesen zu sein. Dieses Gerede von Tugendhaftigkeit schien ihn ernsthaft zu bedrücken, doch er hatte sich jetzt wieder beruhigt und nahm sich die Zeit tief durchzuatmen und nicht impulsiv auf Worte und Anschuldigungen zu reagieren. Es schien ihn ein Stück zu verletzen, dass er so als niederträchtig dargestellt wurde. Wie bei so vielen Menschen erwachte ein Rechtfertigungsdrang, dem sich der Herzog für den Moment hingab.
"Kommen wir also zu dem Vertrag. So wie alle in diesem Raum von diesem Vertrag sprechen, gehe ich davon aus, dass die Geheimhaltung dieses Vertrages nicht gewährleistet wurde und dessen Inhalt sich bereits über die Grenzen dieses Raumes hinaus verteilt hat." Kurz flackerte sein Zorn für einen Moment wieder auf, während er eindringlich die Dozenten im Raum sondierte, doch er atmete dieses Aufwallen sorgsam weg. "Anders ist die Anwesenheit der sich selbst als solche gerne wahrnehmende Magnifizienzen[6] nicht zu erklären. Halten Sie die Professoren für ehrenhaft? Herr Rosenstock, ich will sie ernstlich nicht enttäuschen, aber fast alle Dozenten in diesem Raum sind Posten preußischer Haushalte oder dienen sogar preußischen Strukturen. Unzufrieden mit ihrem Einfluss dort, versuchen sie doch auch nur opportun sich die Türen aufzustoßen. Das ist nicht ehrenhaft, denn im Gleichklang mit den meisten Universitäriern unserer Zeit bin ich der festen Überzeugung, dass Herr Mommsen und Herr Himly gerne politisch partizipieren können, aber im Gegensatz zu ihnen bin ich der festen Überzeugung, dass die Wissenschaft frei und umgehemmt der Politik sein muss. Warum treten die Personen dann als Professoren auf? Um ihren Worten mehr Wucht durch Titel zu verleihen. Verzeihen Sie also, wenn ich die Position der Professoren in diesem Gespräch weniger ernst nehme. Sie sind die Geier, die sich an meinem politischen Dilemma und Ihrem persönlichen Dilemma, Herr Nobel, aasen." Theodor Mommsen hustete empört auf und schlug mit seinem Gehstock leicht gegen den Schreibtisch, um das Wort zu übernehmen. Er rückte, wie so häufig, seine Brille zurecht, doch der Herzog wischte seine aufkommenden Worte mit einer herrischen Geste weg. "Unterbrechen Sie mich nicht." Empört keuchte Mommsen nochmals auf und murmelte wütend vor sich hin, während Himlys Blick weiter dem flackernden Kaminfeuer galt. Carl spürte, dass der Blick auch ihn hin und wieder traf. Himly schien Carl, gerade nach seinen Worten in Bezug auf die verunglimpfende Worte, sehr kritisch zu betrachten. Interpretierte Himly das so, als würde Carl die Professoren aufstacheln wollen? Himly blickte Carl kalt an. Eine Antwort bekam er jedoch nicht.

Der Herzog war dabei wieder aufgestanden. Er hatte bei Alfreds Worten nicht einmal die Anstalten gemacht, den Vertrag mit Gewalt an sich zu bringen, doch unentwegt deutete er bei seinen Erläuterungen, die folgten, auf das zusammengefaltete Dokument.
"Also der Vertrag! Wenn Sie erkannt haben, dass der Vertrag nichts rechtsgültig ist, haben Sie dies richtig erfasst. Wenn Sie es ausgiebig studiert haben, werden Sie also sehen, dass mein Siegel darauf prangt. Das hat einen Grund, denn es ist mein Siegel. Ich will Ihnen sagen, wie es zustande kam." Friedrich gab dem Drang nach und griff zur Branntweinflasche. Daneben, ehedem nicht sichtbar, hatte noch ein kleines, bauchiges Glas gestanden. Er schenkte sich einen kleinen Schluck ein und befeuchtete dann jedoch nur seine Lippen. Er setzt sich wieder hin, legte die Hände ineinander. Die Unterarme ruhten wieder auf den Knien, er saß also nach vorne gerückt. "Friedrich und ich saßen Anfang November, als er sich noch bester Gesundheit erfreute, auf Glücksburg. Wir teilten die Vorliebe für Pferde. Ich präsentierte ein paar Pferde, welche gar nicht weit von hier in Brammerau[7] gezüchtet werden. Das tut weniger zur Sache, ich weiß,  aber wir hatten nach einem Ausritt sehr guten Cognac getrunken und unterhielten uns angeregt über die Altertümer, das größte Hobby Friedrichs, und als wir fröhlicher wurden, machten wir Witze über die Irrungen der Vergangenheit, über die Treppenwitze[8] der Geschichte. Ich wurde mutig und fügte irgendwann an, dass ich das Leid meines Vaters, dass er aus der Thronfolge für Schleswig und Holstein ausgeschlossen wurde, alleine aufgrund der Angst eigentlich nicht beteiligter Länder - Großbritannien, Schweden und Russland vor allem, immer noch nicht ertragen kann und dies so ein Treppenwitz ist. Zu meiner Verblüffung gab mir Friedrich recht. Er äußerte, wie sehr ihn die Eiderdänen immer zum Handeln drängten und wie gerne er von einem echten Parlament aus allen Dänen umgeben wäre, um nicht nur diese falschen Nationalisten um sich zu haben.
Wenige Tage später starb Friedrich auf Glücksburg[9]."


Jetzt nahm er einen vollmundigen Geschmack des Branntweines, der seinen Worten nach zu urteilen wahrscheinlich echter Cognac war. Er zitterte immer noch und wirkte jetzt richtig müde, raffte sich aber auf.
"Es war keine drei Stunden nachdem ich von der Novemberverfassung erfuhr und außer mir war vor Wut. Ein Franzose suchte mich auf, er bat um eine eilige Audienz, ausgerüstet mit irgendeinem Diplomatenwisch. Ich ließ es nicht genauer prüfen. Sein Name war Jean-Baptiste Lavalle. Er war mit seiner Frau vor Ort. Einer rothaarigen Frau von verblüffender Lieblichkeit für eine Botschafterfrau. Während meiner Frau sich aber seiner Frau annahm, eröffnete er mir seinen Plan. Er, als Franzose, sei besorgt über die Entwicklungen, und drückte Frankreichs Sorge aus, dass es jetzt zu Kriegshandlungen kommen könnte. Er ließ anfragen, wie ich zum Londoner Protokoll stünde und ich habe ihm wahrheitsgemäß geantwortet, dass ich meine Ansprüche nicht aufgebe und sie geltend machen würde, wenn Dänemark sich Schleswigs bemächtigen würde. Es war auch noch am selben Tag, dass ich per Eilboten meine Entscheidung[10] dem Deutschen Bund bekannt machte."
Er trank das Glas leer und stellte es auf der Tischplatte ab. Sein Gesicht verzog sich leicht. Wahrscheinlich kam ihm der Branntwein nun glutwarm vor.
"Am selben Abend kam er wieder. Er bot mir Frankreichs Dienste an und präsentierte einen Brief aus dem Nachlass Friedrichs. Es ist jener «Vertrag», den sie jetzt in Händen halten. Nach dem Gespräch mit Friedrich und den Erläuterungen des Herrn Lavalle kam mir das Angebot ehrlich vor. Er konnte sogar - mir glaubhaft - erklären, warum der Brief an Frankreichs Botschafter gelangt sei. Friedrichs Witwe - Louise[11] -  war eine Bürgerliche und vom dänischen Volk nicht sehr geliebt. Direkt nach dem Tod Friedrichs ist sie nach Cannes[12] gezogen, wo die beiden gerne Zeit verbringen mochten. Sie fürchtete die Eiderdänen sehr und war eine sehr resolute Frau, was den Argwohn gegenüber reichem Bürgertum, Nationalisten und Adligen anging. Dementsprechend machte es für mich auch Sinn, dass sie eben Frankreich dies übergab, weil dort diese Ideale noch ein wenig nachklangen und sie wirklich ernsthaft besorgt um den Frieden gewesen sein mag."
Friedrich zitterte leicht und blickte auf das Branntweinglas. Er nahm jetzt aber wieder das durchweichte Tuch hervor und tupfte sich die tropfende Stirn ab.
"Frankreich könne das nicht uneigennützig machen, das verstünde sich von selbst. Aber für einen entsprechenden Betrag würde Frankreich Christian IX. überreden, der bekanntlich die Novemberverfassung nicht mittrage. Die Einigung war folgende: Für ein entsprechendes Entgelt würde Frankreichs Botschafter ein dänisches Siegel unter den quasi testamentarischen Wunsch Friedrichs bringen, und zwar eben jenes Friedrichs. Als Bestätigung, dass ich mit dem Ausgang so zufrieden wäre, siegelte ich diesen Beschluss natürlich und verkündete am nächsten Morgen, den 19. November, dass ich regierender Herzog von Schleswig-Holstein bin."
Seine Worte fielen ihm jetzt schwer, er sprach langsamer und prägnanter.
"Es war mittags, und gegen Abend erwarteten wir den Besuch von Christian Julius de Meza. Er würde, laut Herrn von Lavalle, das fehlende Siegel beitragen. Christian, so wurde mir ein Brief vorgelegt, würde im Falle einer Vermittlung wohlwollende Neutralität halten, in dem auch beschrieben stand, dass es ihm leid täte, dass er die Novemberverfassung unterschreiben müsste. Friedrichs Wille jedoch könnte nicht abgeschlagen werden, sodass er eben jene wohlwollende Neutralität wahren würde. Vor Preußen bräuchte man sich nicht sorgen, Graf Guido wäre auch dafür. Man legte mir auch da einen Brief vor, dass er die Urkunde wenig später unterschreiben würde. Irgendwann Ende November, glaube ich. Ich war ganz außer mir vor Freude bis..." Er sprang auf und schleuderte das leere Cognacglas gegen die Wand, wo es in tausend Splitter zerbarst. Er schlug noch einmal mit der Faust auf dem Schreibtisch und warf sich dann wieder in seinen Sessel.
"...bis Gerhard von Hardenberg auftauchte und versuchte die Söldner festzunehmen. Haben Sie sich gewundert, warum so wenig Leute auf meinem Gut sind? Ich wollte keine mehr gefährden. Siebzehn meiner Bediensteten starben an diesem Tag, fünf Soldaten aus Holstein, drei Preußen. Ich werde es nicht vergessen. Ich dachte, dass die beiden Lavalles mit kleinem Stab hier gewesen wären. Doch Schotten tauchten auf und griffen ein. Die Lavalles konnten fliehen. Der Vertrag verschwand allerdings auch. Nicht mit ihnen, sondern durch die Hand von Marius Pedersen. Er war wegen der Literaturzirkel und Dichtertreffen häufiger Gast hier, auf Anraten von Professor Otto Ribbeck. So hängt es zusammen, dass ich Marius Pedersen zu ihnen zählte und Preußen hat mich das auch glauben lassen und ich habe es geglaubt. So sehen die Konsequenz im Haftbefehl. Auch wenn ich wusste, dass Sie beide keine Söldner sind."
Der Herzog stellte die Flasche mit Branntwein wieder neben den Schreibtisch.
"Der Braunschweiger deckte auf, dass sie eine international operierende Söldnerbande sind, die regelmäßig wegen Fälschungen gesucht werden würden. Herr Lavalle und Frau Lavalle ließen die Deckung auch in Folge fallen und übten Druck auf mich aus. Sie sagten, dass sie mich dafür haften lassen würden. Es standen noch 75% der Zahlungen aus, und sie wollten sie sofort haben. Sie drohten auch mit den anderen Parteien zu verhandeln. Es überschlag sich etwas. Der Braunschweiger machte mich auf die Bewegungen des Vertrages aufmerksam und beobachtete es mit Hilfe der preußischer Geheimpolizei, der Vertrag landete in St. Petersburg, kam an die Nobels und alle Parteien versuchten des Vertrages habhaft zu werden. Den Rest der Geschichte kennen Sie wahrscheinlich besser als ich."

Der Herzog blickte zum heißen Kamin und wischte sich den Schweiß jetzt ungehemmt mit seinem linken Ärmel von der Stirn. An seinen Augen war zu erkennen, dass der Schweiß ihm in die Augen gelaufen war, vielleicht hatten sich auf Tränen dazwischengemischt, vielleicht wegen der Verluste, vielleicht auch aus Ärger über sich selbst.
"Und jetzt ist die Situation die, dass die Bundesexekution durchgesetzt ist gegen Christian. Danach wollte der Deutsche Bund mich so oder so anerkennen, nur für Holstein, jedoch verhindern Preußen und Österreich dies. Sie werden mein Land auch jetzt mit Krieg überziehen, die schönen Städte schleifen und die Kultur hier zerstören. Die Bilder habe ich ihnen bereits beschrieben, wie das Land hier aussehen wird.
Sie mögen sich jetzt fragen, warum ich an der Situation nicht viel geändert habe? Ich bin so nah am Vertrag dran und ich weiß, dass diese Selbstbestimmungserklärung und Verzichtserklärung den Krieg verhindern kann, selbst wenn es auf einer Lüge aufbaut. Sie wirkt plausibel, auch wenn sie in diesem Raum wissen, dass dem nicht so ist. Großbritannien wird beruhigt sein, wie auch Schweden und Russland, weil Preußen keinen noch besseren Meereszugriff bekommt. Dänemark wird sich beruhigen darüber, auch wenn die Eiderdänen es Christian IX. schwermachen werden. Wahrscheinlich werden die Eiderdänen erstmal Kollaborateure in den eigenen Reihen suchen und sich fragen, warum sie Friedrich nicht unter Kontrolle hatten. Preußen würde wegen des Vertrages und der scheinbaren Unterschrift Guidos den Gesicht verlieren, wenn sie den Vertrag öffentlich anfechten würden. Wir haben darüber ausreichend gesprochen. Selbst, wenn es kein ewigen Frieden schaffen kann, doch kann es den unmittelbaren Krieg verhindern. Selbst wenn der Vertrag nachträglich als meine Lüge entlarvt würde, sehen Sie, ist es so, dass die Novemberverfassung einen neuen Anlauf nehmen müsste, neu durchgesetzt werden müsste. In Dänemark wäre die Lage vielleicht eine andere und die internationalen Kräfte müssten sich mit einschalten, um das friedlich beizulegen, weil es dann kein deutsches Problem mehr wäre. Das Londoner Protokoll würde zumindest besser geregelt werden und Preußen kann seine neue Armee nicht an meinen Landsmännern, egal auf welche Seite der Eider, testen! Und ich, ja, wenn es entlarvt würde, dann würde ich dafür haften, aber nicht mein Land! Das ist wichtig!

Geben Sie mir bitte den Vertrag, ich werde dann noch heute nach Flensburg aufbrechen, um mich mit de Meza zu treffen und diesen Krieg noch zu verhindern..."


Er stellte die Ellbogen auf der Tischplatte ab und vergrub sein Gesicht in seinen Händen, einen Moment wirkte es so, als würde er schluchzen. Doch er sammelte sich nur. Er wirkte jetzt ganz abgekämpft. Lange würde er keinem Kreuzfeuer mehr standhalten. Er versuchte gar nicht, jeder Anschuldigung gerecht zu werden. Sie prallten aber auch nicht an ihm ab. Ganz im Gegenteil. Er blickte auf und zu Conrad und Alfred.
"Es mag Ihnen so scheinen, als würde nur Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Politik helfen. Aber was ist Aufrichtigkeit? Ich fordere auch nur den Frieden, aber niemand hört auf meine Forderungen, also muss ich sie selbst in die Hand nehmen. Was passiert ist, ist sicher nicht vollends rechtens, aber es kann Blutvergießen verhindern, verstehen Sie? Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn ein Mann Massen von Menschen tötet, vielleicht sogar ein Tyrann ist, würden Sie ein Attentat auf ihn deswegen nicht gutheißen, weil Sie meinen, es wäre besser, ihn vor ein Gericht zu stellen? Grundsätzlich würde ich dem zustimmen, aber wenn die Chance, dass ich ihn ins Gefängnis bringen kann aufgrund seiner Mörderbrigaden gering ist und viel Blut und Menschen und Leid kostet, ist es nicht dann sogar von mir gefordert, ein Unrecht zu begehen, um mehr Unrecht zu verhindern? Oder muss es heißen: Fiat iustitia, et pereat mundus[13]?
Sehen Sie es so? Achten Sie doch auf die Kriegsrhetorik von Herrn von Lütjenburg. Er redet über das Senken der Moral der Truppe, oder nicht? Glauben Sie tatsächlich, dass ein Land Sie kollektiv verrät, weil Sie für dieses Land den Frieden wollen? Hätten Sie Ihre Mutter verstoßen - das frage ich Sie, Herr von Lütjenburg - wenn diese für Ihren Unterhalt, um Sie zu ernähren und damit Sie einen Offizierrock tragen können, von den glorreichen Äckern des Alten Fritz Kartoffel gestohlen hätte? Frieden ist ein Grundbedürfnis! Sie müssen es stillen, sonst erleben sie Chaos und Anarchie!
Herr Rosenstock, Herr Nobel: Ich bin ein informierter Mann. Ihre Väter sind Rüstungsmänner. Sie verkaufen Waffen, damit die ansonsten Wehrlosen Frieden wahren können gegen jene, die den Krieg wollen. Oder sind Sie Ihren Vätern gegenüber wütend, dass Sie das Töten in die Welt bringen? Glauben Sie mir, wenn es einen realistischen, ehrlicheren Weg gäbe, diesem Land Frieden zu bringen: ich würde ihn gehen! Bei Gott! Ich würde ihn gehen! Aber ich sehe ihn nicht, und Sie sehen ihn leider auch nicht. Hier stehe ich nun, und kann nicht anders! Gott helfe mir![14]"


Er blickte zu den Professoren, die nach wie vor sehr ruhig waren. Mommsen hatte die Faust geballt und spürte, dass hier im Moment nichts mit Widerworten zu holen war, während Himly immer noch in den Kamin schaute und nur hin und wieder die Reaktionen der ganzen Gäste abschätzte. Der Herzog versuchte allen Männern im Raum etwas entgegenzukommen, dabei blickte er besonders Carl von Lütjenburg an.
"Was nun mit meiner Person passiert, wenn der Frieden gesichert ist, das ist eine ganz andere Geschichte. Ganz unabhängig, ob sie mich wie Carl von Lütjenburg mit zu guten Worten ausschmücken oder nicht. Wenn Sie mich für einen Unmenschen halten, können wir gerne festlegen, dass ich zurücktrete, sobald mein Thronfolger alt genug ist. Oder wir legen fest, dass das Land Schleswig-Holstein eine Zehnjahresfrist zur Verfügung hat, ein demokratisches Land zu werden. Dazu dürfen aber nicht nur die Bildungsbürger wie Mommsen und Karsten und Himly und Weißdorn die Wählerschaft stellen, sondern auch die Bauern, und Arbeiter und alle Männer, die hier leben, arbeiten und Teil des Landes sind und bei denen dieses auch so im Passe steht! Ich will dem Parlament und mir zehn Jahre geben, und dann meine Macht niederlegen, weil Schleswig und Holstein sich dann beruhigt haben und ein ordentliches Wahlsystem ausgemacht ist und das gierige Preußen sich an die Existenz dieses eigenen, großen Herzogtums gewöhnt hat. Wenn Sie dann wollen, können Sie mich danach vor ein Gericht für meine Taten stellen oder ich kann mich selbst als Demokrat zur Wahl. Wir können es festhalten. Doch lassen sie uns erst tun, was notwendig ist! Bitte! Preußen kann uns Worte versprechen, aber! Das preußische Wort ein gutes Wort für uns einzulegen, selbst für eine Demokratie, sind nicht glaubwürdig. Herr von Lütjenburg, Herr von Stiehle. Sind gehören zu einem konservativen Land und die Österreicher sind noch mehr mit dem alten Monarchismus verwoben! Und außerdem müsste politisch nach der Bundesexekution eine neue Rechtslage geschaffen werden, sonst wird der Konflikt immer weiter schwelen. Der Vertrag kann ihn ersticken, weil er ihn auflöst!"

Von Stiehle äußerte sich nicht. Sein Versuch, das Gespräch vom Vertrag wegzulenken und auf die Situation zu beziehen, war nicht von Erfolg gekrönt und so kratzte er sich nachdenklich seinen Bart. Der Herzog schien im Moment nicht gewillt, von Stiehles Forderung, Soldaten zu stellen, nachzukommen. Zu sehr waren alle im Schicksal des Vertrages involviert. Erschöpft saßen sie also beisammen und diskutierten über die Zukunft des Herzogs und vielleicht auch über die Zukunft Schleswig-Holsteins. Zumindest sofern der Vertrag doch noch Gültigkeit erlangte, könnte er politisch bedeutsam werden. Wenn Alfred Nobel ihn nicht übergab, würde von Stiehles Szenario sehr wahrscheinlich werden. Doch was war dann mit der Sicherheit der Nobels? Emil kaute auf seinen Nägel und behielt die Tür im Blick. Er war alles andere als zufrieden mit dem Verlauf des Gespräches. Nervös schnappte er nach Luft und stellte sich in die Nähe der Tür. Er war etwas bleich und bekam im stickigen Raum kaum Luft. Der Herzog machte aber noch keine Anstalten, den Kamin endlich mal löschen zu lassen oder auch nur ein Glas Wasser anzubieten, damit alle sich erfrischen konnten. Die Hitze blieb fast unerträglich[15].
 1. Geheimdiplomatie (http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimdiplomatie)
 2. humanitas (http://de.wikipedia.org/wiki/Humanitas)
 3. Adelsgeschlecht Hardenberg (http://de.wikipedia.org/wiki/Hardenberg_(Niedersächsisches_Adelsgeschlecht))
 4. Novalis (http://de.wikipedia.org/wiki/Novalis)
 5. Als Referenz (http://games.dnd-gate.de/index.php?action=dlattach;topic=6656.0;attach=6118;image)
 6. Magnifizienz (http://de.wikipedia.org/wiki/Magnifizenz)
 7. Brammer (http://de.wikipedia.org/wiki/Brammer)
 8. Treppenwitz (http://de.wikipedia.org/wiki/Treppenwitz)
 9. Glücksburg (http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Glücksburg_(Glücksburg)) liegt übrigens im heutigen Schleswig-Holstein
 10. Die Entscheidung, regierender Herzog zu werden.
 11. Louise Gräfin von Danner (http://de.wikipedia.org/wiki/Louise_Gräfin_Danner)
 12. Cannes (http://de.wikipedia.org/wiki/Cannes)
 13. Fiat iustitia, et pereat mundus! (http://de.wikipedia.org/wiki/Fiat_iustitia,_et_pereat_mundus) - Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde!
 14. Dieser Spruch ist natürlich eigentlich Martin Luther (http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther) zugeschrieben. Er soll ihn geäußert haben, als er vor dem Reichstag (http://de.wikipedia.org/wiki/Reichstag_zu_Worms_(1521)) Kaiser und Kirche gegenüber seine Thesen widerrufen sollte.
 15. Nächster Zähigkeitswurf gegen SG 15 bitte. Wer vorher erfolgreich war und jetzt scheitert, bekommt den bekannten -1 Malus. Wer das zweite Mal scheitert, ist zusätzlich erschöpft, solange er sich in diesem Raum auffällt und keine Auszeit nimmt.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 12.07.2013, 19:24:22
Hörbar atmete Alfred tief aus, als Frriedrich endete. Der perlende Schweiß rann nun in langen Fäden auf der hohen Stirn des Schweden herab, nur mit geöffnetem Mund konnte Alfred Atem hole, seine Barthaare verklebten sich in seinem feuchten Atem und der schwülen Luft. Alfred konnte kaum gerade denken, doch er nicht dazu bereit, sich auf die beleidigten Worte des Herzogs einzulassen. So sachlich Alfred in die Unterhaltung eingestiegen war, so vorsichtig blieb er auch in seinen nächsten Formulierungen.

"Nun, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Euer Durchlaucht," begann Alfred stöhnend dem Augustenburger zu antworten, "sehen Sie, die Klarheit ob der ganzen Sache ist zumindest für mich und meinen Bruder bislang verwehrt geblieben. Und nehmen Sie ihre weiteren Gäste nicht aus dieser Annahme heraus, ich möchte mir lediglich nicht erlauben, für sie zu sprechen. Wie dem aber auch sei, Ihre Erklärungen helfen mir zumindest, zu verstehen, was Sie alles haben über sich ergehen lassen."

Alfred schwieg für einen Moment und atmete tief durch. Gequält schloss der Schwede die Augen und massierte mit Zeige- und Mittelfinger seiner Linken die Schläfe. Es war nicht eindeutig ersichtlich, ob der Chemiker nachdachte oder die Pause benötigte, um sich von der Anstrengung der wenigen Sätze zu erholen.

"Als Preuße ist der Braunschweiger wirklich denkbar, umso mehr als solcher Agent. Verstehe ich es richtig, dass die Erwähnung der Geheimpolizei Preußens in dem Haftbefehl dafür sorgte, dass es dem Braunschweiger - Herrn von Hardenberg nicht einfiel, selbst Besitz von dem Dokument ergreifen zu wollen oder einen Übergriff auf meine und meines Bruders Person durchzuführen? Eine riskante Angelegenheit, wenn ich das so aussprechen darf - bei solchen Freunden braucht es wahrlich keine Feinde mehr..." Mit einem wehleidigen Blick sah Alfred zu dem Herzog und nickte kaum merklich. Die Worte wirkten weder wie eine Ermahnung noch wie Spott, sondern vielmehr wie eine ehrliche Mitleidsbekundung. "Wo befindet sich Herr von Hardenberg im Moment?"

Keuchend rückte Alfred seine Haltung auf dem Sessel zurecht. Er war bewusst auf die weiteren Inhalte des Haftbefehls nicht weiter eingegangen, sein Gedächtnis schien mittlerweile unter der brütenden Hitze des Raumes zu leiden. Unruhig wechselte der Schwede zwischen Zurücklehnen und nach vorne Stützen, um seinen Verstand bei Besinnung zu halten. Er schein einen Moment zu zögern, ehe er sich an den Kragen griff und seine schmale Fliege löste. "Bitte um Verzeihung," murmelte er lediglich, als er das dünne Stück Stoff um seinen Hals hängen lies und den obersten Knopf seines Hemdes öffnete.

"Aber der geheimnisvolle Herr aus Braunschweig ist immerhin nicht die Ursache für das Problem, sondern nur ein Weiteres. Verzeihen Sie Herr Major, wenn meine Wortwahl Preußen gegenüber so antagonistisch klingt, sie ist sicherlich nicht argwöhnisch gemeint. Sagen Sie, ist Ihnen die Tätigkeit Herrn von Hardenbergs in Holstein bekannt gewesen?"

Fragend sah Alfred zu Stiehle und sein Blick ruhte für einen Moment auf dem Major. Dem Schweden war der anschuldigende Ton des Herzogs nicht entgangen, als er über die Arbeit des Braunschweigers sprach.

"Doch lassen Sie uns vielmehr über die Angelegenheit sprechen, Euer Durchlaucht. Die Urheber sind wohl Madame Lavalle, mit welcher Emil bereits Bekanntschaft schließen musste, und ihr Mann, der Tortionnaire nehme ich an. Es scheint fürchterlicherweise offensichtlich, dass das französische Paar Ihnen einen Türken gestellt hat[1]. Nun, nicht in der Sache, einen gefläschten Vertrag zu produzieren - habe ich Sie richtig verstanden, als Sie davon sprachen, mit Hilfe der Franzosen auf das Dokument ein Siegel Friedrichs nach seinem Tod anzubringen? Dann haben Sie bereits zugegeben, dass es mit der Rechtmäßigkeit des Vertrages nicht viel auf sich hat. Die Täuschung lag wohl vielmehr darin, dass ihre Versprechungen gehaltlos zu sein scheinen."

Mit zusammengekniffenen Augenbrauen senkte Alfred den Blick, als er die Erzählung des Herzogs nachvollzog.

"Die Absichten der Herrschaften Lavalle liegen zunächst unzweifelhaft auf der Hand. Ein ertragreiches Geschäft in der Not eines Volkes, nicht wahr? Ich denke, die Illusion, dass die französische Krone ein Interesse an der Sache Schleswig-Holsteins habe, verfiel spätestens nach dem schottischen Übergriff. Aber vor allem nachdem, Euer Durchlaucht, sind Zweifel höchst angemessen. Nehmen Sie General De Meza beispielsweise. Er gilt unter seinen Soldaten und sogar in der Bevölkerung Schleswigs als gewissenhafter Mann. Er mag zurückhaltend und schüchtern sein, aber ich kenne ihn als aufrichtig."

Kurz blickte Alfred auf, um den fragenden Gesichter zu begegnen. Unbedeutend winkte er seine Bemerkung ab.

"London auf der Weltausstellung im letzten Jahr. Wir kamen ins Gespräch, als wir gemeinsam die Analytische Maschine[2] von Charles Baggage[3] bestaunten. Das Unternehmen meines Vaters war ihm ein Begriff."[4]

Bei der Erwähnung des Minenunternehmens der Nobelschen Familie blinzelte Alfred vorsichtig zu Friedrich. Auch der Herzog wusste Alfred Nobels Worte über Frieden in dessen Kontext zu setzen.

"Das tut jedoch nichts zur Sache," brach Alfred seinen Geschichte ab, und fuhr fort, "was ich sagen möchte ist folgendes: Können Sie sich sicher sein, dass die Vermittlungen der Lavalles jemals stattgefunden haben? De Meza wirkte nicht wie ein Vertragsbrecher auf mich, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er es sich auflasten würde, die dänische Krone zu hintergehen, so sehr auch er einen Frieden einer Eskalation bevorzugt.

Selbe Frage formuliert sich für die versprochene Neutralität Christians. Von ihm bekamen Sie nie mehr als einen Brief, nicht wahr? Ein Brief, der durch die Hände von anerkannten Fälschern ging. Mit Verlaub, Euer Durchlaucht, aber diese Informationen sind zweifelhaft, und ihnen ist nicht zu vertrauen. Umso mehr hoffe ich,
" bedeutete Alfred, als er mit der Rechten seine schweißgetränken Haare aus der Stirn wischte, "dass Ihre Pläne, den Krieg zu verhindern, echten Wahrheiten zugrunde liegen. Denn was genau schwebt Ihnen vor?[5] Ich glaube Ihnen jedes Wort, Euer Durchlaucht - aber ich trage die Befürchtung, dass man Sie in einem falschen Glauben hat lassen."

Schwerfällig stöhnte Alfred auf und verzog eine Grimasse, als er seinen Oberkörper erneut nach vorne beugte. Bedeutsam sah Alfred in Friedrichs Augen. Seine Haare fielen ihm schwer vom Schweiß ins Gesicht. Unschlüssig starrte Alfred das lodernde Feuer im Kamin an.

Mit Mühe hielt der Schwede seinen Ärger über diese Strapaze zurück, die Friedrich seinen Gästen und sich selbst auferlegte. Mit der Kälte des Winters wusste Alfred umzugehen, doch auf eine solche pressende Hitze war er nicht vorbereitet.

Plötzlich zuckten Alfreds Augenbrauen nach oben, ehe er den Mundwinkel verzog und in einem stummen Lachen einen kurzen Atem ausstieß. Der Chemiker hob die flache Hand, als wolle er Friedrich bedeuten, einen Moment zu warten. Mit einem Ächzen lehnte Alfred sich nach vorne und suchte nach seinem Koffer, er benötigte einige Versuche, bis er ihn unter seinem Sitz zu fassen bekam. Erneut streckte er dem Herzog die Hand entgegen und nickte wohlwollend.

Die Scharniere der Tasche klappten auf und der Chemiker zog zwei identische verkorkte Phiolen hervor, keine breiter als sein kleiner Finger. Prüfend hielt er die Gläser gegen das Licht des Kamins um ihren Inhalt zu prüfen, ehe er zufrieden zu Nicken begann. Ein reichte er seinem Bruder, die zweite entkorkte er selbst. Mit dem Kopf im Nacken ließ er sich in Inhalt in seinen Rachen tropfen, ohne sich an den misstrauischen Blicken der Anwesenden zu stören. Bereits die wenigen feuchten Tropfen wirkten erlösend auf seiner Zunge. Mit einem Räuspern wandte sich Alfred den fragenden Blicken.

"Ein Thermoregulator nach schwedischer Rezeptur. Entkoppelt die thermische Wechselwirkung des menschlischen Körpers von der Umgebung und hält ihn auf einer gesunden Temperatur. Urprünglich habe ich das Mittel gegen die eisigen Temperaturen des Winters vorbereitet, doch es wirkt ebenso auch für eine heiße Belastung,[6]" erklärte der Chemiker ungeniert und wartete darauf, dass die Wirkung des Regulators einzusetzen begann. Mit der flachen Hand deutete er nun auf seine Tasche. "Falls Sie Interesse haben, scheuen Sie sich bitte nicht zu fragen. Ich habe sechs weitere Rationen vorrätig."

Dass damit eine der neun Personen in dem Raum ohne den Regulator auskommen musste, kommentierte Alfred nicht. Er hatte kein Interesse daran, den Herzog zu provozieren.
 1. Einen Türken stellen (http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrken_%28Verb%29). Der Spieler freut sich diebisch über diesen Ausdruck. :)
 2. Anaytical Enginge (http://de.wikipedia.org/wiki/Analytical_Engine)
 3. Professor Charles Baggage (http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Babbage)
 4. An dieser Stelle bezieht sich der Spieler auf einen Würfelwürf von vor über einem Jahr (http://games.dnd-gate.de/index.php/topic,6648.msg763167.html#msg763167).
 5. Auf diese Frage erwartet Alfred eine Antwort.
 6. Trank: Endure Elements (http://www.d20pfsrd.com/magic/all-spells/e/endure-elements)
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 17.07.2013, 21:19:23
Langsam wurde der Herzog persönlich und versuchte Emotionen für seine Argumente einzuspannen, darüber hinaus schien er gar nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen, was Carl zu sagen hatte. Eigentlich hätte dieses Verhalten den jungen Offizier stark verärgert, doch hatte er wohl insgeheim kaum erwartet mit seinen Worten einen bedeutenden Erfolg zu erzielen, so dass der Ärger ausblieb. Dennoch entschied er sich zumindest teilweise auf den Zug aufzuspringen und die Dinge geradezurücken.

"Und wenn meine Mutter gemordet hätte, damit ich Leutnant sein darf? Wollen Sie mich auch fragen, ob ich sie dann ebenfalls nicht verstoßen hätte? Wo ziehen Sie persönlich in solchen Fällen denn hier die Grenze? Sie flüchten sich mit solchen Argumentationen in Grauzonen und bemühen sich um Sympathie für ihr Handeln, ihre Motivation kann aber nicht ihre Tat rechtfertigen und darüber hinaus geht es hier nicht um irgendeine Bagatelle, wir reden hier immer noch von gefälschten Staatsurkunden.

Der Mensch nutzt solcherlei Verträge und Gesetze, eben nicht zuletzt dazu den Frieden zu ermöglichen und aufrecht zu erhalten. Doch damit das möglich ist, müssen sich aber auch alle an diese Verträge und Gesetze. Wann immer jemand der Meinung war, er stünde über dieser Ordnung, hat sein Handeln Menschenleben gefordert. Dies wird auch auf die dänische Verfassung zutreffen und die Spur, die dieser falsche Vertrag hinter sich herzieht bestand bisher auch nur aus Leid und Blut.

Und dieses vergossene Blut soll nun auch noch als Argument dienen diesen Mummenschanz aufrecht zu halten, einfach weil es schon vergossen wurde? Was nicht vollends rechtens ist, soll Blutvergießen verhindern - das hat bisher nicht funktioniert und ich glaube, dass sich das auch weiterhin nicht ändern wird."

Kurz bemerkte Carl Himlys Blicke in seine Richtung. So schnell würden die Professoren dem Herzog keine Brücke mehr bauen, zumindest diesen Weg hatte er erfolgreich verbaut, doch konnte er die Akademiker schon ganz abschreiben? Kurz überlegte er, wie sein Studium in Kiel wohl aussehen mochte, wo er es sich nun mit der Professorenschaft verdorben hatte. Dafür war jedoch keine Zeit, im Zweifel würde er sein Studium wohl nach dem Krieg in Berlin beenden müssen.

"Zurecht bemerken Sie, dass ich mich wie ein Soldat ausdrücke, schließlich bin ich ja auch ein solcher. Aber das können sie mir ja wohl schlecht zum Vorwurf machen, denke ich. Nie habe ich von kollektivem Verrat gesprochen.  Ich sprach lediglich davon, dass ich bezweifle, dass sie die Wahrheit über diesen Vertrag positiv auf ihr Land und ihr Volk auswirken wird. Da bekommt man Einigkeit und Freiheit auf dem Silbertablett serviert, aber am nächsten Tag muss man sich schon die eigene Schande eingestehen. Diese Enthüllung wird die Menschen polarisieren und manche auch radikalisieren. Man muss kein Demokrat sein um zu begreifen, dass eine Regierung nur solange bestehen kann, wie das eigene Volk sie gutheißt, da werden alle guten Ansinnen der Welt nicht zu Genüge reichen. Wenn eine Regierung keinen Anklang im Volke findet, dann wird es ein Land immer schwer finden zu bestehen. Auch wenn ich weit davon entfernt bin ein Pessimist zu sein, so kann ich Ihre Einschätzungen der Zukunft eines Schleswig-Holsteins nach ihrem Willen und auf Grundlage dieses Vertrages nicht teilen. Sie haben ja selbst schon vermutet, dass das sich die Mitwisserschaft nicht nur auf die Anwesenden erstreckt, solche Wahrheiten lassen sich bekanntlich nicht aufhalten. Ihre Pläne zielen lediglich darauf ab eine Tatsache zu schaffen und dadurch die Karten neuzumischen und ihre Worten machen deutlich, dass sie darauf hoffen in der nächsten Runde mehr Trümpfe auf der Hand zu haben. Das dies ein ausgemachtes Vabanque-Spiel ist, dass sie diesem Land da zumuten, ist Ihnen sicher selbst bewusst, sonst hätten sie wohl kaum versucht sich mit Herrn Nobel schon einen Trumpf vor Spielbeginn einzukaufen."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 22.07.2013, 12:22:41
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:47 Uhr - Gut Emkendorf - Im Büro des Herzogs

Der Augustenburger blickte jetzt wieder grimmig drein, doch diesmal war dieser Grimm frei von provozierter und willkürlicher Wut. Je mehr man das Gesicht des Herzogs deutete, desto klarer wurde auch, dass ein Gutteil dieses Grolles vor allem sich selbst galt und gar nicht seinen Gästen. Er exerzierte es ein gewisser Form vor, und seine Gäste wurden nicht müde, ihn daran zu erinnern. Wäre Schwester Hermene an diesem Ort gewesen, hätte sie vielleicht ein paar der großen Kirchenlehrer oder Kirchenpersönlichkeiten zitiert und nach dem Motto gehandelt: Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht[1]. Vielleicht wäre dann der Streit dann auch noch mehr einer der höheren moralischen Instanzen gewesen als er jetzt schon war. Wäre Donald Munro, benannt nach dem Stammvater der Munros[2], an diesem Ort gewesen, hätte er sich vielleicht trotz des Clanmottos - Dread God - der Geschichte eben seines Clanvaters erinnert, welcher von Irland nach Schottland übersiedelte, um die Dänen zu bekämpfen. Obzwar Donald Munro bei eben dem Herzog in Gefangenschaft saß, sah der Herzog die Möglichkeit des Nutzen des Schotten nicht, der zumindest hätte dieser seine Argumente bekräftigen können, oder vielleicht war noch immer etwas faul an den Worten des Herzogs, und die Schotten hätten seine Argumentation auflösen können? Höchstwahrscheinlich würden aber auch die Schotten - egal ob Haldane[3] oder Munro[4], egal ob Lowlander oder Highlander - das Gespräch verkomplizieren und versuchen ihre eigene Haut zu retten. Wäre Karl Schreiber nun aber an diesem Ort gewesen? Wie hätte er gehandelt? Carl wusste, dass Karl im Herzen den Preußen nicht traute und auch wenn Carl Karl als Freund bezeichnen konnte, war Schreiber ein Holsteiner von Herzen und hätte sich auf die Seite des Herzog gestellt. Conrad und Carl wussten beide, dass Karl ein leidenschaftlicher - so man diesen eher ruhigen, lauenburgischen Schriftsteller denn je als sichtbar leidenschaftlich bezeichnen konnte - Verfechter der großdeutschen Lösung[5] gewesen war und somit wäre seine Entscheidung klar gewesen. Auch wenn Karl in seiner Belletristik und in seiner Lyrik romantisierte, war er im Leben ein zweiflender, Neuerungen sehr unaufgeschlossener Mann, der stets befürchtete, dass er auf der falschen Seite stehen könnte. Karl stand immer lieber im Bewährten, auch wenn er es ertragen musste, da das Neue ihm immer größere Furcht bereitete. Nicht umsonst lobte Karl bei so manchen Burschenschaftstreffen sogar Männer wie Metternich[6]. Das änderte nichts daran, dass Karl die Burschenschaft schätzte und seine persönlichen Freiheiten, und dennoch war er darüber stets im inneren Konflikt. Ein radikaler Wandel, so meinte er immer, würde nur neue Ungleichheiten schüren.
Es war augenscheinlich, dass dieses Gespräch also hätte mit anderen Personen einen anderen Weg nehmen können. Vielleicht gar einen, welcher den Professoren oder dem Herzog mehr zupass gekommen wäre. Doch nun nahm für beide Parteien die Unterredung eine Richtung, die beiden Parteien kaum gefallen konnte. Mommsen grummelte missmutig, während er Alfred und Carls Worten lauschte.

Von Stiehle war es, der nach den Worten Nobels und von Lütjenburgs zuerst reagierte. Es war nicht nur, weil er direkt von Alfred befragt wurde, sondern weil er auch Theodor Mommsen, der lange mit sich gerungen hatte und nun etwas zu sagen gedachte, im Ansatz abwürgen wollte. Gustav von Stiehle fasste sich in den Kragen und verwischte das Nass, dann blickte er zwischen Herzog und Alfred hin und her. Es war augenscheinlich, dass die Enttarnung von Hardenbergs von Stiehle verwunderte und er abzumessen versuchte, wie viel Wahrheit in diesen Worten lag. Schließlich setzte er zu einer Antwort an, die er mit einem Schulterzucken unterstrich. "Ich hatte keine Idee. Mir ist die Funktion der politischen Polizei sicherlich bewusst, aber es ist weder in meiner Befugnis, noch in meinem Interesse, zu wissen,wo seine Majestät überall Polizisten einsetzen lässt. Dass ich also nicht von seinem Einsatz wusste, lässt mich davon ausgehen, dass er eben für das PGP ermittelt. Entgegen der Darstellung des Herzogs würde ich jedoch davon ausgehen, dass der sogenannte Braunschweiger auch gegen den Herzog ermittelt. Damit dürfte auch klar sein, dass es mit einer Verurteilung nicht lange dauern wird. Meine Herren...", er schaute sich in dem Raum um und dann jeden kurz an, "...es scheint mir, als kämen wir zu der Conclusio, dass der Vertrag unrechtmäßig und das Handeln des selbsternannten Herzogs ebenso unrechtmäßig wie moralisch zu verurteilen ist. Wenn wir uns dann, statt uns um die Moral der Geschichte zu scheren, um unsere Sicherheit kümmern könnten, wäre ich Ihnen allen sehr verbunden." Demonstrativ trat von Stiehle jetzt bereits an die Tür, obwohl klar war, dass noch nicht alle Worte gesagt waren.

Mommsen hob abermals die Stimme an, doch diesmal rauschte der Herzog wieder dazwischen, was dem normalerweise autoritären Geschichtsprofessor einen meckernden Laut abrang. Himly tönte jetzt schwitzend in das Grummeln ein. Der zornige Blick des Herzogs hatte jetzt etwas bitteres und er versuchte gar nicht mehr seine Argumente weiter zu unterfüttern in der Sache der Fakten. Dies hatte er wahrscheinlich so sehr getan, wie er es konnte. Er wusste, dass er dies soweit verfolgt hatte, wie es wohl in seiner Macht lag oder wie die Situation es hergab. Er würde die Männer in seinem Zimmer nicht davon überzeugen können, anhand der Konstellation, dass das Schleswig-Holstein-Problem zu seinen Gunsten ausgehen könnte. Es war eine mehr als undurchsichtige Situation und wenn Männer wie Nobel sich erst dann zur Kooperation bereit erklärten, wenn sie glaubten, diese Situation zu durchschauen, dann konnte Friedrich von Augustenberg ihnen diesen Gefallen nicht tun, so sehr er sich auch bemühte. Keiner verstand die ganze Bandbreite dieses Konfliktes und jeder Glaube ihn durchschauen zu können, gerade aus den Augen eines Getäuschten heraus, würde auch nur eine Täuschung sein. Von Stiehle baute die ganze Zeit darauf, dass dies nicht der Ort der Entscheidung sein könnte, weil gar nicht die Informationen und nötige Befugnisse vor Ort waren. Die Gäste hatten dies für sich geprüft und so waren Alfred Nobels Fragen letztlich nur noch rhetorische Fragen. Der Herzog hatte längst zugegeben, dass er sich hatte täuschen lassen, und trotzdem noch versuchte aus den Scherben noch das Beste zu machen. Wenn der Krug schon zerbrochen war, warum nicht die Feinde dem Ostrakismos[7] überantworten? Das mochte Friedrich sich gedacht haben. Er hatte längst zugegeben, dass der Vertrag der Nobels und das Siegel de Mezas seine letzten Chancen, ja eher vage Hoffnung, waren. Und so entkam dem Herzog zuerst nur ein bitteres Seufzen, ehe er sich nochmal einmal aufrichtete, als würde er als letztes Mal Stellung beziehen wollen, eher die Last der Schuld oder der Aufgabe ihn erdrückte oder die preußische Kartätsche[8] ihn samt seiner Hoffnungen zersiebte. Er rechtfertigte seine Methoden nicht nochmal umfassend und präsentierte keine neuen Fakten, aber er wagte einen letzten Vorstoß.
"Herr Nobel. Sie fragen, was ich beabsichtige? Habe ich das nicht ausreichend dargelegt? Ich werde zu Herrn de Meza fahren, mit Ihrer Güte und Ihrem Friedenswillen, und diese vage Hoffnung aufrechterhalten. Falls ich das Siegel auf die Urkunde bekomme, werde ich sie nutzen, um vor dem Bundestag mein Land frei von Krieg zu halten. Danach werde ich, wie versprochen, meine Abdankung vorbereiten, die erst dann stattfinden wird, wenn ein ordentliches Wahlrecht entworfen ist und es eine Demokratie werden kann, welche nicht alleine von den Gelehrten wie den Mommsens gelenkt wird, sondern einen Querschnitt durch die Bevölkerung zulässt, auch wenn Mommsen es als Ochlokratie[9] geißeln wird. Wenn das geleistet ist, werde ich abdanken und mich dem Gesetz stellen." Der Herzog wischte sich den Schweiß von der Stirn und dachte gar nicht daran, auf den Thermoregulator Nobels einzugehen, also darum zu bitten, aber während er darauf schaute, schien ihm etwas einzufallen.
"Sie werden mir entgegenhalten, dass ich viele Eventualitäten berücksichtigen muss und ich Ihnen nicht glaubhaft versichern kann, dass ich diese aus dem Weg räume. Ich kann Ihnen lediglich versichern, Herr Nobel, dass ich sehr weit gekomme bin. Das Politische per se aber ist nie klar. Niemand hat die Fähigkeit alle Konsequenzen zu bedenken und alle Eventualitäten abzudecken. Ich habe Ihnen aber ausreichend Querverweise gezeigt und Herr von Stiehles Auftauchen hier ist Beweis genug, dass es Krieg geben wird und dass er den Krieg will. Ich will ihn verhindern, das ist meine Agenda und mein Antrieb nebst der Sache, dass ich Schleswig und Holstein vereinigt sehen will. Das habe ich erklärt. Aber sehen Sie, Herr Nobel, wir sind nicht so unterschiedlich. Sie nutzen den Vertrag auch als Unterpfand dafür, dass Sie unbehelligt aus der ganzen Sache hinauskommen, nicht wahr? Das bedeutet, dass Sie einen gewissen Argwohn den staatlichen Behörden gegenüber haben. Mir haben Sie das mit dem Schutzhaftbefehl übel genommen, aber auch Preußen haben Sie es nicht gegeben und auch haben Sie es nicht verheimlicht, dass Sie den Vertrag bei sich haben, bis Sie in Händen der schwedischen Botschaft sind, obwohl ihr Handeln auch strafrechtlich in allen betreffenden Ländern zu ahnden ist, völlig unabhängig davon, wie er in ihr Besitz gekommen ist. Ihr Argwohn muss einen Grund haben oder Sie überblicken die Situation genauso wenig und halten sich genauso an diesem Vertrag fest wie ich, als sei er ihr Anker. Denn auch Sie sind ein Getriebener der Zeit!" Der Herzog ließ seine Worte einen Moment wirken, aber nicht lange genug, dass der schlagbereite Mommsen sich in seine Worte bringen konnte. Wieder dieses meckernde Geräusch.
Es ist ein wenig wie mit dem Erfinden, mit dem Umgang mit Technik und ihrer Wissenschaft. Wenn Sie etwas erfinden, können Sie auch nie vorhersagen, was ihre Erfindung für Segen oder Unbill bringen wird. Wenn Sie ihre Wissenschaft verteidigen, werden Sie sich möglicherweise von dem Missbrauch Ihrer Erfindungen freisprechen. Sie werden sagen, dass Ihre genialische Tat - das Erfinden - zweckgebunden war und sie nicht dafür garantieren können, was andere daraus machen. Sicher sind Sie gewillt, einen Teil ihrer Erfindungen, auch im Nachhinein zu verbessern und sicherer im Umgang zu machen. Dessen bin ich mir bewusst, aber wir stehen vor derselben Problematik. Wir beide navigieren durch unsichere Fahrwasser und wir beide müssen, auch wenn wir zweckgebunden handeln, damit leben, dass wir nicht alle Konsequenzen bedenken oder alle möglichen Probleme ausräumen können, so sehr wir uns auch bemühen. So gewissenhaft und hingebungsvoll wir auch arbeiten; wir können einen Fehlschlag niemals ausschließen. Wir verlassen uns auf viele Fakten, Ideen, Ratschläge und bewährte Ansichten über die Chemie, die Physik oder die Politik und am Ende bleibt uns doch nur das Feldexperiment, um unsere Hypothesen zu bestätigen. Sie sind ein gewissenhafter Mensch, und sie arbeiten immer an ihren Grenzen. Sehen Sie, ich habe sowas auch versucht und die Ausgangsposition ist nun die Folgende. Als Synthese[10]: Wenn Sie mir nicht den Vertrag geben, wird es Krieg geben, der dieses Land zerreißen und zermergeln kann. Wenn ich den Vertrag bekomme und ich mit de Meza falsch liege und keinen Ersatz oder keine Lösung finde, wird es Krieg geben. Wenn ich mit dem Vertrag durchkomme, aber die Schliche durchschaut wird, gibt es Krieg. Wenn ich aber mit dem Vertrag durchkomme und mir dieser geglaubt wird, dann gibt es Frieden. Was also, Herr Nobel, haben wir zu verlieren?
Diese Frage im Raum stehenlassend, drehte er sich zu Carl von Lütjenburg, während Mommsen auf einmal ruhig blieb. Irgendwas, was Friedrich gesagt hatte, hatte wohl etwas getroffen, was er einzugehen bereit war oder er hatte es einfach aufgegeben und wartete auf seinen Moment.

"Ich ziehe gar keine Grenzen, Herr Leutnant. Das steht mir nicht zu. Ich werde mich vor dem deutschen Bundestag zu gegebener Zeit rechtfertigen. Ich schätze die Gesetze, doch da sie von Menschen gemacht sind, sind sie ebenso fehlbar wie die Menschen, die sie machen. Aber Gesetze haben das Problem, dass sie zum einen von den Erschaffern so vorgesehen sind, dass sie aus sich heraus eine falsche Nomokratie[11] erwirken wollen, und zum anderen, dass sie sich vor allem in Verboten ergehen, aber doch zu selten in Geboten. Sie geben keine Auskunft darüber, wie wir in solchen Konfliktsituationen zu handeln haben. Und kommen Sie mir bitte nicht mit dem Dekalog[12]. Ich weiß durchaus, dass ich gegen das achte Gebot verstoße. Aber vor allem, um die Gebote, welche die Würde und das Leben der Menschen treffen, unangetastet zu lassen.

Aber eine Gegenfrage, Herr von Lütjenburg. Obzwar ich ihre Ansicht teile, dass Verträge und Gesetze vorallem dazu genutzt werden sollen, einen Frieden zu ermöglichen und aufrecht zu erhalten - ja, auch ich habe meinen Rousseau[13] oder Montesquieu[14] gelesen - frage ich mich, wie ich dann handeln soll, wenn Preußen Verträge und Gesetze bewusst dazu benutzt, um Menschenleben zu nehmen? Um eine neue Kriegsmaschinerie auszuprobieren? Finden sie es ethisch vertretbar, um in der Sprache der Wissenschaft zu bleiben, dass Preußen Ihr ureigenstes Heimatland als Laboratorium nutzt?
Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen, wenn auch nicht direkt. Was ist, wenn zwei Verträge oder Gesetze entstehen, die sich in ihrem Sinne ausschließen und negieren? Wie die dänische Verfassung - die im Übrigen politisch rechtmäßig zustande gekommen ist, unglücklicherweise aber einen älteren Vertrag in Frage stellt - gilt dies für eine Vielzahl von Gesetzen und Verträgen. Nicht zuletzt deshalb ist die Juristerei so ein undurchsichtiges und einträgliches Geschäft. Aber wie wir inzwischen wissen, hat das Londoner Protokoll seinerseits selbst eine rechtliche Garantie überschrieben, nämlich das Erbrecht meines Vaters: unrechtmäßig, aber im Gewand der Rechtmäßigkeit, weil die Großmächte ihre Unterschrift unter das Papier gesetzt haben! Eben ein Teil dieser Großmächte wird eben auch dafür sorgen, dass mein Vertrag Gültigkeit erlebt. Sie haben das Prinzip der Realpolitik zum Gotteswort erhoben.

Sie sehen, Herr Leutnant, wenn Sie Ihre Worte jetzt auch auf das Londoner Protokoll beziehen oder fast jeden anderen Vertrag, welche eine Siegermacht oder ein mächtigerer Staat oder König einem Schwächeren oktroyiert[15], werden Sie nicht so leicht bestimmen können, ob nur ich falsch handel. Sie nehmen mich augenscheinlich nicht für voll. Recht geben muss ich Ihnen aber in der Ansicht, dass die Karten neu gemischt werden müssen. Ja, das müssen sie. Aber gleichzeitig wundert es mich nicht, dass Sie so sehr in Opposition zu mir treten. Meine Worte Ihnen gegenüber waren falsch gewählt und meiner Wut geschuldet, dass Sie mich derartig überfielen und provozierten. Nochmal wird mir ein solcher faux pas nicht passieren. Mir ist aber bewusst, dass ich Sie nicht überzeugen kann, Herr von Lütjenburg. Sie verbeißen sich in die Sachen Preußens - was ich Ihnen nicht übel nehme - und versuchen eine falsche Tugendhaftigkeit zu offerieren, obwohl Preußen genau mit denselben Mitteln operiert. Geheimpolizei, uneingeladene und angekündigte Botschafter wie Gustav von Stiehle, der ebenfalls eigenständig die Rechtslage biegt, in dem er alle Männer in diesen Raum in den Botschafterstatus Preußens erhebt. Setzen Sie die Grenzen des moralischen Handelns? Wahrscheinlich auch nicht.

Aber sorgen Sie sich nicht, Herr von Lütjenburg. Ihre Anwesenheit wird den Vertrag nicht unwirksam machen können. Solange die Unterschriften des Grafen von Usedom darauf verbleibt, würde Preußen sich nur selbst weiter radikalisieren, wenn sie eigenständig unterzeichnete Verträge in Frage stellte. Aber Österreich würde es sicher belieben, wenn Preußen dies täte."
Der Herzog setzte kurz zu einem verschmitzen Lächeln an und wurde dann schlagartig wieder ernst und bitter. "Entschuldigen Sie diesen Rückfall dümmlicher Drohungen. Ich hoffe Sie sehen jetzt, dass wir so nicht weiterkommen. Obzwar ihre Zielsetzung, meine Ansprüche zu unterwandern und die Bundesexekution durchzusetzen - die per se rechtmäßig ist, sich aber auf das Londoner Protokoll beruft, welches seinerseits eigentlich nicht rechtmäßig ist, da meine Familie ohne Anhörung seiner Erbschaft enthoben wurde - deutlich geworden ist, schlage ich im Sinne aller Beteiligten vor, dass Sie entweder den Saal verlassen und sich von Thoralf mit ein paar Männern ausstatten lassen, die Sie zurück nach Hause oder nach Kiel oder wohin auch immer geleiten, oder dass Sie sinnvolle Vorschläge zur Lösung der Problematik machen. Vielleicht können Sie noch vermitteln? Ich denke doch, dass Sie von ihrem Krieg nicht abrücken werden. Der heilige Augustinus[16] wäre sicher stolz auf sie. Also entscheiden Sie sich bitte. Wenn es nach Herrn Major von Stiehle geht, haben Sie ja sowieso wenig zu befürchten, wenn gegen mich ermittelt wird und meine Taten und Worte aufgrund der Rechtslage von wenig Belang sind."

Der Herzog ließ die Worte stehen und erstmalig war genügend Pause vorhanden, dass Mommsen sich ins Gespräch einmischen konnte. Er streckte sich auffällig und räusperte sich, um dann als einzig Sitzender aufzustehen. Er drehte sich zu Herr Nobel. "Nun, was ich nun die ganze Zeit sagen wollte: Ich würde Ihr Angebot eines Thermoregulators gerne annehmen."
Himly konnte nicht anders als zu lachen.
 1. Es wird gestritten, ob dieses Zitat Papst Gregor dem Großen (http://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_der_Große) oder Thomas von Aquin (http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_von_Aquin) zuzuordnen ist.
 2. Donald Munro of Foulis (http://en.wikipedia.org/wiki/Donald_Munro_of_Foulis)
 3. Clan Haldane (http://en.wikipedia.org/wiki/Clan_Haldane)
 4. Clan Munro (http://en.wikipedia.org/wiki/Clan_Munro)
 5. Großdeutsche Lösung (http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fdeutsche_L%C3%B6sung)
 6. Klemens Wenzel Lothar von Metternich (http://de.wikipedia.org/wiki/Klemens_Wenzel_Lothar_von_Metternich)
 7. Scherbengericht (http://de.wikipedia.org/wiki/Scherbengericht)
 8. Kartätsche (http://de.wikipedia.org/wiki/Kart%C3%A4tschgesch%C3%BCtz)
 9. Ochlokratie (http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie)
 10. Synthese (http://de.wikipedia.org/wiki/Synthese)
 11. Nomokratie (http://de.wikipedia.org/wiki/Nomokratie)
 12. Die Zehn Gebote (http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote)
 13. Jean-Jacques Rousseau (http://de.wikipedia.org/wiki/Rousseau) - Hier vor allem der Gesellschaftsvertrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Gesellschaftsvertrag_oder_Prinzipien_des_Staatsrechtes)
 14. Charles de Secondat, Baron de Montesquieu (http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_de_Secondat,_Baron_de_Montesquieu) - Hier vor allem sein Werk Vom Geist der Gesetze (http://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Geist_der_Gesetze)
 15. oktroyieren = jemandem etwas aufzwingen, aufdrängen oder im Staatsrecht: ein Gesetz nicht verfassungsgemäß erlassen, eine Verfassung einem Volk aufzwingen. Als Paradebeispiel einer oktroyierten Verfassung gilt die Preußische Verfassung von 1848/50 (http://de.wikipedia.org/wiki/Preu%C3%9Fische_Verfassung_%281848/1850%29)
 16. Der Verweis bezieht sich auf Augustinus von Hippo (http://de.wikipedia.org/wiki/Augustinus_von_Hippo) und seinen Versuchen Parameter für einen "gerechten Krieg (bellum iustum) (https://de.wikipedia.org/wiki/Gerechter_Krieg)" zu formulieren.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 25.07.2013, 17:20:42
Das Gefühl glich einer willkommenen Erlösung, als der Regulator aus des Chemikers Repertoire seine Wirkung entfaltete. Binnen weniger Augenblicke begann der Schweiß auf Alfreds Stirn zu trocknen, die Kleidung klebte nun merklich auf seiner Haut. Aber obwohl die fürchterliche Hitze im Arbeitszimmer des Herzogs durch das alchemische Mittelchen für Alfred und seinen Bruder dezimizert worden war, blieb die Luft im Raum stickig und schwül. Es würde durchaus noch einige Momente dauern, die die Schweden mit den uneinigen Deutschen in dem Saunierzimmer ausharren mussten.

Ohne eine Miene zu verziehen griff Alfred nach den übrigen Mitteln in seiner Tasche und begann, sie an die Mitschwitzenden zu verteilen.[1] Wäre die Situation nicht so unangenehm beschwerend, hätte der unfreiwillig komische Kommentar des Geschichtsprofessors mindestens ein Schmunzeln aus Alfred hervorbringen können, doch von der Hitze befreit und endlich wieder in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen war der Schwede zu tief in seiner Konzentration, um auf Mommsens Unterbrechung und Himlys Lachen reagieren zu können.

"Sie missverstehen mich," war der Inhalt des Murmelns, als Alfred nach einer langen Pausen wieder zu Wort kam. Vorsichtig lehnte er sich auf dem Sessel zurück, um eine möglichst angenehme Haltung anzunehmen, obwohl sein nasses Hemd ekelerregend kalt auf an seinem Rücken klebte. Mit einem verlorenen Blick sah Alfred nicht den Herzog an, sondern starrte gedankenverloren auf den Kamin. Wie zur mahnenden Geste eines Lehrers wiederholte der Schwede mit erhobenem Zeigefinger seine Worte.

"Sie missverstehen mich, Euer Durchlaucht, wenn Sie mich von der Verantwortung für meine Erfindungen distanzieren."

Es wirkte fast so, als wäre Alfred durch die Worte des Herzogs gekränkt worden. Seine Stimme wurde leiser und noch immer blickte er Friedrich nicht an. Stirnrunzelnd fuhr der Chemiker mit seiner Linken über seine verklebten Barthaare, ehe er sich unerwartet an von Stiehle wandte.

"Herr Major, Ihre Sorge um unsere Sicherheit ist sicherlich dankenswert. Und gewiss stimme ich einem Teil - aber nur einem Teil! - Ihres Schlusses zu, ich habe schließlich selbst schon darauf bestanden, die Unrechtmäßigkeit des Vertrages und die Unrechtmäßigkeit der Handlungen unseres Gastgebers allgemein zu verstehen zu geben. Aber ich möchte festhalten, dass ich Ihr Bestreben, mich und meinen Bruder als Diplomaten Preußens zu verstehen, nicht bestätigen möchte und kann. Bitte, nehmen Sie das entsprechend wahr."

Nachdrücklich sah Alfred dem stehenden Major in die Augen, ehe sein Blick für einen kurzen Moment zu Carl und Conrad überging. Die Loyalität des jungen Leutnants gegenüber den preußischen Zielen war unverkennbar. Zwar waren seine Worte vorsichtig und meist in bestem diplomatischen Willen, doch konnte Alfred die Frage für sich nicht beantworten, wie von Lütjenburg bei all dem Drängen auf Recht und Unrecht in einer Situation dem holsteinischen Willen und dem Augustenburger gegenüber gestanden hätte, wenn der Vertrag ein Original gewesen wäre. Bei Conrad hingegen war eine Verzweiflung tief anzusehen. Es wirkte auf den Schweden, als wünsche der junge Student sich nichts lieber, als wäre die Intrige keine gewesen. Denn auch ihm schien die Wahrhaftigkeit des Vertrages bedeutsam, und somit die Möglichkeit zu einer Freiheit und Unabhängigkeit eines Schleswig-Holsteins verbaut. Nachdenklich blieb Alfreds Blick auf Conrad ruhen. Würde der Student weiterhin auf die Sicherheit der Nobels Acht geben wollen, wenn sich Alfred von Stiehles Schutz loslöste?

Mit einem unmerklichen Kopfschütteln sammelte Alfred Gedanken, ehe er nun endlich wieder Friedrich in die Augen sah. Erneut hob er belehrend den Zeigefinger.

"Ich trage unabsprechlich die Verantwortung für meine Ideen. In meiner Position ist es absolut notwendig mehr zu sein, als ein Gelehrter, der sich seiner Gedanken labt und das gesammelte Wissen seiner Lebenszeit im Archiv verstauben lässt."

Ernst und bitter sah Alfred zum Augustenburger.

"Wenn Sie mich in erster Linie als Wissenschaftler verstehen, dann ist Ihr Bild meiner Person äußerst unvollständig. Euer Durchlaucht, die Wissenschaft kann kein Selbstzweck sein. Nehmen Sie Himly beispielsweise." Mit der flachen Hand deutete Alfred auf den Professor, der das ganze Gespräch über ungemein still geblieben war. "Sie wissen selbst besser als ich welche Rolle er '48 für Kiel spielte. Nur als unmüßiger Chemiker kann er damals in der Lage gewesen sein, die Minen vor dem Hafen zu entwerfen und die dänische Flotte fern zu halten. Sie verstehen also, dass es ihm, Professor Himly, erst gelang die Fragen über Nutzen und Missbrauch seiner Erfindungen zu stellen, als er den Entschluss gefasst hatte, mit Ihnen in die Ereignisse der Welt einzugreifen."

Ruhig atmete er einige Züge tief durch, bevor er weitersprach. Seine Stimme wurde unterschwellig lauter. Die Entrüstung des Schweden wirkte eigenartig, wenn man bedachte, dass er Friedrich im Eigentlichen zustimmte statt ihm zu widersprechen.

"Ich sehe mich als Unternehmer, Euer Durchlaucht, um Ihr Verständnis meiner Person nicht lückenhaft zu belassen. Ich werde, und dieses Ziel ist unumgänglich, Möglichkeiten und Wege finden und vertreiben, einen Sprengstoff zu zünden, der stärker sein wird als alles, was jemals da gewesen ist. Ist es das, was sie hören wollten? Denn wenn ja, gibt es keine Scham, diese Absicht zu verbergen, und keine Notwendigkeit, meine Verantwortung gegenüber meines Produktes zu verhehlen. Es ist ganz selbstverständlich, dass mein Produkt als Kriegsmittel verwendet wird; doch genau so selbstverständlich ist es, dass sich damit Bodenschätze gewinnen, Tunnel versetzen und Konstruktionen ermöglichen lassen. Und ich trage die Verantwortung, mit Stolz und mit Pflicht: Die Verantwortung darüber, durch die Möglichkeiten meiner Erfindung die Entwicklung und der Fortschritt der Menschheit voranzutreiben! Es ist illusorisch zu denken, dass es keinen Krieg geben würde, wenn dem Menschen die Waffen dazu fehlen würden, doch es ist unzweifelhaft, dass es dem Menschen nicht gelingt, zu erschaffen, wenn ihm das Werkzeug fehlt - können Sie mir da nicht zustimmen?"

Aufgebracht starrte Alfred den Augustenburger an. Der finstere Blick in der Stirn des Schweden war ein Ausdruck, welcher erschreckend wirkte. Auch wenn seine Begleiter der letzten Tage ihn nur für sehr kurze Zeit kannten, hatte der Schwede eine solche Gefasstheit und Reserviertheit ausgestrahlt, welche nun in seiner plötzlichen Entrüstung verloren ging. Der Ausbruch passte nicht in das Gespräch, welches Alfred mit dem Herzog geführt hatte. Es war, als hätte Friedrich mit seinem Hinweis auf dessen Gewisshaftigkeit einen wunden Punkt in den Gedanken des schwedischen Unternehmers getroffen.

Mit einem tiefen Atemzug versuchte Alfred, sich zu beruhigen, ehe er mit der Linken die in die Stirn gefallenen Haare zu Seite schob und das Gespräch zu sammeln versuchte.

"Denn insofern haben Sie durchaus Recht, Euer Durchlaucht. Es bleibt nicht mehr als der Feldversuch. Es stellt sich lediglich die Frage, was es zu tun gilt, um das jeweilige Ziel zu erreichen."

Der bittere Ausdruck in Alfreds Miene löste sich, als er den Kopf senkte und den Vertrag in seiner Hand besah. Nachdenklich tippte er das gefaltete Stück Papier auf seinen Oberschenkel.

"Doch zur Sache. Sehen Sie, Euer Durchlaucht, Sie sind nicht die einzige Person in diesem Raum, die bezügliches dieses Dokumentes einer Täuschung unterlegen ist. Mit Ausnahme des Majors vermutlich, sind alle anderen Anwesenden in diesem Zimmer seit der Entdeckung dieses Vertrages in der Meinung geblieben, dass das Dokument in seiner jetzigen Form eine vollständige Rechtsgültigkeit mit sich brachte. Wodurch sich natürlich die Frage aufdrängte, was es mit dem Vertrag zu tun galt. Durch Ihre Art der Einladung fiel es uns unmöglich, Vertrauen in Ihre Sache zu gewinnen. Ich sehe ein, dass Herr von Hardenberg nicht Ihre Wahl als Bote gewesen ist, doch der Umstand seiner Person verkomplizierte die Frage ungemein. Zusätzlich galt noch immer die fragwürdige Forderung der Erpresser, das Dokument bei De Meza abzuliefern. Und nicht zu vernachlässigen war dieses Dokument schließlich ein Zugeständnis für das Volk Schleswig Holsteins, ein geheimer Vertrag, der die gesamten Bürger der potentiell zukünftigen Nation betrifft."

In einer kurzen Pause ließ Alfred dem Herzog Zeit, die Zusammenhänge und Motivationen nachzuvollziehen.

"Dieses Dokument ist nicht länger ein Unikat. Es existieren seit heute Mittag Kopien, von denen sich eines auf dem Weg zur Publikation für die Bürger Kiels sowie eines auf dem Weg zu General de Meza befindet. Wohlgemerkt: Kopien in seiner jetzigen, unvollständigen Form."

Tief sah Alfred in die Augen des Augustenburgers. Es war eine eigenartige Situation. Bei all den Geheimnissen, die Friedrich bezüglich des Vertrages bereit gewesen war zu teilen, wirkte es unwirklich, dass es nun an Alfred lag, eine Verheimlichung aufzudecken.

"Es ist also mittlerweile fraglich, Euer Durchlaucht, ob eine potentielle Vervollständigung des Vertrages durch de Meza in der Lage sein kann, ausreichend Einfluss auf Dänemark, Preußen und die Garantiemächte auszuüben, wenn eine unvollständige Form bereits publik in den Zeitungen zu lesen ist. Es ist an dieser Stelle wichtig, dies nicht unerwähnt zu lassen."

Alfred erlaube sich wieder eine Pause, doch diese benötigte er nicht mehr, um seine Gedanken zu ordnen. Der Schwede hatte den Blick nun fest auf den Herzog gerichtet, der Mund war unter dem dichten Bart zu einem Strich verzogen. Ächzend stützte Alfred sich auf die Armlehnen, als er nun versuchte, sich aus dem Sessel zu heben. Er spürte, wie kraftlos er sich mittlerweile fühlte. Im Stehen sprach er weiter.

"Ich gebe Ihnen durchaus Recht, wenn sie die Ihre und meinige Verantwortung auf eine ähnliche Stufe stellen. Ich sage, dass eine Idee erst durch ein Handeln an Bedeutung gewinnen kann, und schließlich ist dies das selbe Credo, dem auch Sie gefolt sind. Nur, wie bereits erwähnt, verstehe ich mich als Unternehmer, und als solcher besteht eine dringende Notwendigkeit, das Risiko und die Erfolgsgewissheit meiner Handlungen abzuschätzen. Was für mich jedoch eine simple Rechnung auf dem Papier sein kann, um mir die notwendige Sicherheit zu bestätigen, ist in Ihrem Fall offensichtlich nicht mit so einfachen Mitteln zu bewerkstelligen. Die Rechtmäßigkeit des Vertrages ist demnach nicht, wie Herr von Stiehle behaupten möchte, eine Frage der Moral, sondern lediglich der Sicherheit. Es ist ganz einfach: Ein legaler Vertrag fundiert auf der Bereitschaft der Vertragspartner, das jeweilige Wort zu halten und projiziert eine entsprechend hohes Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit. Ein gefälschter Vertrag kann, wie Sie es auch schon sagen, den Erfolg unter Umständen ebenfalls hervorrufen, doch die Wahrscheinlichkeit dafür, Euer Durchlaucht, ist ungemein gering."

Es kam Alfred gar nicht in den Sinn, die Angelegenheit als ein überdimensioniertes Schachspiel zu bezeichnen, doch die analytische Art und Weise, in welcher er die Umstände auf ihr mindestes Maß reduzierte wirkte kalt und kalkuliert, als müsse er selbst weiße Figuren ziehen. Bedeutsam hob Alfred das Dokument in die Höhe, welches ihm in den letzten Tagen so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte. Der Schwede begann langsame Schritte zu gehen, ehe er weitersprach.

"Ich bleibe nach wie vor bei meinem Wunsch, Schleswig und Holstein in Frieden zu sehen. Ebenso will ich mein Wort halten, dass ich bereit bin, meinen Teil dazu beizutragen." fügte er hinzu, als er zwischen Kamin und Schreibtisch stehen blieb und mit einem Nicken zu Himly und Mommsen sah. Den Vertrag hielt er noch immer erhoben in seiner Hand. "Bitte verstehen Sie meine vorhergehenden Fragen zur Aufklärung der Vertragssache im Rahmen meines Versprechens gegenübern den Herren Himly und seinen Kollegen. Auch wenn die Angelegenheit Schleswig und Holsteins kein Unternehmen sein mag, stellt sich für mich die Frage, wie weit ich meine Bereitschaft in der mitzuwirken führen kann. Und die Antwort kann für mich unter dem unausweichlichen Risiko für meinen Bruder, mich und mein Unternehmen nur maßgeblich unter Gewissheiten beantwortet werden."

Mit einem vielsagenden Blick sah Alfred in die Gesichter der Anwesenden, doch seine Absichten blieben undurchsichtig. Das Feuer knisterte bedrohlich hinter seinem Rücken.

"Es ist nach wie vor eine Frage der Wahrscheinlichkeiten. Treffen Sie in Flensburg auf einen de Meza, der bereit ist, das Siegel zu setzen, ist damit die Gewissheit des Erfolges noch immer nicht gewährleistet. Preußen weiß von der Fälschung des Vertrages und natürlich, es muss sich zunächst erklären müssen, aber wird die Enthüllung nur eine Frage der Zeit sein? Und was, wenn de Meza bereits unsere Fälschung Ihrer Fälschung erhalten hat? Was wird ein falscher publizierter Vertrag mit dem Sinn der Bürger veranstalten? Sehen Sie, die Gewissheit ist keineswegs gewährleistet."

Alfred räusperte sich, nachdem er seine letzten Worte gesprochen hatte. Der Schwede wirkte selbstsicher in seiner Haltung, obgleich er selbst davon sprach, dass Sicherheit nicht das war, was er vorfand. Er wechselte einen kurzen Blick mit Emil, ehe er zu Ende sprach.

"Ich finde mich als Gefangener des holsteinischen Staates vor, Euer Durchlaucht," sprach Alfred Nobel mit fester Stimme, hob den Vertrag mit der Rechten in Augenhöhe und verschränkte die linke Faust hinter seinem Rücken. "Als solcher sehe keine andere Möglichkeit, Ihnen den Vertrag in seiner Funktion als Beweismittel zu überreichen, um meine Unschuld in der Angelegenheit klarzustellen."

Vorsichtig legte Alfred das gefaltete Papier auf die Tischkante des vollgestellten Schreibtisches und ließ seine Fingerspitzen auf dem Dokument ruhen. Sein Blick wanderte zwischen den Anwesenden und blieb zuletzt zwischen Carl und dem Major stehen.

"Herr von Stiehle, Sie werden verstehen, dass ich im Zuge der Verhaftung aus persönlichen Gründen alles daran stellen muss, meine und meines Bruders Freiheit wiederherzustellen. Ich hoffe, durch die Bereitstellung des Beweisstückes eine Amnestie zu erfahren, sofern Euer Durchlaucht diese gewährt."

Es war wieder eine Formalität, die der Schwede für sich spielen ließ. Die Situation war vergleichbar zu der Nacht, in der sich Alfred angesichts des Haftbefehls mit einem unerwarteten Kunstgriff aus der Eskorte des Braunschweigers befreite. Alfred war klar, dass er unter der Begleitung von Carl, Conrad und von Stiehle vermutlich ohnehin das Herrenhaus des Herzogs hätte verlassen können. Doch seine Absichten waren deutlich andere.

"Herr Himly, Herr Mommsen," wandte Alfred sich zu den beiden Professoren, während seine Fingerkuppen noch immer das Dokument beschützten, "ich hoffe, Sie teilen meine Ansicht meine Möglichkeiten erschöpft zu sehen, wenn es um Ihre Sache geht. Ich erwähnte es schon, mehr Risiken kann ich ob der zu großen Ungewissheit nicht eingehen."

Der Schwede nickte den Professoren zu, die Geste wirkte abgeschlossen und abgeklärt. Es war Zeit, dass Alfred die Angelegenheit für sich und seinen Bruder beendete.

"Euer Durchlaucht, Euch steht natürlich frei, mit Eurem Besitz nach eigenem Gutdünken umzugehen. Wenn Ihnen die Hoffnung ausreicht, die geringe Wahrscheinlichkeit herauszufordern um Ihr Ziel zu erreichen, dann wünsche ich es Ihnen und dem Volk Schleswigs und Holsteins lediglich das Beste. Doch ich bitte Sie, mich und meinen Bruder aus jeglicher vergangener oder anstehender Schuld zu befreien. Mehr," fügte Alfred mit Nachdruck hinzu, "kann ich nicht tun."

Endlich löste Alfred seine Hand von dem Papier. In einer ruhigen aber angespannten Bewegung verschränkte er nun beide Arme hinter seinem Rücken, eine Geste, die den Geschäftsmann als solchen prägte. Alfred lächelte nicht, als er zu seinem Bruder sah, doch der Blick allein genügte um zu zeigen, dass Alfred sich wünschte, die Sache wäre nun endlich für die Familie Nobel beendet.

"Nun," räusperte Alfred sich ein letztes Mal, "würde ich gerne auf Herrn von Stiehles Bemerkung zurückkommen. Ich halte es nun für angemessen, für unsere Sicherheit zu sorgen."
 1. An dieser Stelle kann auch Carl bereits seinen Trank erhalten.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 02.08.2013, 23:23:35
Dankbar nahm Carl den sogenannten Thermoregulator von Alfred Nobel an. Er hatte selber darum bitten wollen, es dann aber während seiner eigenen Rede ganz vergessen. "So einen Trank müsste es für jeden Soldaten im Feld geben", befand Carl, während er sich die Flüssigkeit zunächst genauer besah.
Die Worte des Herzogs waren Carl zuwider. Sicherlich war diese Situation vertrackter, als er es gerne wahrhaben wollte, aber wenn man des Herzogs Ausführungen auf die Spitze trieb, wäre eine Gesetzgebung aufgrund der menschlichen Fehlbarkeit gar nicht möglich. Irgendein Grund würde sich immer finden, mit dem sich ein Vertrag oder Gesetz anfechten lassen würde. Dabei konnte der Herzog weder damals noch jetzt gegen das Londoner Protokoll vorgehen. Offensichtlich fehlte ihm das politische Gewicht dazu und seine einzige Möglichkeit war eine Urkundenfälschung.
Auch wenn die Hitze langsam dafür sorgte, dass sich Carl nicht mehr vollständig sicher war, welcher Meinung er eigentlich war, sah er dennoch keine Möglichkeit diese Fälschung als legitimes Mittel des Herzogs anzusehen.

Sich daran erinnernd, dass er Alfreds Trank noch immer in der Hand hielt, entkorkte er endlich die Phiole und begann zu trinken. Die Flüssigkeit verbreitete augenblicklich eine willkommene Kühle in seinem Hals, die von dort aus langsam durch seinen ganzen Körper kroch. Gerade als Carl den letzten Schluck tat, offenbarte Alfred die Veröffentlichung des Vertrages. Diese Neuigkeit überraschte Carl dermaßen, dass er sich verschluckte und unwillkürlich zu Husten begann. Es brauchte einige Sekunden, bis er sich von dem Schreck erholt hatte.
"Wie konnte er nur?" war sein erster Gedanke, nachdem er wieder normal atmen konnte. Doch war ihm auch klar, dass Alfred damals von ganz anderen Dingen ausgegangen war, als er den Vertrag veröffentlichen ließ. Dennoch zeigten Alfreds Ausführungen deutlich genug, dass er und Carl unterschiedliche Wege eingeschlagen hatten. Carl hatte selbst betont, dass Nobel nicht in seiner Schuld stand und er hatte auch nicht vergessen, dass Alfred Witmaacks Leben gerettet hatte, dennoch konnte er nicht verhindert eine gewisse Enttäuschung zu verspüren.

Die Enttäuschung wurde umso größer, als Alfred den Vertrag an den Herzog übergab. Mehr oder weniger hilflos musste Carl dabei zusehen und fühlte sich dabei noch mehr als zuvor, wie schmückendes Beiwerk, bei diesen Verhandlungen. Er hatte sich redlich bemüht, aber schlussendlich, war es doch nur ein Kampf ohne Munition gewesen, während Nobel einfach so entscheiden durfte. Seine einzige Möglichkeit direkt Einfluss zu nehmen sah er darin den Vertrag rasch zu vernichten, doch welche Ehre lag in solch einem Handeln? Darüber hinaus hätte Alfred Nobel dann nichts mehr, dass er dem Haftbefehl entgegensetzen konnte. Und bei aller Enttäuschung, wollte Carl den Schweden nicht ins Verderben stürzen.

Mehr denn je, spürte er nun, wie dieses Gespräch und die hier dargelegten und vertretenen Werte gegen alles gingen, wofür er selbst zu stehen meinte und was ihm lieb und teuer war. Hatte ihn die Empfehlung des Herzogs zu gehen zunächst verärgert zog er sie nun tatsächlich in Erwägung, doch er würde sich nicht so einfach wegschicken lassen.

"Euer Durchlaucht, Herr Nobel, ich gebe Ihnen beiden Recht. Euer Durchlaucht haben ganz Recht mir nahe zu legen, diesen Saal zu verlassen, denn ich bin nun einmal denkbar ungeeignet für solcherlei Verhandlungen. Sie ziehen für sich keine Grenzen und Ihr zweckt heiligt die Mittel ihrer Wahl, während Herr Nobel uns eindrucksvoll demonstriert hat, dass es eine Frage der zu erwartenden Sicherheit ist, die ein erfolgreicher Mann zur Maxime seines Handelns macht, wenn er erfolgreich bleiben möchte. Dagegen kann ich schwer ankommen und Sie haben auch ganz Recht, wenn Sie andeuten, dass wir uns über Preußen nicht mehr einig werden können. Und deshalb glaube ich, dass es auch keinen Sinn mehr macht über diese Sache zu streiten. Wenn Sie da gern das letzte Wort behalten möchten, dann soll es mir Recht sein.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich möchte Ihre Ansichten nicht verurteilen - im Gegenteil, ich glaube, dass ich Sie gut verstehen kann. Ohne, dass ich mich dadurch irgendjemandem gegenüber erhaben wähnte, bin ich aber nicht so. "

Während er sprach ging Carl gemächlichen Schrittes durch den und blieb schließlich vor dem Vertrage stehen. Er machte eine Pause und sah vor allem den Herzog und Alfred Nobel an, als er nach dem Vertrag griff.
"Wenn doch, so könnte ich dieses Papier nehmen und einfach in den Kamin werfen oder zerreißen.

Carl verharrte in seiner Bewegung, so dass sein Hand nun über dem Dokument schwebte, ohne dieses zu berühren. Er sah auf den Vertrag herab und es schien als ringe er mit sich. Würde er jetzt über seinen Schatten springen, wäre alles getan. Der Bundesexekution würde nichts mehr im Wege stehen und diese Scharade hätte ein Ende. Endlich könnten die Dänen in die Schranken gewiesen werden und durch Preußens gestiegenen Einfluss und Prestige würde eine deutsche Lösung in greifbarere Nähe rücken. Carls Griff zu, seine Hand ballte sich zur Faust. Niedergeschlagen schloss er die Augen und wandte sich von dem unangetasteten Schriftstück ab. Er wirkte müde und abgekämpft als er weitersprach.

"Aber das kann ich nicht, denn ich bin nicht so frei wie Sie es sind. Auch wenn die vergangenen Tage wie Gift für meine Ideale und Hoffnungen waren, so sind diese immer noch stark genug in mir um mich zu binden und mir Grenzen aufzuzeigen oder auch mich zum Handeln zu zwingen. Es war alles andere als sicher unter Beschuss Schiffbrüchige zu retten und es wären mit großer Sicherheit einige Probleme beseitigt, würfe ich dieses Schriftstück nun ins Feuer. Ich hätte vielleicht auch eher an Preußen denken sollen, als sie mir das erste Mal eben jenes Papier zeigten, Herr Nobel, aber ich habe in Ihnen den in einem fremden und unfreundlichen Land Gestrandeten gesehen, der sich urplötzlich als Bauer auf dem Schachbrett anderer Leute wiederfand."

Er entfernte sich von dem Vertrag und begann während des Sprechens seine Uniform zurecht zu rücken. Gelassen knöpfte er seinen Mantel wieder zu, wo er jetzt nicht mehr unter der unglaublichen Hitze in diesem Raum leiden musste und griff schlussendlich - als er mit dem Sitz seiner Uniform zufrieden war - nach seinem Helm. Während er all das Tat gewann er Stück für Stück an Haltung zurück und es kehrte ein wenig Unbeschwertheit in seine Stimme zurück.
"Vermutlich war mein Verhalten damals sehr naiv von mir, aber ich stehe auch jetzt noch dazu und sehe nicht ganz ohne Freude, dass sie sich von der Schachfigur zum Spieler erhoben haben. Man könnte Ihnen ihre Verluste entschädigen und vielleicht sogar noch etwas obendrauf geben, aber eine wahre Entschädigung ist es vermutlich nur, wenn man sich nicht mehr als Werkzeug anderer betrachten muss. Und so freut es mich tatsächlich - unabhängig von meinen Interessen - dass Sie und Ihr Bruder diese Sache offensichtlich für sich zum Guten wenden konnten.

Und genau deshalb bin ich hier fehl am Platze. Ich bin wohl selbst nur eine Schachfigur, wenn überhaupt, und wäre ich ein Spieler, dann hätte ich keine Figuren vorzuweisen, außer eben mich selbst. Und ich bin bloß ein Leutnant und Soldat, aber kein Diplomat - noch nicht. Sie sehen es ja selbst. Der Herzog sagte ganz zu Recht, dass meine Anwesenheit seine Fälschung nicht unwirksam machen wird, denn dies hat nur Herr Nobel vollbringen können."


Carl setzte seinen Hem auf und ging zur Tür. Von Niedergeschlagenheit oder Müdigkeit war nun gar nichts mehr zu sehen. " Ich werde Sie nun tatsächlich verlassen, meine Herren. " sprach er ohne sich umzudrehen. "Hier kann ich kaum noch etwas bewirken, aber da draußen gibt es Aufgaben, die mir besser liegen. Diese Franzosen sind nun lange genug auf freiem Fuß gewesen und nicht zuletzt haben sie uns einen großen Teil dieser Ärgernisse eingebrockt. "

Carl stand nun vor der Tür und hatte den Griff in der Hand, verharrte jedoch, als sei ihm noch etwas wichtiges eingefallen. Immer noch zur Tür gewandt sprach er zu Alfred: "Ach ja, eine Sache wäre da noch: Herr Nobel, ich gab vorhin auch Ihnen Recht. Damit bezog ich mich auf die Notwendigkeit, dass Sie zu allererst Ihre und Ihres Bruders Freiheit zu erlangen. Allerdings verstehe ich, wenn ich ihren Ausführungen zu Sicherheit und Risiko richtig folgen konnte, nicht, warum sie diesen Weg dazu wählen."

Er hatte seinen Kopf leicht nach links gedreht, so dass die Anderen, mit Ausnahme von Major von Stiehle, der ebenfalls nahe der Tür stand, sein Gesicht zwar einigermaßen erkennen konnten, ohne jedoch darin lesen zu können. Nur von Stiehle konnte Carls bittere Miene sehen, als dieser seine letzte Karte ausspielte, die Alfred Nobel ihm selbst zugeteilt hatte.
"Sehen Sie, sie haben sich in einigen Details verheddert, wenn ich das so sagen darf. Von der Rechtmäßigkeit dieser Fälschung überzeugt, haben sie die Publikation eben jener angestrebt. Ob nun falsch oder nicht, ist diese Publikation ein Ärgernis für Preußen, ich denke daraus muss man keinen Hehl machen. Dadurch, dass diese Fälschung aber unvollständig war, haben Sie unabsichtlich die Chancen des Herzogs seine Pläne zu vervollständigen minimiert, das haben Sie ja auch gerade selbst ausgeführt. Dennoch scheinen Sie ihm durch die Übergabe des Dokuments einen letzten Strohhalm darreichen zu wollen, anders kann ich mir das Risiko, das sie damit eingehen sonst nicht erklären.

Kann ein General de Meza wirklich die Fälschung vollenden, wenn alle Welt darum weiß? Und vor allem darum weiß, dass diese Fälschung lange nach ihrer eigentlichen Datierung und damit auch nach König Christians Tod komplettiert wurde. Ein General, der zu solch einem Verrat fähig ist? Aber genug mit diesen Überlegungen, es ist also sehr wahrscheinlich, dass dieses Imitat kaum noch so viel wert ist, wie das Papier auf das es geschrieben wurde. Sie, Herr Nobel, können also kaum davon ausgehen, dass Herzog Friedrich, nachdem er Sie hoffentlich für frei erklärt haben wird, noch lange dafür Sorge tragen können wird, dass dies so bleibt.

Gehen Sie einmal von den Befürchtungen des Herzogs aus. Preußen gewinnt den unvermeidlichen Krieg und bis die weitere Verwaltung dieses Landes endgültig geklärt ist, wird es zu einer Art Protektorat erklärt werden. Auch wenn die Publikation dem Herzog mehr schaden dürfte, macht es diese für die Preußen nicht weniger unangenehm. Ich kann das schwerlich einschätzen, aber es wäre möglich, dass sie eben diesen Haftbefehl dadurch ein zweites Mal zu Gesicht bekämen oder dass man Ihnen schlicht erhebliche Steine in den Weg legen wird, wenn Sie hier gewerblich Fuß fassen möchten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, das ist selbstverständlich keine Drohung, selbst wenn ich wollte, hätte ich dazu gar nicht die Möglichkeiten. Es ist nur eine Überlegung und der Versuch zu verstehen, warum Sie eben nicht versuchen in dieser Angelegenheit den Preußen entgegenzukommen.
Der Krieg wird, wie wir nun wissen, über uns kommen, ob wir wollen oder nicht. Wenn wir Dänemark unterliegen -  und glauben Sie mir unbedingt, dass dies nicht geschehen wird - dann wird Sie auch niemand mehr verfolgen. Wenn die Bundestruppen siegen, werden Sie ebenso sehr frei sein, da man sich Ihrer Taten am heutigen Abend erinnern wird. Major von Stiehle hat sicherlich alle Kompetenzen, Ihnen dies zuzusichern und zu bestätigen, sollten meine Überlegungen zutreffen. Ich darf mich nun endgültig verabschieden. Leben Sie wohl, Herr Nobel."


Carl öffnete die Tür und trat aus der Hitze des Raumes hinaus.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 07.08.2013, 00:14:48
Samuel hörte dem Verlauf der Gespräche genau zu, auch wenn ihm die Hitze schwer zu schaffen machte. So war er äußerst dankbar, als Alfred das wunderhafte chemische Gebräu verteilte, das ihm alsbald Erleichterung verschaffte. „Danke“, nickte er dem Schweden kurz zu, bevor er wieder seine Ohren spitzte.

In seinem Kopf fügte sich Information an Information. Er ordnete sie im Geiste an: In der Horizontalen die offenen Fragen, in der Vertikalen die Umgebungselemente, in ihrem Inneren eine Matrix aus vielfältigen Details, die bald ein vollständiges Bild ergaben. Manch einer hätte Mühe gehabt, all die einzelnen Punkte im Kopf zu behalten, die in der wortwörtlich hitzigen Diskussion genannt worden waren, doch für Samuel war es nur ein Blick, ein einzelnes Bild, das er mit einem einzigen Gedankengang erfassen konnte.

Und als endlich der Punkt kam, da sich Zufriedenheit eingestellt hatte, trat er einen Schritt nach vorne, kaum, dass Carl den Raum verlassen hatte.

„Gestatten Sie mir, dass ich noch einmal mein Wort erhebe“, sprach er in die Runde, wandte sich dann aber gleich dem preußischen Major zu. „Zunächst einmal danke ich Ihnen für das Angebot der Erhebung in den Stand eines preußischen Diplomaten, möchte die Ehrung jedoch ablehnen, da ich mich keiner sich daraus ergebenden Verpflichtungen unterwerfen möchte. Zum anderen fürchte ich, dass ich mich ein weiteres Mal äußerst unbeliebt machen muss, da ich einige Punkte ansprechen werde, die aller Voraussicht nach zu Ärgernis und Wut führen werden. Ich möchte Sie alle trotzdem bitten, mir bis zu Ende zuzuhören, denn was Ihnen im ersten Moment wie eine Frevelei erscheinen mag, wird sich womöglich am Ende noch auflösen.“

Mit dieser kryptischen Ankündigung trat er einen weiteren kleinen Schritt nach vorne, und räusperte sich. Auch seine Kleidung war durchgeschwitzt, er fühlte sich nicht unbedingt wohl, aber er war es vermutlich eher als die meisten in diesem Raum gewohnt, mit ungewohnten und unangenehmen Situationen umzugehen, als wären sie für ihn völlig natürlich.
„Zunächst einmal zur Rolle Preußens. Herr von Stiehle, ich bin sicher, dass Sie in Ihrer Rolle hier vor Ort auch den Berliner Verfassungskonflikt im Hinterkopf haben, Bismarcks Umstrukturierung des Heeres über den Willen des Parlaments hinweg. Für Preußen ist es beinahe schon eine politische Notwendigkeit, einen erfolgreichen Krieg zu führen, um so die Notwendigkeit der Neuorganisation zu rechtfertigen und das Parlament zum Schweigen zu bringen. Ohne Ihnen persönlich etwas unterstellen zu wollen, muss dieser politische Zugzwang bei allen Freundesbekundungen Preußens gewiss mit einkalkuliert werden.“

Samuel sah dem Major bei seinen Äußerungen direkt in die Augen, blieb dabei vollkommen sachlich und nüchtern, aber auch standhaft. „Nun zu Ihnen, Euer Durchlaucht“, drehte er sich recht abrupt zu dem Herzog um. „Ich stimme Ihnen in vielen Punkten zu, mehr, als Sie nach meinem Gesprächseinstieg vielleicht meinen mögen. In der Politik geht es um die Vertretung der Interessen Einzelner, wie gerade das Beispiel des Verfassungskonfliktes deutlich zeigt. Ideale sind die Basis eines jeden Staates und einer jeden Kultur, doch Menschen sind fehlbar, und so ist es auch ihre Politik. Ginge man immer nur den Weg des Rechts, wäre man verloren, alleine deshalb, weil Recht unterschiedlich ausgelegt und auch von anderen zum eigenen Nachteil gebrochen wird. Die Frage ist in der Tat, wo man die Grenze des moralisch Erträglichen zieht, das aber ist eine Frage, die letztlich nur jeder Einzelne für sich beantworten kann. Insofern habe ich an dieser Stelle kein Interesse daran, Sie moralisch zu attackieren.“

Er schenkte dem Herzog ein kurzes, beruhigendes Lächeln, jedoch nicht lang genug, um den Mann in Sicherheit zu wiegen. Denn was er eigentlich zu sagen hatte, würde dem Herzog ganz sicher nicht gefallen.

„Weshalb also habe ich Sie vorhin so provoziert? Aus zwei recht einfachen Gründen: Erstens hatte ich gehofft, Sie damit dazu zu bringen, uns dringend benötigte Informationen zu geben, damit wir die Lage genauer einschätzen können. Zweitens wollte ich herausfinden, wie Sie als möglicher politischer Repräsentant in einer für die Zukunft des Landes und des Volkes kritischen Situation reagieren würden. Verzeihen Sie mir, wenn ich dies so deutlich sage, aber: Sie haben für einen entscheidenden Moment die Kontrolle verloren.“[1]

Nun galt es, den Herzog über diese Kritik brüten zu lassen. Samuel hielt den Mann für ungeeignet, Schleswig und Holstein in einer solchen Situation politisch zu führen, nicht nur aufgrund seiner moralischen Ansichten, sondern allem voran, weil er sich politisch nicht würde durchsetzen können. Nicht auf lange Sicht jedenfalls.

Und so wandte er sich erneut Herrn von Stiehle zu. „Bei allem, was hier bereits an möglichen Ausgängen der Situation besprochen wurde, ist eine Sache vollkommen übersehen worden: Die Schlagkraft der nordischen Bevölkerung nämlich. Ich sage Ihnen, die Gemüter in Kiel und anderswo brodeln, sie brodeln sogar so sehr, dass sich dort inzwischen Gerüchte über Dänemarks Repression bilden, die gar nichts mehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu tun haben.“ Und ja, Samuel hatte durchaus seinen Anteil daran. Aber das war ein Geheimnis, das er wohl mit ins Grab nehmen würde. „Und bedenken Sie, was die Veröffentlichung des Vertrags, ganz unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit, mit den Bürgern von Schleswig und Holstein machen wird. Es wird einen Krieg geben, sofern heute keine andere Lösung gefunden wird. Aber ich sehe durchaus die Möglichkeit, dass dieser Krieg weder von Dänemark noch von Preußen ausgeht, sondern vom Volke selbst. Ein Bürgerkrieg gegen die Obrigkeit, den ein vom Willen nach Freiheit getriebenes Volk bis ans Äußerste bringen kann, und glauben Sie mir: Ich war in den letzten Tagen auf den Straßen von Kiel unterwegs, ich sehe sehr wohl die Möglichkeit, dass nicht Dänemark oder Preußen den drohenden Krieg gewinnt, sondern das Volk von Schleswig und von Holstein.“[2]

Erneut sah er dem Major direkt in die Augen. „Welchen Eindruck würde Preußen im Deutschen Bund hinterlassen, wenn man mit den frisch restrukturierten Armeen zu spät zum Krieg kommen würde, wenn gezeigt würde, das Preußens Armeen gar nicht benötigt würden?“

Erneut abrupt wandte er sich ab, und sah nun zu Alfred Nobel. „Herr Nobel, Sie sprachen von Sicherheit. Ich sehe in diesem Raum viele Männer mit vielen sehr unterschiedlichen Hoffnungen und Plänen, doch keiner dieser Pläne hat für mich ein vollkommen durchdachtes Fundament.  Keiner dieser Pläne birgt wirkliche Sicherheit in sich.“ Wieder wanderte sein Blick zum Herzog. „Sie sagen, Sie sind bereit, alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern. Aber was kann denn nun den Krieg verhindern? Der Vertrag? De Mezas Siegel? All das kann ihn vielleicht aufschieben, kann uns Zeit verschaffen, aber es löst die Situation nicht wirklich. Nur, wenn Macht und Wille, diese einzusetzen, zusammenkommen, kann der Krieg verhindert werden. Diese Macht liegt gewissermaßen an zwei Orten: In Preußen und in Dänemark.“

Und wieder wandte er sich an den Major. „Einen Vertreter Preußens haben wir hier vor Ort. Die Frage ist, ob er den Willen hat, für den Frieden zu sprechen. Nehmen wir nur einmal an, rein hypothetisch, er hätte die Aufgabe gehabt, für einen Krieg zu sorgen, damit Preußens Armeen Erfolge feiern können. Was wäre nötig, um ihn zu einem Abweichen von diesem Befehl zu bringen? Eine höhere Priorität müsste her: Etwa ein anstehender Bürgerkrieg. Kann Preußen diesen nicht verhindern, steht es vor einem politischen Desaster.“

Zum ersten Mal machte Samuel eine längere Pause, ließ seine Worte wirken, damit alle Beteiligten auch wirklich darüber nachdenken konnten. Schließlich setzte er erneut an.

„Bleibt noch Dänemark. Aus meiner Sicht gibt es nur einen Weg, wie man Dänemark hier in Zugzwang bringen kann: Die Unabhängigkeit Schleswig-Holsteins muss von möglichst vielen anderen Nationen verteidigt werden. Dänemark mag sich gegen die norddeutschen Völker stellen, auch gegen Preußen, aber nicht gegen den gesamten deutschen Bund. Die wiederum wären sicherlich gewillt, für die genannte Unabhängigkeit einzustehen, da man ohnehin lieber sehen würde, wenn ein Deutscher deutsche Lande regiert. Aber man muss ihnen eine Grundlage liefern.“

Nun fiel sein Blick auf den Vertrag. „Dieses Schriftstück dort ist eine Möglichkeit. Eine sehr vage, wie in diesem Raum mehrfach betont wurde. Doch seien wir ehrlich: Selbst wenn die Rechtmäßigkeit angezweifelt würde, die differierenden politischen Interessen würden dafür sorgen, dass es Jahre dauern würde, bis alles geklärt wäre. Vermutlich, verzeihen Sie mir meine Direktheit, Herr von Stiehle, haben Sie sich deshalb so sehr darum bemüht, nicht über den Vertrag zu diskutieren.“

Schließlich fiel sein Blick wieder auf den Herzog, dem er direkt in die Augen sah. „Eine weitere Option besteht allerdings auch daran, noch einmal über die Rechtmäßigkeit der, nennen wir es einfach einmal so, Enteignung der herzoglichen Familie zu diskutieren. Ganz unabhängig davon, ob es für diesen Vertrag eine Unterschrift geben wird oder nicht, hat die Veröffentlichung des Vertrags den politischen und gesellschaftlichen Nährboden geschaffen, um eine solche Diskussion zumindest wieder zuzulassen. Was für ein Desaster das für Preußen wäre, brauche ich ganz sicher nicht zu erwähnen.“

Inzwischen lief Samuel durch den Raum, passierte dabei einen der Anwesenden nach dem anderen und ging den Weg anschließend wieder zurück. Schließlich blieb er vor dem Major stehen. „Würde Preußen gegenüber dem deutschen Bund die Echtheit des Vertrags bekunden, ganz unabhängig von irgendwelchen Unterschriften, so würde dies den Willen Friedrichs für die Zukunft von Schleswig und Holstein zeigen, und auch in Dänemark selbst eine Argumentation dafür schaffen. Mit dem politischen Druck des gesamten deutschen Bundes und der pro-schleswig-holsteinischen Kräfte in Dänemark könnte man die dänische Regierung dazu bewegen, einen neuen, gültigen Vertrag aufzusetzen. Keine Fälschung.“

Er sah dem Major fest in die Augen. „Vorausgesetzt, Macht und Wille kommen zusammen.“[3]
 1. Diplomatie: 24 - ich will den Herzog überzeugen, dass er als Staatsoberhaupt in Krisensituationen ungeeignet ist, und ihm so den Willen zur Macht nehmen
 2. Diplomatie: 35 - ich will den Major überzeugen, dass ein Bürgerkrieg eine realistische Möglichkeit ist; Samuel glaubt übrigens durchaus selbst daran, immerhin hat er selbst entsprechend Stimmung gemacht  :twisted:
 3. Diplomatie: 46 - der Major soll dem Plan zustimmen
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Menthir am 16.08.2013, 16:15:02
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 18:56 Uhr - Gut Emkendorf - Im Büro des Herzogs

Nachdem Samuels Stimme verklang, breitete sich eine tiefe Stille in diesem Raum aus, welche den meisten eher unangenehm gewesen war. Alle, bis auf der in sich zusammengesunkene Herzog, hatten die Thermoregulatoren zu sich genommen und warteten darauf, dass ihre Wirkung entfalteten und wenn sie es getan hatten, beobachteten sie mit und an sich selbst die Wirkung dieses ungewöhnlichen Gebräus, welches die Hitze einfach so zu unterdrücken schien. Dem selbsterklärten Herzog erschien die Stille doch am unerträglichsten und nach Alfreds Worten war er in sich zusammengesackt wie ein nasser Sack, der vorher noch voller Luft war, die Alfred jetzt mit zwei starken Armen herausgedrückt hatte. Die Hitze hatte seine Spuren beim Herzog hinterlassen. Inzwischen hatte er den Vertrag an sich genommen und blickte ungläubig auf die dort geschriebenen Lettern. Wenn er noch gerne etwas gesagt hätte, zu seiner Verteidigung, zu Missverständnissen, zu Darstellungen, er konnte es nicht mehr. Die Nachricht über die Veröffentlichung der gefälschten Verträge hatte ihm die letzten Tür zur Macht zugeschlagen, auf diesem Weg war nichts mehr zu holen. Auch Samuels mutiger Vorstoß konnte seine Miene nicht mehr aufhellen. Zum einen schloss er die Herzogswürde für den Augustenburger aus, zum anderen baute es wieder genau auf den selben Methoden auf, an denen schon der erste Vorstoß gescheitert war. Unschlüssig blickte er zwischen den noch im Raum verbliebenen Männern hin und her. Selbst wenn Preußen das nachträglich billigte, wäre der Schaden für die Integrität des Herzogs viel zu groß, sodass er wahrscheinlich das Vertrauen des Deutschen Bundes verlieren würde und ein willfähriger Vasall Preußens werden müsste. Den Tränen nahe blickte auf seinen eigenen Schoß.

Es war Major von Stiehle, der die Stille mit einer lateinischen Phrase durchschnitt, und dabei Samuel Weissdorn kritisch und ablehnend betrachtete. "Quo vadis[1]?" Von Stiehle schüttelte leicht und den Kopf und drehte den Kopf dann zu Alfred Nobel. "Wenn Sie keinen preußischen Rechtsschutz in diesem Fall wollen, werde ich Ihre Bitte beherzigen. Sollte der Schutz der holsteinischen Soldaten bei Ihrer Abreise nicht reichen, und Sie auf Gut Emkendorf zu Schaden kommen, sein Sie versichert, dass Preußen dennoch alle notwendigen Schritte unternehmen wird, dass Sie dieses Gut in einem Stück verlassen können und sicher zu Ihrer nächsten Destination gelangen." Dieses Angebot galt auch für Emil, dem Gustav von Stiehle dies mit einem Nicken zusicherte. "Jedoch kann ich Ihnen sicher keine Freisprechung von Ihren Taten garantieren, sofern diese außerhalb Preußens stattfanden. Und selbst in Preußen könnte ich das wohl kaum. Ich denke jedoch, dass der Herzog noch genügend Herz und Integrität finden wird, Sie aus dieser misslichen Lage zu befreien. Meinen Zuspruch haben Sie. Sie haben tapfer die Wahrheit offenbart und haben sich nicht von einem bildungsgetragenen Ideal der Professorendemokratie verlocken lassen. Sie sind ein Mann wahrer Prinzpien und das weiß ich zu schätzen, völlig unabhängig davon, ob andere Sie nach dieser Situation hier als Egoist brandmarken werden."

Ein entschlossenes Nicken Alfred Nobel gegenüber und dann blickte Gustav von Stiehle wieder zu Samuel Weissdorn, und blickte jetzt seinerseits fest in die Augen von Samuel. "Ihre Worte mögen wie Ambrosia für andere sein, Herr Weissdorn, und ich verstehe, dass Sie nicht wollen, dass die Professoren den Weg umsonst auf sich genommen haben. Ich habe durchaus bemerkt, dass die Professoren den Vertrag als rechtmäßig angesehen haben bis sie kamen und jetzt ihrer Chance beraubt sind." Mommsen gab ein missmutiges, aber letztendlich zustimmendes Schnauben von sich. "Aber Macht und Wille werden hier nicht zusammengekommen. Ich will Ihnen gegenüber diplomatisch bleiben, aber sein Sie versichert, dass ich Ihren Vorstoß sehr dreist empfinde. Lassen Sie mich das nachvollziehen für Sie. Kommen Ihnen folgende Worte bekannt vor: «Umso wichtiger aber ist, dass die politische Zukunft, die wir hier zu formen wünschen, nicht auf Lügen fußen lassen, die enttarnt werden können und zu einem späteren Zeitpunkt womöglich einen noch viel schlimmeren Krieg heraufbeschwören könnten, als der, vor dem wir im Augenblick stehen.» Diese Worte dürften ihnen irrsinnig bekannt vorkommen. Sie haben Sie die Unterredung mit dem Herzog begonnen. Jetzt, da der Herzog seine Karten nicht genutzt zu haben scheint, wollen sie aber das Blatt des Herzogs für Ihre Zwecke weiternutzen. Und dazu möchten Sie nichts weiter, als dass ich Hochverrat meinem König gegenüber begehe. Indem ich persönlich die Bundesexekution aufhebe durch meine Entscheidung, obwohl ich eigentlich ihre Umsetzung vorbereite. Dann wollen Sie, nachdem ich die ganze Zeit die Legitimität des Vertrages in Frage gestellt habe, dass ich mich gegen meine eigenen Prinzipien stützte? Und wozu? Um Preußens Führung zu brüskieren, meinen eigenen Kopf in die Schlinge zu stecken und dann der eitlen Professorenschaft den Hof zu machen? Niemals! Sie sind ein Wendehals ohne Gleichen, Herr Weissdorn. Als wir nach Gut Emkendorf kamen, waren sie voller Aggression und eine Gefahr für die Reisegruppe. Nun tun sie so, als hätte es sie alles zutiefst erschüttert und könnten diese Lügen nicht mehr tragen und im nächsten Moment wollen sie diese Lügen für sich nutzen. Ich weiß nicht, welches Spiel Sie spielen, Weissdorn, aber ich werde es nicht mitspielen."
Gustav von Stiehle setzte seine Kappe wieder auf. "Sein Sie alle versichert, dass die Geschichte für Preußen damit weitestgehend erledigt ist. Wir werden keine rechtliche Schritten unternehmen, sofern keine weiteren Versuche über den Vertrag unternommen werden. Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufklärung. Ich werde jetzt meinen verwundeten Wittmaack holen. Dann erwarte ich eine Eskorte für die Verwundeten, Unbewaffneten, Diplomaten, Gäste und Toten bis zumindest nach Rendsburg oder Kiel. Einen schönen Tag.", dann tat es von Stiehle Carl von Lütjenburg gleich, lupfte die Mütze zum Abschied und beschloss den Raum zu verlassen.
Doch ehe er die Tür verließ, räusperte sich Carl Himly noch einmal. "Warten Sie, Herr Major. Warten Sie."

Carl Himly nahm seine schmale Brille von der Nase und putzte sie am Revers seines Jacketts, die letzten Schweißtropfen seiner Stirn danach mit dem Ärmel aufnehmend, setzte er die Brille dann wieder auf, kurz die Nasenflügel aufblähend. "Bevor Sie gehen. Mit einem Teil haben Sie recht. Wir sollten, nachdem wir solange um die Rechtmäßigkeit des Vertrages gerungen haben und nun wissen, dass er nicht rechtens ist, keine neue Illusion darum aufbauen. Sie wissen aber auch, dass Demokratie keine blinde Illusion ist. Und auch wenn wir an dieser Stelle nichts mehr machen können und wir keine Legitimität beanspruchen können, haben Sie den Willen der Männer in diesem Raum gehört. Wenn die Bundesexekution nicht mehr zu verhindern ist, dann bitte..." Mommsen sprach korrigierend dazwischen "Dann fordern wird Sie dazu auf!" Himly sprach kurz abwartend dann weiter. "...dass Sie an die Schicksale der vielen Schleswiger und Holsteiner im Laufe des dräuenden Krieges achten und dieses Land nicht aushungern, die Zivilbevölkerung weitestgehend schonen. Wir Holsteiner und Schleswiger, wir sind ein Volk des Friedens und eigentlich ein Volk, welches eigentlich zusammengehört. Opfern Sie es bitte keinen politischen Erwägungen, die nicht auf einer Augenhöhe mit dem Wohl eines Landstriches steht. Um mehr möchte ich Sie nicht bitten. Ich weiß, Sie können das nicht beschließen, aber tragen Sie das bitte vor!" Dann packte Himly seine Sachen ebenfalls zusammen. Es schien so, als wäre die Sache entschieden. Der Herzog hatte nun seinen Vertrag, doch er war wegen des Veröffentlichungsdruck wertlos geworden. Sicher gab es eine potenzielle Chance, dass er den Vertrag trotzdem zu de Meza brachte und es darauf ankommen ließ. Aber Preußen würde wegen der Veröffentlichung auch offen ein Wort dagegen aussprechen können und Dänemark ebenso. Der Herzog würde zerdrückt werden und den Rückhalt des Deutschen Bundes verlieren. Und dann würde er wahrscheinlich die Situation nur verschlimmern.
Theodor Mommsen, der einzige, der permanent gesessen hatte, stand nun auf und klopfte sich die Kleidung ostentativ ab. "Dann sei es so, wie es ist. Wir haben Geschichte geschrieben. Geschichte hat eben seine grausamen Wege Optimisten zu enttäuschen. Ich habe keine Ahnung, warum uns die Hoffnung so übermannte, dass wir das nicht sahen. Wir haben es nicht ausreichend geprüft, nicht eingehend geprüft. Alleine Albert Hänel hatte das Ganze auffallen müssen. Aber wie dem nun sei. Ich bin müde. Wir haben die Sache geklärt. Ich würde gerne nach Hause." Mommsen grummelte vor sich hin und stellte sich neben Himly auf, der bereit war, jetzt alsbald aufzubrechen.

Und so standen alle Gäste, während der Herzog zusammengesackt in seinem Stuhl saß und den Vertrag auf seinem Schoß begutachtete. Drüben im Nebenraum war jegliche Musik verklungen und wie es mit manchen Stücken war, folgte ihnen, wenn sie aufhörten, diese unsagbare Schwere. Sie hatte den Herzog ergriffen und er genoss sie vielleicht für einen letzten Moment. Dann stand er auf. Seine Tränen, die sich angedeutet hatten, waren wieder vertrocknet und dennoch fiel es ihm schwer mit Fassung zu sprechen. Er rang mit sich. "Verzeihen Sie die Unannehmlichkeit. Ich werde jedweden Haftbefehl sofort zurücknehmen." Schweren Schrittens, von der Hitze und dem inzwischen wirkenden Branntwein gebeugt, kam er um den schweren Schreibtisch herum. "Aber um eine Sache, muss ich Sie alle bitten. Lassen wir in diesem Raum, was in diesem Raum besprochen wurde. Das Schicksal meinte es nicht leicht mit meiner Familie, irgendwo zwischen aufgedrängter Verantwortung und unverschuldeter Entmündigung, wäre eine Veröffentlichung der Papiere untragbar für den Ruf meiner Familie und des Landes. Ich will Ihnen das vergelten. Sehen Sie, ich will es Ihnen vergelten. Und um Ihnen zu beweisen, dass es so ist, will ich mich der Schmach entledigen."
Das Knittern des schweren Papieres erfüllte kurz den Raum, als der falsche Herzog den Vertrag zerknüllte, gefolgt vom Knistern und letzten Auflodern des Feuers, als er aus Carls Konjunktiv ein Indikativ machte. Er warf den Originalvertrag in den Kamin.
"Es ist vorbei. Es ist alles vorbei. Preußen wird seinen Krieg haben. Heute morgen fragte ich mich noch, ob wir am Morgen des Krieges sein würden. Jetzt...", er griff in die Tasche und sein Blick ging auf eine silberne Taschenuhr, "...um 18:56 Uhr, am 07. Dezember 1863, muss ich feststellen, dass es zu diesem Krieg kommen wird. Und wieder einmal, wie 1848, hat Schleswig, hat Holstein, keine Aktien in einem Krieg. Wieder sind es größere Mächte, die uns bevormunden. Was ist Fortuna doch nur für eine flatterhafte Frau..."
Der Herzog sah zu, wie sein Siegel in den Flammen dahinschmolz und das Papier rasch verbrannte. Zwei einsame Tränen liefen seinem Gesicht entlang bis in seinen Bart.
"Gehen Sie bitte. Ich werde Thoralf beauftragen, Sie mit seinen Männern zu begleiten. Sie werden geschützt dieses Gut verlassen können. Mit allen Rechten freier Männer, mit Ihren Verwundeten und Ihren Toten. Die Soldaten werden Sie schützen. Ich wünsche Ihnen alles Gute."
Der Herzog fasste sich an die Stirn und rieb sie, ehe er zurück um den Schreibtisch ging und sich wieder setzte. Es war vorbei. Der Vertrag war vernichtet. Alfred Nobel und Emil Nobel wieder freie Männer. Die Soldaten würden Sie aus dem gefährlichen Gebiet geleiten. Und der Plan der weitestgehend gesichtslosen Söldner war vereitelt. Es würde Preußens Weg gehen. Und mit dieser Aura der Gewissheit verließ von Stiehle zuerst die heiße Stube des Augustenburgers, gefolgt von Himly und Mommsen, von den beiden Nobels und Weißdorn und zum Schluss Conrad Rosenstock.

Im Flur trafen sie sich nochmal und sammelten sich. Von Stiehle berichtete Carl vom Ausgang des Gespräches, während Himly zu den Nobels ging und Mommsen zu Samuel Weissdorn und Conrad Rosenstock.
"Ihre Worte waren tapfer und bravourös, Herr Weissdorn. Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie uns noch einmal die Tür aufstoßen wollten in dieser aussichtslosen Situation. Haben Sie gesehen, wie von Stiehle kurz wankte? Aber dann hat er es mit der Angst bekommen." Mommsen klopfte Samuel aufmunternd auf die Schulter und setzte sich dann wieder hin, müde und erschöpft.

"Es ist vorbei, die Herren Nobel. Ich beglückwünsche Sie!", Himly lächelte und seine Freude dafür, dass die Nobels diese schwierige Thema jetzt hinter sich lassen konnte, war ganz ehrlich. Himly strahlte so als wäre ihm selbst etwas Gutes widerfahren. "Sie haben Großartiges geleistet und sicher vielen Menschen, also allen Beteiligten, die Augen über die wahren politischen Machenschaften unserer Zeit geöffnet. Dieses Verhandeln im Dunkeln. Sie haben ein Zeichen dagegen gesetzt, ob es nun in Ihrer Absicht war oder nicht. Ich danke Ihnen, dass Sie mit uns dabei offen umgegangen sind und es freut mich, Alfred, dass es für Sie beide so gut ausgegangen ist. Der Rest wird, sofern noch nötig, wie abgesprochen, behandelt werden. Aber erlauben Sie mir, dass ich die Veröffentlichung der Briefe noch verhindern werde. Ich denke, dass es im folgenden Krieg, so Dänemark nicht noch einknickt, nicht gut sein wird, wenn die Preußen sich auch noch übermäßig unwillkommen in Holstein fühlen. Das wird den Willen zur Schonung nicht erhöhen." Himly klopfte Alfred und Emil auf die Schulter. "Lassen Sie uns sehen, dass wir uns wieder den schöneren Dingen widmen können. Der Wissenschaft!" Dann lachte er.

Doch auch Himlys Lachen konnte den Ernst der Situation nicht ganz auflösen, auch wenn jetzt, nachdem sie den Raum verlassen hatten und der Vertrag zerstört war, alle etwas entspannter wurden. Conrad mochte sich nicht glücklich fühlen, und Mommsen sowieso nicht. Himly immerhin schien zufrieden. Von Stiehle war sehr siegesgewiss, aber immer noch besorgt um seine Männer. Aber immerhin war es vorbei.

8. Dezember 1863 - Am Ende der gemeinsamen Reise? - 08:00 Uhr - Kiel - Am Hafen

Thoralf von Thienen-Adlerflycht, der junge holsteinische Soldat, oder Hausbedienstete, wie Samuel gerne dachte, hatte Sie in Kutschen gesteckt und von einer Einheit Infanteristen und einer handvoll Reiter sich nach Kiel geleiten lassen. Die Soldaten hatten im Umfeld alle aufgefundenen, preußischen Soldaten vor der Abreise noch präpariert. Von Stiehles diplomatischer Sieg - zumindest mochte er es selbst so sehen - war ein teuer erkaufter gewesen. Von Stiehle wusste, dass er es Carl von Lütjenburg, Alfred Nobel, Conrad Rosenstock und Samuel Weissdorn zu verdanken hatte. Doch im Angesicht seiner erschossenen Soldaten brachte er keine Worte über seine Lippen. Nur Wittmaack war mit dem Leben gerade so davongekommen, und Gustav und Carl selbst. Eine Kutsche transportierte nur die Leichen der preußischen Soldaten.

Aber nach langer und langsamer Reise erreichten sie in den frühen Morgenstunden endlich Kiel. Es war ein schöner Morgen. Die Sonne zeigte sich gerade am Horizont, und strahlte im hellen Glanze über das verschneite, kalte Kiel. Sie waren sicher wieder in Kiel angekommen und von den Söldnern hatte es kein Zeichen mehr gegeben. Kein Angriff, kein Schuss. Kiel war an diesem Dienstagmorgen friedlich. Die Menschen liefen über die Straßen zur Arbeit oder zu Markte, oder sie unterhielten sich aufgeregt über die Nachrichten. Über eine Nachricht. Die Bundesexekution war beschlossen wurden. Krieg würde folgen. Vom dubiosen Vertrag war in den Gazetten kein Wort zu lesen. Himly musste einen seiner Ringe genutzt habe, um es noch rückgängig zu machen.

Teile des Hafens waren zugefroren und Männer gingen der gefährlichen Arbeit nach, die eingeschlossenen Boote zu befreien, in dem sie schwere Hämmer und Planken auf das Eis niedersausen ließen. Oder sie hielten die Anlegeplätze frei, wenn die Fischkutter in zwei Stunden wiederkehrten. Eben solche Kutter, wie es auch die Helka war. Es war ein idyllischer Morgen, wenn man von den Nachrichten vom aufziehenden Kriege absah. Carl und Conrad sahen Kommilitonen, wie sie auf den Weg in die Universität waren. Samuel sah in der Ferne Wilhelm Seelig ebenfalls in die gleiche Richtung marschieren. Überall waren ein paar Soldaten unterwegs und nahmen jetzt auch die Kutsche in Empfang. Thoralf verabschiedete sich knapp und ging in die Garnison, Samuel keines Blickes würdigend, während die anderen Soldaten folgten bis auf zwei, welche die Kutsche noch wegfahren würden. Es war an der Zeit sich zu verabschieden.
Mommsen gähnte ein wenig, der Schlaf war unbequem gewesen und doch erwachte sein Pflichtbewusst sein wieder. Die Glocken der Nikolaikirche im Hintergrund mahnten ihn daran. "Ach herrje. Ich wollte um 8:00 Uhr eine Vorlesung halten. Zum Glück gibt es das akademische Viertel!" Wenig wortreich war dies die Verabschiedung Mommsens, doch dass er sich zu einem freundlichen Augenzwinkern hinreißen ließ, war mehr emotionale Verabschiedung als man von diesem Mann sonst hätte erwarten können.
Von Stiehle war der nächste. "Leutnant. Wir werden nur wenig verschnaufen. Wir haben viel zu tun. Halten Sie ihre Verabschiedung also kurz. Sie werden ihr Studium ein anderes Semester beenden müssen. Nicht ihre alma mater, sondern ihr Preußen ruft." Dann ging von Stiehle zur Kutsche mit seinen gefallen Kameraden, nicht ohne zu sagen. "Machen Sie es alle gut. Vielleicht sieht man sich eines Tages wieder." Himly schaute von Stiehle hinterher, ob er nicht vielleicht doch noch ein Wort zu der Bitte sagen würde, doch Gustav kümmerte sich um seine Pflichten, wie man es von ihm erwartete. Und so ließ er auch keinen Dank verlauten.
Und so war es Himly, der für einen Moment übrig blieb. Er kräuselte die Lippen. "Ich glaube, ich muss das erst einmal alles sacken lassen. Innerhalb von 48 Stunden höchste Hoffnung und dann die niederschlagende, wenn auch für Sie, Alfred, glückliche Realität zu erblicken. Das kann kein Geist schnell erfassen. Erlauben Sie mir, dass ich den anderen Professoren Ihre besten Grüße überbringe. Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute für Ihre weiteren Wege. Sie, wir, haben viel erlebt hier. Nehmen Sie es mit." Carl Himly lächelte freundlich. "Und Herr Nobel. Ich denke doch, dass wir in zumindest brieflichen Kontakt bleiben." Carl lachte jetzt und sagte mit halb zugekniffenen Auge. "Ich bin doch ein echter Norddeutscher, was Abschiede abgeht. Verzeihen Sie also, wenn ich das so mache, wie man das hier so macht. Tschüss." Dann reichte Himly nochmals jedem die Hand und ging Richtung Universität.

Der Vertrag war zerstört. Die Verschwörung der Söldner und des Augustenburgers, um sich an den Großmächten zu rächen, war aufgedeckt wurden, und Alfred und Emil Nobel hatten ihre Freiheit wiedergewonnen. Samuel hatte durch seinen Einsatz an Ansehen bei den Professoren, gerade auch beim sonst so kritischen Mommsen gewonnen, Conrad hatte seine Heimat zumindest vor Schlimmeren bewahren können, und Carl hatte durch seine Tugendhaftigkeit im preußischen Sinne einen Fürsprecher mit Gustav von Stiehle gefunden und war nun zurück im preußischen Heer. Es war eine schicksalshafte Begegnung zwischen genau diesen Männern gewesen. Jeder hatte daraus etwas ziehen können und jeder hatte sich seine Meriten verdient, und doch, jede Begegnung musste irgendwann enden und so wurde es Zeit, jenes zu sagen, was man im Norden zu sagen pflegte:
Tschüss.[2]
 1. Quo vadis? (http://de.wikipedia.org/wiki/Quo_vadis%3F)
 2. Ihr dürft euch gerne noch ingame verabschieden und eventuell eine Nachbetrachtung oder Epilog für euren Charakter machen. :) - Ich werde nach euch auch noch einen kurzen Epilog machen, wie die Geschichte denn ausgeht.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Carl von Lütjenburg am 19.08.2013, 20:31:53
Auf Gut Emkendorf hatte Carl mehr oder minder erfreut zugehört, als Gustav von Stiehle ihm von den weiteren Geschehnissen erzählte. "So fühlt sich also ein diplomatischer Sieg an...", dachte Carl, erwiderte aber nichts und nickte lediglich. Diese Art von Siegesrausch machte zumindest wenig Lust auf mehr.

Carl fühlte sich nicht als schlechter Mensch oder gar als Verräter, obwohl er dafür eingestanden hatte, dass ein Krieg in seiner Heimat nicht verhindert werden konnte.  In den Augen des Leutnants hätte ein bewahrter Frieden dieses faule, politische Spiel lediglich in die nächste Runde gehoben. Und auch wenn dadurch die Karten neu gemischt wären, so wäre auf diese Weise doch niemals ein Ende zu erwarten. Dieser Krieg, so hoffte Carl, würde aber diese Sache beenden können.

Er war sich durchaus im Klaren darüber, was ein Krieg für Schleswig und Holstein bedeuten könnte und seiner Verantwortung dafür, dass es nun dazu kommen würde war er sich ebenso sehr bewusst, doch sein Gewissen war erstaunlicher Weise nicht mit Schuld beladen. Carl hatte bei all den Worten des Herzogs halb damit gerechnet, sich schuldig zu fühlen, doch traf dies nicht zu. Er hatte das Gefühl das Richtige getan zu haben trotz der Tatsache, dass er diesen Krieg vielleicht selbst nicht überleben würde.
Dennoch fühlte es sich kaum wie ein Sieg an, denn was blieb war vor allem Tragik und aufgedeckte Lügen, Glorreiches suchte man hier jedenfalls vergebens. Lediglich die Freiheit der Nobelbrüder war durchweg begrüßenswert und Carl lächelte den Schweden müde aber freundlich an, als sich ihre licke kurzzeitig begegneten. Überhaupt fühlte er wie die Erschöpfung langsam an ihm hochkroch, jetzt wo alle Anspannung aus seinem Geist gewichen war.
Warten, Kämpfen, Verhandeln -  das Alles forderte langsam seinen Tribut von Carls Körper und so schlief er rasch ein, nachdem er in der Kutsche Platz genommen hatte.




Zwar sehr verknittert und verspannt, aber dafür ausgeschlafen und etwas erholt, traf Carl in Kiel ein. Es fühlte sich gut an wieder hier zu sein, auch wenn es nicht für lange sein würde, wie von Stiehles Worte deutlich machten. Carl salutierte vor dem Major und quittierte dessen Aufforderung mit einem zackigen "Jawohl, Herr Major." und wandte sich dann seinen Reisegefährten zu, gerade als Carl Himly sich verabschiedet hatte.

"Sie haben es gehört, meine Herren, für mich geht die Reise hier erst richtig los. Die Bundesexekution muss ausgeführt werden jetzt wo diese unsäglichen diplomatischen Ränkespielchen endlich Geschichte sind. Ich denke jedenfalls, dass es eine gute Sache ist, dass der Vertrag nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist, für alle Seiten..." Carl wirkte in der Tat erleichtert aber gleichsam nun auch unsicher. Offensichtlich war er sich nicht ganz klar, wie er sich verabschieden sollte und wie er nun, nachdem das Abenteuer um den gefälschten Vertrag geendet hatte, zu den Anderen stand und wie diese zu ihm standen. Schließlich schien er sich sichtlich einen Ruck zu geben und lächelte freundlich, als er jedem die Hand gab.

Zu Samuel Weissdorn sagte Carl nicht viel mehr als "Auf Wiedersehen.", schließlich hatte er den Dozenten kaum kennengelernt und außerdem ging er nicht davon aus, dass von einem Mitglied der Kieler Dozentenschaft noch viel Wohlwollen zu erwarten hatte. Ein guter Grund, das Studium für eine Weile ruhen zu lassen.
"Die Herren Nobel", sagte Carl, als er sich von Alfred und Emil verabschiedete, "Sie sind mit heiler Haut und unbescholten aus der Sache herausgekommen. Auch wenn wir am Ende wohl nicht ganz auf der gleichen Seite gestanden haben, möchte ich doch zum Ausdruck bringen, dass es mich sehr freut, dass der Herzog den Haftbefehl zurück genommen hat, genauso wie es mich gefreut hat, sie beide kennen gelernt zu haben. Passen Sie auf sich auf."
Als er Conrad die Hand gab sagte Carl lange Zeit nichts, sondern blickte seinem Freund lediglich in die Augen. Der junge Student war einer seiner besten Freunde hier in Kiel, wenn nicht sogar der Beste und es schmerzte Carl, dass er Conrad vorerst hinter sich zurücklassen musste. "Conrad.", begann er leise, "Ohne dich, wird es sicher schwer für mich werden. Ich hoffe wir werden uns bald wieder sehen, mein Freund."

Carl blickte zu von Stiehle herüber und sah danach noch einmal in die Runde. Auch wenn er es nicht aussprach, war offensichtlich dass es nun für ihn Zeit war zu gehen und so nickte er noch einmal zum Abschied und ging dem Major hinterher.
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Alfred Nobel am 30.08.2013, 18:39:59
Es war ein unwohles Gefühl, mit dem Alfred Nobel im nicht mehr frischen Neuschnee am Kieler Hafen stand. Der eisige Wind blies um die dünnen Haare des Schweden, doch die Kälte schien ihn nicht zu beeindrucken. Der Thermoregulator würde noch bis zum Abend wirken, sodass jegliche Reaktion Alfreds ob der Kälte und des Windes ausblieb. Allein ein strenges, bitteres Stirnrunzeln deutete auf die Regungen, die in Alfred Nobel vor sich gingen.

Mit einem knappen Lächeln und bestätigendem Nicken hatte der Unternehmer sich von Professor Himly verabschiedet. Es stand außer Frage, dass Alfred und Emil den Chemieprofessor noch ein letztes Mal persönlich besuchen würden, bevor die Brüder Kiel vorerst verlassen würden. Die Arbeit der Nobels war bei weitem noch nicht beendet, im Gegenteil - sie hatte noch nicht ein Mal beginnen können.

Alfred lächelte freundlich, als Carl sich von ihm verabschiedete. Es war überraschend für Alfred gewesen, wie eilig es der Leutnant im Schreibzimmer des Herzogs gehabt hatte, klare Positionen zu definieren und wie bereitwillig er gewesen war, Farben nicht nur zu bekennen und zu zu weisen. Hatte Alfred es nicht deutlich gemacht, dass es in seiner Situation nicht möglich war, die Position einer der beteiligten Seiten einzunehmen? Es wirkte auf den Schweden, als sei dem Leutnant nicht bewusst geworden, dass Alfreds Handlungen nicht den Maximen einer Zugehörigkeit oder Partei zugrunde lagen - sei es die des Herzogs oder der Professoren; die der Demokratie oder des Liberalismus - sondern nur einem einzigen Ideal folgten, dem Wunsch nach Frieden. Aber vielleicht war es ein unabdingbarer Bestandteil der Loyalität des jungen Leutnants, dachte sich Alfred Nobel, während er die Hand Carl von Lütjenburgs schüttelte, die Welt in zwei Farben aufzuteilen: die Seite der Preußen, und die Seite der Anderen.

"Ich würde Ihnen gerne widersprechen, Herr von Lütjenburg," begann Alfred auf Carls Verabschiedung zu antworten, "aber nehmen Sie es mir nicht Übel, wenn Ich sage, dass ich müde bin von den Politika der letzten Tage. Das Einzige, was mir wichtig ist, festzuhalten, ist folgendes: Die Ereignisse in Kiel wären für meinen Bruder und mich niemals so glimpflich ausgegangen, wenn wir Ihre Bekanntschaft vermisst hätten. Ich sagte es bereits, und ich habe und werde es nicht vergessen: Die Familie Nobel steht tief in Ihrer Schuld. Und ich bin wenig, wenn nicht ein Mann meines Wortes," erklärte Alfred streng, während er in eine Seitentasche seines Reisekoffers griff und ein kleines Kärtchen aus dünner Pappe hervorzog. Vorsichtig legte der Schwede den Koffer in den Schnee und suchte scheinbar vergeblich seine Taschen ab. "Alfred," meldete Emil sich leise, als er seinem Bruder einen seiner Kohlestifte reichte. Der ältere Nobel murmelte seinen Dank, ehe er auf der Rückseite des kleinen Papiers zu schreiben begann. Sorgsam faltete Alfred das Kärtchen der Länge nach und reichte es Carl.

Auf der Vorderseite war in schwarzer Tinte der Name Alfred Bernhard Nobel gedruckt. Es war ein schlichter Entwurf, mehr stand auf dem Papier nicht drauf. Es war einer der Karten, die Alfred bei offiziellen Besuchen im Rahmen seines Unternehmens seinen Kunden, Investoren und Gläubigern vorlegte. Auf der Rückseite der Karte hatte Alfred in großen Buchstaben eine schwedische Adresse in Stockholm niedergeschrieben.

"Es fällt mir in diesem Moment schwer, einzuschätzen, wie ich Ihnen meinen Dank offenlegen kann, Herr von Lütjenburg. Doch ich bin gewiss, dass sich Ihnen im Laufe Ihrer Zeit durchaus der eine oder andere Bedarf finden wird, bei welchem Sie an mich denken werden. Ich bitte Sie also, schreiben Sie mir. Und wer weiß, vielleicht werden Sie auch eines Tages müde im Angesicht der undankbaren Arbeit eines Soldaten? In dem Falle seien Sie sicher, dass Sie immer lohnende Arbeit bei den Unternehmen Nobel finden werden."

Freundlich lächelte Alfred Carl an. Trotz der unerwarteten Befremdung, die der Leutnant ausstrahlte, dachte Alfred im Traum nicht daran, seine Versprechen nicht einzuhalten. Der ältere Nobel verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und nickte abschließend.

"Herr Weißdorn," wandte Alfred sich zu Samuel, und wechselte den Blick zu dem Dozenten. Eine eigenartige Person, wie Alfred für sich festgestellt hatte. Es war für den Schweden unmöglich gewesen, die Persönlichkeit des Kielers zu deuten. Der erste Eindruck in dessen Vorlesung hatte ein Gefühl in Alfred geweckt, welches während den Ereignissen im Herrenhaus des falschen Herzogs bestätigt worden war: Samuel Weißdorn wirkte, als würde er jeden Moment seines Lebens in einer dramatischen Szene verbringen. Vielleicht war das ein Eindruck, den man auch von der erhabenen Art Mommens gewinnen konnte, doch die Art und Weise Samuels wirkte unnatürlich, fast theatralisch. So sehr Alfred auch darüber nachdachte, es blieb dabei. Er wurde aus Samuel Weißdorn nicht schlau.

"Ich wünsche Ihnen großen Erfolg an der Universität. Ihr Mut ist absolut anzuerkennen, das haben wir zweifelsohne schon im Haus des Augustenburgers festgestellt. Aber ich denke, genau das ist für einen Mann in einer Position wie Ihrer oder meiner absolut notwendig: Wir brauchen den Mut, die Menschheit mit Entdeckungen und Erfinden zu konfrontieren und Ihnen diese Neuheit zugänglich zu machen. Wir beide stehen demnach vor gar nicht so unterschiedlichen Herausforderungen, möchte ich meinen. Ich wünsche Ihnen das Beste, und dass die Psychophysik in Ihnen ihren großen Namen findet." Auch Samuel reichte Alfred die Hand und lächelte freundlich. Es war ein eigenartiges Abenteuer an der Seite dieses Mannes gewesen.

Schließlich reichte Alfred Conrad den Händedruck. "Herr Rosenstock, der Dank, den ich Herrn von Lütjenburg ausspreche, gilt für Sie natürlich nicht eingeschränkt. Doch im Gegensatz zum Herrn Leutnant, der bereit ist, aus Kiel aufzubrechen, habe ich die Hoffnung, dass Sie mich und meinen Bruder die nächsten Tage noch begleiten werden.

Sehen Sie, unsere Angelegenheit und Verbundenheit gegenüber Friedrich mag mittlerweile aufgelöst sein, aber ich kann Herrn Himly und Herrn von Lütjenburg nicht im Frohsinn zustimmen, wenn ich behaupten sollte, dass damit die Aussicht auf meine Arbeit in Kiel offenstehen würde. Ganz im Gegenteil.
" Tief atmete Alfred ein, ehe er stöhnend begann, seine rechte Schläfe zu massieren.

"Die Solros, welche samt Besatzung und Fracht auf Grund liegt, war geladen mit Chemikalien und Laborausrüstung für ein Pionierunternehmen in Krümmel. Durch diesen Übergriff stehe in einer enormen Vermögensschuld gegenüber meinen Investoren. Ich werde zweierlei unternehmen müssen. Zum einen werde ich so bald wie möglich nach Hamburg aufbrechen, um mich mit den Investitionsparteien zu beraten. Zum zweiten ist es für mich jedoch ebenso notwendig, endlich die schwedische Krone über den Überfall aufzuklären. Die Brigg segelte schließlich eindeutig unter schwedischer Flagge, und sollte die Rolf Krake - wie anzunehmen - unter der dänischen Flotte stehen, dann wird sich daraus wohl auch eine entsprechende diplomatische...," für einen Moment zog Alfred die letzte Silbe nachdenklich in die Länge, als ob er nach dem richtigen Wort suchte, "Situation ergeben. Insofern werde ich vor Aufbruch nach Hamburg mit Herrn Ohlendorf - ein Anwalt, durch einen Kontakt von Herrn Himly - korrespondieren, damit er die notwendigen Schritte zur Vorstellung vor dem schwedischen Botschafter Oscar Hergren einleiten kann. Erst im Anschluss werde ich mir Gedanken darüber machen können, Kiel zu verlassen."

Mit einem finsteren Gesichtsausdruck dachte Alfred nach. Die Freude und Glückwünsche Professor Himlys über die Erlebnisse unter der Hand des falschen Herzogs konnte Alfred nicht teilen. Bedachte man, dass Emil und Alfred nicht nur unter Lebensgefahr standen, sondern durch die Farce der Erpresser und des Herzogs nun sogar mit einem schwerwiegenden finanziellen Schaden davongingen, war die Erfahrung es sicher nicht wert gewesen.

"Ich rechne nicht damit, dass meine Absicht, in Krümmel die erste Produktion zu starten, Bestand haben wird. Nicht nur, dass mir mittlerweile Geräte und Waren fehlen - Holstein droht schließlich Krieg, nicht wahr?"

Alfred seufzte auf.

"Ich bitte Sie um folgendes, Herr Rosenstock: Begleiten Sie meinen Bruder und mich in unseren letzten Tagen hier, bevor wir zurück nach Stockholm kehren. Wir werden persönlich Schutz nach den Ereigniss gewiss zu benötigen wissen - vor allem, da das Ehepaar Lavalle weiterhin auf freiem Fuß ist. Mit Ihnen an unserer Seite wären wir in der Lage, unsere letzten Geschäfte hier in Ordnung zu rücken. Ihre Bezahlung ist selbstverständlich. Ich hoffe, Sie nehmen mein Angebot trotz der zu erwartetenden Lage Ihrer Heimat an."

Alfred hatte wieder die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und sah Conrad tief in die Augen. Es war ersichtlich, dass der Schwede unter den letzten Tagen gelitten und sein Unternehmen einen gewaltigen Schaden davongetragen hatte, trotzdem war Alfreds Art standhaft und entschlossen. Es schien, als ob der Schwede, ganz Unternehmen, mit einem berechnenden Blick in die Zukunft sah.

"Es droht Krieg in Schleswig und Holstein, doch unsere Arbeit ist hier noch nicht beendet. Ich hoffe nun nur noch auf die letzte Hilfe Holsteins, ich hörte, es sei ein freundliches Land."
Titel: Casus Belli
Beitrag von: Samuel Weissdorn am 05.09.2013, 00:04:16
Während von Stiehles Rede war Samuel ruhig geblieben, hatte nicht mit einer Miene gezuckt. Selbst die Anschuldigungen, die der Major vorbrachte, gingen an dem Dozenten scheinbar wirkungslos vorbei. Tatsächlich konnte er den Eindruck verstehen, den er beim Major hinterlassen hatte - auch wenn ihm klar war, dass dem Mann dieser Eindruck sehr gut in den Kram passte, und er ihn deshalb auch nicht hinterfragte. Doch Samuel war alles andere als ein Wendehals: Er hatte sich einem Ziel verschrieben, und er hatte alles getan, um dieses Ziel zu erreichen. Er war Pragmatiker. Die Rede, die er vor dem Herzog gehalten hatte, die Rede von Ehrlichkeit und Moral, hatte er weniger aus Überzeugung gehalten, als um bestimmte Ziele zu erreichen. Sein ganzes Leben, seine ganze Existenz als Samuel Weissdorn war eine Lüge, da würde er sich kaum anmaßen können, dem Herzog seine Lüge vorzuwerfen. Das Problem war, dass der Herzog schlecht gelogen hatte.

Und durch die voreiligen Handlungen der Dozenten, ihr unüberlegtes Vorpreschen ohne ausreichende vorhergehende Recherche, auf die er so gedrängt hatte, war letztlich die Windböe gewesen, die das Kartenhaus zum Einsturz gebracht hatte. Mit ausreichender Vorbereitung hätten sie den Krieg verhindern können. Aber so... schon als sie sich auf den Weg gemacht hatten, war das Spiel vorbei gewesen. Und nun würden viele, viele Menschen dafür sterben.

Er konnte nur darauf hoffen, dass die beiden Länder Schleswig und Holstein die Situation trotz all ihres Schreckens nutzen würden, nutzen, um zusammen zu wachsen, und vielleicht zumindest Grundlagen einer neuen Zeit zu legen. Denn die Ideen, welche die anderen Professoren ihm nahe gebracht hatten, berührten ihn. Es ging um Freiheit, um Eigenständigkeit. Er hätte gerne Erfolg gehabt.

Auf der Rückreise blieb der frischgebackene Dozent schweigsam, gedankenversunken. Als sich Carl von Lütjenburg von ihm verabschiedete, nickte er nur kurz. Er hatte den Mann kaum kennengelernt, aber seine Verbundenheit mit dem kriegsversessenen von Stiehle war nicht gerade das beste Licht auf den jungen Mann. Die liberalen Gedanken, die Samuel lenkten, wären für den Preußen wohl ein Gräuel gewesen, hätte er von ihnen gewusst.

Ganz anders reagierte er, als Alfred Nobel ihn ansprach. Er schien erstmals aus seinen Gedanken aufgeschreckt, und sah dem Wissenschaftler und Unternehmer direkt in die Augen. Doch trotz des Lächelns, dass er nun aufsetzte, war die Enttäuschung in den Augen des Dozenten leicht zu erkennen.

Er schüttelte Alfred zum Abschied die Hand. "Um ehrlich zu sein, bezweifle ich das. Die Zeit ist noch nicht so weit. Aber vielleicht werde ich ein Wegbereiter sein für andere, deren Namen dann groß werden. Ob der meine erinnert oder vergessen wird, spielt für mich keine so große Rolle."

Samuel schien fertig zu sein, doch dann wandte er sich noch einmal an Nobel. "Es war mir eine Ehre, Sie kennengelernt zu haben. Ich wünsche Ihnen bei Ihren Unternehmungen den größten Erfolg. Nicht nur um Ihretwillen, sondern um der Menschheit willen. Es mag Ihnen seltsam erscheinen, da wir uns doch kaum kennen, aber sollten Sie jemals meine Unterstützung benötigen... Sie wissen, wo Sie mich erreichen können."

Ohne es sich selbst erklären zu können, spürte er eine Verbundheit zu Alfred. Vielleicht war es der wissenschaftliche Geist gepaart mit den liberalen Gedanken, vielleicht gefiel ihm aber auch einfach Alfreds Art. Er neigte nicht dazu, Versprechungen für die Zukunft zu machen, aber in diesem Fall gingen ihm die Worte leicht von den Lippen. Er hoffte nur, dass, wenn der Fall wirklich eintreten sollte, Samuel Weissdorn für Alfred Nobel noch erreichbar war.

Er nickte dem Schweden noch einmal kurz zu, und ging dann, ohne eine Antwort abzuwarten, davon. Er musste die Geschehnisse des Tages noch etwas sacken lassen, und er musste über seine eigene Zukunft nachdenken. Über die von Samuel Weissdorn. Ein Krieg würde kommen. Wollte er wirklich in Kiel bleiben? Vielleicht sollte er schon einmal die Vorbereitungen für die Ankunft einer neuen Person treffen, jemanden, der auf der Reise war in eine weit entfernte Stadt... nur für alle Fälle. Rom vielleicht, oder Paris. Auf der anderen Seite spürte er, dass Samuels Zeit noch nicht gekommen war.

Unschlüssig, gedankenversunken wanderte Samuel in Richtung Universität. Er musste sich nicht gleich entscheiden. Ein wenig konnte er auf jeden Fall noch seine Arbeit als Dozent genießen. Alles andere würde sich schon ergeben...
Titel: Casus Belli - Epilog
Beitrag von: Menthir am 09.10.2013, 11:38:53
Epilog

Conrad war still geworden nach seinem emotionalen Ausbruch auf Gut Emkendorf und so verabschiedete er sich eher still nickend denn wortreich. Bestätigte seine Einwilligung, die Nobels in ihren letzten Kieler Tagen zu begleiten, nach der Art der Lakonier. Und so trennten sich schließlich alle Beteiligten, verschwanden in den klaren Wegen und den Irrpfaden der Geschichte und Beobachtung von außen. All jene, welche das Schicksal, der Zufall, die Geschichte für einen kleinen Moment der Menschheitsgeschichte geeint hatte, wurden von ihren eigenen Motivationen, Zielen, Pflichten, Verbindungen und vielleicht auch von jenem Schicksal oder Zufall wieder auseinandergetrieben. Doch seichte Bande würden bestehen bleiben. Vielleicht gab es eine Zugkraft, welche diese Personen noch einmal in der Geschichte zusammenziehen würde an einem Ort irgendwo auf dieser Welt, in einer Zeit des gefühlten Aufbruchs...

Alfred Nobel erlebte unaufgeregte Tage während seines restlichen Aufenthaltes in Kiel. Der Kontakt zu Oscar Hergren war schnell hergestellt. Die Versicherungspolicen der Reederei griffen schnell und ohne, dass Alfred Nobel tief in die Geschehnisse eingebettet wurde, machte der schwedische Botschafter klar, wie peinlich den Dänen die Verwicklung ihres Kriegsschiffes sei. Sie kamen für die Schaden mittelbar auf und noch ehe die Truppen infolge der Bundesexekution Schleswig-Holstein erreicht hatte, bekam er noch vom alten, wirklichen Herzog Holsteins, Christian, eine Bestätigung, dass er sich in Holstein geschäftlich niederlassen durfte. Beste Wünsche wurden übermittelt, die Entschuldigungsbriefe vage wie möglich gehalten und dann der Kontakt schnell wieder eingestellt. Vielleicht war es ein Anzeichen dafür, dass die Dänen die Sache aus der Welt schaffen wollten, vielleicht ließen die anrückenden Truppen auch keine andere Wahl als eine kurze, geschäftliche Klarstellung.
Wenige Tage später erreichte Alfred Nobel dann auch die Kunde aus Stockholm, auf die er ebenso gewartet hatte. Seiner Familie ging es gut. Anhand ihrer Briefe hatten sie von der Bedrohung weit weniger wahrgenommen als Emil und Alfred. Vielleicht war dies auch gut so gewesen.
Doch noch immer war nicht geklärt, was der Krieg bringen würde. Doch würde keiner beantworten können.

Die Vorlesungen für dieses Semester entfielen. Ehe Samuel sich auf die nächsten Vorlesungen vorbereiten konnte, und seinen Ruf als ausgezeichneter Dozent vertiefen konnte, war er bereits wieder seinem wissenschaftlichen Patron Gustav Karsten begegnet. Er überreichte ihm die Mitteilung des Herzogs von Holstein und Schleswig, dem dänischen König, dass die Lehraktivitäten der Universitäten zu ruhen hätten, da durch den eingetretenen Kriegsfalle keine Gehälter gezahlt werden könnten und ein Teil des Personals auch für den Kriegsdienst eingezogen wurde. Es war kein Geheimnis, dass es auch dänische Professuren an der Universität gab. Und es war ebenso kein Geheimnis, dass sich manch einer Preußen anschließen würde. Aber so war Samuels Ruhmmehrung vorerst auf Eis gelegt. Wer wusste schon, wie lange dieser Krieg gehen würde?
Und doch gab es etwas Hoffnung. Eine Trupp besonders hartnäckiger Professoren, auf einen Umschwung der Herrschaft hoffend, ließ die Lehrtätigkeit nicht sein und mit all jenen, die nicht an der Front zu sterben zu gedachten und der Forschung und Wissenschaft ihr Herz geweiht hatten, widmeten sie sich diese Gelehrtenidealen.

Carl kam gar nicht bis nach Berlin. Im kleinen Herzogtum Sachsen-Lauenburg traf er auf die Vorboten des größeren Heers, welches von der Bundesexekution gestellt wurde. Es waren gespannte Männer, die er dort antraf. Diszipliniert, doch ängstlich. Gut ausgebildet, aber meist kampfunerfahren. Sachsen, Preußen und Österreicher, sie sammelt sich. Dennoch kam er seinen Pflichten nach und fügte sich Stück für Stück wieder in die preußische Armee ein, als hätte er keinen Tag gefehlt. Die Pflicht ging vor, und Carl wurde zum Sinnbild von Pflichterfüllung, der seine Loyalität hierarchisch zu ordnen vermochte, wobei Preußen immer die höchste Loyalität zukam. So musste er seinen kranker Vater, seine krankende Burschenschaft und sein Herz zurücklassen, denn vorerst gab es einen Krieg zu fechten. Und die Geschwindigkeit, mit der das Heer sich bildete, ließ entweder darauf schließen, dass Roons Militärreform ein voller Erfolg war, oder dieser Krieg eben unausweichlich...



Er dauerte nicht lang, dieser Krieg. Die Soldaten lagerten, während die Politiker verhandelten. Im Januar gab es ein weiteres Ultimatum, welches zum 1. Februar ablaufen sollte. Die Rücknahme der Novemberverfassung würde den Krieg verhindern. Christian IX. ließ es verstreichen, seine Diplomaten verließen sich darauf, das Ultimatum nochmal verlängern lassen zu können, Zeit zu gewinnen. Der beauftragte, preußische General, der verehrte wie senile Wrangel, ließ nun eigenmächtig, nach Ablauf des Ultimatums, Taten sprechen. Die Soldaten, die im kalten Winterlager ausgeharrt hatten, schlugen jetzt los. Unter ihnen der junge Offizier Carl von Lütjenburg. Der Krieg dauerte nur, in seiner heftigsten Phase, bis zur Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864. Keine zweieinhalb Monate nach Kriegsbeginn, war er quasi wieder vorüber. Aber es waren heftige Monate und es blieben umkämpfte Monate. Eine Welle von Ereignissen sollte folgen, welche in der Ausrufung des Zweiten Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles ihren Höhepunkt finden sollte. Das Herausbilden eines einzigen, deutschen Staates.

Geschichte wird von den Siegern geschrieben, lautete ein altes Sprichtwort. Es diente der Glorifizierung. Preußen war ein glorifizierender Staat. Ein Propagandastaat, würde man später behaupten. Preußen schrieb die Geschichte und so würden Bismarcks Bemühungen über Jahrzehnte so betrachtet werden, dass das Werden der Deutschen Nation nach dem umstrittenen Vormärz unausweichlich war. Alles in Preußen hatte, so die Mär, auf ein großes Deutschland (unter Ausschluss Österreichs wohlgemerkt) hingearbeitet. Alles war eine alternativlose Entwicklung, welche in Versailles genauso enden musste, alles getragen von einem Hurra-Patriotismus.
Und doch: Alfred Nobel, Samuel Weissdorn, Carl von Lütjenburg und Conrad Rosenstock wussten es besser. Obwohl der Sieger in den Jahren die Geschichte schreiben würde, war es so, wie der große Historiker Theodor Mommsen es immer gesagt hatte. Was sie an diesen schicksalshaften Tagen im früh anbrechenden Winter des Jahres 1863 in Kiel und Emkendorf erlebt hatten, war Geschichte. Und für einen Moment rann die Verantwortung für die Entwicklungen durch ihre Hände. Hatten sie wohl entschieden? Diese Bewertung entzog sich wohl jeder realistischen Betrachtung. Aber sie hatten entschieden. Der selbsternannte Herzog, der Augustenburger, erhielt Ende 1863 nochmals die Bestätigung vom Deutschen Bund, dass er als Herzog anerkannt werden würde. Doch die Preußen und Österreicher gestalteten die Politik anders. Der Vertrag von Gastein im Jahr 1865 würde Schleswig an Preußen geben, Holstein an Österreich. Nicht ein Jahr später bekriegte Preußen Österreich und Schleswig und Holstein gingen ganz an Preußen. In der Folgezeit fügte Preußen Schleswig und Holstein zu einer Verwaltungseinheit zusammen. Diese beiden umkämpften Herzogtümer waren schlussendlich eins geworden. Jetzt waren sie, wie immer gefordert, ungeteilt, wenn auch unter preußischer Herrschaft.

Hatten ihre Worte also etwas bewegt? Die Geschichte war nun geschrieben. Preußens Armee erhielt den Beweis, dass sie funktionierte. Wenige Jahre später würde der Verfassungskonflikt in Preußen unter dem Eindruck der Siege gelöst werden. Der Erfolg gab Bismarck recht, argumentierte das Parlament. In Schleswig und Holstein nahm etwas seinen Ausgang, welches auch hätte ganz anders laufen können. Was wäre gewesen, wenn der Vertrag veröffentlicht wurden wäre? Wenn er gar in Kraft getreten wäre? Hätte Preußen dieses Momentum gewonnen, um aus dem deutschsprachigen Flickenteppich wieder ein Reich werden zu lassen? Wer wollte, wer konnte dies schon wissen?

Was passierte mit den Lavalles, den Haldaneschotten, mit Schwester Hermene oder Donald Munro? Was passierte mit dem Schwarzen Braunschweiger? Sie verschwanden wieder im Dunkel der unbeschriebenen Erinnerung und unbeleuchteten Unkenntnis.

Selbst der große Theodor Mommsen ließ die Gestalten dieser Geschichte, auch die Helden dieser Geschichte, im Schatten. In den Folgejahren sollte er sich seinen berühmten Arbeiten zum Römischen Reich widmen. Dennoch darf davon ausgegangen werden, dass die Erlebnisse tiefe Eindrücke in ihm hinterließen. Was mochte er wohl im Jahr 1902 gedacht haben, als er mit dem Nobelpreis für Literatur bedacht wurde für dieses Werk?
Und doch, ausgerechnet er, der große Historiker, der eine ganze Dynastie an Historikern hervorbrachte, schwieg sich ewig über diese schicksalshaften Tage aus und so sind wir die einzigen, die sich dieser Tage und ihrer Brisanz erinnern werden. An jene Tage, an denen das Schicksal Schleswig-Holsteins und vielleicht sogar des Deutschen Reiches hätte ein anderes werden können...

- Menthir, am 09. Oktober 2013