Theme: Son House - Grinnin' in Your Face (http://www.youtube.com/watch?v=EJ-TQwMhPDg)
Kindheit (Anzeigen)Es kümmerte die Medien einen Dreck, was am 6. September 1949 in einem alleinstehenden Haus im Stadtteil Delray passierte. Die Medien kümmerten sich stattdessen nur um Howard Barton Unruh (http://en.wikipedia.org/wiki/Howard_Unruh). Der erste, plötzlich auftauchende Massenmörder in der USA war auf seinem beispiellosen Amoklauf, während in einem alleinstehenden Haus William Doherty seine hochschwangere Frau Susan mit einem Messer zu töten versuchte. Es war 9:20 Uhr morgens, der Mord an seiner Mutter gesah zum selben Zeitpunkt, als der Amoklauf von Unruh begann. William Doherty wählte für seinen ungeborenen Sohn, den er auch töten wollte, einen glücklichen Zeitpunkt, denn er Postbote stand vor der Tür und alarmierte einen nahen Polizisten, der William Doherty erschoss. Die Ärzte retteten das Leben des kleinen James, der in wenigen Tagen hätte geboren werden sollen. Doch dieses, im Unglück geschehene, Wunder, es war den Nachrichten nur eine, einzige Zeile wert. Dieser Tage hängt sie im Büro von James Doherty, veröffentlicht von der Zeitung, bei der der Mann jetzt arbeitete: Detroit Free Press. Aber auch ohne Ausschnitt kennt er den Satz auswendig, der in einem kleinen Kasten unter dem drei-Seitigen Artikel über Unruh stand. "Unborn child saved by mailman. Police shot a mother-killing crook."
James Doherty wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei einer Pflegemutter in Poletown East auf. Umgeben von Autoteilen und Schlachtereien wuchs James in harten Verhältnissen auf, aufgezogen von einer liebenden, aber verzweifelten, unfruchtbaren afro-amerikanischen Frau, deren Mann nur auf dem Papier existierte. Es war das, was für James Familie war. Sie gab ihm Halt, auch wenn sie ihm zu verstehen gab, dass er ein selbst geborenes Kind wohl nicht ersetzen konnte. Erinnerung an Delway konnte er nicht haben, und jener Ort wurde bereits 1950 für eine Autobahn platt gemacht. James war auch nie der Junge, der große Fragen nach der Vergangenheit stellte. Aber er war ein Außenseiter. In der Vorschule und in der Schule. Ein Junge, der gut rechnen konnte und Naturwissenschaften mochte, aber keiner, der schon früh durch die Straßen zog mit den Jungs. Und dann war da noch die Sache mit den Zugehörigkeiten. Afro-Amerikaner und polnischstämmige lebten in Poletown und dann war da James, der von Mary Rosener groß gezogen wurde, und wohl irische Wurzeln haben mochte. Aber viele Iren gab es in Poletown nicht. Dafür viele Autos und Schlachterein, und viel Schläge für James. Es juckte ihn irgendwann nicht mehr, grün und blau nach Hause zu kommen. Mary flickte ihn und sang für ihn. Irgendwann fand sie sogar einen Mann. Er baute Autos und James half. Es war nicht gut, aber es war. James gewöhnte sich dran.
Aspekt: Der geborene Fatalist
Jugend (Anzeigen)James schloss die Schulen, die er besuchte ab. Die Noten waren brauchbar, wenn auch nicht gut. Das Geld reichte für ein College oder die eine forschungsbasierte University eh nicht. James wollte das auch nicht. Er hatte nur Kontakt zu Schlachtern, Schlägern, Mechaniker und Vertretern gehabt. Er hatte andere Sorgen als irgendein Studium, denn er brauchte Geld. Mary war krank geworden und ihr Freund, der war schon längst wieder Vergangenheit. James bekann eine Ausbildung zum Mechaniker in einem Ford-Werk, sein Schicksal war jedoch nicht Motortown. Das Geld der Ausbildung reichte nicht, auch unter den Mechanikern hatte James keinen guten Stand, auch wenn es nicht mehr so schlimm war, wie noch zu Schulzeiten. Mary litt an Morbus Parkinson, sie konnte sich nicht mehr selbst verpflegten, für Pflege reichte das Geld nicht. James sah nur einen Ausweg: Das Militär. Er hasste Gewalt, aber er wusste, dass er sich nicht entziehen konnte.
Es war der 6. September 1967, als sich James Doherty zum Militärdienst meldete. An jedem Tag verübte der Serienmörder Patrick Kearney (http://en.wikipedia.org/wiki/Patrick_Kearney) einen weiteren Mord. Die Zusammenhänge wurden später erst sichtbar, aber in James Büro hängt ein kurzer Zeitungsausschnitt. "The Freeway Killer strikes again!", begann der Artikel, James las ihn am Tag seiner Musterung am 7. September 1967 das erste Mal. Es war ein merkwürdiges Gefühl, der Armee beizutreten und dabei von Serienkillern zu lesen. James nahm den Artikel an sich.
Die Armee war schon in der Ausbildung nicht seine Welt. Das Gebrülle, ein weltfremder Drill Instructor, Schläge und Entbehrung, wenn man nicht parierte oder den körperlichen Anforderungen nicht genügte. James gewöhnte sich auch daran. Er marschierte bis zum Zusammenbruch, er isolierte sich jedoch von den meisten Kameraden, die die Härte des Instructors übernahmen und Schwächere ebenso zu schikanieren begannen. James ertrug es. Es war so und er konnte es nicht ändern. Aber er sah, dass es andere gab, die dieses Schicksal nicht tragen konnten, die daran zu zerbrechen drohten. Einer von ihnen war Samuel C. Donelly, ein junger Mann aus wohlhabenden Haus, der die Armee und den Vietnamkrieg als Abenteuer verstehen wollte und schon in der Ausbildung an seiner Naivität zerbrach. James konnte ihn nicht schützen mit Worten oder Muskeln, aber James hatte anders gelernt, mit diesen Problemen umzugehen. Er beobachtete, er kombinierte, er suchte Fehler und Schwächen jener, die ihn schikanierten, und er hielt diese Beweise fest. Er lernte seinen Gram zu akzeptieren, aber nie zu vergessen, wie und wann ihm was geschah. Es wurde Obsession, selbst in der Nacht ließen ihn seine Gedanken nicht mehr los. Er wollte nicht eine Sache, die ihm angetan wurde, vergessen. Niemals. Sein Geist verlernte zu ruhen. Samuels Peiniger landete im Militärarrest, Samuel war jedoch schon gebrochen. James sah ihn ihm das erste Mal sowas wie einen Freund, doch dieser kleine Erfolg half nichts. Andere traten an die Stelle des Peinigers, wenn auch nicht mit derselben Intensität. Sie brauchten es auch nicht mehr. Samuel war fertig. Zwei Wochen vor Abschluss der Grundausbildung erschoss er auf dem Truppenübungsplatz bei der großen Gefechtsübung. James hingegen hatte beruflich das erste Mal Glück, aufgrund seiner Spürnase für Vergehen innerhalb der Truppe wurde er noch nicht nach Vietnam geschickt, nicht in den Kampf, sondern versetzt in das Military Police Corps (http://en.wikipedia.org/wiki/Military_Police_Corps_(United_States_Army)). Es gab 117$ mehr im Monat, also willigte James ein. Sterben wollte er nicht, denn wer würde Mary versorgen?
Aspekt: Eines erschöpften Mannes rastloser Geist
Der erste Fall (Anzeigen)Sgt. James Doherty. Er verstand nicht, was sich manche Menschen auf diesen Dienstgrad einbildeten. Mehr Lametta auf der Schulter bedeutete auf mehr Verantwortung, bedeutete mehr Druck und mehr Sorgen. Als Soldat der 716th Military Police Battalion, die Teil der 16th Military Police Brigade (http://en.wikipedia.org/wiki/16th_Military_Police_Brigade_(United_States)) war, ging er nach Vietnam, in den Krieg. Ausgerechnet im Jahr 1968, als das Thema im Rahmen der Studentenproteste diskutiert wurde. Am 2. Dezember 1964 hatte James Mario Savios berühmte "Bodies upon the gears"-Rede im Fernsehen gesehen, das war sein Kontakt bisher hierhin mit den Studentenbewegungen. Was musste es ihn auch interessieren. Er war eben in dem Alter und durch die Verlegung zur Militärpolizei hatte sich sein Einsatz im Vietnam um ein Quartal verzögert. Der Auftrag war es, zu verstehen, wie Desertion und Verbrechen innerhalb der eigenen Truppe entsteht und an Bestrafungen zu arbeiten. Das erzählte man in der Ausbildung, die Wahrheit war die Tet-Offensive (http://en.wikipedia.org/wiki/Tet_Offensive). Sgt. James Doherty lag in niedergebrannten Häusern, zwischen den Resten brennenden Napalms und kämpfte um sein Leben in den letzten Tagen der ersten Schlacht von Saigon (http://en.wikipedia.org/wiki/First_Battle_of_Saigon). Während in Amerika die Antikriegsstimmung bedrohlich anstieg, verbrachte James Doherty die nächsten zwei Monate in einem Lazarett und kämpfte mit leichten Beinverletzungen und einer gleichzeitigen Malaria um sein Leben.
Es war sein zweiter Einsatz in Vietnam. Er nahm die Gewalt hin und die Proteste in der Heimat. Jeder sorgte sich um seine Verwandten im Vietnam. James sorgte sich jedoch auch um Mary. Er wusste nicht, dass sie, während er zurück nach Vietnam flog, friedlich, wenn auch um James besorgt, einschlief. Nach seiner schweren Krankheit hatte er viel Zeit sich mit der Polizeiarbeit beschäftigen. Er absolvierte noch eine komplette Ausbildung zum Polizisten, wenn auch zeitlich gestrafft. Er akzeptierte, dass er wieder auf der Liste stand und zurückversetzt wurde. Sein Auftrag war diesmal, die Truppe nach journalistischen Maulwürfen zu durchsuchen. Sie schürten angeblich den Unwillen der Soldaten, das Notwendige zu tun. James glaubte nicht daran, dass er überhaupt dazu kommen würde. Seine Einheit würde sich wahrscheinlich wieder an irgendeiner Gegenoffensive beteiligen. Aber das erste Mal war er dafür zuständig, alleine. Sein erster, eigener Fall. Kein großer, kein besonders wichtiger, aber immerhin.
7.Juni 1969, es war tiefste Nacht. James hatte die ersten Spuren gefunden. Ein älterer Soldat namens Frank Riley unterhielt Kontakte zu einschlägigen Boulevardblättern in den Staaten und sandte ein fingiertes und dramatisiertes Tagebuch, Seite für Seite für Seite. Heute Nacht würde er den Richtfunker auf frischer Tat erwischen und vor das Militärgericht ziehen. Er wusste alles über Riley, was er wissen musste. Frank Riley, 39 Jahre alt, Sergeant First Class. 2nd Squad, 2nd Platoon, Fox Company, 2nd Battalion, 5th Marines, 1st Marine Division. Hütte Nr. 4, Bett 7 in der An Hoa-Kampfbasis. Verheiratet, vier Kinder, für Tapferkeit ausgezeichnet. Angeblich unbequemer Sergeant, und kriegsmüde. Er sah viel und schrieb viel Wahres, aber seine Darstellung lebte vom Antikriegspathos der Medien. James hatte Teile des Tagebuchs gelesen, es laß sich zumindest gut.
Entspannt ging er durch das Lager, wie erwartet war SFC Riley nicht in seinem Bett, sondern übermittelte gerade seine neue Seiten an die Medien oder gab sie an irgendwelche Maulwürfe im Lager. James würde ihn schon finden. James blickte zum Mond in schwüler Nacht, und zündete sich eine Zigarette an. Dann brach die Hölle los.
Private First Class Dan Bullock (http://en.wikipedia.org/wiki/Dan_Bullock) lag tot in den Armen von James Doherty. Die Nordvietnamnesen schossen und schossen. Überall fielen Soldaten, Schreie durchhalten die Nacht. Alles war nur noch ein roter Schleier. James rannte mit dem jungen, schwarzen Soldaten über den Schultern soweit ihn seine Füße trugen. Er erreichte das Lazarett, der Soldat auf seinen Schultern, er war schon lange tot. James spuckte Blut, er hatte sich vor Angst die Lippe zerbissen. Er legte PFC Bullock ab und der Militärarzt schüttelte den Kopf. Er war tot, ehe James ihn auf die Schultern nahm.
Es wäre nichts Wildes gewesen, schlimm war jeder Toter. Krieg war furchtbar und James hasste ihn. Aber er wusste, dass Menschen starben, wenn sie sich beschossen. Es war trivial. Also solch trivial-monströses Ereignis betrachtete er den Krieg, er blendete alles Brutale aus, ließ es nicht an sich heran.
Doch am nächsten Morgen prüfte James nur aus Gewohnheit die Daten von Dan Bullock. Mit Erschrecken sah James, dass der junge, schwarze Soldat gerade einmal 15 Jahre alt war, als die Kugeln ihn töteten. Etwas in James zerbrach...
Aspekt: Vietnam - Der rote Schleier
Ein denkwürdiges Treffen (Anzeigen)Am 31.08.1973 war die Dienstzeit zuende. Sechs lange Jahre gingen zuende. Die Soldaten zogen aus dem Vietnam ab. James war inzwischen selbst ein Sergeant First Class. Das Ende war nicht schön. James hatte eine Obsession entwickelt, der Vietnamkrieg ließ ihn nicht los, er bestellte alte Akten, feilte, schrieb und er hatte, ohne dass sein Dienstherr es wusste, die Kontakte von Riley für sich genutzt. Riley war in derselben Nacht wie Bullock gestorben. Jetzt versorgte James diese Leute, die er nicht kannte. Er verstand aber jetzt den wahren Schrecken des Krieges. Er begann nicht grundsätzlich, wenn es Gewalt gab. Er begann dann, wenn die Gewalt mit vereinbarten Konventionen brach und alles in seinen Strudel zog. Wenn die Menschen nicht mehr daran denken, wie sie die Gewalt aufhalten, sondern nur noch, wie sie mehr Schaden anrichten. Das Problem beginnt dann, wenn nicht mehr Männer sterben, welche sich für das Sterben melden, sondern jene, die sich das nicht ausgesucht haben. James Beschäftigung mit dem My Lai Massacre (http://en.wikipedia.org/wiki/My_Lai_Massacre) und seine journalistische Bearbeitung dessen, die er mit der Hilfe seiner Kontakte machte und ausbaute, war seinen Vorgesetzten unangenehm. Sie konnten investigativen Journalismus nicht gutheißen, der auch sie schlecht darstehen ließ. Sie ließen ihn kein Berufssoldat werden, nach sechs Jahren endete seine Zeit bei der Armee. James verstand das, auch wenn er es für und nicht gegen die Armee tat. Er fand einen neuen Arbeitgeber, das DPD.
James begann von vorne. Die Diagnose PTSD ließ nicht mehr zu. Streifendienste, Büroarbeiten und ein paar investigative Aufgaben. James war dennoch das erste Mal einigermaßen angesehen. Er war ein Veteran des Vietnamskrieges und sogar die Antikriegspartei konnte sich mit ihm arrangieren, hatte er doch über das My Lai Massacre berichtet. Er arbeitet solide und nicht auffällig, wurde bei Kombinationsaufgabe eingesetzt. Seine Aufstiegschancen waren aber aufgrund der Diagnose und seines engen Kontaktes zu den Medien sehr gering. Es reichte immerhin dazu, dass er die Presseberichte der Polizei verfassen durfte. Das Leben lief immerhin in Bahnen. Es war nicht gut, aber es war. Bis zum 11. Januar 1976.
11. Januar 1976 - 05:11 Uhr: Es regnete in Strömen und war schweinekalt. Noch zwei Grad kälter und es wäre Eisregen vom Himmel gefallen. Zwei Sanitäter trugen Ireen und ein Einzelner die kleine Betty raus. James mochte gar nicht hinschauen, als sie zeitgleich die Handschellen um seine Gelenke schlossen und die Leichensäcke zugezogen wurden. Seine Frau und seine fünfjährige Tochter, beide waren sie mit einer Dienstwaffe der Detroiter Polizei erschossen wurden. Wer glaubte ihm schon? James schwieg. Ehemalige Kollegen, sie spuckten ihm ins Gesicht. James wusste, dass er sich beherrschen musste. Die Wut würde ihn was Falsches sagen lassen. Die Detroit Free Press titelte am nächsten Morgen: "Fate's sinister work: Son of a mother-killer becomes a killer himself."
James hatte selbst die Polizei gerufen und den Vorfall gemeldet, aber nichts zur Art der Tat gesagt. Nur, dass seine Frau und sein Kind tot waren.
James kam in Untersuchungshaft, doch seine Schuld wurde nicht bewiesen, seine Unschuld auch nicht. Sechs lange Monate, ein Zittern, ein Hoffen, die vielen psychologischen Untersuchungen, der Medienrummel um seine Person, der Lynchmob, der vor seinem Haus stand. Jene, die glauben, dass er ein Mörder ist, meiden ihn, so lassen ihn Hausfrauen und junge Mütter kaum ins Haus, doch die anrüchige Gefahr, die von James Tat ausgeht, öffnet ihm auch manche Tür bei den Bastarden, Halunken und Mördern Detroits. Sie sehen ihn als einen von ihnen. Doch war er es? James schweigt.
Bis zum heutigen Tag schweigt er und vielleicht auch bis zum Ende seines Lebens. Offiziell suspendierte die Polizei ihn, aber immerhin Egon Bittner gab ihm eine Chance. James weiß nicht, was Bittner glaubt, aber Bittner weiß, dass James gute Arbeit leisten kann. James jagte einst in der Armee journalistische Maulwürfe und nun ist er ein polizeilicher Maulwurf auf Geheiß von Bittner, ausgerechnet bei jener Zeitung, welche die Stationen seines Lebens mit lakonischen Sätzen festhielt. Detroit Free Press. Als freier Mitarbeiter hat er weitgehende Freiheit, bei allen Zugangsmöglichkeiten eines Journalisten. Er ist dort als investigativer Journalist angestellt, inspiriert von seinen eigenen Ermittlungen im Sumpf der Bürokratie des Militärs und der Polizei, als auch inspiriert von der Watergate-Affäre und vielen anderen investigativen Journalisten. Sein altes Wohnhaus in Poletown ist inzwischen einer Autobahn gewichen. Er lebt nun in Detroit, Boynton. Die dreckigste Ecke Detroits ist zwar nicht schön, aber dort gibt es immerhin keine Schönwetterdemonstranten. Es ist nicht das, was James sich vorgestellt hat, aber es ist, also akzeptiert er es.
Aspekt: War er es?
Noch ein denkwürdiges Treffen (Anzeigen)Es waren jene Aufträge, die er hasste. Partys und Gesellschaftsabende, auf denen viel Prominenz war. Er atmete tief durch. Die meisten kannten sein Gesicht nicht, maximal aus der Montagskolumne in der Detroit Free Press, die meist das Thema Arbeitskampf bediente. Aus diesem Grund war James offiziell hier. Eavesdropping (http://en.wikipedia.org/wiki/Eavesdropping) war das Zauberwort. Seine alten Kollegen, sie gingen ihm meist aus dem Weg, ein paar unterhielten sich mit ihm. Ian nahm ihn nicht mal mehr wahr, so voll war er bereits. Sie hatten nur wenig miteinander zutun gehabt, man kannte das jeweilige Gesicht. Als James noch auf der Wache arbeitete, war Ian aber deutlich ranghöher, wenn sie mal Worte tauschten, dann weil James jemand brachte, den Ian in sein berühmtes Verhör nehmen konnte. Mehr als ein flüchtiges Zunicken war es auch an diesem Abend nicht gewesen, als Ian noch nicht so voll wie ein irischer Hafenarbeiter am St. Patrick's Day war.
Es war erst ein Reflex, als James den Auslöser genau im richtigen Moment betätigte. Eine szenische Meisterleistung auf Ians Kosten. Dafür konnte Ian aus James Sicht in dem Moment wenig, das heißt, er hatte seine Hände besoffen nicht im Griff, aber die Kosten. James wusste nichts genaueres, er hatte eine anonymen Brief und später einen Anruf bekommen. Ganz verzwickte Geschichte: Jemand bei der Polizei sei Freund der Mobster, nun solle ein Journalist für die Polizei rausfinden, wer es ist, am Besten jemand, der für die Gewerkschaften arbeitet, um Glaubwürdigkeit zu wahren. Und das während viele Gewerkschafter Mobster sind. James hatte selbst den einen oder anderen made man (http://en.wikipedia.org/wiki/Made_man) kennengelernt. Darüber hinaus war James selbst weder wirklicher Gewerkschafter, noch wirklich freier Journalist, sondern Maulwurf der Polizei in diesem Gewerbe. Wirklich verzwickte Sache.
Zwei Tage später stand einer der made man in seinem Büro. Jemand habe diese Fotos gemacht, man wisse nicht genau wer. Muss einer von den DFP-Leuten gewesen sein, meinte er. Ich müsse als Gewerkschafter doch helfen, denn wenn das publik würde, würde nicht nur der Polizei Ärger ins Haus stehen, sondern auch die Gewerkschaften würden leiden. Die Beretta 92 übernahm den Rest der Überzeugungsarbeit. James handelte 72 Stunden raus, um den Fotografen zu finden, wohl wissend, dass er selbst es war. Er wusste nicht, wieviel die Mafia wusste. Die Bedrohung war real. Er gab keinen Namen raus, nur die Fotos, doch nicht ohne, dass Bittner Abzüge der Fotos und ein paar flüchtig aufgenommene Worte des made mans auf Kasette zugespielt bekam. James konnte die Fotos nicht mehr nutzen, nur im Archiv würden sie vielleicht eines Tages nochmal nützen. Vielleicht wem anderes, oder wenn die Mafia einen Fehler machte auch jetzt jemanden. Investigativer Journalismus ist, wie investigative Polizeiarbeit, ein verdammt dreckiger Job, Gewerkschaftsarbeit auch. Detroit ist eine dreckige und korrupte, verfallende Stadt voller Gegensätze und Menschen, die versuchen jene Gegensätze für sich, häufig mit physischer und psychischer Gewalt, auszunutzen. Es ist nicht gut, aber es ist. James akzeptiert das.
Aspekt: Der Aktivist der Detroit Free Press