Die Alte nickte, und so lief die Gruppe noch eine Zeitlang weiter, den Berg hinab ihrem so gefährlich klingenden Ziel entgegen, bis es dunkel wurde. Kay kochte eine Suppe, die erstaunlich gut schmeckte, und laut ihrer Aussage auch gegen Krankheiten schützte.
Schließlich stellten sie ihre Zelte auf, teilten die Wachen ein, und begaben sich dann zur Ruhe.
Doch die Nacht war nicht ganz so, wie die Gefährten es vielleicht erwartet hatten...
Silivros lief durch einen Wald. Er lachte, doch seine Stimme klang... eigenartig. Da vorne, dort war der Fluss, an dem sie sich treffen wollten. Er blieb stehen, leicht außer Atem, und kniete sich nieder. Das Wasser war klar, so klar, dass man die Fische am Grund erkennen konnte. Er steckte seine Hand hinein... nein, das war nicht seine Hand. Sie war zu zart, zu schmal...
Dann sah er auf. Zwischen den Bäumen kam eine weitere Gestalt zum Vorschein. Eine junge Frau, gekleidet in weißschimmernde Seide. "Prinzessin!"
Da fiel ihm auf, was nicht passte. Er sprach mit der Stimme einer Frau.
"Pscht!" zischte ihm die Frau auf der anderen Seite des Flusses zu. "Niemand darf uns bemerken. Komm her zu mir, damit wir reden können. Ich denke, ich habe eine Lösung für dein Problem gefunden."
Baltin schüttelte sich. Sein Fell war ganz nass vom Regen. Diese verfluchten Menschen, sie hatten sein Rudel getötet und ihn verjagt, aus reiner Angst - dabei hatten sie nie einen von ihnen angegriffen. Er hatte sein Rudel immer belehrt, sich von den Zweibeinern fernzuhalten. Vielleicht war das ein Fehler gewesen.
Nun stand er hier, alleine, und zog durch das Land, in der Hoffnung, dass er nicht versehentlich in das Revier eines fremden Rudels eindrang. Er hatte Rache geschworen. Rache für das, was jenen angetan worden war, für die er verantwortlich gewesen war. Und seine Rache war blutig.
Er starrte auf die Hütte vor ihm. Er war gerade so weit entfernt, dass die Menschen ihn nicht sehen konnten. Er würde warten, bis zur Nacht. Und dann würde er kommen, durch das Fenster. Ja, er wusste, dass die ausgewachsenen Menschen sich gegen ihn wehren konnten, dass sie ihn schrecklich verletzen oder sogar töten konnten. Aber sie hatten ein Kind, erst wenige Tage alt. Er würde hineingehen, es sich holen, und wäre fort, bevor seine entsetzten Eltern überhaupt auf den Beinen waren.
Er hasste diese Gefühle in seinem Inneren, aber er brauchte sie auch. So, wie sich die Zweibeiner fühlen würden, genau so hatte er sich gefühlt, als sie über sein Rudel hergefallen waren...
Dindal sah mit großen Augen auf die riesige Maschine vor ihm. Meister Rendalus hatte mal wieder ein Wunder vollbracht.
"Seht ihr, Kinder? Ein perfektes Abbild aller Planeten und deren Monde. Dies hier ist unsere Welt."
Doch Dindal sah nicht hin. Viel zu fasziniert war er von den fernen Welten, über die Meister Rendalus berichtet hatte. Welten, von denen man nichts anderes wusste, als dass sie existierten. Gab es auch auf ihnen Leben? Zivilisationen? Oder waren sie tote Felsbrocken, die durchs Nichts schwebten?
Taneris stubste ihn von der Seite an. "Hey, mach deinen Mund zu, die anderen gucken schon!" flüsterte er. Dindal sah sich um, den Mund jetzt geschlossen. Er war umgeben von rund zwanzig Jungen und Mädchen, alle etwa zehn Jahre alt. Sie kicherten, über ihn. Wie sie es so oft taten. "Der Irre", so nannten sie ihn. Seinen Vater hatte man auf dem Scheiterhaufen verbrannt, seinen verfluchten, verhassten Vater, der ihm Wahn zwei Familien ermordet hatte. Aber er hatte nichts getan. Er war nur ein Junge, der seinen Vater verloren hatte, und seine Mutter, die sich daraufhin selbst erhängt hatte. Meister Rendalus hatte ihn bei sich aufgenommen, so wie er Taneris, den Waisenjungen, einst aufgenommen hatte. Taneris war der einzige Freund, den Dindal hatte. Doch Taneris sprach nicht viel. Eigentlich nur, wenn es notwendig war.
Dindal sah beschämt zu Boden. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Meister Rendalus hatte ihm gesagt, dass er mit außerordentlicher Intelligenz und Phantasie gesegnet war, und dass noch etwas Großes aus ihm werden würde...
Die Erinnerungen an die Träume waren nach den ersten Szenen verschwommen geworden, vage, doch als Silivros, Dindal und Baltin aufstanden, konnten sie sich zumindest an die Anfänge der seltsamen Traumgeschichten erinnern. Als sie, fast zeitgleich, aus ihren Zelten kamen, duftete es bereits. Kay hatte offenbar einige Hasen gefangen, und briet sie gerade über einem Feuer.
"Einen wundervollen guten Morgen!" gackerte sie. "Heute Nacht hat es zwar heftig geregnet, aber jetzt scheint wieder die Sonne. Ich glaube, es wird ein guter Tag!"