Episoden der letzten Tage (Anzeigen)~~~~~o~~~~~
...eine stille Unruhe schwelte in der kleinen Lichtung des Waldes, die vom schwachen Mondlicht nur leicht erhellt wurde. Das leise Rauschen des Eschenlaubs, welches das einfallende Licht manchmal zu einem matten Funkeln im Dickicht werden ließ, erinnerte an das Prasseln des Regens, der schon vor einer ganzen Weile aufgehört hatte. Und dennoch tropfte hier und da etwas von den Bäumen ringsherum. Nur langsam schwanden die noch aufsteigenden Nebelschwaden aus dem feuchten Gras der Lichtung und die Sicht schien sich etwas zu bessern. Noch immer lag Raignsgur regungslos im Gras am Rande der Lichtung, vor Blicken gut geschützt durch dichtes Strauchwerk.
"Sie hätte längst vor mir hier sein müssen.." dachte er sich und suchte mit seinen dunkelgrünen Augen die Umgebung nach Anzeichen ihres Daseins ab, als ihm plötzlich der Atem stockte und er sich blitzschnell auf den Rücken wendete. Die Hände in einer abwehrenden Haltung, suchten seine Augen nun angstergriffen nach dem, was gerade eben das Knistern hinter ihm ausgelöst hatte, doch in der Dunkelheit des dichten Waldes, durch den er die ganze Zeit bis hierher gelaufen war, konnte er nichts erkennen. Nach einiger Zeit der Verharrung erkannte er jedoch den vertrauten Klang eines Schmatzens, wie ihn nur ein Igel hervorbringen kann, und erleichtert drehte er sich um, seinen suchenden Blick wieder auf die noch immer leere Lichtung gerichtet.
"..es sei denn, sie wurde durch irgend etwas aufgehalten." Raignsgur war sich sicher, dass ihm jedenfalls niemand gefolgt war als er das Dorf seines Oheims verließ und sich auf den vereinbarten Weg machte.
"Sie wird in der Lichtung auf dich warten.." hatte sein Oheim mit besänftigender Stimme gesagt als er Raignsgur das Bündel mit dem Pfand in die Hände gab "..also spurte Dich. Man lässt eine Dame nicht warten. Und schon garnicht, wenn es um eine so wichtige Sache geht." Lachend hatte er Raignsgur nochmal auf die Schulter geklopft und ihn dann in Richtung Tür geschoben. "Nun mach dich auf den Weg und sei vorsichtig, dass dir niemand folgt!"
Raignsgur hatte sich so schnell und so vorsichtig durch den vertrauten Wald bewegt, wie es er gelernt hatte. Und nun wartete er auf die Person, von der er nur wusste, dass sie eine Frau war und dass sie etwas für ihn hatte. Etwas wichtiges den Worten seinen Oheims zufolge. Raignsgur lag nun schon eine ganze Weile im Gras und beobachtete aufmerksam die Lichtung und obwohl seine Sachen inzwischen völlig durchweicht waren, verspürte er kaum die Kälte, die langsam seinen ganzen Körper durchzog. Viel zu aufgeregt war er, als dass er daran hätte denken können.
"Was wenn sie nicht kommt? Oder was wenn sie vielleicht sogar schon hier ist?" dachte er sich und erwog, sich vielleicht doch in die Lichtung zu begeben. "Vielleicht aber.." dachte er zögernd "..wartet sie genau wie ich verborgen im Dickicht." und entschloss sich, dies herauszufinden. Vorsichtig und nahezu geräuschlos kramte er aus der Tasche seines Umhangs einen jener Steine heraus, mit denen sie immer am See übers Wasser worfen, prüfte ihn kurzer Hand nochmal und warf ihn mit leichtem Schwung in die Mitte der Lichtung. Die Feuchtigkeit des gelblich grün schimmernden Grases verhalf dem Stein dazu, wie auf dem Wasser des Sees fünf mal zu hopsen. Raignsgur musste lächeln als er dies sah. Doch da entwich ihm ein lautes "Au!", denn der Stein kam zurück und traf ihn genau auf der Stirn, so dass er schmerzverkrampft sein Gesicht im Gras barg. Als er wieder aufsah, bemerkte er, dass dem Stein ein Schatten gefolgt war. Der Schatten einer Frau wie er erkannte, als sie nun endlich vor ihm stand.
"Wir hatten wohl beide die selbe Idee.." sagte die Frau mit fast lachender Stimme "..nur dass Du nicht annähernd so gut werfen kannst wie ich." Raignsgur sah wie sie sich zu ihm nieder beugte und seine Brauen verzogen sich weit nach oben. Dann nahm sie ihren Stein auf, wischte ihn sauber und verstaute ihn wie selbstverständlich in ihrer Tasche.
"Du musst Raignsgur sein, nichtwahr?" sagte die Frau. "Ja." erwiderte er mit mürrischer Stimme. "Dann habe ich etwas für dich. Und du hoffentlich auch für mich." antwortete sie schnell und richtete sich wieder vor ihm auf. "Beeil dich! Ich muss vor Sonnenaufgang zurück sein. Und du sicherlich auch. Dein Oheim wird gewiss warten. Also gib mir den Pfand!" sprach sie und streckte ihm ihre leere Hand entgegen. Raignsgur rappelte sich auf und begann sie erst einmal zu mustern...
..ein paar Tage später saßen Raignsgur, sein Oheim und seine Tante am Tisch in der Küche und aßen Brot und tranken Wasser. Und Raignsgur erzählte zum achten male die Geschichte. "Nun.." unterbrach ihn sein Oheim ".. es scheint, als würdest du gern nochmal so eine Übergabe machen. Vielleicht sogar mit der selben Person?" Sein Oheim lachte lauthals bei diesen Worten und aß dann weiter an seinem Brot. Und Raignsgur aß ebenfalls weiter und sah dabei versonnen zum Fenster hinaus.
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Am nächsten Morgen weckte ihn sein Oheim mit unruhiger Stimme, die ihn seinem Traum entriss und Raignsgur schreckte auf mit trübem Blick. Als er seinen Oheim sich schon wieder durch die kleine Zimmertür nach unten begebend vernahm, versuchte er vergebens sich an den Inhalt des Traumes zu erinnern, der ihm wie Balsam auf der noch halb schlafenden Seele lag. Doch nur Bruchstücke kehrten für einen zu kurzen Augenblick in seine Erinnerung, als dass er sie hätte festhalten können. Und so kroch er aus dem Bett und folgte seinem Oheim nach unten in die Stube. Dort herrschte Tumult und Raignsgur hatte es schwer den Streitenden gedanklich zu folgen. Auch erkannte er noch garnicht, wer sich alles im Haus aufhielt. Die warmen Sonnenstrahlen, welche wie jeden Morgen die Stube erhellten, blendeten ihn heute so stark, dass er keine Gesichter erkennen konnte, nur Stimmen, die ihm unentwegt zu schreien schienen. Blinzelnd suchte er nach Ordnung in diesem Tumult und tastete sich mit einer Hand das Augenlicht bedeckend in die Richtung, aus der er die Stimme seines Oheims vernahm. Er stellte sich hinter den riesigen Mann, dessen Schultern breiter als die eines Ochsen waren und dessen Stimme sonst ruhig und klar war, zog sich den Mantel über, den er vom Türhaken ergriff als er die Treppe sodann hinuntereilte und konzentrierte sich nun auf die Worte, die da fielen.
"Nein, Meister Elmarson, ich hatte es Euch doch bereits gesagt. Die Sendung ist nicht angekommen. Der Präfekt Ilenvurs ist wegen Euch mehr als aufgebracht. Wie konntet Ihr nur so töricht sein, diesen Jungen zu schicken?" Raignsgur glaubte nicht was er da hörte und es verschlug ihm die Sprache. Gerade als er sich einmischen wollte um sich zu rechtfertigen, kam ihm auch schon sein Oheim zuvor "Ho ho.. immer langsam! Der Junge hat seine Sache gut gemacht. Das weiss ich. Nur.." Raignsgur merkte dass sich die Stimme seines Oheims langsam aufwiegelte "..was ich nicht weiss, ist woher Ihr die Kunde habt, dass ausgerechnet er versagt haben soll. Wie steht es mit Eurer Botin? Vielleicht solltet Ihr zuerst sie befragen." Raignsgur nickte bestätigend, so als hätte er volles Rederecht, und trat nun neben seinen Oheim, was zur Folge hatte, dass plötzlich alle auf ihn starrten. Zwar konnte er noch immer keine Gesichter erkennen, aber diese Blicke spürte er auf sich ruhen. Seit er den Weg des Paladins beschritten hatte, hatte er viel gelernt, doch worauf er am meisten stolz war, war die Fähigkeit, Dinge zu spüren die man nicht sieht. "Eure Botin hat den Pfand in Gewahr genommen. Das versichere ich Euch so wahr ich hier stehe." entwich ihm plötzlich und er wunderte sich ein wenig über sich selbst. "Unsere..." Raignsgur bemerkte jetzt, dass der Blick des Mannes, der die ganze Zeit so energisch geredet hatte, sich nun verfinsterte und ihn zu durchdringen schien. "...unsere Botin ist überhaupt nicht zurückgekehrt! Was, frage ich Euch, habt Ihr in dieser Nacht getan?"
Die plötzliche Stille, die jetzt den ganzen Raum versiegelte schnürte auch Raignsgur die Kehle zu und er wusste nicht was er darauf antworten sollte. Kaum dass er überhaupt verstand, was der Mann da eben gesagt hatte. Unsicher suchten seine Augen den Kontakt zu seinem Oheim, doch auch der stand regungslos mit offenem Mund da.
Am späten Nachmittag, die Sonne stand noch immer recht hoch, hatte man sich in der Nähe der Agora Ilenvurs eingefunden, um der Sache mit der gebührenden Sorgfalt Aufklärung zu verschaffen. Raignsgur hielt sich wie immer im Schatten seines Oheims auf, der auch sobald das Wort ergriff, als man vollzählig schien.
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