Es war wie jeder Morgen. Nein, es war anders. Heute sollte es das erste mal sein, dass der Zirkus der Seltenen Wunder sein Zelt für Besucher öffnete. Lyra war wie an jedem Tag eines Auftrittes unfassbar nervös. Doch etwas war anders. Während sie mit ihrem täglichen Ritual, dem Lesen der Bücher, die ihr ihr Vater mitgegeben hatte, begann, musste sie feststellen, dass es unfassbar schwierig für sie war die genauen Worte dieser Bücher auszumachen. Lyra musste immer wieder aufblicken, in die Ferne schauen um zu überprüfen, ob es an ihren Augen lag, doch die elfische Schärfe ihrer Sicht, sei es kurz oder lang, war unverändert.
seltsam dachte sich Lyra, während sie eine weitere Seite umblätterte.
Als sie mit ihrem Ritual abgeschlossen hatte, und sich Lyra für ihren Teil der Aufführung fertig machen wollte merkte sie ein Stechen in ihrem rechten Fuß. Das war doch vorhin nicht da. War es die Aufregung? Nein, dass konnte es nicht sein.Sie war zwar nervös aber noch nie hatte sie schmerzen vor einer Aufführung gehabt.Und gerade jetzt? Am Vortag war auch nichts, dass sie hätte verletzten können, zumindest so plötzlich. Lyra schüttelte ihren Kopf um sich zu fassen und versuchte ein, zwei , drei Schritte zu gehen, doch das Stechen in ihrem rechten Fuß lies sie nicht los.
Nein, so konnte sie nicht auftreten , dachte sich Lyra.
Ich muss den anderen Bescheid sagen. Es ist zwar schade, aber nichts zu machen, das Trapez kann Gefährlich sein, wenn man zögerte. So biss Lyra die Zähne zusammen und ging hinüber wo sie die anderen Darsteller erwartete. Komischerweise merkte sie, dass je näher das Zelt kam, desto weniger spürte sie den Schmerz.
War es doch ein Zeichen? Nein es war egal. Der Schmerz konnte jeden Moment zurückkommen und dann sollte sie besser nicht auf dem Trapez sein. Als Lyra endlich die anderen erreichte, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Die fröhliche Stimmung der vergangenen Tage war wie weggeblasen. Sie selber wurde ebenfalls kreidebleich, als sie den Körper Myrons sah.
Es war doch ein Zeichen gewesen. dachte sich Lyra als sie zumindest versuchte die Tränen zurück zu halten. Doch selbst dies gelang ihr nicht.
warum er? Warum gerade er? Lyra musste sich erst einmal sammeln, so schüttelte sie den Kopf, als gefragt wurde wer den bereit wäre aufzutreten und verließ die anderen um zu ihrem kleinen Zelt zurück zu kehren. Kurz darauf begann sie bereits ihre Bücher zu durchsuchen.
Irgendetwas musste sie doch tun können, um Myrons Mörder zu finden. Lyras Gedanken begannen abzuschweifen.
Verdammt hatte ihr Vater nicht irgendwann etwas von Totenerweckung gesagt? Komm schon hier irgendwo wird doch etwas nützliches drin stehen müssen. Hatte sie sich geirrt? Hat ihr Vater vielleicht etwas ganz anderes gesagt? Lyras Gedanken zogen immer größere Kreise, als sie plötzlich aus ihrer Welt herausgerissen wurde. Ein Schrei, der zwar schwach aber immer noch wahrnehmbar zu hören war. Im nächsten Moment war sie bereits auf den Beinen.
Wenn der Mörder wieder zugeschlagen haben sollte, dann kann es gefährlich werden. Lyra griff nach dem Bogen, den ihre Mutter ihr zu ihrem 50en Namenstag geschenkt hatte sowie ihren Köcher und rannte aus ihrem Zelt in die Dunkelheit, wobei sie die aufgeschlagenen Bücher zurückließ. Mit einem Griff zu ihrem Heiligen Symbol erschuf sie ein Licht
[1], welches ihr ermöglichte auch hier gut sehen zu können.
Dort drüben! Lyra schloss schnell zu den anderen auf, denn alleine wollte sie gerade jetzt nicht unbedingt sein.