Hintergrund (Anzeigen)Es war eine stürmische Nacht an einem Abend der Wintermonate. Draussen toste der Zorn der Elemente schon seit Stunden- und mindestens genauso lange hatten sich die Würdenträger des Stammes um die Bettstatt versammelt. Heute Nacht würde ein weiteres Mitglied ihrer verschworenen Gemeinschaft das Licht der Welt erblicken- ein wichtiger Moment. Geburten waren spärlich geworden- und so blickten die Anwesenden Ernst auf das Lager aus Pelzen und Fellen. Krammon, der Häuptling. Isakra, die Schamanin. Rouslan, der Jagdführer, und Vater des Kindes. Alle drei hielten den Atem an, während sich zwei junge Frauen, die ebenfalls gerade erst ihre Kinder zur Welt gebracht hatten, Gerdels Hand hielten, ihr gut zuredeten, sie versuchten zu beruhigen. Es war das erste Kind Gerdels. Sie versuchte sich damit abzulenken, Namen zu finden, während die Schmerzen immer schlimmer wurden. Ließ die Namen ihrer Ahnen durch ihren Schädel kreisen, unfähig sie in diesem Zustand festzuhalten. Die Hebammen versuchten weiter sie zu beruhigen, tupften ihr mit feuchten Tüchern den Schweiss von der Stirn, während sie presste. Schließlich wurden die Schmerzen zu stark- sie schrie. Laut. Voller Leid. Und dann fraß sich ein Name in ihren Verstand- und sie schrie statt unartikulierten Unsinnes diesen Namen. Crommhuk. Schrie ihn immer wieder, bis in ihr Schreien sich ein weiteres Schreien mischte. Der Schmerz nachließ. Sie hatte es geschafft. Blickte mit tränenverschleierten Augen zu ihrem Gefährten, der das kleine Bündel in seinen großen Händen hielt, es stolz begutachtete. Ihr schließlich zunickte. "Crommhuk. Ein starker Name." Er reichte das Bündel ihr- ihren Sohn. Und er war wunderschön. Crommhuk sollte eine recht angenehme Jugend durchleben. Sein Vater war in der Lage, ihm alles beizubringen was er im Leben brauchte- war selbst ein starker, erfahrener Jäger und Krieger. Er zeigte seinem Sohn die Dinge, auf die es im Leben ankam- Jagen. Fischen. Kämpfen. Gleichzeitig ermöglichte Rouslan ihm eine Kindheit mit vergleichsweise wenig Not- als Jagdführer konnte er von der meisten Beute sich gute Stücke aussuchen. Seine Familie ohne Probleme ernähren. Gerdel kümmerte sich ebenso gut um ihren Sohn- nähte ihm aus den schönsten Pelzen Kleidung, sorgte dafür dass er gut schlief, erzählte ihm Geschichten damit er Nachts keine Angst hatte. Er bekam von seinen Eltern mehr, als die meisten anderen Kinder sich das erträumt hatten- und noch dazu war er beliebt bei allen anderen Dörflern in seinem Alter, sei es, weil er immer neue Spielsachen hatte, sei es, weil er von seinem Vater interessante Geschichten kannte, und sei es ebenso, weil er von kräftiger Statur war- und damit in der Lage, sie zu verprügeln wenn sie "doof" zu ihm waren. Kurzum, er hatte eine Jugend, so schön wie sie in den vereisten Ebenen des Nordens nur sein konnte. Entwickelte sich prächtig- zeigte schon damals großen Entdeckerdrang. Seine Freizeit verbrachte er oft damit, die Berge, die das Dorf beschützten und umgaben (und für ein vergleichsweise mildes Klima sorgten, indem sie den Wind brachen) zu erkunden. Immer tiefer stießen er und seine Freunde in die Berge vor- immer waghalsiger wurden ihre Ausflüge.
Und schließlich entdeckten sie in einer Höhle etwas, dass die Jungen gleichzeitig vor Ehrfurcht erstarren wie auch vor Furcht schlottern ließ. Crommhuk war damals keine zwölf Winter alt- noch einige Monate von der Reifeprüfung zum Krieger entfernt. Aber schon damals war die Begeisterung für Waffen und Kämpfe groß, himmelte man die Krieger und Jäger mit ihren schimmernden Panzern an. So zog auch die Ausstattung dessen, den sie in dieser Höhle fanden, die Jungen in den Bann. Dort hatten sie eine Leiche entdeckt- einen wohl schon lange ausgetrockneten, fast skelletierten Leichnam, die Haut, durch die Kälte nur unzureichend konserviert, sich über die Knochen grau und rissig spannend. Der Mann war wohl durch einen Steinschlag hier eingeklemmt worden (das Bein war immer noch unter einem Haufen Felsen begraben) und dann hier verendet- aber in der Hand hielt er immer noch eine Waffe von traumhafter Schönheit. Eine Axt, aus einem Metall, so silbrig wie die Nacht, mit zwei fast spannbreiten Blättern und einem Griff aus mit Edelmetallen verziertem Hartholz. Die Beiden konnten nicht anders. Sie schlichen zu der Axt- behielten dabei die Leiche im Auge. Zogen aus seinen steifen, knochigen Fingern die Waffe- und schließlich hielten sie sie ehrfürchtig in das schwache Licht, das vom Höhleneingang auf sie schien, die Axt in ein wunderschönes Licht tauchte. Sie waren so von der Schönheit des Reliktes geblendet dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnahmen. Das trockene Knacken hinter ihnen überhörten. Und schließlich erst als Jugtrog, Crommhuks bester Freund, von hinten von dürren, grauen Armen umfasst wurde bemerkten dass der Tote nicht so tot war wie sie das gerne hätten. Auch wenn die Arme schwach und die Knochen morsch wirkten- offenbar waren sie stark genug für einen zwölfjährigen Nordmann. Denn die Rippen Jugtrogs knackten bereits bedrohlich. Schienen jeden Moment bersten zu wollen. Crommhuk zerrte an den Armen, stach mit seinem Messer auf den Draug ein, versuchte alles um seinen Freund zu befreien- doch der Untote schleuderte ihn nur mit einem nachlässigen Hieb des Armes quer durch die Höhle. Ließ ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden gehen, während er die verrotteten Zähne in den Hals seines Freundes trieb. Und Crommhuk konnte nichts tun als zuzusehen, unfähig zu reagieren. Mit Tränen in den Augen ballte er die Fäuste, rappelte sich mit schmerzverzerrtem Antlitz auf, tastete nach der Axt- er war wütend. Und diese Wut steigerte sich immer mehr. War er eben noch kaum in der Lage gewesen, die Axt zu heben, so wirkte sie nun nicht mehr ansatzweise schwer- lag gut in der Hand. Und mit dieser Axt und einer Wut im Bauch, die er vorher nicht gekannt hatte, stürzte er sich auf den Draug. Schlug blind auf ihn ein- und brachte ihn schließlich zu Boden, hackte ihn in kleine Stücke, hörte erst auf, als sein Zorn gestillt war- und brach erneut zusammen, als er erkannte was er getan hatte. In seinem Furor hatte er keinen Unterschied zwischen Mensch und Monster gemacht- und mit schreckgeweiteten Augen erkannte er nun, dass er seinen besten Freund ebenso getötet hatte. Er fiel auf die Knie, weinte hemmungslos- wurde erst Stunden später von den ihn suchenden Dörflern gefunden.
Die nächsten Wochen schwieg Crommhuk- sprach kein einziges Wort, wagte kaum, das Haus zu verlassen- war nicht mehr der Selbe. Erst als sein Vater ihn förmlich vor die Tür setzte, in der Hoffnung, frische Luft würde ihm vielleicht gut tun, schaffte er es sich zu überwinden. Einige Schritte durch das Dorf zu gehen, sich immer noch von den anderen Kindern fernhaltend, schweigend, auf der Suche nach Ruhe- nach einem Ort, wo er ungestört sein konnte. Allerdings war das Einzige was er überall fand mitleidige Blicke und bedauernde Worte. Keiner der Dörfler verstand sein Bedürfnis danach, einfach alleine gelassen zu werden- denn ihr Mitleid machte sein Gefühl der Schuld nur noch lauter. Er wollte Stille- und fand sie nirgends. Nirgends? Einen Ort kannte er. Er floh von den Menschen. Rannte zu jenem Gebäude, wo es laut genug war, dass er das Mitleid und das Bedauern nicht hören konnte, wo er vielleicht alleine sein konnte- zur Schmiede. Die Schmiede war ein ehrwürdiger Ort- ein Ort, der ein Tempel der Geister des Stahls (die für den Stamm besonders wichtig waren- immerhin lebten sie zum großen Teil davon, ihren Stahl, den sie aus der Mine holten, bei anderen Stämmen gegen Gemüse und Getreide einzutauschen) und des Feuers war, ein Zusammenspiel von Hitze und Stahl. Der Schmied war kein gesprächiger Mann- es nie gewesen. Und damit war er genau der richtige Begleiter für den Jungen in diesem Moment. Der Schmied drehte sich nichteinmal um. Widmete sich weiter seinem Schmiedestück, einem breiten, schweren Hiebschwert, wohl ein Geschenk für einen der anderen Stammesführer. Crommhuk setzte sich still auf eine Werkbank. Sah dem Schmied zu, umgeben vom Tosen der Esse, dem Hämmern des Schmiedehammers, dem Fauchen des Blasebalgs- und er fühlte, wie er ruhiger wurde. Wie die Schmiede auf ihn besser wirkte als das gesammelte Mitleid des Stammes. Er verbrachte in den nächsten Wochen viel Zeit in der Schmiede- ohne auch nur ein Wort mit dem Schmied zu wechseln. Das war auch nicht nötig. Schon nach weniger als einem Monat wusste er, welches Werkzeug der Schmied brauchte. Nach guten zwei Monaten assistierte er mit dem Blasebalg. Er lernte langsam selbst, wie man Schmiedete. Und als die Zeit seiner Mannbarkeitsprüfung und der Bestimmung seines weiteren Lebensweges kam, wusste er was er wollte. Er bat darum, der Lehrling des Schmiedes werden zu dürfen. Selbst das Handwerk vom Meister zu erlernen. Der Schmied nickte nur. Sprach immer noch kein Wort- aber schien dieses Mal ein stolzes Funkeln in den Augen zu haben. Er begann noch intensiver in der Schmiede mitzuhelfen- dieses Mal sogar gelegentlich wortkarge Anweisungen zu erhalten. Der Weg, den er gewählt hatte, wurde ihm ins Gesicht tätowiert- die Erste von vielen Tätowierungen, die noch folgen würden, zwei einzelne Runen: Feuer und Eisen.
Immer mehr der Arbeiten des alt gewordenen Schmiedes übernahm er mit den Jahren. Immer mehr wurde es zu "seiner" Schmiede, zu seinem Refugium- er hatte die ruhigeren Hände, die kräftigeren Arme, und das charismatischere Lächeln (und nutzte ein Vielfaches mehr an Worten). Seine Arbeiten konnten schon bald mit denen seines Meisters mithalten- der sich immer mehr nur einem eigenen Projekt widmete, der die Schmiede für seine eigene Aufgabe nutzte- der an der perfekten Waffe schmiedete, als würde sein Leben davon abhängen. Es hätte ein einfaches, aber schönes Leben werden können. Doch die Zeit der unbeschwerten Glückseligkeit hielt nicht ewig an. Crommhuk war nun schon fast ein Jahrzehnt der Schmied des Dorfes- da begann der große Winter. Ein Winter, so kalt dass selbst die dicken Felle und stabilen Mauern, die das Dorf inzwischen umgaben, ihn nicht aufhalten konnten. Dem Dorf ging es zwar vergleichsweise gut, dank den schwarzen Steinen aus den Minen, die ein warmes, lange brennendes Feuer ermöglichten- aber dennoch schmerzte die Kälte, ließ die Alten und die Jungen erfrieren, sorgte dafür, dass immer mehr Leute im Dorf krank wurden- und es kaum genug zu Essen gab, blieben doch in Zeiten des Sturmes die Händler der anderen Stämme fort, und brachten diese Händler, selbst wenn sie kamen, nur wenig Nahrung mit- die Erträge waren schlecht, das Gemüse erfror, die Tiere vermochten nicht genug gefüttert zu werden dass sie fett genug zum Schlachten wurden. Es herrschte düstere Stimmung- und etwas musste unternommen werden. Schon oft hatte man in den letzten Jahren einzelne Jungen in die Welt gesandt, die mit wertvollen Waren, neuen Technologien und anderen Schätzen zurückzukehren. Normalerweise sandte man fünf, manchmal auch zehn junge Männer los, damit genug Leute für die verbleibenden Arbeiten zurückblieben. Dieses mal sandte das Dorf dreissig junge Männer aus, die Nahrung, Medizin, neue Ideen mitbringen sollten- in der Hoffnung das sie bei ihrer Rückkehr überhaupt noch jemanden finden würden der von ihrem Wissen und ihren Gaben profitieren konnte. Und wenn nicht- so würde zumindest der Stamm in ihnen in der Ferne weiterleben. Auch Crommhuk war unter ihnen- auch wenn er sich gesträubt hatte seine Schmiede zu verlassen, so wusste er doch, seine Aufgabe war wichtiger als das Schmieden von mehr Waffen, die sie nicht verkaufen konnten. Also stand er am Tage des Aufbruchs neben seinen Stammesbrüdern und -schwestern, gerüstet mit einem beschlagenen Wams, dass ihm sein Vater geschenkt hatte, und einer schwere, zweiblättrigen Axt, ein Geschenk seines Meisters, stand im Versuch, möglichst unbewegt zu wirken zwischen den anderen jungen Menschen, versuchte sich die Tränen in seinen Augen nicht anmerken zu lassen. Es war sein erstes Verlassen des Dorfes über weite Strecken. Und er hatte Angst davor. Sein Weg würde ihn tief in den Süden führen- in eine seltsame Stadt mit einem noch seltsameren Namen. Aradan. Weit in der Ferne, in einem Land, wo angeblich frisches Wasser und fruchtbare Weiden an jeder Ecke zu finden waren. Es war ein weiter Weg. Ein Beschwerlicher. Und er würde auf diesem Weg allein sein. Keiner der anderen Jungen wurde so weit geschickt- warum, konnte er nur raten.
Er brauchte für den Weg in die riesige Stadt fast ein Jahr- wohl auch, weil er sich versuchte von den fremden Menschen fernzuhalten, deren Sprache er nichteinmal zu verstehen vermochte. Stand schließlich doch an jenem Ort, den ihm die Weise Frau beschrieben hatte- und hatte Angst. Das hier war kein befestigtes Dorf, oder eine kleine Stadt, wie sie selbst im Norden einige hatten. Das hier war ein Moloch. Ein Ort aus Stein und verlorenen Träumen, an dem Reihen um Reihen aus fremdartigen Menschen eingingen. Der Schmied versuchte sich einen Weg zu einem der Tore zu bahnen, an den beiden Reihen seltsam gekleideter Menschen vorbei- wurde aber von einem in Eisen gekleideten Mann mit einer langen Axt aufgehalten, zurückgestoßen- in der seltsam singenden Sprache der Südländer zugetextet. Er verstand kein Wort. Blickte nur verständnislos in das glatte, bartlose Gesicht- ehe der Mann vor ihm seufzte, einige Gesten machte, die wohl signalisieren sollten dass er hier warten sollte- und verschwand. Crommhuk gehorchte. Wartete geduldig. Sah den Fremden mit einem Mann wiederkehren, dessen Anblick den Nordländer mit Freude erfüllte- denn der Alte, der mit dem offensichtlichen Krieger kam, trug ebenfalls Tätowierungen des Nordvolkes- ebenso wie er selbst! Doch der Mann sah alles andere als Glücklich aus. Blickte Crommhuk nur mit von irgendwas verschleierten Augen an, schien kaum geradeaus laufen zu können. Und er schien auch wenig gesprächig. "Der Wachmann meint, du sollst dich gefälligst hinten anstellen!" Crommhuk stutzte. Wenn er sich hinten anstellte, so würde er ewig in die Stadt brauchen! Und das Tor war doch so weit offen, dass dort auch gerne noch zwei weitere Reihen der selben Menge hineingepasst hätten! Gerade wollte er protestieren- aber der Alte war schon weitergegangen, hatte eine Flasche undefinierbaren Inhalts von de Wache erhalten, einen kräftigen Schluck daraus genommen- und danach noch mehr geschwankt. Irgendwie glaubte der Neuankömmling nicht, viel aus diesem Mann herauszubekommen- also fügte er sich. Widerstrebend. Stellte sich hinten an der Reihe an, wartete bis er an der Reihe war- nur um dann wieder nicht verstanden zu werden. Er hasste die Stadt schon jetzt- und dabei hatte er sie noch nichteinmal wirklich kennen gelernt. Immerhin war er jetzt drin- und das war mehr als er noch vor einer Stunde zu hoffen gewagt hatte. Unsicher lief er durch die Straßen, hoffte, noch jemanden seines Volkes zu finden- doch keiner trug die Tätowierungen. Keiner verstand ihn auch nur. Und irgendwann fehlte ihm der Elan, um weiterzumachen. Unzufrieden schlich er sich in eine dunkle Ecke, suchte sich ein halbwegs geschütztes Eckchen vor dem allgegenwärtigen Regen an diesem Tag, versuchte einfach nur zu schlafen- gequält von der Lautstärke der Stadt selbst um diese Stunde. Schließlich schaffte er es doch, in einen unruhigen, alptraumgeplagten Schlaf zu fallen. Als er am nächsten Morgen erwachte fühlte er sich als hätte er überhaupt nicht geschlafen. Der Lärm machte ihm zu schaffen, seine Kleidung war durchnässt, und er war hungrig wie ein Bär, aber wusste nicht wo er hier etwas zu Essen herbekommen sollte.
Er irrte ziellos durch die Stadt. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er hatte erwartet, das zumindest einige der als so klug geltenden (oder sich zumindest für so klug haltenden) Südländer seine Sprache sprächen- aber jetzt hatten sie nur mitleidige bis hasserfüllte Blicke für ihn übrig. Er fühlte sich wie ein Pestkranker- isoliert. Und er wäre wohl noch weiter für Stunden durch die Stadt geirrt, in Gedanken verloren, ohne Plan und ohne Verstand- aber ein Schrei riss ihn aus seinem dumpfen Grübeln. Die anderen Leute sahen demonstrativ weg- wollten wohl mit soetwas nichts zu tun haben. Aber auch wenn er Angst hatte wieder etwas nicht zu verstehen, so brachte es der als Barbar Verschriene nicht übers Herz den Schrei der Frau zu ignorieren- er stürzte in die Gasse- und hatte doch das Gefühl, richtig gehandelt zu haben. In der Gasse stand eine junge Frau- sicherlich ein halbes Jahrzehnt jünger als er- mit dem Rücken zur Wand, in der Hand ein schmales, eher zum Schälen von Obst geeignetes Messer- und vor ihr zwei großgewachsene Gestalten in düsterer Kleidung. Einer der Beiden konnte Crommhuk beinahe in der Größe Konkurrenz machen- maß über zwei Meter, mit einer Statur wie ein Bär- und deutlich aus dem Unterkiefer hervorstehenden Hauern. In den Händen hielt er ein Messer, das an Länge an ein Kurzschwert reichte. Der Zweite war einen guten Kopf kleiner, in beschlagenes, dunkles Leder gekleidet, in jeder Hand ein kurzes Stoßmesser. Und diese Beiden wandten sich ihm nichtmal zu, knurrten nur kurz irgendetwas in seine Richtung. Crommhuk nahm die Axt vom Rücken. Er verstand sowieso nicht was sie wollten- aber er war der Ansicht, dass sie wohl kaum etwas Gutes planten. Also ging er kurzerhand dazwischen- drängte sich einfach zwischen die verdutzten Straßenräuber und die Jungfrau (?) in Nöten, die Axt in der Hand, die Augen schon vor Kampfeslust funkelnd. Dass hier war etwas, das er verstand- der Gesang der Klingen, das Lied des Stahls, die Frohlockungen der Schneide wenn sie auf Fleisch traf. Er hoffte förmlich darauf dass die Beiden vor ihm Narren waren. Und er wurde nicht entäuscht. Kaum hatten sie ihre Schrecksekunde überwunden, stürmten sie schon auf ihn ein- wohl durch ihre Überzahl der Meinung, auf Feinheiten wie Taktik oder Verteidigung verzichten zu können. Crommhuks Axt beschrieb einen singenden Halbkreis. Traf den Halbork auf Höhe der Hüfte und verwandelte ihn, wenn seine Kenntnis der Mathematik stimmten, in einen Viertelork, während die Stoßdolche seines zweiten Gegners an dem metallverstärkten Leder seiner Rüstung entlangkratzten. Crommhuk beendete das lästige Kratzen mit einem lauten Donnern, als die Axt zum zweiten Mal zuschlug, gefolgt von der erfrischenden Stille einer gewonnenen Schlacht. Er drehte sich zu seiner geretteten Maid um- und konnte nur mit Mühe verhindern, dass das Messer ihm ein Auge ausstach. Sie rief ihm wenig schmeichelhaftes entgegen. Glaubte er. Immer noch verstand er kein Wort ihrer seltsamen Sprache- versuchte im Gegenzug dazu, ihr gut zuzureden, sie zu beruhigen, ihr zu sagen, dass er nichts Böses im Schilde führte- doch entweder hörte sie nicht zu- oder verstand genauso wenig was er sagte...
Schließlich resignierte der Barbar. Hing seine Axt wieder dahin, wo sie hingehörte, und machte sich daran, die beiden Schurken zu durchsuchen. Vielleicht hatten sie ja etwas zu Essen...? Aber nein. In ihren Taschen fand sich nichts als Krimskrams und eine überschaubare Menge der flachen Metallscheiben, auf die die Südländer so scharf waren. Er steckte sie trotzdem ein. Vielleicht würden sie sich noch als Nützlich erweisen? Gerade wollte er sich zum Gehen wenden. Sich weiter in einer Stadt verirren, von der er kaum den Namen aussprechen konnte. Da fühlte er eine Hand an seinem Unterarm- beinahe hätte er aus Reflex zugeschlagen, und damit vermutlich der erretteten Frau den Unterkiefer gebrochen (sie wirkte nicht sonderlich robust...). Im ersten Moment glaubte er, sie wolle wohl ihm noch mehr Probleme machen. Aber sie schien ruhiger. Fast ein Wenig beschämt. Sprach erneut zu ihm Worte, einladend klingende Worte. Was wollte sie? Sich für ihre Rettung "revanchieren"? Nein. So war das Südland nicht. Sie wies in eine Richtung, blickte ihn dabei an. Sollte er dort entlang gehen? Was sollte er dort? Andererseits waren die anderen Richtungen nicht besser... versprachen genausowenig Klarheit. Also folge er ihr. Half ihr noch beim Einladen der Einkäufe, die sie fallen gelassen hatte, und ließ sich dann von ihr in ihre Hütte führen. Sie wies auf den Tisch. Schien von ihm zu erwarten, dass er sich setzte. Er gehorchte. Blickte sie weiterhin fragend an. Inzwischen war sie dazu übergegangen, es mit Zeichensprache zu versuchen- gerade wies sie auf ihren Mund. Als Antwort knurrte sein Magen wie ein wildes Tier. Sie lachte. Ein wunderschönes Lachen, wie Crommhuk fand- allgemein war sie eine nicht uninteressante Frau, wie er nun, da er Zeit hatte sie zu begutachten, bemerkte. Sie gefiel ihm- und unwillkürlich schweiften seine Gedanken dazu ab, was er mit ihr anstellen könnte, während sie sich ans Kochen machte. Schon bald erfüllte ein wundervoller Geruch nach köchelndem Gemüse den Raum- und sie setzte sich einen Moment zu ihm. Wies auf ihre Brüste. "Luscia." Luscia. Ein schöner Name, ein Name, der in seinen Ohren nachklang. Er versuchte die Geste nachzuarmen (war ihr erneut ein leises Kichern abrang). "Crommhuk." Sie lächelte. Blickte ihm in die Augen, während sie sich leicht auf die Lippe biss. Die Zeichen erkannte Crommhuk- aber sollte er wirklich seine Queste schon am zweiten Tag, an dem er in der Stadt war, für schnödes Vergnügen vernachlässigen? Er haderte mit sich- und wurde schließlich vom Überkochen des Gemüses gerettet. Luscia eilte zum Herd- und gab ihm die Chance durchzuatmen. Die aufgeladene Athmosphäre war gebrochen- und die Beiden speisten gemeinsam, schweigend, sich durchaus bewusst, was sie gerade beinahe getan hätten. Und so blieb die Luft zwischen ihnen angespannt- immer noch leicht geschwängert von ihrem Anflug der Luft, aber nun durch peinliches, ratloses Schweigen dominiert. Nach dem Essen wollte Crommhuk eigentlich nur noch fliehen. Weg von diesem Ort. Half noch höflich beim Abwasch- und wollte sich nun eigentlich entschuldigen, von hier verschwinden. Doch dies schien nicht im Sinne der jungen Frau vor ihm, die mit leicht geöffnetem Mund auf ihn zukam...
Er wich zurück. Wollte das eigentlich nicht, wollte sich weiter seiner Aufgabe widmen, auf welche Art auch immer, zurück in die Straßen, vielleicht einen seiner Landsleute finden- zumindest ein Mann hatte ihn schon verstanden gehabt, da mussten doch noch andere sein? In seinem Kopf rasten Gedanken. Immer weiter wich er zurück- musste wohl ein lächerliches Bild abgeben, war jene Frau, die ihn vor sich hinscheuchte doch einen guten halben Meter kleiner als er. Und dann endete seine Flucht. Stand er mit dem Rücken zur Wand, unfähig weiter zurückzuweichen- und noch eher er weiter reagieren konnte hatte seine Jägerin ihn erklommen, sich an seinen Hals gehängt (ihre Füße schwebten über dem Boden)- und küsste ihn leidenschaftlich. Alle Zweifel waren vergessen, als ihre Lippen die Seinen trafen- und nur Minuten später wälzten sie sich auf ihrem Lager, nackt und in Wonne versunken. Versanken eine ganze Weile in ihrem Liebesspiel, ehe sie in seinen Armen einschlief, sich an ihn schmiegte- und er ihr es bald gleichtat, neben ihr wohlig schlief, eine Nacht lang seine Sorgen zu vergessen vermochte. Am nächsten Morgen jedoch war die Ruhe und die Freude vergessen. Er hatte nicht nur den ganzen letzten Tag vergeudet, nein, er hatte sich auch ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein mit einer der Südländerinnen eingelassen- die vielleicht einen Mann hatte, einen Vater, einen Bruder, jemanden der gegen ihre Partnerwahl etwas haben könnte! Reue schlich sich in das Herz des Nordländers- und er erhob sich langsam. Leise. Packte seine Sachen, zunächst stolz, dass er es geräuschlos schaffte. Nur um dann kurz vor der Tür seine Axt fallen zu lassen, so dass Luscia doch erwachte. Ihn mit einem verletzten Blick ansah. Er stockte. Hob langsam die Axt auf- sich fragend, ob er das Richtige tat. Sein Blick fing ihre traurigen Augen. War dies wirklich nur eine Liebelei für eine Nacht gewesen- oder war da mehr? Fühlte er wirklich nicht mehr als die süße Befriedigung einer erfolgreichen Nacht- und wollte nicht vielleicht auch sie mehr als ihrem "Retter" danken? Zum ersten Mal seit Langem war er sich seinen Gefühlen mehr als unsicher- wusste er nicht, was er fühlen oder tun sollte. Mit der Axt in der Hand, der Kopf unruhig wippend, so als wüsste er nichts mit der Waffe anzufangen, stand er quasi schon halb im Türrahmen- aber er zögerte. Wusste nicht, ob er gehen sollte. Und dann sagte sie etwas. Etwas, das er wie so oft nicht verstand, einen kurzen Satz- aber er verstand die Bedeutung. Das, was sie sagte, ihren flehenden Blick dazu, das Zittern in ihrer Stimme. Sie bat ihn nicht zu gehen. Nicht durch diese Tür zu treten. Und brachte ihn dazu weiterzudenken. Was sollte er dort draussen? Auf wen hoffte er zu treffen, ohne Kenntnis der Sprache, ohne Wissen über andere Nordländer, ohne auch nur einen Schimmer, was er tun konnte um seinem Stamm zu helfen? Jede Entscheidung die er traf schien falsch. Aber er musste eine Entscheidung treffen. Und so stelle er die Axt wieder neben die Tür- und wurde mit einem Blick tiefer Dankbarkeit belohnt.
Er blieb. Entschloss sich, bei Luscia zu bleiben. Die ersten Tage verbrachte er mit verzweifelten Versuchen, zumindest irgend etwas zu verstehen- sich mit ihr auf irgendeine Art zu verständigen, und seien es Hände und Füße. Er war schon kurz davor aufzugeben, einfach wieder zu gehen, zurück in den Norden, wo das Leben einfacher war. Wo er zumindest verstand, was die Leute zu ihm sagten. Es dauerte über eine Woche, ehe er die ersten Worte so weit verstand, dass er den Sinn entziffern konnte. Bis er nicht nur einzelne Worte hervorknurren konnte, in der Hoffnung, seine Intentionen würden verstanden. In der Zeit kamen Luscia und er sich auch näher- die Möglichkeit, sich mit mehr als Gesten und Handbewegungen zu verständigen und tatsächlich Gespräche (wenn auch auf sehr einfachem Niveau) ermöglichte es ihrer Beziehung, zu keimen und zu gedeihen. Schon bald schaffte es Crommhuk, erste eigene Besorgungen zu erledigen. Wurde immer weiter zu einem zwar nicht ohne Misstrauen, aber zumindest auch nicht mehr wie ein wildes Tier betrachteten Bewohner der Stadt. Es zog noch weitere Zeit ins Land. Crommhuk lernte die Sprache der Stadt- und nutzte seine freie Zeit, um Luscia zu umwerben oder um kleine handwerkliche Tätigkeiten im Haus zu erledigen. Es hatte nicht lange gedauert, da war mehr in der kleinen Kate intakt gewesen als je zuvor- immer noch besaß der Nordländer ein handwerkliches Talent, auch wenn er mit Metall noch immer am Ehesten sein Element fand. So wurde auch das Metall seine Bestimmung- denn kaum war er in der Lage sich ausreichend zu verständigen, suchte er auch schon eine Stelle, um sein eigen Brot in die Beziehung einzubringen. Er fragte sich durch- sprach bei wohl jedem Schmiedemeister oder auch nur bei jedem, der sich dafür hielt, vor. Zunächst blieb er ohne Erfolg- ein Nordmann ohne Nachweis seiner Künster, der noch immer die Sprache nur in dürftigen Ansätzen beherrschte war nicht gerade der beliebteste Gehilfe bei den Städtern, und mit einem Barbar, selbst wenn er die schönsten Stücke schaffen würde die die Welt je gesehen hätte, würde auch kaum jemand prahlen können. Fast hätte der Schmied aus dem Norden schon seinen Mut verloren- da meinte es das Schicksal doch noch gut mit ihm. Er war gerade durch das Hafenviertel unterwegs, eigentlich nur auf der Suche nach einem guten Fisch, den er zum Abendessen mitbringen konnte- noch nicht ganz sicher, wie er diesen bezahlen sollte- schon öfter hatte er im Ausgleich für Waren seine Dienste angeboten, denn er war stark, und in der Lage selbst schwere Kisten zu schleppen als wären sie gewichtslos. Leider waren auch diese Dienstleistungen selten geworden... nur noch an wenigen Gelegenheiten hatte er so sich nützlich machen können. Die Meisten der Hafenbewohner wollten ihn inzwischen nichteinmal mehr um sich haben- so dass er sich neue Quellen suchen musste. Aber der Gesang, der heute durch den Teil des Viertels, den er durchstöberte hallte, war ihm auf andere Art bekannt. Der Gesang eines Hammer auf einem Amboss. Eine weitere Möglichkeit, Arbeit zu finden? Er konnte es versuchen- also suchte er nach der Ursache dieses stählernen Liedes.
Er folgte dem Lied, wandelte wie eine Marionette, wie von einer fremden Macht gezogen, durch die engen Gassen des Hafens. Immer lauter wurde das so sehr vertraute Singen, jenes Singen, dass ihm so tief bekannt war das es fast schon unerträglich schmerzte. Bald schon kam der Ursprung des Liedes des Stahles in Sicht. Eine kleine Hütte, kaum größer als die Kaschemmen um sie herum- mit einem angeschlossenen Vordach, aus dessen Schornstein weithin sichtbarer Rauch aufstieg- eine kleine Schmiede, aber eindeutig eine Schmiede, bei der er noch nicht versucht hatte, Arbeit zu finden- von der er bislang noch nichteinmal gehört hatte. Am Amboss stand ein erstaunlich alter Mann für das Tempo, mit dem er noch immer auf das Eisen einhämmerte- mit kräftigen Muskeln, die sich unter dem zerschlissenen Hemd mehr als deutlich abzeichneten. Ein Schmied der alten Schule- in einer Schmiede die zu abgewrackt war als dass sie noch wirklich hätte profitabel wirken können- noch dazu, da der alte Mann allein zu sein schien. Seine Schmiedearbeit war wohl einst von großer Kunstfertigkeit gewesen- doch jene Produkte, die nun auf der abgewetzten Schaubank lagen, waren bestenfalls Mittelmaß- in zu kaltem Feuer geschmiedet, von einem Mann, der seine verbleibende Kraft überschätzte. Crommhuk sah dem alten Mann eine Zeitlang schweigend zu. Beobachtete ihn, wie er wohl tief in seine Arbeit vertieft war, angestrengt versuchte, ein Messer in der viel zu kalten Esse zu erhitzen- die schon wieder halb erkaltet war, bis er zurück am Werkstück ankam. War das die Schmiede, in der er endlich Anstellung finden sollte? Immer noch konnte er kaum die Sprache der Südländer- aber er hatte ihre Schmieden genug verstanden um mit anzupacken. Also schloss er die Hände um den langen Stiel des Blasebalgs- und nach wenigen Minuten glomm die Hitze der Kohlen wohl so stark wie sie es seit Langem nicht getan hatte- stark genug, das dieses Mal das Messer nicht gleich wieder erkalten konnte. Einen Augenblick lang schenkte der alte Mann ihm einen dankbaren und verwirrten Blick- wandte sich aber, als er bemerkte dass der Nordmann kein Wort verstand wieder dem Messer zu. So verbrachten sie mehrere Stunden- Crommhuk am Blasebalg, der alte Schmied an Amboss und Esse- und sofort wurde die Qualität der Waren um ein gutes Stück besser, auch wenn immer noch die zitternden Arme des Mannes hässliche Scharten ins Metall schlugen. Er war eindeutig nicht mehr jung genug für diese Aufgabe. Und so nahm ihm irgendwann sanft Crommhuk den Hammer aus der Hand- und zeigte ihm, was er konnte. Der alte Mann stand erst skeptisch neben ihm- ehe er anerkennend nickte, als der Nordmann all sein Können in das Schmieden einer einfachen, anderthalbschneidigen Messerklinge legte, schließlich sogar eine sanfte Wellenklinge zum Aufbrechen von Wild in die Rückseite schliff. Immer noch verstanden die Beiden kaum ein Wort das der Andere sagte- aber dennoch schien eine fruchtbare Beziehung geboren. Am Abend drückte der alte Mann Crommhuk einige Münzen in die Hand- nicht viel Geld, aber wohl mehr als er sich eigentlich leisten konnte. Der "Barbar" wollte eigentlich ablehnen- aber als er den Ausdruck in den Augen des Schmiedes sah, wollte er ihn nicht noch mehr beschämen. Nahm das Geld an.
So ging es einige Wochen. Tagsüber arbeitete er in der Schmiede, übernahm immer mehr den handwerklichen Teil, während Meister Ydenbrock das Anpreisen und Verhandeln um die Ware übernahm. Schon bald begann die Schmiede zu brummen- die Waren die Crommhuk anfertigte konnte sich an Qualität mit der Ware der Schmieden aus dem Handwerkerviertel messen- und das bei Preisen, die sich deutlich leichter bezahlen ließen. Immer mehr Kunden, vor Allen aus den ärmeren Vierteln, ließen sich von ihm Messer, Werkzeuge oder auch nur Kochgeschirr anfertigen oder flicken- und oft genug verlangten der alte Schmied und der junge Barbar dafür kein einziges Kupfer, wenn sie merkten dass sich ihr Kunde es eigentlich kaum leisten konnte. Und doch warfen die Einnahmen mehr als genug zum Leben für beide ab. Die Abende verbrachte er weiter mit Luscia. Übte ihre Sprache- lernte immer besser, sich zu verständigen, vor allem auch dadurch, dass er bei den Kundengesprächen Ydenbrocks sich bemühte, aufmerksam zuzuhören. Sein Leben normalisierte sich. Die Leute begannen, weniger hinter seinem Rücken zu tuscheln und ihn weniger zu fürchten seit sie mit ihm ins Gespräch kommen konnten. Immer mehr wurde die Schmiede im Hafen seine Schmiede- und es blieb sogar genug Geld übrig, dass er sie nicht nur vergrößern, sondern vollständig renovieren konnte. Und mit Luscia lief es so gut, wie es nur laufen konnte- und schon nach wenigen Jahren kam er mit einem Fell nach Hause, zwar nicht traditionell selbst gejagt- aber eine echte Kostbarkeit. Und ein traditionelles Hochzeitsgeschenk. Zunächst schien es so, als müsse sich die Städterin diesen Gedanken überlegen. Sie sorgte dafür, dass sein Herz bis in die Kniekehlen rutschte und gleichzeitig so heftig schlug dass er glaubte es würde ihm gleich in den Schädel springen. Und dann erlöse sie ihn. Sagte sie ja. Machte ihn zum glücklichsten Menschen von Allen. Es hätte ein Leben werden können, wie man es sich nicht besser vorstellen könnte. Sie bauten sich ein Haus, gleich neben der Schmiede, zogen dort ein- genug Platz für drei, denn Luscias Bauch war schon sichtlich angeschwollen vom Produkt ihrer Liebesnächte. Für die nächsten Jahre schien alles so, wie es sein sollte. Doch es sollte alles anders kommen als sie es sich vorgestellt hatten. Solange sie die Schmiede zu zweit betrieben, war es für Crommhuk und Ydenbrock kein Problem sich die Arbeit zu teilen- auch wenn Ydenbrock die schweren Tätigkeiten mied, so trug auch er nicht wenig zum Betrieb der Schmiede bei. Mehr als Crommhuk bewusst war. Er bemerkte erst, wie viel Arbeit der alte Mann übernahm als dieser plötzlich weg war.
Aktueller Aufenthalt bzw. aktuelles Leben in Aradan
Es geschah über Nacht. Er entschlief einfach, mit absolut friedlichem Gesichtsausdruck fand der Barbar ihn am nächsten Morgen im Bett. Schloss ihm noch die Augen- ehe er sich aufmachte, sich um einen angemessenen Abschied zu kümmern. Der alte Schmied hatte schon lange keine Verwandten mehr gehabt, keine Angehörigen- so dass die Beerdigung eine sehr einsame, kleine Schar besuchte. In Crommhuks Herz breitete sich ein lange nicht gekannter Schmerz aus. Der alte, wortkarge Schmied war das gewesen, was einem Freund für ihn am Nähesten kam- einer der Wenigen, die ihn nicht fürchteten. Und so wog der Verlust schwer. Aber die Arbeit musste weitergehen. Eine Schmiede führte sich nicht von allein- und es gab Aufträge genug abzuarbeiten. Also betäubte er seinen Schmerz mit einer Flasche Wein- und machte sich wieder an die Arbeit. Schon bald zeigte sich allerdings das Handwerk allein nicht genügte. Den Verkauf der Waren hatte der alte Mann übernommen- und Crommhuk davon weniger als wenig Ahnung. Immer häufiger vermochte er nicht, seine Kunden von der Qualität seiner Ware zu überzeugen- gingen sie nur mit genau dem, was sie kaufen wollten, nach Hause, und nicht wie früher mit noch ein paar kleinen, aber Geld einbringenden Kleinigkeiten zusätzlich. Und sein Misserfolg schmerzte noch mehr. Sorgte dafür, dass er noch öfter an der Flasche hing. Versuchte, seine Laune mit Alkohol wegzuspülen- und darüber nur wütend wurde, wütend über sich selbst, wütend über diese Stadt- und wie er mit Schande feststellte, wütend über den alten Mann, der ihn hier allein gelassen hatte. Und immer öfter hatte er seine Wut nicht unter Kontrolle. Mehr als einmal verwüstete er seine Werkstatt. Und auch wenn er sich bemühte, wenn er wieder seine Wut hatte nicht nach Hause zu kommen, so war es kaum zu verhindern, dass auch Luscia sie eines Tages zu spüren bekam. Sie wollte eigentlich ihn nur in seiner Schmiede besuchen. Ihn davon überzeugen, nach Hause zu kommen, sich auszuschlafen- und erwischte ihn gerade nach einer frischen Flasche Wein im absolut desolaten Zustand. Er war dabei, mit all seiner barbarischen Wut auf die Wand einzuschlagen. Voller Wut die Welt zu verfluchen. Sie hatte die Zeichen eines barbarischen Wutanfalles noch nicht zu deuten gelernt- und tat das Falscheste, was sie tun konnte. Sie griff ihm an die Schulter, wollte ihn beruhigen. Und er schlug zu. Tat das Einzige, was sein vom Alkohol und vom Zorn vernebelte Verstand tun konnte, und verpasste ihr einen harten, brutalen Hieb gegen die Brust. Ein hässlicher Treffer. Und ein Treffer, den Lissie, ihre Tochter, mitansehen musste. Sie war gerade Zehn geworden. Und sollte für den Rest ihres Lebens diesen Moment nicht vergessen. Die Wut in den Augen ihres Vaters- und den Schmerz in den Augen ihrer Mutter. An diesem Abend verließen die beiden ihn. Zogen davon- ließen ihn alleine in der Schmiede zurück. Und er ließ sie ziehen. Spürte instinktiv, dass er für die Beiden nicht mehr gut war. Dass er in seinem Zustand ihnen keine Stütze sein würde. Er hatte seine geliebte Luscia verletzt. Schwer genug, dass sie sich nicht mehr erholen sollte, wie er erst später erfuhr. Und seine Angst, dass es wieder geschehen würde war mehr als real.
So brach er jeden Kontakt ab. Ließ sie ziehen- vertiefte sich in Alkohol und Selbstmitleid. Jahrelang gab er sich Mühe, sein Leben so tief wie möglich in den Mist zu reiten- soff, schaffte die wenigen Aufträge, die er noch bekam, kaum in angemessener Zeit, ließ das wenige Geld, dass nicht für Alkohol und die absoluten Grundlagen des Überlebens flossen über verborgene Kanäle seiner Tochter zukommen- in der Hoffnung, sich einreden zu können doch kein so furchtbarer Vater zu sein. Für ihn war das Leben nur noch ein Alptraum. Seine geliebte Luscia war tot. Seine Tochter hasste ihn vermutlich. Und zu seinem einstigen Volk hatte er jede Verbindung verloren- spirituell wie körperlich. Er war ein Wrack. Und er hätte sich wohl zu Tode gesoffen, wenn nicht an jenem Abend eine Gestalt in seine Schmiede gestolpert wäre. Eigentlich wollte er sie einfach nur wieder davonscheuchen. Sie anherrschen, dass die Schmiede geschlossen sei, dass er wiederkommen solle wenn sein Karter endlich verschwunden wäre. Aber der Kerl sah aus als würde er Hilfe benötigen. Blutete. Schwankte. Und so trat Crommhuk auf ihn zu. Streckte die Hand aus, um ihn zu stützen. Und hätte beinahe Finger eingebüßt, als die Zahnstummel des Untoten nach ihm schnappten. Im nächsten Moment waren sie schon in einen Ringkampf verstrickt- untotes, um sich beißendes Fleisch gegen durch harte Arbeit gestählte Muskeln. Ein ungleicher Kampf- den Crommhuk mit einem gut plazierten Hieb des erstbesten Objektes, das er in die Finger bekam, beendete. Der zwei Kilo schwere Hammer hatte dem Untoten den Schädel zertrümmert- und die Umklammerung der Kreatur des Unlebens beendet. Einen Moment lang musste der alte Schmied schwer durchatmen. Wieder zu Sinnen kommen- ehe er einen Blick nach Draussen wagte. Die Stadt brannte. Und nur mit Glück hatte er in seinem alkoholseligen Schlaf den Ausbruch der Seuche verschlafen. Beinahe hätte er sich einfach wieder verbarrikadiert- als ihm seine letzte Verpflichtung, die er in diesem Leben noch hatte, wieder einfiel. Da draussen war sie noch irgendwo. Lissie. Seine Tochter. Jene Tochter, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der einzige Mensch, der ihm noch etwas bedeutete. Also riss er sich zusammen. Kramte aus seiner Kiste eine alte, rissige, viel zu oft geflickte Rüstung, streifte sie über. Griff nach der Axt, die immer noch im Eingang der Schmiede an der Wand hing- und schliff sie zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt. Und dann brach er auf. Setzte sich in Bewegung, um zum letzten Ort, an dem in seiner Erinnerung seine Tochter zu finden gewesen war, zu kommen- ein altes Herrenhaus. Ein Ort, an dem sie versuchte, Kindern ein besseres Leben zu verschaffen als sie es vorher gehabt hatten. Ein Kinderheim- und ein Ort der Hoffnung für ihn, nicht völlig versagt zu haben.