Prof. Sarelo Darlan
Spoiler (Anzeigen) Der Elf, der sich am Rande des Schiffes gegen die Reling lehnt, blickt mit
einem wissenden Lächeln auf das Treiben auf dem Schiff. Sein schwarzes,
langes Haar wird von der Kapuze seines grünen Gewandes fast komplett
verdeckt, und nur einige Spitzen, die ihm um sein Kinn wehen, verraten
seine Farbe. Der Elf scheint wohlhabend zu sein, denn sein
Erscheinungsbild ist durchaus gepflegt, wenn auch unauffällig, und einige Ringe zieren seine Hände. Er spielt an einem Amulett herum, das er um seinen Hals trägt, rückt es zurecht, und steckt es schließlich nervös in seinen Mantel zurück.
Von Zeit zu Zeit geht der Elf einige Meter nach links oder
nach rechts und weicht so vorbeiziehenden Leuten aus, denen er einen
langen Blick nachwirft. Wenn ihr ihn euch näher betrachtet, seht ihr, dass
er sehr dünn und sogar etwas abgemagert aussieht, aber doch irgendwie zäh
und verbissen. Sein eigentlich für einen Elfen jugendliches
Erscheinungsbild wird gestört von einzelnen tiefen Falten im Gesicht, vor
allem unter und zwischen den Augen. Ihr erkennt, dass sich hinter dem neugierigen und
gegenwärtigen Blick des Elfs eine tiefe Sorge versteckt, die ihn bedrückt
und rastlos macht. Gerade als ihr auf ihn zugehen wollt, um ihn
anzusprechen, wendet er sich euch zu...fast so, als hätte er gewusst, was
ihr vorhabt...
Spoiler (Anzeigen)
Teil 1:
"Sarelo! Wo ist Mekare?"
Die Stimme von Sarelos Mutter klirrte schrill durch die Eingangshalle ihres Hauses in Korth, wo die Familie seit einigen Jahren lebte. Sarelos Vater war dort hin versetzt worden, weg von ihrer Heimat Kreuzheim in Aundair. Auch nachdem der Krieg ausgebrochen war, mussten sie dort bleiben, was die ganze Familie zwar bedauerte, aber hinnehmen musste. Sie hatten ein gutes Leben und wurden von den anderen Elfen der Stadt akzeptiert. Sarelo und Mekare waren gerade 81 Jahre alt geworden, sie waren noch junge Elfen.
"Ich denke sie ist auf ihrem Zimmer! Was ist los?"
"Beeil dich, pack einige Sachen zusammen. Wir müssen hier weg?", sagte seine Mutter hastig und rannte in Richtung des Zimmers seiner Schwester. "Mach keine Widerworte", schrie sie ihn an.
Eingeschüchtert und verängstig macht sich Sarelo mit Tränen in den AUgen daran, seine Sachen zu packen, wurde aber von seinem Vater unterbrochen, der ihn aus dem Zimmer zerrte. "Los, das Schiff wartet nicht auf euch!"
Sarelo schrie und versuchte noch ein Amulett zu greifen, das er und seine Schwester geschenkt bekommen hatten. Ein goldener Tropfen auf einem feinen Blatt. Sein Vater ließ aber nicht los und schob ihn unaufhaltsam Richtung Tür. Sarelo schaffte es mit aller Gewalt, sich von ihm zu lösen und rannte zurück in sein Zimmer, um das Amulett zu holen. Sein Vater rannte ihm nach, schrie ihn an, schlug ihn und zerrte ihn erneut, diesmal benommen, aus dem Haus. Sie erreichten schließlich zwei Luftboote. Sarelo und Mekare wurden von ihren Eltern in das erste geschickt. "Ihr fliegt nach Arcanix! Wartet dort auf uns!", sagte seine Mutter aufgewühlt, und gab jedem ihrer Kinder einen Kuss, bevor sie unter Tränen das andere Boot bestieg. Sarelo schaute dem Boot lange nach, das Richtung Norden flog, in die Dunkelheit zu den Monden. Sie selbst schwebten dem roten Sonnenuntergang entgegen, zurück in ihre Heimat. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass er seine Eltern gesehen hat.
Teil 2:
Sarelo stand am Fenster seines Büros in der Morgrave Universität und blickte geistesabwesend auf den Campus unter ihm. Die vielen Studenten schienen wie Ameisen umherzuwuseln, und von Zeit zu Zeit kreuzte ein Luftschiff seinen Blick.
Seine Schwester Mekare hatte seit Monaten nicht mehr von sich hören lassen, und auch wenn der Kontakt zwischen den beiden in letzter Zeit immer schlechter wurde, war dies mit Abstand die längste Zeit, die sie sich nicht gemeldet hatte.
Sie beide hatten sich nach dem Tod ihrer Eltern sehr unterschiedlich entwickelt. Er entschloss zu kämpfen, wurde ein sehr guter Student in Arcanix und beschloss, den mysteriösen Tod seiner Eltern aufzudecken. Niemand wusste, was in jener Nacht geschehen war, und das Luftschiff des Elfenpaares wurde zerschollen an der Küste der Karrnbucht gefunden. Ihre Leichen jedoch behielt die kalte See für sich. Sarelo widmente sich der Erkenntniszauberei und steckte all seine Ressourcen darin, diese Schule perfekt zu meistern. Er hatte in seinem Leben wahrlich nicht alles richtig gemacht, das wusste er nur zu gut. Als er nicht weiter kam mit seinen Studien, und er auch nicht mehr wusste, was er noch tun könnte, um das Mysterium, das ihn so quälte, zu aufzudecken, verfiel er für einige Zeit in dunkle Studien. Er erlernte die Sprache der Daelkyr und Khybers, weil er sich von den dunklen Mächten Hilfe erhoffte. Aber das war lange vorbei, und er hatte aus seinen Fehlern wahrlich gelernt. Seit einigen Jahren war er nun Professor an dieser Universität. Er unterrichtete Erkenntniszauberei und die Dunklen Sprachen, und er sah eine Chance, seine Studenten auf ein verantwortungsbewussteres Umgehen mit diesen Lehren vorzubereiten, als er es zeigte. Er war sehr beliebt, sowohl bei den Studenten, als auch bei seinen Kollegen, und hatte einige Freunde gefunden.
Seine Schwester allerdings kehrte ihrer Heimat Aundair viel früher als Sarelo den Rücken. Sie schien sich allzuoft an ihre Eltern erinnert zu fühlen und ging zurück nach Korth, wo sie an der Akademie der 12 studieren wollte, jedoch nie angenommen wurde. Dennoch war sie durchaus magiebegabt, jedoch machte sich Sarelo diesbezüglich zunehmend Sorgen um seine Schwester. Sie hatte sich der Schule der Nekromantie verschrieben und studierte diese Lehre wie besessen, in der Hoffnung, irgendwann ihre Eltern zurückholen zu können. Sarelo selbst lehnte diese Lehre der Magie ab und wollte auch in der Universität nichts von sochen Methoden wissen.
Die Sorge um seine Schwester nutzte Sarelo nur zu gerne, um sich von seinen eigenen Problemen abzulenken. Zwar war er hier zufrieden mit seiner Arbeit...aber besonders in jüngster Zeit verspürte er den Drang auszubrechen und andere Dinge zu erleben. Bezüglich dem Tod seiner Eltern hatte er resigniert und sein Vorhaben, ihn aufzuklären, verdrängt.
Was sollte er hier in Sharn? Der Tod seiner Eltern ereignete sich am anderen Ende des Kontinents, im kalten Norden von Karrnath. Es ging nicht darum, direkten Spuren nachzugehen. Er wollte nur wieder etwas sinnvolleres tun, als hier zu sein. Egal was es war.
Es klopfte an der Tür. Es war Larian 'ir Morgrave. Sarelo hatte einen Entschluss gefasst. Er würde Larian eine Expedition nach Karrnath vorschlagen, unter seiner Leitung. Er wollte an den Ort reisen, wo alles passiert war, in jener Nacht. Und wenn es sich ergäbe, würde er für lange Zeit nicht an die Morgrave zurückkehren...
Teil 3:
In dem großen und heute relativ überfüllten Hörsaal der Morgrave Universität
in Sharn wurde es schlagartig still und alle anwesenden Studenten blickten
gespannt nach vorne. Sarelo Darlan, Professor für Erkenntniszauberei und
Dunkle Sprachen, betrat zügig das Podium am rechten Rand der riesigen,
fünfteiligen Tafel. Wie aus dem nichts hatte er vergangene Woche
angekündigt, dass es eine zweiwöchige Exkursion nach Karrnath geben würde,
wo die Studenten unter anderem das Institut der 12 besichtigen konnten.
Die Bewerbungen um einen der zehn Plätze bei der Exkursion hatten sich auf
dem Schreibtisch des Professors getürmt, so groß war der Andrang. Er war
bei den Studenten äußerst beliebt, was an seinem jugendlichen Äußeren und
seinem lockeren Umgang mit den Studenten, aber auch seiner überaus großen
Kompetenz lag. Mit jedem Namen, den er verkündete, ging ein Freudenschrei
durch die Reihen, gefolgt von Zischen und Gemurmel. Als alle Namen bekannt
gegeben worden waren, leerten sich die Reihen, und die Gesichter der
Studenten waren geprägt von Enttäuschung oder übermäßiger Freude.
Professor Darlans Blick, der langsam über die Reihen zog, zeigte jedoch
vor allem eines: große Sorge.
Teil 4:
"Sind alle anwesend?", schrie Sarelo und versuchte gegen den Lärm der Blitzbahn von Haus Orien anzukommen. Seine Studenten standen vor ihm, und es waren anstrengende zwei Wochen gewesen, anstrengender, als sich die meisten Studenten vorher vorgestellt hatten. Doch für ihn persönlich offenbarte die Zeit in Karrnath noch eine viel größere Sorge. Die Suche nach seiner Schwester bleib wie er zuvor befürchtet hatte erfolglos, ihr kleiner Laden für exotische Magiekomponenten war geschlossen, und die Nachbarn hatten nur einige vage Hinweise auf ihren Verbleib.
"Hier sind eure Tickets!", rief er seinen Studenten zu.
"Wie meint ihr das? Eure Tickets?", fragte eine der Studentinnen aufgebracht.
"Ich werde noch länger hierblieben, ihr müsst alleine nach Sharn zurückreisen!", erklärte er mit heiserer Stimme.
"Aber...ihr werdet doch zurück kommen?", fragte ein anderer Student. Der Gedanke daran, das einer seiner Lieblingsprofessoren in diesem kalten, nicht gerade seienr Vorstellung von Schönheit entsprechenden Land bleiben würde, gefiel ihm nicht besonders.
"Keine Sorge, wir werden uns bald wiedersehen", versprach der Professor, aber er ahnte schon, dass dem nicht so sein würde. "Geht jetzt in euer Abteil, es wird Zeit!"
Er scheuchte die Gruppe von Studenten in die Bahn, die widerwillig einstiegen und die ganze Sache missbilligend kommentierten. Er winkte ihnen zum Abschied zu und schritt nach der Abfahrt in Gedanken versunken auf das Stadtzentrum von Korth zu. Die Sonne ging langsam unter und ließ den Himmel in einem kräftigen rot leuchten, und einige der Monde waren bereits deutlich zu sehen. Genau wie an jenem Abend vor vielen vielen Jahren, der bis heute in seine Erinnerung eingebrannt schien. Er machte sich große Sorgen, jetzt wo es offiziell war, dass seine Schwester aus Korth verschwunden war. Seit jener Zeit hatte sie Korth so gut wie nie verlassen, und er fand ihren allgemeinen geistigen Zustand besorgniserregend. In den vergangenen Jahren war der Kontakt zu ihr immer seltener geworden, und nun hatte er vor drei Monaten das letzte mal etwas von ihr gehört. Er dachte zunächst, es hätte sie vielleicht doch noch einmal in ihre gemeinsame Heimat Aundair verschlagen, das Land, das sie aus Trauer um ihre Eltern aus ihrem Leben verbannt hatte. Seine nächtlichen Recherchen, während seine Studenten schliefen, ergaben jedoch etwas anderes, etwas viel erschreckenderes. Von einer Nachbarin hatte er erfahren, dass sie in letzter Zeit immer wieder wirres Gestammel von der eisigen See von sich gegeben hat. Und Sarelo wusste, was dies nur bedeuten konnte. Auch sie hatte sich aufgemacht Richtung Norden, jedoch befürchtete Sarelo, dass sie finsteres im Schilde führte.
In Gedanken vertieft war Sarelo bereits an seinem Zielort angelangt. Er erwachte aus seinen Tagträumereien und richtete seinen Blick in den Himmel. Vor ihm erhob sich die Lyrian, die Elementargalleone von Haus Lyrandar, die ihn nach Narrath bringen sollte.
Teil 5:
Sarelo stand auf dem Deck der Lyrian und blickte Richtung Norden, einerseits in großer Sorge, andererseits erleichtert, dass er sich seiner Vergangenheit aufs neue stellte. Er zog sich die Kapuze seines grünen Gewandes über den Kopf. Im wehte ein kalter Wind ins Gesicht, und ein Schauer jagte ihm den Rücken herunter.
Dass seine Schwetser verschwunden war, war kein gutes Zeichen. Schon immer vermutete er hinter dem Tod seiner Eltern eine Verschwörung. Die Sorge, dass das Interesse böser Mächte auf die nächste Generation der Familie übergesprungen sein könnte, drängte sich ihm förmlich auf. Wer könnte hinter dem Unglück stecken? War alles nur ein Unfall? Oder waren seine Eltern in Machenschaften verwickelt, die weit hinter die Grenze seiner Vorstellung gingen? Warum mussten sie so schnell ihr Anwesen in Korth verlassen? Er würde diesen Fragen vielleicht nachgehen können. Vielleicht würde er in der Lage sein, ein paar winzige Antworten zu finden. Das Wichtigste war jedoch, dass er hier sein würde, wo alles geschehen war, und wo seine Schwester auch irgendwo war. Was genau er zu Beginn seines Aufenthaltes tun würde, war zunächst nicht wichtig. Er wollte nur eines, nämlich in der Nähe des Ortes sein, an dem seine Eltern starben, um seine Vergangenheit endlich zu bewältigen.
Er rückte sein Amulett zurecht. Ob Mekare es auch noch immer besaß? Es erinnerte ihn an seine Jugend, an glücklichere Zeiten. Er liebkoste es förmlich einen Augenblick, und versteckte es wieder in seinem Umhang, als er bemerkte, dass sein Herz zu springen begann. Dass sich seine Schwester ebenfalls in die Region aufgemacht hatte, ließ ihn nichts Gutes vermuten, jedoch versuchte er, diese Sorgen so gut es ging zu verdrängen. Auch wenn seine Schwester der Auslöser für die ganze Sache war, tat er es nicht ihretwegen. Er tat es für sich.
Er drehte sich um und beobachtete die anderen auf dem Schiff, gemütlich an der Reling lehnend. Ab und zu wich er einigen vorübergehenden Leuten aus, von denen er ahnte, dass sie nah an ihm vorbeigehen würden. Als Seher war er sich seiner Umwelt stets bewusst, sei es durch seine natürliche Aufmerksamkeit, oder durch Zauber, die er auf sich gelegt hatte.
Da war jedoch ein ihm wohl bekanntes Gefühl...er merkte, dass ihn jemand beobachtete...hinter ihm. Er wusste, dass jemand mit ihm sprechen wollte, und drehte sich freundlich um...