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« am: 06.08.2007, 08:02:23 »
Durch die Worte des Spähers wurde Aerendil richtigggehend wütend, doch er verbarg seinen Zorn so gut es ging. Einzig am Funkeln in seinen Augen, mit denen er den Späher verächtlich ansah, und an der Kälte und Schärfe seiner Stimme konnte man dies erkennen.
"Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid, Späher? Wie erdreistet ihr euch, einen solchen Ton anzuschlagen? Glaubt ihr ernsthaft, ich wüsste nicht mit meinen Zaubern an einem solchen Ort umzugehen? ... Und außerdem: Was verleitet euch zu der Annahme, dass dieser Zauber nicht für euch bestimmt ist?"
Er wollte gerade zu weiteren Hasstiraden aud den Späher ansetzen, als er die Bewegung des Baumriesen wahrnahm. Er hatte mit allem gerechnet, aber das hier? Sicher, in den Bibliotheken seiner Heimat hatte er schon über diese Geschöpfe gelesen, doch hielt er das alles für die Phantasien eines Märchenerzählers, mal davon abgesehen, dass er sich sowieso kaum derart für die Natur und ihre Auswüchse begeistern konnte wie andere seines Volkes. Nun sah er sich eines Besseren belehrt. Aerendil wusste nicht, was zu tun war. War der Baumriese eine Bedrohung für sie? Sollte er den vorbereiteten Zauber loslassen, darauf hoffend, dass er mächtig genug war, den Riesen zu besiegen? Wohl kaum, zumal er im Augenwinkel wahrnahm, wie die Waldläuferin sich umdrehte, als ob hinter ihnen auch so eine Gestalt auftauchte. "Nein", dachte er, "das Risiko ist zu groß".
Als der Baum jedoch das Wort an sie richtete, und Aerendil keine offene Feindseligkeit erkennen konnte, entspannte er sich merklich. Er ließ den halb vorbereiteten Zauber wieder aus seinem Geist fahren und sah die Waldläuferin an. Wenn jemand aus ihrer Gruppe Erfahrungen im Umgang mit solchen Avataren des Waldes hatte, dann wohl sie, auch wenn es ihm nicht behagte, sein Wohl den rhetorischen Künsten einer jungen Menschenfrau auszuliefern. Aber immer noch besser als der Späher...