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« am: 20.06.2012, 22:56:56 »
Nachdem Professor Karsten ihm mit einem Nicken die Zustimmung gegeben hatte, informierte sich Samuel, wo sie sich wieder treffen würden, und machte sich dann auf den Weg. Zunächst packte er seine Sachen zusammen, doch zunächst ließ er einige Sachen draußen. Er würde nicht lange brauchen... die Kleidung hergerichtet, die Frisur ein wenig verändert, und das Übrige würde sein sonderbarer Hut erledigen, dessen Wirkmechanismus er bis heute nicht ganz hatte entschlüsseln können.
So gerüstet, ging er auf den Markt, suchte sich einen freundlich und offen wirkenden dänischen Landsmann, und verwickelte ihn in ein belangloses Gespräch - auf Dänisch. Er sei froh, wieder in seiner Muttersprache reden zu können, erklärte er dem Gesprächspartner, und wechselte doch bald wieder ins Deutsche, da sich immer wieder andere Menschen zu ihnen gesellten. Er erzählte von seinen Geschäften, die er hier in Kiel abzuschließen hatte, und schließlich von den neuesten Gerüchten aus der Heimat: Dem Plan des dänischen Regenten, das Militär in Schleswig und Holstein deutlich zu verstärken, und die benötigten Gelder dafür durch höhere Steuern in eben diesen Ländern flüssig zu machen. Sehr sorgte sich der dänische Händler um seine Geschäfte hier im Ausland, und als genug Menschen auf dem Markt die Gerüchte mit angehört hatten, machte er sich wieder auf den Weg...
Keine halbe Stunde später, er hatte auf dem Weg zwei Mal sein Äußeres verändert, war er wieder in seinem Zimmer, für eine deutlich anspruchsvollere Verkleidung. Er bemühte seine Erinnerung, versuchte, jede Geste und jede Mimik in seine Erinnerung zurück zu rufen. Zunächst schloss er die Verkleidung nicht gänzlich ab, sondern strich unerkannt durch die Stadt, weniger auf der Suche nach einem Ort als einer Person... die er schließlich auch fand. Ein preußischer General, gerade auf dem Weg in eine Bäckerei. Eilig huschte Samuel in eine Seitenstraße, bemühte sich, unbemerkt die Verkleidung zu vollenden. Gerade rechtzeitig kam er wieder hervor.
Alfred Nobel, oder zumindest jemand, der genau wie er aussah, prallte mit dem General zusammen, der ob des Zusammenstoßes glatt seine Stofftüte mit frischem Brot und Brötchen verlor. Doch "Alfred", der sich nur knapp entschuldigte, schenkte dem General nicht einmal genug Aufmerksamkeit, um ihn genauer anzusehen. Er schien jemanden zu suchen, der wohl schon voraus geeilt war, und rief ihm - mit gedämpfter Stimme - hinterher: "Schnell, wir müssen die Kutsche erwischen, um den Vertrag nach London zu bringen!"
Nur einen Moment später war "Alfred" auch schon in einer Seitengasse verschwunden. Mit einer schnellen Handbewegung riss Samuel die extra für solche Zwecke gefertigte Kleidung von seinem Körper, und darunter kam die einfache Straßenkleidung eines Arbeiters zum Vorschein. Ebenso schnell veränderte sich sein Gesicht, seine Haare, und natürlich seine Mimik und Gestik. Als der General um die Ecke blickte, um "Alfred" zu suchen, sah er bloß einen verwirrt dreinblickenden jungen Mann, der sich umschaute und schimpfte, warum die Menschen es heutzutage nur immer so eilig hatten...
Es war kurz nach halb drei Nachmittags, als Samuel wieder in seinem Zimmer war, sich noch einmal frisch machte, und die letzten Sachen zusammen packte. Gern hätte er noch ein kleines "Geschenk" für die Attentäter hinterlassen, doch wusste er zu wenig und blieb ihm zu wenig Zeit, um dies noch anzugehen. Vielleicht hatte er Glück und die Fährte nach London würde sie ablenken - wenn diese Leute Zugriff auf preußische Informationen hatten...