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« am: 15.05.2014, 21:18:07 »
So schien ihr Beschluss, Ravengro zu verlassen, mit einem innigen Kuss besiegelt zu werden, den Dana leidenschaftlich erwiderte. Sie fand sich vor abfallender Anspannung und Ungeduld auf die Umsetzung ihres Plans, selbst wenn das Ehepaar dafür gefühlt Verrat an ihrem alten Freund Professor Petros Lorrimor begingen, auf einer Wolke des plötzlichen Hochgefühls wieder und war sogar wieder imstande, amüsiert leise darüber zu lachen, dass Ichabod ihr ein gemeinsames Bad vorgeschlagen hatte und sie selbst bei ihrem Kuss vom Badewasser bereits etwas nass geworden war. In diesem Moment wurde ihr einmal wieder klar, wie sehr sie ihren Mann in der vergangenen Zeit während ihrer Trennung vermisst hatte. Wer hätte vor ihrer Reise hierher gedacht, dass die Ereignisse hier sie wieder zueinander finden lassen und zusammenschweißen würde? Sie durfte und wollte ihn nie wieder loslassen – und vor allem nicht zulassen, dass er sich Schreckenfels näherte. Gemeinsam zu fliehen und anderswo ihr Glück zu machen: das war das Schicksal der Cranes – und nicht, in einer verfluchten Gefängnisruine zu verrecken und als Experimente von Nekromanten zu enden.
Ein glückliches Lächeln zeigte sich in Danas Gesicht und Vorfreude glänzte in ihren Augen, als sie ihre Lippen von denen Ichabods löste, und sich wieder aufrichtete, um die Tür nun abzusperren, damit niemand sie unverhofft stören und erwischen könnte. Die junge, vor Ruß und Schweiß klebende Ärztin sehnte sich nach einem Bad – und das warme Wasser gemeinsam mit Ichabod zu genießen, kam ihr gerade noch rechter, als später allein in der Wanne zu entspannen. So ließ sie verführerisch ihre Hüllen fallen und sank zu Ichabod ins Badewasser, wo sie sich sogleich an ihn schmiegte.
„Behalt die Ringe“, säuselte Dana ihm ins Ohr, während sie schon mit dem Liebesspiel begann, mit dem Ichabod und sie gedachten, den Tag ausklingen zu lassen.
„Beide. Sie sind wertvoller als das Gold, das wir dafür bekommen würden.“
Sie wollte nicht, dass Ichabod den Ehering zu Geld machte – aber auch nicht seinen Familienring. Die Verlockung, so schnell zu Gold zu kommen, war nun gegeben, doch sobald die Ringe fort wären, würde Ichabod sich das vermutlich nie verzeihen, befürchtete Dana. Sie selbst wollte Ehering zurück haben – den sie bei ihrem Vater gelassen hatte, was sie Ichabod noch nicht gebeichtet hatte. Sie hatte ihn während der Zeit ihrer Trennung nicht tragen wollen, denn es war zu schmerzhaft gewesen, ihn ständig vor Augen zu haben. Allerdings, und dies war der andere Teil der Geschichte, hatte Dana den Ring nur abgegeben, weil ihr Vater darauf bestanden hatte, dass sie etwas seines Geldes annahm, und sie das nicht hatte als Geschenk annehmen wollen. So hatte sie ihren sündhaft teuren Ehering als Sicherheit zurückgelassen und momentan Schulden in einer nicht unerheblichen Höhe von zweihundert Goldmünzen. Aus den Augen, aus dem Sinn, zur Not, wenn Dana zusammen mit Ichabod zusammen Ustalav verlassen würde, jedoch hatte sie durchaus im Sinn, sich ihren Ring (in Zweifelsfall heimlich) zurückzuholen. Und das war nicht der einzige nicht gesetzestreue Gedanke, der der eigentlichen Betrügerin im Kopf herumgeisterte.
„Wir werden eine Lösung finden“, war sie zuversichtlich, „– und wenn wir die Bücher mitnehmen und das erste Ziel unserer Flucht Lepidstadt heißt. Hundert Platinmünzen für jeden von uns. Wir müssen sie uns nur abholen… und schneller sein als jeder, den sie uns hinterherschicken könnten, wenn sie bemerken, dass nicht nur wir fort sind. Doch hier wird man andere Sorgen als die um das Geld haben.“
Vermutlich war in diesem Moment trunken vor Glück, dass die Unvernunft aus ihr sprach, und ihr Tonfall ließ auch zu, dass sie ihren Vorschlag scherzhaft gemeint haben könnte, doch verlockend klang dieser Gedanke dennoch. Schnell verdientes Geld, das ihnen laut Testament sogar zustand. Soweit Dana sich an den Wortlaut erinnerte, waren daran keine weiteren Bedingungen geknüpft, als die Bücher abzuliefern.