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« am: 14.07.2010, 12:27:30 »
"Nein, haben wir nicht, Milan!" Beldin schüttelte den Kopf.
"Das Problem ist, dass sich diese Frage nicht mit Vernunft lösen lässt. Meine Vernunft sagt mir, dass die Ereignisse der letzten Tage, die uns an diesen Ort gebracht haben, gar nicht geschehen sein können. Meine Vernunft sagt mir, dass ich mich in einem üblen Alptraum befinde, aus dem ich aus irgendeinem Grund nicht erwachen kann.
"Dem ist aber nicht so. All diese Dinge sind geschehen. Mir nahestehende Personen wurden ermordet oder haben sich selbst das Leben genommen, ich habe dem Geist eines Mörders meinen Körper überlassen und wurde selbst als die Wiedergeburt eines Mörders bezeichnet. Ich habe neuerdings Einblick in die Welt der Geister, ohne auch nur annähernd zu verstehen, was ich da sehe. Und mir wurde gesagt, dass ich von der Schicksalsspinne Yika persönlich auserwählt worden sei.
"Meine Vernunft kann das alles nicht fassen. Bleibt mein Instinkt. Und der sagt mir, dass ich der alten Kay vertrauen kann, das stimmte, was sie mir sagte. Der sagt mir, dass wir uns in einem Netz bewegen, indem der Zufall nur scheinbar ist, in dem scheinbar zusammenhanglose Ereignisse sich tatsächlich zu einem Sinn zusammenfügen, auch wenn wir diesen vielleicht nicht erkennen können.
"Ist Mika vernünftiger als Calfay und ich, wenn sie uns die Worte im Mund verdreht und uns irgendwelche Motive unterstellt, die sie sich aus der Luft zusammengesponnen hat, um auf diese Weise ihren Willen durchzusetzen?
"Ist es Eretria, die Misstrauen gegen Arue und Maruiko streut, um auf diese Weise die Argumente zu entkräften, die für eine Untersuchung dieses Lagerhauses sprächen? Und die es scheinbar auf irgendeine Weise geschafft hat, Maruiko mundtot zu machen, weswegen wir anderen uns nicht selbst ein Bild machen können?
"Ist es vernünftig, auf die Untersuchung zu verzichten, obwohl wir Hinweise darauf haben, dass dort etwas sein könnte, was uns hilft, nicht mehr so im Nebel herumzustochern wie wir es tun? Ist es überhaupt vernünftig, uns gegenseitig zu vertrauen, obwohl wir voneinander ähnlich wenig wissen, wie über Arue, Maruiko oder diese Ritter der Morgensonne?
"Mit Vernunft hat das alles nicht viel zu tun, dazu fehlt es uns an Informationen. Denen wir, wie es scheint, großräumig aus dem Weg zu gehen beschlossen haben."
Beldins Gesicht wirkte für einen Moment eingefallen, nur seine Augen brannten.
"So sehr es mir missfällt, mein Verstand hilft mir hier nicht viel weiter. Mir bleibt nichts, als auf meinen Instinkt zu vertrauen. Und der sagt mir, dass es kein Zufall ist, dass wir auf diese Ritter gestoßen sind, dass es auch kein Zufall ist, dass dieser Geist Arue ausgerechnet hierher befördert hat. Es ist mein Instinkt, der mir rät, dieses Lagerhaus zu untersuchen. Es ist mein Instinkt, der mir rät, die Hinweise des Schilds ernst zu nehmen."
Beldins Blick bohrten sich tief in Milans Inneres.
"Mein Instinkt sagt mir allerdings auch, dass wir uns es nicht leisten können, uns in törichten Streitereien selbst zu zerfleischen. Was uns fehlt, ist ein Anführer, jemand, der das letzte Wort hat, der im Falle des Falles eine Entscheidung trifft, der zu folgen sich alle einverstanden erklären. Was auch der eigentliche Grund ist, warum ich dieses Gespräch wollte."
Ein feines Lächeln glitt über Beldins Gesicht.
"Nun tu ich mir mit Eretria und Mika genauso schwer wie die beiden mit mir. Ich wäre nie bereit, die Autorität der beiden anzuerkennen, wie sie auch meine niemals akzeptieren würden. Dazu sind wir drei die Personen, denen ich im Moment von allen Anwesenden am wenigsten über den Weg traue."
Sein Lächeln vertiefte sich.
"Calfay? zu ungestüm. Waldemar? zu wortkarg. Beiden fehlt der Wille, für andere zu entscheiden. Arue? Ein zu frischer Faden im Gewebe der Schicksalsspinne, als das ich ein Urteil fällen könnte, weiss ich ja nicht mal, ob ihr Faden mit dem unseren tatsächlich verbunden ist.
"Bleibt nur noch einer. Ein bißchen jung vielleicht, manchmal etwas zu naiv, aber lernwillig und -bereit, vorurteilslos und bereit abzuwägen. Alles in allem mit recht guten Voraussetzungen begabt, würde ich meinen. Sagt zumindest mein Instinkt."