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« am: 15.06.2011, 12:57:47 »
„Disziplin ist die höchste Tugend. “
Maitane bekam diesen Spruch beinahe täglich von ihrem greisen Großvater zu hören. Der alte Mann hatte sich mit seinen drei gelehrigsten Schülerinnen in der Herberge 'Zum schäumenden Pferd' einquartiert. Das Frühlingsfest konnte er sich selbstredend nicht entgehen lassen und so zeigte sich bereits auf der Hinreise, dass die Verlockungen von Eradrin ungeahnte Kräfte in dem Sack alter Knochen weckte. Völlig erschöpft fielen die drei am ersten Tag ihrer Ankunft in die Betten. Nur Großvater Ming war frisch und munter und weckte sie in aller Herrgottsfrühe, um sie für die kommende Aufgabe in Form zu bringen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, das Fest auszunutzen und für seine berühmt-berüchtigte Schule südlich von Strongfair die Werbetrommeln zu schlagen. So stand er am Morgen des Festtages mit prüfender Miene vor den dreien, welche sich in Reih und Glied aufgestellt hatten und inspizierte ihre Kleidung. Mai verzog unwillig den Mund. Sie fragte sich wohl zum hundertsten Male, ob das nun sein musste.
Sie trug dasselbe, was sie auch während den Übungen daheim anhatte: Einfache weiße Leinenkleidung mit längeren grünen und geschlitzten Ärmeln, dazu ein ein breiter ebenfalls grüner Lendenschurz, welcher ihr bis zu den Knien reicht. Zusammengehalten wurde ihre Kleidung durch eine bunte Schärpe. Ihre Gewandung war mit mit stilisierten Blütenmustern verziert. Auch ihr grünes Stirnband machte dabei keine Ausnahme. Ansonten trug sie einfache rotbraune Schuhe, einen Armreif aus Holz sowies einen goldenen Ohrring. Peinlich berührt trat sie aus der Herberge. Ihr Großvater hatte die absonderliche Idee ersponnen, seine Schülerinnen als lebendige Werbetafeln zu benutzen. Daher befanden sich an Armen und Beinen je ein auffälliger Spruchband mit der Aufschrift: „Kommt zu Mings Schwertschule! Ihr findet uns 12 Meilen südlich von Strongfair“. Maitane sah zu Leena, dem blonden Nesthäkchen unter den Schülern, die ebenfalls nicht sonderlich erfreut wirkte.
Nur Maki, das genaue Gegenstück zu Leen und Mai ließ sich die Stimmung nicht trüben und marschierte zuversichtlich mit fröhlich wippendem schwarzen Pferdeschwanz voran zum Außenbereich des Festes, um an den Schaukämpfen teilzunehmen. Maitane blickte sich dort angekommen nach ihrem Großvater um und sah ihn mit zwei großen Bierkrügen nachkommen, die er einer drallen Bedienung abgenommen hatte. „ BESUCHT DIE SCHWERTSCHULE DES WEISEN MING UND LERNT, WIE EURE KÖRPER HART WIE STAHL UND EUER GEIST SCHARF WIE EINE KLINGE WERDEN KÖNNEN! IHR WERDET EUCH SELBST NICHT WIEDERERKENNEN! “ Rief Maki den Werbespruch ihres Lehrmeisters aus und lächelte die um zwei Köpfe kleinere Leena herausfordernd an. Beide begaben sich in Kampfhaltung und unter dem Gröhlen der Zuschauer raste die Dunkelhaarige mit gezückten Kurzschwertern auf sie zu. Die Blondine, bewaffnet mit Sichel und Kette, holte Schwung und ließ das wuchtige Ende in einem vertikalen Bogen auf Kopfhöhe auf ihre Gegnerin sausen.
Blitzschnell duckte sich die älteste Schülerin und die Kette verfehlte ihren Kopf um Haaresbreite. Ein neuer rasselnder Kettenhieb knallte peitschengleich auf und Maki vollführte unter dem Beifall der Gäste einen Rückwärtssalto, um diesem zu entgehen. Doch noch immer hatte sie die Reichweite der tödlichen Waffe nicht überwunden und so lauerte sie angespannt auf den nächsten Angriff. Bedächtig näherte sie sich mit blitzenden Klingen Schritt und Schritt und wurde langsam schneller. Leena vollführte eine Bewegung nach rechts, verlagerte das Gewicht jedoch rasch auf die andere Seite. Unter dem Stöhnen einiger Zuschauer und dem Jubel anderer wickelte sich die Kette um ihr Bein. Die Blonde zog energisch, um sie zu Fall zu bringen, doch Maki nahm einen Schwertgriff zwischen die Zähne, packte entschlossen die Kette und riss die Kämpferin am anderen Ende fast von den Füßen. Anstatt Widerstand zu leisten kam die Blonde nach einem Augenblick der Besinnung der Anderen mit erhobener Sichel entgegen und Stahl prallte auf Stahl.
Maitane schaute dem einstudiertem Treiben zu und beschloss nach einer Weile, etwas gegen ihren trockenen Hals zu unternehmen. Ihren Großvater fand sie angeheitert inmitten der tanzenden Massen vor, denn er war nur unschwer zu übersehen. Mit einem lauten Trinklied über eine frivole Schankmaid auf den Lippen schlug er im Takt beide Krüge gegenüber und hüpfte von einem Bein auf auf das Andere. Sein langer weißer Bart war bereits biergetränkt.
Die Brünette beschließt, dass heute der richtige Zeitpunkt für Met ist. Viel Met.