Mit seinem ersten Seitenhieb entlockte der Soldat Lucius Licinius Guirmean nur ein kurzes Schnauben. Der Kelte hatte schon viele der Beleidigungen kennen gelernt, die sich die Römer für einen Barbaren wie ihn ausdachten – das hier war gegen diese Bezeichnungen fast schon diplomatisch. Trotz dessen war es vor allem der Vergleich, den der Soldat zwischen sich, den Anwesenden und einem Markt zog, der den Barbaren aufhorchen ließ. Ganz unabhängig von dem Inhalt seiner Aussage, stellte sich der Soldat als den Käufer und alle anderen als die dargebotene Ware dar. Ob er diesen Vergleich ganz bewusst oder nur unbewusst zog, war in diesem Fall egal. Das alleine sagte schon viel über den Mann, über sein Selbstbewusstsein und vor allem den Platz aus, den er in diesem Gespräch einnahm. Ihm in irgendeiner Weise zu drohen würde hier nicht viel bringen, also entschied sich Guirmean dazu, einfach zuzuhören und den Mann weiter zu beobachten. Je mehr er redete und handelte, desto besser konnte man ihn einschätzen.
Dann fiel der Name, der ihm seit jeher Bauchschmerzen bereitete. Caesar. Er war der Mann, der für den Krieg in Gallien verantwortlich war und mit dem Guirmean noch eine ganz persönliche Rechnung offen hatte. Er erinnerte sich daran, als sei es gestern gewesen. In der Schlacht von Gergovia
[1], hatte er Caesar gegenübergestanden und ihn mit aller Kraft bekämpft - jedoch ohne Erfolg. Obwohl diese Schlacht unter der Führung von Vercingetorix
[2] erfolgreich war und sie fast 700 Soldaten Caesars töteten, wurde er selbst dort besiegt und als Sklave nach Rom gebracht.
Unwillkürlich verkrampfte sich seine Hand zu einer Faust. Mit unterdrückter Wut, hörte er sich an, was der einfache Soldat über den Barabaren zu sagen hatte. Auch wenn er zu der Zeit noch nicht gelebt hatte, sagte ihm die kapitolinischen Gänse und ihre Bedeutung für die Römer natürlich etwas. Hätten die Gänse nicht Alarm geschlagen, dann hätte der Angriff der Gallier sich nicht nur auf die Stadt konzentriert, sondern sich auch auf den Kapitol-Hügel ausgebreitet. So hatten die Römer Glück gehabt und wurden nur Sieben Monate lang in ihrer eigenen Stadt auf einem kümmerlichen Hügel belagert.
Wenn der Mann wirklich der Soldat war, für den er sich ausgab, war es nicht ganz so verwunderlich, das er sich so gut mit der Vergangenheit und der Kriegsgeschichte zwischen den Römern und den Galliern auskannte. Trotzdem gefiel er dem gebürtigen Veneller nicht. Er war zu selbstbewusst, redete zu geschwollen und kannte sich für einen einfachen Soldaten zu gut aus. Für Guirmean war klar, das sich der Mann als jemand ausgab, der er nicht war - weshalb er die Maske auch nicht ablegen wollte. Es ging in gewisser Weise wirklich darum, seine Identität zu schützen - allerdings auf eine andere Weise als er vorgab.
Da anscheinend niemand vorhatte etwas zu sagen, wartete er wie die anderen auf die Antwort Aurelias. Zwar fühlte sich Guirmean verantwortlich die Frau zu schützen - und könnte deshalb an ihrer statt antworten - aber wie alle Anwesenden wussten, ging es hier um mehr als nur ein einfaches Treffen. Jedes Wort konnte und würde gegen die Anwesenden verwendet werden und er hatte keine Lust, sich selbst in Gefahr zu bringen. Um irgendwann die Möglichkeit zu haben, sich ein weiteres mal mit dem Diktator zu messen und so seine Rache zu bekommen, musste er dafür sorgen, sich so wenig Feinde wie möglich zu machen und so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten - soweit das als Gallier in Rom überhaupt möglich war.