mit flanking:
Schwert: [dice]d20+3+2[/dice] => [dice]d8+3[/dice] (slashing)

Sax: [dice]d20+3+2[/dice] => [dice]d6+3[/dice] (piercing or slashing)

ohne flanking:
Schwert: [dice]d20+3[/dice] => [dice]d8+2[/dice] (slashing)

Sax: [dice]d20+3[/dice] => [dice]d6+2[/dice] (piercing)


---

Schleuder: [dice]d20+3[/dice] => [dice]d4+2[/dice] (bludgeoning)


Bardenzauber

cantrips (DC 14): know direction, ghost sound, lullaby, message, sift.

1st level (DC 15): ear-piercing scream, feather step, chord of shards.

Bardic Performance	Effekt	Wirkungsweise
inspire courage +1	Seine Verbündeten und er erhalten einen +1 Moralbonus auf Rettungswürfe gegen Charm- und Fear-Effekte; und einen +1 Kompetenzbonus auf Angriff und Schaden.	Die Verbündeten müssen den Barden entweder sehen oder hören können, je nachdem, ob seine performance auf Sprache/Musik oder Tanz/Gesten beruht.
Traumgestalt, perform (any)	(1) wie fascinate; (2) Möglicherweise ist die Stimmung der betroffenen Personen hinterher noch für kurze Zeit ein wenig nachdenklich oder melancholisch. Oder die Betroffenen tun es als Sinnestäuschung ab, als Spiegelung, als Taschenspielertrick. Oder sie glauben tatsächlich, dass Tristan nicht ganz von dieser Welt ist, dass sie einen kurzen Blick auf seine wahre Natur werfen konnten. Wie sie danach auf Tristan reagieren ist nicht vorhersagbar.	Die Faszination entsteht dadurch, dass der geneigte Betrachter/Zuhörer (betroffen sind 1 + 1 pro 3 Bardenstufen über der ersten Personen) während Tristans performance in ihm (oder seiner performance) seine innersten Wünsche verkörpert sieht. Spätestens in der Nachwirkung erscheint das Gesehene dann aber übernatürlich, unnatürlich, nicht von dieser Welt.
Rattenfänger, nur: perform (wind/dance)	(1) wie distraction; (2) Auch ohne gegnerische Magie anwendbar. In einer Alltagssituation folgen im Umkreis von 30 ft 1 Person + 1 Person für alle 5 Punkte über 10 des Perform-Wurfes, sofern sie ihren will save verfehlen, Tristan nach. Kinder werden zuerst betroffen und erhalten keinen will save. Bei gefährlichen Hindernissen auf dem Weg gibt's aber auch für Kinder einen will save und für Erwachsene einen zweiten. (3) Kinder laufen Tristan auch manchmal ein paar Schritte hinterher, ohne dass er irgendwas besonderes macht.	Rattenfänger (1) wirkt wie folgt: die von einer (fremden) Illusion gefangene Aufmerksamkeit der Leute lenkt Tristan mit seinem konkurrierenden Tanz oder Flötenspiel auf sich um. Die Leute wenden sich ihm zu, folgen ihm kurz - die Wirkung der anderen Illusion ist gebannt, und er erlöst sie auch gleich wieder, in dem er aufhört.
Sirenensang[1], nur: perform (sing)	(1) wie countersong; (2) Auch ohne gegnerische Magie anwendbar. In einer Alltagssituation bewegen sich im Umkreis von 30 ft 1 Person + 1 Person für alle 5 Punkte über 10 des Perform-Wurfes, sofern sie ihren will save verfehlen, auf Tristan zu. Bei gefährlichen Hindernissen auf dem Weg gibt's einen zweiten will save. Bei ihm angekommen, können sie nur dastehen, ihn bewundernd anblicken oder ihn berühren.	Sirenensang (1) ist quasi dasselbe wie countersong von den Spieleffekten her, nur funktioniert es so: die Leute kommen, bei entsprechendem Wurf, von den fremden magischen Effekten frei, weil sie dem Sirenensang Tristans verfallen und für ihn (temporär) alles tun würden. Er kann ihnen aber keine Befehle geben, weil der Effekt quasi sofort erlischt, sobald er aufhört zu singen.

^[1] Hausregel: Sirenensang wirkt auch bei akustisch (aber nicht magisch) ausgelösten Furchteffekten, falls Tristan mit seinem perform den ursprünglichen DC+10 erreicht. Dadurch erhalten die Verängstigten einmalig einen neuen will save, den sie normal selber würfeln, also nicht Tristans perform-Wurf dafür nehmen (s. hier)

Die # (2) Effekte entsprechen jeweils einer kurzen Ablenkung der betroffenen Personen, die man auch mit einem Bluff-Wurf, einem normalen Performwurf oder entsprechende Rollenspiel-Ideen erreichen könnte.

Er heißt Tristan, so viel weiß er. Nicht Erik, wie die Mönche ihn nannten. Wenn er angestrengt in sich hinein lauscht, hört er nämlich seine Mutter rufen: "Tristan! Tristan, mein Schatz, komm schnell her und schau, was ich hier für dich habe!" Seine Eltern müssen wohl Anhänger des Einen Glaubens gewesen sein, oder zumindest der Vater, denn warum sonst hätte man ihn im Alter von sieben Jahren in ein Kloster gesteckt?

Aber sonst weiß Tristan kaum etwas. Wie seine Familie hieß, wer sie waren, wo sie lebten, er kann sich einfach nicht erinnern. Sein Vater ist ein verschwommenes Gesicht, eine Ohrfeige, ein strenger Befehlston. "Und jetzt lass mich mit deiner Mutter allein", wies er den Sohn zumeist an, denn Tristans Vater liebte seine Frau. Er liebte sie so sehr, dass er immer mit ihr allein sein. "Wozu haben wir eine Amme?" rief er ungeduldig, wenn er meinte, die Mutter verbrächte mal wieder zu viel Zeit mit dem Sohn, oder auch: "Verzärtel ihn mir nicht, er soll schließlich ein Mann werden!" Wenn Tristan sich heute das Gesicht des Vaters vorzustellen bemüht, sieht er es stets im Profil, so unverwandt ruht des Vaters Blick auf der geliebten Frau, niemals auf dem Sohn.

Und sie war ein schöne Frau, Tristans Mutter, darin waren Vater und Sohn sich eins. Groß und schlank, in helle, weiche, duftende Kleider gehüllt, die sich eng an ihren Oberkörper schmiegten, ihre Beine aber in einer so verschwenderischen Fülle von Stoff umflossen, dass ihr Sohn sich darin einwickeln konnte. Sie lachte viel. Sie umarmte ihn und drückte ihn ganz fest. Sie sang gern. Auch Tristan hatte sie am liebsten für sich selbst. Jeden Abend erzählte sie dem Sohn Geschichten. Am liebsten von ihrem Vorfahr, der bei einer Fahrt über den Loch Leskos angeblich von einer Sirene verführt, aber nach einigen Jahren wieder laufengelassen wurde und dem die Sirene eine Prophezeiung mit auf dem Weg gegeben habe: eines Tages werde seiner Linie ein Kind entspringen, das einen Teil ihrer Kräfte erben würde, denn sie wolle, dass auch der Rest der Menschen in den Genuss ihres wundervollen Gesanges käme. Das Kind werde nur einen winzigen Teil ihrer Gabe erben, denn mehr ertragen die Sterblichen nicht unbeschadet, doch für die Menschen von Dalaran wird es der bezaubernste Gesang sein, den sie je vernommen haben. Und dieses Kind, so glaubten viele und auch die Mutter selbst, dieses Kind sei sie. Deshalb könne sie so schön singen, deshalb sei sie so grazil und ihr Schritt so leicht, ihre Bewegungen so fließend. Deshalb wären ihre Augen nebelgrau und stünden leicht schräg und wären so tief, dass man sich darin verlieren könne. Tristan hatte die Augen seines Vaters. Seine Bewegungen waren nicht anders, als die eines normalen Jungen. Ihm sah man das Sirenenblut nicht an. Vielleicht war er ein wenig zarter gebaut als die Jungens um ihn herum, die Söhne der Kämpfer und Bediensteten im Haushalt des Vaters, aber eigentlich hinkte er ihnen, körperlich, immer nur ein, zwei Jahre hinterher. Dafür konnte er etwas, das sie nicht konnten und niemals erlernen würden, etwas, das die Mutter ihm beibrachte. Er konnte singen. "So hell und klar, so unschuldsrein!" rief die Mutter gern. "Mein Herz vergeht vor lauter Liebe!" Und so ging's ihm auch, wenn sie für ihn sang.

Doch er hatte auch ein Talent, das weniger schön war. Manchmal hatte Tristan nämlich... Vorahnungen. Von Unheil. Immer war es Unheil. Er erinnert sich, dass er eine solche Vorahnung hatte, bevor er an dem Abend zu Bett ging. Der Abend, auf den die Nacht folgte, wo er in tiefster Dunkelheit plötzlich aus seinem Bett gerissen wurde, wo er eine Ohrfeige bekam, als er vor Angst zu weinen begann: Sei still! Wo er durch dunkle Gänge getragen wurde, enge, feuchte Gänge, die er nicht kannte. Irgendwann wurde er in ein Boot gehievt. Das Boot eilte den Fluss hinunter. Dann ging es zu Pferd weiter. Irgendwann zu Fuß. Dann waren sie am Ziel. Das Kloster Gotburg. Er war sieben Jahre alt. Er war der jüngste unter den Novizen. Es war ein Kloster, in dem man nicht reden durfte, außer, man war schon Priester. Auch dann sprach man nur, wenn nötig, und hauptsächlich von Gott. Als Novize aber schwieg man, sonst gab es Schläge. Aber Lesen lernte man dort und schreiben. Das Wort Gottes lernte man lesen und das Wort Gottes lernte man schreiben. Und wenn man eines Tages nichts außer dem Wort Gottes mehr in seinem Kopf hätte, dann würde man auch wieder sprechen dürfen. Dann würde man in die Welt hinausgeschickt werden, um das Wort Gottes zu verkünden.

Und wie hielt man es bis dahin aus? Die Stille, das Schweigen? Nun, in Tristans Fall: man schlich sich, so oft es nur ging, nächtens aus dem Bett und zu den Klippen. Dort gab es eine Stelle—von den Fischern weiträumig gemieden wegen der tödlichen Felsen—an der es angeblich spukte. Eine Meeresnymphe ginge dort um, behaupteten zumindest die Leute aus Tenholt, dem nahen Fischerort, die Tristan bisweilen belauschte. Und diese Nymphe sang. Sie sang traurige Lieder, um das Männerherz zu rühren, das nicht achtgab, um sich einen Mann anzulocken, ihn zu verführen, ihn mit in die Tiefen des Meeres zu nehmen, bis an sein Lebensende ihr Gatte. So lange war es still auf den Klippen, dann aber sang die Nymphe wieder, um den nächsten in ihre Falle zu locken. Zuletzt sang sie sieben Jahre lang, denn dank des vom Kloster verkündeten Wort Gottes blieben sieben Jahre lang die Männer des Ortes standhaft. [Es wurde erst wieder einer schwach, als das Kloster fiel. Die Nymphe verstummte erst wieder an dem Tag, als die Drachen kamen und Gott mit Feuer und Schwert vertrieben.]

Sieben Jahre lang also lebte Tristan in dem Kloster. Noch drei Jahre und er hätte Priester werden können und endlich wieder sprechen dürfen, da hatte er eines Abends beim Zubettgehen eine Vorahnung. Diesmal aber machte er es schlauer. Diesmal schlich er sich, sobald alles still war, aus dem Bett und versteckte sich in der kleinen Kapelle neben dem Kloster.

Am Morgen weckte ihn ein Schrei. Dieser Schrei gellte in Tristans Ohren, ließ diesen Ort des Schweigens erzittern. "Ein Drache! Ein Drache!"

Keine Stunde später brannte das Kloster, waren die Mönche alle erschlagen oder brannten auch, und die kleine Kapelle, in die Tristan sich geflüchtet hatte, wurde ebenfalls gestürmt. Dort kniete der Junge vor dem Altar der Stille und sang. Er sang knabenhell in einer Sprache, die er nicht einmal kannte. Ein Lied, das seine Mutter ihm beigebracht hatte. Sie kannte diese Sprache auch nicht, aber die Worte des Liedes kannte sie. Sie wusste auch, was sie bedeuteten. Ihre Mutter hat es ihr beigebracht, welche es wiederum von ihrem Vater kannte. Dieses Lied war so überirdisch schön, und Tristans Stimme hallte so überirdisch schön durch die leeren Gewölbe dieses nur die Stille gewohnten Ortes, dass die bereits gegen ihn erhobenen Schwerter sanken. Nicht nur die Schwerter sanken: auch die Männer, die sie hielten. Auf die Knie sanken sie und lauschten: nicht aus Ergriffenheit vor dem Einen Gott, wie die Geschichtsschreiber es später wohl gerne beschrieben hätten, sondern weil sie einen Geist des Feenreiches vor sich sahen, ein Kind nicht von dieser Welt, ein Feenbalg. Nicht ein Haar krümmten sie auf seinem Kopf, als sie ihn in ihren Drachen mitnahmen. Und als sie daheim auf ihrer kargen Insel ankamen, als sie all die Schätze ausluden, die sie bei der Plünderung des Klosters gewonnen hatten, da holten sie den Jungen als letztes herein, stellten ihn vor ihren Jarl und sagten: "Sing."

Und Tristan sang.

Im Kloster hatte man ihn auf den Namen Erik Eriksson getauft, das hieß so viel wie "Irgendwer, der Sohn von Irgendwem". Doch Erik Eriksson, das war nicht er. Auch wenn die sieben Jahre in Gotburg die Erinnerung an sein früheres Leben fast komplett ausgelöscht hatten: an seinem Namen hatte er eisern festgehalten. Er war Tristan. Und so wurde er auf den Inseln jetzt wieder genannt.

Von den Mönchen noch wie ein Kind behandelt, galt Tristan mit seinen vierzehn Jahren auf Jarlsö, seiner neuen Heimat, bereits als Mann. Mehr noch: als freier Mann. Zunächst aber war ihm gar nicht bewusst, was für ein ungewöhnliches Glück er hatte. Normalerweise galt jemand wie er, den die Männer von einem Raubzug mitbrachten, als Beute, und damit als Leibeigener. Er aber, aufgrund seines ungewöhnlichen—überweltlichen—Auftretens in der Gotburger Kapelle, galt als freier Mann. Gut, davon merkte er erst einmal nicht sehr viel. Er kam ins Haus von Olav Svensson, dem Skalden von Hóp, einem versoffenen alten Seefahrer, der wusste, dass er nicht mehr allzu viele Fahrten vor sich hatte. Und wer keine Fahrten mehr mitmachen konnte, der gehört auf den Inseln zum alten Eisen, der war nahezu nutzlos! Wenn Olav nüchtern war, verstand Tristan sich ganz gut mit ihm. Wenn Olav betrunken war, traktierte er Tristan gern auch mal mit den Fäusten.

Olav Svensson besaß ein ganz ordentliches Gut, obwohl er schon seit fünfzehn Jahren verwitwet war und nicht wieder geheiratet hatte—also keine Frau die Geschicke hier lenken konnte, während er das halbe Jahr auf Fahrt war—und selbst aus einer kleinen, unbedeutenden Sippe stammte, also von zuhause nicht viel mit auf den Weg bekommen hatte. Aber nach einigen besonders guten Beutezügen hatte er etliche Jahre lang einen lukrativen Sklavenhandel mit den östlichsten der Rûngard-Inseln betrieben, die aus irgendeinem Grund einen ganz erstaunlichen Bedarf daran hatten. Vor allem aber hatte Olav von Anfang an jedes Weib unter seinen Leibeigenen regelmäßig in sein Bett geholt und geschwängert. Das war auf den Inseln die beste Art, seinen Besitztum zu mehren, denn Kinder aus diesen Verbindungen galten weiterhin als Leibeigene, als Besitz. Und Olav besaß eine erstaunliche Anzahl an Leibeigenen. Sie bestellten das Land, kümmerten sich um das Vieh, brauten das Bier, während ihr Vater und Besitzer auf Raubzüge ging oder sich, in den langen Wintermonaten dazwischen, seinen vier Vergnügen hingab: saufen, huren, auf der faulen Haut liegen, und gelegentlich mal zur Laute von vergangenen Heldentaten singen.

Es war nicht so, dass Tristan bei Olav nichts lernte. Gleich nach dem Stimmbruch, welcher Tristan nach seinem ersten Monat auf Jarslö ereilte und nur drei Monate lang plagte, stieß Olav ihm eine junge Leibeigene ins Bett und sagte: "So, jetzt bist du ein Mann, also pack mit an. Mit jeder Kebse jedes Jahr ein Kind, so kommt man zu Besitz. So halt ich es seit zwanzig Jahren! Aber inzwischen sind zu viele hier meine Töchter, da kommst du gerade recht. Zeig mir, dass du zum Hausherrn taugst, und ich will dir alles eines Tages vererben. Hab' ja sonst keinen, dem ich's geben könnt'. So lernte Tristan also von Olav, wie man auf den Inseln reich wird.

Mit Gesetzen kannte der Mann sich auch gut aus—wenn er nüchtern war. Erbrecht, Sippenrecht, Hausrecht, Blutrecht, Eherecht. Den Unterschied zwischen Gesetz und Brauchtum erklärte Olave auch sehr genau. So hatte zum Beispiel ein Ehemann das Recht, seine Frau zu züchtigen, wie er es für richtig hielt—sie sogar zu töten, sollte er sie mit einem anderen Mann ertappen—doch wer schlau war, machte von letzterem gar keinen, von ersterem nur mäßigen Gebrauch. Die Frau blieb schließlich auch nach der Heirat Mitglied ihrer väterlichen Sippe und konnte dort, wurden die Streitigkeiten mit dem Ehemann zu arg, Schutz suchen. Da wurde dann auch mal der Spieß umgedreht und der Ehemann gezüchtigt, obwohl ein solches Unterfangen durch kein Gesetz geregelt war. Nein, da war man besser ohne Weib dran und vergnügte sich mit seinen Kebsen.

Tristan fragte sich, ob Olav bei dem gewählten Beispiel aus Erfahrung sprach, doch darüber war nichts aus ihm herauszubekommen. Tristan wusste nur, dass Olav sich als junger Mann eine zehn Jahre ältere Witwe ausgeguckt hat - ihr gehörte auch dieser Hof - und dass sie es in den neun Jahren ihrer Ehe auf vier Fehlgeburten, eine Totgeburt und endlich einen kleinen Jungen gebracht hatte, der aber auch nur drei Jahre alt wurde. Noch am selben Tag, vor etwa fünfzehn Jahren, ging die Mutter des Kindes ins Wasser. Womit hatte Olav das viele Unglück verdient? Es gab wohl einige Leute in Hóp, die noch darüber tuschelten. Ja, Olav habe seine Frau ganz fürchterlich geschlagen, erfuhr Tristan ohne Mühe, und er wollte es gern glauben. Seine Kebsen prügelte der Hausherr auch, wie es ihm passte. Besonders, wenn er betrunken war. Tristan dagegen lernte rasch, wann er dem alten Skalden aus dem Weg gehen musste. Diese Möglichkeit hatten die armen Mägde ja nicht.

Olav brachte seinem Schützling also alles bei, was dieser auf den Inseln zum Überleben wissen und können musste. Dazu auch ein bisschen Lieder texten und Flöte spielen und mit geblähten Lungen ins Horn stoßen. Und nach etwa zwei Jahren, als Tristan sechzehn war, ging's zum ersten Mal gemeinsam auf große Fahrt. (Sechzehn, damit war Tristan schon ein Jahr später dran, als die Jungs auf den Inseln normalerweise ihre erste Fahrt hatten, aber nach sieben Jahren im Kloster musste er erst einmal das Waffenhandwerk trainieren, mit Booten hantieren lernen, generell an Kraft, Ausdauer und Zähigkeit gewinnen.) Es sollte Olavs letzte Fahrt werden.

Und so wurde Tristan bei seiner Rückkehr (übrigens mit einer Tättowierung auf jeder Wange, so gut hatte er sich geschlagen), obwohl gerade einmal siebzehn Jahre alt, Herr über Olav Svenssons Hof, über seine Knechte und Kebsen, über all die unfreien Töchter und Söhne. Alles erstes verkaufte er einige davon—es waren einfach zu viele und so manch einer von ihnen dachte sich wohl, man müsse dem neuen Herrn nicht so sehr gehorchen wie dem alten. Vor allem die Söhne des alten Olav waren es, die sich nicht so recht gefallen lassen wollten, dass ein Dahergelaufener alles erbte. Da gab es manche, die sich sagten: Warum geh' ich nicht zum Jarl und behaupte, der Vater habe mir vor seiner Fahrt versprochen, mich als Sohn und Nachfolger, als freien Mann anzuerkennen! Die und vorsichtshalber alle anderen Söhne verkaufte Tristan als erstes, an einen Händler der südlichen Inseln, damit sie nur von Jarlsö runter und dann noch so weit weg wie möglich kämen. Dann musste er nach und nach auch deren Mütter verkaufen, da diese ihm nun Probleme bereiteten. (Vielleicht hielten sie ihn auch für schwach, weil er sie nicht verprügeln wollte? Hätte er sich so ihren Gehorsam gewinnen können?) Zum Schluss blieben eigentlich nur noch Olavs Töchter zurück, das halbe Dutzend seiner eigenen Kinder, von denen nicht einmal alle schon krabbeln konnten, und ein paar alte Knechte. Aber er brauchte auch gar nicht einen so großen Haushalt wie Olav. Er soff nicht, er schlug sich den Ranzen nicht so voll, er spielte nicht, und lebte auch sonst eher bescheiden. Er widmete sich lieber seiner Kunst. Und er bettete nur diejenigen seiner Kebsen, die sich von sich aus darum bemühten, seine Aufmerksamkeit mit diesem Hintergedanken auf sich zu lenken.

Mit seiner Kunst aber, und auch mit seinem Wagemut und seinem Kampfgeist, überzeugte er auf den alljährlichen Raubzügen ans Festland seine Fahrtenbrüder und auch die Zurückgebliebenen. Er begann, mit seiner Kunst Geld zu verdienen. Die Brüder gaben ihm einen Teil ihrer Beute, damit er sie in seinen Liedern besonders heldenhaft erwähnte. Über die Jahre bekam er auch mehrere Heiratsangebote von Vätern, die ihm ihre Töchter anpriesen. Er bestand jedoch jedes Mal darauf, das Mädchen zu sprechen, und irgendeine Enttäuschung gab es da immer. Ein einziges Mal wäre fast etwas daraus geworden, doch dann kam ein strenger Winter und das Mädchen starb an einer Schwäche in der Brust.

Nun war es nicht einmal so, dass sein Herz besonders an dem Mädchen gehangen hatte. Sie war ihm von den bisherigen Angeboten einfach als die wünschenswerteste erschienen, er hätte sich das Leben mit ihr vorstellen können. Die tiefe Trauer um sie konnte es also nicht sein, was ihm in den Folgejahren die Stimmung drückte. Vielmehr war es das verpasste Leben, an welches er an stillen Winterabenden denken musste. Er begann, sich im Geiste auszumalen, wie es hätte sein können, wenn er in seinem Elternhaus aufgewachsen wäre, wenn er vielleicht ein richtiger Sänger hätte werden können, also auf dem Festland, unter zivilisierteren Verhältnissen. Wie seine Kunst sich hätte entwickeln können, wenn er mehr Zeit gehabt hätte, sich ihr zu widmen, wenn er sich mit anderen Sängern und Künstlern hätte austauschen können, den Wettbewerb mit ihnen suchen. Ein leichtes Bedauern über die unerreichten Höhen, die nie gemachten Erkenntnisse und Entdeckungen—all die Melodien, die er nie gehört hatte—überkommt ihn dann. Still, bei sich. Dann schiebt er den Gedanken wieder beiseite. Es ist, wie es ist. Und es hätte nun wahrlich alles viel schlimmer für ihn kommen können.

Denn eigentlich hatte er großes Glück gehabt in seinem Leben. Der klaustrophobischen Enge des Klosters war er entkommen, statt Kriegsbeute ein freier Mann geblieben. Den tyrannischen Olav musste er nur zwei Jahre ertragen, bevor dieser—unbeweint, wenn auch nicht unbesungen—im Kampf fiel und ihm den guten Hof als Erbe hinterließ. Von fünfzehn Fahrten war Tristan heil und meist mit guter Beute heimgekehrt.

Und so waren seit seiner Ankunft bald achtzehn Jahre vergangen. Allein in seinem Herrenhaus—die Leibeigenen hausten bis auf wenige in Nebengebäuden—und trotz der alljährlichen Fahrten, auf denen man ja nicht einen Augenblick allein war, wurde Tristans Herz klamm vor Einsamkeit.

Erste Zweifel an der Lebensphilosophie der Insel-Clans—dass ein freier Mann sich die Dinge, die er haben wollte, einfach nehmen sollte, gerne auch mit Gewalt—überkam Tristan in dem Augenblick, als Lîf in sein Leben stolperte. Da stand die junge Festländerin vor ihm zitternd und schluchzend, beides aber so sehr vor Zorn wie vor Angst—so bewies das kleine Messer in ihrer Hand, mehr Werkzeug als Waffe, das sie dennoch gegen ihn erhob, als glaube sie tatsächlich, ihn damit abwehren zu können—und er, er wollte sie auf der Stelle haben. Dazu müsste er nur zwei Schritte vorwärts tun, sie entwaffnen, zu Boden reißen und sich nehmen, doch gerade noch rechtzeitig erkannte er das Problem dabei: In dem Moment, da er sie sich auf diese Weise nähme, wäre sie nicht mehr, was er haben wollte.

Es war seine sechzehnte Fahrt. Aufs Jahr genau sein halbes Leben fuhr er jetzt schon mit seinen Brüdern die Küsten Dalarans auf der Jagd nach leichter Beute ab. Selten war ihnen dabei eine so leichte Beute über den Weg gelaufen wie heute. Die Schwerter hatten nur kurz geklirrt, eine handvoll Wachen war röchelnd zu Boden gesunken, dann waren zwei Dutzend Frauen—einige ältere darunter, gut die Hälfte aber fast noch Mädchen—ihm und seinen Drachenbrüdern schutzlos ausgeliefert. Und so hörte man ringsum jetzt auch nichts weiter als Kreischen und Schluchzen, dazu Grunzen, Johlen und ermunternde Zurufe.

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ Tristan vorschnellen und das rothaarige Mädchen packen. "Sie gehört mir", erklärte er dem einäugigen Ansgar, der doch tatsächlich versucht hatte, an ihm vorbeizugelangen und sich das Recht des Ersten herauszunehmen, das eindeutig Tristan zustand.

"Ja Mensch, dann beeil dich!" knurrte Ansgar. "Ich will auch mal."

Das Messer des Mädchens fiel zu Boden, als Tristan ihr den Arm auf den Rücken drehte. (Sie ließ ihm keine Wahl, was musste sie auch nach ihm stechen? Natürlich hatte sie nur Luft getroffen, aber bei Gaja, ihre Beherztheit gefiel ihm. Kampfgeist könnte man es nennen, wäre sie ein Mann.)

"Du verstehst nicht, Ansgar", sagte Tristan. "Sie ist mein." Und da eine solche Ansage unter Fahrtenbrüder erst dann rechtskräftig wurde, wenn sie dreimal ausgesprochen worden war, wiederholte er: "Sie ist mein. Niemand außer mir rührt sie an."

Damit hatte Tristan gerade auf weitere Beute quasi verzichtet. Ein junges, gesundes, noch dazu hübsches Ding wie dieses hier zur Kebsfrau, das käme ungefähr seinem gesamten Anteil an der diesjährigen Beute gleich—wie Ansgar ihm auch sogleich hämisch vorrechnete, gefolgt von teils frechen Forderungen.

"Schön", sagte Tristan. "Nimm dir die beiden Schafe, das deckt deinen Teil ja wohl mehr als ausreichend ab. Den Rest meiner Ansprüche verteil ich heute abend."

Ansgar zog zufrieden grinsend ab und stellte sich bei einem der anderen Mädchen unter die Wartenden.
 
"Komm, lass uns schon einmal in Richtung unseres Drachen gehen", forderte Tristan das rothaarige Mädchen auf. Zu ihrer Überraschung sprach er jetzt Suli, so gut wie akzentfrei noch dazu, und nicht mehr diese grässlich kehlige Sprache der Semänsklig (wie die räuberischen Insel-Clans in Fersland genannt wurden), von der sie kaum die Hälfte verstand. "Du willst das hier nicht mitansehen, und andere meiner Brüder werden sich vielleicht nicht so leicht abwehren lassen wie Ansgar. Nicht, wenn ihr Blut noch so in Wallung ist wie jetzt. Später werde ich meinen Anspruch wohl durchsetzen können." Er überlegte kurz, dann fügte er noch hinzu: "Bitte, hab' keine Angst. Von mir droht dir nichts."

Denn das, was er von ihr haben wollte, ließ sich nicht mit Gewalt nehmen. Denn er wollte sie so, wie sie jetzt war—nicht gedemütigt, geschändet, geschlagen, gebrochen. Er wollte dieses wundervolle Geschöpf, dieses reizende junge Ding—wie alt sie sein mochte? So alt wie die erste Tochter, die eine seiner Kebsen ihm geboren hatte?—er wollte dieses Mädchen genauso, wie sie vor ihm stand.

Die Blicke, mit denen sie ihn auf dem Weg immer wieder bedachte, ließen ihn daran zweifeln, ob sich auf ihr Gesicht jemals der Ausdruck von Zärtlichkeit legen würde, ihre Lippen jemals ein "Ja" formen könnten. Als er später jedoch die gebrochenen Mienen der anderen Mädchen musterte, war er sich dennoch gewiss, das richtige getan zu haben. Wie er zu diesem Urteil gelangte, wusste er nicht, nur dass er im Herzen froh war, seine Lîf nicht so dasitzen zu sehen. Kurz überlegte er sogar, ob er sie nicht irgendwo heimlich freilassen könne, in der Nähe irgendeines Dorfes. Es müsste natürlich auf eine Art geschehen, die nicht auf ihn zurückfiel, man müsste es so darstellen, als sei sie geflohen, das würde ihm schon genug Spott einhandeln, aber wenigstens keinen richtigen Ärger.

Doch sein Drachenführer beschloss—da menschliche Beute sich nun einmal so schwer bändigen ließe—dass man sich mit den anderen drei Booten träfe, zwei Drittel der Männer darauf verteile, während der Rest mit den Mädchen und der bisherigen Beute schon einmal nach Jarlsö zurückkehrte.

Und so war Tristan drei Wochen später mit seiner rothaarigen Beute daheim, ohne dass sich unterwegs eine Gelegenheit geboten hätte, Lîf freizulassen. Und darüber war er, ehrlich gesagt, sehr froh. Sie brachte Licht und Leben in sein Heim, von denen er zuvor gar nicht gewusst hatte, wie sehr er beides vermisste.

Als einzige Magd außer der alten Hulda bekam Lîf eine Schlafkammer im Haus, ganz für sich allein und fast so groß wie die seine. Das Misstrauen leuchtete in ihren Augen, als er ihr die Kammer zuwies, und wich erst nach einigen Wochen dem Erstaunen, so wollte er es zumindest erkennen, als sich ihre Befürchtungen noch immer nicht bewahrheitet hatten.

Das Mädchen war fleißig und fügte sich erstaunlich willig in ihr neues Leben ein. Bald schon konnte Tristan sich das seine ohne sie nicht mehr vorstellen. Wenn sie zu ihm ins Zimmer trat, hob sich seine Stimmung sofort, egal wie düster seine Gedanken zuvor gewesen sein mochten. Wenn Lîf nach dem Essen noch mit dem Geschirr hantierte, folgte sein Blick jeder ihrer Bewegungen. Er selbst war satt, doch seine Augen waren hungrig.


Sein Versprechen, sie nicht anzurühren, hielt Tristan, bis im Herbst die restlichen Drachen zurückkehrten. Zwei Tage später kam er abends nach Hause, aß schweigend, was sie gekocht hatte, ohne auch nur zu bekunden, ob es ihm schmeckte oder nicht. Nach dem Essen—Lîf wollte die Schüsseln wegräumen und reinigen—hielt er sie am Handgelenk zurück.

"Es ist nicht genug", sagte er. "Ich hatte gehofft, es wäre genug, um dich zu schützen. Aber du bist einfach zu hübsch, weißt du? Sonst wären sie nicht so hartnäckig. Sonst kämen sie mir nicht mit Gesetzen, wo Kameradschaft doch mehr zählen müsste. Bitte setz dich, Lîf, und hör' mir erst einmal bis zum Ende ganz ruhig zu."

Die Mahnung kam gerade noch rechtzeitig, denn Lîf, die Augen schreckensweit, das Gesicht blass, die Lippen aber schmal vor Wut, wollte gerade protestieren. Doch jetzt hörte sie erst einmal zu, wie Tristan ihr die Lage erklärte. Die Gebräuche und Gesetze der Inselvölker waren anders, als sie es vom Festland gewohnt war. Härter. Unbarmherziger. Auf menschenverachtende Weise pragmatisch. Es galt das Recht des Stärkeren. Moral oder den Schutz der Schwächeren suchte man darin vergebens.

Folgendes erklärte Tristan ihr mit derart ernster Stimme und ebensolchem Blick, dass sie nicht einen Augenblick daran zweifeln konnte, dass er die Wahrheit sprach: Wer eine Leibeigene—und dazu zählte Lîf als Kriegsbeute—schändete, schlug oder gar tötete, zahlte ihrem Herrn dafür eine Geldstrafe oder besorgte ihm gleichwertigen Ersatz. Wer sich aber, wie Tristan, von einer Fahrt ein Weib als Beute heimführte und sie daheim dann verschmähte, also nicht als Kebsfrau in sein Bett nahm, dem könne jeder seiner Fahrtenbrüder die Beute mit vollem Recht wieder abverlangen, um die zuvor Verschmähte herauf ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Denn: unter Brüdern nahm sich jeder nur das, was er brauchte! Auf den Inseln überlebte nur, wer nichts verschwendete! Wenn er, Tristan, ihr also nicht noch in dieser Nacht beiwohne, so würden morgen schon seine Fahrtenbrüder—das hatten diese ihm heute nur allzu deutlich gemacht—über Lîf herfallen.

Als seine Kebsfrau aber sei sie vor allzu leichtsinnigen Übergriffen geschützt—und trotzdem nicht vor allen. Sie gelte dann immer noch als unfrei, als sein Besitz. Und Besitz ließ sich durch Besitz ersetzen. Die Geldstrafe bei genannten Vergehen mochte etwas empfindlicher ausfallen, es würde nicht mehr jeder, der mit ihm auf Fahrt war, sich dies leisten können, aber mindestens ein Dutzend davon waren reich genug, dass die Strafe sie nicht weiter stören würde. Und wie bereits gesagt: Lîf war halt zu jung und zu schön.

"Da hilft nur eins, Lîf", sagte Tristan. Er nahm etwas von seinem Gürtel und hielt es ihr hin. Es klirrte leise. Lîf traute ihren Augen kaum: es war sein Schlüsselbund. Er bot ihr an: die Herrschaft über sein Haus und seinen Hof, sein Land, Vieh und Gesinde, all sein Hab und Gut. Über all das sollte sie herrschen, ihm untergestellt natürlich, außer wann immer er mit seinen Fahrtenbrüdern unterwegs wäre, denn dann herrschte daheim die Frau alleine. Er bot ihr den Platz an seiner Seite. Nicht als seine Leibeigene. Nicht als Kebsfrau. Als seine Hauptfrau, Herrin seines Hauses, mit allen Rechten und Pflichten. Frei vor dem Gesetz.

"Werde meine Frau, Lîf. Werde mein, dann kann dir keiner was, ohne meine Blutrache zu fürchten und zudem Schande über seine Sippe zu bringen. Gebe dich mir hin, so soll mein Leib dir gehören wie mir der deine, und es soll in diesem Leben kein anderer Mann dich anrühren können außer über meinen kalten Leib!"

Noch immer hielt er ihr seinen Schlüsselbund hin. Von ihrem Gürtel hängend wäre er eines der höchsten—hier auf den Inseln das höchste—Statussymbol, das eine Frau besitzen konnte.

Und der Mann, der ihr dies alles anbot, Freiheit, Stand, den Schutz seines Körpers, der sie auf der anderen Seite aus ihrer Heimat geraubt hatte, dessen 'Fahrtenbrüder' ihre Heilerinnenschwestern geschändet, verschleppt, einige sogar getötet hatten, der dies, so musste man annehmen—zu recht? zu unrecht?—auf früheren Fahrten wohl selbst anderen Frauen auch schon angetan hatte, dieser Mann, der außerdem fast doppelt so alt war wie sie, stand vor ihr, die Schlüssel noch immer erhoben, und wartete auf ihre Antwort. In der plötzlichen Stille hörte man erst, wie schwer sein Atem ging. Und welch Glut in seinen Augen! Diese Glut könnte eine Frau noch in der kältesten Winternacht wärmen.


Sie hat Angst vor mir, dachte Tristan erschrocken, als sein Blick das erste Mal über Lîfs nackten Körper glitt. Wie sie zittert! Die Kälte kann es nicht sein, ich habe doch extra einfeuern lassen!

Er trat einen Schritt auf sie zu. Sie wandte lediglich den Kopf zur Seite, lugte über die Schulter in seine Richtung, aber verharrte mit dem Rücken zu ihm. Ihre Linke suchte Halt an der Lehne des Stuhles, auf dem ihre Kleidung sorgsam zusammengefaltet lag. Obenauf ihr Gürtel mit seinem Schlüsselbund. An dem Ernst seiner Absicht konnte sie nicht zweifeln: sein Eheweib sollte sie sein. Und trotzdem zitterte sie. Ein weiterer Schritt brachte Tristan heran. Er beugte sich über ihre Schulter, küsste ihren Nacken und sprach ihr dann leise ins Ohr:

"Die Priester des Einen Gottes predigen, dass es Sünde sei. Wenn ein Mann eine schöne Frau begehrt: Sünde! Wenn eine Frau einem Mann einen scheuen Blick zuwirft: Sünde! Wenn sie sich für ihn hübsch macht, sich nach seinen Blicken sehnt, seiner Nähe, seiner Berührung: Sünde, dreimal Sünde! Glaubst Du, Gaja weint manchmal? Oder tobt sie vor Zorn? Vielleicht ruft sie auch aus: Ihr dummen, dummen Menschen! Wie blind muss man sein! Um zu denken, es könnte Sünde sein, mein Geschenk an euch! Es ist doch mein schönstes Geschenk an euch. Auf dass ihr wisset, wie sehr ich mich über jedes neue Leben freue, sollt ihr jedesmal, wenn ihr neues Leben schafft, einen Teil meiner Freude empfinden. Denn ich bin das Leben und mein ist die Freude."

Er umfasste sie mit beiden Händen, zog sie zu sich heran. "Mein ist die Freude", wiederholte er. "Hab' keine Angst."


In der Halle des Jarls am nächsten Tag lief die Vorstellung Lîfs als neue Herrin seines Hauses glatter als erwartet. Zwar war es in dieser Generation noch nicht vorgekommen, dass ein Mann seine Kriegsbeute zum legalen Eheweib nahm, aber einige Ältere erinnerten sich an Beispiele von früher. Es gab sogar ein altes Gesetz, wonach eine Ehe, falls sie noch nicht vollzogen werden konnte, nicht galt, wenn es der Sippe der Frau gelang, diese binnen eines Tages und einer Nacht zurückzustehlen—woraus man schließen konnte, dass der Frauenraub in Vorzeiten offenbar hauptsächlich dem Zweck der Eheschließung diente. Vor allem aber war Tristan ja selbst eine Ausnahme gewesen: Kriegsbeute auch er, doch wegen seiner Fähigkeiten als Sänger war er ein freier Mann geblieben, der dem alten Skalden zur Hand ging und später auch nachfolgte. Dass Tristan es nun ähnlich hielt, sprach Jarl Gisle aus, was die Leute ringsum dachten, war nur zu erwarten gewesen und außerdem ganz im Sinne Gajas und der Ahnen. Zumal Lîf, fügte er hinzu, für die Dorfgemeinschaft ähnlich kostbare Fähigkeiten besaß wie Tristan damals—wie ihm bereits aus verlässlicher Quelle zu Ohren gekommen sei.

Darauf trat die alte Druidin vor, um dem Jarl beizupflichten und sogleich anzufragen, ob Tristan denn erlauben wolle, dass sein junges Eheweib, statt sich den ganzen Tag um die Verwaltung seines Hofes zu kümmern, einige Zeit bei ihr verbrächte, damit sie das gelehrige Kind in die höheren Geheimnisse der Heilkunde einweihen und ihr Gajas Weg zeigen könne.

Ein Blick in die Augen seiner Frau—leuchtend, bittend—und Tristan willigte ein. In diesem Moment hätte er wohl zu allem Ja gesagt: in seinem ganzen Leben war er noch nie so glücklich gewesen. Er sprach sogar aus, was er dachte, vor allen Leuten in der Halle des Jarls, und hob dabei seinen Kelch mit Met in ihre Richtung, wie nur gleich und gleich einander lobpreisen kann: "Mein schönes, kluges Weib! Ich bin so stolz auf dich."

In der folgenden Nacht, also ihrer eigentlichen Hochzeitsnacht (zumindest sah Lîf das so, denn in Fersland gab es eine richtige und eine falsche Reihenfolge für diese Dinge), lag das junge Paar nach der Vereinigung eine geraume Weile lang still beisammen, bis Lîf schon glaubte, ihr Herr—nein, ihr Gemahl!—sei eingeschlafen, doch als sie sich nach ihm umdrehte, fand sie seinen Blick unverwandt auf sich gerichtet.

"Erzähl mir von Deiner Heimat", bat er leise. "Deiner Familie."

Und Lîf erzählte ein wenig, stockend zunächst, denn es tat sehr weh, dann immer flüssiger, denn sie glaubte in seinen Augen zu erkennen, dass er ihren Schmerz begriff, dass er ihn fühlte, dass er mitfühlte. War das möglich? Oder wollte sie nur in seinen Augen Mitgefühl erkennen? Aber halt, hatte neulich nicht eine seiner Mägde behauptet, er sei als ganz junger Mann selbst vom Festland geraubt worden? Wenn das stimmte—und eigentlich musste es ja stimmen, schließlich sprach er Suli mit ihr, dass man nicht glauben wollte, er sei von den Inseln—dann wusste er vielleicht tatsächlich, wie ihr Kummer sich anfühlte.

"Das, wonach wir uns sehnen, liegt immer in der Ferne", sagte er, als sie geendet hatte. "Aber es gibt nichts ferneres als die Vergangenheit. Der gestrige Tag ist für uns unerreichbarer als jeder Tag der Zukunft." Er runzelte die Stirn, offenbar unzufrieden mit seinen Worten. Oft sprach er derlei tiefsinnige Gedanken wohl nicht aus, dass sie ihm so sperrig von der Zunge gingen. "Was ich damit meine: egal, wie wir uns im Leben entscheiden, welch Zufälle uns von unserem Weg abbringen: das vergangene Glück, nach dem wir uns sehnen, die Geborgenheit der Kindheit, ihre Unbekümmertheit—verloren hätten wir sie so oder so. Man darf sein restliches Leben nicht daran messen, sonst... sonst ist einem jedes neue Glück, das man findet, ein blasser Abglanz davon oder man erkennt es nicht einmal, wenn es direkt vor einem steht."

Danach erzählte er von den eigenen Eltern. Es wurde eine kurze Geschichte, denn mit sieben war er schon in ein Kloster gekommen, und nach sieben Jahren dort in drückender Stille blieben Tristan aus der Zeit davor nur eine Handvoll verschwommener Erinnerungen. Am deutlichsten erinnerte er sich an den Gesang der Mutter und an die Geschichte, die sie ihrem Sohn am liebsten erzählte:

"Inmitten des Loch Leskos, dort wo der Nebel, der sich niemals lichtet, am tiefsten ist, liegt eine Insel, auf der leben drei Schwestern. Schon zu Zeiten unserer Urahnen hausten sie dort und tun es noch heute, denn auf ihrer Insel vergeht keine Zeit. Und diese drei Schwestern sind der Grund, warum sich kein Fischer mit seinem Boot weiter auf den See hinaustraut, als das Land noch in Sicht bleibt, denn wer im Nebel von Leskos verschwindet, wird nie wieder gesehen. Denn die Schwester sitzen den ganzen Tag auf den Klippen und singen, und ihr Gesang ist so wunderschön, dass jeder, der ihn vernimmt, den Schwestern mit Leib und Seele verfällt. Hin, hin zu den schönen Frauen muss er, und wenn sein Boot nicht auf den Klippen zerschellt, so verbringt er den Rest seiner Tage auf ihrer Insel, wo die drei mit ihm tun und lassen, was immer ihnen in den Sinn kommt, und er ihnen wie ein Sklave zu Willen ist. Niemand, das weiß jeder Anwohner des Sees, niemand, der sich im Nebel verirrt, kehrt je wieder. Außer meinem Ur-ur-und-noch-sechsmal-urgroßvater. Er kehrte von der Insel der Schwestern zurück—mit einem Kind im Arm."

Tristan machte eine Pause, um sich zu vergewissern, dass Lîf ihm noch lauschte; sie tat es gebannt.

"Mein Urahn kehrte also in sein Heim zurück, wo erst wenige Wochen vergangen waren und er seine Frau bei der Niederkunft ihres ersten Kindes vorfand, das er, seinem Zeitgefühl nach, als erwachsenen Mann oder Frau anzutreffen erwartet hätte. Dieses Kind aber, ein Sohn, wurde tot geboren. Da nahm der Vater die Hebamme rasch beiseite—seine erschöpfte Frau bemerkte es nicht einmal—und tauschte die Totgeburt gegen das Kind von der Insel aus, das ebenfalls ein Knabe war. Mit diesem Geschöpf trat die Hebamme wieder an das Wochenbett und legte der überglücklichen jungen Frau das Wechselbalg in den Arm. Der Vater trug derweil den Leichnam ihres leiblichen Kindes in den Garten und vergrub ihn dort. Und so zog seine nichtsahnende Frau den Jungen wie ihren eigenen auf. Er sollte ihr einziges Kind bleiben, denn zwei weitere Totgeburten ließen die Ärmste unfruchtbar werden. Und doch lebte die kleine Familie zwanzig glückliche Jahre lang, bis der Vater schließlich, er war erst fünfzig Jahre alt, über Nacht alterte, dass er wie siebzig aussah, und sich bald darauf ans Sterben machte. Auf dem Sterbebette aber beichtete er dem Sohn dessen Herkunft. Dieser zog daraufhin sogleich los, um die Insel der Schwestern im Nebel von Leskos zu finden. Und eigentlich hätte ich zu Beginn sagen müssen: es kehrten nur zwei Männer je von der Insel zurück: der Vater mit dem Sohn im Arm, der Sohn Jahre darauf mit einem Lied und einer Prophezeiung seiner Mutter: 'Ihr Menschen, so roh und schrecklich ihr auch seid, habt mir deinen Vater und zwanzig Jahre seiner Liebe geschenkt, dafür will ich euch ein ebenso großes Geschenk machen. In drei mal drei Generationen soll deiner Linie ein Kind entspringen, dem ich einen Teil meiner Kräfte vererben will. Aus seiner Kehle nämlich soll ein Gesang entsteigen so schön, wie ihr Menschen ihn noch nicht gehört habt. Nur der blasseste Schatten meiner Stimme soll dem Kind innewohnen, denn mehr wäre euch zu Schaden. Der sterbliche Verstand erträgt nicht die Berührung der Vollkommenheit, keinen noch so leisen Kuss der Ewigkeit: er zerbricht darauf vor lauter Sehnsucht nach dem, was ihm nie gehören kann! Und doch wird dein Nachfahre die Menschen von Dalaran mit seinem Sang bezaubern, sie an den Herzen rühren, sie ausrufen lassen: Bei Gaja! Dass es so etwas schönes auf Erden gibt!' Und die Mutter erklärte ihrem Sohn weiterhin: 'Alles, was du dafür tun musst: deinem Erstgeborenen das Lied weitergeben, das wir drei Schwestern dir beigebracht haben, und ihm dabei einschärfen, es mit seinem ebenso zu halten, und immer so fort. Tut dies, und eure Linie soll niemals unterbrochen werden; versäumt es, und sie wird enden.'"

Tristan unterbrach sich abermals, diesmal um einen Schluck Wasser zu trinken, welches in einem Krug neben dem Bett bereitstand. "Erzähl doch weiter!" drängte Lîf.

"Na ja, danach gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Der Sohn fuhr heim und tat, wie ihm geheißen. Und neun Generationen später wurde seiner Linie das prophezeite Kind geboren. Denn dieses Kind, so behauptete meine Mutter, dieses Kind sei sie. Deshalb sei ihr Gesang so wunderschön, dass jeder Mann, der sie singen hörte, ihr verfallen müsse. Deshalb sänge sie nur für mich, denn als ihr Sohn könne mir nichts passieren, und für den Vater, denn er sei ihr ja schon verfallen. Aber das Lied, das ihr Ahnherr auf der Insel seiner Mutter gelernt hatte, das hat sie auch mir beigebracht, denn sie war sich sicher, dass der Teil der Prophezeiung weiterhin gilt—dass unsere Linie versagen wird, sobald wir das Lied der Schwestern nicht mehr an unsere Erstgeborenen weitergeben. Und nicht einmal die Mönche konnten mir mit ihrer kalten Stille das Lied aus dem Gedächtnis vertreiben. Willst du es hören?"

Als Lîf nickte, setzte Tristan sich auf und sang. Er sang in einer Sprache, die sie nicht verstand, doch man musste die Worte nicht verstehen, um zu wissen, dass sein Lied von Sehnsucht handelte. Doch es war keine verzweifelte, sich unglücklich nach etwas verzehrende Sehnsucht, es war die Art Sehnsucht, die das Herz pochen ließ, den Atem stocken, und der Kehle schließlich einen wohligen Seufzer entrang. Eine Sehnsucht, die mehr versprach, als sie einem versagte. Eine Sehnsucht, die erwidert wurde.^[1]

Als er geendet und sich wieder zu ihr gelegt hatte, schwieg Tristan lange, und auch Lîf wusste danach erst einmal nicht, was sie sagen sollte. Den Arm hatte er um sie gelegt und sie dicht an sich herangezogen. Irgendwann murmelte er erstaunt an ihrem Ohr: "Das Lied habe ich vor achtzehn Jahren das letzte Mal gesungen, in der Kapelle von Gotburg, als die Mönche schon brannten. Und die Geschichte... die Geschichte habe ich in meinem Leben noch keiner Menschenseele erzählt."

^[1] Perform (sing) = 31, gewürfelte 20. (s. hier).


Die fünf langen, dunklen Wintermonate verbrachte das frischgebackene Ehepaar in relativer Harmonie, während sie einander langsam kennenlernten. Meinungsverschiedenheiten gab es zwar des öfteren, ab und an gar einen kleineren Streit, aber rasch hatte man sich jedesmal wieder zusammengerauft. Tristan jedenfalls bedauerte nicht einen Augenblick, dass er Lîf zu seinem Weib gemacht hatte, und er dankte täglich dem Schicksal, das seinen Drachenbrüdern und ihm an jenem Tag ihre kleine Freiwilligen-Schar in die Arme getrieben hatte. Diesen Gedanken sprach er eines Abends aus, nachdem er Lîf vom Haus der alten Druidin abgeholt hatte und man im Dorf, vor einem Regenguss schutzsuchend, noch zu einem Met eingekehrt war. Da aber geriet Lîf urplötzlich in Wut, da machte sie ihm eine Szene vor allen Leuten, dass ihm Hören und Sehen verging. Was, dachte er entsetzt, das trägt sie mir noch nach? Das hat sie mir nicht längst verziehen? Tu ich denn nicht alles für sie? Geht es ihr nicht gut in meinem Haus, ist sie nicht Herrin über alles, das zuvor mir gehört hat, wird sie im Ort nicht von allen als meine Frau geachtet, als Heilerin, als Druidenschülerin?

Ein paar der Dinge, die sie ihm an den Kopf warf—während er sie auf die Straße zerrte, in den Wind und das Wetter hinaus—ein paar der Dinge trafen ihn wie Messerstiche ins Herz. Was, gegen ihren Willen habe er sie...? Und wieder, immer wieder, Nacht für Nacht, unersättlich in seiner Gier? Wie seine Fahrtenbrüder nähme er sich einfach, was er wolle, wann immer er wolle, ohne sich um ihre Wünsche zu scheren? "Was, aber du bist mein Weib", entgegnete er, "mein Weib! Gefragt habe ich dich, ob du es werden willst, mit Ja hast du geantwortet! Und dein Körper, deine Blicke, jede Nacht sagen sie Ja!"

"Recht hast du, Mann, nur schnell nach Haus, dort will der Gürtel tanzen!" grölte der schöne Karl den beiden noch hinterdrein. "Tanzen bis dein Arm erlahmt auf ihrem blanken Hintern! Lammfromm wird sie dann, du wirst schon sehen: das beste Mittel gegen Widersinn!"

Diese Worte nahm Tristan gar nicht ernst—ein Angeber war der Karl, nichts weiter: seine Gertrud hatte bei ihm daheim die Hosen an, das wusste jeder!—aber das schadenfrohe Gelächter der anderen ging ihm nach, ihr Pfeifen, Klatschen und Johlen, das ihn verfolgte, als er sein zeterndes Weib die Straße hinunter zerrte. Daheim in der Schlafkammer befahl er Lîf sofort: "Zieh dich aus!" Wie blitzten ihre Augen da vor Zorn, wenngleich sie ihm auch gehorchte. Ja, in den eigenen Ohren hatte er grob geklungen, herrisch und ungeduldig. Dabei meinte er doch, dass es kalt sei und die Kleidung nass und man schnell zu Bett müsse, um sich zu wärmen, aber so klangen seine Worte nicht, sie klangen wütend. Und wütend war er ja auch, aber nicht auf Lîf, oder zumindest zu gleichen Teilen auf sich selbst, sie und auf die Männer. Sollte er versuchen, ihr das zu erklären? Doch bevor er zu einem Entschluss kam, zeigte sich, dass Lîf die Worte des schönen Karls nicht so leicht abgetan hatte wie Tristan. Als dieser nämlich ebenfalls begann, sich zu entkleiden, als er zunächst den Gürtel ablegen wollte, da zuckte sein Weib so entsetzt vor ihm zurück, dass sie um ein Haar rücklings über den Korb beim Feuer gefallen wäre. Tristan sprang vor und fing sie auf.

"Lîf, Liebes!" rief er. "Ja was glaubst du denn? Ich könnt' dich schlagen? Siehst du mich je die Mägde schlagen? Die Knechte? Dem frechesten Lausebengel komm' ich noch ohne Schläge bei! Denkst du, ausgerechnet mit meinem Weib würde ich es anders halten? Züchtigen—dich? Niemals!" Und er zog sie in den Arm, ob sie sich wehrte oder nicht, ungeachtet auch seiner regennassen Kleidung, und barg das Gesicht an ihrem Hals. Am ganzen Leib zitterte er, während aus ihm hervorbrach, für das ihm bis dahin die Worte nicht über die Lippen gekommen waren, gleichwohl sie ihm seit der Heimkehr in der Kehle drückten: "Du bist mein Licht, meine Sonne, mein Horizont, das Wasser, das mich trägt, der Wind, der mich treibt, der Atem meiner Seele!"

Die Versöhnung geriet wort- und tränenreich, wich Küssen und Liebkosen. Bevor Tristan sich aber seinem Weib beigesellte, schlug er ihr folgenden Handel vor: "Lîf, lass uns einander etwas geloben, ja? Dass nämlich ich mehr auf deine Wünsche achtgeben will, wenn du sie mir nur deutlicher kundtust. Als zweites aber muss ich dich um eines bitten: vor den Fahrtenbrüdern—versprich es mir—vor den Fahrtenbrüdern darfst du nie wieder so mit mir reden!"

Da war der erste gemeinsame Winter bereits fast zu Ende. Drei Wochen später ging Tristan auf Fahrt.


Den nächsten großen Streit hatten sie, als Tristan sechs Monate darauf von seiner Fahrt heimkehrte, mit reicher Beute beladen. Dabei hatte er sich ihr Wiedersehen so ganz anders vorgestellt! Sechs Monate lang hatte ein Gedanke auf See sein Herz gewärmt: seine Lîf wiederzusehen! Und zunächst lief alles so, wie er es sich erhofft hatte: auf ihn zugeeilt kam sie—mit flachem Bauch, dies vielleicht die einzige Enttäuschung, andere hatten da mehr Glück—und um den Hals fiel sie ihm mit einem Jauchzer. Als er dann aber daheim seine Beute vor ihr ausbreitete—Schmuck hauptsächlich, man hätte sagen können, er überhäufte sein junges Weib damit—da zuckte abermals ein Blitz auf ihn herab aus heiterem Himmel. Freuen solle sie sich über das geraubte Zeug? Das er Frauen auf dem Festland gestohlen, vielleicht gar vom Leib gerissen hatte? Sie dazu auch noch geschändet, am Ende gar umgebracht? Darüber freuen? Das mit Stolz tragen?

"Aber Lîf", protestierte er, "nein, ich schwöre dir, ich war dir treu! Nicht eine Frau habe ich gebettet, seit ich von dir Abschied nahm, weder mit noch gegen ihren Willen! Auch keine erschlagen! Aber geraubt ist alles auf der Welt, ob man es sich direkt nimmt oder mit Geld bezahlt. Denn woher hat man das Geld? Ist das nicht auch gestohlen? Der Stärkere nimmt sich auch hier, so viel er haben will, von dem, der sich nicht wehren kann. Wirf mir das nicht vor, Lîf, Liebes, denn ich habe die Welt nicht so geordnet!"

Und so ging es noch eine Weile lang hin und her, doch am Ende sah Lîf ein, dass er recht hatte, auch wenn sie es ihm nicht in Worten zugestand. Aber sie nahm den Schmuck und packte ihn sorgfältig in ihr Kästlein. "Du bist ein guter Mann", sagte sie. "Einen besseren gibt es auf den Inseln nicht!"

Dann lachte sie plötzlich und verdrehte die Augen. Und erzählte: den ganzen Sommer über hätten die Frauen, egal ob jung oder alt, ob Jungfer, Eheweib oder Witwe, ihr pausenlos zugeredet, selbst ihre Lehrmeisterin dachte so darüber: was für einen guten Mann Lîf doch habe! Wie glücklich sie sich doch schätzen müsse, wieviele Mädchen in Hóp ihn sofort genommen hätten, wieviele Eheweiber ihn auf der Stelle gegen den ihren eintauschen würden! War er nicht schön? Reich? Herzensgut? Doch je mehr man sie auf diese Weise bedrängte, desto mehr habe sie sich geärgert. Dass die Leute auf den Inseln so selbstverständlich meinten, ein geraubtes Weib müsse dies auch noch als Glück empfinden! Wenn ein schöner, reicher, gar ein herzensguter Mann dich mit einem Schwert durchbohrt, tat das nicht genauso weh, als wäre er hässlich, arm und ein grober Klotz?

"Ja, glaubst du das denn immer noch nicht?" fragte Tristan leise. "Dass du hier mit mir auf Jarlsö glücklich sein könntest?"

Lîf senkte den Blick und antwortete nicht. Den Schmuck aber, den er ihr mitgebracht hatte, trug sie den ganzen Winter über an jedem Tag, wie um ihm zu sagen: Schau, ich versuch' es ja!

Dann kam schon das Frühjahr und Tristan musste wieder auf Fahrt. Diesmal wollte er nicht. "Dann bleib hier", sagte Lîf. "Was ist das denn für eine Ehe, wenn du das halbe Jahr fort bist."

"Aber ich muss", sagte er. "Wer zurückbleibt, ist niemand mehr. Das würde dir auch nicht gefallen: wie die Leute auf der Straße dich dann anschauen täten! Wie sie dann zu dir reden würden! Ein Mann muss auf Fahrt."

Doch auch er schlief kaum in ihrer Abschiedsnacht. Bald gaben die beiden es ganz auf und lenkten sich ab: er sang ihr vor, das Lied seiner Mutter, fast so schön wie in der Hochzeitsnacht, während sie noch etwas für ihn zu flicken fand. Dazwischen wandten sie sich einander in verzweifelter Zärtlichkeit zu.

"Geh nicht", bat sie am Morgen ein letztes Mal.

"Ich muss."

Seinen großen Irrtum erkannte Tristan, als er, der eigenen Funde entladen, innehielt, um den ungeheuren Haufen an Reichtümern zu bestaunen, den man hier zusammentrug. Um ihn herum taten Fahrtenbrüder es ihm nach. Die Münder standen ihnen offen, die aufgerissenen Augen gingen ihnen über vor Gier. Welch Reichtum! Soviel Gold, Silber und edle Steine hatte noch keiner von ihnen auf einem Haufen gesehen! Wie alles blitzte und funkelte! Goldene Kelche und Schalen, Ketten und Ringe, Kreuze, Kistchen und Figürchen, und daneben das ganze noch einmal in Silber und vieles davon mit Edelsteinen besetzt. Dort: samtene Gewänder; hier: Fellumhänge, Mützen, Decken. Und noch immer wurde fleißig herbeigeschafft. Jasper und der rote Gunnar trugen eine beschlagene Kiste herbei, die zwar klein war, aber sehr schwer schien. Steuereintreiber nächtigten derzeit hier in Kloster Sundheim, erklärten sie grinsend, so ein Glück müsste man erst einmal haben! Ein Wort machte die Runde: Jahrhundertbeute.

Für all das hatte Tristan kein Auge übrig. Er war keuchend zusammengesackt, erst in die Knie, dann vorneüber, jetzt lag er bäuchlings im nassen Gras und hatte die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt—in heidnischer Verehrung, würden die Mönche sagen, wenn sie noch lebten. Tatsächlich flehte er die Erdgöttin an: Nicht meine Lîf, nicht meine Lîf, nimm sie mir nicht, ich bitte dich! Doch natürlich wäre es zu spät. Er hätte nicht mit auf Fahrt gehen sollen. Warum hatte er nicht auf sich selbst gehört? Diesmal war er ein Mann gewesen und hätte was tun können! Diesmal hatte er doch gewusst, dass etwas Schlimmes bevorstand.

Jemand drehte ihn auf den Rücken. Schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Wieder und wieder, immer dieselbe Seite. Er solle aufhören zu schreien und sagen, was los sei. Ich schreie? dachte er verwundert. Er hörte damit auf. Aber ein verständliches Wort brachte er dennoch nicht heraus. Man holte Sven Blutaxt herbei, ihren Drachenführer. Der schickte erst einmal die meisten der Männer weg. Ein Wink von ihm, und Tristan wurde etwas eingeflößt—kein Met, sondern Gebrannter—und einflößen war nicht das richtige Wort: man kippte ihm das Zeug in den Rachen, bis es zu beiden Mundwinkeln wieder herauslief.

Als Tristan danach endlich wieder Luft bekam, setzte er sich auf. Seine Worte machten für die anderen keinen Sinn, aber der Drachenführer würde wissen, wovon Tristan sprach.

"Sven, die Warnung, sie galt niemals uns und auch nicht dem Wetter! Kein Sturm drohte unsere Drachen auf die Klippen zu werfen! Daheim! Daheim stand ein Sturm bevor! Aber keiner, bei dem's blitzt und donnert, sondern einer, bei dem Beil und Schwerter singen und der rote Hahn auf Dächern kräht!"

Denn was anderes konnte das alles bedeuten? Bestes Wetter seit gut einem Monat, unterwegs schon ein fettes Handelsschiff, das ihnen vor die Nase irrte, am Ziel der unfassbare Reichturm des Klosters, beides erstürmt und errungen unter geringsten Verlusten, und jetzt auch noch der glückliche Zufall, welcher ausgerechnet heute die herzoglichen Steuereintreiber in Sundheim Quartier suchen ließ? Dazu Tristan selbst noch am Leben und unverletzt? Aber dennoch die ahnungsvolle Gewissheit bei der Abreise: Ich werde alles verlieren. Schon wieder werde ich alles verlieren.

Die Erklärung mit dem Wetter hatte Tristan sich ausgedacht, als die bange Unrast der Abschiedsnacht am nächsten Morgen, als er an Bord der 'Jagtfalk' stand und zum Ufer zurückblickte, in eine handfeste Vorahnung umschlug. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er gerade noch Lîfs roten Haarschopf inmitten der winkenden Menge ausmachen. Gleich verlier ich sie aus den Augen, dachte er noch, da fuhr ihm auch schon ein Schauer durch Leib und Seele, wie er ihn im Leben erst zweimal verspürt hatte. Beide Male war noch in derselben Nacht ein furchtbares Unglück geschehen. Doch mit einer solchen Behauptung hätte er sich nicht an seinen Drachenführer wenden können. Es kostete ihn auch so seinen ganzen Mut, um an Sven Blutaxt heranzutreten—denn etwas musste er versuchen—und ihm tatsächlich vorzuschlagen, ob man den Beginn der Fahrt nicht besser noch einmal um ein paar Tage verschob. Seine Frau Lîf habe letzte Nacht einen furchtbaren Sturm vorausgesehen, der Art, wie selbst die Ältesten unter ihnen noch nicht gesehen hätten. (Eine Frau, zumal Druidenschülerin, dürfe derlei Vorahnungen ja wohl haben, dachte Tristan sich dabei, während ein Mann sich damit nur lächerlich machte.)

Sven Blutaxt lauschte seinem Rat mit ernstem Blick. Er schien ihn gar zu erwägen. Zumindest schweifte sein Blick über das Wasser, suchte die anderen vier Drachen. (Ein fünfter Drache war über den Winter fertiggestellt worden, man hatte dieses Jahr einen großen Fang geplant. Zum ersten Mal, seit Tristan auf den Inseln lebte, wollte man sich ein Kloster vornehmen, doppelt so groß wie einst das bescheidene Gotburg.) Doch schließlich schüttelte Sven den Kopf. "Es ist gut, dass du es mir sagst, gut, dass deine Frau achtgibt! Deine Lîf wird uns eines Tages eine gute drudkvinde^[1] sein, wenn die alte Esja zu den Ahnen geht, aber noch hat sie viel zu lernen. Esja hat die Zeichen für uns gelesen, sie sagt, der Zeitpunkt sei günstig. Endlich! Darauf mussten wir dieses Jahr schon lange genug gewartet!" Ja, das stimmte. So spät wie in diesem Jahr war man in den vergangenen siebzehn Jahren nicht losgekommen. Und das schlechte Wetter war schuld. Tristan hätte sich eine bessere Erklärung ausdenken sollen. Er hätte sich denken sollen, dass man die alte Esja gewiss nach dem Wetter befragt hatte.

Jetzt, vor den aufgehäuften Schätzen des Klosters Sundheim, beschwor Tristan den Drachenführer erneut, trotzdem er kaum glaubte, erhört zu werden, trotzdem man so oder so zu spät dran wäre: "Sven, lass uns schnell zurück. Vielleicht"—sein Herz tat einen verzweifelten Satz—"vielleicht gibt es Überlebende!"

Wieder überlegte Sven. Tristans Hoffnung schwand, je länger der Drachenführer überlegte. Was er nicht ahnte: sein Ausbruch vorhin—für den er sich jetzt wohl schämen würde, beherrschte seine Sorge um Lîf nicht all seine Gedanken—hatte alles andere als lächerlich auf die Kameraden gewirkt. Als sei ein Blitz in ihn gefahren, so plötzlich hatte sich jeder Muskel in seinem Körper verkrampft. Die Augen waren Tristan derart im Kopf verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Das gequälte Heulen aus seiner Kehle: nichts menschenähnliches hatte es mehr. Ein Anhänger des Einen Gottes hätte sofort an Besessenheit gedacht und versucht, ihm den Dämon wieder auszutreiben, der in ihn eingefahren war, doch der neue Glaube hatte es noch nicht bis auf die Inseln geschafft. Und so griffen Tristans Fahrtenbrüder das Wispern auf, das einige der Älteren begannen, jene nämlich, die sich an die Erstürmung Gotburgs erinnerten, die dort als erste in die Kapelle gestürmt waren und Tristan hatten singen hören: Feenbalg.

Als das Wispern Sven Blutaxt erreichte, kam er endlich zu einem Entschluss. "Ich muss mich mit den anderen besprechen", sagte er. "Ich werde ihnen vorschlagen, dass zwei unserer Drachen daheim nach dem Rechten sehen." Ein Wink in Richtung des schönen Karls ließ diesen loseilen, die restlichen vier Drachenführer zu suchen und herbeizuholen.

Zweieinhalb Wochen später näherten sich also zwei schwer mit Schätzen beladene Drachen—falls Tristans Weib mit ihrer Vorahnung unrecht hatte, sollte die Fahrt wenigstens nicht umsonst sein—der Insel Jarlsö. Schon von weitem sahen die Heimkehrer, dass Hóp verwüstet und zu großen Teilen niedergebrannt war. Dort angekommen, durchsuchten sie die Trümmer, fanden weder Tier noch Mensch noch Vorräte noch Gerät noch irgendwas, das sich zu bergen gelohnt hätte. Auch keine Spuren.

Doch es gab Überlebende. Deren Wachposten, welche in den bald acht Wochen seit dem Überfall^[2] die See nicht aus den Augen ließen, falls die Plünderer zurückkehren würden—mit den eigenen Mannen rechnete man frühestens in drei Monaten—hatten die Drachen heranfahren sehen und eilten, nachdem sie die Schiffe als die ihren erkannten, von ihren Spähposten herbei. Tief hinein in den Wald hatte sich geflüchtet, wer konnte, und dorthin folgten Sven Blutaxt, Tristan und eine Handvoll Männer den Spähern jetzt. Das Wiedersehen zwischen Lîf und ihrem Gemahl vollzog sich lautlos. Das Gesicht barg Tristan an ihrem Hals, als er sie in die Arme schloss; Worte aber schafften es nicht an dem Kloß in seiner Kehle vorbei. 'Gaja sei dank, du lebst!' hätte er gerne gerufen und gleich darauf: 'Verzeih mir, Liebes, ich hätte nicht fahren sollen! Ich hätte auf dein Gefühl und mein eigenes hören sollen!' Und: 'Tut mir leid, dass du dies alles allein durchstehen musstest!' All dies blieb ungesagt; vielleicht erriet Lîf es aber trotzdem.

Sven Blutaxt wartete gerade einmal so lange, bis Tristan—höchst widerwillig—sich von seinem Weib löste, bevor er an Lîf herantrat. Als diese ihm bestätigte, was man beim Anblick der niedergebrannten Hütte am Dorfrand bereits befürchtet hatte: dass die alte Esja sich unter den Toten befand, sagte Sven, indem er den Kopf in ihre Richtung senkte: "Wir hätten auf dich hören sollen, drudkvinde. Sag uns jetzt, was wir tun müssen, wohin wir uns wenden sollen, und wir werden uns nach deinem Rat richten."

^[1] Värangsk für: Druidin
^[2] Der Überfall fand also statt, wenige Tage nachdem die Drachen gestartet sind. Die Angreifer müssen Späher postiert haben, um dies melden zu können.


Zwanzig Jahre auf den Inseln, achtzehn davon mit auf Fahrt, und Tristans Nase war heil geblieben. Eine Woche auf dem Festland unterwegs, allein mit seiner Frau, und drei Kerle hatten ihr Bestes versucht, sie ihm zu Brei zu schlagen. Den Streit aber hatte er begonnen.

Über ihn gebeugt und den Schaden begutachtend, seufzte Lîf. Auch der Rest von ihm sah wüst aus. Sie würde nicht alle seiner Verletzungen mit Gajas Hilfe heute noch versorgen können, sie musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. Rippen oder Nase? Das eine war für die Schönheit besonders wichtig, das andere vielleicht fürs Leben. Behutsam tastete sie seinen Brustkorb ab. Waren Rippen gebrochen? Sehr? Oder nur angebrochen? Nur angebrochen, entschied sie. Organe wären nicht in Gefahr. Dann durfte sie sich für die Schönheit entscheiden. Beherzt machte sie sich also an seiner Nase zu schaffen und rückte gerade hin, was ihrer Meinung nach gerade dahin gehörte. Dabei kümmerte sie sich weder um Tristans Protest noch seine Schmerzenslaute.

"Was musstest du auch mit den Dreien Streit suchen?" fragte sie ihn—in einem vernünftigen Ton, wie sie meinte.

Das fand Tristan aber nicht. Mehr noch: den Vorwurf fand er ungerecht, denn Streit gesucht hatte er nur mit einem. Die anderen zwei hatten sich ganz ungefragt eingemischt.

"Das fragst du?" rief er, als sie endlich einmal von seiner Nase abließ. "Er hat dich angefasst!"

"Das tun die männlichen Patienten manchmal", erklärte sie ruhig. "Glaubst du, in Hóp war das anders? Verletzte oder kranke Männer nehmen sich gern so einiges heraus. Ihre Angst dürfen sie ja nicht zeigen, also überspielen sie sie auf diese Weise."

"Zuhause? Zuhause soll dir einer mit der Hand unter den Rock...? Während du dich über ihn beugst, um ihm einen faulen Zahn zu ziehen?"

"Vielleicht nicht ganz so dreist, aber viel hat nicht gefehlt. Der schöne Karl war durchaus bekannt mit dem Körperteil, von dem er dir riet, du sollest es mir verdreschen. Er fasste da gerne mal zu."

Tristans Unglaube wandelte sich in Empörung. Wenn Lîf derart klare Worte sprach, war daran nicht zu zweifeln; ihn auf diese Weise belügen würde sie niemals. "Dann hättest du mir das sagen müssen!"

Lîf lachte. "Damit du dich mit ihm prügelst und ich dich hinterher zusammenflicken darf? Nein danke! Nun tu nicht immer so, als wüsste ich mich selbst gar nicht zu wehren. Das vorhin zum Beispiel war völlig unnötig. Mund auf, Zange hinein—schon hätte der Kerl aufgehört."

Tristan erwiderte nichts darauf, was hauptsächlich daran lag, dass sie wieder an seiner Nase herumdrückte. Einige Male hielt sie kurz inne, um ihr Werk mit kritischem Blick zu prüfen. Endlich damit zufrieden, legte sie ihm beide Hände auf die Wangen und sandte ein Gebet an Gaja. Das Gefühl, das Tristan dabei durchströmte, hatte er schon einige Male erfahren dürfen, und noch immer fand er keine Worte, es zu beschreiben. 'Wie ein kleines Kind geborgen im Arm seiner Mutter' kam der Sache vielleicht am nächsten, traf sie aber nicht ganz. Danach jedenfalls war der Schmerz verschwunden. Also der im Gesicht.

"Aber du kannst mir sagen, was du willst", schlussfolgerte er, als sie fertig war. "Dieses von dir vielgepriesene Prinzip 'ehrlichen Lohn für ehrliche Arbeit' funktioniert auch nicht besser als unser Motto 'ein freier Mann nimmt sich, was er haben will'. Tatsächlich erscheint das unsere mir ehrlicher."

Lîf schaute fragend, also führte er aus: "Drei Silber hat der Kerl uns versprochen, wenn du ihn von seinem wehen Zahn befreist. Ja und, wo ist das Geld? Der Zahn war doch hinterher draußen."


Nach dem Abendbrot in der Wirtsstube, für dessen Dauer ein Waffenstillstand ausgemacht war, ging der zuvor begonnene Streit nahtlos weiter. Noch immer stritt man wegen Geld und der Arbeit.

"Ich will das nicht!" sagte Tristan. Er begann ungefähr in der Lautstärke, in der man zuvor geendet war. Wahrscheinlich hätte man genausogut in der Wirtstube weiter diskutieren können; es bekam so oder so wohl das halbe Haus mit. "Und wenn du mal richtig überlegen würdest, müsstest du einsehen, dass du so etwas von keinem Ehemann erwarten kannst: dass er ruhig zusieht, wie andere Männer seine Frau begrabschen! Also nein und nochmals nein! Ich erlaube nicht, dass du deine Heilkünste jedem Dahergelaufenen gegen Geld verkaufst!"

"Und wovon sollen wir dann leben?" gab Lîf ebenso erregt zurück. "In drei Tagen geht uns das Geld aus! Was essen wir dann? Was du mit der Schleuder erlegst? Glaubst du, wir kommen so bis zu meiner Familie hoch? Und wenn wir dann oben sind? Wir brauchen doch ein Auskommen! Wir können den Eltern doch nicht auf der Tasche liegen! Und außerdem, was sollen meine Eltern von uns denken, wenn wir so abgerissen daherkommen!"

Damit legte sie den Finger natürlich genau auf Tristans Wunde. Ja, was sollten ihre Eltern nur von ihm denken. Was sollte er selbst von sich denken? Ein Mann, der es nicht schaffte, seinem Weib ein Heim zu bieten, Schutz und Geborgenheit, einen warmen Herd, Essen auf dem Tisch, einen halbwegs sorgenfreien Blick in die Zukunft... Nichts davon konnte er seiner Lîf mehr bieten, verloren war alles, so sah die Wahrheit aus! Und dennoch hatte er sich von ihr überreden lassen, sich von den Seinen zu trennen, mit deren Hilfe er einiges davon hätte zurückgewinnen können! Hatte sich zu zweit nur mit Lîf auf den langen Weg zu ihren Eltern und ihrem Clan gemacht. Ein hoffnungsfrohes Bild hatte sie ihm gezeichnet; nicht einen Moment daran geglaubt hatte er. Er hatte nur nachgegeben, weil er ahnte, dass sie es ihm nie verzeihen würde, wenn er ihr diesen Herzenswunsch versagte. Weil er Angst hatte, sie auch noch zu verlieren. Was hielt sie denn bei ihm? Was hinderte sie daran, jetzt wo man auf dem Festland war, dem Mann, der sie gegen ihren Willen geraubt, gegen ihren Willen gebettet und zu seinem Eheweib gemacht hatte, eines Nachts einfach davonzulaufen?

Nichts.

"Ich könnte mir auch andere Arbeit suchen", schlug Lîf vor, im Ton versöhnlicher. Offenbar las sie ihm die Seelenqual an der Miene ab. "Ich bin nicht ungeschickt mit Lederarbeiten... Mit Tieren kann ich auch umgehen... mit der Landarbeit kenne ich mich bestens aus. Es ist doch bald Erntezeit, da wird immer jemand gesucht..."

"Die Arbeit einer Magd willst du verrichten? Was denkst du dir! Wo soll das enden? Im Bett des Herren, der dir befiehlt? Kommt nicht in Frage!"

"Na, dann schlag du mal was vor!" rief Lîf erbost. "Erklär' du mir mal, wie wir an Lohn und Brot kommen sollen, wenn nicht durch meiner Hände Arbeit!"

"Durch meiner Hände Arbeit!" rief Tristan und senkte darauf den Ton. "Der Baumeister vorhin am Nachbartisch, mit dem holden Töchterlein, der will morgen los, hast du nicht gehört? Nach Kromdag soll es gehen. Einen fetten Beutel hat der dabei und reist nur mit einem Gesellen! Den könnte ich mir schon vorknöpfen, das trau ich mir wohl allein zu!"

Lîf machte einen Schritt auf ihn zu, beide Arme in die Hüften gestemmt. "Wir sind jetzt auf dem Festland", zischte sie. "Hier nennt man so etwas 'gemeinen Straßenraub' und nicht 'Arbeit'! So glaub mir doch! Du kannst nicht einfach so weitermachen wie bisher, du hast jetzt ein Weib und bald schon ein Kind! Was soll denn aus uns werden, wenn du an den Galgen musst?"

Tristan erstarrte. Hatte sie da gerade gesagt...? Meinte sie damit...? "Du... du bist..." stammelte er. "Du meinst, ich werde... wir werden... Ja, bist du dir auch sicher? Weißt du's gewiss? Wie lange noch?"

Seine Frau verdrehte die Augen. "Ja, mein Gemahl. Du wirst, wir werden, und ich weiß es gewiss. Nicht wahr, du siehst nun, warum ich meinen Beruf ausüben muss? Mit der Heilkunst lässt sich gut über die Runden kommen, damit lässt sich für drei ein Auskommen verdienen. Im dritten Mond bin ich erst, das Kind wird also ein Winterkind, aber weit hin zum Frühling wird's nicht mehr sein."

"Ich werde Vater", murmelte Tristan verzückt und blieb doch stur. "Dann kommt erst recht nicht in Frage, dass du arbeitest! Mit meinem Kind unter dem Herzen! Kranke versorgen, die dir die schrecklichsten Leiden antragen könnten? Und du stirbst mir darauf weg und das Kind gleich mit: niemals!" Er streckte den Arm nach ihr aus, versuchte sie zu sich heranziehen. "Lîf, Liebes, du hast mich so glücklich gemacht! Ein Kind! Unser erstes Kind! Ach, da sieht die Welt doch schon viel heller aus! 'Alles hast du verloren!' dachte ich, 'außer deiner Lîf!' Und nun erfahr ich, dass ich noch einmal so viel wie dich gewonnen hab'!"

Trotz der lieben Worte aber entwand sein Weib sich seinem Griff und wich vor ihm zurück.

"In Kromdag, habe ich gestern gehört, wird eine neue Kirche gebaut. Hunderte von Arbeitern werden gesucht, wenn nicht gar tausende. Das wäre ein leichtes für einen kräftigen Mann wie dich, dort Anstellung zu finden."

Eine Kirche? Eine Kirche bauen sollte er helfen? Was dachte sich sein Weib? Sieben Jahre lang hatten die Mönche ihn gequält, um ein Haar verrückt wäre er in ihrer "Obhut" geworden—und er sollte auch nur einen Finger krumm machen für ihren Gott, den 'einzig wahren'? Tristan musste lachen.

"Na, ich hör' wohl nicht recht. Und das schlägt eine Priesterin Gajas vor. Eine Kirche!"

"So, das ist als auch unter deiner Würde als ehemaliger Gutsherr!" schimpfte Lîf und senkte dann die Stimme. "Oder ist's der Seeräuber, an dessen Würde jegliche Form der Arbeit kratzt?" Schließlich zuckte sie aber mit den Schultern und sagte ebenso resigniert wie entschlossen: "Gut, dann verkaufe ich eben meinen Schmuck. Etwas anderes bleibt mir nicht."

"Deinen Schmuck? Was, nein, bevor du das tun musst, fällt mir schon noch was ein! Ich habe nämlich gestern gehört, dass ein gewisser Lord Ajrin tüchtige Männer sucht, die eine Waffe zu schwingen wissen. Das wäre wohl die rechte Arbeit für mich. Ist sie dir ehrlich genug? Dann will ich mich bei ihm melden. Nun sei aber ein Herz und mir nicht mehr bös'. Ich tu' doch alles für dich—und noch viel mehr!—ehe ich dich oder mein Kind Not leiden ließe."

Und Tristan zog seine Lîf in den Arm und sie ließ es geschehen, und der Tag endete in stiller, glücklicher Zweisamkeit.

"Ein Kind bekommen wir", murmelte Tristan noch kurz vor dem Einschlafen. "Dann mag dein Vater sich rühren lassen. Dann erschlägt er mich vielleicht nicht gleich auf der Stelle, wie es sein gutes Recht wäre, weil ich ihm ohne seine Einwilligung die Tochter verführt habe!"

Das erklärte, so im Nachhinein, dachte Lîf, warum ihr Gemahl sich so gesträubt hatte, als sie ihn von Herzen bat, doch mit ihr gen Norden zu ziehen, damit sie ihre Familie wissen lassen könne, dass sie noch lebe und es ihr gut ginge. Manchmal wäre es wirklich hilfreich, wenn er die Dinge, die ihm Sorge bereiteten, auch aussprechen würde. Das aber verbot wohl das stolze Männerherz! Und so endete der Tag für sie fast so, wie er begann: mit einem tiefen Seufzer.

• Ein bisschen zu stolz auf die Lebensweise der Insel-Clans und seinen Status als freier Mann (bis vor kurzem vermögend).
• Sein Gewissen ist unbelastet von den Raubzügen—so funktioniert halt die Welt. Und doch ist er nicht ganz so grob und wild wie die Fahrtenbrüder. Übertriebene Grausamkeit lehnt er ab.
• Tatsächlich hat er sich sogar die Fähigkeit zu Mitgefühl bewahrt, obwohl diese in achtzehn Jahren des Plünderns, Mordens und Brandschatzens doch reichlich abgestumpft ist und ihm zusätzlich erschwert wird durch die feste Überzeugung, dass jeder Mann sich selbst und die Seinen (bzw. sein Hab und Gut) zu schützen habe - oder er hat sie (es) nicht verdient. Trotzdem ist diese Fähigkeit noch da und könnte womöglich wieder erstarken.
• Verantwortungsbewusst. Er versorgt und schützt die Seinen, steht zu seinem Wort und seinen Taten. Seinen Leibeigenen ist er ein strenger, aber guter und gerechter Herr. Sein abschreckendes Beispiel: so hausen wie Olav (der alte Skalde, den er beerbt hat) im eigenen Heim würde er niemals wollen. Seine Knechte und Mägde (ganz zu schweigen vom eigenen Eheweib!) muss man auch ohne ständiges Rumprügeln in den Griff bekommen. Er legt auch nicht alles flach, was sich nicht wehren oder schnell genug weglaufen kann—auch da ist Olav ihm abschreckendes Beispiel. Ohne allzu weichherzig zu sein—er verlangt von seinen Leibeigenen so viel harte Arbeit wie andere Herren auch—behandelt er sie jedoch besser als die meisten.
• Ein ehrlicher Mensch im oben erwähnten Sinne: ein Mann steht zu seinem Wort und zu seinen Taten. Darüberhinaus hat Tristan sich aber noch keine großen Gedanken zu Wahrheit und Lüge gemacht, vertritt keine philosophische Grundsatzposition weder für das eine noch das andere. Auf der Welt wird auch mal getäuscht und gelogen, das ist unvermeidlich.
• Sein Lebensmotto hat er ganz von seinen Fahrtenbrüdern übernommen (s. Signatur). Der Ehrenkodex, dem er folgt, die Ansichten über die Gesellschaftsordnung, beides entstand unter starkem Einfluss seines Insel-Clans und dürfte den Festländern ein wenig archaisch anmuten.
• Er teilt auch den Pragmatismus der Insel-Clans und die Akzeptanz der Dinge, wie sie sind. Vielleicht ist er manchmal sogar ein wenig zu schicksalsergeben. Jedenfalls stellt er die Ordnung der Welt selten in Frage und es müsste schon sehr viel geschehen, dass er gegen eine bestehende Ordnung vorgehen würde in der Absicht, sie zu stürzen oder zu ändern.
• Über Frauen allerdings denkt er ein wenig anders als seine Fahrtenbrüder, etwas weniger praktisch/materiell. Auch wenn es lang her ist und er sich kaum an sie erinnern kann: bis zu seinem 7. Lebensjahr war er ein rechtes Muttersöhnchen. Geblieben davon ist eine mythisierende Verehrung des mütterlich-weiblich-schönen.
• Anpassungsfähigkeit: Ein guter Mönch wäre er wohl nicht geworden, aber die Leichtigkeit, mit der er sich nach sieben behüteten Jahren und sieben stillen Jahren im Kloster an das rauhe Inselleben gewöhnt hat, ist schon erstaunlich. Man kann nur hoffen, dass er sich diese Fähigkeit bis auf den heutigen Tag (20 Jahre später) bewahrt hat und er sich auch in seine neue Situation einleben und das Beste daraus machen wird.
• Der Mann, der ins Horn stößt: Man könnte es für Mut halten, für Todesverachtung, für Draufgängertum, und so rechnen die Fahrtenbrüder es ihm an, aber eigentlich denkt Tristan sich einfach gar nicht viel dabei: er ist der Mann, der ins Horn stößt, und als solcher muss er immer vorne mit dabei sein, sich als einer der ersten ins Schlachtengetümmel werfen. Wer wenn nicht er? Und sterben kann man in der letzten Reihe so gut wie in der ersten. Letztlich bestimmt einzig das Schicksal, wer stirbt und wer lebt.
• Ein Zugvogel ist er - wie könnte es anders sein? Dem Heim der Kindheit entrissen, sieben Jahre in einem engen Käfig gelitten, lebte er die folgenden zwei Jahrzehnte unter den freien Männern von Rûngard. Achtzehn der alljährlichen Fahrten hat er mitgemacht—war also jedes Jahr vier bis sechs Monate auf See—ein Zugvogel unter Zugvögeln! Die Heimkehr war ihm stets ein Greuel... bis er seine Lîf gefunden hat. Plötzlich war die Sache andersherum, plötzlich zählte er jeden Tag, bis die Drachen umkehrten und es wieder in Richtung Jarlsö ging. Im zweiten Jahr ihrer Ehe wäre er am liebsten gar nicht mitgefahren. Aber auf den Inseln zählte ein Mann, der nicht (mehr) mit auf die Fahrten ging, zum alten Eisen. (Oder, war er dafür noch zu jung, als Feigling, Schwächling, Waschweib!)
• Summa summarum: In ihm steckt ein guter Kern, wenn auch tief verborgen unter zu viel rauher Schale.

Braune Augen, braunes, windzerzaustes, gut schulterlanges Haar, das ihm meist im Gesicht hängt; oft mit geflochtenen dünnen Zöpfchen, die über beide Schläfen hinabhängen. Vollbart mit zwei deutlichen Graustreifen (Mundwinkel bis zum Kinn hinunter), außerdem etwas Grau entlang der Unterlippe. Eine ganz leicht spitz zulaufende Nase, die noch niemals gebrochen wurde (auf den Inseln eine Seltenheit; s. aber HG, Teil V) und auch sonst aus nicht ganz erfindlichen Gründen zum attraktiven Blickfang wird—vielleicht, weil sie oft das einzige ist, das von seinem Gesicht unter all dem darüber hängenden oder auf ihm wachsenden Haar sichtbar ist? Seine Hände sind im Vergleich zu seinen Fahrtenbrüdern schmal und feingliedrig, obwohl grobe Pranken im Vergleich zu auf dem Festland ausgebildeten Sängern und Spielleuten.

Die Tättowierungen verdient sich ein Insel-Mann auf seiner ersten Fahrt, üblicherweise mit 15 (bei Tristan 16). Trotzt er den Gefahren der See mit Todesmut, darf er sich die rechte Wange tättowieren; wirft er sich mit Todesverachtung in den Kampf mit dem Gegner, darf er sich die linke Wange tättowieren, Motiv jeweils nach Wahl. Tristan hat links und rechts je eine (relativ kleine, spiegelverkehrt-identische) Tättowierung auf dem Jochbein: eine stilisierte Schwertspitze. (Spitze zeigt Richtung Nase, Aussparung für die "Blutrinne".)

Er trägt eine beschlagene Lederrüstung, ein langes Messer (Sax, Werte Kurzschwert) am Gürtel, auf der anderen Seite ein Signalhorn, auf dem Rücken ein für die Insel-Clans typisches (im Vergleich zu anderswo kurzes) Langschwert (hab's mal "Rûngard-Schwert" genannt, Werte Langschwert) und einen lederbezogenen Rundschild aus Holz (Werte Leichter Schild).

Lîfs erster Eindruck von ihrem späteren Ehegatten.



In der Halle des Jarls, als Tristan die wenige Stunden zuvor vollzogene Ehe offiziell macht: "Auf mein schönes, kluges Weib!"

(10 + 2 GE-Mod + 3 Armor-Mod + 1 Shield Mod)

(+2 GE-Mod)

(+3 Grundbonus +2 GE-Mod)

(+3 Grundbonus -1 WE-Mod)

(+0 Grundbonus +0 KO-Mod)

cantrip: summon instrument oder prestidigitation, light
1st lvl.: aspect of the siren, tap inner beauty
2nd lvl.: Wissen & Wahrnehmung: Acute Senses, Ancestral Communion oder Focused Scrutiny; Social graces: Detect Desires, Build Trust, Suggestion; Körper: Cat's Grace; Kampf: Sonic Scream, sound burst, oder piercing shriek.

Bewohner von Hóp:
Jarl Gisle Gunmarson
die alte Esja, drudkvinde

Tristans Drachenbrüder:
Sven Blutaxt, Drachenführer
der einäugige Ansgar
der schöne Karl

Tristans Fahrtenbrüder:
Jasper
der rote Gunnar
der alte Ole: einer von denen, die damals als ernste in die Kapelle stürmten, in der Tristan sang.

Die Rûngard-Inseln: ein Labyrinth hunderter kleiner und immerhin noch ein paar dutzend größerer, wild zerklüfteter Inseln süd-östlich von Albion (ein gutes Stück weiter draußen auf dem Meer), auf der Höhe des Gjolkard-Walls.
 
Tristans Clan lebt im nördlichen Teil dieser Inselgruppe auf vier dieser Inseln verteilt. Die größte davon, auf der auch Tristan wohnt - Sitz des Hauptdorfes, in dessen Mittelpunkt wiederum die Jarlshalle steht - heißt Jarlsö. Die drei kleineren, mit einem Ruderboot gut erreichbaren, sind Ingla, Seeholm und Wodland. Das Hauptdorf auf Jarlsö heißt Hóp, was nichts weiter als 'große Siedlung' bedeutet.

Der Jarl von Hóp zu Tristans Zeiten: Gisle Gunmarsson

Zu den "Wikingern": die Dalaraner sind ja gewissermaßen selbst Wikinger, aber eben etwas zivilisierter/ländlicher. Mein Vorschlag: Es gibt einige kleinere Inseln südlich von Albion, ungefähr auf Höhe des Gjolkard-Walls, wo die hartgesottenen "Ur-Wikinger" leben. Die sind weniger zivilisiert, sprechen einen anderen Dialekt und haben eben noch die alten Riten von vor der Zeit König Kuijts, der die Raubzüge reduziert und die Dalaraner zu mehr Sesshaftigkeit, friedlicher Arbeit erzogen hat. Übrigens nicht weil er so ein herzensguter Mensch war, sondern weil er erkannt hat, dass Dämonen, Kolkar und andere Nationen die Clans auslöschen werden, wenn sich diese ständig miteinander zanken, anstatt eine gemensame und starke Front zu bilden.

Diese Ur-Wikinger waren von Kuijts Renaissance nicht erfasst und leben noch nach den alten Riten. Sie haben Tristan geraubt und dann irgendwann auch Lif.

Albion & Rûngard:
Kalte Meeresströmung aus Nord-Ost. Tierwelt wie nördliches Schottland / Inseln, Skandinavien / Küste.
(Warme Meeresströmung auf der anderen Seite Dalarans aus Südwesten; Tier- und Pflanzenwelt Nordfrankreich. England.)

Ist er chaotisch neutral oder rechtschaffen gut? Das fiel mir schwer zu entscheiden. "Neutral" als Ausweg der Mitte trifft es aber auch nicht.

• Solange er seine Seeräuber-Vergangenheit nicht überwunden hat und die Ansichten, die dahinter stehen, kann man nicht wirklich sagen, dass er "gut" ist. Die Küsten des Festlandes und auch Albions leben in Angst und Schrecken vor dem Auftauchen der Drachen. Raub, Mord, Brandschatzen, gelegentlich auch Frauenschändung - an all diesen Taten hat Tristan sich beteiligt. Dabei mag er im Vergleich zu seinen Fahrtenbrüdern allerdings noch als "gut" gelten, da weniger grausam als sie. Unter Lîfs Einfluss, und von den Fahrtenbrüdern getrennt, gäbe es da durchaus Entwicklungspotential.
• Das mit dem "rechtschaffen" ist auch so eine Sache: er hält sich rechtschaffen an die Gesetze seiner chaotischen (!) Insel-Clans. Es gilt das Recht des Stärkeren. Diese Weltenordnung leugnen oder bekämpfen zu wollen ist zwecklos. Wer stark ist, kann aber beschützen, was ihm wichtig ist: die Familie, den Hof, die Heimat. Auch wenn er keine Sippe hat, ist Tristan überzeugt: es gibt nichts wichtigeres als den Zusammenhalt und das Wohl der Sippe. Dem haben sich individuelle Interessen unterzuordnen. In diesem (zweierlei) Sinne meine ich rechtschaffen: der vorhandenen Ordnung schicksalsergeben; rechtschaffen sorgt er für die Seinen.

Tristans Ansichten zu seiner Magie:

Laut Meister stammen Tristan magische Fähigkeiten von seiner Sirenen-Vorfahrin, doch das nutzt als Erklärung für ihn nicht, da er selbst nicht weiß, dass er eine solche besitzt. Es gibt zwar die Familienlegende, dass ein Urahn von der Insel der Schwestern auf Loch Leskos mit einem Neugeborenen zurückkehrte und diesen seiner Frau, statt der eigenen Totgeburt, als ihren leiblichen Erstgeborenen unterjubelte, und das ebendieser die Linie fortführte, aber man weiß nicht so recht, ob man das glauben soll. (Das tatsächliche Ereignis ist schon 9 Generationen her, plus minus.)

Außerdem weiß Tristan nichts über Sirenen, außer dass sie mit ihrem Gesang Männer verführen. Wie erklärt dass, warum er mit einem Gedanken ein Feuer entfachen kann? Und wie wirkt eine Sirene ihre Magie, d.h. wie fühlt es sich für sie (und damit für Tristan) an, wenn es eben nicht im Weiterleiten göttlicher Kräfte besteht, aber auch nicht in einem schmerzhaften Zugriff auf das Feuernetz?

Wie erklärt Tristan sich also seine Magie?

• Nun, ein Berührter ist er nicht, also muss er ja ein Auserwählter sein, aber wer hat ihn auserwählt: Gaja oder der Eine Gott? In seinen dunkelsten Stunden fällt sein Verdacht gar auf Urian. Schließlich hat Tristan sein Lebtag noch nichts getan, dass die wohlgesonnene Aufmerksamkeit Gajas oder des Einen Gottes auf ihn hätte lenken können.
• Seine zweite, zumeist vordringliche Sorge: er sieht die Gefahr, dass wenn er seine magische Gabe der falschen überirdischen Macht attributiert, dass die andere, tatsächliche darauf beleidigt ist und sie ihm wieder wegnimmt, oder aber ihn auf andere, vielleicht noch schlimmere Weise bestraft
• Die ungeklärte Frage nach dem Geber erklärt auch seine durchaus vorhandenen Bedenken im Vorfeld des Überfall auf das Kloster Sundheim vor einigen Wochen—obwohl er diese überspielt hat, vor sich selbst und den Fahrtenbrüdern, indem er beim Morden, Plündern und Brandschatzen besonders eifrig mit dabei war. Und jetzt? Jetzt sucht er schon Zusammenhänge zwischen dem brutalen Überfall auf Gottesmänner und dem eigenen Unglück, jetzt plagen ihn schon Zweifel, Ahnungen, Gewissensbisse.
• Davon unbenommen könnten seine Vermutungen im Laufe des Abenteuers auch einige Schritte in Richtung der Wahrheit tun. Und von Ahnengeister kann er sich trotzdem umgeben wähnen.

Wie fühlt es sich für ihn an, wenn er zaubert?

• Bzw. muss er ja eigentlich zu jedem Zeitpunkt das magische Blut in sich spüren (für ihn allerdings der Normalzustand, sodass er nicht ahnt, dass es für andere Menschen nicht normal ist, auf diese Weise zu fühlen und seine Umgebung wahrzunehmen).
• Tristan spürt da etwas so gerade eben an den Grenzen seiner Wahrnehmung. Stimmen, Klänge, harmonische (oder auch disharmonischen) Schwingungen. Meist beachtet er sie nicht, sind sie ihm natürliche Hintergrundgeräusche. Manchmal lauscht er genau hin. Wenn er textet oder komponiert. Wenn er Fragen an das Schicksal hat und nach Zeichen sucht. Wenn er zaubert.
• Vielleicht versetzt Tristan sich manchmal in eine (schamanistische) Trance, unterstützt durch sein Flötenspiel oder Singen und durch halluzinogene Kräuter oder Pilze sucht er die Grenzen der Wahrnehmung zu sprengen, sucht er Kontakt mit den Ahnen.
• Aber Achtung: ich möchte weder zu nah an den Druiden noch an das Orakel geraten. Tristans Zugang zur Magie soll doch sehr wesentlich über die Musik/die flüchtigen Sphärenklänge erfolgen. Die Welt ist eine Symphonie, jedes Ding darin, ob lebendige Natur oder von Menschenhand gefertigtes Ding, hat sein eigenes Thema darin, oder zumindest seine eigene Variation/Interpretation deselbigen, unterscheidet sich von anderen in Klangfarbe, Tempo, Lautstärke, Reinheit der Klänge, Präzision der Rhythmen...