Ein erster Pakt (Anzeigen)Als er erwachte spürte er nichts als Schmerzen. Sein ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Aber dies bedeutete, dass er noch am Leben war. Und das war das wichtigste. Zu Überleben. Dann schwand ihm wieder das Bewusstsein. Und das war vermutlich sein Glück. Er erwachte irgendwann, irgendwo, aber sie waren fort. Er war alleine. Es fühlte sich wie Erleichterung an, aber nur kurz. Denn dann erinnerte er sich, was zuvor geschehen war und Tränen stiegen ihm in die Augen. Tränen der Trauer und Tränen der Schmach. Was sie seiner Mutter angetan hatten... Eine Welle aus Ekel strömte durch seinen Körper und er erbrach sich lautstark. Er hatte seit zwei Tagen nichts gegessen, aber sein Körper versuchte wohl, die furchtbaren Erinnerungen loszulassen, sich zu reinigen. Danach sackte er zurück, noch erschöpfter als er vorher gewesen war. Er schloss die Augen. Er war müde, er war am Ende, was hatten sie alles auf sich genommen, um das richtige zu tun, richtig zu sein. Ihr Leben lang hatten sie sich angestrengt und doch nur Verachtung und Erniedrigung erfahren, von den Richtigen, dem Menschen. Doch am Ende war alles nur eine Lüge gewesen. Die Worte von Ehre, Verantwortung, dem Kampf für das Gute. Er war müde, er wollte schlafen. Für immer.
Später hatte er überlegt, wie lange er dort wohl gelegen hatte, aber er konnte es nicht sagen. Es war hell geworden, und wieder dunkel, es hatte geregnet, die Sonne hatte ihn gewärmt. Die Zeit hatte aufgehört, etwas zu bedeuten, etwas zu sein. Wie ein Bach an dessen Ufer man liegt und egal wie viel Wasser fort fließt, es kommt immer neues. Es hat keine Bedeutung. Nichts hat Bedeutung. Er war müde.
Etwas ließ ihn hochschrecken. Ein Geräusch, eine Berührung, ein Flüstern? Er sah sich um, es war dunkel, aber das machte für ihn keinen Unterschied. „Du lebst ja tatsächlich noch, das ist interessant.“ War das eine Stimme gewesen, hatte er das wirklich gehört oder spielte ihm sein Geist nur einen Streich? Er sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. „Na Kleiner. Bist wohl doch zäher, als du aussiehst. Das ist das gute Blut in deinen Adern. Das stärkere Blut. Und was jetzt? Willst du wieder aufstehen, zurückkehren und dich weiter prügeln lassen? Willst du weiter in den Krieg ziehen für diese Leute? Weiter für diese Frau kämpfen, deren Anhänger so etwas getan haben? Du hast gesehen, wie sie wirklich sind.“
Wie sie wirklich sind. Wie eine Faust trafen ihn wieder die Erinnerungen, sah er die Bilder vor sich, hörte er ihre Schreie. Wieder liefen Tränen seine Wanger hinunter. Seine Eltern hatten immer gut von ihnen gesprochen, hatten geglaubt, wenn sie sich nur noch mehr anstrengen, werde man sie tolerieren und eines Tages vielleicht sogar akzeptieren. Sie hatten so viel Hoffnung gehabt. Wieder liefen die Tränen, doch aus den Tränen der Trauer wurden zunehmend Tränen der Wut. Sie waren alle gleich. Verlogen, Verdorben, Abschaum. Er hatte es im er gewusst. Sie waren so naiv gewesen, so dumm! Und sie hatten dafür bezahlt, einen viel zu hohen Preis. Einen viel zu hohen Preis an die Göttin, die einen gerechten Krieg gegen das Böse predigte, einer Göttin, deren Anhänger immer das richtige taten, aber doch auch nur wie die Tiere waren.
„Und jetzt, was willst du.“ Er überlegte. Und in seinen Geist formte sich ein ungeheurer Gedanke. Wurde größer und größer und stärker. Und dann wurde er in Worte gegossen, nicht lauf, mehr wie ein Geflüster. Aber die Worte waren stark, sie gaben ihm Kraft. „Sie sollen dafür bezahlen.“
Dann traf ihn ein Schlag, er spürte Schmerzen, schmeckte Blut und alles wurde wieder schwarz. Aber kurz bevor er das Bewusstsein wieder verlor, war da wieder diese Stimme. „Kehre Heim. Dort wirst du vollbringen können, was du dir wünschst, was deine Aufgabe ist. Kehre Heim und kehre zurück auf den rechten Weg.“
Und so machte er sich auf, fand seinen Weg und kehrte Heim. Und irgendwann führte ihn die Stimme an den Ort, an dem er jetzt war. Nun war er Ultor, er hatte vergessen, wer er vorher war. Aber nicht, warum er hier war. Hier würde sein neues Leben beginnen, seinen neue Aufgabe.