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« am: 14.03.2021, 10:11:08 »
Die kleine Gruppe Abenteurer saß still an einem jener Tische, die im Ashabenforder Ratskeller etwas abseits in einer der vielen aus Stein gemauerten Nischen positioniert worden war. Der ehrwürdig alte Keller wirkte trotz seiner ansehnlichen Größe doch recht gemütlich, die Gäste unterhielten sich, spielten Karten oder würfelten, manche witzelten und hin und wieder war ein lautes Lachen zu hören. Die Stimmung war freundlich und entspannt, die Ereignisse der ersten Tageshälfte längst vergessen.
Der nachdenkliche Kleriker, der pelzige Kämpfer, die glänzende Adelige und die mysteriöse Schöne gehörten zusammen, auch wenn neugierigen Augen auffiel, dass die Gespräche aufs Nötigste beschränkt waren, seitdem vor gut einer Stunde jeder der vier aus seiner Kammer im Obergeschoss hinunter in den Schankraum gekommen war. Im Gegensatz zur ausgelassenen Stimmung rund um sie herum, beherrschten nachdenkliche Minen die Gesichter der Helden.
Aelar starrte ruhig in seinen Krug, während er innerlich noch immer mit sich rang. Alles was an diesem Tag geschehen war, von der Ankunft in der Handelsstadt, dem Treffen mit dem verzauberten Widder, der Verfolgung, der Bedrohung, dem Kampf vor der Stadt, dem Marsch durch den Wald, den unglücklichen Verzauberten, der endgültigen Auseinandersetzung bis zu dem seltsamen Ausgang ihrer Mission - der junge Mann spielte alle Stationen immer wieder durch und beurteilte sein Handeln, als würde er über sich selbst richten. Hatte er das Rechte getan? Was hatte er über sich selbst erfahren und was bedeutete das für seine Zukunft? Vor dem heutigen Tage war ihm nicht bewusst gewesen, wozu er fähig war - welche Macht in ihm schlummerte und was er bereit war, damit anzustellen.
Der Tabaxi stellte ähnliche Berechnungen an, nur dass sich sein Augenmerk eher auf Kosten und Nutzen ihrer Expedition widmete. Er war es gewesen, der den alten Knacker an seine Versprechen erinnert hatte. Auf Kites Drängen hatte der Elf ihnen aus einem der vielen Astlöcher eine mittelgroße Börse voller Goldstücke herbeigezaubert. Damit hatten sie sich für die Nacht im Ratskeller einmieten können und würden einige Wochen recht gut speisen, egal wohin sie nun ziehen würden. Jedoch war der Aufwand in den Augen des Kämpfers ein größerer gewesen. So hatte er den mittlerweile recht abweisenden Zauberer unzufrieden angeknurrt. Mochte es die Zeit als Huftier gewesen sein, oder ein ausgeprägter Selbsterhaltungstrieb - Finethir rückte noch mit einer Karte heraus. Darauf war ein Weg eingezeichnet, der sie nach etwa fünf Tagen Reisezeit zu Pferd zu einem Berg führen könnte, in dem Finethir behauptet hatte, einen kleinen Hort angelegt zu haben - für schlechte Zeiten. Welche Gefahren ihnen diesen Weg und die Bergung des vermeintlichen Schatzes erschweren würden, war nicht absehbar.
Lady Catalina, die anhand des einfachen Geschirrs und der bescheidenen Zimmer noch immer etwas enttäuscht von ihrem Gasthaus war, hatte den Ex-Widder dann endgültig vergrault. In höchstem Maße taktvoll - so zumindest sah sie es - hatte sie das hässliche Männlein darauf aufmerksam gemacht, dass es sich nicht gebührend bedankt hatte. Etwas Gold und Papier mochten ja für diese Gegend ausreichend sein, doch ein paar gute Manieren konnte selbst ein traumatisierter Elfenzauberer an den Tag legen. Frechheit! Eigentlich hätte sie sich auch in der Stadt einen anderen Empfang erwartet. So saß sie ein wenig beleidigt mit den anderen am einfachen Holztisch und kratzte mit einem der Fleischmesser abwesend auf der Tischplatte herum.
Allein Elizas zierliche Gestalt war auf dem Stuhl leicht zurückgelehnt. Ihre Arme waren verschränkt. So anziehend und offen sie an manchen Tagen wirken konnte, so verschlossen und geheimnisvoll gab sie sich jetzt. Auch wenn der Wechselbalg bestimmt nicht die eindrucksvollste Gestalt in ihrer Reisegruppe darstellte, so war es doch die schöne Frau gewesen, die die Schankmaid bei der Bestellung immer wieder nervös von der Seite aus angeschaut hatte. Was in ihrem Kopfe vorging, das blieb für alle anderen im Verborgenen. Offensichtlich beschäftigte sie etwas. Maeve hingegen wippte fröhlich über ihnen auf einem der riesigen Streben, die sich an der Decke des hohen Raumes befanden. Immer wieder blitzten ihre kleinen Augen auf - Möglichkeiten für kleine Streiche gab es hier wahrlich genug. Sie fühlte sich wohl prächtig unterhalten in dem gutbesuchten Gemäuer.
Für die vier Gefährten war dieses Abenteuer vorerst zu Ende, auch wenn der Ausgang für manche von ihnen mehr Fragen als Antworten aufgeworfen hatte. Was war wohl der nächste Schritt? Würden sie zusammen nach einem neuen Abenteuer suchen, oder Finethirs Hinweisen nachgehen? Würde jeder seiner Wege gehen und sein Glück anderenorts suchen? Diese Fragen mussten Aelar, Kite, Lady Catalina und Eliza an diesem Abend für sich selber klären.