Vögel singen in einer Welt,
die krank,
lieblos,
ungerecht ist.
Vielleicht haben sie recht.[1]Freitag, der 31.10.1980
Deputy Chief Egon Bittner schüttelte wiederrum den Kopf, als er auf die Interstate 96 nach Detroit auffuhr. Im Polizeipräsidium würde viel Arbeit auf ihn warten, das wußte er jetzt schon. Er hatte es bereits heute morgen während des Frühstücks in der Zeitung gelesen. Auf der ersten Seite prangte ein großes Foto von einem ausgebrannten Gebäude, das auf einem großen Firmengelände verloren wirkte und Bittner irgendwie an einen schwarzen Zahnstummel in einer leeren Mundhöhle denken ließ. Das Gelände war mit dem bekannten gelben Absperrband abgesperrt worden. Ein Police-Officer stand davor und hielt die Hand in Richtung der Kamera ausgestreckt. "
Hat keinen Zweck,", dachte sich Bittner, "
die Reporter haben das Blut bereits gerochen." Die Schlagzeile lautete: "
Wütender Mob steckt Kohler Industries Verwaltungsgebäude in Brand". Der Untertitel lautete: "
Firmenbesitzer Kohler in Feuer umgekommen?". Bittner hatte schnell den Artikel überflogen und hatte ein kleines Resümee gezogen. Es fiel ihm nicht schwer, sich die Not vor Ort vorzustellen: Drei Officer, vier von der SpuSi
[2], dazu zwanzig Reporter und hundert Verdächtige.
Doch im Grunde hatte Bittner schon so etwas erwartet. In der Nacht war Devil's Night
[3] gewesen und das bedeutete jedes Jahr Ärger. Zumal das DPD
[4] auch alljährlich zu wenig Officers zur Verfügung hatte. Und auch alljährlich mockierten sich die Zeitungen und schmähten die angeblich schlechte Polizeiarbeit. "
Wie sollen wir denn eine solide Polizeiarbeit liefern, mit diesen geringen Mitteln?", verteidigte sich Bittner in Gedanken. Doch es war, wie es war. Er würde eine SoKo
[5] einrichten, die sich Brandes annehmen würden. Vier oder Fünf Mann, mehr konnte er für die Aufgabe nicht freistellen.
Bittner bog ab in die Innenstadt. Seine Gedanken kreisten noch immer um die Zeitungen. Die Stimmung war aufgeheizt. "
Zu viel Kriminalität in Detroit, zu viele Morde in den Staaten." Er dachte an die verabscheuungswürdigen Taten von John Wayne Gacy
[6], Ted Bundys
[7], der noch immer auf die Vollstreckung der Todesstrafe wartete, und schließlich an den Zodiac Killer, von dem erst im letzten Monat vier Opfer in Kalifornien gefunden wurden
[8]. Bittner fragte sich, ob die Presse auch hier einen Serienmörder vermuten würde. Doch er merkte, dass seine Gedanken abschweiften. Er würde sich jetzt konzentrieren und die richtigen Entscheidungen treffen müssen. Zügig ging er die Namen der Inspectors durch, die sich der Sache annehmen könnten, und nachdem er alle mit offenen Fällen ausgeschloßen hatte, blieben eben noch genau fünf übrig.
Bittner erreichte den Parkplatz des DPD. Er stellte den Motor aus und blickte auf die Uhr. Es war 7.30 a.m. und schon jetzt hatte er Kopfschmerzen. Er blieb noch einen Moment sitzen, um sich die Schläfen zu massieren. Dann stieg er aus.
Kalter Wind peitschte ihm Schneeregen ins Gesicht. Zwar war es erst Ende Oktober, doch war es jetzt schon bitter kalt. Der Winter war unmittelbar auf den Sommer gefolgt, ohne dass dazwischen Herbst gewesen war. Die kalten Temperaturen und die gestiegenen Ölpreise
[9] deuteten schon jetzt eine große Not in der ärmeren Bevölkerung an. Bittner fluchte. Der Regen würde die Spurensicherung nur schwerer machen.
Er betrat das DPD und wurde sogleich von Elisabeth, der Empfangsdame, abgefangen.
"
Guten Morgen, Deputy Chief!", trällerte diese unbekümmert.
"
Guten Morgen, Lisbeth. Ich weiß bereits von dem Brand auf dem Kohler-Firmengelände. Schon irgendwelche Termine?", fragte Bittner mit einer gewissen Vorahnung.
"
Ja, wasfür eine fürchterliche Sache. Der Bürgermeister hat sich für 8:15 Uhr angemeldet. Er hat eben angerufen, vermutlich noch von zu Hause."
Bittner seufzte. "
Hab' ich mir schon irgendwie gedacht. Nun gut, schicken Sie ihn dann in den Besprechungsraum im oberen Stock. Ach und Lisbeth, legen sie Doherty, Macallan, Marshall und Brown ein Memo auf den Schreibtisch. Treffen um 8:30 Uhr im Besprechungsraum. Neuer Fall! Ich jedenfalls sehe mir jetzt die ersten Erkenntnisse an.", sagte er und war schon im Trubel des DPD verschwunden.