Es ist nunmehr 22 Jahre her, als der damalige König von Hravar, Invor II. eine Liaison mit einer einfachen Magd begann. Und auch wenn sie ihre Liebe geheim halten mussten, so wurde den beiden nur all zu schnell klar, dass sie ein Kind von ihm empfangen hat.
Um das Leben seiner Tochter zu schützen und um einen Skandal zu vermeiden, gab er sie in die Obhut des Herzogs Catari, der sie in den kommenden Jahren wie sein eigenes Kind aufzog.
Ashas Kindheit war geprägt von Lektionen über Lektionen, so wie es für eine Adlige ihres Standes üblich war. Sie verbrachte mehr Zeit mit Büchern und ihren Lehrern, als an der freien Luft.
Eines Tages, als sie die Hauseigene Bibliothek durchstöberte, fand sie ein Buch, welches sie sofort in seinen Bann zog. „Sturm der Sehnsucht“ war der Titel und es war eine Geschichte über Liebe, Ritterlichkeit und Selbstaufopferung.
Fasziniert von diesem Werk und den darin enthaltenen Darstellungen der Ritterlichen Tugenden, wünschte sich Asha nichts sehnlicher als selbst einmal solche Abenteuer zu erleben. Sie Träumte davon selbst als Ritter durch die Lande zu ziehen, den armen und schwachen zu helfen und niederträchtige Kreaturen zur strecke zu bringen.
Seit diesem Tage floh sich die junge Prinzessin des öfteren vor ihrem Untterricht davon, um die militärischen Drills zu beobachten, oder um sich selbst die Kunst des Schwertes beizubringen.
Jahre vergingen und Asha wuchs zu einer reifen Frau heran. Doch noch immer hielt sie an ihrem Traum fest. Sie hatte viel gelernt, vor allem den Umgang mit Waffen. Aber auch über den Ritterlichen Kodex von Hravar. Diesen beherrschte sie inzwischen sogar auswendig und rezitierte ihn immer und immer wieder.
Das höchste Gut eines jeden Ritters von Hravar ist das Leben, die Gerechtigkeit, die Freiheit und die Ehre. Ein jeder Ritter ist in der Pflicht dieses Gut zu schützen und zu bewahren mit allen Mittel und Fähigkeiten die ihm zur Verfügung stehen. Ein Ritter ist sein Leben lang und mit diesem an seinen Kodex gebunden und dient diesem genauso wie er dem König von Hravar dient. Seine eigenen Interessen stehen hinter dem des Königs, des Volkes und seines Eides. Von seinem Eid kann ein Ritter nur durch den König in Anwesenheit eines Adeligen entbunden werden und auch nur auf den ausdrücklichen Wunsch des Ritters oder des Königs. Sollte ein Ritter nicht dem Kodex entsprechend handeln, so hat er für seine Schuld Buße zu leisten und diese dem König mit zu teilen. Ein Ritter des Reiches Hravar untersteht zu jeder Zeit und jeder Orts dem direkten Befehl des Königs von Hravar und seinem ernannten Vertreter. Außerhalb dieser direkten Befehle hat er stets nach seinem Kodex zu handeln.
Das erste Gut ist das Leben:
Dem Leben verpflichtet sich ein jeder Ritter. Er wird dieses achten, mit ihm nicht leichtfertig umgehen und es nach seinen Möglichkeiten versuchen zu schützen und zu erhalten.
Das zweite Gut ist die Gerechtigkeit:
Der Gerechtigkeit ist ein jeder Ritter verpflichtet. Er wird das Recht Hravars wahren und schützen. Er wird für jene einstehen, denen Unrecht zu Teil wurde und diese verteidigen. Gerechtigkeit wird er überall dort üben, wo diese nach seinem Wissen und Gewissen nicht herrscht. Ein Ritter wird sich für einen schwächeren Einsetzen. Seine Macht über andere wird ein Ritter nie missbrauchen oder einsetzen um Unrecht zu schaffen.
Das dritte Gut ist die Freiheit:
Der Freiheit ist ein jeder Ritter verpflichtet. Er wird nach seinen Möglichkeiten Freiheit schaffen, wo Unterdrückung und Sklaverei herrschen. Die Freiheit wird ein jeder Ritter schützen für alle Leben die ihm anvertraut sind und auch außerhalb dieser wird ein Ritter Hravars für die Freiheit einstehen und diese Verteidigen.
Das vierte Gut ist die Ehre:
Die Ehre eines Ritters von Hravar ist unantastbar. Seine Ehre begründet sich auf der Einhaltung seines Kodexes, der Wahrung der ihm anvertrauten Leben, seiner Loyalität gegenüber dem König und dem Reich Hravar. Sollte ein Ritter einen dieser Grundsätze verletzen, so kann er durch den König zu ehrlos erklärt werden und verliert damit auch seinen Rittertitel. Die Grundsätze des Kodex und die Umsetzung sollten einem jeden Ritter heilig sein.
Ein jeder Streiter und Bürger Hravars kann zum Ritter durch den König und ausschließlich durch diesen erhoben werden.
Der Grundeid eines Ritters, sofern dieser nicht einen eigens formulierten ableisten möchte lautet wie folgt:
Ich gelobe unter den Augen des Königs, im Beisein der Zeugen und unter dem Blick Thors dem Kodex der Ritterschaft Hravars zu folgen, diesen zu schützen und zu verteidigen solange ich Lebe. Das Leben, die Gerechtigkeit, die Freiheit und die Ehre sind meine höchsten Güter. Für diese werde ich eintreten und sie wahren. Den Befehlen meines Königs werde ich unaufgefordert und ohne Einschränkungen folge leisten. Dies schwöre ich bei meinem Leben, meinem Blute und meiner Ehre, meinem König, den Göttern und dem Volke Hravars.
Der zukünftige Ritter hat vor seinem Eid nieder zu knien. Auf den Eid wird der König dem Ritter wie folgt Antworten: Ich erkenne euren Eid als gültig bis an das Ende eures Lebens an. Vom heutigen Tage an seid ihr ein freier Ritter des Reiches Hravar. Dient eurem Kodex, dient eurem König und dem Volke Hravars ehrenhaft, aufrichtig und weise. Ihr habt von nun an das Recht euer eigenes Wappen im Schilde zu führen und sollt von einem jeden Bürger Hravars geachtet werden.
Zwar wusste Asha dass sie nie in den Ritterstand erhoben werden würde und dass sie wohl das gleiche Schicksal ereilen würde wie allen in der Erbfolge unwichtigen Kindern, die Verheiratung mit einer anderen Fürstenfamilie, doch lies sie sich davon nicht entmutigen.
Ruhig verbrachte sie die jüngsten Tage mit ihrer üblichen Routine, ungewahr der Gefahr die um sie herum lauerte.
Zwei Anschläge auf Asha, mit dem Ziel sie zu entführen, konnten nur im letzten Augenblick von der Palastwache vereitelt werden.
König Hastvan, der erst am Totenbett seines Vaters von seiner Halbschwester erfahren hat und seitdem aus dem schatten heraus über sie wachte, sowie der Herzog Catari befürchteten das jemand die wahre Identität von Asha herausgefunden haben könnte. Weswegen sie beschlossen sie erst einmal, zu ihrer eigenen Sicherheit, außer Landes zu bringen und die Expedition der Königlichen Forschungsgesellschaft schien ihnen dazu perfekt geeignet.
Unter dem Vorwand ein Adliger Diplomat sei für die Reise unabdingbar wurde Asha aufgetragen an der Expedition teilzunehmen.
Ohne zu zögern machte sich Asha auf, besorgte sich die Dinge die einen Ritter ausmachen und nutzte die Gelegenheit endlich ihr eigenes Abenteuer bestreiten zu können.