Chaos und Zerstörung
Wie auch immer Janos Antwort darauf gewesen sein sollte - sie ging im Sturm und im zerbersten Geräusch des Tores unter. Das Brüllen, das davor und währenddessen erschallt, ist nahezu ohrenbetäubend. Die Splitter flogen umher, getrieben von einer Kraft, gewaltig und für normale Menschen völlig unverständlich. Zwei Wachen, die das Pech hatten, genau im Radius des Tores zu stehen, wurden von mehreren massiven Holzsplittern durchbohrt - hatten sie doch nur eine Lederrüstung an. Blut spritzte umher, Staub quoll auf, vernebelte, verdeckte die Sicht auf den Eingang. Lediglich zwei saphirblaue, glühende Augen waren im Nebelstaub zu sehen. Schreie wurden laut, als die ersten der Feiernden realisierten, was dort am Tor vor sich ging, als die das Blut sahen, die Soldaten, die Befehle drückten. Völliges Chaos, innerhalb von wenigen Sekunden, regierte in Nahwasser, und Menschen rannten umher, weg vom Tor, weg vom Blut, weg von dem Gebrüll, dass selbst die berauschende Musik überschall. Es stapfte zweimal, und eine der Wachen -ein Veteran seiner Heimat, gekleidet in Stahl mit einem Speer, so lang wie er selbst- stach in die Dunkelheit des Staubs. Ein Brüllen erschall,
unverständliches Geknurre wurde ihm entgegengeschleudert, und aus dem Staub kam eine Klaue, von einer Größe, die ausreichte, um den Mann völlig zu umschließen und wegzuschleudern. Rote, wabernde Nebelschwaden, so schien es, waren um die Hand gehüllt, als sie sich wieder in den Nebel zurückzog. Die Wache war sofort tot, hörte man ihr Genick knacken, als sie gegen eine massive Häuserwand prallte. Waffen lagen verteilt auf dem Vorhof, der nicht sehr groß war - jedenfalls nicht für eine Bestie diesen Ausmaßes, die sich dort aufbaute, deren Gebrüll nun wieder anschwoll und die, im Portal stehend, darauf einschlug, sodass es Staub und Steine regnete. Nur eine Wache war verblieben, die sich noch zurückhielt, jedoch mehr als nur in Reichweite der Bestie.
Keiner der Anwesenden hatte, als sich der Staub gelegt hatte, bislang eine solche Bestie gesehen. Sie glich einem gehörnten Mann, oder einem Ochsen vielmehr, mit gewaltigen Hörnern und Pranken so groß wie Oberkörper. Die Augen waren nun rot, und eine unheilschwangere Aura des Chaos strömte von diesem Biest aus, das in fernen Fabeln und weiten Erzählungen auch als Minotaurus bekannt war. Sie war groß. Sehr groß, überragten sie die Wache vor ihr fast um das doppelte. Rote Schwaden gingen von ihr aus - Salandrion erkannte, dass es freie Magie war. Magie, die man normalerweise in sich trug, die man zu Feuerbällen oder zu omnipotenter Sicht formen konnte, die man in SIegeln binden konnte oder mit der man, vorausgesetzt, man war mächtig genug, die Realität selbst beeinflussen konnte.
[1] Noch war die Kreatur unbewaffnet. Doch hatte sie das Tor mit bloßen Pranken eingeschlagen? Falls ja, mussten ihre physischen Kräfte die der anwesenden bei weitem übersteigen. Unvorstellbar, wie ein einzelnes Biest dermaßene Stärke aufbringen konnte.
Ist dies die fleischgewordene Warnung? Ein Minotaur, der Chaos und Zerstörung bringt? Ist dies die Warnung, die die Magierin ausgesprochen hat? Oder ist sie selbst die Initiatorin gewesen, die den Minotaur auf die Dordstadt gehetzt hat?
Wie dem auch sei - die Bestie würde angreifen. Die Bestie würde töten. Wenn sie nicht aufgehalten würde.
[2]