Kaveh war erfreut darüber, dass Badawi ihn begleitete. Es würde ihrer Unauffälligkeit in diesem Hornissennest deutlich zuträglicher sein, wenn sie überall ein Stück weit Verbundenheit demonstrierten, völlig unabhängig davon ob sie ernst gemeint war, wie wahrscheinlich im Falle Badawis, oder ob sie eine notwendige Farce war, wie die demonstrierte Verbundenheit zu Vecor. Nach der Diskussion war es wahrscheinlich notwendig, dass sie kurzzeitig getrennte Wege gingen. Alle waren sich im Klaren darüber, dass dieser Mission eine Menge Selbstdisziplinierung benötigte, dass eigene Interessen und Triebe hinter das große Ziel gestellt werden mussten. Kaveh versuchte dies zu leben und als Sprachrohr der Gruppe und augenscheinliche, zumindest sollte es für die Uneingeweihten so wirken, Anführer versuchte er dies auch seinen Gefährten und ihren eventuellen Beobachtern vorzuleben. Es war eine Situation, welche für den Inquisitor nicht leicht war, deswegen hielt er vor dem Betreten des zentralen Platzes dieses Ortes an, und hielt auch Badawi mit dem ausgestreckten Arm einen Moment zurück.
"Lass uns im Stillen beten, Bruder.", flüsterte Kaveh Badawi freundlich zu, nahm den Arm wieder an sich und betete still zu Hrâun.
"In die Höhle des Löwen zu gehen fällt mir schwer, mein Herr. Doch du hast mir diesen Weg gezeigt, ich werde ihn gehen. Alles für den Ausbruch.", endete das gedankliche Stoßgebet an Hrâun, wohl wissend, dass das Beiwohnen eines Vecorgottesdienstes ihn einiges an Überwindung kosten würde, und die Druck, die Last auf seinen Schultern noch erhöhen würde. Deswegen bereitete er sich noch vor mit einem der Segenssprüche, welche Inquisitoren lernten, um Hrâuns wärmende Umarmung in Zeiten der Anspannung zu spüren. Ein kleiner Zauber, der die Sinne des Schmiedes schärfen sollte. In diesem Hornissennest konnte man nicht vorsichtig genug sein
[1].
Dann endlich betraten sie den Ort und ließen sich nieder. Kaveh nickte dem Flammendruiden aufmunternd zu, als sie sich niederknieten in diese schamvolle Position der Unterwerfung. Dass so viele es taten und das Gemurmel rechts von Kaveh, zeigte dem Schmied, dass deutlich mehr Wesen auf die Kunst des Kitman verstanden als nur Hrâuniten. Wie viele Vecorianer hier offenbarten nur Lippenbekenntnisse obwohl die Herrschaft Vecors anerkannten? Es gab furchtbare viele Hrâuniten aus dem Stamm der Phönixfedern, welche sich nur dem Vulkangott verschrieben, weil sie es nicht anders kannten und es ein Stück der kulturellen Tradition war. Aber den Vulkangott verstehen? Kaveh wusste, dass die Phönixfedern nicht so sehr leiden würden, hätten mehr seiner Volksbrüder ein ausgebildetes Verständnis von Hrâun. Andererseits ließ ihre Unachtsamkeit Männern wie Kaveh die noble Chance Märtyrer ihres Volkes und ihres Glaubens zu werden. Kaveh war dankbar und nachdenklich zugleich, doch das Gemurmel des Mannes brachte ihn aus eben jenen Gedanken. Kaveh blickte in die Hände des Murmlers und versuchte ein Blick darauf zu erhaschen, was diese wohl hielten. Kaveh entglitt fast ein Lächeln, als er das Kriegsszepter und das Schwert der Rache sah, welche zusammen und gekreuzt das heilige Symbol von Vecors Sohn ausmachten. Aber dieses Lächeln blieb alleine deswegen aus, weil dieser Mann in seiner Nervosität so sehr vor sich hermurmelte. Es machte Kaveh stutzen, weil der dunkelhaarige Schmied sich fragte, ob der Mann etwas Unvernünftiges plante oder ihm einfach die Kunst des Kitman aus den Händen glitt und er sich als Adeodat einfach dafür schämte, dass er sich hatte dazu bringen lassen, einen heiligen Ort des verhassten, tyrannischen Vaters aufzusuchen. Kaveh beobachtete ihn, um abzuschätzen, was diesen Mann wohl treiben würde. Würde er aus seiner Haut fahren, sobald das Läuten verschwand? Oder brauchte er nur Beistand, um den Schritt vor den Löwen in seiner eigenen Höhle zu überleben
[2]? Gleichzeitig versuchte der Inquisitor seine nahe Umgebung im Auge zu behalten, hatten mehr Menschen oder auch Elben in der Umgebung das Gemurmel des Adeodaten wahrgenommen und beobachteten ihn argwöhnisch
[3]? Kaveh begann mögliche Szenarien des Handelns gedanklich durchzuspielen.