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Nachrichten - Paul Zeidler

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Paul kam ins Gedränge der Masse. Sofort machte sich in ihm ein Gefühl von Beklommenheit breit, die allzu bald in Panik umschlagen würde, wenn ihm alle Bewegungsfreie genommen war. Paul blickte nach vorne und nach hinten. Er konnte nun versuchen, sich den Weg aus der Menge zu bahnen. Oder er nahm seine Pflicht wahr und drang zu Sébastien durch.

Paul atmete tief durch und entschied sich für letzteres. Er schob die beiden Männer vor sich beiseite und drückte seinen Körper nach vorne, bis er nahe bei Sébastien stand. So laut, dass es die anderen auch hören konnten, rief er: "Sébastien, Sébastien, es ist richtig, dass man sie bedrückt hat und dass man sie ausgebeutet und gedemütigt hat. Das ist böse und schlimm zu ertragen und ich wollte, dass wir diese Zustände ändern werden. Aber doch nicht mit Zorn in unseren Sinnen und Vergeltungssucht in unseren Fäusten. Lassen wir doch nicht zu, dass so viel Blut an unseren Händen klebt und dass wir unser gerechtes Anliegen beschämen. Sébastien, kann ich noch zu ihnen durchdringen? Wo sind sie? Wo ist der gute Mensch in Ihnen verborgen? Haben Sie nicht Frau und Familie zu Hause, für die sie sorgen müssen und die sie lieben? Soll ihre Frau erfahren, zu welchen Taten sich ihr Mann hat hinreißen lassen? Sollen Ihre Kinder ohne Vater aufwachsen? Sie stürzen sich ins Unglück, Sébastien, und mit sich ziehen sie alle, die sie lieben!"

Paul atmete schwer, als er dies alles gesagt hatte und blickte sorgenvoll Sébastien an. Wenn seine Mahnung nicht funktionieren würde, was würde er dann machen? Dann ginge wohl die Schlägerei zwischen den beiden los und vielleicht würde die Situation auf dem Platz eskalieren. Und was würde er tun? Würde er sich zwischen die beiden werfen? Sébastien könnte stattdessen auf ihn einschlagen. Wenn er dann aufhören würde zu schlagen, dann wäre es das vielleicht wert, aber warum sollte er aufhören zu schlagen, nachdem Paul schon am Boden lag und alle über ihn treten würden? Das Blut pulsierte in Pauls Ohren.

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Paul war erschüttert, als er mit ansehen musste, wie der junge François den Alten bedrohte und auch Sébastien schon drauf und dran war, eine Schlägerei zu entfachen. "Himmel, wenn er schon keine Ehrfurcht vor Gott und dem Himmlischen Gericht hat, dann doch wenigstens vor den irdenen Vertretern oder den Alten. Ich sage, dieser Mann ist verdorben von Jugend an und fern von allem was gut und heilig ist. Diesen vergisst Gott schon...", entfuhr es Paul. Schnell trat er neben von Lütjenburg und den Alten. "François! Sébastien! Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Sie irren und machen sich schuldig!"

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Die Tage seit der Predigt in der Straße des Zweifels zogen an Pauls Geist vorbei, wie die Landschaft, wenn man aus einem Zug auf die Landschaft schaut. Paul arbeitete unentwegt und gönnte seinen Augen kaum Schlaf. Am Morgen sammelte er die Verwundeten und Betrunkenen von der Straße, am Vormittag stand er in der Küche und putzte Suppengemüse, am Nachmittag hausierte er und versuchte die Dinge zu bekommen, die er in den Tagen benötigte, nämlich Nahrung und Medizin, am Abend hielt er eine Andacht mit seinen Unterstützern und wen es von der Straße in das Haus verschlug und in der Nacht bereite er Bittschriften und Predigten vor. Doch so viel er auch tat, es schien als arbeiteten Zeit und Schicksal gegen ihn. Er hatte nicht genug Mitarbeiter und auch an Gütern konnte er nur sehr wenig versammeln[1].

An jenem Morgen lehnte er an der Wand einer Gaststätte, während er darauf wartete, dass ein Mitarbeiter im Restaurant Vorräte erbettelte. Er hatte sich einen Moment erbeten, um zu verschnauffen und um zu beobachten, was auf dem Platz vor sich ging. Er betrachtete die Plakate, die die Wahlen ankündigten. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Der Ausgang der Wahl konnte sehr viel bedeuten. Wenn die Mehrheit für die konservativen Kräfte stimmte, dann würde der Aufstand vielleicht beendet werden. Wenn die Marxisten oder Blanquisten gewannen, dann würde der Konflikt eskalieren. Wie die Mehrheitsverhältnisse waren, das wusste Paul nicht. Er hatte in den vergangenen Wochen zu sehr mit einzelnen gearbeitet, als dass er wusste, was die vielen wollten. Dieser Gedanke brachte ihn aber auf einen anderen, nämlich dass manche Gruppen in den kommenden Tagen versüchen würden, gewaltsamen Einfluss zu nehmen - versuchen würden, Mitbürger einzuschüchtern, so dass sie ihr Wahlverhalten änderten. Paul fragte sich, wie frei die Wahl wohl sein würde.

Als er so nachdachte, erblickte er ein vertrautes Gesicht ganz in seiner Nähe. Es war das von Sébastien, der sich mit einem Mann beriet. Paul hatte nicht vorgehabt, sie zu belauschen, aber sie gaben sich auch keine Mühe, sich zu verbergen. Was sie besprachen, klang dunkel und nach Bandenkrieg. Paul konnte sich denken, welchen Louis sie meinten. Doch wer der 'Pfaffe' sein würde, das war ihm nicht klar. Für einen Moment erschreckte er sich, dachte, dass er selbst gemeint sein könnte. Doch das war unwahrscheinlich, beruhigte er sich, denn er arbeitete nicht für die andere Seite und war zu wenig bekannt, um in dem Konflikt von Bedeutung zu sein. Es musste ein bedeutsamer Geistlicher auf der Gegenseite sein, den sie da zu entführen gedachten. Also ein Katholik, schloss Paul für sich.

Paul beschloss, den beiden Männern noch etwas zuzuhören und erst dann zu beschließen, was er tun würde.
 1. passabler Wurf auf Führungsqualität (+2)

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Wollte noch einen kleinen Beitrag setzen, bevor es weiter geht. Werde heute aber nicht fertig. Menthir, Du kannst gerne schieben, was noch kommt, wird nicht mehr spielentscheidend werden.

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Etwas später am Abend klopfte es an Pauls Tür. Es war Grouès, der einige Schritte in das Zimmer eintrat und dann stehen blieb. Offensichtlich wartete er darauf, dass Paul etwas sagte. Doch Paul wollte nicht von sich aus anfangen, da er fürchtete, Grouès einen Grund für eine positive Bewertung zu geben. Paul wusste, dass es bei alledem gut gelaufen war, er hatte viele Leute überzeugen können. Doch etwas in ihm zwang ihn, auch immer den kleinen Misserfolg zu betonen. Und schließlich war Erfolg ja auch flüchtig und auf eine Durststrecke konnte man sich einstellen. "Du hast gut gesprochen. Ich glaube, Du hast viele zum nachdenken anregen können.", stellte Grouès fest und riss Paul aus seinen Gedanken.

"Hmm." murmelte Paul und erhob sich, um das Fenster zu schließen, "Nun ja, wir werden sehen, was die Tage bringen. Es wird sich zeigen, wie viel ich in den Menschen bewirken konnte."

"Deine Predigt hat etwas bewirkt. Du musst sie jetzt noch weiter bestärken. Du klingst aber nicht überzeugt. Wie willst Du den Menschen inspirieren, wenn Du selbst zweifelst?", sagte Grouès ungewöhnlich direkt, aber es klang nicht wie ein Tadel.

Überrascht blickt Paul auf. Das Gespräch war sehr untypisch für sie beide. "Ich denke gerade nicht über mich nach. Tatsächlich denke ich an den jungen Mann, der ein Sünder sein will."

"Wie meinst Du das? An was denkst Du?", fragte Grouès.

"Erinnerst Du Dich an die Versuchung Jesu im Matthäusevangelium?[1]" Grouès nickte. "Es ist die Prüfung Gottes bevor Jesus den Menschen offenbart wird. Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt und vierzig Tage bereitet er sich durch Fasten auf den Satan vor. Als es ihn hungert, sagt uns die Bibel eindeutig und unwiderleglich, dass Christus Mensch war und gelitten hat, wie ein Mensch nur leiden konnte. Welche Bedeutung hätte sein Kreuzestod gehabt, wenn er nicht gelitten hätte, wie ein Mensch? Als der Satan kam, versuchte er ihn mit dem Brot. Er sagte: ' Wenn Du der Sohn Gottes bist, dann mache, dass diese Steine Brote werden'."

"Was hat das jetzt mit dem jungen Mann zu tun? Ich fürchte, ich verstehe nicht.", unterbrach ihn Grouès.

"Offensichtlich wollte der Teufel Jesus damit reizen, dass er die Anerkennung seiner Gottessohnschaft davon abhängig machte, dass Jesus die Steine in Brote verwandelte. Der Punkt ist: Ich habe nie verstanden, warum es Brote waren und nicht ein Brot. Und dann habe ich mir gedacht, dass es dem Evangelisten vielleicht um die Menschen ging. Ja, mittlerweile glaube ich, dass der Evangelist sehr genau wusste, dass dem Menschen der Magen näher ist als der Himmel. Der Satan könnte auch sagen: 'Du bist für die Menschen Gottes Sohn, wenn Du sie satt machen kannst. Denn schlimm ist es, auf Gottes Gerechtigkeit zu warten, aber quälender ist die Angst vor dem Hunger'. Aber Jesus weiß es besser. Das kommende Gottesreich verlangt eine Erschütterung des Herzens bis hinein in das tiefste Innere. Eine Umwertung aller Werte. Darum sagt er: 'Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht'. In der Bergpredigt wird der Gedanke konkret: 'Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? [...] Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.'"

Paul machte eine Pause und beobachtete Grouès. Er war noch nicht ungedudlig geworden, ob Pauls langen Ausführungen. Paul war für Grouès' Geduld dankbar, die sich auch nun wieder zeigte. "Aber wer ist wie Jesus, wer kann mit ruhigem Gemüt sagen: 'Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat'. Ist Dein Gottvertrauen so groß? Meines ist es nicht. Und darum kann ich es dem jungen Mann kaum verdenken, dass er sich um sein täglich Brot sorgt. Ja, teuflisch, teuflisch war die erste Versuchung. Sie war die übelste von allen, denn sie wägt Glauben gegen die Sorge. Und, verdammt seien wir, wir haben uns aus unserer Unmündigkeit befreit und sind fähiger denn je, die Grenzen des Menschlichen zu verschieben. Aber ich fühle, ja ich bin überzeugt, dass wir keinen Schritt weiter gekommen sind. Das Schicksal der Menschen hängt noch immer davon ab: Glaube oder Sorge."[2]
 1. Mt 4,1-11
 2. Die Argumentation lehnt sich eng an Dostojewskis Novelle vom Großinquistor - eine großartige Anthropologie und ich glaube, dass uns die Brotfrage noch heute lähmt.

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Nachdem Paul sein Gebet beendet hatte, war etwas über ihn gekommen. Paul hatte plötzlich das Gefühl von Sicherheit und Bestimmtheit gehabt und es war, als würde er eine ganz andere Realität berühren. Ein flüchtiger Gedanke streifte Pauls Bewusstsein "Wenn es einen heiligen Geist gibt, dann ist er eben über mich gekommen. Unglaublich...". Noch immer hatte er eine Gänsehaut und sein Herz war voller Ehrfurcht. "Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob, deinen Gegnern zum Trotz; deine Feinde und Widersacher müssen verstummen.[1]", murmelte Paul kaum hörbar in sich hinein.

Es war der Moment gewesen, von dem Paul in den kommenden Tagen zehren würde. Gerade jetzt hatte er Gewissheit erlangt, dass er diesen Weg weiter gehen würde, allem Zweifel und allen Widerstand zum Trotz.

Doch nun mischte sich unter Euphorie auch merklich die Müdigkeit. Tatsächlich fühlte sich Paul, als hätte er eine ganze Nacht hindurch geredet. Er wollte die Diskussion nun abbrechen, auch weil er annahm, dass sich die Argumente nun wiederholen würden. Er hatte gut gesprochen und jedes weitere Gerede würde seine Position nur wieder schwächen. Darum sagte er: "Nun gut, Sebastien. Was soll ich noch zu ihnen sagen, wenn sie sich schon selbst eingestehen, ein Sünder zu sein und auch weltlich und göttlich Gericht nicht fürchten? Kommen Sie morgen wieder, denn ich will sehen, ob Sie morgen noch so entschlossen sind, wie heute. Aber für heute gehört Ihnen das letzte Wort. Kommen Sie alle morgen um diesselbe Zeit wieder. Ich will sehen, dass ich eine Suppe organisieren kann. Gute Nacht!"

Damit gab Paul Grouès ein Zeichen und er verließ den Raum und stieg nach oben in seine Dachkammer, wo er sich auf den Stuhl an seinen Schreibtisch setzt und mit leerem Blick und leeren Geist aus dem Fenster starrte.
 1. Psalm 8,2

22
Überzeugen: 4df4df+0 = (-1, -1, 0, 0) +0 Gesamt: -2 - Geschummelt!

Entschlossenheit: 4df4df+3 = (-1, -1, 1, 1) +3 Gesamt: 3

23
Ah okay :) Dann hier mein Wurf:

Überzeugen: 4df4df+3 = (1, -1, -1, -1) +3 Gesamt: 1

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Paul wurde ein wenig schwindlig. Zu seiner Erregtheit mischte sich Nervosität und so etwas wie diese Unsicherheit, die man für gewöhnlich vor einem öffentlichen Auftritt hat[1]. "Kann man den nach Beginn eines Auftritts noch nervöser werden?", fragte er sich beiläufig. Er konnte nicht sofort antworten, starrte in die Menge, um weitere Worte ringend. Er wollte sich nicht die Blösse geben, unbedacht oder töricht in seinem Eifer und seiner Nervosität zu antworten. Er richtete seinen Blick durch das geöffnete Fenster und erhaschte einen Blick zum Himmel.

"Großer Gott! Hier steht Dein demütiger Diener. Mich treibt nichts anderes als Dein Wort und meine Liebe zu meinen Brüdern. Mir gehen die Worte aus, darum - bitte - schenke mir Deinen Geist und lasse mich nicht zuschanden gehen. Amen." betete er[2].

"Liberté, Égalité, Fraternité", sprach Paul laut die Schlagworte aus, um die Aufmerksamkeit der Masse wieder zu erhalten. "Ohne es zu bedenken, sprechen sie diejenigen Werte aus, die genau so unwahrscheinlich sind, wie das Streben nach dem Gottesreich. Ich möchte sie erinnern, dass es die Worte der Revolution von 1789 waren. Erinnern Sie sich, was passiert war. Erinnern Sie sich an den Schrecken der Revolution. Damals war das einfache Volk aufgestanden, um gegen die Feudalherren zu kämpfen. Und sobald die Revolutionäre einen echten Vorteil erstritten hatten und sich die Frage nach Neugestaltung stellten, da wurde die Uneinigkeit der Revolutionäre offenbar. Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit ließen sich nur herstellen, indem jeder hingerichtet wurde, der diesen Zielen im Wege stand. Sie kennen die Bilder, sie haben sie nicht selbst gemacht, aber sie sind fest eingebrannt in ihr Gedächtnis. In Paris zerbrach das Fallbeil unter den vielen Genicken. In Nantes wurden in wenigen Wochen hunderte in der Loire ersäuft. Und in Lyon haben die Verurteilten erst ihr eigenes Grab schaufeln und sich dann in einer Reihe aufstellen müssen, bevor sie von einer Kanonenkugel zerfetzt wurden. Die Geschichte hat es gezeigt, also werde ich Ihnen sagen, dass Sie auch in den kommenden Wochen hunderte von ihren Brüdern und ihren Mitstreitern niedermetzeln müssen - das heißt, wenn Ihr Aufstand nicht sofort wieder von den Truppen vor der Stadt niedergeschlagen wird. Kommen sie mir also nicht mit diesem hanebüchernen Unsinn, dass nur wenige sterben werden und auch nur von denen, die es wirklich verdient hätten. Das Blut wird nicht mehr von Paris' Straßen abzuwaschen sein. Auch diese Zeit kennt ihre Robespierres, ihre Carriers und ihre Fouches.[3]"

"Monsieur, Sie werden jetzt sicherlich einwenden wollen, dass die Französische Revolution die Ständeordnung abgeschafft und Rechte der Menschlichkeit errungen hätte. Ich widerspreche Ihnen da gar nicht. Doch was sind das für Rechte? Geht es den unteren Leuten nun besser? Wenn dem so ist, was wollen Sie alle hier? Sie sprachen es selbst an, Monsieur, von Natur aus ist es ein Krieg aller gegen aller.[4] So heißt es auch in der Bibel. In der Genesis steht geschrieben: 'dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar'[5]. Darum sage ich, die Lösung liegt nicht darin, dass ein Rechtsstaat über den Menschen kommt, welches jede Boshaftigkeit durch Gesetz und Strafe erstickt. König Salomon war mit aller göttlichen Weisheit nicht im Stande, die Boshaftigkeit der Menschen zu unterdrücken. Und das mosaische Gesetz konnte es mit seiner drakonischen Härte auch nicht. Also, wenn sie das vollendete Reich Gottes auf Erden wollen, dann geht das nur durch das menschliche Herz."

"Also lassen sie unser Herz neu ergründen. Wir sehen die Notwendigkeit vor uns. Ich bin zutiefst von dem Elend und der Not betroffen. Mein Herz blutet, wenn ich das Leiden sehe. Doch ich lasse mich nicht zur Boshaftigkeit hinreißen. Ich will aufstehen und helfen, mit dem, was ich geben kann. Und ich will meine Stimme laut werden lassen gegen jede Ungerechtigkeit, egal wen sie trifft. Besser als Ungerechtigkeit zu tun, ist es, Ungerechtigkeit zu leiden, sagen die Philosophen. Ich aber sage Euch[6]: Wenn Ihr eintretet für Eure Brüder und gemeinsam die Ungerechtigkeit anklagt, dann wird das Gottesreich zu Euch kommen. Ich habe den Traum, dass das ganze Paris aufsteht und sich vor die Fabriken stellt und sagt: 'Für eine unwürdige Existenz arbeite ich auch nicht'. Wie viele wollen sie entlassen? Und wer wird für sie arbeiten? Wir wollen sehen, wie schnell die Löhne ansteigen werden. In der Zwischenzeit werde ich mein möglichstes tun, um die Brüder mit Essen zu versorgen. Und ich hoffe, dass sich viele anschließen werden. Ich träume von einer neuen Brüderlichkeit."

Dann wandte er sich dem jungen Franzosen erneut zu. Seine Frage war nur allzu verständlich, doch Paul war es nun wichtig um das Prinzip. Im fiel eine Pointe ein und er sagte: "Und was soll ich zu ihrer Frage sagen? Im Krieg gibt es keinen Soldaten, der gerecht wäre. Ein jeder, der am Krieg teilnimmt, macht sich des Hasses auf seinen Bruder schuldig. Ihr habt gehört, Ihr sollt nicht töten! Also frage nicht, was zu tun sei, wenn das eigene Leben bedroht ist. Lauf davon, Du Narr! Wenn Du aber nicht davonlaufen kannst und es entweder Dein Leben ist oder das des anderen, dann verteidige Dich - und hoffe auf die Gnade Deines Herrn, denn Du hast Dich versündigt. Rechne aber auf eines nicht, wenn Du eines Tages vor dem Richtstuhl stehst. Rechne nicht damit, dass Du gerecht gesprochen wirst, wenn Du Dich in Not in einem Krieg verteidigst, denn Du selbst gewollt und selbst begonnen hast. Denn Notwehr gibt es in einem gewollten Krieg nicht. Zwei Wege liegen vor Dir - einer zum Unheil. Wähle mit Bedacht."
 1. Gemeint ist Lampenfieber. Aber das Wort dürfte es zu dem Zeitpunkt noch nicht gegeben haben.
 2. Wurf auf Führungsqualität: Überirdisches Ergebnis (+10)
 3. Bedeutende Gestalten der Französischen Revolution, die mittelbar oder unmittelbar mit Massenexikutionen in Verbindung gebracht werden konnten.
 4. Paul hatte die Äußerungen des Kalabresers so verstanden, als dass er sich an Hobbes' Leviathan anlehnten. Er nimmt das Argument auf
 5. Gen 6,5
 6. Hier und auch im nächsten Absatz lehnt sich die Form an die Bergpredigt in Mt 5-7 an. Jesus legt das Gesetz aus, indem er mit den Worten "Ihr habt gehört" auf bekannte Normen des Jüdischen Gesetzes zurückgreift und sie, eingeleitet durch die Worte "Ich aber sage Euch", radikalisiert.

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Das sind gute Argumente gegen Paul und die Menge wird unruhig. Ich würfel mal auf Entschlossenheit, um Stress zu vermeiden:

4df4df+2 = (-1, 1, -1, 1) +2 Gesamt: 2

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Der junge Mann erschreckte sich, als Carl ihn berührte, und starrte ihn mit unverständiger Miene an. Carl erkannte, dass er recht gut gekleidet war und vermutlich dem Bürgertum angehörte. Hinter seiner Stirn schien es für einen Moment zu arbeiten, doch dann überwog der ursprüngliche Impetus. Er stieß Carls Hand zur Seite und stand auf. Er zögerte noch, dann rief er mit schwankender Stimme: "Und wer ist der neue Herr, dem wir nachfolgen sollen? Sind Sie es, Pater? Nein, Sie sind ein hundsgemeiner Verräter, ein Judas - das sind Sie." Er wandte sich an die Arbeiter im Raum, nach Zustimmung suchend. "Einen Teufel werde ich Ihnen nachfolgen! Denn Sie führen uns zurück unter die Knute der Imperialisten und in die Fabriken der Bourgeoisie. Sie sind doch mit denen im Bunde und haben Ihren Anteil doch schon erhalten. Sie versuchen unseren gerechten Zorn mit Ihrem wohlfeilen Gerede zu betäuben. Wie Marx sagte, die Religion ist Opium für das Volk. Doch sie täuschen sich, wenn sie glauben, uns mit Ihren Botschaften vom Friedensreich vertrösten können. Ich sage Ihnen 'was: Eine große Trübsal[1] steht bevor: Denn die Arbeiterschaft ist aufgewacht und hat die Waffen ergriffen. Genau in diesem Moment schmieden die Blanquisten Pläne, das Komitee ganz neu zu besetzen. Unsere Bewegung ist stark und uns eint unsere Vision von Freiheit und Brüderlichkeit, von Gerechtigkeit und Autonomie. Ja, blutig wird der Aufstand sein - aber nur kurz. Dann werden wir ein menschliches Friedensreich errichtet haben. Wir haben viel zu lange auf Ihren Gott gewartet. Jetzt nehmen wir unser Schicksal in die Hand. Die Zeit ist reif". Sein Redefluss brach ab.

Paul atmete sichtbar auf, um sich zu beruhigen. Dann antworte er mit deutlich ärgerlicher Stimme: "Zum Ersten: Ich verkünde mich nicht selbst, sondern ich verkünde den Herrn, dessen Wirklichkeit ich erfahren habe [2]. Jeden Sonntag erfahre ich ihn im Abendmahl und suche seine Wahrheit zu verwirklichen. Aber an Ihnen, mein Herr, ist alles vergeudet, wie mir scheint. Und zum Zweiten: Ich sage mitnichten, dass wir ruhig bleiben sollen. Jeder, der auf die ehrlichen Zweifel seines Herzens hört, soll sich uns anschließen. Wir werden nicht kämpfen, aber wir werden uns auch nicht auf die Seite derer stellen, die im Unrecht sind. Wir erkennen, dass wir den Zorn und den Hass und den Hochmut ablegen müssen. Wir erkennen, dass wir das, was wir für alle Menschen erhoffen erst in uns verwirklichen müssen. So wie der Herr sprach: 'Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen'[3]. Ob Bourgeoise oder General, wir werden jeden behandeln, als das Friedensreich schon jetzt verwirklicht wäre. Wir werden ein Licht sein für diese Stadt und wir werden eine tiefe Sehnsucht in den Menschen wecken. Das ist eine Revolution von unten - aber eine ohne Blutvergießen."
 1. Hinweis auf die Apokalypse - aber gegen Paul gewendet als menschlicher Heilsplan.
 2. Paul nimmt Bezug auf 2. Kor 10,12-17, wo es um die Beurteilung eines Apostels geht. Paulus zitiert Jeremia mit: »Wer sich aber rühmt, der rühme sich des Herrn«.
 3. Mt 11,29

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Vielen Dank, Menthir. Ich bin aber noch nicht ganz zufrieden, denn es sind in der "Predigt" eine Menge Informationen auf engem Raum. Ich fürchte, es ist ein wenig schwer zu folgen, selbst wenn der Text gut vorgetragen wäre. Ihr könnt mir gerne Rückmeldung geben, wie Ihr das seht.

Paul wäre nun zu einer ersten Pause gekommen und Ihr könnt gerne reagieren, wenn Ihr möchtet. Ansonsten würde ich das Gespräch einfach noch um eine Szene erweitern: einer der Zuhörer würde das alte marxsche Opium-für-das-Volk-Argument gegen Paul wenden, natürlich wenn Menthir zustimmt. Immerhin bist Du ja der SL :wink:  :)

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Sind Sebastien und Carl eigentlich dabei?

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Paul schüttelte den Kopf. "Nein, für einen Mörder halte ich Dich nicht. Du bist betrunken von billigem Fussel und leicht verdienten Siegen.", dachte er und sagte: "Wenn der Aufstand weitergeht, dann wird es auch andere Tage geben. Ihr Gegner war überrascht und schlecht bewaffnet. Das war eine wilde Keilerei, in der Tat. Aber wenn er sich gesammelt hat, wie wird er Ihnen entgegentreten. Was glauben Sie? Und was ist mit Ihnen? Wozu brauchen Sie diese Kanonen? Da Sie sie nun haben, werden Sie auch benutzen. Und dann werden Menschen sterben.", sagte Paul streng. Aus dem Augenwinkel sah er die Nationalgardisten den Platz räumen. Darum beeilte er sich zu sagen: "Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Blutvergießen sich vermeiden lässt. Kommen Sie heute Abend gegen 19 Uhr zu Pater Grouès in der Rue de Doutes." Dann nahm er sein Tasche und eilte davon.



Paul blickte auf die schwere Uhr über der Tür und wischte sich mit einem Taschentuch feine Schweißperlen von der Stirn. "Schon fast 19 Uhr. Es ist bald Zeit für die Andacht.", stellte er fest. Sein Blick wanderte durch den Raum, der bis auf den letzten Platz mit Männern besetzt war. Es waren mehr als sonst, man hatte die Suppe mit einem halben Eimer Wasser strecken müssen. Die Stimmung war angespannt, kaum einer redete mehr als einige Worte. Die Luft war verbraucht und feucht von der heißen Suppe. Jemand hatte ein Fenster geöffnet, durch das der Lärm der Straße hineinkam. Nach einigen Minuten half Paul, die Teller zusammenzuräumen und dann gab es nichts mehr, womit er den Moment hinauszögern konnte. Paul fürchtete sich etwas. Er fürchtete, dass er den Respekt der Männer verlieren könnte, dass die Stimmung umkippen konnte, es vielleicht zu einer Schlägerei kommen könnte. Grouès nickte Paul zu. Paul stand auf.

Er räusperte sich und wartete, bis er die Aufmerksamkeit aller hatte. Dann sagte er: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Friede Gottes sei mit Euch.", worauf hin die Männer mechanisch antworteten: "Und mit Deinem Geiste.".

"Herr, wir kommen vor Dich in diesen Stunden mit unserer Verwirrung und unseren Ängsten. Wir leiden unter unsere Bedrückung und der Armut. Da sind die langen Arbeitsstunden in den Fabriken und die Verluste des Krieges. Wir können nichts tun, um unsere Situation zu verbessern, so scheint es. Zwar sehnen wir uns nach dem Frieden Deines Reiches, doch wir müssen erkennen, dass wir gefangen sind in dieser ungerechten Welt. Wir wollten für uns eintreten, aber wir haben keine Stimme unter den Mächten. Wie oft haben wir es friedlich versucht? Herr, sieh in die Herzen dieser Menschen. Unsere Ohnmacht weicht der Wut; wir fragen uns, warum wir uns unser Recht nicht mit Gewalt nehmen. Die Situation ist günstig wie nie. Herr was sollen wir tun?"

Die Männer rutschten unruhig auf ihren Sitzen herum. Paul sah viele errötete Gesichter. Die Männer waren aufgerührt, doch wagten noch nicht, einzugreifen. Einige blickten misstrauisch. Sie erwarteten, dass Paul gleich mit einem jener billigen Tricks die ganze Situation wendete. Man kannte die Formen der Pfaffen. Nur Grouès blieb ruhig. Vor der Andacht hatte er Paul gut zugeredet. "Paul, Du weißt, dass Du richtig handelst. Sprich aus dem Herzen zu Ihnen. Es wird die Richtigen überzeugen und die anderen waren ohnehin nicht bereit.", hatte er gesagt - Worte, die jetzt gut taten.

Er räusperte sich noch einmal und schlug die Bibel auf: "Die Lesung für den heutigen Abend kommt aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 21."

Zitat von: Mt 21
Jesu Einzug in Jerusalem
1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus
2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir!
3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.
4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9):
5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf.
8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der?
11 Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.

"Wollen Sie uns jetzt mit Weihnachtsgeschichten vertrösten, Pater?", rief ein vorlauter Junge von vielleicht siebzehn Jahren, der hinter zwei großen Männer halb versteckt saß.

Paul ließ sich nicht beirren. "Tatsächlich, aus mir schwer verständlichen Gründen wird die Perikope gerne am ersten Advent verlesen. Doch darum geht es mir nicht. Die Perikope erzählt nämlich nicht nur vom kommenden Messias, sondern auch von der Not des israelischen Volks. Ihr müsst Euch vorstellen, dass das Volk Israel von Mose aus der ägyptischen Knechtschaft geführt wurde. Sie erstritten sich ihren Platz in dem Land, in dem Milch und Honig fließt, wie es heißt. Weil das Herz der Israeliten aber boshaft und verstockt war, lies der Herr sie von den Fremdvölkern bedrängen. Doch immer tat ihm das Wehklagen und Schreien seiner Kinder leid und er erwählte starke Helden, die die Feinde verdrängten und den Frieden wieder herstellten."

"Und Sie, Pater? Sind Sie unser Held, der uns aus der Knechtschaft der Burgeousie befreit?", höhnte ein rotbackiger Mann.

"Nein, und jetzt sei still, Ramon. Deine Frechheit bringt Dich in Verlegenheit", gab Paul scharf zurück. "Deine Anmaßung steht für das israelische Volk. Denn kaum waren sie erretet, da fielen sie auch schon ab und buhlten um die mächtigen Fremdvölker. Der Herr macht wiederum andere Völker stark und lies sie über das Land herfallen[1]. Es gab kaum eine Zeit, in den vielen Jahrhunderten, da herrschte Israel in seinem eigenen Land. Zu Zeiten Jesu waren es die Römer, die das Land besetzt hielten. Sie zwangen den Israeliten ihre Gesetze und ihre Kulte auf. Sie erpressten ein hohes Steuergeld und es gab mindestens eine Hungersnot im Land. Die Bedrückung wird deutlich in den Rufen 'Hoasianna, Hosianna'. Das sind nämlich keine Heilsrufe, sondern es es bedeutet: 'Hilf doch!'."

"Die Menschen hofften auf den Sohn Davids, der die römischen Besatzer schlagen und den israelischen Thron wieder besetzen sollte. Sie beteten zum Herrn, dass er ihnen einen starken Feldherren senden sollte. Was musste es für ein seltsamer Anblick gewesen sein, als da der Gottessohn in die Stadt einritt: er war verlumpt und ritt auf einem Esel! Er hatte keine Armee bei sich, sondern gerade einmal eine Scharr von zwölf Jüngern. Es muss deutlich gewesen sein, dass dieser Gottessohn die Besatzer nicht schlagen würde. Warum kam der Gottessohn dann in die Welt, wenn er das Land nicht befreite?"

Paul machte eine kurze Pause, um der letzten Frage Raum zu geben. Er hatte die Männer vor sich nicht mehr im Blick, sie verschmolzen zu einer Masse ohne Gesichter. Paul versuchte nicht mehr zu überzeugen, sondern er sprach aus Überzeugung. "Der Gottessohn kam in diese Welt um den Frieden zu bringen. Der Herr hatte erkannt, dass es keinen Frieden und keine Gerechtigkeit geben könnte, wenn das menschliche Herz keinen Frieden und keine Gerechtigkeit kannte. Die Geschichten des Alten Testaments haben es doch gezeigt. Wie oft wurde das Volk Israels aus der Not befreit - und kaum war die Not vorrüber, da folgte es wieder fremden Göttern und verging sich wieder. Also, erst wenn diese bösen Herzen versöhnt würden, würde auch ein sozialer Frieden möglich sein. Was die Versöhnung des Herzens bedeutet, dass hat Jesus in der Bergpredigt niedergelegt. Ich will Euch stellvertretend nur eine Auslegung in Erinnerung rufen:

Zitat von: Mt 5
21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist (2.Mose 20,13; 21,12): »Du sollst nicht töten«; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.
22 Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.
23 Darum: wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat,
24 so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe.
25 Vertrage dich mit deinem Gegner sogleich, solange du noch mit ihm auf dem Weg bist, damit dich der Gegner nicht dem Richter überantworte und der Richter dem Gerichtsdiener und du ins Gefängnis geworfen werdest.
26 Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast.

"Liebe Brüder! Ihr glaubt, dass Ihr die Gerechten seid und die momentane Stärke macht Euch kühn. Aber Ihr seid schwach und uneins. Und selbst für den Fall, dass Ihr siegen solltet, das böse Herz ist wankelmütig und verräterisch. Noch eint Euch das gemeinsame Feindbild. Doch ich schwöre Euch, wenn der letzte Feind gefallen ist, dann werdet Ihr über einander herfallen und euch gegenseitig unterdrücken, weil jeder meint, gerechter zu sein."

Pauls Stimme war im Laufe der Predigt angeschwollen und er hatte sich heißgeredet. Er spürte die Hitze im Kopf und an den Wangen. Nun aber wurde er wieder ruhiger, aber seine Stimme verlor nicht jenen eindringlichen Ton. "Versteht doch! Die Nachfolge Christi bedeutet nicht, die Ungerechten totzuschlagen. Sie bedeutet, selbst den Feind anzunehmen und zu lieben und ihn auf den rechten Weg zurückzuführen. Das ist aber nur möglich, wenn Ihr selbst auf dem gerechten Weg geht. Ich bitte Euch, lasst von den Kämpfen ab und lasst Euch für die Nachfolge Christi begeistern!"[2]
 1. Paul beschreibt das sogenannte Richter-Schema
 2. Wurf auf Überzeugen: Durchschnittliches Ergebnis (+1)

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Paul überlegte kurz, wie er dem Fremden antworten sollte. Es konnte in diesen Tagen Probleme bereiten, wenn man sich als Deutscher offenbarte. Andererseits wollte er auch nicht unhöflich sein und bestreiten konnte er seine Herkunft, wegen seinem leichten, deutschen Akzent, doch nicht. „Da haben Sie Recht, ich komme aus Jena. Das kennen Sie doch sicherlich. Ich bin nach der Revolution von '48 nach Frankreich gekommen, als sich die Hoffnung nicht erfüllte. Das ist alles schon recht lange her und ich lege keinen Wert auf meine Herkunft mehr,“ sagte er.

Paul fühlte sich unbehaglich. Er erkannte, dass die Situation ungünstig war. Die beiden Männer vor ihm waren erfüllt von Euphorie und Weinbrand und wenig zugänglich für seine Worte. Er fragte sich, wie viele anderen Pariser in dieser Stimmung waren und als ob ihm jemand antworten wollte, wurde irgendwo gräuslich schräg die Marseillaise angestimmt. „Wie viele meiner eigenen Leute werden wohl zu den Waffen greifen? Das Schlimme ist, dass man in dieser Situation tatsächlich glauben kann, mit Gewalt etwas Besseres erreichen zu können. Das lässt darüber vergessen, dass sie nach einem Sieg – sollten sie ihn gegen alle Wahrscheinlichkeit erringen – eine Ordnung aufbauen müssen. Und diese Menschen sind so weit entfernt davon, ihre vielbesungene Brüderlichkeit leben zu können.

Paul räusperte sich. „Wie viele Menschen haben sie denn heute getötet? Wie viele wären sie denn bereit, noch zu töten?“, fragte er und es klang nur deshalb nicht zynisch, weil seine Stimme so kraftlos war.

"Was wird mich heute abend erwarten?", fragte er sich.

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