Rückblende (Am 08.07.15. ingame gepostet) (Anzeigen)Die Sonne scheint prall vom Himmel. Kein Wölkchen ist weit und breit am Himmel auszumachen. Ein wunderschöner Tag bahnt sich an, eigentlich. In voller Montur steht Manik auf dem Dorfplatz und starrt rüber zu der Hütte der Ältesten. Über seiner einfachen, sommerlichen Stoffkleidung trägt Manik sein Lederwams. Im Waffengürtel ist ein kleines Schwert eingesteckt, seinen Bogen hat auf seinem Rücken befestigt. Sein Gesichtsausdruck steht in Kontrast zu dem Wetter und lässt wenig Freude vermuten. Obwohl es noch früh Morgens ist, ist es schon warm und erste Schweißperlen zeichnen sich auf der Stirn des Fhokki ab.
Aus der Hütte dringen laute Stimmen zu ihm herüber. Stimmen die sich streiten. Die seines Vaters ist auch dabei. Eigentlich wollte er heute mit seinem Vater in den Wald gehen, Dinge über die Jagd lernen. Die Lektionen braucht Manik zwar nicht mehr, davon ist er überzeugt, aber allzuviele Gelegenheiten mit seinem Vater Zeit zu verbringen ohne gestört zu werden, gibt es nicht mehr. Ältestenpflichten hier. Arbeit dort. Und Familie ist wichtig, sagt sein Vater immer. Man hat nur die eine und kann sie sich nicht aussuchen.
Wütend schnaubt Manik und wendet sich von dem Holzhaus ab, schlägt einen Pfad weg vom Dorfplatz Richtung Wald ein. Auf dem Weg dorthin grummelt er vor sich hin. Dann geht er eben alleine, scheiß Politik. Nutzlose Diskussionen. Reden statt Handeln. Worum es geht, weiß Manik nicht, aber er hat das Pferd Mikas vor der Hütte erkannt. Er kann Mika nicht leiden. Mika ist ein Ältester aus einem anderen Dorf, Jyrkka, nicht weit von hier. Ein Tagesmarsch. Er kommt ihm falsch vor. Immer wenn er ihn sieht, fühlt er sich, als würde Mika ihn als dummes Kind betrachten. Der Blick. Die Worte. Alles was er tut, wirkt einfach überheblich. Egal worum es bei den Diskussionen geht, Manik fragt sich, warum man mit solch abscheulichen Menschen überhaupt diskutieren muss.
„He, Manik, was grummelst du da wieder vor dich hin?“
Abrupt bleibt er stehen und sieht, wer nach ihm gerufen hat. Der Weg Richtung Wald hat ihn ein Stück durch das Dorf geführt, so auch an dem Haus ihrer Familie vorbei. Es ist seine Schwester, die ihn herzhaft anlächelt. Warum kann diese Frau nur Tagein Tagaus so lächeln, fragt der Fhokki sich unwillkürlich. Ihr braunes Haar ist zurückgebunden, damit es bei der Arbeit nicht im Weg rumhängt. In Ihren Händen hält sie einen Hammer.
„Was machst du da?“, weicht Manik ihrer Frage aus, „bist du jetzt neuerdings unter die Handwerker gegangen?“
„Irgendwer muss sich ja um das Familieneigentum kümmern, während die Männer draußen im Wald spielen sind.“, grinst sie zurück. „apropos Männer, wo ist Vater?“
„Politik.“, schnaubt Manik verächtlich.
„Ah, daher die Laune.“, gibt Sie zurück.
„Ja, daher die Laune.“ Genervt wendet Manik sich ab und will seinen Weg fortsetzen, bleibt dann aber nochmal stehen und wendet sich nochmal um.
„Warum kommst du nicht mit, Freya? Damit kannst du auch später noch weiter machen.“, dabei deutet Manik mit dem Finger auf ihre Unterkunft. „Alleine gehen ist Langweilig, ich zeige dir ein bisschen, wie man Spuren liest.“
„Pfft, das kann ich doch schon längst, Blödmann.“, gibt sie noch immer lächelnd zurück, schmeißt dann aber nach kurzem Zögern ihr Werkzeug fort und folgt ihrem Bruder.
Im Wald ist es angenehm kühl. Der Schatten, der von den Bäumen geworfen wird, fleckt den Boden in einem unregelmäßigen Muster. Nach anfänglichen Diskussionen und Frotzeleien ist nun Stille zwischen den Geschwistern eingekehrt und Manik sucht konzentriert nach Spuren, die es zu verfolgen lohnt. Ob es so klug gewesen war, seine kleine Schwester mit in den Wald zu nehmen, wird sich auch erst noch zeigen, denkt er, während er von einer zunächst vielversprechenden Spur wieder ablässt. Es hat lange nicht geregnet. Der Boden ist relativ trocken. Es wird schwer werden, was zu finden.
Wie Vater reagieren wird ist quasi nicht vorherzusehen. Möglich, dass es ein Donnerwetter hagelt. Noch in Gedanken vertieft, entdeckt der Fhokki ein vertrautes Muster im fast zu harten Erdboden. Eine Hirschspur, gerade so erkennbar.
Nach einer kurzen Einweisung für seine Schwester, die Spur und das geräuscharme Fortbewegen im Wald betreffend, machen die Geschwister sich auf den Weg, der Spur zu folgen. Immer wieder wird die Spur schwächer und wieder stärker, je nach Beschaffenheit des Bodens, aber nie wird sie wirklich gut erkennbar. Trotzdem hält Manik immer mal wieder an und lässt seine Schwester die Spur weiterverfolgen, muss ihr aber immer wieder rasch zur Seite stehen. Nach einiger Zeit nähern sich die beiden einer von Büschen umgebenen Lichtung und die Spur scheint durch die Büsche dorthin zu führen. Abgeknickte Zweige sprechen eine deutliche Sprache. Die Sonne scheint hell in den Wald und sorgt zusammen mit den Büschen dafür, dass sich nicht erkennen lässt, was sich auf der Lichtung befindet. Vorsichtig schiebt Manik die dornenbewehrten Zweige eines Busches weg und zuckt überrascht zusammen, als er den Hirsch tot auf der Lichtung liegen sieht. Durch das Geräusch alarmiert schauen nun zwei gelbe Augen aus Richtung des Kadavers in ihre Richtung.
Erschrocken stöhnt Manik auf und steht auf. „Lauf.“, sagt er leise aber bestimmt. „Los lauf.“
Als er das beruhigende Geräusch des Wegrennens seiner Schwester vernimmt, beginnt er langsam Rückwärts zu gehen, lässt den Blick aber nicht von der Lichtung ab. Sein Schwert ist bereit alles was durch die Büsche bricht anzugreifen, aber es kommt nichts. Als er sich weit genug weg wähnt, dreht er sich ebenfalls um und beginnt aus voller Kraft loszurennen.
Wie dumm er doch gewesen ist. Die Spur eines schweren Hirsches war kaum zu erkennen, darum waren die Spuren der leichteren Tiere gar nicht zu erkennen. Ebenso musste der Hirsch irgendwann verletzt worden sein. Auch das hat er nicht erkannt. Nichts mehr lernen können, soviel dazu, so töricht, so unvorsichtig. Nach einem kurzen Sprint holt er seine Schwester ein und der Sprint ist kurz darauf beendet. Kein Tier scheint ihnen zu folgen, offenbar ist die Mahlzeit wichtiger. Erleichtert atmet Manik auf und sucht den Blick seiner Schwester, doch die ist bis über beide Ohren am Grinsen.
„Das war aufregend!“, ruft sie.
Ungläubig schüttelt Manik den Kopf und nimmt seine Schwester bei beiden Schultern. „Du weißt nicht, wieviel Glück wir hatten.“, redet er eindringlich auf sie ein. „Wölfe sind Rudeltiere, wer weiß wieviele da waren, vielleicht hatten sie schon begonnen uns zu umzingeln!“
„Sei mal locker, ist doch nix passiert. Wenigstens mal ein bisschen Aufregung.“, keck schaut sie ihn an. In dem Moment fällt ihr auf, dass sie ihr Haarband verloren hat, doch nur ein paar Meter zurück, schimmert es auffällig auf dem Waldboden. „Ich finde es gut, dass du mich mitgenommen hast,“, beginnt sie, während sie es holen geht. „Auch wenn es vielleicht gefährlich wurde, weiß ich doch, dass du alles getan hättest, um mich zu beschützen. Ich bin wirklich froh, einen Bruder wie dich zu haben.“
In dem Moment steht sie schon wieder neben ihm, das rote Haarband bereits wieder im Haar und zieht an seiner Hand. „Los komm, lass uns wieder zurückgehen, los, komm schon.“
Sanft hielt Manik ihre Hand in seiner Linken. Mit der Rechten fuhr er übers Gesicht, durchs Haar. Das dunkle Haar, das hatte er immer an ihr gemocht. Sie lag auf dem Boden und er hockte neben ihr. Er hatte sie gefunden. Oh, niemand hatte an ihn geglaubt, aber er hatte sie gefunden. Nun lag sie da, wie schlafend. Aber er kannte die Wahrheit. Die bittere Wahrheit. Er hatte versagt.
Er dachte zurück. An seinen Vater. An das Dorf, nur einen Tagesmarsch vom Rhykarrwald entfernt in dem er aufgewachsen war. Und an die Menschen aus dem Dorf, natürlich. Dort hatte er seine Kindheit verbracht, dort war ihm das Jagen und andere nützliche Talente beigebracht worden. Dort war er mit einer wundervollen Familie aufgewachsen. Einer wundervollen Familie, die nun nicht mehr komplett war.
Stimmte das eigentlich? Das „nun“? Im Grunde war sie schon eine ganze Weile nicht mehr komplett, seit der Nacht, in der seine Schwester und andere Frauen aus dem Dorf verschwunden waren. Seit der Nacht, in der er in seinem jugendlichen Übermut beschloss, dass die „blöden, alten Männer“ des Dorfrates sowieso nichts anderes können, als Reden und noch mehr Reden. Seit er alleine aufbrach um den Helden zu spielen. Wie törricht er doch gewesen war. Zwar hatten ihn die Lehren seiner Dorfgemeinschaft soweit gebracht, dass er den Spuren der Entführer folgen konnte, weit Richtung Westen, die Byth Berge über- und Paru’Bor durchquerend, doch einholen hatte er sie nicht können, bis jetzt.
In Ek’Gakel war noch immer auf die Leute Verlass, wenn man Informationen brauchte, ein erlegtes Tier, ein oder zwei Gefallen, man kam schnell an Informationen, gestern hatte er von einer Gruppe in einer Gaststätte den entscheidenen Hinweis bekommen. Und nun lag sie da tot vor ihm.
Manik stand auf und blickte auf die bizarr wirkende Szenerie herab, viele Tote Menschen, männlich. Ein paar tote Mädchen, eine tote Grünhaut. Die Menschen lagen teilweise um ein längst erloschenes Feuer herum. Hatten diese Idioten keine Wachen aufgestellt? Wussten die nicht, wo sie hier waren? Eine Bande lumpiger Tagediebe von Grünhäuten ausgelöscht, eigentlich hatten sie es verdient, doch warum waren die Mädchen noch getötet worden, warum? Der Mann der seine Schwester umschlungen hatte, hatte den blutigen Dolch noch in der Hand. Wenigstens war er tot, doch warum er sich, anstatt sich zu verteidigen, auf das Mädchen stürzte, wollte Manik einfach nicht klar werden.
Doch es änderte nichts. Er hatte versagt. Seinem Vater, der Dorfgemeinschaft, konnte er so nie wieder unter die Augen treten. Er beschloß ein Grab für seine Schwester auszuheben, wenn es sein muss mit bloßen Händen. Als er fertig war, brach bereits die Nacht herein, er hatte nichts mehr zu essen, kein Geld mehr, es half nichts, das Leben musste für ihn weitergehen, mal sehen, ob er in dem Dorf aus dem er kam, irgendeinen Auftrag bekommen konnte.