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« am: 27.10.2014, 01:31:37 »
Die Chimäre rollt holprig über das Schlachfeld. Im halbdunklen Inneren des Fahrzeugs stinkt es nach Blut, Rauch und Schweiß, nach Angst und derben Flüchen. Die zerschrammten Mitglieder des 52. Trupps hocken an ihren Gefechtsstationen, beharken den Feind mit Geschossen und Verwünschungen, während Explosionen um sie herum den Boden aufwühlen und Mensch wie Maschine erschüttern.
Im hinteren Bereich der Chimäre hocken zwei Soldatinnen an den Schießscharten. Die eine hat hochgestecktes aber inzwischen zerzaustes rotes Haar, hält ihr Lasergewehr so fest umklammert, dass ihr Knöchel weiß hervortreten, und zuckt immer wieder zusammen. Die andere, schwarzhaarige, scheint sich besser im Griff zu haben. Da es draußen gerade nichts gibt, worauf es sich lohnen würde, mit einem Lasergewehr zu schießen, behält sie lieber ihre verstörte Kameradin im Auge und raunt ihr hin und wieder etwas Beruhigendes oder Aufmunterndes zu.
Plötzlich reißt sich die Rothaarige, auf deren Flakmantel neben den Armeeabzeichen das Emblem des Adeptus Astra Telepathica prangt, von der Schießscharte los. Sie ist kreidebleich, ihre Augen sind in namenlosem Schrecken geweitet.
"Fanny, was..."
Die dunkelhaarige Schützin bekommt ihre Frage nicht zu Ende ausgesprochen. Der Kehle der Psionikerin entsteigt ein panischer Schrei, der die anderen Geräusche für einen Moment übertönt.
"Sei leise!," blafft ein Kamerad sie unwirsch an, aber Fanny ignoriert ihn. "RAUS HIER!," schreit sie nur und stürzt Hals über Kopf zur Einstiegsklappe der Chimäre. Ihre Hand prallt auf den Öffnungsschalter, als die erste Minendetonation direkt unter dem Fahrzeug dieses fast ein Meter in die Luft springen lässt. Schmerzensschreie und Flüche fluten den Innenraum - mehr als einer prallt gegen die Wände des fahrenden Sarges und verletzt sich. "RAUS!," kreischt die Psionikerin panisch.
Die Klappe öffnet sich, lässt den Lärm und Qualm des Schlachtfeldes ungefiltert hinein. "Was macht die Irre da?!," protestiert der Sergeant des Trupps von seiner Position am schweren Bolter. Eine weitere Minenexplosion direkt vor der rechten Kette bringt die Chimäre beinahe zum Kentern.
"Sind Sie taub, Sir?! Sie sagte 'raus hier'!," ruft die schwarzhaarige Soldatin dem Truppführer über die Schulter entgegen. Sie hat verstanden - wieder einmal als einzige - was die Todesangst der Psionikerin ausgelöst hat, denn sie weiß, dass diese manchmal Dinge sieht, die sich noch nicht ereignet haben, aber es tun werden. "Raus, wir werden sonst alle sterben!"
Das Mißtrauen kommt dem 52. Trupp teuer zu stehen. Während Fannys einzige Vertraute die Feldrucksäcke der beiden schnappt und der Seherin zur Luke hinaus folgt, sieht der Rest der Einheit das Ende nicht kommen. Die beiden Soldatinnen haben sich kaum im aufgerissenen Schlamm abgerollt, da läutet die dritte Explosion das Ende der Chimäre und aller verbliebenen Insassen ein. Die Druckwelle presst die Psionikerin und ihre Kameradin in den Boden, grelles Feuer fegt über sie hinweg, zusammen mit einem Splitterregen. Ein spitzer Schrei erhebt sich kurz über das Fauchen der Flammen, frisches Blut spritzt auf die zerfurchte Erde.
Schlammverklebt, angesengt, fast taub und entgeistert findet die Schwarzhaarige als Erste zu sich. Sie fühlt sich völlig unwirklich, als wunderte sie sich, warum sie noch nicht tot ist - aber ihre erste Sorge gilt nicht ihr selbst. Sie zieht den Oberkörper der Psionikerin aus dem Dreck hoch, die Kehle trocken vor Furcht, und ein Stein fällt ihr vom Herzen, als Fanny sich rührt und vor Schmerz aufschreit. Ein Splitter steckt dort, wo zuvor ihr rechtes Auge gewesen ist, und die rothaarige Soldatin kippt beinahe wieder um.
Als ein Artilleriegeschoss nur wenige zehn Meter entfernt einschlägt und die Ohren der Überlebenden pfeifen lässt, legt sich im Kopf der Dunkelhaarigen ein Schalter um. Das schreckliche Ende ihres Trupps rückt wie von selbst in den Hintergrund, zurückgedrängt von einem Adrenalinschub und dem Wissen, dass sie Fanny nicht hier krepieren lassen wird. Von einer unheimlichen Klarheit erfasst, rappelt sich Margaret Maxwell auf und zerrt die verwundete Seherin mit auf die Beine.
"Komm, Fanny. Es wird gut. Es wird wieder gut," redet sie der anderen Frau mit leiser, sanften Stimme zu. Auch wenn der Lärm der Schlacht alles übertönt, ist sie sich sicher, dass Fanny sie hört. Wie in Trance stolpern die beiden über den unebenen Boden, fort von dem Minenfeld, zurück auf die eigenen Reihen zu. "Wir schaffen das. Noch ein wenig," hält Margaret auf eine der heranrollenden ambulonischen Chimären zu, indem sie die Psionikerin stützt. Die Deckung, die ein derartiges Fahrzeug bietet, ist höchst zweifelhaft, aber die Soldatin versucht, irgendetwas zwischen sich und ihrer Kameradin einerseits und dem feindlichen Artilleriefeuer andererseits zu bringen. Und sie brauchen dringend einen Sanitäter. Jetzt. Sofort.
"Sani!," ruft die geduckt laufende Margaret laut in der Hoffnung, dass irgendjemand im Inneren des Fahrzeugs sie hört.