Ignorieren. Einfach ignorieren. Triopthalmos kämpfte innerlich etwas mit seiner Fassung, als Merope diese ins Wanken zu bringen versuchte. Er hatte noch nicht einmal ein Wort zuende gesprochen und schon fiel sie, eine Frau, ihm in jenes. In einem völlig unangebrachten Moment. So war es wohl mit diesen Sirenen, die glaubten, dass all Kosmos sich um sie bewege. Merope war vielleicht nur eine dunkle Helena. Und darin lag auch das Tragische, war Trios doch nicht so viel anders und dachte auch, dass all Kosmos sich um seine Person zu drehen hatte, und dann wieder nicht, wenn aller Druck und alle Verantwortung ihn zu erdrücken schien und Feigheit ihn übermannte. Er atmete durch, verkniff sich einen scharfen Konter oder den erbärmlichen Versuch, sich auf ein Schlachtfeld zu stellen, in dem er der schönen, der mysteriösen Merope so gnadenlos unterlegen war. Sich jetzt in ein Wortgefecht zu stürzen, bedeutete wieder einmal einer List dieser tückischen Schönheit zu verfallen und seine eigene Position zu untergraben und nichts anderes wollte sie doch, und nichts anderes konnte ihr jenes erfreuen, welches einst ein Herz und nun in den Tartarus gesperrt war. Ja, es war kein Amboss, der neun Tage gefallen war, um den Tartarus zu erreichen, es musste ihr Herz gewesen sein.
"Oder gar mein Herz, dass sie hinabwarf in ihrer Kühle?" Triophthalmos hatte sie nutzen wollen, um einem Konkurrenten, um Aristeas, das Herz herauszureißen, und als Dank hatte sie das seine genommen und hinabgeworfen. Kämpfe, die man nicht gewinnen konnte, in denen man nur überleben konnte, in denen man Agamemnons Worte zu schätzen lernte. Besser, wer fliehend entrann der Gefahr, als wen sie ereilet! Wäre er nur beim ersten Schlagen seines erwachenden Herzens geflohen statt sich in ihrem Netz zu verfangen. Des Kriegers Herz blieb töricht.
Trios atmete tief durch und wartete darauf, dass sich alle gesammelt hatten.
"Ich weiß, wir sind müde. Wir sind nass, durchgefroren, erschöpft, dem schwarzen Grab entronnen und doch herzensschwer über unsere Verluste. Doch dieser Ort ist nicht zu verteidigen, dieser Ort ist fremd und seine Gesinnung uns verborgen.", Triophthalmos rieb sich seine dunklen Augen und den Bart. Er brauchte seine eigene Erschöpfung nicht spielen, sie war so greifbar wie der Tod ihres Steuermannes. Er blickte jedem seiner überlebenden Gefährten und Gefährtinnen in die Augen. Dann zeigte er die Klippe hinauf.
"Von dieser Klippe aus kann ein einziger Feind uns vernichten, wenn wir hier unten harren." Sein Finger zog hinüber auf die offene See.
"Die See hat uns für den Moment verstoßen und das Land auf dem wir stehen, ist von ihrer Wut ausgewaschen. Es ist kein Ort für ein Lager. Wir werden auf die Klippe ziehen und dort ein Lager errichten, unsere Wunden versorgen und einen Moment der Ruhe finden. Aeneas ist nicht unter uns, und da wir nicht wissen, was mit unserem Herren passiert ist, müssen wir - ja, wir müssen - bei klarem Geiste bleiben, um ihn wieder zu finden, um zu wissen, ob er das Meer gemeistert hat. Dazu brauchen wir unser Schiff, unsere Körper, unsere Augen und unser Vertrauen auf Aeneas."Trios nahm seinen Schild auf, das dritte Auge zeigend, als er ihn an seinen linken Arm band.
"Ich werde mit einigen Freiwilligen Ausschau halten, erfahren wie das Land uns gesinnt ist, während die anderen das Lager errichten, die Wunden schließen, die nasse Nahrung überprüfen. Ein Blick wird auf das Schiff gehalten und Wachen gebildet. Ich und der Trupp von Freiwilligen werden nach dem Lande sehen, nach Hölzern, um unser Schiff in Gang zu bringen, nach Nahrung und nach Hinweisen auf die anderen Trojaner." Seine Befehle waren knapp und prägnant, die Erklärungen nur so kurz, wie er glaubte, dass sie hinzugefügt werden mussten.
"Doch vorerst werden wir zur Klippe hinaufziehen und einen Lagerplatz suchen. Packt eure Sachen zusammen und folgt mir."Erschöpfte Entschlossenheit trat in das Gesicht von Trios. Trotz all ihrer Verluste, er fühlte sich merkwürdig wohl, wie die Augen vieler der Überlebenden auf ihm lagen, hoffnungslos und auf klare Befehle wartend; oder so bildete er es sich zumindest ein. Er sah ihren Kummer, die noch ungetrockneten Tränen des Verlustes, aber er sah auch, dass sie darüber noch nicht so sehr auf Aristeas achteten, ihm etwas Gunst schenkten und war es nur für einen Moment. Einmal wieder vor Aristeas stehen, der ihm sonst alle Gunst abspenstig gemacht hatte: die Gunst des Mars, die Gunst der Bürger, die Gunst der Krieger...die Gunst Meropes? Sein Blick ging durch die Reihen, traf Aristeas Blick und einen Moment länger Meropes, ein Stück weit enttäuscht, ein Stück weit trotzig.
Dann setzte er den Helm auf, der nach einer künsterlischen Darstellung des verdammenden Pferde Trojas geschaffen war und für einen Moment war es jener, der ihnen immer den Verlust ihrer Heimat vor Augen führte, der ihnen jetzt auch den Verlust Aeneas vor Augen führte und sie dennoch weiter in Andenken an Troja und Aeneas - bis sie von seinem Schicksal wussten - führen wollte. Jemand reichte ihm sein Speer und er nahm seine Habe noch auf, ehe er voranschritt Richtung des Aufganges zu den Klippen.
"Wir bauen das Lager, und auf dem Weg nach oben, überlegt euch, wer von euch freiwillig mit mehr auf die Suche gehen will[1]. Folgt mir."Es war wichtig für ihn, dass er den ersten, den entscheidenden Schritt ging, vor Aristeas. Dass die Männer einmal wieder ihm folgten und nicht dem Sohne des Mars. Unter dem Helm verzog Trios das Gesicht, und in Kummer über diesen Zwiestreit, der wortlos und unehrenhaft von ihm begangen worde, schwand die Freunde über diesen ersten Schritt, den er dann tat. Wieso konnte er Aristeas nicht wie einen Bruder lieben? Warum musste er ihn nur so hassen und schätzen zugleich...