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[Szene 11] Ein Taubenschwarm im Schatten des Adlers

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Miko Yumi:
Erst das in-den-Weg-treten schien Chúsei Tsuyoshis Gegenwart wieder klarzumachen, zumindest zuckte ihr Blick zu ihm, wenn er auch noch immer von Wut erfüllt war. Erst mit seinen Worten und seinen Griffen nach ihr zuckte sie zusammen und ihr wurde bewusst, dass sie den Sicherheitsabstand (und jeden Respekt) vernachlässigt hatte. Sie versuchte auszuweichen, traute sich aber nicht, ihre Körperkraft einzusetzen und verlor so das kleine Gerangel. Der junge Krieger bekam so einen widerwilligen Blick und heiße Tränen der Wut zu sehen, begleitet von einer ziemlich steifen Haltung, denn sie versuchte, ihre überbordenen Emotionen in den Griff zu kriegen. Mit einem Zischen - heißem Eisen im Wasser gleich - brachte sie hervor: "Es kann, es darf so nicht bleiben. Es muss etwas getan werden! Soll, nein muss ich alles allein organisieren, gegen diese..." Im letzten Augenblick unterdrückte sie wohl ein äußert unhöfliches Wort. sie schluckte, bekam sich besser in den Griff, und ergänzte mit ruhigerem Ton: "Herr?"

Tsuyoshi:
Die Wut, die sich hier offen sichtbar Bahn brach, überraschte den Ronin. Im Allgemeinen wurden Mädchen zu Duldsamkeit, Zurückhaltung und Höflichkeit erzogen. Doch Chúsei schien hier ein wenig aus der Art zu schlagen. Immerhin, sie war noch so weit bei Sinnen, dass sie sich nicht ernsthaft gegen seinen Griff wehrte. Es wäre ihm angesichts seiner Ausbildung wiederum schwer gefallen, eine Jiujutsu-Technik wie einen Hebel oder Wurf einzusetzen, um sie an Dummheiten zu hindern. Eine Kampftechnik, im Ernst gegen eine Frau eingesetzt – eine schwere Hypothek für seine Ehre als Samurai. Darum war er innerlich erleichtert darüber, dass sie doch genug Vernunft zeigte, auch wenn er sich nichts davon anmerken ließ. "Beruhige dich" forderte er sie in ernstem Ton auf, während er nach Worten suchte, sie von ihrem verständlichen, aber wohl sinnlosen Vorhaben abzubringen.

Wie ihr beibringen, dass die Bauern hier niemals gegen die Banditen ankommen würden? Greise, Frauen und Kinder: Selbst wenn man sie zu einem Widerstand überreden könnte, wäre es mit der Entschlossenheit spätestens vorbei, wenn sie blitzende Klingen in den Händen der Angreifer sehen würden. Sicherlich handelte es sich bei diesen bis auf die paar Ronin in ihren Reihen auch selten um Männer, die jemals in einer Schlacht gekämpft hatten. Doch Blut vergossen und getötet würden sie bereits haben. "Du darfst nicht verzweifeln" suchte er Zeit zu gewinnen und nahm sie unbeholfen in den Arm. Wenn er in einem Gebiet weder über Ausbildung noch über Erfahrung verfügte, dann war es darin, dieser zwischen Angst und Trotz schwankenden Frau Trost zu spenden.

Miko Yumi:
Es dauerte eine Weile, bis sich die Frau des Schmiedes soweit in den Griff bekam, sich nicht mehr gegen den Griff zu stemmen, sondern stattdessen die Tränen wegzuwischen - was nicht allzuviel half, denn es kamen weitere. Mit schmalen Augen starrte sie auf die Hände des jungen Kriegers, die sie festhielten, und zischte: "Ich werde es nicht zulassen, das meiner Tochter etwas geschieht! Der Fürst mag mir meinen Mann genommen haben - NIEMAND wird ihr auch nur nahe kommen!"

Trotz der Worte machte sie nicht mehr den Eindruck, als würde sie gleich losstürmen wollen. Herausfordend starrte Chúsei Tsuyoshi an: "Und Herr, was habt ihr nun vor? Werdet ihr uns trainieren und führen?" Es war nicht eindeutig zu erkennen, welche Antwort sie bevorzugen würde, aber es war deutlich, dass sie einer Frau der Tat, wenn es so etwas gäbe, sehr nahe kam. Und mit ihrer Physik und Entschlossenheit würde sie vermutlich auch eine Herausforderung für einfache Krieger darstellen - sowie ein leuchtendes Beispiel für ihre Mitkämpfer.

Tsuyoshi:
Mit einem wachsenden Gefühl der Besorgnis sah der Ronin die heftige Reaktion der Frau. Und ihre Frage brachte ihn in eine böse Zwickmühle: Einerseits konnte er gut verstehen, wie sehr sich alles in ihr dagegen sträubte, ihr Schicksal einfach zu akzeptieren. Andererseits... "...euch anführen?" echote er langsam. Und dann entschloss er sich, deutlich zu werden, um sie vor schlimmerem zu bewahren. "Ist dir bewusst, dass ich dann die meisten von euch, vielleicht alle, in den Tod führen würde?" Seine Stimme wurde lauter, der Blick hart, und er packte sie so fest am Oberarm, als wollte er ihr vor Augen führen, was sie erwartete. "Es sind erfahrene Kämpfer unter den Banditen!" Den Titel eines Samurai wollte er einem Ehrlosen nicht zugestehen, der sich an Wehrlosen vergriff, um zu rauben und zu morden. Noch nicht einmal den eines Ronin...

Den Griff seiner Finger wie eine Eisenklammer verstärkend, fuhr er fort: "Hier sind nur Frauen, ein paar Greise und Kinder – wenn ihr gegen sie antretet, werden sie euch alle erschlagen! Du kannst nicht erwarten, dass die anderen Frauen ebenfalls willens sind, in einem Kampf zu sterben. Wenn ihr euch nicht wehrt..." Er brach ab und ließ sie los, wandte sich halb ab, wütend, weil er sah, wohin sein Satz führen würde: Wehrten sie sich nicht, dann würden sie am Leben bleiben. Aber sie wären bettelarm, und gewiss würden alle Mädchen und jungen Frauen geschändet werden. So viel hatte er vom Krieg gesehen, dass er daran nicht zweifeln konnte. Und die Banditen würden wiederkommen. Immer wieder.

Aber das führte ihn dazu, dass er keinen Rat wusste, den er ihr hätte geben können. Das simple Faktum war: Die Frauen würden sich nicht verteidigen können, ganz gleich wie sehr sie es versuchten. Und wenn er den Versuch machte, sie im Kampf zu schulen, ihnen die Hoffnung vorgaukelte, sie könnten es mit den bewaffneten Banditen aufnehmen, schickte er sie eben in den sicheren Tod... Die Optionen wirbelten ihm durch den Kopf. Was konnten sie tun? Sich verstecken? Um Gnade flehen? Fliehen, das Dorf aufgeben? Alle klangen gleichermaßen schlecht. "Wenn ich nur eine Handvoll Männer hier hätte..! Samurai, einige wenige bloß..." murmelte er bitter.

Miko Yumi:
Chúsei schüttelte den Kopf, sowohl, um die Tränen loszuwerden, als auch, um ihrem Trotz Ausdruck zu verleihen. Sie traute sich weiterhin nicht, sich dem Griff zu entziehen. Tsuyoshis Drohungen, ihnen könnte der Tod drohen, da die Banditen Kämpfer wären, wurden nur mit hartem Blick und vorgeschobenem Kinn beantwortet. Sein Eisenklammergriff provozierte einen unwillkürlichen Schmerzensruf und lenkte sie ab.

Seinen Halbsatz mit der Andeutung, sich nicht zu wehren, ergänzte sie regelrecht blaffend: "...werden sie uns Schlimmeres antun, bevor sie uns umbringen! Habt ihr nicht gehört? Sie lassen keine Zeugen am Leben!" Überrascht von seinem Abwenden stoppte sie ihre Tirade. So wie ihre verzweifelte Wut langsam an Feuer verlor wurde ihr langsam bewusst, wie unmöglich sie sich benahm. Noch wollte sie sich jedoch nicht entschuldigen.

Mit weniger Wut und mehr verzweifelten Trotz argumentierte sie gegen seine Position: "Ihr habt uns - wir sind nicht erfahren, aber mehr als sie, wir kennen den Ort und beherrschen teilweise Bögen und Schleudern. Mit euch als Vorbild werden wir nicht weichen!"

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