• Drucken

Autor Thema: Kapitel 3: Der hungrige Sturm  (Gelesen 58353 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Mondragor

  • Moderator
  • Beiträge: 3255
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #240 am: 25.09.2020, 00:55:11 »
Bard musste nicht lange warten, bis er den Ruf einer Eule vernahm - und sofort als den Astrids erkannte. Wenige Augenblicke tauchte sie auch bereits in seinem Blickfeld auf, und erleichtert und voller Freude strahlte er, als er sie unverletzt und wohlbehalten erblickte. Auch Astrid war die Freude anzumerken, Bard endlich wiederzusehen: Sie landete neben ihm und neigte den Kopf in seine Richtung, wie sie es immer tat, wenn sie am Hals gekrault werden wollte.

Rumar Endan

  • Beiträge: 353
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #241 am: 28.09.2020, 05:13:10 »
Sie hatten erste Anhaltspunkte und damit auch ein Ziel. Solitaire schlug allerdings vor, zuerst zum Drachen zu gehen und Rumar stimmte dem Vorschlag zu. "Ja, wir müssen erst mit dem Drachen fertig werden, egal was genau das bedeutet. Ich glaube immer noch, dass wir einen Kampf verhindern können, aber das müssen wir sehen, wenn wir dort sind." Der Drache war nicht böse, dafür gab es mehrere Beweise. Er war von Tunuak benutzt worden und der war nun tot. Das brachte das Ei zwar nicht zurück aber es war immerhin etwas.

Mondragor

  • Moderator
  • Beiträge: 3255
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #242 am: 29.09.2020, 00:00:16 »
Nalvanaq antwortete ernst: "Ich befürchte, dem Drachen ist es egal, ob Tunuak nun tot ist. Ihr Ei wurde zerstört und ich kann verstehen, dass sie Rache üben will. Wer weiß, was Tunuak ihr noch angetan hat. Wenn ihr es schafft, sie zu überzeugen, sind wir euch zu großem Dank verpflichtet. Doch wenn ihr das nicht könnt, überlebt entweder der Drache oder Iqaliat. Und ohne Hilfe werden wir dem Biest nichts entgegenzusetzen haben."

Bard Windwärts

  • Beiträge: 131
    • Profil anzeigen
    • Federwelten
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #243 am: 29.09.2020, 16:37:06 »
Bard spürte eine große Anspannung von sich abfallen. Astrid war wohlauf und er war stolz auf sie, dass es so war. Er wusste nicht, wie lang er fortgewesen war, und obwohl sie kein Jungvogel mehr war und sich allein versorgen konnte, hätte er es sich nie verziehen, wenn er sie durch seine eigene Unbedachtheit in Gefahr gebracht hätte.
      „Verzeih mir, dass ich dich alleingelassen habe“, bat er sie und begann, sie am Hals zu kraulen, so wie sie es sich wünschte. Für einen Beobachter müsste diese Szene ein seltsames Bild sein: ein Halbling, der sich streckte, und eine Eule mit nahezu der Größe eines ausgewachsenen Frostriesen, die sich möglichst klein machte, damit ihr kleiner Begleiter an ihren Hals herankam. „Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich bin dem Schurken, der hinter dieser Verseuchung steckt, direkt in die Arme gelaufen und ihm in die Falle getappt.“
      Jede Bewegung tat ihm weh, dennoch hielt Bard die Streicheleinheiten eine Weile aus, bevor seine Arme schwer und der Schmerz unerträglich wurde. Dann schmiegte er sich einfach an sie und kuschelte sich in ihr Federkleid. Es war tröstlich, Astrids Wärme und ihre Zuneigung zu spüren. Nach allem, was Bard durchgemacht hatte, war es dieser Trost, den er dringend brauchte.
      „Bisher habe ich unsere gemeinsame Reise eigentlich sehr genossen“, erzählte er ihr nach einigen verstrichenen Augenblicken, als ihm selbst diese Umarmung zu anstrengend wurde. Er ließ sich kraftlos in den Schnee plumpsen und fuhr sich müde mit der Hand über sein Gesicht. „Aber das war naiv… vielleicht sogar dumm. Wie konnte ich nur denken, wir zwei würden zurechtkommen? Unser großes Abenteuer hätte heute sehr schnell sehr schrecklich enden können. Wir sind fernab der Heimat… weit weg von Bauern, die meinen Rat suchen, und Feen und Holzfällern, die ich durch Worte davon abbringe, sich gegenseitig umzubringen.“
      Bard seufzte. „Ich dachte immer, ich würde mit jeder Herausforderung zurechtkommen. Ich bin ein Nordmann, verdammt, ich bin zäh! Der Schnee und die Kälte der Arktis schreckt mich nicht… Keulen schwingende Riesen oder Säbelzahnkatzen? Pah! Aber verrückte Schamanen, Dämonen und ein wütender Drache? Das ist furchteinflößender als schales Bier!“
      Bard blickte in Astrids gelben Augen hinauf, die ihn musterten. Astrid war eine gute Zuhörerin. Er redete viel mit ihr und manchmal hatte er den Eindruck, dass sie verstand, was er sagte… zumindest in Grundzügen. Sie war ein kluger Vogel. Und eine gute Freundin. Wenn er sie nicht hätte, wäre Bard gar nicht so weit in den Norden gereist. Ohne sie hätte er also die Verunreinigung der Ley-Linie nicht entdeckt. Aber das bedeutete nicht, dass sie diesen Weg mit ihm nun weitergehen musste – zumindest nicht ganz bis zum Ende. Bard war nach wie vor entschlossen, das Gleichgewicht der Natur wiederherzustellen. Dazu müsste er diese Katiyana suchen und sie in den Abyss zurückschicken. Solange der dämonische Einfluss Bestand hatte, würde die Natur sich nicht erholen können. Aber Astrid sollte auf keinen Fall in Kontakt mit diesen bösen Mächten kommen, das stand für Bard fest. Astrid würde mit sicherem Abstand darauf warten müssen, dass er (hoffentlich) zu ihr zurückkehrte.
      „Wir sind hier noch nicht fertig, Astrid“, gestand er ihr, „auch wenn es mir selbst nicht gefällt. Du musst stark sein und brav. Ich nehme dich nun mit zu meinen neuen Freunden, die uns helfen werden, die Ley-Linie zu säubern. Aber wenn es gefährlich wird, dann musst du mir gehorchen und fliehen. Wenn ich dich irgendwo warten lasse, wartest du – ja? Und wenn ich nicht zurückkehre, musst du allein nach Hause fliegen. In Ordnung?“
      Bard musterte Astrid einen kurzen Moment ernst, aber ihr leises Gurren zwang ihm dann ein Lächeln auf sein Gesicht. Er stand ächzend wieder auf, klopfte sich den Schnee von der Kleidung und kletterte auf Astrids Rücken. Im Sattel, der eine Spezialanfertigung war, konnte er sich festhalten, ohne an ihren Federn zu zerren und ihr womöglich wehzutun. Es war Zeit, zu den anderen zurückzukehren.
      Er gab Astrid ein Zeichen und gemeinsam hoben sie ab.

Solitaire

  • Beiträge: 2338
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #244 am: 09.10.2020, 17:42:34 »
Am Abend nutze Solitaire die Gelegenheit, noch ein paar Zauber zu wirken, die bis zum kommenden Abend anhalten würden. Sie schütze wieder Mugin, das Eidolon und Rumar vor der Kälte[1], ebenso wie sich selbst. Außerdem verlieh sie jedem der Abenteurer einen kleinen Einblick in die Zukunft, der womöglich in einer noch vor ihnen liegenden Situation von Nutzen sein mochte[2].

Außerdem ließ sich Bard dazu überreden, einen Blick in die Zukunft zu riskieren und sich die Karten legen zu lassen[3]. Wenn man schonmal bei einer varisischen Karawane ist. Aber das Bild, was sich Solitaire während des Auslegens der Karten bot, war alles andere als freundlich. "Das ist alles noch zu sehr von den schlechten Einflüssen hier vor Ort geprägt," erklärte sie. "Wir sollten es nocheinmal versuchen. Die Karten sind jedesmal anders, wenn man sie legt und zeigen andere Aspekte der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft an."

Zunächst legte Solitaire drei Karten aus, die positive Aspekte aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft symbolisierten.

"Die Königinmutter steht für das Wissen, die Ordnung und für den Drang, Teil einer Gesellschaft zu sein. Zu wissen, wann man sich etwas Höherem unterordnen muss. Der Bär ist einfach rohe Kraft. Diese mag manchmal notwendig sein, aber ihr Einsatz bringt auch Konsequenzen mit sich. Die Lawine ist ein großes Desaster, aber sie kann abgewehrt werden, da sie an dieser Stelle in der Auslage falsch ausgerichtet ist."

Dann folgten drei Karten für die ungewisse Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

"Der Aufstand. Man wurde in etwas verwickelt, was größer ist als man selbst. Die Dämonische Laterne deutet auf eine hartnäckige und schwer zu lösende Situation hin. Und die Krähen stehen für Mord, Diebstahl oder eine andere Art von Verlust."

Zuletzt kamen die Karten, die auf die negative Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindeuteten.

"Der Schlangenbiss steht für das Gift, in jeglicher Form, sei es richtiges Gift, oder auch giftige Worte, die den Geist vernebeln können. Der Paladin bedeutet, dass man nicht zurückweichen darf. Allerdings ist er hier unten in der Auslage falsch ausgerichtet und daher mag es töricht sein, wenn man sich zu sehr auf etwas versteift. Zum Schluss haben wir den Zyklon. Eine Kraft, die nicht der Natur entstammt sondern durch Intrigen und andere Machenschaften in die Welt gebracht wurde. Die Karte liegt genau an der für sie vorgesehenen Position und hat daher besondere Bedeutung. Es ist geradezu offensichtlich, dass sie hier für die Hungrigen Stürme steht."
 1. Endure Elements
 2. Lucky Number, siehe hier
 3. Harrowing, siehe hier
« Letzte Änderung: 09.10.2020, 17:52:10 von Solitaire »

Mondragor

  • Moderator
  • Beiträge: 3255
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #245 am: 13.10.2020, 00:00:03 »
Die Gruppe beschloss, am nächsten Morgen aufzubrechen. Erneut würden sie sich vom Rest der Karawane trennen, um sich dem Drachen zu stellen, und erneut würde Naquun sie führen, der es sich nicht nehmen ließ, seine Schande (so sah er es zumindest) wenigstens teilweise wiedergutzumachen. Auch Bard, den sie aus den Fängen Tunuaks gerettet hatten, hatte beschlossen, sich der Expedition anzuschließen. Mit ihm würde seine Rieseneule kommen, auf deren Rücken er zur Überraschung aller plötzlich am Nachmittag zur Karawane gestoßen war, und deren Erscheinen eines der Tagesgespräche unter den Reisenden war. Vor allem Cliff warf dem Vogel sehnsuchtsvolle Blicke zu, stand sie doch für die absolute Freiheit, die ihm seit seiner Verletzung verwehrt war.

Bevor sie am nächsten Morgen aufbrachen, versammelte sich am Abend die gesamte Karawane zu einem Festmahl - zumindest war es unter den Umständen eines, denn das Reisen im ewigen Eis hatte allen Opfer abverlangt, und die Mahlzeiten waren selten üppig. Heute jedoch hatten sie einiges zu feiern: Das Aufdecken von Tunuaks Verschwörung, die Rettung Naquuns und Bards - auch wenn die direkte Bedrohung Iqaliats durch den Drachen noch immer bestand.

Cliff hatte es geschafft, die Abenteuer des Tages in der kurzen Zeit zu einem Lied zu verarbeiten, das er unter dem Beifall der Feiernden zum Besten gab, und das wie üblich an etlichen Stellen das Geschehene maßlos verzerrte und übertrieb, was mit wiederholtem Gelächter quittiert wurde. Heute Abend schien die Last der Reise endlich einmal weniger schwer auf allen Schultern zu ruhen.

Später fand Bard sich auf einem Platz zwischen Cliff und Ameiko wieder; Bard hatte bereits gemerkt, dass Letztere, wenn sie auch scheinbar nicht die Anführerin der Karawane war, doch enormen Respekt unter den Mitreisenden genoss, auch wenn er nicht wusste, welche Stellung die junge Frau tatsächlich einnahm. Bevor er sie jedoch danach fragen konnte, sprach der andere Halbling ihn an: "So ... du bist also der neue Halbling-Barde, mit denen die anderen mich ersetzen wollen?" fragte er mit grimmigen Blick. "Ich kann vielleicht nicht laufen, aber kampflos werde ich diese Position nicht aufgeben!"
Mehrere Lidschläge fixierte er den perplexen Bard mit durchbohrenden Augen, bis sich seine Miene plötzlich aufhellte und er prustend zu lachen begann. "Deinen Blick hättest du sehen sollen - ein Anblick für die Götter! Aber du musst schon zugeben, Bard ist ein seltsamer Name; zumindest im Süden, wo ich herkomme. Wo kommst du denn her? Und was treibt dich in diese unwirtliche Gegend?"

Bard Windwärts

  • Beiträge: 131
    • Profil anzeigen
    • Federwelten
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #246 am: 13.10.2020, 16:07:31 »
Als Bard zu den anderen zurückkehrte, fühlte er sich schon beim Anblick ihrer Karawane wohl. Er verband nur gute Erinnerungen mit Begegnungen mit dem varisischen Volk, und auch wenn nicht alle Teilnehmer dieser Karawane dieser Kultur anzugehören schienen, tat das dem guten Gefühl keinen Abbruch. So richtig Zeit war bisher nicht gewesen, sich näher kennenzulernen, und Bard war nicht scheu, deswegen ließ er sich gern darauf ein, dass Solitaire ihm die traditionellen varisischen Karten legte. Wie genau die Karten zu deuten waren, war wohl eine Kunst für sich, von der Bard keine Ahnung hatte, also lauschte er Solitaires Worten mit Neugier. Ein wenig erinnerte ihn es ja schon an die Wahrsagekünste der Druiden seines Zirkels – nur nutzten diese nicht Karten, sondern warfen Runenknochen, deuteten Naturomen oder lasen aus Eingeweiden. Eine spirituelle Bindung zur Macht der Natur erlaubten tatsächlich Voraussagen. Bard war damit selbst nicht so firm wie er es vielleicht hätte sein sollen, doch erlaubten ihm seine (wenn auch dürftigen) Kenntnisse, Solitaires Ansatz nicht als Unsinn abzutun, sondern sich darauf einzulassen.

„Ein Desaster, das abgewendet werden kann. Ein noch ungewisser Verlust. Und eine Betonung der fatalen Bedeutsamkeit der Hungrigen Stürme… Meine Zukunft klingt nicht allzu rosig. Hoffen wir mal, dass die positive Weissagung die anderen Aspekte überschattet.“ Was die Karten über seine Vergangenheit und Gegenwart erzählten, konnte Bard verschiedenen Ereignissen zuordnen. Ob er damit richtig lag, wusste er nicht. An der Vergangenheit konnte er nichts mehr ändern, aber allgemein konnten die Karten helfen, über die Situation, in der er sich befand, zu reflektieren. Rohe Kraft, die positiv zu bewerten war, eine hartnäckige Situation und der Hinweis, sich nicht zu sehr zu versteifen… ja, das waren Punkte, die man zusammenbringen konnte. Bard beschloss, später darüber nachzudenken. Er bedankte sich bei Solitaire für ihre Weissagung und versuchte, sich für den Moment nicht mehr mit düsteren Überlegungen zu befassen, sondern sich auf die Feierlichkeiten einzulassen, die zur vorläufigen Rettung Iqaliats veranstaltet wurden. Tatsächlich half die ausgelassene Stimmung Bard, auf andere Gedanken zu kommen.

Cliffs Art, ein Gespräch anzufangen, irritierte Bard später am Abend tatsächlich ein wenig. Den Humor dahinter verstand er nicht sofort – doch als Cliff anfing zu lachen, musste Bard schließlich auch lachen. Er war erleichtert, denn nichts läge Bard ferner als irgendjemandem den Platz streitig zu machen. Und ein Barde? Herrje… besser nicht! Bard griff das Thema lieber nicht noch einmal auf. Er sang durchaus. Ab und zu, für sich allein oder wenn er in freundschaftlicher Runde angetrunken war. Aber um ein Musikant zu sein, fehlte ihm eindeutig das Talent.
      „Ich komme aus der Nähe von Jol, das liegt in Südmoor“, klärte er Cliff auf. „Da ihr gerade dem Pfad von Aganhei folgt, seid ihr sogar wahrscheinlich daran vorbeigekommen. Südmoor südlich von hier, aber immer noch so weit im Norden, dass sich eure Namen auch ungewohnt für mich anhören.“
      Bard hatte sich bisher noch nicht wirklich mit seinem Vornamen befasst. Seinen Beinamen hatte er sich verdient… aber Vornamen lagen in der Willkür der Eltern, die Omen und Götter ehren wollten oder einfach etwas wählten, dessen Klang sie gut fanden. Dennoch konnte man darüber philosophieren.
      „Bard ist ein skaldischer Name. Er bedeutet“, er überlegte kurz, wie man das ihn die Gemeinsprache übersetzen konnte, „‚friedlicher Krieger‘. Das lässt sich vermutlich mit ‚Beschützer‘ gleichsetzen. Ich glaube, es war eher Zufall, dass meine Eltern diesen Namen ausgesucht haben, und es ist auch Zufall, dass ich heute meinem Namen mehr oder minder gerecht werde. Ich sehe mich als Beschützer des Gleichgewichts. Ich bin ein Druide. Gerade reisen Astrid und ich allein, aber daheim bin ich Mitglied eines Zirkels, der die Wälder, Moore und Siedler gleichermaßen bewacht… und auch, wenn ich fern der Heimat bin, fühle ich mich dieser Aufgabe verpflichtet.“
      Damit hatte er eine Überleitung geschaffen. „Unterwegs bin ich, weil Fragen mich umtreiben, auf die niemand bisher mir Antwort geben konnte. Also bin ich zu einer Art Fortbildungsreise aufgebrochen. Ich möchte verstehen, wie alles, das existiert, miteinander verbunden ist. Denn dass alles miteinander verbunden ist, daran besteht kein Zweifel. Das Sein, oder die Natur, wenn man so will, besteht nicht nur aus der Summe einzelner Dinge, die wir sehen können. Sie lebt als Ganzes, als Einheit, wie ein riesiger Organismus, und wird durch Energie, die alles umgibt und durchflutet, belebt. Mancherorts ist diese Energie konzentrierter. Sie fließt in Strömen, den Ley-Linien, vernetzt von Ort zu Ort, wie Adern, die einen Körper durchziehen. Nur verbinden diese Adern sogar Planeten und Ebenen miteinander.“
      Bard erzählte gern von den Ley-Linien und allgemein von Dingen, die in faszinierten. Dass ihm dieses Thema am Herzen lag, merkte man ihm vermutlich an. Unter den Gelehrten Magnimars, wo seine Reise ihn zuvor hingeführt hatte, hatte er dafür Spott geerntet, und es war ihm auch bewusst, dass Ley-Linien sich der Vorstellungskraft der breiten Masse entzogen... aber er versuchte trotzdem, zu erklären, was ihn umtrieb.
      „Für euch klingt es vielleicht abstrakt oder bizarr, aber ich kann die Ley-Energie spüren. Sie ist wie ein Atem oder wie ein Herzschlag… eine Präsenz, die ich fühle, und mit der ich gelernt habe zu interagieren. Ich folgte einer der Lebensadern, in der Hoffnung, auf jemanden zu stoßen, der mir helfen könnte, ein noch tieferes Verständnis für dieses Gefüge zu erlangen. Sie führte mich hierhin, an den Rand des hohen Eises. Statt eines anderen Druidenzirkels und Erkenntnis, wie erhofft, fand ich eine Störung im Gleichgewicht. Eine Verschmutzung der Energie. Dem wollte ich dann natürlich auf den Grund gehen. Das ist nichts, was ich zulassen könnte. So eine Verschmutzung ist wie eine Krankheit oder ein Geschwür. Nicht behandelt, könnte sie sich ausbreiten und große Vernichtung mit sich bringen. Ich wusste nicht, was dahintersteckte, nur, dass es mächtig sein musste. Mit Dämonen oder einem wahnsinnigen Schamanen, dem ich dann auch noch auf den Leim gegangen bin, hätte ich nicht gerechnet. Aufgeben darf ich jedoch nicht. Jeder hat seinen Platz im Gefüge des Seins, selbst Dämonen – auf gewisse Weise. Ihr Platz ist allerdings nicht hier. Nur, wenn sie und ihr Einfluss fort sind, kann die Natur heilen. Daher bin ich nicht nur dankbar, dass ich befreit wurde, sondern dass ich mich dem, was kommt, nicht allein stellen muss. Ihr steckt aufgrund dieser Hungrigen Stürme hier fest, wenn ich das richtig verstanden habe. Da können wir uns gegenseitig unterstützen… außerdem bin ich euch etwas schuldig.“
      Neugierig musterte Bard die Runde. „Ich muss zugeben, ich frage mich auch, warum ihr hier seid. Es ehrt euch sehr, dass ihr den Leuten hier helft. Nicht jeder würde so viel wagen. Allerdings seht ihr auch nicht wie normale Händler aus, muss ich sagen. Diese würden vielleicht einfach umkehren… denn gefährlich ist dieser Pfad durch das ewige Eis auch unter normalen Umständen schon genug. Warum riskiert ihr eure Leben, um nach Tian Xia zu gelangen?“

Mugin Sanderbarrel

  • Beiträge: 892
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #247 am: 15.10.2020, 18:27:44 »
Mugin genoss den Abend so gut er konnte. Sie waren ein Stück weiter und eine direkte Gefahr auf die Karawane und Ameiko war abgewendet. Natürlich schlug er bei dem kleinen Festmahl ordentlich zu. Das Eidolon hatte seit Anfang der Reise nur kleine Reste gegessen. Immerhin waren ihre Vorräte begrenzt und sie brauchte keine Nahrung für ihr Überleben, doch hatte sie die Gerüche und Geschmäcker dieser Dimension lieben gelernt. Immer wieder nutzte sie die mentale Verbindung mit Mugin um auf dessen Geschmackssinn zuzugreifen und so doch etwas von dem Essen mitzubekommen. So saß sie neben ihrem Meister und schaute angespannt zu was er sich wohl als nächstes in den Mund stecken würde.
Der Gnom bekam dies nicht mit oder ignorierte es geflissen und hörte lieber dem Gespräch von Cliff und Bard zu. Er selbst hatte keine Ahnung von Leylinien und -energie. Aber er nutzte ja auch die angeborenen arkanen Kräfte und nicht der umgebenen Natur. So war er von der Idee angetan. Als das Gespräch allerdings auf den Grund der Reise nach Tian Xia schwankte schaute er vor allem auf Ameiko. Er fand das es wohl ihr vorbehalten war über den wahren Grund zu reden oder nicht. Bard war mit Sicherheit keine schlechte Person, aber trotzdem wussten sie noch nicht ob ihm zu trauen war.
Trotzdem antwortete er dem Halbling: "Nun ganz uneigennützig ist unsere Hilfe ja nicht. Die Stürme und letzendlich auch der Drache versperren unseren Weg und das Wohlwollen der Etraki hilft uns natürlich auch. So hat die Karawane einen sicheren Zufluchtsort bis wir die anderen Hürden beseitigt haben. Und da noch ein langer Weg vor uns liegt wären frische Vorräte natürlich auch nicht schlecht." Die eigendliche Frage ließ er unbeantwortet.

Mondragor

  • Moderator
  • Beiträge: 3255
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #248 am: 15.10.2020, 20:59:36 »
Cliff wollte gerade zu einer ausschweifenden Erklärung ausholen, als sein Blick den von Ameiko streifte und er sofort verstummte. Die junge Frau an Bards anderer Seite antwortete stattdessen.
"Unsere Karawane kommt aus Sandspitze, einer kleinen Siedlung in der Nähe der Stadt Magnimar, falls dir der Name etwas sagt. Doch wie du sehen kannst, stammt meine Familie nicht aus Varisia. Vor einige Monaten erreichte mich auf Umwegen ein Brief meiner Familie, und dringende Angelegenheiten rufen mich zurück nach Tian Xia, selbst wenn ich das Land meiner Ahnen selbst noch nie gesehen habe. Doch es gibt einige finstere Mächte, die versuchen, uns aufzuhalten, und wir haben mehrere unserer Mitreisenden unterwegs zurücklassen müssen, die schwere Verletzungen erleiden mussten. Allerdings haben wir auch neue Freunde gefunden wie Rumar und Solitaire hier, die sich uns in Kalsgard angeschlossen haben.
Unsere Reise mag gefährlich sein, doch es ist unabdingbar, dass ich nach Tian Xia gelange, um die Angelegenheiten meiner Familie in Ordnung zu bringen."


Als Ameiko geendet hatte, nickte Cliff anerkennend. Vielleicht wollte er Ameiko zeigen, dass er mit der sprachlichen Qualität ihrer Ausführungen einverstanden war, doch wirklich deuten konnte Bard seinen Blick nicht.

Bard Windwärts

  • Beiträge: 131
    • Profil anzeigen
    • Federwelten
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #249 am: 20.10.2020, 14:16:24 »
Bard war durchaus neugierig und wollte seine neuen Bekanntschaften besser kennenlernen. Daher war es interessant für ihn zu hören, dass alle hier Ameiko begleiteten, die dringend nach Tian Xia reisen musste. Dass Mugin seiner Frage auswich und Ameiko bei ihrer Erklärung nicht sehr ins Detail ging, fiel Bard natürlich auf, aber das nahm er ihnen nicht übel. Das konnte vielfältige Gründe haben… und wenn er ehrlich zu sich war, würde er Angelegenheiten, die er für privat erachtete, auch nicht mit jemandem teilen, den er gerade erst kennengelernt hatte.
      „Es tut mir leid, dass eure Begleiter verletzt wurden“, antwortete er mitfühlend, „und ich wünsche euch, dass der Rest der Reise angenehm verläuft, nachdem wir der aktuellen Bedrohung Herr geworden sind, und ihr von finsteren Mächten ein für alle Mal verschont bleiben werdet. Deine Verwandtschaft ist sicher froh, dass du solch treue Freunde bei dir hast, die dir helfen, zu ihnen zu kommen.“
      Bard lächelte der hübschen, jungen Frau zu. Er gedachte jedoch nicht, sich wirklich zufrieden zu geben und das Gespräch ins Nichts verlaufen zu lassen. Wenn die anderen sich kurzhielten, war es wohl sein Part, die Plauderei am Laufen zu halten. „Ohne meine Astrid wäre ich vermutlich auch nicht weit gekommen“, erzählte Bard.
         „Wahrscheinlich bin ich etwas zu blauäugig an die Sache herangegangen. Mir ist noch nicht einmal der Gedanke gekommen, dass es notwendig werden könnte, in der Sicherheit einer größeren Gruppe zu reisen. Umso besser, wenn die Gruppe dann auch noch aus Freunden besteht! Ich kann mir vorstellen, dass es sehr aufregend sein muss, in ein Land zu reisen, das man selbst noch nie gesehen hat, aber in dem die eigenen Wurzeln liegen“, sinnierte er, selbstreflektierend, aber durchaus begeistert und auch ein wenig neidisch.
      „Meine Vorfahren sind aus der Sklaverei in Cheliax geflohen… da zieht mich sicher nichts hin. Aber der sagenumwobene Kontinent Tian Xia – der klingt verlockender! Ich hoffe nur, dass diese Angelegenheiten der Familie, um die du dich kümmern musst, keinen traurigen sind, sodass du dich auf die Ankunft freuen kannst.“ Ja, hoffentlich war er da nun mit seiner Schwärmerei in kein Fettnäpfchen getreten. Möglicherweise war jemand aus Ameikos Familie gestorben und sie musste deswegen in die Heimat ihrer Vorväter. Irgendwie hatte Ameikos Wortwahl durchaus ernst geklungen. Die Gruppe war gewiss nicht auf einem Vergnügungsausflug, wenn die Angelegenheiten dringend waren und „in Ordnung gebracht“ werden mussten… aber gewiss könnte man auch die positiven Seiten daran sehen. Vielleicht half Bards positive Einstellung Ameiko, ebenfalls Vorfreude zu entwickeln, sollte sie keine haben. Zu aufdringlich wollte Bard nicht sein. Wenn man seine Worte so stehen ließ und sie Ameiko nicht aus der Reserve lockten, mehr zu erzählen, war das für ihn in Ordnung. Zumindest schienen ihre Begleiter es auch ihr zu überlassen, was sie erzählen wollte und was nicht.
      „Ihr habt bereits einen langen Weg hinter euch“, ließ Bard sich nicht aus dem Redefluss bringen, „wenn ihr aus der Nähe von Magnimar kommt. Der Name ‚Sandspitze‘ sagt mir tatsächlich irgendwas, vielleicht habe ich ihn ja auf Wegweisern gelesen… denn in Magnimar war ich selbst vor Kurzem, zuerst bin ich für meine Nachforschungen nämlich nach Süden gereist. Ich hatte mir davon mehr erhofft, um ehrlich zu sein, in ganz Magnimar habe ich keine befriedigenden Antworten auf meine Fragen gefunden. Und wohlgefühlt habe ich mich dort auch nicht. Es war zwar mal interessant, so eine riesige Stadt zu sehen, aber gewöhnen könnte ich mich daran nicht. All der Lärm und Häuser bis zum Horizont sind ziemlich einengend, finde ich. Da ist mir die Wildnis hier draußen viel lieber. Dafür, dass ich die ersten fast fünf Jahrzehnte meines Lebens an meinem Geburtsort verbracht habe, bin ich in den letzten Monaten ganz schön weit herumgekommen, schätze ich.“ Da musste er lachen.
      „Aber wie es aussieht, haben wir sogar zufälligerweise fast die gleiche Reiseroute hinter uns“, schloss er seufzend. „Es mag zwar wirklich nicht uneigennützig von euch sein, aber ich möchte euch trotzdem danken, dass ihr helfen wollt, die Dämonen zu bekämpfen. Die Ley-Energie an diesem Ort mag zwar verschmutzt sein, aber sie wird uns dennoch nützlich sein. Meine Verbindung zu ihr macht es mir nicht nur möglich, die Energie der Umgebung in gewisse Bahnen zu lenken, sondern auch Kreaturen aufzuspüren, deren Lebensessenz mit anderen Ebenen denn der unseren verbunden sind. Ich muss mich zwar darauf konzentrieren und das funktioniert auch nicht über lange Distanz, aber es könnte uns vor Gefahren warnen, die uns auflauern oder auf den ersten Blick wie keine wirken. Ich kann Kreaturen damit nicht zweifelsfrei als Dämonen identifizieren, aber ich kann spüren, ob sie eine Aura grundsätzlich wie fremd im Vergleich zur materiellen Ebene anfühlt.“
      Sein Blick fiel auf Mugins monströs wirkende Begleiterin. „Damit will ich nicht wagen, Wesen von anderen Ebenen grundsätzlich böswillig, schädlich oder verdächtig zu nennen“, stellte er klar. „Das liegt mir fern. Ich könnte nur…“, kurz zögerte er unsicher, weil er nicht sicher war, ob er von ihr wirklich als „Eidolon“ reden sollte, wie es die anderen taten, also sprach er sie einfach direkt an, „… ähm, deine Aura wohl nicht von der einer Fey, eines Geists oder eines Dämons unterscheiden.“
      Nach einem kurzen Moment des weiteren Zögerns konnte Bard das nicht so stehenlassen. „Verzeih, dass ich frage“, wandte er sich erneut an „das Eidolon“, „denn es kommt mir etwas befremdlich vor: Wie darf ich dich nennen? Mugin hat dich als sein Eidolon vorgestellt, und du wirst auch von den anderen so genannt, aber das wäre irgendwie das Gleiche als würde man mich ‚Halbling‘ nennen. Das ist so unpersönlich. Möchtest du nicht mit deinem Namen angeprochen werden?“

Mugin Sanderbarrel

  • Beiträge: 892
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #250 am: 20.10.2020, 18:51:37 »
Die direkte Frage nach ihrem Namen machte das Eidolon sofort misstrauisch. Ihre pupillenlosen Augen verengten sich als sie den Halbling ein weiteres Mal musterte, doch dann entsann sie sich, dass in dieser Dimension andere Regeln und Bräuche galten. So entspannte sie sich wieder und antwortete wie sie es vor langer Zeit auch schon Garridan hatte.
"Du hast Recht es ist eine Bezeichnung nichts weiter. Doch in meinem Verständnis sind eure Namen auch nichts anderes. Sie tragen keine Macht, so wie es ein wahrer Name tut. In meiner Heimat bedeutet den Namen eines Anderen zu kennen sein ganzes Wesen zu kennen. Und noch mehr, der Name verleiht einem Kontrolle über seinen Besitzer, wenn man ihn den so missbrauchen will. Nur Wenige aus meiner Heimatebene kennen also den Namen eines Anderen, es ist das ultimative Zeichen von Vertrauen und Zuneigung." Sie sah kurz zu Mugin herüber. Dieser lauschte der Unterhaltung aber hielt sich heraus. "Als mein Beschwörer hat Mugin sowieso schon die Kontrolle über mein Wesen in dieser Dimension, auch wenn er diese Befehlsgewalt selten nutzt. Doch selbst ihm habe ich meinen Namen bisher nicht offenbart. Vielleicht wird er sich nach ein paar mehr Jahrzehnten hier diesem würdig erweisen."
Mugin prustete und verschluckte sich an dem Happen den er gerade im Mund gehabt hatte. Als er wieder normal Luft holen konnte, kommentierte er spöttisch schließlich: "Oh ja, welche Ehre das sein wird. Du bist die Einzige hier die das so sieht und das weißt du auch." Er wandte sich an Bard. "Wie du gehört hast, hat sie ihre eigene Gründe. Sie Eidolon zu nennen hat sich dann einfach eingebürgert. Cliff wollte ihr glaub ich mal einen anderen Namen verpassen, aber nachdem ich sie nun seit über 20 Jahren so anspreche würde ich es schon aus reiner Gewohnheit weitermachen. Klar, sollten wir mal auf einen anderen Beschwörer treffen, könnte es wohl zu Verwechslungen kommen, aber so viele von uns gibt es auch wieder nicht. Aber wenn wir schon bei unseren Begleitern sind. Wie kam es dazu, dass du dich mit einer Rieseneule angefreundet hast? Und hast du sie Astrid genannt oder jemand anderes?"

Mondragor

  • Moderator
  • Beiträge: 3255
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #251 am: 20.10.2020, 21:02:21 »
Cliffs Blick wurde bei Mugins Worten leicht grüblerisch. "Stimmt, ich habe sie 'Susi' genannt, aber irgendwie wollte sich das nicht so recht einbürgern, und irgendwann habe ich es dann selbst wieder vergessen. Du siehst also: Wenn selbst ein Meister der Worte wie ich es nicht fertigbringt, ihr einen anderen Namen als 'das Eidolon' zu verpassen, dann solltest du dich damit besser erst gar nicht abmühen.

Aber habe ich gerade richtig vernommen, dass deine Vorfahren Sklaven in Cheliax waren und von dort geflohen sind? Meine Eltern waren Sklaven dort, und auch sie sind geflohen, als ich noch ein Säugling war. Sie haben ihr Leben gegeben, um meines zu retten - sie haben die Flucht nicht überlebt, aber mich noch in Sicherheit bringen können."

Bei den letzten Worten stockte die Stimme des Halblings leicht, doch er fasste sich schnell wieder.
"Wie dem auch sei: Vielleicht sind wir ja sogar verwandt?" fügte er, nun wieder grinsend, hinzu.

Ameiko hatte die Antworten der beiden anderen abgewartet, setzte dann jedoch ihrerseits zu einer Replik an.
"Du bist weit gereist, und die Tatsache, dass du in dieser Eiswüste allein unterwegs bist, spricht entweder für deine Tapferkeit oder für deine Dummheit - oder beides." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Aber da wir zumindest kurzfristig das gleiche Ziel haben, möchte ich dir tatsächlich anbieten, uns zu begleiten. Allerdings müssen wir uns zunächst um den Drachen kümmern, der dieses Dorf bedroht, denn das haben wir den Bewohnern versprochen. Erst dann können wir unseren Weg fortsetzen und uns diesen Morozkos widmen. Doch es wird nur ein kleiner Teil von uns zum Drachen gehen und du kannst hier mit uns warten, wenn du möchtest.

Was meine Familie betrifft: Ein Wiedersehen wird es nicht geben. Ich bin die letzte aus meiner Linie und kehre in Erbangelegenheiten nach Minkai zurück. Doch leider gibt es Kräfte, die verhindern wollen, dass ich mein Erbe antrete; deshalb muss ich dich warnen, dass die Reise mit uns unter Umständen nicht weniger gefährlich sein wird als alleine zu reisen."

Solitaire

  • Beiträge: 2338
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #252 am: 20.10.2020, 22:26:05 »
"Ich reise einfach gern," antwortete Solitaire lachend auf Bards Versuche, etwas mehr über die Gruppe herauszufinden, mit der er womöglich weiterreisen würde. "Wohin ist dabei fast egal. Der Weg ist das Ziel, wie man so schön sagt. Nun, was soll ich sagen, es liegt uns Varisiern einfach im Blut."

"Eigentlich hatte ich ja nicht gerade geplant, nach Tian Xia zu reisen, aber als Cliff in Kalsgard entführt wurde, zu dem Zeitpunkt kannte ich ihn natürlich noch nicht, und seine Entführer direkt an meinem Wahrsagerzelt, was ich in einer der Gassen aufgestellt hatte, vorbeiliefen, hielt ich es doch für nötig, einzugreifen. Zum Glück war ich nicht alleine, auch Rumar hatte den Anstand dem Halbling zu helfen. Und so sind wir beiden dann auch dazugestoßen. Mittlerweile verbinden uns aber mehr als nur ein paar gemeinsame Abenteuer. Es ist beinahe so, als hätte ich die anderen hier schon mein ganzes Leben gekannt."

"Das mit diesen Leylinien klingt interessant. Ich hab da auch mal etwas drüber gelesen, glaube ich. Ich bin ja keine Magiern, die ihr Wissen aus Büchern schöpft, die Magie liegt mir im Blut, aber das heißt nicht, dass ich etwas dagegen hätte, sich auch mal mit Schriften weiterzubilden. Ganz im Gegenteil!"

Während der Unterhaltung landete Phoebe irgendwann auf Bards Schulter und stupste ihn mit ihrem kleinen Schnabel an. "Hey, wenn Du so viel rumkommst," piepste sie, "hast Du vielleicht einmal etwas von dem schönen Land Syranien gehört?"[1]
 1. Wohl eher nicht. ;)

Bard Windwärts

  • Beiträge: 131
    • Profil anzeigen
    • Federwelten
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #253 am: 29.10.2020, 20:24:59 »
Bard lachte, als Phoebe ihn fragte, ob er schon einmal etwas von Syranien gehört hatte. „Leider nicht, aber so viel habe ich von der Welt nun auch nicht gesehen. Zwischen Magnimar und Iqaliat mögen viele Meilen liegen, doch habe ich nur ein wenig die Landschaft zwischen diesen beiden Punkten erkundet. Mit ausladenden Weltreisen und ausuferndem geografischen Wissen kann ich wirklich nicht prahlen.“ Er hatte nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass er ein Weltenbummler war. Eigentlich war er das Gegenteil davon. Er hatte fast fünfzig Jahre seines Lebens in der Umgebung von Jol verbracht. Er wusste, dass Golarion weit größer war als alles, was er bisher davon gesehen hatte – auch wenn er sich kaum vorstellen konnte, wie groß dieser Planet wirklich sein mochte. Die Geschichten, die Reisende nach Jol gebracht hatten, hatte er immer genossen. Von fremden Ländern zu träumen, war ein netter Zeitvertreib. Und wenn man jung war, juckte es einen in den Fingern, den Orten dieser Geschichten nachzujagen. Dass er selbst erst so spät mit dem Reisen begann, war sicherlich ungewöhnlich. Er war nahezu schon ein alter Mann. Zu alt zum Reisen? Nein – das bewies er ja gerade. Dennoch hätte er nicht gedacht, dass ihn in solch späten Jahren die Reiselust packen würde – in der Jugend war sie völlig an ihm vorbeigegangen.
      „Wenn dir der Titel des Buchs wieder einfällt, in dem du etwas zu den Ley-Linien gelesen hast, Solitaire“, griff Bard dann auf, „sag ihn mir bitte. Ich hatte bei meiner Suche in Bibliotheken weniger Erfolg. In Magnimar haben die Gelehrten mich ‚Esoteriker‘ genannt und ausgelacht.“ Das entlockte Bard ein etwas gequältes Lächeln, aber er trug die Sache insgesamt mit Humor.
      „Hätte ich mich davon ermutigen lassen, wäre ich nun nicht hier – auch wenn ich mir meine Feldforschung wirklich etwas anders vorgestellt habe. Ich danke euch selbstverständlich gern für die Einladung, mit eurer Karawane zu den Dämonen zu reisen. Beim Drachen könnt ihr ebenfalls auf meine Unterstützung zählen… da werde ich nicht warten, sondern euch begleiten. Keine Sorge, Ameiko, wenn ich mich nun mit Dämonen und Drachen anlege, können mich weitere missgünstige Kräfte auch nicht abschrecken. Deine Freunde hier haben mein Leben gerettet. Wenn ich euch im Gegenzug helfen kann, wäre mir das eine Ehre!“
      Er überlegte kurz. „Nur Astrid würde ich gern bei der Karawane zurücklassen. Ich fürchte, einem Drachen wäre sie ein willkommenes Frühstück. Dennoch könnte sie die Karawane bewachen, während wir fort sind. Sie hat scharfe Augen und Ohren und kann im Zweifelsfall recht heftig zubeißen. Aber keine Sorge, sie ist absolut sanftmütig, wenn man freundlich zu ihr ist. Sie mag es, zu kuscheln, und freut sich sicher, wenn ihr sie krault.“
      Während er das sagte, streckte er seine Hand nach ihr aus und vergrub seine Finger in ihr weiches Federkleid.
      „Es war tatsächlich ich, der ihr diesen Namen gegeben hat“, beantwortete Bard nun Mugins Frage. „Ich verstehe, Eidolon, du siehst unsere Namen eher als willkürlich an. Wahrscheinlich sind sie das auch, vergleicht man das mit der Bedeutung, die Namen für dich haben, dennoch haben sie auch für uns einen besonderen Stellenwert. Der Name Bard beschreibt vielleicht nicht mein ganzes Wesen, aber für mich ist er trotzdem ein essentieller Teil meiner Identität. In den Reichen der Linnorm-Könige, und ich denke, das ist auch andernorts so, gibt man Neugeborenen einen Rufnamen, um sie in der Familie und der Gesellschaft willkommen zu heißen. Einen Namen zu bekommen, bedeutet, zugehörig zu sein, anerkannt zu werden und unter dem Schutz der Götter zu stehen. Es heißt, dieser Schutz sei sehr wichtig, denn er vertreibe missgünstige Geister, die, zwischen Leben und Tod gefangen, einen neuen Körper suchen. Ein Name bedeutet, dass der Körper schon jemandem gehört, und sie sich ihn nicht einfach nehmen können. Man sagt auch, ein Name würde Fey und Eishexen davon abhalten, Kinder zu entführen. Ich bezweifle zwar, dass das mehr als nur Aberglauben ist, aber insgesamt zeigt es wohl, dass man dem Namen eine hohe Gewichtung beimisst. Ob er sich nun im Laufe des Lebens als passend erweist oder nicht.“
      Bard grinste. „Manchmal muss man sich einen Namen auch erst verdienen. Dann ist er sicherlich passend und so etwas wie ein Titel – vielleicht wäre das ja sogar etwas für dich, Eidolon. Meine Leute gaben mir den Beinamen ‚Windwärts‘, als sie mich das erste Mal auf Astrid haben fliegen sehen. Bei Astrid, muss ich sagen, habe ich nicht groß darüber nachgedacht. Für mich war es einfach selbstverständlich, ihr einen Namen zu geben… denn ich habe für sie die Rolle eines Ersatzvaters angenommen. Ich habe sie gefunden, da war sie noch ein Küken. Wilderer hatten ihre Eltern getötet und Astrid verletzt zurückgelassen. Ich habe es geschafft, ihr Vertrauen zu gewinnen, habe über sie gewacht, sie versorgt und sie großgezogen. Nun ja, größer als ich war sie schon am Tag unserer ersten Begegnung, aber sie hat doch schon noch ein Stückchen zugelegt. Bis sie wirklich ausgewachsen ist, kann es noch ein Weilchen dauern. Jahrzehnte, vielleicht. Sie ist schon fast drei davon an meiner Seite. Ich hätte sie damals gern wieder ausgewildert, nachdem sie gesundgepflegt und flügge war, aber sie hatte sich so sehr an mich gewöhnt, dass sie komplett die überlebenswichtige Scheu vor Zweibeinern verloren hatte. Außerdem folgt sie mir überall hin, vermutlich hätte sie gar nicht zugelassen, dass ich sie in der Wildnis aussetze. Allerdings kann ich es mir inzwischen auch gar nicht vorstellen, ohne sie zu sein. Freundschaft ist sehr wertvoll, genauso wie Familienbande. Vielleicht sind wie ja tatsächlich entfernte Großcousins oder so etwas, Cliff. Es tut mir leid zu hören, dass du und Ameiko eure Familien verloren habt. Aber wie wäre es, wenn wir die schrecklichen und traurigen Themen für heute hinter uns lassen?“, schlug er vor. „Wie wäre es mit einem Spiel, um auf andere Gedanken zu kommen? Was spielt man bei euch in Sandpoint, wenn man gemütlich beisammensitzt?“
      Es wäre schade, den Abend in bedrückter oder zumindest von den Ereignissen überschatteter Stimmung zu verbringen.

Solitaire

  • Beiträge: 2338
    • Profil anzeigen
Kapitel 3: Der hungrige Sturm
« Antwort #254 am: 29.10.2020, 20:45:32 »
Phoebe zuckte mit ihren kleinen Vogelschultern. "Hm, naja, hätte ja sein können."

Solitaire hingegen antwortete direkt auf seine Frage nach dem Buchtitel: "Das wird eine der Kundschafterschriften gewesen sein. Ein reichhaltiger Schatz an Wissen, was die Gesellschaft der Kundschafter da über die Zeit zusammengetragen hat."

  • Drucken