Da es mehrere Tage dauerte, die Karawane wieder auf Vordermann zu bringen, hatten alle genügend Zeit, um sich ein wenig zu erholen und ihre jeweiligen Erkundigungen anzustellen. Solitaire kümmerte sich dabei vor allem um die (magische) Ausrüstung der Gruppe, machte Inventur und sorgte dafür, dass sie für die weitere Reise gut gerüstet waren.
Garridan besorgte sich einige Karten der Umgebung und (auch wenn Ulf den Weg kannte) sprach mit einigen der Einheimischen über die vor ihnen liegende Strecke und auch die Stürme, die die letzten Wochen gewütet hatten. Auch die Einwohner von Ul-Angorn hatten bemerkt, dass die Morozkos in diesem Jahr besonders schlimm gewütet hatten, doch seit ihrem Sieg im Turm der Stürme hatte sich auch hier das Wetter beruhigt, so dass sie hoffentlich eine Reise ohne weitere Zwischenfälle vor sich haben würden.
Von Ul-Angorn aus mussten sie zunächst den Pass von Ovorikheer passieren, der sie noch einmal auf eine Höhe von 5000 Fuß führen würde; danach verlief die Route mehrere Hundert Meilen durch die leere Tundra; mit Ausnahme des Ortes Jaagiin gab es dort keine größeren Siedlungen. Dann würde sie ihr Weg zum letzten Hindernis vor Tian Xia führen, dem Himmelswall-Gebirge, das die nördliche Grenze dieses Kontinents darstellte. Wenn alles nach Plan lief, würden sie den fremden Kontinent in wenigen Wochen betreten.
Bard wiederum war sehr interessiert am Leben in dieser scheinbar so lebensfeindlichen Welt. Überrascht stellte er in den Gesprächen mit den Einheimischen fest, dass in der Gegend trotz der Kälte durchaus einiges Leben existierte; man musste nur wissen, wo man suchen musste. Die Bewohner hatten sich gut mit der Natur arrangiert und waren keineswegs auf den Nachschub der Karawanen angewiesen, um hier zu überleben. Nahrung gab es genug.
Einer der führenden Köpfe Ul-Angorns, der Salz-Sprecher Khorokh, war ein Zwerg, und Bard erkannte in seinen Gesprächen schnell, dass dieser wie er selbst einer druidischen Tradition folgte. Die beiden verstanden sich schnell und Khorokh nahm den Halbling auf mehrere Ausflüge außerhalb der Stadt mit, wo er ihm einige der versteckten Oasen des Lebens zeigte, aus denen die Stadt ihre Nahrung bezog. Es war nicht nur die Jagd, die sie hier ernährte, sondern auch Pflanzen wie Wurzeln oder hartgesottenes Getreide, das die Bewohner ernteten. Dabei war es vor allem der Salz-Sprecher, der darauf achtete, dass sie niemals mehr nahmen, als die Natur wieder regenerieren konnte. Bard war tief beeindruckt von der Weisheit des Zwerges und der ganzen Siedlung.
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Irgendwann jedoch, nach etwa einer Woche, waren die Wagen repariert oder ersetzt, die Wunden größtenteils geheilt, und die Karawane setzte sich wieder in Bewegung. Wie Garridan zuvor bereits herausgefunden hatte, führte sie der nächste Teil der Strecke hinauf entlang eines immer steiler werdenden Pfades, der sich irgendwann in Serpentinen den Berg hinaufschlängelte. Der Pass führte durch einen eisbedeckten Wald, von den Einheimischen Domalgaki genannt, in dem sie von einer riesigen Spinne, einem der Bewohner dieses Waldes, aufgehalten wurden - jedoch nicht lange, denn ausgeruht und erholt gelang es der Gruppe schnell, das Biest wieder dorthin zu vertreiben, woher es gekommen war. Der Rest des Weges durch den Wald verlief dann ohne Zwischenfälle und bald ließ der Druck auf den Ohren wieder nach und die schier endlose Tundra lag vor der Karawane.
Etwa 600 Meilen reiste die Karawane durch die karge Steppe, wo sie jedoch keine größeren Probleme mehr hatten, ihre Nahrungsvorräte gefüllt zu halten. Zahlreiches Wild war hier zu finden, und auch die Tagesstunden, in denen man auf die Jagd gehen konnte, nahmen nun langsam wieder zu.
Als das sich vor ihnen nach mehreren Wochen auftürmende Gebirge immer näher kam, erklärte ihnen Ulf, dass sie nun den letzten Pass vor Tian Xia ansteuerten, den Altan Zuud. Dieser schnitt durch das Gebirge und führte auf der gegenüberliegenden Seite nach Hongal.
In den letzten Tagen, bevor sie den Pass erreichten, sank die Temperatur merklich, und Sturmwolken bildeten sich vor ihnen über den Bergen. Unverzagt begannen sie ihren Aufstieg über den Altan Zuud, doch der Sturm wurde stärker und stärker, je höher sie gelangten. Bald war es Ulf, der feststellte, dass sie den Pass in diesem Sturm nicht würden passieren können und besser warten sollten, bis er sich legen würde. Doch andere der Reisenden machten merkwürdige Beobachtungen: Die Wolken, die dort über sie rasten, schienen sich schneller zu bewegen als der Wind selbst. Und hörte der Donner sich nicht irgendwie wie ein weibliches Lachen an?
Etwas Übernatürliches ging hier vor sich, daran schien bald kein Zweifel mehr zu bestehen.