• Drucken

Autor Thema: Kapitel 2 - Langsames Siechtum  (Gelesen 6103 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Idunivor

  • Administrator
  • Beiträge: 17026
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« am: 26.01.2020, 22:03:22 »
Die Zehntage, die auf den Angriff auf den Hof der Savars und das kurze Abenteuer der Bewohner Klauenhafens folgten, waren ereignislos. Es gab keine weiteren Spuren, die sich auftaten, und auch die, die sie schon hatten ergaben nichts neues. Immerhin erinnerte sich Bolin Sarsh an zwei Anhänger des Baphomet, die kurz nach der Gründung der Siedlung für einige Zeit in Klauenhafen gelebt hatten, dann aber aus der Stadt geworfen wurden, als die Bewohner erfuhren, welch finsterem Wesen sie ihr Leben widmeten. Diese Männer mussten dann wohl die Angreifer gewesen sein.
Den zwei nun ihrer Familie beraubten Waisenkindern ging es nicht sonderlich gut. Der Junge hatte offenbar zu traumatisches erlebt, um auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Das zumindest schlossen die Bewohner von Klauenhafen, die ihn aufgenommen hatten. Aber zumindest körperlich war er gesund. Das konnte man von seiner Schwester Mira nicht sagen. Für einen Zehntag sah es so aus, als würde sie langsam wieder zu Kräften kommen, aber dann verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Inzwischen hatte Bolin Sarsh ihr ein kleines Zimmer gegeben, in dem Torben der Alchemist regelmäßig nach ihr sehen konnte.
Eines morgens, es waren etwas drei Zehntage vergangen und dünne Nebelschwaden lagen über dem Land, erhielten die verbliebenen Mitglieder des Rettungstrupps - Yazrin war in die Zivilisation zurückgekehrt - eine Einladung des Tieflings, die ein wenig mysteriös klang. Er wollte mit ihnen sprechen und es war dringend, aber mehr wollte er offenbar nicht verraten.



Felodin und Aelar stiegen aus dem kleinen Flusskahn, der den Delimbyir hinauf gefahren war und betrachteten das Dorf, das das Ziel ihrer Reise war. Es war in der Tat ein kleiner Außenposten in einem wilden Land, genau wie es der Kapitän des Bootes berichtet hatte. Er fuhr scheinbar öfters diese Strecke, und sein Kahn war gefüllt mit Kisten, die allerlei Vorräte enthielten, die man hier in der Wildnis brauchen, aber nicht herstellen konnte. Dafür erwartete ihn auch schon ein blonder Mann in einem Fellmantel, der den beiden Halbelfen zunickte, die als einzige Passagiere auf dem Kahn unterwegs gewesen waren: "Willkommen in Klauenhafen, Fremde. Ich bin Kator Vil, der Sprecher dieses Dorfes. Wir stellen hier keine Fragen, wer ihr seid und was euch her führt. Doch wenn ihr euch hier auf Dauer niederlassen möchtet, kommt doch später bitte zu mir. Ansonsten findet ihr in Bolins Gasthaus für einen kurzen Aufenthalt, alles, was wir euch bieten können." So die zwei ihm nicht weiter antworteten, wandte Kator Vil sich dem Kapitän zu, um Geschäftliches zu klären.
The only ones who should kill are those prepared to be killed.

Niyall

  • Beiträge: 331
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #1 am: 27.01.2020, 00:34:29 »
Zurück in Klauenhafen sah Niyall immer wieder nach den Kindern, auch wenn sie nicht viel dazu beitragen konnte, um ihnen wirklich zu helfen, die Geschehnisse zu verarbeiten. Dazu waren andere besser geeignet, aber natürlich interessierte sie dennoch, was die Kinder für Fortschritte machten. Es würde sicherlich eine längere Zeit dauern, sich von den Schrecken zu erholen. Die Worte, die sie aus dem Mund des Jungen gehört hatten, beschäftigten sie auch, aber es war klar, dass sie in Klauenhafen nicht viel darüber erfahren würden, was es damit auf sich hatte. Das konnten sie nur dort draußen finden.

Nach den mitunter sehr schmerzhaften Aufeinandertreffen mit den Elfen draußen in der Wildnis hatte Niyall begonnen, ihr Training zu vertiefen, welches sie bereits im Kloster angefangen hatte. Neben viel Meditation, um ihre inneren Kräfte besser kanalisieren zu können, übte sie sich vor allem darin, Pfeile und ähnliche Geschosse abzuwehren, denn diese hatten ihr in letzter Zeit einige unschöne Wunden beigefügt. Ansonsten verbrachte die Waldelfin viel Zeit in der Dämmerung und auch in der Nacht damit, sich auf die Stille und die Schwärze einzustimmen, die die späten Stunden stets begleiteten. Sie nahm diese Eindrücke in sich auf und übte sich darin, sie aus ihrem Inneren auch wieder hervorzuholen, indem sie auf ihre innewohnenden Kräfte, auf ihr Ki, zurückgriff. Einige der Mönche in ihrem Kloster hatten diese meditativen Techniken perfektioniert, doch sie befand sich noch am Anfang dieses Weges, dem sie noch eine lange Zeit folgen würde. Da sie hier keine Lehrmeister hatte, musste sie sich auf ihre Erinnerungen und ihre eigenen Erfahrungen berufen. Das funktionierte nicht immer, aber nach und nach fand sie sich damit zurecht und machte auch größere Fortschritte.

Felodin

  • Beiträge: 262
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #2 am: 27.01.2020, 11:06:35 »
Leichtfüssig sprang Felodin von dem sanft schaukelnden Kahn und blickte sich mit wachen Augen um, ehe er sich abwandte und sich seinen Reiserucksack von einem der freundlichen Schiffer reichen ließ. Für einen Moment auf Aelar wartend, betrachtete er dann wieder erneut die Umgebung und was Klauenhafen so auf den ersten Blick zu bieten hatte.

Es war ein schöner Tag, ein wenig windig, ganz wie es der Darbieter mochte. Die kühle Luft die der Wind brachte einmal bewusst schmeckend, ging er die letzten Schritte auf den Dorfsprecher zu, reichte ihm ungefragt die Hand und stellte sie beide trotz dessen Begrüssung wie folgt vor: "Habt dank für euer Willkommen heißen. Dies hier ist Aelar, ein Priester der Dame des Glücks. Ich bin Felodin, Reisender, Geschichtenerzähler und Unterhalter von Königen." Seine offenen Augen und unterstrichen den sympathischen Eindruck noch ein wenig mehr den er ganz natürlich vermittelte. "Vorerst wird es wohl das Wirtshaus werden. Doch wer weiß...?" fuhr er kurz fort ehe er sich von dem Mann verabschiedete.

Dann schlenderte er - wohl gemeinsam mit seinem Reisegefährten - in Richtung des besagten Wirtshauses. Mit etwas Glück - und dafür war Aelar zuständig - würde er bereits heute seine erste Vorstellung geben können.

Aelar Silberschein

  • Beiträge: 57
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #3 am: 27.01.2020, 11:54:49 »
Aelar hatte die Fahrt auf dem Fluss genossen. Diese Region war neu für ihn und er sah sich alles genau an. Er war froh, mit Felodin einen Reisegefährten gefunden zu haben, denn wie er in den letzten Monaten gelernt hatte, war er nicht gerne alleine unterwegs. Vielleicht war das der Preis der vielen Jahre des Studiums in dämmrigen Bibliotheken und Schreibstuben, umgeben von wortkargen, fleißigen Männern und Frauen, deren Fingerkuppen immer schwarz von der Tinte und deren Gesichter meist bleich von nur selten gesehenen Licht der Sonne waren. Naja, er übertrieb. Auch die gelehrigsten unter den Elfen, das hatte er schnell gelernt, unterschieden sich da deutlich von den Menschen. Studieren fand für sie nicht nur an Bücherpulten statt, denn um den Inhalt wirklich zu verstehen, musste man sich der Welt aussetzen. Leider war er überwiegend unter Menschen gewesen. Nun aber war er unterwegs, er folgte dem Ruf seiner Göttin in ein Dorf namens Klauenhafen und Felodin hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, ihn zu begleiten. Aelar genoss den Wind im Gesicht, die Rufe der Vögel und anderen Tiere und die Gesellschaft, die er gefunden hatte.

Und dann hatten sie ihr Ziel erreicht. Felodin übernahm die Vorstellung, daher lächelte Aelar dem Mann nur zu und sah sich dann um, während er hinder Felodin her ging. Dieser hätte es wohl wieder trödeln genannt und das ein oder andere Mal rief Felodin nach ihm und trieb ihn an - er hatte wohl Durst. Er hatte es leider versäumt, sich näher über ihr Ziel zu informieren, ein Fehler, den er in Zukunft vermeiden würde. Aber der Wirt konnte ihm sicher mehr dazu sagen, wie das Dorf zu seinem Namen gekommen war.
« Letzte Änderung: 27.01.2020, 14:53:36 von Aelar Silberschein »

Jykel

  • Beiträge: 106
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #4 am: 28.01.2020, 00:08:48 »
Nach ihrer Rückkehr hatte Jykel sich mit aller Macht in seine Arbeit geworfen und jeden Kontakt mit den anderen, die mit ihm auf die Suche gegangen waren, gemieden. Es war nicht nur die Suche selbst gewesen und die Bedrohungen für Klauenhafen, die sie unterwegs entdeckt hatten, die er verdrängen wollte, sondern wohl noch mehr sein Rückfall in die alte Wut, die er für beherrscht gehalten hatte, nur um feststellen zu müssen, wie schnell ihm die Kontrolle über sich selbst entglitten war.

Tag für Tag hämmerte, maß und sägte er, um neue Häuser für die Stadt hochzuziehen und alte instand zu halten, doch das ersehnte Vergessen kam nicht. Schließlich wand er sich in seiner Verzweiflung an Brogar, in der Hoffnung, dass der gelehrte Zwerg einen Ratschlag für ihn hatte, und es folgten Stunden um Stunden an Gesprächen, die die beiden miteinander führten. Immer wieder wälzte Brogar alte Schriften, und schließlich fand er etwas, was die entscheidende Wende bringen sollte: Die alten Aufzeichnungen nannten es den Pfad des Totemkriegers.
Berichtet wurde dort von Zwergen, die wir Jykel von einer Art innerer Wut beherrscht wurden, die immer wieder drohte, willenlose Berserker aus ihnen zu machen, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten. Doch mithilfe von langen Meditationen gelang es diesen Kriegern, eine Verbindung zu einem Totemtier herzustellen, welches die Wut, die in ihnen brodelte, band und deren Macht in mächtigen Fähigkeiten kanalisierte.

Von diesem Tag an verbrachte Jykel beinahe Tag und Nacht damit, zu meditieren und zu versuchen, sich selbst in Trance zu versetzen. Brogar unterstützte ihn oft, wenn seine Zeit es zuließ, doch Tag um Tag verging, ohne dass sich ein Erfolg einstellen wollte. Täglich wuchs der Frust in ihm, doch eines Tages, erschöpft von ständigen Versuchen, fiel Jykel in einen unruhigen Schlaf, in dem die Ereignisse von damals noch einmal abliefen: Wie er dem Elfen den Brustkorb spaltete, doch der Blutdurst des Dings in ihm weiteres Elfenblut forderte; wie er als nächstes Niyall nachstellte; wie sich Sé in ihrer Tiergestalt zwischen ihn und sein Opfer stellte.
Doch es war nicht der Tiger, den er dort sah, sondern ein Bär, der nun zu ihm zu sprechen begann. "Lass mich dir helfen, Jykel." sagte das Tier, und der Zwerg begriff plötzlich, dass es sich um einen Totemgeist handeln musste. "Verbinde dich mit mir und lass mich die Macht, die in dir schlummert, für gutes nutzen."

Nach einem tiefen und erholsamen Schlaf wachte Jykel am nächsten Morgen erfrischt auf, und wunderte sich über den Traum, den er in der Nacht gehabt hatte. Als er zur Waschschüssel trat, um sich den Schlaf aus den Augen zu waschen, spiegelte sich sein Gesicht für einen Moment in der glatten Oberfläche, und der Zwerg kippte vor Schreck einen großen Teil des Wassers auf den Tisch. Um sicher zu gehen, dass er sich nicht getäuscht hatte, griff er sich seine Axt - das beste, was ihm einfiel, worin sich sein Gesicht ein wenig spiegeln konnte. Etwas undeutlich, da seine Waffe nicht mehr neu und blank poliert war, erkannte er die bekannten Züge - doch sie waren ein wenig verzerrt, und das lag nicht an seiner Axt. Die Augenbrauen waren noch etwas buschiger als zuvor, die Augen schienen eine dunklere Färbung zu haben, und wirkte seine Nase nun nicht ein wenig wie eine Schnauze? Und in seinem Mund - er fühlte mit der Zunge und öffnete ihn sodann, um zwei Fangzähne freizulegen, die mit Sicherheit gestern noch nicht dort waren. Es gab keinen Zweifel mehr: Der Traum musste echt gewesen sein, und die Verbindung mit dem Bären hatte nicht nur seinen Geist verändert! Es waren nur Nuancen, und auf den ersten Blick konnte man übersehen, was mit ihm geschehen war, doch er hatte nun etwas deutlich bäriges in seinem Aussehen.

Einige weitere Tage vergingen, die Jykel stark in sich gekehrt verbrachte, auch wenn er wieder mit der Arbeit an den Häusern begann. Immer wieder gingen ihm die Worte des Bären durch den Kopf, doch der Glaube daran, dass damit sein Fluch tatsächlich gebannt sein sollte, fehlte ihm weiterhin. Am besten, man ließ es nie wieder zu einer Situation kommen, in der er feststellen konnte, ob der Bär ihm half.

Als er so eines Morgens in Gedanken in seiner Baustelle stand und vor sich hin starrte, stand plötzlich ein Bote Bolins vor ihm und bat ihn zu kommen. Sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen, denn natürlich hatte er mitbekommen, dass das Mädchen, dass sie zurückgebracht hatten, nun dort untergekommen war - und er hatte sie nicht einmal besucht, genauso wenig wie den Jungen. Zu sehr wollte er verdrängen, was passiert war; und zu wenig konnte er mit Kindern umgehen. Es war feige gewesen, keine Frage - doch er versuchte sich selbst davon zu überzeugen, wie viel er mit anderen Dingen um den Kopf gehabt hatte. Jetzt jedoch gab es keine Ausrede, denn er machte sich keine Illusionen, was Bolin von ihm wollen würde.

"Ich komme gleich, muss nur noch das Gröbste wegräumen." teilte er dem Boten mit, und tatsächlich war er nur einige Minuten später selbst auf dem Weg zum Gasthaus, gespannt, was Bolin ihm mitzuteilen hatte.

Sé Faoláin

  • Beiträge: 154
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #5 am: 28.01.2020, 21:33:02 »
Vor ihren Augen wuchs das kleine Papierschiffchen, bis es als schlichter Flusskahn zu erkennen war. Man konnte von hier oben sogar schon ein paar Passagiere erkennen, wenngleich sie kaum größer schienen als Insekten. Sé sah gerne von einer der Plattformen, die Teil der Pallisaden waren, den einfahrenden Schiffen zu, die der Delimbyir nun fast täglich mit sich brachte.

Nachdenklich in die Ferne blickend spielte sie mit einer der Tigerkrallen an der unlängst gefertigten Kette. Wie weit Yazrin wohl schon gekommen war? Bald nach ihrer Ankunft hatte er sich verabschiedet und war alsbald weitergewandert. Die Zwerge hatten sich ebenfalls zurückgezogen und bis auf Niyall hatte Sé auch niemanden in der Taverne getroffen. Die Druidin verstand die Männer. Sie mussten sich ähnlich hilflos fühlen wie Torben. Auch der erfahrene Alchimist hatte wenig ausrichten können. Die junge Druidin hatte immer wieder seine Nähe gesucht, ihm unterschiedliche Pflanzen gebracht und versucht den Kindern ihr Schicksal etwas zu mildern. Mira hatte sie gut mit kleinen Tricks ablenken können, einer blühenden Girlande hier, einem lustig fliegenden Feuerfünckchen dort...doch mittlerweile war sie wieder zu schwach und konnte kaum noch mit Sé sprechen. Trotzdem ging sie täglich zu den Kindern und vertrieb ihnen mit Geschichten von wunderbaren Geschöpfen, Märchen und Feen die Zeit. Miras Bruder war noch immer nicht aus seiner Trance gekommen und die Druidin war sich nichteinmal sicher, ob er etwas von seiner Umwelt mitbekam.

Ihre Suche nach weiteren Informationen war bald im Sand verlaufen. Musste denn erst ein neues Unglück geschehen...? Düstere Gedanken belasteten ihr Herz. Sie musste auf jeden Fall besser gewappnet sein als letztes Mal. Wenn es sich tatsächlich um Anhänger des Minotaurenprinzen handelte, so müssten sie alle zäher werden. Sé betrachtete ihre Hände so lange, bis sich vor ihren Augen die Haut veränderte. Zuerst kam die angenehme Kühle, wie von feuchtem Lehm am Sommernachmittag. Dann kam die Leichtigkeit. Die Druidin war eigentlich davon ausgegangen, dass sich der Zauber schwer anfühlen würde, dass er ihre Hände, ihren Körper zu Boden drücken würde, doch das Gegenteil war der Fall. Wo auch immer ihre Haut an Dichte zulegte, an jeder Stelle, an der sie zu einer schwer durchringbaren Rüstung wurde, fühlte sich ihr schmaler Körper federleicht an. Dachte sie ohne Zauber an dieses Gefühl, so ein angenehmer Nebeneffekt, konnte Sé besser schleichen als je zuvor. Als wäre ihr die Erinnerung ein Tarnmantel. Sie war mit dem Ergebnis ihres Trainings zufrieden, auch wenn es sie viel Konzentration kostete. Nun war sie bald bereit es zu versuchen, die gepanzerte Leichtigkeit dem Wolfskörper anzulegen.

Wieder sah sie hinaus, hinunter. Der Kahn hatte wohl angelegt. Ein Pfiff hinter ihr schreckte die junge Frau aus ihren Gedanken. Olirn, der Sohn der Schneiderin, winkte ihr vom Boden aus zu. Der einfach gekleidete Junge brachte wohl Nachricht von Torben? Geschickt kletterte sie hinunter um den Boten zu treffen.

Brogar Tunnelheim

  • Beiträge: 99
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #6 am: 29.01.2020, 09:41:37 »
Kaum zurück in der Siedlung, hatte sich Brogar in seinen Schriften vergraben und alles an anderen Quellen gesucht, was sonst noch zu finden war – wenig genug, wie der Runenschmied grummelnd festgestellt hatte. Umso akribischer war er jedoch dabei vorgegangen, seine Notizen mit anderen Texten abzugleichen, um ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Auch seinen arkanen Studien hatte er sich gewidmet und war dabei auf verschiedene thaumaturgische Konfigurationen gestoßen, die er zu verwendbaren Formuale ausgearbeitet hatte. Immerhin auf diesem Feld war er halbwegs zufrieden, als ihn die Nachricht Bolins erreichte: Zwei neue Formeln waren analysiert, erprobt und in seinem großen Buch sorgfältig verzeichnet. Ein weiterer Pluspunkt schien Jykels Entwicklung zu sein. Da es zu Brogars Pflichten als Wahrer der Traditionen gehörte, in Angelegenheiten wie der Jykels seine Kenntnisse zu nutzen, hatte er bei seinem Mitzwergen die einzige Ausnahme von dem Entschluss gemacht, sich durch nichts in seinen Nachforschungen stören zu lassen. Immerhin nicht ganz erfolglos, wie es den Anschein hatte.

Weniger verheißungsvoll stellten sich seine neuen Erkenntnisse zu den letzten Ereignissen dar. Außer den Informationen aus einigen Passagen zur Baphomet-Brut konnte er keinen Erfolg verzeichnen. Damit war er nicht wesentlich klüger als zuvor. Da man ihm mitgeteilt hatte, dass aus dem Jungen im Moment nichts herauszubringen war, schienen die Ermittlungen in dieser Richtung in einem toten Stollen angelangt. Dementsprechend war auch seine Laune nicht heiterer als sonst, und er warf dem Boten Bolins einen nicht gerade freundlichen Blick unter seinen buschigen Augenbrauen hervor zu, ehe er brummte: "So, so... Und mehr hast du nicht auszurichten? Dürftig genug! Aber sei's drum, ich werde kommen." Womit er die wenigen Dinge ergriff, von denen er sich niemals trennte, seinen rituellen Hammer am Gürtel befestigte und sich auf den Weg machte, um in Erfahrung zu bringen, was Bolin Sarsh so wichtiges und geheimnisvolles zu verkünden hatte.

Idunivor

  • Administrator
  • Beiträge: 17026
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #7 am: 29.01.2020, 14:56:15 »
So fanden sich vier Gefährten vor dem kleinen Haus von Torben dem Alchemisten versammelt. Oldor war vor einigen Tagen zu der Zwergensiedlung aufgebrochen und hatte nicht verraten, was seine Beweggründe waren. Die vier klopften und der Tiefling öffnete ihnen die Tür: "Ah, sehr gut, da seid ihr ja. Kommt herein, kommt herein." Selbst für einen Tiefling wirkte Torben verschlagen. Seine gespaltene Zunge, die immer wieder zwischen seinen Spitzen Zähnen hervorzugte leistete dazu ihren Anteil und auch das abgebrochene rechte Horn gab ihm ein ganz besonderes Auftreten. Aber mit seinem eigentlichen Wesen hatte das nur wenig zu tun. In Klauenhafen wussten zumindest jene, die länger hier waren, dass er vor irgendetwas geflohen war, dass er aber keineswegs so böse oder verschlagen war, wie er anmutete. Das bestätigte er auch jetzt schnell mit seinen Worten: "Gut, gut. Ich habe wichtige Dinge mit euch zu besprechen. Ihr seid die ersten, denen ich das erzähle, aber ich wollte keine Panik auslösen. Deshalb habe ich selbst mit Kator noch nicht gesprochen. Also, wo fange ich an?" Für einen Augenblick legte er den Kopf schief und die Adern an seinem Hals waren unter der roten Haut zu sehen: "Ah ja: also das Mädchen, Mira, ich habe inzwischen einen Verdacht, warum es ihr nicht besser geht. Anfangs dachte ich, es wäre nur die Erschöpfung und der seelische Schmerz, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass es etwas anderes ist. Es ist eine Krankheit, die ihren Körper schwächt. Es sind bisher nur leichte Symptome, Husten, Fieber, aber mit der körperlichen Anstrengung und all den Ereignissen... Nunja, woher weiß ich das? Weil ich schon drei andere Besucher hier hatte, die ganz ähnliche Symptome aufwiesen. Nichts schlimmes, aber die normalen Tinkturen, die helfen sollten, wirken hier nicht. Also muss es etwas anderes sein. Ich weiß noch nicht genau, was es ist. Aber ich tippe auf irgendeine merkwürdige magische Krankheit. Und deshalb wollte ich mit euch sprechen: habt ihr irgendwelche Hinweise auf dem Hof entdeckt? Irgendwelche merkwürdigen Pflanzen, Runen oder soetwas? Oder etwas anderes, womit dieses Mädchen in Kontakt gekommen sein könnte, das sie nun hier in unsere Siedlung eingeschleppt hat?"



Indessen kamen Felodin und Aelar bei dem Gasthaus an, das sich an dem größeren Platz befand, der das Zentrum des Dorfes bildete. Da es noch recht früh am Tag war, saßen hier einige Leute noch beim Frühstück und ein umtriebiger Halbling eilte von Tisch zu Tisch, der als die zwei eintraten sofort seine Route änderte und einen guten Meter von ihnen entfernt stehen blieb: "Ah, Neuankömmlinge. Ihr müsst mit dem Schiff gekommen sein, auf das wir seit zwei Tagen warten. Ich erinnere mich an alle Gesichter hier in meinem Laden und eure zwei waren noch nie hier. Bolin Sarsh mein Name und dies ist mein Gasthaus. Willkommen in Klauenhafen, der letzten Station vor der Wildnis." Der kleine Mann, der sicher schon ein paar mehr Winter gesehen hatte lächelte freundlich zur Begrüßung.
« Letzte Änderung: 29.01.2020, 21:58:03 von Idunivor »
The only ones who should kill are those prepared to be killed.

Niyall

  • Beiträge: 331
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #8 am: 29.01.2020, 16:03:15 »
Niyall schüttelte den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Es gab Kampfspuren, aber an etwas in der Richtung kann ich mich nicht erinnern. Wir haben dort ein paar Elfen gesehen, die hier aus der Gegend stammen und die uns gewarnt haben, die Wildnis nicht zu betreten, weil durch uns Fremde irgendwelche uralten Gefahren aufgescheucht würden. Ansonsten ist Mira ja den ganzen Weg vom Gehöft bis hierher alleine gegangen. Womöglich hat sie sich irgendwie dabei mit der Krankheit angesteckt? Etwas anderes fällt mir dazu nicht ein."

Sé Faoláin

  • Beiträge: 154
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #9 am: 29.01.2020, 18:23:26 »
"Das einzige Außergewöhnliche, was mir einfällt, ist, dass wir Spuren von einer Substanz gefunden haben, die wie eine Säure arbeitet. Besondere Pfeile, eine Druidenwarnung...sonst nichts, das mir in den Sinn kommt. Haben sich die anderen denn bei Mira angesteckt? Hatten sie direkten Kontakt? Oder kommen sie aus der Wildnis und nicht das Mädchen ist die Ursache?" Sollte es eine Krankheit sein, die sich durch Mira verbreitete, so mussten schnell Maßnahmen getroffen werden. Deutlich spürbar wurde Sés Sorge um das Mädchen: ein einengendes Gefühl in der Magengrube. "Ich könnte nochmal genauer nach möglichen Pflanzen suchen gehen, wenn es einen Anhaltspunkt gibt. Gibt es hier ansonsten in den Nähe Zauberkundige, die vielleicht helfen könnten, Meister Torben?" Man musste doch etwas unternehmen können.
« Letzte Änderung: 29.01.2020, 18:25:13 von Sé Faoláin »

Felodin

  • Beiträge: 262
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #10 am: 29.01.2020, 19:48:25 »
Nachdem sie gemeinsam bis zum Hauptplatz von Klauenhafen spaziert waren, hatte Felodin mit dem Kinn in Richtung des Gasthauses gedeutet und die beiden Männer hatten daraufhin die Stube betreten. Die Begrüßung durch den Wirt, Bolin, erwidernd, ging der Geschichtenerzähler ein wenig in die Knie und blickte den Halbling so beinahe auf Augenhöhe an. Erneut nannte er ihre Namen und welchen Beruf sie nachgingen, doch im Gegensatz zum Dorfsprecher, Kator, fragte Felodin weiter: "Und da ihr nun wisst was ich tue, wollt ich euch den Vorschlag unterbreiten heute Abend hier aufzutreten und eure geehrten Gäste zu unterhalten. Ob Lieder, ob Geschichten - wir werden sehen was am besten bei den Leuten hier ankommt.

Im Gegenzug dafür hätten wir gerne ein schlichtes Zimmer mit zwei Betten, etwas Gutes zu essen - es muss nicht viel sein - und etwas Zünftiges zu trinken, damit die Erzählerzunge gut geölt ihr Werk vollbringen kann."
Mit einem Lächeln die letzten Worte unterstreichend, hob der Halbelf eine Augenbraue - immer noch auf Augenhöhe mit dem Wirt - und wartete seelenruhig wie sich Bolin entschied.
« Letzte Änderung: 29.01.2020, 19:49:06 von Felodin »

Idunivor

  • Administrator
  • Beiträge: 17026
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #11 am: 29.01.2020, 20:15:57 »
Der Tiefling überlegte nicht lange bevor er den zwei Frauen antwortete: "Mmh, wenn es etwas auf dem Weg gewesen wäre, hätte ich erwartet, dass es auch ejmand anderes schon erwischt hat. Und was die Ansteckung angeht, da bin ich noch nicht ganz sicher, aber die drei die hier waren, sind Jens und Loren Rickardson, außerdem Lara, die Schankmaid aus der Taverne. Da Jens und Loren die zwei sind, die Mira von der Palisade hergetragen haben und Lara sich viel um sie gekümmert hat, bin ich recht sicher, dass es mit ihr zu tun hat. Aber vieles andere ist noch rätselhaft.
Und das mit der Druidenwarnung klingt zumindest interessant, tatsächlich gibt es einen Druiden im Hochwald, der einige Male hier war, aber jetzt seit Monaten nicht mehr, ein Halbelf namens Veranidoth, der uns zumindest ein wenig gewogen ist. Unter den Elfen gibt es gewiss auch Zauberwirker. Aber nach dem, was ich von eurer letzten Begegnung mit ihnen gehört habe, sind die vielleicht nicht die beste Adresse. Und dann hat einer der Jäger etwas von einer Höhle in den Klauenhügeln erzählt, wo eine Quelle mit ganz besonderem Wasser entspringt, das könnte mir eventuell auch weiter helfen bei dieser Sache."




Der Halbling reagierte freundlich auf Felodins Vorstellung und bei seinem Angebot grinste er zufrieden: "Na das ist doch mal ein Angebot. Wir bekommen hier nicht oft Geschichten aus der weiten Welt, noch dazu freundlich erzählte. Für einige Tage werdet ihr sicher die Leute unterhalten können. Und so lange man euch gern zuhören will, sollt ihr ein Zimmer und Kost dafür bekommen."
« Letzte Änderung: 29.01.2020, 20:22:20 von Idunivor »
The only ones who should kill are those prepared to be killed.

Niyall

  • Beiträge: 331
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #12 am: 29.01.2020, 20:46:14 »
"Was ist mit dem Jungen? Wenn es etwas war, mit dem sich Mira schon auf dem Gehöft angesteckt hatte, dann könnte er doch ebenso daran leidern, oder?" fragte Niyall.

Felodin

  • Beiträge: 262
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #13 am: 29.01.2020, 21:18:14 »
"Wunderbar!" freute sich Felodin ganz offensichtlich. Bolin die Hand schüttelnd, brachte er sein Gepäck auf das versprochene Zimmer und verstaute die wenige Habe entsprechend. Dann ging er zurück in den Schankraum und ließ sich ein Bier reichen. Nichts ging über den ersten Schluck von kellerkaltem Gerstensaft nach einem langen Tag, oder am Ende einer Reise! Und genau nach jenem ersten Schluck, machte sich rothaarige Halbelf davon und setzte sich vor Bolins Wirtshaus auf die Bank und wandte sich Gesicht der Sonne zu. Die Beine extra lang ausstreckend, nahm er noch zwei weitere Züge aus dem irdenen Krug, ehe er ihn beiseite stellte. Behutsam zog er dann ein in Leder gebundenes Buch hervor in dem er einige Zeit zu lesen schien.

Schließlich klappte der weitgereiste Wanderer es bedächtig wieder zu und verstaute es in seinem Wams und blickte gen Himmel. Was darauf hin geschah, war wohl noch nicht oft in Klauenhafen vorgekommen. Plötzlich begannen sich kleine, Schäfchenweiße Wolken zu bilden und zueinander zu streben. Zuerst wenige, dann mehr. Innerhalb von Sekunden begannen die frischen Wölkchen neue Formen anzunehmen. Und so stand nach einigen aufregenden Momenten in riesigen weißen Buchstaben - die offensichtlich tatsächlich aus Wolken bestanden - quer über den Himmel des Dorfs die Worte: "Geschichten aus aller Welt - heute Abend in Bolins Wirtshaus!" geschrieben.

Zufrieden die Finger vor seinem Bauch verschränkend, betrachtete Felodin sein Werk begann und begann in der Sonne zu dösen.[1]
 1. Wenn kein Wetterumschwung kommt, dann hält das für 1h.

Idunivor

  • Administrator
  • Beiträge: 17026
    • Profil anzeigen
Kapitel 2 - Langsames Siechtum
« Antwort #14 am: 29.01.2020, 21:59:47 »
Torben zuckte bei der Frage nach dem Jungen mit den Schultern und seine gespaltene Zunge fuhr für einen Augenblick zwischen seinen Zähnen hervor: "Ich weiß nicht. Ich habe ihn untersucht und bisher keine Spuren dieser Krenkheit entdecken können. Aber das muss nichts bedeuten. Ich weiß viel zu wenig darüber, um genaueres sagen zu können. Vielleicht hat er sich nicht angesteckt und einfach Glück gehabt. Vielleicht ist er immun. Vielleicht irre ich mich auch."
The only ones who should kill are those prepared to be killed.

  • Drucken