Batutu nickt und steht auf. "Wir nicht verlieren noch mehr Zeit. Müssen viel tun, bis Nacht beginnen. Ihr könnt helfen. Freunde wichtig! Viele Zweige machen stark. Treue geben Geist Grund zu bleiben!" Er watschelt zu seinen vielen Töpfen und Behältern, während er weiterplappert. "Ihr ziehen aus Gefährte. Muss nackt sein! Wir ihn waschen sauber. Körper und Geist reinigen bevor Zeremonie..."
Und so beginnt es. Auf Geheiß von Batutu und Übersetzung von Yalena muss Einar vollkommen entkleidet und gewaschen werden. Jegliche Scham - sofern vorhanden - gilt es zu überwinden, denn es geht um mehr als ein paar entblößte Genitalien. Während der Reinigung streut Batutu unbekannte Substanzen in die brennenden Feuer, welche die Beschaffenheit der Luft verändern. Sie atmen verschiedene Düfte - manche angenehm, andere abstoßend. Für den Nordmann beginnt die Welt irgendwann zu verschwimmen; seine Kameraden verkommen zu formlosen Schatten, die düstere Kammer unter der Erde zu einem Raum ohne Wände und Begrenzungen. Das einzige was klar bleibt, ist der Singsang des Schamanen, der in der Sprache der Eingeborenen vermutlich irgendwelche magischen Verse aufsagt - oder sie alle verspottet, denn wer weiß das schon genau zu sagen, wenn man kein Wort versteht? Zur Säuberung wird ein Gemisch aus Wasser und Asche verwendet und obgleich Einar noch immer stark schwitzt, bekommen sie immerhin die krustigen Reste der durchlebten Abenteuer entfernt. Als der Dreck ab ist, holt Batutu eine Schale aus Lehm sowie einen Dolch aus geschärftem Knochen - Einar ist zu diesem Zeitpunkt zwar wach, aber in einem Zustand geistiger Dämmerung. Die Kammer ist voller Dämpfe und die Luft liegt schwer und ist mühsam zu atmen.
"Um zu nehmen, etwas muss gegeben werden", erklärt der Greis ohne Kontext, dann rammt er den Knochen ungehemmt in Einars Unterarm und zieht eine längliche Wunde. Der Nordmann ächzt, während der Schamane weitere Verse in Djaka heruntersingt - sein Schmerz nur ein dumpfes Empfinden, wie eine Erinnerung. Das reichlich fließende Blut wird mit der Schale aufgefangen. Schließlich reicht Batutu den Dolch an Yalena. "Wenn du wollen Freund helfen, dann du geben auch von deinem Blut. Bestienmann auch, denn Schicksal hat euch zusammengebunden. Mehr Blut besser. Brauchen viel für Ritual..."
[1]Nach einer Weile versorgt Batutu die tiefe Wunde und stoppt die Blutung - falls vorhanden auch die von Kiran und Yalena. Die weiteren Vorbereitungen beinhalten noch diverse andere Schritte, die mitunter Singen, Tanzen sowie das Malen verschiedener Symbole beinhalten, welche Batutu mit dickflüssigen Gemischen auf den erdigen Boden, aber auch mit einem angezündeten Stück Holz in die verhangene Luft zeichnet. Ebenso werden immer wieder verschiedene Dinge ins Feuer geworfen, was entweder einen direkten Effekt auf die tanzende Flamme hat oder die Luft mit neuen Gerüchen schwängert. Bald sind neben Einar auch Kiran und Yalena beinahe in einer Art Delirium - der Schweiß läuft ihnen in Strömen und ihre Kleidung (was davon noch übrig ist) klebt ihnen nass auf der Haut. Mit einem Mal hört der Schamane auf zu tanzen; das Rasseln der kleinen Knochen von dem von ihm geschwungenen Instrument verklingt.
"Es ist soweit", verkündet der alte Mann feierlich. "Nehmt Freund und tragt zu Strand. Wir machen Ritual unter Himmel und Mond!" Er nimmt die Schale mit dem aufgefangenem Blut, das er zwischen all dem Singen und Tanzen mit anderen Zutaten vermischt und zu einer dickflüssigen Schlacke weiterverarbeitet hat; ebenso ein mit primitiven jedoch aufwändig farbigen Mustern verziertes Gefäß mit geschlossenem Deckel sowie einige weitere kleinere Utensilien. Einar ist inzwischen völlig weggetreten. Er atmet regelmäßig, aber schwer.
Es gestaltet sich als unglaublich müheselig (und sieht auch nicht besonders elegant aus), den gewaltigen Mann in seinem Zustand durch die engen Gänge zu bekommen, doch zum Glück ist der Weg nach draußen nicht sehr weit. Batutu befehligt einige seiner Leute herbei, die Yalena und Kiran - beide selbst ziemlich matt - tatkräftig zur Hand gehen. Schließlich draußen stellen der Bhangari und die Khoranerin fest, dass es bereits bald dämmern wird. Neugierige Augen aus dem Dorf verfolgen den anschließenden Zug zum Strand. Je ein Bein von Einar wird von zwei Djaka gehalten, während sich Yalena und Kiran um Oberkörper und Arme kümmern dürfen. Der Schamane watschelt mit seinen Sachen hinterher und singt Worte in Djaka, die seine mitgekommenen Diener an Schlüsselstellen lautstark wiederholen. Am Strand angekommen wird der Nordmann sanft auf dem Rücken abgelegt. Mit glasigen Augen starrt er wie paralysiert in den Himmel - ob er zumindest ein bisschen wach ist oder absolut gar nichts von seiner Umwelt mitbekommt, vermag keiner seiner Gefährten zu deuten.
[2] Batutu nimmt die Schale mit der Blutsubstanz sowie einen dünnen Schreibstock und beginnt damit, rotbraune Zeichen und Symbole auf den nackten Einar zu malen. Seine Diener suchen größere Steine aus der Umgebung und platzieren sie in einer bestimmten Konstellation rings um den liegenden Leib herum. Alle gemeinsam - natürlich bis auf Kiran und Yalena - murmeln immer wieder diverse Verse herunter. Ein großes Feuer wird entzündet und verschiedene Tänze getanzt...
Es dauert Stunden, bis Batutu sein Kunstwerk vollendet hat - inzwischen sieht er selbst entkräftet aus. Seine Diener hocken im Sand inmitten der platzierten Steine und singen leise Sprechgesänge, welche sie dann und wann mit Klatschen untermauern. Selbst immer wieder vor sich hinmurmelnd zeichnet Batutu endlich das letzte Symbol. Einars gesamte Front ist nun von Kopf bis Fuß bemalt. Der Schamane erhebt sich und beginnt einen letzten Tanz, der mit Singen und Klatschen begleitet wird. Als er lauter als den Rest das letzte Wort in den mittlerweile dunklen Abendhimmel ruft, folgen die anderen anwesenden Djaka im Chor - danach verstummen alle wie auf Kommando und es wird totenstill. Geschwitzt und gebeugt winkt Batutu Yalena und Kiran herbei. "Es ist soweit", seufzt er halb hinaus. "Euer Freund wird nun gehen. Hier, nehmt Gefäß. Wenn ich klatsche in Hände, dann rufe seine Namen. Er wird hören und erwachen. Dann ihr gebt zu trinken und sagt was euch liegen auf Herzen. Danach er wird gehen auf Reise..." Er reicht dem sich anbietenden Gefährten das verzierte Gefäß mit dem puren Lotusextrakt, nickt aufmunternd und macht sich bereit zu klatschen.
[3]