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Autor Thema: Die sieben Steine  (Gelesen 14639 mal)

Beschreibung: Kapitel 02

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Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #60 am: 22.02.2020, 14:35:09 »
Was Batutu da anspricht, geht über den Verstand der Khoranerin hinaus. Mit solchen Dingen hat sie sich bislang kaum auseinander gesetzt. Aber wenn sie das richtig versteht, muss Einars Geist nur stark genug bleiben, um zurückzukehren. Das klingt immer noch besser als nichts. Trotz einem mulmigen Gefühl fährt sie sich über den Arm und nickt dann langsam. Versuchen müssen sie es. Sie kann sich bereits denken, was Einar antworten wird. Und tatsächlich, sie wird nicht enttäuscht.

"Die Wahl liegt offenbar darin, mit dem Tod zu ringen...oder es gut sein zu lassen. Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Wer sich mit Mumien schlägt, der kommt auch von dieser Erfahrung zurück." Antwortet sie auf Einars Entschluss mit einem schwachen Lächeln. Jetzt heißt es wohl, optimistisch zu bleiben. Sie wendet sich an Batutu und fährt sich über die Haare.  Ohne den Mückenschleim und all dem anderen Dreck fühlt sie sich fast schon wieder ein normaler Mensch. Jetzt müssen sie nur noch diese Hürde überwinden...

"Er will es versuchen und fragt, ob es hier Alkohol für ihn gibt. "

Wenn es einen Zeitpunkt gibt um etwas zu sich zu nehmen, dann wohl jetzt...Wäre ihre Flasche nur nicht über Bord gegangen...

Cerebro

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Die sieben Steine
« Antwort #61 am: 22.02.2020, 14:59:26 »
Batutu nickt ernst, schüttelt dann aber den Kopf. "Nein, nix trinken Ausländer-Trunk. Wenn machen Ritual, dann Körper muss sein sauber und Geist muss sein klar, stark!" Er wendet sich dem Nordmann zu, spricht aber nochmal kurz die Khoranerin an. "Du ihm genau übersetzen was ich ihm jetzt sagen." Er nickt, dann hockt er sich vor Einar - ganz nah, von Angesicht zu Angesicht - und beginnt zu ihm zu sprechen.

"Heute Nacht du wirst sterben. Ich werde dir geben Trank aus pure Silberlotus - viel stärker als Traumsaft. Du wirst trinken, dann schlafen, dann dein Herz wird aufhören zu schlagen. Der Lotus wird dich machen sehen Träume und dir zeigen die andere Seite in Bilder. Ich nicht wissen was du wirst sehen. Deine Seele dann frei - zu gehen wohin will. Nicht dein Kopf, nicht dein Herz, sondern dein Geist, dein Seele entscheiden wohin gehen. Wenn Geist wollen bleiben, dann vielleicht gehen zurück in Körper. Wenn nicht, dann gehen fort. In nächste Leben, in andere Welt... niemand kann wissen. Reise gefährlich. Nicht nur Geister auf andere Seite, sondern auch andere Dinge. Hungrige Dinge. Böse Dinge. Wenn sie erkennen Magie von Lotus, dann sie vielleicht kommen. Einmal ich dort war und gesehen viele Dinge. Getroffen Ahnen, getroffen Bara - anders als Zwiesprache in Geist, wie machen sonst. Doch beinahe nicht kommen zurück, obwohl gut vorbereitet, obwohl Körper stark und Geist wollen zurück. Wenn du merken dass andere Dinge kommen, dann nicht sehen hin. Schließen Augen, hören auf innere Stimme, nicht auf Stimme von andere Dinge. Wenn du sehen, dann sie dich auch sehen - dann du verloren. Das sehr wichtig! Du verstehen?!"

Der Schamane wartet, bis Yalena es Einar übersetzt hat und dieser bestätigt. Dann nickt Batutu. "Dann wir bereiten vor Ritual. Du nicht wehren gegen was ich machen. Wollen helfen. Du vertrauen."
« Letzte Änderung: 22.02.2020, 16:11:32 von Cerebro »

Einar

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Die sieben Steine
« Antwort #62 am: 22.02.2020, 15:57:16 »
Hat er Angst vor dem Tod? Einar hat selten einen Gedanken daran verschwendet. Irgendwann würde ihn der Fremde holen, das war ihm klar. Und vermutlich nicht erst wenn er Alt und Grau sein sollte - gerade weil er selten den Blick abgewandt hat, als er dem Tod schon in die Augen sah. Doch ging er immer davon aus, dass er dies nicht würde kommen sehen. Ein Stich ins Herz, ein Pfeil in den Kopf...
Auf diese Art und Weise hingegen ist es ein sehr beklemmendes Gefühl. Diese Gewissheit gab es bisher noch nie. Er konnte stets noch einen anderen Weg einschlagen, der ihn in seinem Leben weiterführte. Und nun steht er plötzlich in dieser Sackgasse. Ohne Verzweigungen - und ohne Zurück.
„Na schön. Dann gehen wir den Weg zu Ende.“ murmelt er leise und in Gedanken versunken, bevor er den Blick wieder den anderen zuwendet. Er hat einen Entschluss gefasst und wird jetzt nicht weiter daran zweifeln.

„Sag ihm ich habe verstanden. Ich werde mich meinen Ahnen und dem Hüter der Schädel entgegenstellen. Und ich werde meine Augen und Ohren vor anderen... ‚Dingen’ verschliessen. Vater Wolf und Mutter Mond meinten es stets gut mit mir. Sie werden mich auch jetzt nicht im Stich lassen. Und dann komme ich zurück um eure kleinen Ärsche zu retten und endlich einen Weg von dieser Insel runter zu finden.“ Er lacht und muss dabei husten. Doch es tut gut.

Er hat stets getan was er für richtig hielt. Und er bereut nichts davon. Und wenn das nun das Ende ist - es war ein gutes Leben.
« Letzte Änderung: 22.02.2020, 15:58:51 von Einar »

Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #63 am: 22.02.2020, 16:19:53 »
Yalena hebt die Hände und schüttelt den Kopf. Auch das noch. Aber wenn Einar Glück hat, kann er sich nach der Prozedur immer noch abfüllen. 

"Sieht aus, als müsste der Alkohol warten. Er sagt, du musst bei klarem Verstand und rein sein." Als Batutu die Vorgehensweise genauer beschreibt, nickt die Rothaarige knapp und übersetzt für Einar möglichst genau. Diese Art der Reise scheint alles andere als ungefährlich zu sein. Dass der Medizinmann es selbst kaum zurückgeschafft hat, gibt ihr zu denken...aber versuchen müssen sie es trotzdem. Auch sie kann sich nicht vorstellen, den Hünen durch irgend einen unseligen Fluch zu verlieren. Sie haben das Meer überlebt, die Wildnis, die Schnecken...Das muss doch für irgendetwas gut gewesen sein. Als sie endet, fährt sie sich unauffällig über die Augen. Gefährliche Abenteuer dieser Art binden zusammen. Sie hat sich vorgenommen, diese Insel gemeinsam zu verlassen. Das Schiffsunsglück hat bereits zu viele gute Leben gekostet. Der Nordmann wird sich hartnäckig an sein Leben klammern, da ist sie sich sicher.

"Na dann...komm heil zurück. Du willst doch nicht ausgerechnet auf der Djaka-Insel begraben werden. "

Yalena räuspert sich. Sie versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie ist nicht besonders gut mit solchen Dingen. Für den Moment geht sie davon aus, dass es Einar gelingen wird. Es scheint ihr nicht richtig, jetzt schon niedergeschlagen dreinzuschauen. Sie fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht, fasst sich einen Anblick...Dann gibt sie Batutu Bescheid, dass Einar verstanden hat...

 

Cerebro

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Die sieben Steine
« Antwort #64 am: 22.02.2020, 18:18:55 »
Batutu nickt und steht auf. "Wir nicht verlieren noch mehr Zeit. Müssen viel tun, bis Nacht beginnen. Ihr könnt helfen. Freunde wichtig! Viele Zweige machen stark. Treue geben Geist Grund zu bleiben!" Er watschelt zu seinen vielen Töpfen und Behältern, während er weiterplappert. "Ihr ziehen aus Gefährte. Muss nackt sein! Wir ihn waschen sauber. Körper und Geist reinigen bevor Zeremonie..."

Und so beginnt es. Auf Geheiß von Batutu und Übersetzung von Yalena muss Einar vollkommen entkleidet und gewaschen werden. Jegliche Scham - sofern vorhanden - gilt es zu überwinden, denn es geht um mehr als ein paar entblößte Genitalien. Während der Reinigung streut Batutu unbekannte Substanzen in die brennenden Feuer, welche die Beschaffenheit der Luft verändern. Sie atmen verschiedene Düfte - manche angenehm, andere abstoßend. Für den Nordmann beginnt die Welt irgendwann zu verschwimmen; seine Kameraden verkommen zu formlosen Schatten, die düstere Kammer unter der Erde zu einem Raum ohne Wände und Begrenzungen. Das einzige was klar bleibt, ist der Singsang des Schamanen, der in der Sprache der Eingeborenen vermutlich irgendwelche magischen Verse aufsagt - oder sie alle verspottet, denn wer weiß das schon genau zu sagen, wenn man kein Wort versteht? Zur Säuberung wird ein Gemisch aus Wasser und Asche verwendet und obgleich Einar noch immer stark schwitzt, bekommen sie immerhin die krustigen Reste der durchlebten Abenteuer entfernt. Als der Dreck ab ist, holt Batutu eine Schale aus Lehm sowie einen Dolch aus geschärftem Knochen - Einar ist zu diesem Zeitpunkt zwar wach, aber in einem Zustand geistiger Dämmerung. Die Kammer ist voller Dämpfe und die Luft liegt schwer und ist mühsam zu atmen.

"Um zu nehmen, etwas muss gegeben werden", erklärt der Greis ohne Kontext, dann rammt er den Knochen ungehemmt in Einars Unterarm und zieht eine längliche Wunde. Der Nordmann ächzt, während der Schamane weitere Verse in Djaka heruntersingt - sein Schmerz nur ein dumpfes Empfinden, wie eine Erinnerung. Das reichlich fließende Blut wird mit der Schale aufgefangen. Schließlich reicht Batutu den Dolch an Yalena. "Wenn du wollen Freund helfen, dann du geben auch von deinem Blut. Bestienmann auch, denn Schicksal hat euch zusammengebunden. Mehr Blut besser. Brauchen viel für Ritual..."[1]

Nach einer Weile versorgt Batutu die tiefe Wunde und stoppt die Blutung - falls vorhanden auch die von Kiran und Yalena. Die weiteren Vorbereitungen beinhalten noch diverse andere Schritte, die mitunter Singen, Tanzen sowie das Malen verschiedener Symbole beinhalten, welche Batutu mit dickflüssigen Gemischen auf den erdigen Boden, aber auch mit einem angezündeten Stück Holz in die verhangene Luft zeichnet. Ebenso werden immer wieder verschiedene Dinge ins Feuer geworfen, was entweder einen direkten Effekt auf die tanzende Flamme hat oder die Luft mit neuen Gerüchen schwängert. Bald sind neben Einar auch Kiran und Yalena beinahe in einer Art Delirium - der Schweiß läuft ihnen in Strömen und ihre Kleidung (was davon noch übrig ist) klebt ihnen nass auf der Haut. Mit einem Mal hört der Schamane auf zu tanzen; das Rasseln der kleinen Knochen von dem von ihm geschwungenen Instrument verklingt.

"Es ist soweit", verkündet der alte Mann feierlich. "Nehmt Freund und tragt zu Strand. Wir machen Ritual unter Himmel und Mond!" Er nimmt die Schale mit dem aufgefangenem Blut, das er zwischen all dem Singen und Tanzen mit anderen Zutaten vermischt und zu einer dickflüssigen Schlacke weiterverarbeitet hat; ebenso ein mit primitiven jedoch aufwändig farbigen Mustern verziertes Gefäß mit geschlossenem Deckel sowie einige weitere kleinere Utensilien. Einar ist inzwischen völlig weggetreten. Er atmet regelmäßig, aber schwer.

Es gestaltet sich als unglaublich müheselig (und sieht auch nicht besonders elegant aus), den gewaltigen Mann in seinem Zustand durch die engen Gänge zu bekommen, doch zum Glück ist der Weg nach draußen nicht sehr weit. Batutu befehligt einige seiner Leute herbei, die Yalena und Kiran - beide selbst ziemlich matt - tatkräftig zur Hand gehen. Schließlich draußen stellen der Bhangari und die Khoranerin fest, dass es bereits bald dämmern wird. Neugierige Augen aus dem Dorf verfolgen den anschließenden Zug zum Strand. Je ein Bein von Einar wird von zwei Djaka gehalten, während sich Yalena und Kiran um Oberkörper und Arme kümmern dürfen. Der Schamane watschelt mit seinen Sachen hinterher und singt Worte in Djaka, die seine mitgekommenen Diener an Schlüsselstellen lautstark wiederholen. Am Strand angekommen wird der Nordmann sanft auf dem Rücken abgelegt. Mit glasigen Augen starrt er wie paralysiert in den Himmel - ob er zumindest ein bisschen wach ist oder absolut gar nichts von seiner Umwelt mitbekommt, vermag keiner seiner Gefährten zu deuten.[2] Batutu nimmt die Schale mit der Blutsubstanz sowie einen dünnen Schreibstock und beginnt damit, rotbraune Zeichen und Symbole auf den nackten Einar zu malen. Seine Diener suchen größere Steine aus der Umgebung und platzieren sie in einer bestimmten Konstellation rings um den liegenden Leib herum. Alle gemeinsam - natürlich bis auf Kiran und Yalena - murmeln immer wieder diverse Verse herunter. Ein großes Feuer wird entzündet und verschiedene Tänze getanzt...

Es dauert Stunden, bis Batutu sein Kunstwerk vollendet hat - inzwischen sieht er selbst entkräftet aus. Seine Diener hocken im Sand inmitten der platzierten Steine und singen leise Sprechgesänge, welche sie dann und wann mit Klatschen untermauern. Selbst immer wieder vor sich hinmurmelnd zeichnet Batutu endlich das letzte Symbol. Einars gesamte Front ist nun von Kopf bis Fuß bemalt. Der Schamane erhebt sich und beginnt einen letzten Tanz, der mit Singen und Klatschen begleitet wird. Als er lauter als den Rest das letzte Wort in den mittlerweile dunklen Abendhimmel ruft, folgen die anderen anwesenden Djaka im Chor - danach verstummen alle wie auf Kommando und es wird totenstill. Geschwitzt und gebeugt winkt Batutu Yalena und Kiran herbei. "Es ist soweit", seufzt er halb hinaus. "Euer Freund wird nun gehen. Hier, nehmt Gefäß. Wenn ich klatsche in Hände, dann rufe seine Namen. Er wird hören und erwachen. Dann ihr gebt zu trinken und sagt was euch liegen auf Herzen. Danach er wird gehen auf Reise..." Er reicht dem sich anbietenden Gefährten das verzierte Gefäß mit dem puren Lotusextrakt, nickt aufmunternd und macht sich bereit zu klatschen.[3]
 1. Es steht Kiran und Yalena frei, ihr Lebensblut zu opfern.
 2. Stelle ich Einar frei.
 3. Das Klatschen kann in den Spielerpost eingebaut werden. Ich schalte mich ein, wenn Einar getrunken hat und die anderen beiden ihren Teil gesagt haben.
« Letzte Änderung: 24.02.2020, 11:09:24 von Cerebro »

Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #65 am: 23.02.2020, 13:05:35 »
Ohne lange zu zögern beginnen die Gefährten den Riesen zu entkleiden. Es ist nicht so, als bleibt ihm eine große Wahl. Keiner der beiden verschwendet einen Gedanken an falscher Scham. Ein Freund ist in Nöten und so gilt es ihm schnellstmöglich zu helfen. Bei der Waschung ist Yalena mit seinem Oberkörper beschäftigt und Kiran reinigt ohne die Miene zu verziehen den Rest. Die verwirrenden Dämpfe werden als notwendig hingenommen. Um nicht in schlechte Überlegungen abzutauschen versucht die Rothaarige beiläufig zu erraten, was für Gerüche das sein mögen.

Ein Zucken huscht über ihr Gesicht, als der Medizinmann Einars Unterarm öffnet und in einer Schale sammelt. In einer anderen Situation hätte sie große Bedenken gehabt, aber in ihrem Fall ist offenbar solches Hexenwerk notwendig. Überrascht nimmt sie den primitiven Dolch an sich und besieht ihn sich. Blut für Blut…Als der Sturm ihr Schiff versank, hat sie ihr eigenes Leben in die Waagschale geworfen. Es war eine überhastete Entscheidung, um ein paar freundliche Gesichter zu retten. Loyalität ist auf der Straße wie auch auf dem Meer wertvoll. Bei all dem was sie mit diesen beiden Männern in recht kurzer Zeit erlebt hat, fragt Batutu für ein vergleichbar geringes Opfer. Yalena nickt ernst. Sie lässt sich von Kiran eine geeignete Stelle zeigen, dann atmet sie einmal durch…und bohrt die Klinge in ihr Fleisch. Ein kalter Schauer lässt sie frösteln. Mit zusammengebissenen Zähnen erhöht sie den Druck und hält den Arm still, um das eigene Blut restlos aufzufangen. Der Bestienhüter nickt ihr zu und greift entschlossen ebenfalls zum Dolch. Er kennt seine Gefährten noch nicht so lange, aber in ihnen hat er verlässliche Mitstreiter gefunden. Wenn er die Qualen dieser Menschen…dieser Freunde mindern kann, dann braucht er nicht lange zu hadern. Auch er setzt somit die Klinge an seinen Arm, bereitet sich innerlich auf das siedende Feuer vor…und öffnet seine Adern. Yalena ist immer noch geschwächt. Er dagegen fühlt sich recht bei Kräften…Somit liegt es bei ihm, das größere Opfer zu erbringen.[1]

Ein wenig schläfrig und benommen wohnen die zwei dem Ritual weiter bei. Die stickige Luft, der Singsang, die Gerüche…All das betäubt allmählich ihre Sinne, aber das Pflichtgefühl lässt in beiden Gefährten nicht zu gänzlich wegzudämmern. Als Batutu schließlich spricht, ist es wie ein Weckruf. Wackelig stehen sie auf und schieben Einar mit vereinten Kräften nach draußen. Es versetzt sie in die unangenehme Situation mit dem engen Felsspalt zurück. Kaum geht es vorwärts, scheint ewig zu dauern…Und letztendlich können sie kaum glauben, den Brocken doch noch nach draußen geschafft zu haben. Während Einar am Strand vorbereitet wird, setzen sich Yalena und Kiran müde in den Sand. Die frische Luft tut gut. Die Khoranerin fährt sich über das schweißnasse Gesicht und streicht ihre Haare nach hinten. Stumm verfolgen sie die Tänze und versuchen zuversichtlich zu bleiben.

Als Batutu ihnen den nächsten Schritt erklärt, nimmt Kiran das Gefäß mit einem entschlossenen Nicken an und macht sich bereit. Leise spricht er sich mit Yalena ab, dann warten sie auf das Signal. Als der Medizinman schließlich in die Hände klatscht und Einar erweckt, tritt er auf den Hünen zu. Behutsam führt er das Getränk an die Lippen des Nordmanns.

„Lange war ich allein unterwegs. Anisha war über viele Winter meine einzige Begleitung. Es hat ein Schiffsunglück gebraucht, bis ich zwei weitere Freunde fand. Du bist ein verlässlicher Kamerad, stark wie ein Fels. Wir zählen weiterhin auf deinen Mut und deine Entschlossenheit. “ Erklärt er mit belegter, wenn auch feierlicher Stimme und lächelt dem Hünen aufmunternd zu.

Dann kommt Yalena näher und betrachtet den angemalten Einar.

„Du hattest mich bei unserer ersten Begegnung auf meine roten Haare angesprochen und wolltest mir deine Heimat zeigen. Glaube nur nicht, dass ich dieses Versprechen vergesse. Wozu habe ich sonst mein Wissen über eure Sprache wieder aufgefrischt? “

Die Rothaarige räuspert sich kurz. Dann trägt sie auf Tharag Thulan eine alte Weisheit vor, die sie einmal aufgeschnappt hat. In diesem Augenblick erscheint sie ihr sehr passend.

„Et hjems utsmykning er vennene som kommer på besøk.“[2]

Im Herzen wird sie immer eine Diebin sein – aber noch wertvoller als Gold und Juwelen sind gute Freunde.
„Wir warten hier auf dich. Es gibt noch viel zu tun, bevor wir diese Insel verlassen können!“ Endet sie bestimmt und schenkt dem Riesen ein herausforderndes Grinsen. Dann nickt sie ihm zu und tritt langsam zurück.

 
 1. Beide opfern Lebensblut, bis sie nur noch 1 übrig haben
 2. Die Schmuckstücke eines Hauses
sind die Freunde, die darin verkehren.

Einar

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Die sieben Steine
« Antwort #66 am: 23.02.2020, 15:53:52 »
Irgendwann ist Einar fast völlig weggetreten. Den Schnitt in seinen Arm fühlt er kaum mehr und der Transport an den Strand ist nur noch wie ein Traum, an den man sich nicht mehr richtig erinnern kann. Erst auf Batutus Klatschen hin, erwacht er aus seiner Trance. Er bemerkt kaum, dass er nicht mehr in der Höhle liegt, doch er hört das Rauschen der See. Das hat er immer gemocht. Diese Naturgewalt - manchmal ganz sanft und dann wieder ungestüm wie Vater Wolf selbst.

Sogleich kehren seine Gedanken wieder ins hier und jetzt zurück. Mit einem Mal weiss er wieder, was jetzt kommt. Den Blick zum Himmel gerichtet, tritt Kiran in sein Sichtfeld. Der Bestienhüter war für ihn immer etwas schwerer einzuschätzen. Doch er ist stets ehrlich gewesen und vielleicht aus deshalb manchmal etwas verschwiegener und zurückhaltender. Doch ohne ihn wären sie alle schon lange tot. Er war immer für sie da. Und in einem Punkt sind sie sich auf jeden Fall einig: sie sind gute Kameraden geworden - und Einar würde nicht zögern ihm zur Hilfe zu eilen. Jederzeit und sofort, ungeachtet seiner eigenen Bedürfnisse. Bevor er die Worte für eine Antwort findet, tritt auch Yalena vor und spricht die Worte aus, die ihr auf der Seele liegen. Schöne Worte. Sie hat mehr Eier in der Hose als die meisten Männer, die er auf seiner Reise bisher getroffen hat. Und Sie ist vom selben Blut wie er. Wie Kiran mit seinem Warg, erinnert sie ihn tatsächlich an seine alte Heimat. Er wird ihnen den Norden zeigen müssen... Irgendwann... Selbst für ihn ist es schon so lange her...

„Ich habe damals alles zurückgelassen was mir lieb war... Ich bin sehr weit gereist und habe dabei so viel erlebt. Mehr als ich es mir jemals erträumt hätte. So viel Gutes und so viel Schlechtes. Doch dank Leuten wie euch habe ich dies nie bereut. Und wenn ich eines gelernt habe... Egal wohin und wie weitich gehe. Ob ich Schiffbruch erlebe und im Nirgendwo strande. Solange dort meine Freunde sind, bin ich genau am richtigen Ort. Dort wo ich immer sein wollte. Hier und jetzt.“ Er trinkt den Saft und greift dann mit dem spärlichen Rest seiner Kraft die Arme seiner Gefährten. „Diese Reise ist noch nicht zu Ende. Solange wir nur zusammen gehen... Gehen wir weiter... bald...“

Der ohnehin schon schwache Griff löst sich und die massigen Arme fallen in den Sand.

Cerebro

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Die sieben Steine
« Antwort #67 am: 23.02.2020, 19:49:31 »
Während Kiran seinen Nacken stützt und ihm auch das geschlossene, kannenartige Gefäß ansetzt, trinkt Einar das Extrakt des Silbernen Lotus. Es ist ein vielschichtiger, sich irgendwie verändernder Geschmack, den er kaum in Worte fassen könnte. Süß wie Honig, erdig wie fruchtbarer Boden, geheimnisvoll wie eine Nacht unter dem vollen Auge von Mutter Mond. Der Mond... Einar blickt zu ihm hinauf, während er trinkt. Nur als schmaler Schlitz erleuchtet er den Himmel, denn bald steht Neumond bevor, wenn das Licht der Mutter für eine böse Nacht nicht bis zu den Menschen hindurchzudringen vermag. Die Sterne funkeln dafür umso stärker. Hell, immer heller... und sie kommen näher, bewegen sich, vereinen sich... Gleißendes Licht blendet schließlich seine vor Erstaunen starr aufgerissenen Augen, erfüllt seine gesamte Sicht... dann ist er fort...

Kiran lässt von Einar ab, nachdem er seinen Kopf behutsam zurück in den Sand gelegt hat. Der Blick des Nordmannes ist weit aufgerissen auf den Nachthimmel fixiert. Seine Brust hebt und senkt sich unter einem schweren Atem, doch die Pausen dazwischen werden immer länger... und länger. Ohne die Augen zu schließen oder überhaupt zu blinzeln fährt dann mit einem Seufzer schließlich das letzte Leben aus ihm hinaus. Das mutige Herz, einstmals vor Kraft strotzend und gesund, hört auf zu schlagen. Batutu kommt krummbeinig herangetapst, kniet sich neben Einar und legt ihm die runzlige dunkle Hand auf die Stirn. Mit einer sanften Bewegung das Gesicht hinab schließt er Einars Lider. "Er gegangen", erklärt er Kiran und Yalena mit leiser Stimme. "Fluch nun gebrochen. Sein Geist jetzt frei..." Er blickt in die Gesichter der beiden...[1]
 1. Beschreibt bitte, was ihr nun tut und wo und wie ihr die Nacht verbringt.
« Letzte Änderung: 24.02.2020, 01:09:00 von Cerebro »

Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #68 am: 23.02.2020, 20:17:53 »
Die beiden Gefährten erwidern nichts auf die Worte des Kriegers, aber für einen kurzen Moment glaubt Einar einen glasigen Ausdruck auf dem Gesicht des Bestienbändigers zu erkennen. Für ihn wiegt dieser Moment doppelt schwer. Nach so langer Zeit einen Freund gefunden und so bald wieder womöglich zu verlieren, bleibt eine bittere Erkenntnis. Die Khoranerin ergeht es nicht viel anders. Sie war Teil eines schmutzigen und gefährlichen Geschäfts. Sie lebt, was sie von so manchen Komplizen und alten Jugendfreunden nicht mehr behaupten kann. Das Schiffsunglück kommt ihr vor wie der Anfang einer langen Reise. So recht weigert sie sich zu glauben, dass es ausgerechnet dem Nordmann nicht gelingen mag zu ihnen zurückzufinden. Unauffällig fährt sich die Rothaarige über die Augen. Seine letzten Züge mitanzusehen ist alles andere als ein schönes Bild. Nun bleibt zu hoffen, dass er ihnen nicht für immer entglitten ist. Unschlüssig blickt sie Batutu an. Ein mächtiger Fluch. Hätten sie damit in der Grabkammer eines Königs rechnen können? Vielleicht. Letztendlich hatten sie diesen nicht einmal willentlich ausgelöst. Yalena zuckt schließlich mit den Schultern. 

"Gut, warten wir auf seine Rückkehr. Er wird uns ja wohl nicht zu lange warten lassen." Erklärt sie bestimmt und nimmt vor Einar im Schneidersitz Platz. Es kommt ihr falsch vor, jetzt schlafen gehen zu wollen. Wenn der Hüne aufwacht, soll er keinen leeren Strand vorfinden. Kiran nickt mit einem schwachen Lächeln und setzt sich dazu.

"Ja, warten wir.  "


Cerebro

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Die sieben Steine
« Antwort #69 am: 23.02.2020, 22:13:15 »
Als Einar erwacht, liegt er im Schnee. Der Himmel ist klar und von prachtvollem Blau - nahezu keine Wolke verdeckt die makellose Schönheit. Der Barbar richtet sich auf. Er erinnert sich vage an dichte Dschungel, vernebelte Sümpfe, aber... hat er das nicht nur geträumt? Er blickt sich um. Wald. Nadelbäume umringen ihn, weißgepudert von frischem Schnee. Keine Fußspuren, kein erkennbarer Pfad... Wie ist er hierhergekommen? Trotz dieser Frage bleibt er gelassen, verspürt Zufriedenheit. Er ist voller Tatendrang, nicht verletzt und dicke Felle schützen ihn vor der Kälte. Sein Gesicht fühlt sich straff an; seine Lungen atmen frische Luft und sein Atem bildet kleine Wölkchen. 'Heimat' kommt es ihm in den Sinn, als er sich ohne Eile die gröbsten weißen Flocken aus den Fellen schüttelt, seine Axt aufhebt und sich auf die Suche nach einer erhöhten Stelle macht, um das Gelände besser überblicken zu können. Als er durch den Wald wandert, hört er irgendwann ein Tier aufschreien. Einar hält inne, blickt sich um. Dann - Bewegung! Ein großer Schatten sprintet durch das Unterholz. Rein instinktiv nimmt der Barbar die Verfolgung auf, springt gewandt über gefallene Baumstämme, wischt mit seinen kräftigen Armen störende Äste beiseite. Nichts... Er glaubt sich gescheitert, bemerkt dann jedoch einige Tropfen Blut im Schnee. Einar folgt der Spur und findet bald einen großen Hirsch. Das Tier hockt auf dem Boden, die Glieder unter dem mächtigen Leib verborgen, und atmet aufgeregt in schnellen Zügen. Der Schaft eines Pfeiles ragt aus der rechten Flanke. Einar tritt vorsichtig aus seiner Deckung und der Hirsch blickt ihm unverwandt ins Gesicht. Ohne Hunger und Not überkommt den Nordmann unvermittelt Mitleid mit diesem schönen Geschöpf. Behutsam legt er seine Axt in den Schnee und nähert sich langsam, mit ausgestreckten Händen und leicht gebeugten Knien. Sanft redet er auf den Hirsch ein und tatsächlich: das Tier lässt sich widerstandslos helfen. Einar inspiziert die Wunde. Der Pfeil steckt tief und seine Spitze ist breit und mit Widerhaken versehen. Wer auch immer hier auf der Jagd ist - er muss heute wohl auf sein Wild verzichten. Der Barbar ist zwar kein Heiler, tut aber sein Bestes, um das Geschoss schonend zu entfernen; trotzdem muckt der Hirsch auf und schwingt das prächtige Geweih. Gerade als Einar den Pfeil unbeschädigt aus dem Fleisch gewunden hat, springt er auf die Beine und flüchtet sich zwischen die Bäume - zuerst leicht humpelnd, dann sicherer und mit hohen Sprüngen, bis er zuletzt verschwunden ist.

"Hmpf... Gern geschehen", murrt der Nordmann mit einem verzogenen Schmunzeln, blickt kurz auf den Pfeil, wirft ihn dann aber achtlos beiseite. Er überlegt kurz, nach dem Jäger zu suchen, entschließt sich aus einer Laune heraus aber, dass er jetzt gerade lieber alleine sein will - nur vereint mit der Natur, ohne Sorgen und frei zu gehen, wohin es ihn beliebt. Er erinnert sich nicht, sich jemals derart unbeschwert gefühlt zu haben. Als er später am Tag eine Anhöhe entdeckt, hilft ihm das wenig weiter, denn dichter Nebel umhüllt den Wald, wie das Meer eine Insel auf hoher See. Eine Insel... In seinen Gedanken erscheint das Bild eines Mannes, die Augen ebenso braun wie sein Haar, die Gesichtszüge zu Teilen unter einem Vollbart verborgen. "Du bist ein verlässlicher Kamerad, stark wie ein Fels. Wir zählen weiterhin auf deinen Mut und deine Entschlossenheit." Eine schöne junge Frau gesellt sich ihm hinzu - ihr Haar ist wie loderndes Feuer. "Wir warten hier auf dich. Es gibt noch viel zu tun, bevor wir diese Insel verlassen können!"

Einar zaudert und sucht verwirrt nach Antworten auf Fragen, die seine gute Laune trüben. Insel verlassen? ... Kennt er diese Leute? Kopfschüttelnd dreht er sich um und erblickt zu seinem Erstaunen den Hirsch, dem er zuvor geholfen hatte. Blutüberströmt liegt er mit aufgerissenem Maul und heraushängender Zunge einfach da, seine Innereien fächern aus dem zerfleischten Leib und dampfen frisch im kalten Schnee. Ein Wolf steht keinen Meter daneben, die Lefzen vollkommen rot und die bernsteinfarbenen Augen auf den Nordmann fixiert. Der Wolf legt die Ohren an, zeigt seine Zähne und beginnt zu knurren. Abermals sucht Einar keine Konfrontation - diesmal nicht aus Mitleid, sondern aus Respekt. Der Wolf ist ein heiliges Tier - das Sinnbild des Vaters auf dieser Welt - und der gerissene Hirsch nur ein Teil des natürlichen Kreislaufs. Als der Barbar zurückweicht, beruhigt sich der Wolf. Er wendet sich wieder seiner Beute zu, labt sich noch für einige kräftige Bissen an der üppigen Mahlzeit und trottet dann davon. Einar folgt ihm. Er weiß nicht wieso oder wohin dies führen soll - es ist ein spontaner Instinkt, der ihn steuert, ohne dass er darüber nachdenkt. Der vierbeinige Räuber ist schneller und rasch außer Sicht, doch Einar konzentriert sich auf die Spur, sieht irgendwann nichts anderes mehr. Der Wind nimmt Fahrt auf und wird bald unangenehm. Die Bäume verschwinden nach und nach aus seinem Blickfeld, der Schnee wird tiefer und es beginnt zu schneien. Das Weiß des Winters umhüllt ihn schließlich wie ein Mantel. Weiß... Alles ist weiß. Der Wind heult und pfeift, während dicke Flocken durch die Luft wirbeln und dem Barbaren die Sicht rauben. Einen Arm zum Schutz vorausgestreckt, kämpft er sich durch inzwischen hüfthohe Schneewehen, den Körper zwar wie ein Bär in dicke Felle gehüllt, welche die klirrende Kälte jedoch nicht mehr abschirmen können. Und mit einem Mal weiß er: Dies ist nicht mehr seine Heimat im frostigen Tharag Thule, sondern das Endlose Weiß, der nördlichste Punkt der Welt und ein Land ohne Wiederkehr. Um diesen Ort ranken sich uralte Sagen und Mythen. Es ist ein verbotener Ort. Ein böser Ort...

"Was führt dich so weit weg von deiner Heimat, Wanderer?"

Einar hält inne. Die Stimme erklingt klar hinter ihm, so als gäbe es den Schneesturm um ihn herum überhaupt nicht. Wie aus dem Nichts erinnert er sich plötzlich an Worte, die er einmal geträumt zu haben glaubt: "Schließen Augen, hören auf innere Stimme, nicht auf Stimme von andere Dinge. Wenn du sehen, dann sie dich auch sehen - dann du verloren. Das sehr wichtig! Du verstehen?!" Es ist die Weisheit eines alten Mannes, doch erst eine Frau hatte ihr Bedeutung gegeben... War es nicht so?

"Wer da?!" brüllt er gegen den Wind, ohne sich umzudrehen, aber er bekommt keine Antwort. Dennoch spürt er, dass da etwas ist. Oder jemand. Direkt hinter ihm. Seine innere Stimme sagt ihm überhaupt nichts, seine Neugier dagegen wächst mit jeder in Zweifel verbrachten Sekunde. Schließlich dreht er sich um... und der Schneesturm ist fort. Stattdessen steht er auf einer Düne im ewigen Wüstensand. Abermals ist der Himmel klar und blau und umrahmt eine hochgewachsene männliche Gestalt in feinsten Gewändern, die eines Königs würdig sind. Seine Haut ist dunkel, aber obgleich das Wetter perfekt und Einars Augen ungetrübt sind, kann er keine konkreten Details im Gesicht des Mannes erkennen. Als stünde dieser im Schatten, auch wenn nichts dergleichen existiert.

"Nur ein Wolf", antwortet der Unbekannte schließlich doch und Einar bildet sich ein, so etwas wie ein Schmunzeln zu erkennen. "Oder ein Hüter... ein Fremder... ein Vater... eine Mutter... Was davon gefällt dir am besten... Einar?" Und dann endlich ertönt die innere Stimme des Nordmannes - und sie schreit. Das da ist kein Mann; kein Mensch! Das da ist etwas völlig anderes. Etwas Uraltes. Etwas Grenzenloses. Etwas das ihn mit einem bloßen Gedanken auslöschen könnte, sich stattdessen aber lieber an seinem Wahnsinn laben will. Es hat viele Namen, tausende Formen. Einar kennt dieses Wesen nicht und doch weiß er plötzlich alles, denn es will, dass er es weiß! Jeder Tatendrang und Mut weicht aus seinem Herzen, erlischt wie eine Kerze, die von größeren Mächten ausgeblasen wird. Furcht übermannt den Barbaren wie er es nie zuvor gekannt hat; unglaubliche Furcht. Er ist ein Kind, allein in der Dunkelheit. Seine Blase entleert sich, warm, doch er bemerkt es kaum.

"Sieh meine Pracht, Wanderer! Bade im Licht der Unendlichkeit!"

Dann reißt der Himmel auf, wie eine Wunde im blauen Fleisch der Welt. Dahinter... schwarz, gleißende Sterne, kosmische Nebel und... Einar wendet sich ab - endlich - zu spät?! Seine Hände vergraben sich in seinem Gesicht, denn sein Verstand droht zu zerspringen. Er schreit. Während die Welt um ihn herum zerbröckelt, stürzt er in bodenlose Tiefe. Er wagt es nicht mehr, die Augen zu öffnen, doch durch die Lider und Hände hindurch erstrahlen Farben, deren Brillanz ihn bis ins tiefste Mark verbrennen würde. Er hat die Grenze überschritten, ist zu weit gewandert - oder wurde bemerkt, gefunden und hinfort gelockt. Dann stoppt sein Fall, seine Glieder werden wie bei einer Stoffpuppe nach außen gerissen und plötzlich ist er nackt - ein schwebender Körper im unendlichen Kosmos, die Augen noch immer zusammengekniffen - und aus seiner Haut bluten rotbraune Symbole, die wie ein Fangnetz seinen gesamten Körper überziehen. Es sind die Verse Batutus, geschrieben mit Einars Lebensblut - und dem seiner Freunde: Yalena. Kiran. Er erinnert sich! In einem anderen Leben war er dort, hat gekämpft, gelitten - und ist gestorben. Nein! Es ist dieses Wort, das seine Gedanken dominiert, als er fortzudriften droht. Die Magie des Blutes - das Blut seiner Freunde, für ihn vergossen - hält ihn wie ein Anker. Nein! Dies ist nicht das Ende. Noch nicht. Nicht so!
[1]


"NEIN!!"

Yalena und Kiran schrecken sofort aus ihrem von Erschöpfung herbeigeführten Schlaf, als sie den heiseren Ruf ihres Freundes hören. Die Sonne erhellt einen frühen Morgen und das Meer brandet sanft und gleichmäßig an den Strand. Einar sitzt halb aufrecht auf die Unterarme gelehnt, die verkrampften Finger im Sand vergraben. Er zittert, schwitzt... aber er atmet. Unter den krustig gewordenen Symbolen ist seine Haut schlohweiß - ähnlich wie die seiner Kameraden, die für Batutus Magie viel Blut geopfert haben. Die drei sind allein - der Schamane und seine Diener hatten nach dem Ritual den Schauplatz irgendwann verlassen...[2]
 1. Einars Entscheidungen wurden im Skype-Chat mit ihm abgesprochen. Ich hoffe, ich habe sie passend umgesetzt.
 2. Einars Reise wird noch dauerhafte spielmechanische Konsequenzen haben, die ausgewürfelt werden. Ich wollte jetzt aber erst mal diesen Monster-Post hier abschließen und dann einen freien Kopf bekommen.
« Letzte Änderung: 24.02.2020, 15:13:16 von Cerebro »

Kiran Arun

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Die sieben Steine
« Antwort #70 am: 24.02.2020, 09:07:30 »
Langsam lässt sich nun auch Kiran neben Yalena im Schneidersitz nieder. Während er seine rechte Hand tief im Sand vergräbt, legt er die linke Hand behutsam um die Schulter seiner rothaarigen Gefährtin. Irgendwie hat er das Bedürfnis Ihr auf diese Weise etwas Mut zuzusprechen und Ihr zu zeigen, dass er sich ebenfalls nicht von hier entfernen wird. Mit einem kurzen Blick in Ihre Richtung versichert er sich jedoch, ob Sie diese Berührung zulässt oder ob Ihr dies womöglich unangenehm ist.

Je nachdem wie Yalena sich entscheidet lässt er den Arm auf Ihrer Schulter ruhen oder legt diesen auf seinen Schoss und wendet seinen Blick wieder dem aufgebahrten Einar zu.
Seine Augen ruhen fest auf dem nackten Hünen, dessen Brustkorb sich nun schon seit einer geraumen Zeit nicht mehr hebt und senkt.
Ein Monat ist seit dem Schiffbruch vergangen. Ein Monat in dem er sich zusammen mit Einar und Yalena durch etliche Unwegsamkeiten, Gefahren und Herausforderungen kämpfen musste. Durch dichten Dschungel, vorbei an einer tollwütigen Affenbande, durch Moskitoschwärme und dreckiges Brackwasser. Vorbei an feindlichen Djakas, tödlichen Säurefallen, einer auferstandenen Mumie, widerlichen Egelschwärmen und höchstgefährlichen Götterschnecken. Und das schlimmste sollen einige verfluchte Grabsteine gewesen sein?
Mit normalen Heilmitteln konnte Kiran nichts gegen diesen Fluch bewirken und das machte Ihn regelrecht fertig.

Nach dem Tod seiner Familie hatte er sich geschworen, nie wieder Gefühle zuzulassen. Dann lief Ihm die verletzte Anisha über den Weg und er brach seinen Schwur zum ersten Mal, war jedoch seit fortan nicht mehr alleine unterwegs. Und dann sorgte ausgerechnet ein Schiffbruch dafür, dass er zwei weitere Freunde fand, mit denen er die letzten Wochen verbrachte und auf die er sich mittlerweile beinahe blind verlassen kann. Doch  das Gefühl, dass einer dieser 2 Weggefährten ihn von nun an verlassen wird, wird von Sekunde zu Sekunde stärker.
Seine rechte Hand gräbt sich noch ein Stück weit tiefer in den Sand. Nicht fähig irgendetwas zu sagen bleibt er einfach nur im nassen Sand sitzen und starrt stur nach vorne. Bis Ihm schließlich vor Erschöpfung die Augen zufallen und er in einen traumlosen Schlaf sinkt.

Als Einars unmenschlicher Schrei erklingt, reißt Kiran panisch die Augen auf und blickt in das gleißende Hell der aufgehenden Sonne. Dann gleich daraufhin wechselt sein Blick zu Einar, der schlohweiß und schwitzend vor Ihm im Sand sitzt. Kiran blinzelt mehrfach und reibt  sich die Augen, doch das sich ihm bietende Bild verändert sich nicht. Einar lebt! Und Kiran fehlen die Worte. Nicht fähig irgend etwas zu sagen, starrt er den Nordländer nur völlig überrascht an.
« Letzte Änderung: 24.02.2020, 10:21:00 von Kiran Arun »

Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #71 am: 24.02.2020, 10:47:12 »
Stumm nickt Yalena dem Bestienbändiger zu und weiß seine Geste zu verstehen. Dennoch klopft sie ihm nach wenigen Minuten kameradschaftlich auf den Rücken, zum Zeichen das es genug ist. Es genügt ihr, dass er wie sie auf Einars Rückkehr wartet. Irgendwie müssen sie auch die beiden Seemänner aus diesem elenden Loch befreien. Im schlimmsten Falle wird das nach ihrer nächsten Reise passieren...Womöglich nie. Es wurmt sie, so wenig für ihre restlichen Gefährten tun zu können. Einar ist wichtig. Wichtiger, wenn sie sich entscheiden müsste. Aber sie zu vergessen erscheint ihr auch nicht richtig. In ihrer Situation wäre ihr auch nichts weiter übrig geblieben als zu warten, zu hoffen...

Während sie im Sand sitzt, beschäftigt sie ebenso der Gedanke, wie es weitergeht. Wenn der Nordmann nicht zurückkehren sollte...Ist ihr nächstes Ziel überhaupt möglich? In der Wildnis ist sie nach wie vor nicht allzu nützlich und mit der Klinge kein Vergleich zu dem Riesen. Selbst eine Bande Affen oder ein übergroßes Insekt können sie überwältigen...Sie muss fürchterlich eingerostet sein. Aber in erster Linie ist sie immer noch eine Diebin, keine Kriegerin. Das hier ist einfach nicht ihre Umgebung...

Irgendwann döst sie bei ihrer Wache ein und führt ihre letzten Gedanken nicht mehr zu ende. Ebenso plötzlich wie sie einschläft, ist sie mit einem Schlag hellwach, als ein Schrei ertönt. 

"Ah?!" Entfährt es Yalena verdattert und sie springt auf. Mit großen Augen starrt sie auf den Leib des Hünen. Er hat sich aufgerichtet...atmet. Er lebt! Ein langer Moment vergeht, bis sie ihre Worte wiederfindet. Ein Wunder...nein, Hexerei? Dieses Mal jedoch hat es etwas Gutes bewirkt.

"Du...bist zurück." Stellt sie schließlich fest, mehr wie eine offene Frage. Ist er wirklich gestorben? Was hat er gesehen? Will sie das wirklich wissen? Die Rothaarige hält ihre Zunge vorsichtshalber im Zaum. Zuerst muss er sicherlich wieder ankommen, realisieren was gerade passiert ist.   

Einar

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Die sieben Steine
« Antwort #72 am: 24.02.2020, 12:14:59 »
Völlig verdattert sitzt Einar im Sand. Sein Sturz ins Nichts nahm ein jähes Ende und nun sitzt er plötzlich hier... am Strand der Lotusinseln. Oder ist dies immer noch die Wüste? Hastig sieht er sich um, erblickt seine Freunde, die ihn anstarren, etwas sagen... Kein König. Kein Riss im Himmel. Keine Endlosigkeit.
Sein Herz pocht wie verrückt, geradezu panisch versucht es aus seiner Brust zu springen, während sich seine Gedanken rasend schnell im Kreis drehen, drohen sich zu überschlagen... Er würde sich gerne einreden, dass er soeben nur den schlimmsten Albtraum seines Lebens hatte, doch die Gewissheit dass dem nicht so ist, lässt ihn erschaudern. Er war nicht nur tot - er war verloren im Nichts, in der Unendlichkeit. Es hat ihn gefunden, ihn zu sich gelockt und anstatt auf Batutus Warnung zu hören hat er zugehört, hat er hingesehen! Sie standen sich gegenüber... es hat seinen Namen gesagt... Spielt es mit ihm? Will es ihn auf diese Weise weiter in den Wahnsinn treiben?
„Nein.“ murmelt er. „Nein, er ist weg.“ Der König hat ihn weggeworfen wie ein Orkan ein Blatt hinwegfegt. Er war nicht mehr da in dieser Leere nur... Kiran... Yalena...
Er realisiert nicht, dass er die Namen soeben laut ausgesprochen hat, doch er sieht sie nun. Sie sind direkt vor ihm. „Seit ihr es wirklich?“ fragt er ungläubig nach. Er ist offensichtlich völlig verstört und - verängstigt? Noch nie hätten sie Furcht in ihm erkannt. Nicht als das Schiff sank, nicht vor den Schnecken... doch jetzt - eindeutig.

Kiran Arun

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Die sieben Steine
« Antwort #73 am: 24.02.2020, 12:31:00 »
Kiran wagt es fürs erste gar nicht aufzustehen und blickt weiterhin fest auf Einar, doch dann huscht plötzlich ein schwaches Lächeln über sein Gesicht. Seine Stimme jedoch klingt weiterhin unsicher und leise.
"Du.. Du lebst? Wie.. Bei den Göttern, wie kann das sein?"

Erneut manifestiert sich das Lächeln auf seinen Lippen, bleibt dieses mal jedoch erhalten. Die folgenden Worte sind ungewohnt direkt für Kiran, der sich normalerweise etwas gewählter ausdrückt und nur in Notsituationen mal einen Fluch von Stapel lässt.
"Verflucht, scheiss drauf, wie geht es dir?"

Yalena

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Die sieben Steine
« Antwort #74 am: 24.02.2020, 12:55:59 »
Was immer Einar auch gesehen haben mag, es muss ihn zutiefst beunruhigt haben. Die Khoranerin kann sich inzwischen nur zu gut vorstellen, dass er etwas erlebt hat, was für Sterbliche unbegreiflich sein muss. Besser, sie fragen gar nicht erst nach. Einfach nur da zu sein, ihn wissen zu lassen im Hier und Jetzt zu stehen erscheint ihr weitaus hilfreicher. Yalena setzt ein müdes Lächeln auf. Ihre Stimme ist etwas heiser, sie selbst wirkt angeschlagen...Aber den Hünen wieder lebendig zu sehen gibt ihr einen Anflug von neuer Hoffnung. Sie beugt sich hinunter, stemmt die Hände auf die Knie.

"Wir sind es. Batutu hat gesagt, der Fluch ist gebrochen...Und wie es aussieht, hast du zurückgefunden." Versucht sie ihn so direkt wie möglich zu erklären wie es um ihn besteht. Als Kiran über sich hinausgeht und ungewohnt bunte Worte findet, schmunzelt die Rothaarige nur. Das würde sie jetzt auch gern wissen. Kann Einar sich bewegen? Ist sein Verstand in Ordnung? Wieder lebendig zu sein ist in jedem Fall ein guter Anfang.


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