Ugar lächelt. "Mit 'etwas Richtiges' meinst du wohl Fleisch?! Ich denke, das lässt sich einrichten. Und die Dorfbewohner werden sich über eine helfende Hand sicher nicht beschweren; übertreibt es nur nicht. Gern weise ich euch auch in die hiesigen Gepflogenheiten ein, wenn es die Zeit erlaubt. Ihr werdet euch bestimmt rasch einleben..."
Und so ist alles von Bedeutung besprochen. Nachdem man noch ein paar Belanglosigkeiten ausgetauscht hat, verabschiedet sich Ugar und lässt die Gruppe allein. Der Rest des Tages - sowie mehrere darauffolgende - ist überwiegend von Ruhe, für einen rastlosen Geist vielleicht sogar von Langeweile geprägt. Gegen Abend des ersten Tages werden sie von einem Krieger Tikus - welcher einigermaßen gut die zadjitische Sprache beherrscht - zu einer einfachen, aber robusten Strohhütte geführt. Hier lebt ein Krieger namens N'baru mit seinen drei Frauen Iklik, T'bina und Suti. Auf Geheiß von König Tiku kann die Gruppe seine Hütte als Unterkunft nutzen. Der Platz ist etwas beengt, aber ausreichend genug, so dass niemand aufeinander liegen muss. Natürlich zieht N'baru deswegen nicht aus und so verbringen die drei ihre erste Nacht in ungewohnter und enger Gesellschaft. N'baru spricht zu ihnen nur ein extrem gebrochenes Zadjitisch und seine Frauen beherrschen diese Zunge offensichtlich gar nicht, so dass der Großteil der Kommunikation über Hände und Füße ablaufen muss. Einar wird in der Nacht von schlimmen Albträumen geplagt, in denen er einige Dinge seiner seelischen Reise in pervertierter Form erneut durchlebt. Der unbekannte Mann erscheint ihm nicht, doch Einar weiß, dass er da ist. Irgendwo. Im tiefsten Fleck seiner geheimsten Ängste...
Als die Gruppe wie täglich vorgesehen das nächste Mal bei Batutu vorspricht, erzählt Einar dem Schamanen von seinen Träumen, doch der alte Mann kann ihm nur erklären, dass seine Seele weit von dieser Welt davongedriftet ist und hinter dem Himmel und den Sternen Welten und Wesen existieren, die den Menschen nicht alle wohlgesonnen sind. Auf den königlich wirkenden Mann in der Wüste hat Batutu keine andere Antwort parat, so dass Einar in dieser Sache keinerlei Erleuchtung findet. Der Schamane bereitet ihm einige Tränke und geht im Verlauf der nächsten Tage einige Übungen sowie kleinere Rituale mit ihm durch - doch auch wenn sie ihm einen leichteren Schlaf bringen, scheint nichts davon die lebhaften, oft grausamen Träume fernzuhalten.
Yalena muss bei den Sitzungen des Nordmannes zu Übersetzungszwecken immer anwesend sein und erfährt auf diese Weise ebenfalls von Einars Leid.
[1] Ansonsten verbringt der Rotschopf die nächsten Tage damit, den hiesigen Fischern für einige Stunden zur Hand zu gehen. Wie im Dorf üblich wird jeder Fang gerecht geteilt, aber als nette Geste darf die Khoranerin ihre seltenen eigenen Fänge behalten. Bei passender Gelegenheit bittet sie zudem um Audienz bei Tiku, der sich inzwischen wieder etwas milder zeigt und ihr nach anfänglichem Murren sogar einen Besuch bei den gefangenen Malas und Balshaam gestattet. Die zwei Kameraden von der Weißen Dirne sind äußerst überrascht, jedoch nicht durchweg erfreut, denn ihre Zeit unter der Erde hat sie schwer gezeichnet. Sie sind bis auf die Knochen ausgemergelt und selbst im feurigen Licht der Fackeln als extrem blass zu erkennen, weisen darüber hinaus jedoch keine offensichtlichen Anzeichen von Misshandlung auf. Yalena versucht ihnen Mut zu machen und bekräftigt sie darin, dass die Gruppe noch immer um ihre Rettung bemüht ist. In späterer Rücksprache mit Batutu stimmt der Schamane zu, seinen Spion bei Tiku nach Möglichkeit etwas für die beiden Gefangenen tun zu lassen - und sei es nur etwas mehr zu essen.
Kiran verbringt nach eigeholter Erlaubnis die ersten freien Tage im an das Dorf angrenzenden Dschungel - manchmal in Begleitung einiger Jäger, doch hin und wieder auch allein. Da er sich in keiner gemeinsamen Sprache verständigen kann, erfährt er nur wenig aus erster Hand, kann aber über Umwege und vorgezeigte Funde dennoch etwas mehr über die lokale Flora lernen sowie einige Pflanzen mit schmerzlindernder Wirkung sammeln. Er bittet mehrfach um einen Besuch bei Anisha, wird jedoch von Batutu (mit der Übersetzung Yalenas) noch immer um Geduld gebeten. Schließlich kommt der Tag, als der Schamane dem König seine 'großen Vision' vorspielt. Er habe die Gruppe auf dem verbotenen Berg gesehen, die gesuchten Steine in der Hand und den Tiergefährten des Bestienmeisters an ihrer Seite. So sei es von den Ahnen vorausgesagt und so müsse es geschehen, wenn ein Erfolg herbeigeführt werden soll. Tiku zeigt sich skeptisch, stimmt schlussendlich aber zu. Das Tier soll an Kiran herausgegeben werden, allerdings erst am Tag ihrer Abreise. In der Zwischenzeit wird dem Bhangari endlich gestattet, seine Warg-Gefährtin zu besuchen. Jäger des Dorfes führen ihn tief in den Dschungel, weit weg vom Dorf und bis auf eine unscheinbare kleine Lichtung. Dort, in einem tiefen Erdloch, für das viele Hände sicherlich viele Tage lang graben mussten, hält man den Warg gefangen. Die Grube ist nicht neu und von einem schweren Gitter aus teilweise bereits morschen und mit Moosen überzogenen Holzstämmen abgesichert. Anisha zeigt sich extrem aggressiv - selbst gegenüber Kiran, als er sich ihr das erste Mal nähert. Zu lange musste sie bereits hier ausharren - bei Wind und Wetter, keiner großen Auslaufmöglichkeit sowie mittlerweile völlig unterernährt. Ihr schmaler Körper und die bis auf den letzten Rest Fleisch abgenagten Knochen diverser hinuntergeworfener Tierkadaver zeugen von ihrem Hunger; zudem hat sich natürlich niemand gewagt, die Ausscheidungen des Wargs zu entfernen, was in einem widerwärtigen Gestank sowie einer ewig umherkreisenden Wolke Fliegen resultiert. Der Bestienmeister legt sich mit dem Bauch auf das Gitter und streckt begleitet von milden Worten seinen Arm durch eine der Öffnungen. Und schließlich dringt er zu seiner Gefährtin durch. Anisha bäumt sich auf, versucht die schlammigen Wände zu erklimmen - und für einen kurzen Moment berührt ihre mächtige Zunge seine ausgestreckte Hand. Dem Bhangari blutet das Herz - vor Zorn und Wiedersehensfreude zugleich - doch er weiß, dass er mitspielen muss, wenn er Anisha hieraus befreien und diese Insel mit ihr lebend verlassen will. Fortan besucht er sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit - immer begleitet von Djaka-Kriegern, die ihn keine Sekunde aus den Augen lassen...
Und so vergehen die Tage, in denen sie auch den Dorfalltag besser kennenlernen. Wie Einar, Yalena und Kiran schnell feststellen, verfügen die Bewohner Baranas über vergleichsweise wenig Privatbesitz. Vieles wird von der Gemeinschaft geteilt und es verbleiben lediglich einige Töpfe, primitive Werkzeuge, gesammelte Naturstoffe und anderes Zeug ohne besonderen Wert. Unter den Männern genießen die wenigen Medizinmänner und Schamanen sowie Tikus Leibgarde den höchsten Stellenwert, danach folgen die Krieger und Dschungeljäger, mit denen die Gruppe in der Vergangenheit bereits mehrfach Bekanntschaft machen durfte. Frauen gelten als Statussymbol, denn wer seinen Mut beweist und dem Stamm Ehre bereitet, darf sich mit dem Segen des Königs eine weitere, noch (oder wieder) freie Frau aussuchen. Die Frauen selbst spielen rein gesellschaftlich eine eher untergeordnete Rolle, werden aber allgemein gut behandelt. Sie erziehen die Kinder, kümmern sich um die Alten und Kranken sowie die eigene Behausung und betreiben auch den Fischfang und die Feldarbeit - obwohl sich in diesen Bereichen auch diverse männliche Djaka finden. Wer seinen Ruhm abseits von Jagd und Krieg beweisen will, kann die westlichen Steilküsten der Insel erklettern und den Stamm mit Eiern der dort nistenden Vögel beglücken. Vogeleier gelten als höchste Delikatesse und viele übereifrige Jungspunde verlieren jedes Jahr ihr Leben bei einem Sturz von den Klippen. Die Toten werden nach alter Tradition dem Meer übergeben. Handelt es sich um eine wichtige Persönlichkeit, wird zuvor der Kopf abgetrennt, welcher von einem fähigen Schamanen dann zu einem Schrumpfkopf verarbeitet wird. Die zur Natur und ihren Ahnen betenden Djaka glauben, dass die Seele auf diese Weise eine Verbindung zur irdischen Welt behält und Kontakt aufnehmen kann. Dies geschieht aus freien Stücken, kann von einem mächtigen Schamanen wie Batutu aber auch erbeten werden. Dem Körper eines Verstorbenen kommt indes wenig Bedeutung zu: Er wird in ein improvisiertes Kanu gelegt, welches dann aufs Meer gelassen wird, um dort - von den tückischen Strömungen getrieben - an einem den vielen Riffs zu zerschellen. Die Untiefen nahe der südlichen Küsten sind nicht zuletzt deswegen ein beliebter Sammelplatz für Raubfische aller Art - etwas das die Gruppe an ihrem allerersten Tag auf dieser Insel bereits miterlebt hat.
Vieles von alledem lernen sie in den Tagen ihrer Genesung von Ugar, aber auch durch eigene Beobachtungen und Nachfrage. Ugar stellt außerdem klar, dass die Sumpf-Djaka ihre ganz eigenen, hier in Barana weitestgehend unbekannten Bräuche haben. Dies kann die Gruppe sogar selbst bestätigen, denn sie haben den Tempel der Götterschnecken erforscht und sind dort unter anderem auf verhexte Steingräber gestoßen. Es ist immerhin beruhigend zu wissen, dass etwaige Todesflüche in Barana eher auf dem Grund des Meeres oder in den Bäuchen von Haien zu finden sind; allerdings sind auch die Schrumpfköpfe heilig, werden allein von der überschaubaren Anzahl an Schamanen aufbewahrt - von denen Batutu der Höchste ist - und dürfen ohne Erlaubnis keinesfalls berührt werden.
Es vergehen etwa acht Tage ohne besondere Ereignisse; dann kehren einige Jäger von ihrer täglichen Patrouille aus dem Dschungel zurück - weniger als zuvor ausgezogen waren. Die Kunde von ihrer Begegnung mit Djaka des Sumpfstammes verbreitet sich schnell und es dauert nicht lange, bis auch Yalena in zadjitischer Zunge davon erfährt und es ihren Kameraden weitererzählen kann. Der König trommelt seine Krieger zusammen, um die angrenzenden Gebiete zu durchstreifen. Kiran wird verboten, das Dorf fortan zu verlassen und die allgemeine Stimmung in Barana verändert sich, selbst wenn der übliche Alltag weiter in gewohnten Bahnen verläuft. Es vergehen weitere zwei Tage. Yalena und Kiran sind inzwischen ausgeheilt und auch Einar fühlt sich zumindest körperlich wieder wie ein Krieger Tharag Thulans, selbst wenn ihn jede einzelne Nacht die schlimmen Träume heimsuchen.
[2] Alle haben wieder Farbe im Gesicht und rechnen jederzeit damit, von Tiku losgeschickt zu werden. Vermutlich haben ihnen die aufgetauchten Stammesfeinde ein paar letzte Tage der Ruhe beschert. Ihrer Genesung ist es natürlich zuträglich, allerdings kann Kiran die Wiedervereinigung mit seiner Anisha kaum mehr abwarten - umso mehr, da er nun bereits wieder zwei Tage von ihr getrennt ist.
Es ist der frühe Vormittag des zehnten Tages nach ihrer Rückkehr ins Dorf. Kiran, Einar und Yalena sitzen in der niedrigen Kammer Batutus, mit den diversen Feuerstellen, Gefäßen und aufgereihten Schrumpfköpfen in den hinteren, in das feste Erdreich gegrabenen Nischen. Die Luft ist dick und warm wie üblich, doch auch mit einem süßlichen, nicht unangenehmen Duft geschwängert. "Ich glaube, dass morgen wird Tiku euch losschicken", erklärt er Yalena auf Zadjitisch. "Neue Kämpfe in Wald gestern, nicht weit von Dorf. Einige Krieger tot, bis haben vertrieben Feind. Krieg liegt in Luft..." Er seufzt und blickt sich um, doch die vier sind allein. "Sumpf-Djaka wollen Steine... Ich sicher..."
[3]