Victor wusste nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte, und entschied sich schließlich für beides. Das Lachen kam spontan und galt weniger dem, was der Fremde sagte, sondern der Tatsache, dass sie, wenn er sich ihnen tatsächlich anschließen sollte, dann wohl drei Hochstapler in ihren Reihen hätten; denn dass sowohl Katharina als auch dieser Miloslav mehr Schein als Sein darstellten, war für ihn schnell klar - und für ihn selbst galt das ohnehin.
Ob das gut gehen würde?
Der Ärger jedoch rührte von der doch sehr plumpen Unverfrorenheit des Neuankömmlings. Sicher, der Mann hatte eine flinke Zunge, und viele würden sich durch seine Wortgewandtheit wohl beeindrucken lassen; doch man musste in diesem Gewerbe stets aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen - und genau dies hatte er in Victors Augen gerade getan. Auch wenn Calxu und vermutlich auch Tian den Neuen bereits in ihren Reihen Willkommen geheißen hatten, tat es Victors Meinung nach (und er wähnte Katharina auf seiner Seite) doch Not, Miloslav aufzuzeigen, wo seine Grenzen lagen.
Was Gulyre dachte, wusste wohl tatsächlich nur er selbst.
"Ganz ruhig, werter Herr, wir tun hier einen Schritt nach dem anderen. Wenn Ihr Euch uns anschließen wollt, solltet Ihr das beherzigen." Er dachte kurz an Tian und lächelte innerlich. Es war vielleicht nicht ganz das, was die Gruppe auszeichnete, aber das musste man dem Kerl ja nicht auf die Nase binden. "Zunächst einmal unterliegt Ihr womöglich der irrigen Auffassung, wir hätten nur auf Euch gewartet. Tatsächlich haben wir noch nie von Euch gehört, und es war bisher nicht unsere Art, Wanderer, die wir unterwegs getroffen haben, einzuladen, sich unserer Sache anzuschließen.
Wenn Ihr aber glaubt, einen Anspruch auf ebendies zu haben, so habt Ihr sicher offizielle Dokumente, die dies belegen und die wir prüfen können. Ihr spracht von einem Schreiben der Schwertjunker, vielleicht könnte das ein Anfang sein.
Zweitens haben wir keinen Archäologen in unseren Reihen, zumindest nicht, dass mir das bewusst wäre. Wir benötigen allerdings auch keinen, denn es ist nicht unsere Aufgabe oder unser Ziel, hier wissenschaftliche Studien durchzuführen - wir haben den Auftrag, dieses Land für eine spätere Besiedlung zu kartografieren und zu erkunden. Mein Angebot war ein reines Gebot der Höflichkeit, dachte ich mir doch, dass eine alte Ruine für Euren Berufsstand von großem Interesse sein könnte. Ebenso wie sie es für Jhod hier ist, den wir dorthin begleiten.
Ein Missverständnis Eurerseits liegt aber darin, dass wir ein ureigenes Interesse an einer genaueren Erforschung der Ruinen hätten und jemanden dafür bezahlen würden, dies für uns zu erledigen. Tatsächlich führt uns unser Weg zufällig in die gleiche Richtung, uns so haben wir Jhod angeboten, dass wir zusammen reisen könnten - was ihm eine teure Eskorte erspart.
Drittens, und das ist der Grund dafür, hier möglichst nicht alleine zu reisen, ist dieser Landstrich nicht ungefährlich. Es gibt Räuber in diesen Wäldern, auch wenn deren Aktivitäten durch unser Zutun gerade stark zurückgegangen sein dürften, wilde Tiere, und gerade hier wurden wir vor aggressiven Fallenstellern gewarnt; eine Warnung, die ich nur an Euch weitergeben kann, wenn Ihr Euren Weg alleine weitergehen solltet.
Ihr scheint sehr von Euch überzeugt zu sein, doch es ist ein kurzer Weg von Selbstbewusstsein zu Hochmut. Und der kommt bekanntlich vor dem Fall. Daher: Womöglich ist es in unser aller Interesse, dass wir unseren Weg gemeinsam fortsetzen. Doch üblicherweise trägt dabei jeder etwas zum Erfolg der Unternehmung bei, oder aber er bezahlt für den Schutz, den ihm die anderen bieten.
Also, was ist es, was Ihr beitragen könntet, abgesehen von bunter Kleidung und großen Worten?"