Varis' Rückkehr war eine große Überraschung auch für Milo. Da er den Elfen nicht kannte, blieb seine Begrüßung notwendigerweise bei einem knappen:
"Gut, dass Ihr wieder da seid! Wir können jede Hilfe gebrauchen!" Der zweite Satz bezog auch die Begleiterin des Elfen mit ein, der er sich knapp als
"Miloslav Illjitsch, Archäologe und Sahir aus Osirion, wenn auch gebürtig in Brevoy. Sarenrae sei mit Euch!" vorstellte.
Danach verfiel er in stilles Grübeln. Auf dem Marsch bildete er die Nachhut, am Lagerfeuer saß er abseits und verzehrte sein Mahl schweigend.
Trübselige Gedanken kreisten durch seinen Kopf. Als wie nutzlos er sich im Winzlingsbau herausgestellt hatte! Und wie hohl – nein, wie lachhaft! – klang im Nachhinein sein Versprechen an Calxu, ihm im Kampf tatkräftig und an vorderster Front zur Seite zu stehen. Was hatte Milo sich bloß dabei gedacht? Auch Victors Worte hallten nach:
Wir benötigen keinen Archäologen! Also, was könnt ihr beitragen, abgesehen von bunter Kleidung und großen Worten? Nichts, stellte sich nun heraus. Nichts als große Worte.
Beruf, sagst du? hörte er den Vater noch höhnen,
Ja, jemand wie du braucht das wohl. Was kann so ein schmächtiger Kerl ansonsten schon taugen außer zum Advokaten oder Schreiberling. Ob man ihn jetzt, da Varis wieder da war und dazu auch noch weitere Verstärkung mitbrachte, bitten würde, doch wieder seiner eigenen Wege zu ziehen? Das stand zu befürchten. Was sollte er seinem Vater nur berichten? Ich habe versagt, Vater, auf ganzer Linie versagt. Du musst dir einen anderen suchen, der für dich ein Auge auf die Lage hier unten hält... Die Reaktion darauf wollte Milo sich nicht ausmalen. Nein, er würde dem Vater nicht Bericht erstatten. Besser einfach wieder gen Süden zu reisen, ohne Abschied, ohne Erklärung...
Nun, das musste er ja nicht sofort entscheiden. Gewiss würden seine Begleiter ihn nicht hier so einfach mitten in der Wildnis fortschicken. Man würde damit anstandshalber bis zur Rückkehr zu Olegs Handelsposten warten. So lange hätte Milo also Zeit, zu beweisen, dass er doch etwas beizutragen hatte.
Das Beben des Amulettes, welches unter der Kleidung auf seiner Brust ruhte, ließ ihn zusammenzucken. Im nächsten Moment seufzte er erleichtert auf. Das kam ihm doch tatsächlich gerade wie gerufen! Eine ausgiebige Lehreinheit mit dem Meister würde ihn auf bessere Gedanken bringen und vielleicht lernte er ja etwas Brauchbares, mit dem er seine Begleiter im nächsten Scharmützel beeindrucken konnte...
Und so verschwand Milo – ohne Nachtgruß, zerstreut wie er war – im Gebüsch und tauchte erst am nächsten Morgen wieder auf.
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Beim Frühstück war er sichtlich besser gelaunt. Er summte vor sich hin, während er seine Brotfladen auf dem heißen Stein im Feuer buk, und suchte dann das Gespräch mit der so unermüdlich fröhlichen Clarabella Grüntee, wobei er ihr den ersten Fladen zum Probieren anbot.
"So backen wir Brot in Osirion", fügte er erklärend hinzu,
"außer an Festtagen, da gibt's aufwendigeres Gebäck."Ihren Erzählungen am Vortag hatte er bestenfalls mit halbem Ohr gelauscht, aber das Thema Backen war ihm in Erinnerung geblieben.
"Eure Tante Roselinde hat euch sicherlich so manch Backrezept beigebracht – oder liege ich falsch in meiner Hoffnung? Es geht nichts über ein gutes Brot, außer, nun ja, eine schmackhafte Füllung vielleicht..." Reumütig besah er seinen trockenen Fladen. Käse und Trockenobst waren ihm ausgegangen und mit einheimischen Früchten kannte er sich nicht aus, als dass er es gewagt hätte, irgendwelche wilden Beeren zu pflücken.
[1] "Frisches Mehl muss ich mir auch dringend besorgen..." murmelte er, mit Blick auf den fast leeren Proviantsack.
Doch zu einem längeren Austausch kam es nicht, denn der Rest der Gruppe drängte auf einen baldigen Aufbruch. Beim Marsch hielt Milo sich wieder hinten, einem Gespräch eher aus dem Weg gehend. Dem besonders aufmerksamen Beobachter mochte auffallen, dass Milo sich bei allem, was er seit Verlassen des Winzlingbaus tat, möglichst weit ab von Calxu hielt...
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Bei den Kobolden angekommen, staunte Milo nicht schlecht (und bewunderte es gar ein wenig, obwohl es ihn gleichzeitig ärgerte), wie energisch und bestimmend die Halblingsdame sich gleich in die Gruppenbelange einmischte und dabei die zuvor ausgearbeiteten Pläne und Beschlüsse über den Haufen warf. (Ach, wenn er selbst nur halb so energisch auftreten könnte!) Dabei schien Clarabella sich einzig von Gefühlen leiten zu lassen. Nicht eine praktische Überlegung schien dabei. Und doch konnte weder Milo noch einer der anderen sich dagegen stemmen.
"Ein ertappter Mörder weint auch in seiner Zelle", warf er wohl mal ein und an anderer Stelle äußerte er Zweifel.
"Das Vertrauen beider Seiten? Wir müssten schon Glück haben, um das Vertrauen einer Seite zu erlangen – und würden dies sofort wieder verlieren, wenn wir uns der anderen annäherten. Besser die Freundschaft mit einer Seite schließen, als sich zwischen alle Stühle zu setzen und am Ende nichts zu erreichen." Und zum Stichwort fiel ihm ein:
"Leider verstehen die Winzlinge unsere Sprache nicht und wie nicht die ihre. Kommunikation wäre allenfalls mithilfe der Kobolde möglich, die offenbar die Sprache verstehen. Und überhaupt, bevor wir irgendwen davon überzeugen könnten, dass Frieden die bessere Lösung sei" – die Vorstellung schien ihm insbesondere im Hinblick auf die Winzlinge so absurd, dass seine Stimme wohl recht spöttisch klang –
"müssen wir erst einmal in Erfahrung bringen, was denn das Problem zwischen ihnen ist. Nicht jedes Problem ist lösbar." Und weil sich offenbar niemand getraute, das Offensichtliche auszusprechen, mahnte er abschließend:
"Letztlich müssen wir auch unsere eigenen und eigentlichen Ziele im Auge behalten."Damit eilte er Mikmek hinterher.
"Wie lange seid ihr denn schon im Krieg mit den Winzlingen und wie hat es angefangen?" fragte er den Kobold.