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Kapitel 3: Freiburg

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Mondragor:

Freiburg! Zwei Tage waren sie nun geritten, seit sie Leon zurück nach Hause gebracht hatten, und nach und nach war der Wald lichter und die Straßen breiter geworden. Und nun konnten sie schließlich am Horizont die Spitze des Wachturmes erkennen, dieses uralten Gebäudes syrnethischen Ursprungs, das das Zentrum dieser unglaublichen Stadt darstellte.

Freiburg war ein Experiment, und diejenigen, die schon länger ohne Nachrichten unterwegs waren, hatten womöglich nur eine schwache Ahnung davon, was diese Stadt ausmachte. Es waren gerade einmal vier Jahre seit ihrer Gründung vergangen - wobei natürlich auch vorher bereits Menschen hier gesiedelt hatten. Doch vor dem Krieg gab es gerade einmal den Turm, das Güldentor, der einer der kaiserlichen Paläste war. Geplagt von Krieg und Misswirtschaft, verwahrloste die Siedlung vollends, bis der Imperator dem herrschenden Baron kurz vor seinem eigenen Tod den Titel und die Siedlung nahm und sie Niklas Träge übergab.

Dieser jedoch hatte zunächst kein Interesse daran und überließ die Gegend weitgehend sich selbst, während sich immer mehr Veteranen und Flüchtlinge am Fuße des Turms ansiedelten. Ohne eine ordnende Hand jedoch versank auch diese Siedlung wieder im Chaos, und als Träge Jahre später zurückkehrte, fand er weitestgehend nur zerstörte Ruinen vor. Diesmal jedoch überließ er sie nicht sich selbst, sondern fasste gemeinsam mit seiner Vertrauten Wilma Probst einen Plan, so unerhört, dass die wenigsten auch nur im Traum daran gedacht hätten, dass die Stadt überhaupt diese vier Jahre überlebt.

Er legte ein Fundament, das er Freiburg nannte, doch teilte es schlicht unter Kaufleuten, Architekten, Denkern, Gelehrten und anderen Organisatoren auf. Aus der Regierung dieser Stadt hielt Träge sich immer noch weitgehend heraus, doch zusammen mit Wilma Probst gab er dem ganzen Gebilde einen losen Rahmen von Regeln zur Schlichtung von Konflikten und beobachtete, was passieren würde. Und tatsächlich schienen sich die unterschiedlichen Interessengruppen irgendwie zusammenzuraufen und die Stadt zum Prosperieren zu bringen. Es ist letztendlich eine Stadt in der Eigenverwaltung ihrer Bürger, mit einem Fürsten, der sich in die Belange der Stadt kaum einmischt, und die zusammengehalten wird vom "freien Kodex" - ein eigentlich unmögliches Experiment mitten in einer Welt voller Monster. Doch vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb das Experiment bisher funktioniert: Denn das, was außerhalb der Stadtmauern lauert ist allemal schlimm genug, um im Zweifel besser mit einem Kompromiss leben zu können.

Louis de Fromage Puant:
Es wirkte, als seien die Feierlichkeiten der dankbaren Dorfbewohner und das Bewusstsein, sich durch eine glänzende Heldentat ausgezeichnet zu haben, für Louis ein wahres Lebenselixier: Zwar begannen die tieferen seiner Wunden nur sehr allmählich zu heilen, doch hatte der Montaigner offenbar bereits nach kurzer Zeit wieder jeglichen Gedanken an jene düsteren Dinge abgeschüttelt, die sie erfahren hatten. Die Schatten, welchen sie sich noch stellen müssten, schienen ihn im Gegenteil regelrecht zu beleben. Schon bei dem Fest war er wie ein bunter Paradiesvogel unter Sperlingen und Tauben aufgefallen, indem er äußerst fröhlich mitgetan hatte bei Speise und Trank, mehr als bereitwillig Geschichten aus seinem Leben sowie die Heldentaten anderer Musketiere erzählt und so manchem hübschen Dorfmädchen – unter Beachtung äußerst steifer Anstandsregeln, aber dennoch mit selbstbewusster Keckheit – Komplimente gemacht, die so manches Mal am Rande der Frivolität standen.

Doch die Energie, welche ihn zu einem zeitweise anstrengenden, insgesamt aber äußerst unterhaltsamen Begleiter machte, versiegte auch auf dem Weg nicht, den sie hernach einschlugen. Selten einmal war er schweigsam, und der Tatendrang des Edelmanns äußerte sich nicht nur in seinen eigenwilligen Kommentaren und Satzkonstruktionen: Auch körperlich schien der schlanke, aber zähe Fechter gewillt, sich seine Tage nicht von den Schmerzen vermiesen zu lassen. Vor allem übte er bei jeder Gelegenheit seine Fechtkünste mit der herrlichen Klinge, die er nunmehr stolz in dem Wehrgehänge an seiner Hüfte trug. Als sich nun die Spitze des Wachturms hinter dem Horizont zu erheben begann, wies er mit der behandschuhten Linken nach vorn und meinte gutgelaunt: "Excellente, mes amis! Endliesch wieder eine Stück civilisation..! 'ier werden wir siescherliesch alles finden, was uns vonnöten iest, n'est-ce pas?" Er ließ offen, ob er einen Medicus meinte, einen Schneider, ein Badehaus oder womöglich all dies zugleich.

Mondragor:
Als die kleiner gewordene Gruppe schließlich den ersten Blick auf Freiburg erhaschte, erhob Tristan die Stimme.
"Das ist also Freiburg. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, mir die Stadt anzusehen, doch wir müssen es schaffen, zu Niklas Träge vorgelassen zu werden. Wir müssen ihm von der Burg berichten, damit er dafür sorgt, dass dort nun nicht Anarchie herrscht, und wir müssen ihn überzeugen, etwas gegen Roswitha von Wirsche zu unternehmen. Immerhin sagt man, dass die beiden nicht gerade freundschaftlich verbunden sind.
Aber zunächst müssen wir zu Träge vorgelassen werden, was vermutlich schon nicht ganz einfach werden wird."

Friedrich Alfred von Dent:
Die Ereignisse in der Burg und der Kampf gegen die Baronin wollten Friedrich nicht loslassen. So sehr er sich auch anstrengte, seine Gedanken wanderten immer wieder zurück an diese Zeit und vor allem die Visage der Baronin. Immer wieder sah er das Ding vor sich, in das sie sich verwandelt hatte. Die Nachricht, dass Roswitha von Wirsche hinter dieser Sache steckte, machte es für ihn nicht besser. So hatten er und die gesamte Gruppe zwar ein deutliches Ziel aber es füllte die Gedanken des alternden Kreuzritters auch mit weiteren Theorien und Bildern, die sich nun mit Roswitha befassten. Wenn schon die Baronin ein solches Monster gewesen war, was war diejenige, die vermutlich überhaupt erst für ihren Fluch verantwortlich gewesen war, für ein Wesen? Was für ein dunkles und abartiges Geheimnis steckte hinter dieser Sache?

Natürlich war Friedrich froh darüber, dass Ingrid begnadigt und Leon zurück zu seinem Dorf gebracht worden war. Er war wirklich erleichtert, dass es Leons Heimat nicht schlecht ergangen war. Doch trotz all des Lobs, des Danks und des Festes im Anschluss, konnte er die eiskalten Gedanken nicht von sich werfen. Wie zäher Honig klebten sie an ihm und egal was er versuchte, er schaffte es nicht, sie zu entfernen. Zwar war Friedrich nie ein großer Partymensch gewesen aber während des Festmahls war er selbst für seine Verhältnisse recht distanziert und kalt. Auch Alkohol wollte ihm anfangs kaum helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Erst spät am Abend und nach einigen Getränken tat der Alkohol seine Wirkung. So war Friedrich zumindest für eine kurze Zeit befreit von all den dunklen Gedanken und Erinnerungen.

In den zwei Tagen, die sie nach Freiburg ritten, raffte sich Friedrich wieder etwas auf und schaffte es zumindest einen Teil der Gedanken von sich zu schütteln. Es war schwer auch den Rest loszuwerden. Seine Verletzungen würden ihm noch etwas erhalten bleiben und so hatte er immer etwas, dass ihn direkt an die Burg und ihre Baronin erinnerte. Zumindest brachte ihn der Anblick Freiburgs auf andere Gedanken. Eine seltsame aber durchaus interessante Stadt. Er hatte davon gehört und darüber gelesen. Es würde ihm ein Vergnügen sein, sich dieses lebende Experiment selbst anzusehen. Auch, wenn sie nur eine kurze Zeit hier verbringen würden. Der Plan stand fest. Er würde nur nicht ganz einfach werden. "Mit welchen Problemen werden wir rechnen müssen?", informierte sich Friedrich direkt. "Und an wen müssen wir und wenden? Wer entscheidet in einer solchen Stadt, wenn der Fürst sich nicht einmischt? Eine Art Rat?"

Mondragor:
"Gute und wichtige Fragen." antwortete der Baron nachdenklich. "Und natürlich habe ich mir bereits einige Gedanken darüber gemacht. Politik ist ein langsames und strategisches Spiel, und eine unüberlegte Handlung kann vieles zerstören, selbst wenn man denkt, man sei unter Freunden. Wir werden also nicht einfach zu Niklas Träge gehen können, ihm von Wirsches Machenschaften berichten, und dann glauben, dass er uns helfen wird."

Er ritt nun etwas langsamer und blickte sich um, um sicherzugehen, dass niemand sie belauschte; doch der Wald lag hinter ihnen, und die Graslandschaft, durch die sie ritten, war weit und übersichtlich, so dass er weiterredete.
"So sehr ich mich selbst stärker einschalten würde, muss ich doch zu Beginn wohl Zurückhaltung wahren. Wirsche hat mit Sicherheit ihre Spione in Freiburg und wir sollten tunlichst vermeiden, meine Anwesenheit hinauszuposaunen. Selbst wenn Roswitha inzwischen womöglich nicht mehr annimmt, dass ich tot bin, ist es klüger, dass ich mich zunächst im Hintergrund halte.
In der Zwischenzeit müsst ihr versuchen, uns die wichtigen Persönlichkeiten geneigt zu stimmen. Weitaus die wichtigste von allen ist Wilma Probst. Sie ist das Oberhaupt von Träges Hof, seine rechte Hand, und die Person, die am meisten dafür tut, um die Ordnung in Freiburg aufrechtzuerhalten. Doch auch sie kann nicht ohne die Unterstützung der verschiedenen Machtgruppierungen regieren, die in der Stadt vertreten sind. Da sind zum einen die Kaufleute zu nennen, natürlich die wichtigen Adelshäuser, die Gelehrten der Universität, das Militär sowie die Verschiedenen Organisationen und Gesellschaften. Alle zusammen bilden die komplexe Gemengelage, die Freiburg ausmacht, wobei keine dieser Gruppen einen einheitlichen Block bildet.

Eure erste Aufgabe ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer die wichtigsten Akteure der verschiedenen Blöcke sind und sie auf unsere Seite zu bringen. Wenn wir genug Rückhalt bei diesen Gruppen haben, werden Wilma Probst und Niklas Träge uns unterstützen, da bin ich sicher. Doch das wird eine Weile dauern - wir müssen uns darauf einstellen, eine Weile in der Stadt zu bleiben. Doch lasst uns zunächst eine Unterkunft suchen und ein erstes Gespür für die Stadt entwickeln."

Es war allen noch etwas unklar, was genau sie in Freiburg erwarten würde. Sie würden wohl damit beginnen müssen, mit Menschen in der Stadt zu sprechen, um zu erfahren, mit wem sie eigentlich reden mussten, um etwas zu erreichen. Jeder machte sich auf seine eigene Art Gedanken über die Aufgabe, die vor ihnen lag, und so kam nach und nach Freiburgs Stadtmauer in Sichtweite, und sie erhielten, da sie sich von einer kleinen Anhöhe näherten, eine bessere Vorstellung der Stadt. Sie war tatsächlich kreisrund, und drei ungeheuer breite Straßen teilten die Stadt kerzengerade in sechs gleich große Bezirke, angeordnet wie Kuchenstücke. Im Zentrum von allem stand der riesige Wachturm, der nur durch syrnethische Magie vor dem Zusammenfall bewahrt wurde - ein komisches Gefühl, da niemand in Théah wirklich verstand, was es mit dieser Magie auf sich hatte.

Sechs große Straßen führten von außen durch große Eingangstore in die Stadt; auf einer von diesen befanden sich nun auch die Reisenden. Hier, in der Nähe Freiburgs, war auf dieser Straße jede Menge Verkehr, als zahlreiche Händler und andere Reisende die Stadt besuchten oder verließen.
Sie betraten Freiburg aus nordöstlicher Richtung, und Tristan klärte sie darüber auf, dass sie nun zwischen dem Hochquartier zu ihrer Rechten und dem Greifenviertel zu ihrer Linken hindurch ritten. Das Hochquartier, und das war auf den ersten Blick ersichtlich, beheimatete die reichen und einflussreichen Bewohner der Stadt. Die Anwesen waren prachtvoll und zahlreiche private Wachen waren zu sehen, die das Quartier vor unerwünschten Besuchern schützen sollten.

Das Greifenviertel zu ihrer Linken barst dagegen fast vor Leben. Hier ballten sich die Händler auf verschiedenen Märkten, und Herbergen und Tavernen aller Art boten den Reisenden Unterkunft. Dies war auch ihre erste Anlaufstelle, und mehr oder weniger zufällig wählte die Gruppe eine Herberge mit dem Namen "Zum Adlerhorst" aus, die ihnen auf den ersten Blick sympathisch erschien. Sie machte einen gutklassigen und ordentlichen Eindruck und sie würden dort unter anderen gutsituierten Bürgern oder niederen Adligen nicht besonders auffallen, weder in die eine noch die andere Richtung.
Nachdem sie sichergestellt hatten, dass die Pferde gut versorgt waren, und sie ihre Zimmer in Augenschein genommen hatten, trafen sie sich in einem separaten Gastraum, um sich ein wenig zu stärken und die nächsten Schritte zu besprechen.

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