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Autor Thema: Kapitel 3: Freiburg  (Gelesen 20181 mal)

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #285 am: 27.06.2023, 21:55:51 »
Ihre Reisemüdigkeit war völlig verflogen beim Anblick dieser Stadt. Nur allzu gerne hätte sich Allegra verabschiedet und hätte sie auf eigene Faust erkundet.

Freiburg sah so ganz anders aus und hörte sich ganz anders an, als die Städte der Vodacce. Natürlich konnte sie Eisen sprechen und verstehen, aber wenn es nicht nur von ein paar Händlern oder Söldnern gesprochen wurde sondern überall, dann war der Klang einer Stadt ein anderer, der Singsang fehlte und ein wenig auch die Emotionen. Alle Leute machten eine geschäftigen Eindruck selbst die Reichen unter ihnen. Auch die Farben der Stadt waren anders, alles erschien ihr ein wenig gedämpft.

Schweren Herzen riss sie sich von den ganzen Eindrücken los.
Sie hatte ihr Wort geben und würde im Tausch dafür, dass Guido sie mitgenommen hatte, einen Dienst mit der Waffe erfüllen. Aber sie war davon ausgegangen, ihm direkt zu helfen.
Schon vor der Reise, aber vor allem während den gemeinsamen Tagen auf der Straße, hatte sie seine Ehrlichkeit schätzen gelernt und er schien auch ein gutes Herz zu haben, wenn es um die Mitmenschen ging, die weniger vom Glück bedachten waren als er.

Jetzt gab er ihren Dienst weiter und das machte Allegra doch ein wenig nervös. In Vodacce musste man sich immer vorsehen, nichts war so einfach wie es schien und wenn man sein Gegenüber nicht kannte, konnte es sehr schnell sehr ungemütlich werden. Allegra hoffte, dass Guido sich nicht täuschte und Gitta von Castell wirklich ehrbar war.

Nun gut, sie würde es bald herausfinden.
"Va bene, ich werde dich nicht enttäuschen!"
« Letzte Änderung: 27.06.2023, 22:02:17 von Allegra Rafaela Celare »

Mondragor

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #286 am: 28.06.2023, 23:46:39 »
Der Wachmann schüttelte den Kopf, was wohl weniger als Antwort auf Valdas Frage gemünzt war als der eigenen Nachlässigkeit galt, denn als nächstes antwortete er:
"Genaues weiß ich nich, aber es soll wohl ein oder zwei Überlebende gegeben ham. Wo se die hingebracht ham, weiß ich aber nich. Am ehesten wohl in die große Klinik in der Universität."

Derweil kam eine der drei Personen, der Eisenländer, auf Valdas zu. Er hatte offenbar zumindest einen Teil des kurzen Gespräches mitgehört, denn er sprach den Samarter direkt an: "Entschuldigt meinen Begleiter, aber diese Stätte ist ein emotionaler Ort für ihn und auch mich. Wir haben Freunde bei dem perfiden Anschlag verloren, der hier stattgefunden hat, und sind daher womöglich misstrauischer als in normalen Zeiten. Doch auch mich würde brennend interessieren, was Ihr hier sucht. Wisst Ihr etwas über die Angreifer? Eine solche Information wäre uns durchaus etwas wert."

Louis de Fromage Puant

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #287 am: 29.06.2023, 15:10:43 »
Eingehend musterte Louis den Fremden. Es fiel schwer, sich ein genaues Bild zu machen. Nach einem simplen Gaffer sahen Äußeres und Auftreten des Mannes nicht aus – andererseits wollte ihn die kurze Erklärung, sich die Brandstelle "nur einmal aus der Nähe ansehen" zu wollen, auch nicht recht befriedigen. Als Valdas zu sprechen anhob, huschten die Augen des Montaigners daher kurz zu seinen Begleitern, und seine Augenbrauen hoben sich bedeutungsvoll. Immerhin war le baron ja noch in der Obhut Ledovids, und Louis hatte seine Ehre als Musketier verpfändet, dass ihm nichts weiteres zustoßen sollte. Dementsprechend aufmerksam ruhte sein Blick auf Valdas, als er sich, Friedrichs Worte ergänzend, erkundigte: "Ihr interessiert Eusch also für survivants, Monsieur. Vermisst Ihr etwa Verwandte oder Freunde, die 'ier logiert 'aben?" Dabei schlug er einen etwas entspannteren Ton an als zuvor, schien sich aber noch vorzubehalten, wie er diesen seltsamen Burschen einschätzen und demgemäß behandeln würde.

Valdas Jankauskas

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #288 am: 30.06.2023, 18:36:57 »
Es tut mir leid, wenn Freunde von euch unter den Opfern dieses Infernos waren. Der Tod durch solch ein Feuer ist das Schlimmste, was einen ereilen kann. Und ihr seid sicher, dass hierbei um einen Anschlag und nicht um ein Unglück gehandelt hat? Valdas wandte den Blick kurz von den Dreien ab und ließ ihn gedankenverloren über die verbrannte Ruine wandern. Die Situation schien ihn sichtbar zu belasten, während er unterbewusst über seinen Arm fuhr, so als ob er selbst eine Verbrennung hätte.
Wer oder ..
- Valdas unterbrach den begonnenen Satz und schien kurz zu überlegen - "Wer auch immer für diese schreckliche Tat verantwortlich ist, sollte seiner gerechten Strafe zugeführt werden. Allerdings befürchte ich, dass ich euch auf eurer Suche keine große Hilfe sein kann. Ich bin gestern erst in Freiburg angekommen und am Abend im Schankraum gab es nahezu nur dieses Thema. Und da ich nur zu gut weiß, welchen Schaden Feuer Personen zufügen kann und ich mich ein wenig in den Künsten der Heilung auskenne, war der Grund meines Erscheinens nicht die Suche nach Bekannten sondern nur der Versuch, vielleicht etwas zur Linderung der Schmerzen beizusteuern.

Louis de Fromage Puant

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #289 am: 02.07.2023, 11:32:18 »
"Wäre es eine malheur gewesen, so wäre die Zeitpunkt 'öchst interessant zu nennen" bemerkte Louis und wies auf die Mauerreste. "Non, Monsieur, dies war eine gezielte attentat!" Er knirschte mit den Zähnen. "Aber iesch werde dafür sorgen, dass die Spitzburschen zu die Verantwortung gezerrt werden, so wahr iesch Louis de Fromage Puant 'eiße!" Womit sich der Musketier mit der Faust in die offene Hand schlug und einen grimmigen Blick über die Ruine schweifen ließ. Finster murmelte er: "Magnifique... es ist also schon Stadtgespräsch..." Dann zuckte sein Blick zurück zu ihrem Gegenüber. "Ihr seid 'eiler?"

Valdas Jankauskas

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #290 am: 03.07.2023, 15:44:14 »
Dem ist so, Monsieur. Ich versuche, der Welt ein wenig von dem zurück zu geben, was sie mir geschenkt hat. Valdas Jankauskas, zu euren Diensten. Mit einem freundlichen Kopfnicken stellte sich Valdas vor. Ich möchte nicht allzu aufdringlich sein, aber wenn ihr so sicher seid, dass es sich hierbei um ein Attentat gehandelt hat, galt das womöglich sogar euch?

Louis de Fromage Puant

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #291 am: 04.07.2023, 11:16:23 »
Formvollendet zog der Montaigner seinen Hut, schwenkte ihn und machte eine leichte Verbeugung. "Louis de Fromage Puant, gentilhomme et mousquetaire. Enchanté!" grüßte er würdevoll. Dann senkte er seine Stimme. "Niescht uns en personne, aber es ging gegen eine Mission, die wir verfolgen. Das iest jedoch vertrauliesch!" Womit der Musketier argwöhnischen seinen Blick umherschweifen ließ, ehe er sich wieder Valdas zuwandte. "Was 'at Eusch nach Fribourg geführt, wenn iesch fragen darf?"

Valdas Jankauskas

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #292 am: 05.07.2023, 17:35:43 »
Sichtbares Unbehagen legte sich in die Miene von Valdas, als Louis nach dem Grund für seine Reise nach Freiburg fragte. "Ich bin auf der Suche. Auf der Suche nach dem oder denjenigen, die hierfür verantwortlich sind." Mit einer vorsichtigen Bewegung schob Valdas den linken Ärmel seines Hemdes nach oben, um einen von Brandnarben gezeichneten Unterarm freizulegen. Es bedurfte keine große Fantasie, um sich die Verbindung zwischen den Narben auf seinem Gesicht und Hals und dem freigelegten Arm auszumalen.
"Aber es geht mir nicht um Rache, wenn ihr das jetzt denken mögt. Ich möchte nur verhindern, dass so etwas wie bei mir, und hier, noch einmal vorkommt. Und das ist neben der Hoffnung, die Schmerzen des ein oder anderen hier Verletzten etwas lindern zu können, der zweite Grund, warum ich mir das hier etwas genauer anschauen wollte."

Mondragor

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #293 am: 07.07.2023, 23:43:14 »
An dieser Stelle wurde zum ersten Mal die Frau hellhörig, die die beiden Männer begleitete.
"Kennt Ihr denn einen Namen?" fragte sie Valdas direkt, um dann doch zu merken, dass es vielleicht etwas unhöflich war, sich nicht zunächst einmal vorzustellen.
"Katharina ist mein Name. Katharina Eisfeld. Wer hat Euch das angetan, und woher wisst Ihr, dass die Person in Freiburg ist?"

Doch noch bevor Valdas antworten konnte, tauchte eine weitere Ablenkung in Form eines weiteren Mannes auf, der Valdas nicht bekannt war. Die anderen jedoch erkannten Werner Jagemann, der ihnen von weitem schon winkte und ihnen zurief: "Ha, ich dachte doch, dass hier die beste Chance ist, euch ausfindig zu machen."
Der Jäger schloss die letzten Schritte zu ihnen auf, bemerkte dann jedoch den Wachmann und bedeutete der Gruppe, sich mit ihm ein wenig abseits zu begeben, um ungestört sprechen zu können. Neugierig, was ihre Kurzbekanntschaft ihnen wohl mitzuteilen hätte, folgten sie ihm.

"Ich habe noch einmal über die Sache geschlafen und mir alles durch den Kopf gehen lassen, und jetzt bin ich mir sicher, dass das, was ich zu sehen geglaubt habe, auch stimmt. Vorher wollte ich es nicht erwähnen, um keine haltlosen Verdächtigungen aufzustellen, aber ich glaube nicht, dass ich mich irre.

Als ich auf dem Weg nach Freiburg war, wurde ich von einer Gruppe Soldaten überholt, die von Heinrich Dray angeführt wurde. Ich weiß noch, wie sehr ich mich gewundert hatte, denn ich hatte vorher ja vergeblich versucht, zu Dray vorzudringen, um ihn von meinen Beobachtungen zu berichten. Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass er die Sache mit den Schrecken nun doch ernst nimmt und in Freiburg um Unterstützung ansucht. Wer weiß, vielleicht ist es auch so.
Als ich jedenfalls kurz nach dem, was hier geschehen ist, hier vorbeigekommen war, lagen die Leichen noch hier. Es waren einerseits eure Freunde darunter, aber auch andere Männer und Frauen. Danach, wie sie lagen, könnte man darauf schließen, dass sie unter den Angreifern gewesen waren - allerdings bin ich kein Experte in solchen Dingen. Was ich aber ganz sicher weiß ist, dass ich mehrere der Gesichter schon einmal gesehen hatte - und zwar in der Eskorte von Heinrich Dray. Nur hatten sie die Uniform Wirsches gegen normale Bauernkleidung getauscht. Was immer sie hier wollten, ob sie den Angriff starteten oder abwehren wollten: Es waren mehrere der Leute Drays dabei; und dass seine Soldaten ihre Uniform in einer fremden Stadt grundlos ablegen, ist noch viel seltsamer."

Mondragor

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #294 am: 08.07.2023, 00:06:36 »
"Das erwarte ich auch nicht von dir, meine Liebe."

Allegra wusste nicht, ob Guidos Antwort eher einen Vertrauensbeweis darstellt oder doch eine versteckte Drohung beinhaltete. Hatte sie tatsächlich bedacht, auf was sie sich hier eingelassen hatte? Doch jetzt war es zu spät, und der Wagen rollte unerbittlich in Richtung des Hochquartiers.

Nicht lange später, noch immer war Allegra trotz ihrer leichten Zweifel fasziniert von dieser Stadt, kam der Wagen vor einem Stadtpalast zum Halten. Dass die Bewohner hier Gold hatten, ließ sich an einer Hand abzählen; die Anwesen waren großzügig, hatten trotz der Lage in der Stadt weiträumige Gärten und Parkanlagen, und das Wohngebäude, auf das sie nun zugingen, besaß volle drei Stockwerke. Interessanterweise befand sich der Eingang des Hauses direkt an der Straße und Guido und sie mussten nicht erst durch einen Hof oder einen Park gehen, um zum Haus zu gelangen. Stattdessen betätigte Guido einen metallenen Klopfer direkt an der recht schlicht wirkenden Tür, und kurz darauf öffnete ein livrierter Diener ihnen.
"Ah, Herr Travelner. Die Dame erwartet Sie bereits. Und dies muss wohl Ihr Mündel sein?"
Allegra beschloss, den Mann nicht auf seinen Fehler hinzuweisen, und auch Guido machte keine Anstalten dazu, sondern nickte nur, und die beiden folgten dem Diener in einen prächtig ausgestatteten Salon, wo er sie zurückließ.

Offenbar hieß der Satz "die Dame erwartet Sie bereits" nicht, dass sie sich deshalb beeilte, ihre Gäste zu empfangen. Vermutlich war es auch hier so, dass die Wichtigkeit einer Person sich danach bemaß, wie lange sie das Gegenüber warten lassen konnte (oder sogar musste), ohne dass es einen sozialen Fehltritt darstellte.
Schließlich jedoch (Allgra hatte bereits ihr Zeitgefühl weitgehend verloren) öffnete sich eine weitere Tür und eine ältere - weniger höfliche, doch ehrlichere Menschen würden eher alt sagen - Frau in alters- und standesgemäßer Kleidung und perfekter Frisur und Aufmachung trat in den Saal. Auch wenn sie offensichtlich bereits in einem Alter war, von dem ein Großteil der Bevölkerung nicht einmal hoffen konnte, es jemals zu erreichen, merkte man ihr dies in ihren Bewegungen kaum an. Kein Stock, keine andere Gehhilfe, schon gar kein Lakai, der sie stütze.

Ohne ein Wort des Grußes wartete sie Verbeugung und Knicks ihrer Besucher ab, ließ ihren Blick einmal an Allegra hinauf und wieder hinab gleiten, und kam dann sofort zur Sache. "So mein Kind, nun bist du also hier. Dann erzähl mir doch einmal von dir."

Louis de Fromage Puant

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #295 am: 08.07.2023, 16:58:37 »
Auch der Blick des Musketiers war über die Narben seines Gegenübers gehuscht, und offenkundig war der Montaigner trotz seines geckenhaften Auftretens ein Mann, der sich seine Gedanken machte. Nachdenklich zupfte er an seinem Spitzbart und beobachtete die Reaktion des Mannes genau, als Katharina die Frage stellte, die ihm selbst fast sofort auf der Zunge gelegen hatte. "Alors... was Ihr als Rache bezeischnet und die Ver'inderung neuer Missetaten mögen praktiesch dieselben Maßnahmen erfordern, Monsieur."

Er setzte zu einer weiteren Bemerkung an, wurde aber durch Werners Ankunft unterbrochen, dessen Bericht er mit sichtlich wachsender Erregung hörte. "Seid Ihr siescher?" erkundigte er sich und wandte sich dann an die anderen, ohne auf Valdas' Gegenwart zu achten oder darauf, ob dieser ihnen folgte. "Iesch 'abe es geahnt, aber das ist eine Beweis! Madame de Wirsche iest daran interessiert, uns aufzu'alten – und, parbleu, ihre 'andlanger sind siesch niescht zu schade, auf ehrlose Tricks zurückzugreifen! Siesch für ihre feige Angrief als Bauerrn zu verkleiden... scandaleuse!"

Valdas Jankauskas

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #296 am: 09.07.2023, 15:48:27 »
Nachdem er den Ausführungen den Neuankömmlings und der anschließenden Tirade von Louis interessiert zugehört hatte, wandte sich Valdas an Katharina. "Sehr erfreut. Um eure Frage zu beantworten, leider habe ich keine konkreten Informationen, geschweige denn einen Namen. Und die Tatsache, dass die betreffende Person sich vor Jahren auf den Weg nach Freiburg gemacht hat, macht die Lage nicht unbedingt besser. Aber auch ein kleiner Hinweis ist ein Hinweis, und vielleicht kann ich ja doch noch etwas herausfinden. " Eine gewisse Zuversicht huschte über Gesicht, bevor er ernst wurde. "Aber ihr scheint euch ja inmitten eines Komplotts zu befinden, der sogar die Eisenfürsten betrifft."
« Letzte Änderung: 09.07.2023, 15:49:17 von Valdas Jankauskas »

Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #297 am: 09.07.2023, 18:28:54 »
Die Räumlichkeiten des imposanten Anwesens und den Salon im Speziellen nahm Allegra unauffällig aber genau in Augenschein, während sie hierher geführt wurden und warten mussten. Bilder, Andenken, Dekorationen, liegen gelassene Gegenstände, der Zustand des Anwesens, aus all dem liessen sich schliesslich Schlüsse ziehen, wer hier wohnte, was für Interessen er besaß und auch zumeist etwas über die Familiengeschichte. Ihre Erziehung ermöglichte es Allegra viele der Dinge einzuordnen.
Als ihre Gastgeberin schliesslich eintrat und sich näherte, musterte die junge Vodacce sie gründlich. Auch hier konnte jedes Detail wichtig sein. Die Agilität der alten Dame war mehr als bemerkenswert, nur ein sorgenfreies, umsorgtes Leben waren sicherlich nicht der Grund dafür.
Formvollendet knickste Allegra zur Begrüßung - nicht zu tief, als Duellantin genoß auch sie eine gewisse Stellung, auch war die Tiefe des Knicks dem Umstand geschuldet, dass sie massgeschneiderte Männerkleidung trug,  - aber doch so tief, wie es einer Adeligen gebührte. Selbstbewußt richtete sie sich auf, vermied aber, der Adeligen direkt in die Augen zu schauen, viele der Blaublüter nahmen daran Anstand.
Die spontane und unhöfliche Anrede ohne Begrüßung verwunderte oder berührte Allegra nicht im geringsten. Sie kannte diese Verhalten von Adeligen oder höher gestellten Personen nur zu gut.
Nur über Guido ärgerte sie sich, ein bisschen mehr Informationen zu dem, was er mit dieser Dame ausgemacht hatte, hätte er ruhig mit ihr teilen können. Die Reise war ja schließlich lange genug gewesen und offensichtlich hatte er bereits etwas mit la Donna Castell vereinbart und sie als sein Mündel angekündigt.
Wenn aber weder er noch die Signora ihr offen mitteilen wollte, worum es ging und sie lieber testen wollten, nur zu.
Allegra hatte nicht umsonst eine hervorragende Ausbildung bei einer der berühmtesten Kurtisanen Vodacces genossen. Situationen, Leute, ihre Stimmungen und Intentionen zu lesen war einer der wichtigsten Aspekte dieser Ausbildung gewesen.
Während sie in akzeptfreiem Eisen antwortet, musterte Allegra sowohl Gitta von Castell als auch Guido aufmerksam, damit ihr keine Regung entging. Wie gut kannten sich die beiden? Wie wurde ihr Antwort aufgenommen? Wie ausführlich musste sie ihre weiteren Antworten gestalten?
Werte Dame von Castell, vielen Dank, dass ihr mir die Gelegenheit gewähren wollt, euch die bescheidenen Dienste meines Degens anbieten zu dürfen. Herr Travelner hat euch sicher bereits berichtet, dass ich die Schule von Ambrosio beendet habe und zum ersten Mal in diesen Landen weile. Ich spreche eure Sprache und wurde auch in der Geschichte und Etikette eure Landes unterrichtet. Nennt mir bitte den Dienst, den ich euch erbringen soll und ich werde all mein Können einsetzen, ihn ehrenhaft in eurem Namen zu erbringen. 
« Letzte Änderung: 09.07.2023, 20:31:14 von Allegra Rafaela Celare »

Louis de Fromage Puant

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #298 am: 12.07.2023, 10:22:21 »
Nachdenklich zwirbelte Louis seinen Schnurrbart. Brummend meinte er: "Bel et bien, Monsieur, eine lange Zeit – das klingt niescht einfach. Iesch 'offe, dass Ihr dennoch satisfaction erlangt!" Tonfall und Mimik des Montaigners ließen vermuten, dass er diese Worte sehr ernst meinte. Auf den Einwurf Valdas' hingegen zögerte er zu antworten. "Die affaire iest... weitreischend. Bis in die 'öchsten Runden, wie man 'ierzulande sagt, oui?" Die Stimme senkend fuhr er geheimnisvoll fort: "Es tut siesch einiges seltsame in dieser Gegend – Ereignisse, bei denen es niescht immer mit korrekten Dingen zugeht." Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen, und er erkundigte sich: "Ihr seid eine Medicus, also auch un savant?"
« Letzte Änderung: 12.07.2023, 10:22:52 von Louis de Fromage Puant »

Valdas Jankauskas

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Kapitel 3: Freiburg
« Antwort #299 am: 12.07.2023, 21:28:22 »
Die Art und Weise, wie Louis seine Frage stellte, implizierte eine unausgesprochene Idee. "Ich fürchte, ich bin kein Gelehrter, wie ihr ihn aus eurer Heimat erwarten würdet. Meine Ausbildung in den Künsten der Heilung war weniger akademisch als, nun, sagen wir vielleicht eher traditionell. Nichts desto Trotz wäre es mir eine Freude, wenn ich euch bei eurem Vorhaben unterstützen könnte. Also keine Scheu, sprecht frei heraus, was ich für euch tun kann."  Ein verschwörerisches Lächeln umspielte seinen Mund, so als ob er schon genau wüsste, was Louis plante.
"Und was meine Angelegenheit in Freiburg angeht. Wie ich schon sagte, es dürstet mich weniger nach Vergeltung als nach Gerechtigkeit. Und ja, beide können auf die gleiche oder auch sehr unterschiedliche Weise erreicht werden."

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