Die junge Frau errötete sichtlich angesichts Louis' charmanter Begrüßung; ansonsten war ihr jedoch anzusehen, dass sie dem eisen-montaignischen Kauderwelsch nicht vollständig folgen konnte - der Scherz mit dem dentiste war offenbar komplett an ihr vorübergegangen. Nichtsdestotrotz hatte die überschwängliche Vorstellung des Montaigners wohl Eindruck bei ihr hinterlassen und sie antwortete mit einem Lächeln.
"Sie können gerne hier warten, es wird sicherlich nicht lange dauern."
Tatsächlich dauerte es vielleicht den vierten Teil einer Stunde, bis die Tür zu Weierstraß' Büro sich öffnete und zwei Männer hinaustraten, einer davon mit einem etwas südländischeren Teint, der andere deutlich als Eisen zu erkennen.
"Ich freue mich auf unser nächstes Treffen, lieber Bolzano!" verabschiedete Letzterer seinen Gast herzlich. "Gemeinsam werden wir die Nuss sicherlich knacken."
Dann erst fiel sein Blick auf die drei Wartenden, und er warf einen fragenden Blick auf seine Sekretärin.
"Die Herren Graustein, la Dent und de Fromage Puant sind hier für Sie, Herr Professor." kündigte sie die Gäste an, die sich einer gewissen Beeindruckheit nicht erwehren konnten, dass die Dame sich ihre Namen fehlerfrei gemerkt hatte. "Ihr genaues Anliegen haben sie nicht genannt, aber es sind offensichtlich gebildete Edelmänner; ich dachte mir, Sie wollen sie sicherlich empfangen." Ihr Blick glitt kurz auf Louis ab, fokussierte sich dann jedoch wieder auf ihren Vorgesetzten. "Ihr Kalender ist für den Rest des Tages frei." fügte sie dann wie entschuldigend hinzu.
"Sehr gut, sehr gut, Fräulein Sternike. Selbstverständliche empfange ich die Herren. Ich bin gespannt auf Ihr Anliegen." wand er sich dann den dreien zu.
Nachdem die vier sich schließlich in dem Büro des Präsidenten versammelt, in einer kleinen Sitzecke Platz genommen hatten, und von Fräulein Sternike mit Getränken versorgt worden waren, begann der Professor unvermittelt zu sprechen.
"Das war Professor Bolzano, ein hervorragender Kollege. Wir führen seit einiger Zeit eine Diskussion über Folgen komplexer Zahlen. Nach einigem Hin und Her sind wir uns inzwischen einig, dass jede beschränkte Folge mindestens eine konvergente Teilfolge enthält, doch wir grübeln noch über dem Problem, wie wir das beweisen können. Sie haben nicht zufällig eine Idee?
Aber ich vermute, die höhere Mathematik ist nicht Ihr Fachgebiet." sagte er dann mehr zu sich selbst.
"Was führt Sie zu mir? Wie kann ich Ihnen helfen - oder besser noch: Wie können Sie mir helfen?"
Während der letzten Minuten hatten die drei Besucher ausgiebig Zeit gehabt, sich den Professor etwas genauer anzusehen. Er war ein freundlicher Mann um die vierzig, der zwar eine für einen Edelmann standesgemäße Kleidung trug, sich ansonsten aber um sein Aussehen eher weniger zu scheren schien. Der Anzug, den er trug, wirkte eher wie ein Fremdkörper an ihm, und auch Knöpfe und Verschnürungen waren nicht adrett geschlossen, sondern schienen eher schlampig und in Eile behandelt worden zu sein. Louis war auch der Meinung, dass die gesamte Garderobe eher eine Nummer zu groß für den hageren Mann war, doch diesem schien all das nichts auszumachen.