"Auf dieses Detail habe ich nicht geachtet." musste Friedrich zugeben.
"Doch mit Sicherheit lag irgendeine Magie Perchtas auf dieser Spange - womöglich hat sie sich von selbst gelöst, als Jelena ihr Leben aushauchte? Es wäre interessant zu erfahren, ob die Magie noch auf der Spange liegt oder durch ihren Tod erloschen ist."Für einen Moment wirkte Friedrich erschrocken über das, was er gesagt hatte.
"Entschuldigt bitte, der Gelehrte ist mit mir durchgegangen. Doch ich finde, wir sollten die Spange an uns nehmen - und sei es nur, um Jelenas Andenken zu ehren.
Ich schlage vor, wir verschieben unseren Besuch im Handelsviertel. Wir müssen uns noch einkleiden, und ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nach diesem Fund für eine Diskussion mit Kaufleuten nicht aufgelegt bin. Lasst uns zurück zu unserer Bleibe kehren, dort etwas ausruhen und dann Monsieur Camp-Champ aufsuchen. Herr Jankauskas, Ihr habt uns Eure Unterstützung angeboten. Habt Ihr bereits eine Bleibe? Falls nicht, so besitzt unsere noch freie Zimmer. Es ist nichts Besonderes, doch sauber und das Essen ist gut, das Bier ordentlich."~~~
Nach einigen Stunden klopfte ein Diener an Allegras Tür und teilte ihr mit, dass er beauftragt sei, sie zu dem Schneider zu geleiten. Auf Allegras Versuche, unterwegs mit ihm ein Gespräch zu beginnen und so vielleicht etwas mehr über Frau von Castell zu erfahren, reagiert er freundlich, doch einsilbig ablehnend, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als die Häuser zu betrachten, an denen sie vorbeiliefen. Immerhin durfte sie laufen und wurde nicht mit einer Kutsche dorthin verfrachtet.
Der Schneider, ein gewisser Monsieur Camp-Champ (immerhin das hatte sie aus ihrem Führer herausbekommen) war offensichtlich Teil der feinen Gesellschaft Freiburgs und so auch dessen Kunden. Dazu musste sie nicht einmal einen davon sehen - ein Blick auf die Fassade des Geschäfts und dann des Inneren genügte. Der Künstler selbst war offenbar auf ihr Kommen vorbereitet worden, denn sogleich wurde sie von einem in montaignischem Akzent näselnden Mann mittleren Alters in Empfang genommen, der um sie herum zu tänzeln begann.
"Ah, die liebe Gitta hat Euch bereits angekündigt, meine Allerliebste. Ihr könnt sicher sein, dass Ihr der Blickfang der Veranstaltung sein werdet, nachdem Ihr durch meine Hände gegangen seid! Ich habe bereits einige Entwürfe bereitgelegt, die ich euch natürlich höchstpersönlich auf den Leib schneidern werde. Kommt mit, kommt mit, wir haben einiges zu tun!" ~~~
In ihrem Gasthaus angekommen erwartete Louis und die anderen bereits eine Nachricht von Gitta von Castell, die ihre Pläne zementierte. Am nächsten Tag bereits sollte ihr Besuch bei ihr stattfinden, und so war es unerlässlich, dass sie heute noch ihre bestellte Abendgarderobe abholen sollten.
Einige Stunden später, nachdem Valdas sein Zimmer in Empfang genommen und jeder von ihnen noch einmal etwas geruht hatte, machten sie sich auf den Weg zu Camp-Champ, um die letzten Anpassungen ihrer Garderobe vornehmen zu lassen und die Kleidung für den morgigen Abend mitnehmen zu können.
Es dauerte einige Momente, nachdem sie den Laden betreten hatten, bis Camp-Champ seinen Kopf um eine Ecke streckte. Sofort sanken seine Mundwinkel nach unten.
"Oh, ihr seid es. Ja, ich habe eure Sachen, ich komme gleich. Entschuldigt, ich bin gerade noch beschäftigt." begrüßte er sie in einem Tonfall, aus dem keinerlei Entschuldigung zu hören war.
Allegra hatte nun bereits das fünfte Kleid anprobiert - wobei Anprobe nicht das richtige Wort dafür war. In Wirklichkeit steckte ihr der Maestro mit Nadeln Stoffstücke an den Körper, die sich dann zu einer Art Kleid zusammenfügten. Noch bevor sie selbst etwas zu dem einen oder anderen Teil sagen konnte, verzog Camp-Champ meist bereits das Gesicht und murmelte etwas wie
"Nein, das ist zu bieder" und begann damit, eine neue Kreation an ihr auszuprobieren.
Als plötzlich mehrere neue Kunden das Atelier betraten, war dies eine willkommene Abwechslung, und sie streckte sich, um hinter Camp-Champ um die Ecke zu lugen.
Eine solche Kundschaft hatte sie nicht erwartet. Sicher, der adlige Geck passte hierher, doch die anderen sahen viel zu bürgerlich und offen gesagt nicht wohlhabend genug aus, um hier zu sein - vor allem die Frau. Sofort war ihre Neugierde geweckt, doch zunächst musste sie eine weitere Runde von Camp-Champs Kunst über sich ergehen lassen.