Im Schrank fand Katharina zahlreiche Gebinde mit Akten vor; glücklicherweise war alles, zum Charakter der Hausherrin passend, sauber beschriftet. Bei den meisten Akten handelte es sich um Berichte, Vertragsunterlagen und ähnliche Papiere zu den offenbar weitverzweigten geschäftlichen Aktivitäten des Hauses Castell. Sicherlich konnten diese Unterlagen für den Experten bares Gold wert sein, doch einerseits kannte sie niemanden, dem sie solche Papiere abnehmen würde, andererseits war sie für etwas anderes hierher gekommen.
Katharina lauschte kurz, doch noch waren von draußen keine Anzeichen zu hören, dass jemand nach ihr suchen würde. Also überflog sie weiter die Beschriftungen der einzelnen Dokumentmappen, um bei einer hängenzubleiben, die schlicht mit "Diverses" gekennzeichnet war.
Das hörte sich doch schon interessanter an. Neugierig geworden, entfernte sie die Kordel, die das Paket zusammenhielt, und durchblätterte die Schriftstücke. Die meisten davon waren ebenfalls (aus ihrer Sicht) uninteressant, doch an einem blieb sie etwas länger hängen.
Es war ein auf den ersten Blick trockener und langweiliger Vertrag zwischen Gitta zu Castell und Gerritt van Ruttwegen, dem Katharina inzwischen wusste, dass er ebenfalls im Rat der Stadt saß. Der Inhalt jedoch war, wenn sie alles richtig verstand, delikat. Denn darin ging es um Handel mit der atabischen Kompanie, und auch wenn sie alles andere als eine Fachfrau in wirtschaftlichen Belangen war, so konnte sie doch erkennen, dass es in dem Schriftstück um Waren mindestens zwielichtiger Art, womöglich sogar um Sklaven, ging.
[1] Dass ihre Gastgeberin, wenn sie selbst in solche Geschäfte verwickelt war, ihnen diese Information nicht freiwillig geben würde, um ihnen einen Hebel zur Überzeugung ihres Ratskollegen an die Hand zu geben, war zu erwarten.
Um keine Spuren zu hinterlassen, prägte sie sich den Inhalt des Vertrages so gut es ging ein, legte und wickelte dann alle Papiere wieder so zusammen, wie sie sie vorgefunden hatte, und verließ schließlich das Zimmer in der Überzeugung, dass niemand bemerken würde, dass sie hiergewesen war.
So unauffällig wie möglich schlüpfte sie in den Salon zurück und stellte fest, dass ihre Gastgeberin sowie deren Sohn sich immer noch im angeregten Gespräch mit den drei Männern aus ihrer Gruppe befanden. Von der anderen jungen Frau war jedoch nichts zu sehen.