Auf Audhilds Bitte hin machte der Baron eine wegwerfende Bewegung hinüber zur anderen Seite des Saals, wo ein paar Fässer standen, die noch von der gestrigen Feier über geblieben waren.
Da, bedient Euch, und bringt mir einen Krug mit.
Dann erst schien ihm zu Bewusstsein zu kommen, welche Vorwürfe die Zwergin ihm soeben gemacht hatte. Er riss die Augen auf und entgegnete mit zunehmend weinerlich klingender Stimme:
Wie könnt Ihr so etwas sagen? Ich war immer wie ein Vater zu meinen Untergebenen, nie habe ich gegen ihre Interessen gehandelt, und Ihr wisst so gut wie ich, wie sehr sie mich verehren. Natürlich sollt Ihr die Krankheit heilen! Natürlich sollt Ihr dem Treiben des oder der Goblins ein Ende machen! Ich habe nie anderes behauptet. Nur...
Er stockte, schluckte schwer, dann fing er sich wieder und redete in ruhigerem Ton weiter.
Auch ihr anderen habt mir einige Fragen gestellt und ich will versuchen, Euch so gut zu antworten wie ich kann. Hm, wo fange ich an...
Ich bin der zweite Sohn eines Adeligen aus dem Vilhon, genauer aus der Weinmetropole Nimpeth. Da in unserer Familie das Erbe traditionell ausschließlich dem Ältesten zufiel, musste ich mir eine andere Möglichkeit suchen, mir ein Vermögen zu verschaffen. Was mir ja auch gelang.
Als junger Mann kam ich nun in Kontakt mit einer Gruppe von Leuten, die meine Dienste als Kämpfer wohl zu schätzen wussten. Gelehrte, Wissenschaftler, nannten sich "das Haus des Kreises".Viel mehr hab ich nie über sie erfahren. Ich führte vielerlei Aufträge für sie durch, als Leibwächter, als Führer... nie haben sie etwas Unrechtes von mir verlangt, das nicht. Ich hab meinem Familiennamen immer Ehre gemacht.
Und bezahlt haben sie immer gut, und das nicht nur mit Geld. Sie bildeten mich aus, verschafften mir Möglichkeiten. Mehr noch, es schien, als sei ich vom Glück begünstigt, während meine Konkurrenten vom Pech verfolgt schienen. Hab mir nie Gedanken drüber gemacht, aber solange ich dem Kreis gedient habe,lächelte Tymora mir zu.
Der Baron atmete tief durch.
Ihr wollt wissen, warum ich den Ring noch habe? Nun, der Auftrag, dieses Depot zu zerstören, war der letzte, den ich erfüllen sollte. Das ist nun schon zwanzig Jahre her, aber offiziell wurde ich nie aus den Diensten des Kreises entlassen. Ich konnte die Mission zwar nicht wortgetreu erfüllen, denn die gewünschten Bücher zu retten, gelang mir nicht; dennoch verschaffte der Kreis mir zum Dank diese Baronie hier, deren alter Eigentümer kurz darauf an einer Krankheit verstarb.
Es schien, als würde ich nicht mehr weiter benötigt, was mir nur recht war, denn ich hatte Zweifel an der Aufrichtigkeit des Kreises bekommen. Was für Feinde konnte eine so ungefährliche Organisation haben? Sie waren doch nur Forscher? Und warum nahmen sie zu so radikalen Mitteln Zuflucht, wenn doch alles bei ihnen mit rechten Dingen zuging?
Vor einem Monat nun erhielt ich zwei Nachrichten, möglicherweise die Antwort auf diese Fragen: Die eine aus meiner Heimat mit der Mitteilung, mein älterer Bruder sein an einer seltsamen und unheilbaren Krankheit verstorben und, da er keine Nachkommen hatte, sei ich nun der Erbe unseres Familienbesitzes.
Die zweite kam zu meiner Überraschung und meinem Schrecken vom Kreis. Dieser zeigte sich wohlinformiert, wusste vom Tod meines Bruders. Wusste von einigen Dingen, die sie nur dadurch erhalten haben konnten, dass sie mich in den letzten Jahren beobachtet hatten.
Sie boten mir an, Vollmitglied im Kreis zu werden. Deuteten an, meine Dienste wieder zu benötigen. Und obwohl es nicht ausgesprochen wurde, konnte ich nicht umhin, darüber nachzudenken, ob das Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse im Zusammenhang miteinander steht, und vielleicht mit einer unterschwelligen Drohung verbunden ist.
Ich muss wissen, wer sie sind. Ob meine Befürchtungen stimmen, und der Kreis gar nicht so gut ist, wie ich früher dachte. Ob sie die Dinge manipulierten, um mir meinen Aufstieg zu ermöglichen.
Der Baron senkte den Kopf und dachte nach. Dann sprach er leise weiter:
Wie Ihr vielleicht versteht, hängt die Antwort auf diese Fragen durchaus mit dem Wohlergehen meiner Untergebenen zusammen. Sind diese Leute Verbrecher, dann könnten sie versuchen, mich zu erpressen, um meine Kooperation zu erzwingen. Vielleicht hat das bereits begonnen, vielleicht hängt auch die mysteriöse Krankheit, die Distel befallen hat, mit den Plänen des Kreises zusammen.
Und deshalb bitte ich Euch mir zu helfen, wie Ihr auch bereit wart, den Bauern in Distel zu helfen. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch, um die Menschen zu beschützen, für die ich verantwortlich bin. Und die ich vielleicht wegen meiner Vergangenheit in Gefahr bringe.