13. Flammleite 1369 TZ, früher Nachmittag
"Endlich wieder festen Boden unter den Füßen!" dieser Gedanke schießt jedem einzelnen von euch durch den Kopf, und ihr könnt an den Gesichtern eurer Gefährten erkennen, dass ihr zumindest in diesem Punkt einer Meinung seid. Es ist nicht so, dass ihr Schiffsreisen verabscheuen würdet - einzig die letzten Tage an Bord der amnischen Pinasse Senora Esmeralda haben nicht ganz die Erwartungen erfüllt, die man mitbringt, wenn man auf einem Schiff anheuert, das der Sonne entgegen segelt. Von klasklarem türkisblauem Wasser, tanzenden Delphinen, und der Sonne des Leuchtenden Meeres habt ihr jedenfalls während eurer Reise nicht viel mitbekommen. Die See tobte drei Tage lang ohne Unterlass, der Regen und die Gischt peitschten euch unentwegt ins Gesicht, und über euren Köpfen türmten sich nachtschwarze Wolkenberge dem Himmel entgegen.
Dagegen wirken die Anlegestellen von Freihafen geradezu malerisch an diesem 13. Tag des Monats Flammleite im Jahre 1369 Taliser Zeitrechnung, an dem ihr nun endlich euer Ziel erreicht habt. Zwar ist der Himmel grau und feiner Nieselregen wird vom ablandigen Wind aus den Bergen aufs Meer hinaus geweht. Trotzdem wirken die tropfenden Palmen der Hafenpromenade und die weiß verputzen Häuser mit den glänzenden roten Ziegeldächern friedlich und verbreiten zumindest eine Ahnung des tropischen Paradises, das die meiste Zeit des Jahres von der Sonne des Strahlenden Südens beschienen wird.
Der Schatzmeister der Handelsgesellschaft hat euch die Heuer in Höhe von fünfunddreißig Galeonen bereits bezahlt und so schlendert ihr etwas erschöpft den Kai entlang, um möglichst schnell einen trockenen Platz zu finden, in dem ihr eine Karaffe Wein leeren, eine warme Mahlzeit zu euch nehmen und eure müden Beine ausstrecken könnt. Glücklicherweise findet man hier im Hafenviertel von Freihafen an jeder Ecke eine Kneipe oder eine Trinkhalle. Direkt vor euch befindet sich ein Haus mit bröckelndem Putz, an dessen Eingang ihr ein hölzernes Schild entdeckt, das quietschend im Wind schaukelt und einen Papagei mit einer Rumflasche und einem Seeräuberhut zeigt. "Zum Schwankenden Papagei" steht in unordentlichen Thorasszeichen unter der primitiven Zeichnung.
In der entgegensetzten Richtung, am Ende des Kais erkennt ihr außerdem ein größeres Gebäude aus windschiefen Balken, das auf hölzernen Pfählen über dem Hafenbecken erbaut ist. Ein paar der Matrosen haben euch erzählt, dass dieser klapprige Schuppen eine Taverne ist, die den vielversprechenden Namen "Zum Rostigen Haken" trägt.
Ihr steht jedenfalls nach wie vor etwas untentschlossen im Regen auf den von der Feuchtigkeit glitzernden Pflastersteinen des Kais und betrachtet die Silhouette der Häuser von Freihafen, wie sich sich an die Hänge der im Hinterland ansteigenden, dicht bewaldeten Berge klammern, bedeckt von einem feinen Schleier aus diesigem Grau.