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Autor Thema: Kapitel 1 - Naokos Reise  (Gelesen 15607 mal)

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Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #15 am: 15.06.2006, 23:55:18 »
Wieder  dauerte es eine Weile bis Naoko seine Gedanken sortiert hatte und schließlich antwortete: "Ich werde es ihm ausrichten.

Dies ist der Weg, der mir bestimmt ist. Daran besteht kein Zweifel. Ich werde zum Hochwald reisen und dort nach Antworten suchen.

Wer auch immer für dieses grausame Verbrechen verantwortlich ist, soll zur Rechenschaft gezogen werden. Auch dürstet es mich, herauszufinden, inwiefern das Schicksal des Hauses Aulbes mit dem meines Volkes verknüpft ist und welche Rolle das Mädchen aus meinen Träumen darin spielt."


Der kleine Geisterschamane machte einen entschlossenen Gesichtsausdruck. Sein Weg lag nun recht deutlich vor ihm.

Er machte eine auffordernde Geste an Marcio, zu dem Regal mit den kleinen Krügen weiterzugehen.

Dort angekommen, ließ sich Naoko einen Krug aushändigen, stellte ihn neben sich ab und ergriff Marcios rechte Hand mit beiden Händen. Wieder hörte der Mensch die Stimme des Halblings in seinem Kopf.

"Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit, Marcio, und wünsche Euch, dass Ihr recht bald über den Verlust hinwegkommt. Ich werde Mutter Erde bitten, über Euch zu wachen, dass Euch kein Leid geschehe auf Euren Wegen."

"Nun kenne ich zwar das Ziel meiner Reise aber über die nächsten Schritte habe ich noch keine Klarheit. Welchen Weg sollte ich Eurer Meinung nach einschlagen? Soll ich ein Schiff nehmen oder gibt es einen Landweg? Ich bin noch nie weit gereist, müsst Ihr wissen."
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #16 am: 16.06.2006, 21:12:23 »
Am einfachsten wäre es wohl, Ihr würdet Euch hier auf das nächste Schiff nach Hlondeth begeben. Von dort aus fahren regelmössig Schiffe hoch nach Westtor, Marsember und Suzail. Ich würde Euch empfehlen, die Anauroch zu umgehen, es wäre also wohl das beste, wenn Ihr in Westtor ausschifft. Von dort aus könntet Ihr der Händlerstraße nach Westen folgen, bis Iriaebor. Sicherlich findet Ihr dort ein Handelsschiff, dass den Chionta hinab bis nach Baldurs Tor fährt. Dann folgt Ihr der Handelsstrasse nach Norden bis Dolchfurten, wo ihr Euch wiederum einschifft, um den Delimbiyur hinauf nach Secomber zu fahren. Noch etwas weiter westlich gelangt Ihr an die Mündung des Einhornlaufs, dessen Quelle irgendwo im Hochwald liegt.

Etwas zweifelnd schüttelte Marcio seinen alten Kopf.

Natürlich könntet Ihr auch versuchen, Euch von Iriaebor aus nach Norden durch die Wildnis zu schlagen. Allerdings habe ich gehört, dass das Gebiet schon mehr als einer Gruppe von Abenteurern zum Verhängnis wurde. Sümpfe und Gebirge wechseln sich ab, und ich vermute fast, dass Ihr auf den Karawanenwegen, die ich Euch beschrieben habe, schneller an Euer Ziel gelangen würdet, auch wenn das von der Wegstrecke her einen Umweg bedeutet. Ich könnte Euch ein Schreiben des Hauses Aulbes mitgeben, dass Euch überall auf dieser Strecke eine Mitfahrgelegenheit eröffnen sollte. Ihr müsstet Euch aber wahrscheinlich bereit erklären, Aufgaben wie die Jagd oder auch vielleicht eine Nachtwache zu übernehmen, sofern Ihr nicht über genügend Gold verfügt, um die jeweilige Fahrt zu bezahlen.

Marcio bedeutete Naoko, ihm zu folgen, und begab sich in einen kleinen Schreibraum im Obergeschoss. Sorgfältig beschrieb er ein Stück Pergament, auf dem er das Siegel des Hauses Aulbes auftrug und es dann dem Halbling überreichte.

Hier, nehmt, mich kostet es nichts, und Euch mag es behilflich sein. Zeigt es einfach einem Händler, mit dessen Karawane ihr zusammenzureisen wünscht, und er wird euch zumindest ein Angebot machen, unter welchen Umständen er Euch mitzunehmen bereit wäre.

Marcio begleitete Naoko wieder an die Türe.

Möget Ihr finden, was Ihr sucht, und ich bete zu allen Göttern, dass Ihr etwas über den Verbleib Joaquim Aulbes herausfinden könnt. Ich wünsche Euch Glück. Oh, und da wäre noch etwas.

Plötzlich grinst Marcio jungenhaft.

He, Arulio. Ich schick euch meinen Freund hier wieder heraus. Schenkt ihm ja vom besten ein, und denkt daran, das geht aufs Haus. und keine Widerrede!

schnitt er dem zum Protest ansetzenden Arulio das Wort ab. Dieser riss ob des plötzlichen Befehlstons in de Stimme Marcios überrascht die Augen auf und schaute dabei so belämmert drein, dass Marcio schallend zu lachen begann.

Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #17 am: 16.06.2006, 23:14:04 »
Naoko musste unwillkürlich mitlachen, bedankte sich noch einmal herzlich bei Marcio und ließ sich zur Sicherheit noch ein paarmal den Weg erklären. Von keinem dieser Orte hatte Naoko je etwas gehört. Er vermochte sich nicht vorzustellen, wie lang die vor ihm liegende Reise wohl dauern würde und er wagte auch nicht, Marcio danach zu fragen. Er wusste, es würde ein sehr sehr langer Weg sein - doch Naoko war bereit, ihn zu beschreiten.

Geld hatte er wirklich nicht viel. So war er dankbar, dass Marcio ihm den Wein zum Geschenk machte. Naoko ließ sich von Arulio den kleinen Krug mit dem herrlich duftenden Saft füllen und verstaute diesen zusammen mit dem Empfehlungsschreiben gut in den Tiefen seines Rucksacks, der nun noch schwerer auf Naokos schmalen Schultern lastete.

"Nochmals vielen Dank, Marcio. Ich werde nun aufbrechen. Wünscht mir Glück."

Und so verließ Naoko Ajani das Anwesen des Hauses Aulbes wieder durch das Tor, durch das er es vorhin betreten hatte. Immer noch standen die Leute wegen des Weinausverkaufs an, doch Naoko schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Zielstrebig begab er sich zum Hafen, den er nun - nach drei Tagen Aufenthalt in der Stadt - schon kannte.

Hier würde er nach einer Passage nach Hlondeth fragen. Diesen Namen hatte Naoko nun schon einige Male gehört. Er hoffte, dass das bedeutete, dass Hlondeth nicht allzu weit entfernt war.

Ob die wenigen Münzen ausreichen würden? Naoko hatte keine Ahnung von Preisen aber er war durchaus bereit, sich anderweitig nützlich zu machen. Schließlich kannte er sich ein wenig mit Kräutern, Alchemie und Heilkunde aus, konnte Tiere pflegen oder auch jagen und sprach mehrere Sprachen. Außerdem verstand er sich darauf, die Zeichen der Natur zu deuten und konnte beispielsweise günstiges oder ungünstiges Wetter voraussehen. Irgendetwas gab es sicher immer für ihn zu tun falls das Geld knapp würde.
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #18 am: 17.06.2006, 22:48:22 »
Tatsächlich war es kein Problem für Naoko, eine Überfahrt nach Hlondeth zu erlangen. Als er dem Kapitän den Brief Marcios zeigte, verlangte dieser nicht einmal eine Bezahlung.

Hab immer viele Aufträge von den Aulbes bekommen und gute Geschäfte gemacht, da werd ich euch jetzt nicht schröpfen, brummelte er in seinen Bart und wies dem Halbling freundlich eine leere Kajüte zu.

Zwei Tage später, schon spät am Abend, erreichte das Schiff Hlondeth. Naoko verschlug es fast die Sprache, als er die schlanken Türme der Stadt erblickte, die trotz der Dunkelheit sehr gut erkennbar waren. Smaragdgrün leuchtend hoben sie sich vom Boden ab und vermittelten so einen geisterhaften, unwirklichen Eindruck, der auch so manchen Seemann Bannsprüche murmeln ließen, die Unheil von ihm abhalten sollten.

Als das Schiff angelegt hatte, verabschiedete sich der Kapitän von Naoko.

Geht in den Goldenen Enterhaken, der Wirt hat früher für die Familie Aulbes gearbeitet und immer nur gut von ihnen gesprochen, wenn Ihr ihm Euren Brief zeigt, wird er Euch sicher gerne beherbergen. Hat mich gefreut, Eure Bekannt... was ist denn da los?

Der Kapitän blickte sich überrascht um. Eine Planke war bereits über die Reeling gelegt worden, um den Matrosen den Landgang zu ermöglichen. Diese wichen aber gerade zurück und machten einem Trupp Soldaten Platz, der, in die Farben der Stadtwache gekleidet, mit festem Schritt das Schiff betrat. Zielstrebig ging der den Trupp anführende Offizier auf den Kapitän zu. Dachte Naoko wenigstens, denn der Offizier blieb erstaunlicherweise genau vor ihm stehen und blickte ihn an.

Naoko Ajani, vermute ich? Das dürfte die Sache etwas beschleunigen. Ihr habt die Ehre einer Audienz bei der Matriarchin Dediana Extaminos höchstpersönlich.[/]

Ehrfürchtiges Gemurmel erhob sich unter der Schiffsbesatzung bei der Nennung dieses Namens, erstarb aber auf einen Blick des Offiziers auf der Stelle.
 Ich habe den Befehl, Euch unter allen Umständen sicher in ihren Palast zu eskortieren. Wenn Ihr mir also bitte unverzüglich folgen wollt?

Die Soldaten formierten sich zum Abmarsch, nahmen Naoko dabei aber in die Mitte, als ob sie keinen Zweifel daran hätten, dass Naoko dieser "Bitte" widerstandslos Folge leisten würde.

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #19 am: 18.06.2006, 13:00:45 »
Erst war Naoko natürlich etwas erschrocken, blieb jedoch äußerlich ganz ruhig und lächelte schließlich sogar ein wenig, als er die Worte des Offiziers vernahm. Er drehte sich noch einmal um und schaute dem freundlichen Kapitän tief in die Augen.
"Mich hat es ebenfall gefreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Kapitän. Mögen Wind und Wasser Euch stets wohlgesonnen sein. Lebt wohl."

Dann blickte er zum Offizier auf und sagte: "Ja, ich bin Naoko. Es freut mich, dass ich bereits erwartet werde. Bitte geht voran. Ich bin bereit."

Naoko folgte den Soldaten über die Planke, blieb dann aber einen Moment stehen als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. "Einen Moment, bitte." Er drehte sich nochmal zum Meer und machte eine demütige Verbeugung. "Habt Dank, ihr Geister des Wassers. Ich verneige mich vor Euch."

Dann berührte er mit dem rechten Knie und der linken Hand den Boden und schloss erneut kurz die Augen. "Große Mutter Erde, der Nachtfuchs ist in deine Obhut zurückgekehrt. Geleite mich von hier an wieder auf sicheren Pfaden."

Dann stand er rasch wieder auf, blickte den Offizier dankend an und sagte als sie schon wieder weitermarschierten: "Man sollte den großen Geistern Respekt zollen denn wir sind nur Gäste in ihrer Welt und eines Tages werden sie sich unserer Taten erinnern."

Dann widmete Naoko seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Stadt und dem Weg, auf dem man ihn führte.
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #20 am: 21.06.2006, 21:30:10 »
Etwas wie Respekt stahl sich in die Augen des Offiziers, als er die Gelassenheit bemerkte, mit der Naoko seine "Eskorte" akzeptierte. Wortlos drehte er sich um und ging voraus, Naoko folgte inmitten der Soldaten.
  Die Gruppe bewegte sich aber noch über das Hafengelände, als sie schon wieder aufgehalten wurde. Ein junger Mann in einer prächtigen, goldglänzenden und mit Pailletten besetzten Uniform kam auf die Soldaten zu und trat an den Offizier heran. Er flüsterte diesem mit wichtigtuerischer Miene etwas ins Ohr. Der Offizier hob überrascht eine Augenbraue uns schaute etwas beunruhigt drein.

Aber sie kann doch nicht alleine...

Schweigt, Hauptmann! Es steht uns nicht zu, die Handlungen ihrer Herrlichkeit zu beurteilen. unterbrach der Bote ihn scharf. Der Hauptmann senkte den Kopf, dann schlug er sich mit der Faust an die Brust.
Ich höre und gehorche.

Er wandte sich in eine andere Richtung und führte wieder voran. Es ging mehrere Minuten leicht bergan, und der Geruch nach Schiffen, Wasser und Fisch wurde von dem nach Gras und Wald und dem leicht sumpfigen Geruch nach Dschungel abgelöst. Bald kam eine riesenhafte Ansammlung großer Gebäude aus Glas in Sicht, die durch Glasröhren miteinander verbunden waren, und in deren Innerem man riesenhafte Bäume so dicht aneinander stehen sah, wie Naoko es bisher nur aus seiner Heimat gewohnt war. In den Baumgipfeln waren exotische Vögel zu sehen, und mehr als eine Schlange nahm der geschulte Blick des Schamanen wahr, wie sie träge ihren Körper um einen der Äste gewunden hatte.

Eines der Wunder von Hlondeth! bemerkte der Hauptmann mit deutlich zu hörendem Stolz in der Stimme. Eure Audienz wurde hierher verlegt.

Zielstrebig steuerte er auf ein kleines Tor in einer der Kuppeln zu, vor dem eine in die Gewänder eines Priesters gekleidete Gestalt stand.

Varae mit Euch grüsste der Priester, als sie das gebäude erreicht hatten. Sein stechender Blick wandte sich Naoko zu. Ich nehme an, dass ist die Person?

Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er beschwörend die Hände zu heben.

Oh mächtiger Varae, gewähre unserem Gast die Gunst deines Schutzes, auf dass ihm in den Gärten der Extaminos kein Unheil widerfahre

Noko merkte, wie sich der Zauber um ihn wand, wie der Körper einer Würgeschlange um ihr Opfer, doch fühlte er sich nicht bedroht, sondern eher wie in einer sanften Umarmung. Der Priester öffnete das Tor. Folgt dem Weg, SIE wird Euch finden, wenn es IHR gefällt.

Naoko folgte dem Weg, wie es der Priester ihm empfohlen hatte. Der Weg schlängelte sich durch die Bäume, die auch hier so dicht standen, dass das Licht kaum noch seinen Weg bis nach unten fand. Im unwirklichen Grün seiner Umgebung war kaum noch etwas genau zu erkennen, und die vielen Blumen verströmten einen nahezu betäubenden Geruch.  

Aaaah, Ihr seid gekommen Eine sanfte Altstimme in seinem Rücken weckte Naoko aus seiner Trance. Er wandte sich langsam um. Dunkelschwarze Augen in einem makellosen Gesicht blickten auf ihn herab, umrahmt von lange herabfallendem und leicht gelocktem schwarzen Haar. Eine Schweissperle lief langsam die Wange hinab, küsste den Winkel der beiden blutroten Lippen, dann den Hals entlang  sich ihren Weg zwischen zwei ebenso makellosen nackten Brüsten hindurchbahnend. Ihre Haut war wie Alabaster, vom Dämmerlicht des Waldes mit einem grünen Schimmer überzogen.

Doch Naoko hatte keinen Blick für die Schönheit von Dediana Extaminos. Er starrte auf den riesigen Schlangenschwanz, der aus ihrem Unterkörper wuchs und die Beine ersetzte, die eine normale Menschenfrau besessen hätte.

Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #21 am: 21.06.2006, 23:48:54 »
Für einen Moment stand Naoko nur wie versteinert da. Dann blickte er erschrocken und auch etwas beschämt zu Boden. Seine Augen waren weit geöffnet, seine Gedanken überschlugen sich. Mühsam versuchte er, die aufsteigenden Bilder aus seiner Vision zu unterdrücken. Wo war er hier reingeraten? Hatten die Geister ihn fehlgeleitet?

Nein. Unmöglich. Naoko spürte ihre Gegenwart. Sie wachten immr noch über ihn. Er brauchte sich nicht zu fürchten... Und doch schlug ihm sein Herz vor Aufregung bis zum Hals.

Nur langsam fasste er wieder klare Gedanken. Mit der rechten Hand auf seinen Wanderstecken gestützt, berührte er zur Ehrerbietung mit einem Knie kurz den Boden. Den Blick hielt er immer noch gesenkt. "Matriarchin."

Es kostete den kleinen Halbling einiges an Überwindung den Kopf schließlich wieder zu heben und der Schlangenfrau in die Augen zu blicken. "Ich möchte Euch dafür danken, dass Ihr mich in Euren Hallen willkommen heißt. Es ist mir eine große Ehre", begann er zögerlich.

"Dennoch überrascht es mich, dass Ihr mein Kommen vorausgesehen habt. Offenbar seht Ihr mehr als ich es vermag.

Bitte verratet mir doch, warum sich unser beider Wege hier und heute treffen."


Gespannt wartete der junge Geisterschamane auf die Reaktion der Matriarchin. Er war auf alles gefasst.
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #22 am: 22.06.2006, 22:15:06 »
Ihr fürchtet Euch, und lasst Euch doch nicht von der Furcht lähmen.

Forschend und mit einer Spur von Belustigung blickte die Matriarchin auf den Halbling hinab.

Und Ihr stellt die rechten Fragen, junger Schamane. Wisset, dass die Geister, die Ihr verehrt, auch uns raten, was zu tun ist. Zumeist ist es der Geist der Schlange, der zu uns spricht. Doch dieses Mal war es der Wolf, der mir in meinen Träumen erschien und Eure Ankunft kundtat.

Besorgnis stahl sich in ihren Blick.

Es mag sich aus meinem Munde seltsam anhören, aber die Schlange, der Ihr folgt, hat auch unter meinem Volk ihr hässliches Haupt erhoben. Sseth, die große Schlange selbst ist bedroht, und mit ihr die Stabilität dieser Region. So sagen es die Prophezeiungen. Jemand versucht, Sseths Macht an sich zu reissen und Gott anstelle eines Gottes zu werden. Und die grösste Errungenschaft Hlondeths, das einvernehmliche Zusammenleben der Menschen mit den Yuan-Ti, ist für diesen Jemand ein Hindernis, das beseitigt werden muss.

Ihr kennt das Symbol unseres gemeinsamen Gegners, ich kenne seinen Namen. Das "Haus des Kreises" nennt er sich, und wenn ich es auch nicht genau weiss, so gehe ich fast davon aus, dass wir es mit einer Gruppierung abtrünniger Yuan-Ti zu tun haben. Leider entzieht sich das Haus meinem direkten Zugriff, auch meine Informationen weisen darauf hin, dass es weit im Norden sein Versteck hat. Ich kann euch daher nicht viel helfen, aber immerhin kann ich Euch freie Schiffahrt über die See der fallenden Sterne verschaffen. Sagt mir nur, wo Ihr hinreisen wollt, dann werde ich es in die Wege leiten.

Eines noch: Natürlich hat auch das Haus Extaminos Agenten in den Norden geschickt, um mehr über die Gefahr herauszufinden, die unsere Existenz bedroht. Ich sollte es Euch eigentlich nicht sagen, aber solltet Ihr je nach Tiefwasser gelangen, dann geht zu Aubreck Dallion, einem Schiffsherrn der Stadt. Er wird wissen, wer Ihr seid, und Euch jede Hilfe zukommen lassen, derer er mächtig ist.


Dediana lächelte.

Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr ermüdet. Habt Ihr noch Fragen an mich? Ich werde Euch antworten, so gut ich kann, denn - und auch das sollte ich eigentlich nicht zugeben - es mag gut sein, dass Ihr die einzige Hoffnung seid, die meinem Volk bleibt, auch wenn ich nicht verstehe, wie das sein kann.

Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #23 am: 23.06.2006, 01:32:32 »
Naokos Herzschlag hatte sich wieder beruhigt. Offenbar drohte ihm von dieser Schlangenfrau keine unmittelbare Gefahr. Sie schien aufrichtig - obgleich sie ein wenig herablassend auf ihn hinabblickte.

Im Stillen dankte Naoko dem großen Geist des Wolfes, der ihn sicher hier her geleitet und sein Erscheinen angekündigt hatte.

Dedianas Worte gingen Naoko durch den Kopf. Nach einer Weile machte der junge Halbling eine angedeutete Verbeugung: "Ich selbst verstehe es auch noch nicht. Dennoch werde ich diese mir auferlegte Bürde gewissenhaft tragen und alles in meiner Macht stehende tun um die mir zugedachte Rolle in dieser Prophezeiung bestmöglich auszufüllen. Auf dass unser beider Völker weiter in Frieden leben können."

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: "Die Geister sind meine Verbündeten. Mit ihnen an meiner Seite bin ich zuversichtlich, dass mich mein Weg nicht fehlleiten wird.

Die Hilfe, die ihr mir anbietet, will ich derweil gern in Anspruch nehmen und möchte Euch meine tiefe Dankbarkeit ausdrücken. Leider habe ich kein Geschenk, welches Eurer würdig ist, doch sollte ich eines Tages - wenn alles überstanden ist - zurückkommen, möchte ich mich gern für Eure Freundlichkeit und Hilfe erkenntlich zeigen."


Naoko überlegte einen Moment. "Eine Frage hätte ich tatsächlich noch: Wisst Ihr etwas über das Haus Aulbes in Nimpeth? Alle Angehörigen des Hauses wurden ermordet. Alle bis auf einen, der in den Norden zog. Das Anwesen der Aulbes erschien mir in einer Vision. Die ganze Geschichte nahm dort ihren Anfgang."

Naoko war verwirrt. Angestrengt versuchte er im Geiste die vielen Puzzlestücke zu einem logischen Bild zusammenzusetzen. Noch gelang es ihm nicht. Wenigstens kannte er sein nächstes Ziel: Westtor. Dorthin sollten sie ihn bringen. Dann würde er weitersehen.
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #24 am: 25.06.2006, 23:09:12 »
Die Aulbes? Ausgelöscht?
Entsetzt starrte die Matriarchin Naoko an.
Das sind schlimme Neuigkeiten, die Ihr mir da bringt. Die Familie Aulbes war immer ein guter Verbündeter in unserem Kampf um Anerkennung unter den Menschen. Ihre Karawanen brachten wertvolle Güter und ebenso wertvolle Informationen.
Sie atmete tief durch.
Und Ihr sagt, dass es mit Eurer Vision zu tun hatte? Gibt es denn einen Hinweis darauf, dass das Haus des Kreises mit diesem Anschlag zu tun hatte? Ein Motiv hätten sie sicher gehabt, falls sie von der engen Verbindung zwischen den Extaminos und den Aulbes gewusst hätten. Auch wenn wir das nie nach ausßen dringen ließen.

Naoko

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« Antwort #25 am: 26.06.2006, 01:25:47 »
"Sie weiß davon noch gar nicht?" Naoko war überrascht, dass er diesmal gegenüber der Matriarchin einen kleinen Wissensvorsprung hatte.

"Leider ist es wahr. Ich habe mit Marcio, einem treuen Diener des Hauses Aulbes, gesprochen. Er berichtete mir, dass vor etwa zwei Zehntagen eine Gruppe Assassinen ein regelrechtes Blutbad im Anwesen der Aulbes angerichtet habe. Niemand wurde verschont.

Er zeigte mir ein Symbol, welches die Täter als einzigen Hinweis hinterlassen hätten: Eine zu einem Kreis gewundene Schlange - die selbe Schlange, die ich auch schon in meiner Vision gesehen hatte.


Erschrocken blickte Naoko auf.

"Ich sollte keine Zeit verlieren, Dediana! Wenn ich die Bilder aus meiner Vision richtig deute, werden die Diener der Schlange nach Norden reisen um dort nach dem letzten noch lebenden Aulbes zu suchen. Ich muss ihn finden und ihn warnen!"

Plötzlich hielt Naoko inne. Fast als sei ihm etwas wichtiges eingefallen.

Dann sprach er aber ruhig weiter: "Und es gibt noch eine Person, die ich finden muss. Ein Mädchen. Sie erschien mir wie die Schlange in jener Vision. Noch weiß ich nicht, was sie mit der ganzen Sache zu tun hat. Aber ich werde es herausfinden.

Mein nächstes Ziel heißt Westtor. Wenn ihr es vermögt, helft mir dort hin zu gelangen. Damit wäre mir sehr geholfen."
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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #26 am: 28.06.2006, 10:12:32 »
Dann ist es wahr. Das Symbol, dass Ihr mir beschrieben habt, ist tatsächlich das Symbol des Haus des Kreises. Sie wissen mehr, als sie wissen dürften. Und mit dem Mord an den Aulbes haben sie unserer Sache schweren Schaden zugefügt.

Für einen kurzen Moment schien Dediana die Anwesenheit Naokos nahezu vergessen zu haben. Dann wurde ihre Miene majestätisch.

Junger Freund, Ihr habt uns einen wichtigen Dienst erwiesen. Ich kann noch nicht absehen, wie wir uns eure Informationen zu Nutze machen können, aber nun habe ich den Beweis, dass der Kreis den Krieg gegen uns begonnen hat.

In drei Tagen fährt ein Schiff meines Hauses nach Westtor. Es wird mir eine Ehre sein, Euch die Überfahrt zu gestatten. Meldet Euch einfach bei Kapitän Soloni, wenn Ihr abreisebereit seid.


Sie lächelte.

Ich wünsche Euch alles Glück dieser Welt und den Segen Eurer Geister, junger Schamane. Möge Eure Suche erfolgreich sein.

...

Etwa einen Monat später legte die "Seeschlange" in Westtor an. Kapitän Soloni zeigte sich sehr erfreut darüber, dass die Seereise so gut verlaufen und man den dieses Jahr schon früh einsetzenden Herbststürmen entkommen war.
Ihr habt uns Glück gebracht, Herr Naoko. Falls uns die vier Winde je wieder zusammenbringen sollten, werde ich Euch jederzeit wieder mitnehmen. Die Karawanserei ist übrigens direkt am Rande des hafengeländes, Ihr könnt sie gar nicht verfehlen. Vielleicht findet Ihr ja dort eine sichere Möglichkeit zur Weiterreise, hier oben im Norden soll es ziemlich rauh zugehen, habe ich gehört.

Soloni winkte Naoko freundlich zu, als dieser sich am Kai ein letztes Mal zur "Seeschlange" zurückblickte.

Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #27 am: 28.06.2006, 11:18:04 »
Rückblende...

Nachdem Nakoko sich von Dediana Extaminos verabschiedet hatte, begab er sich erneut zum Hafen und suchte sich einen Sitzplatz, von dem aus er auf das Meer blicken konnte. Er öffnete seinen Rucksack und holte ein zusammengefaltetes Blatt Pergamentpapier aus einer der Seitentaschen. Als er es auseinanderklappte, kam die schöne Adlerfeder, die Uzima ihm gegeben hatte, zum Vorschein.

Nachdenklich drehte er sie zwischen den Fingern... Ja, er musste es tun!
"Hotoru, Geist des Windes, trage diese Feder auf deinen Schwingen schnell und sicher zum Hochwald."

Naoko legte die Feder in seine rechte Hand und führte sie dicht an seinen Mund. "Nachtschwinge" Ein leichter Hauch genügte und die Feder schwebte mit dem Wind davon...

Joaquin Aulbes !
Ihr seid in großer Gefahr. Das Haus des Kreises hat jedes Mitglied eurer Familie in Nimpeth ermorden lassen. Marcio hat als einziger überlebt. Auch die Position des Hauses Extaminos in Hlondeth ist stark geschwächt. Nun ist der Kreis auf dem Weg nach Norden.

Mein Name ist Naoko. Ich bin ein Hin, ein Schamane aus dem Chondalwald. In meinen Visionen habe ich das drohende Unheil gesehen. Auch das Schicksal meines Volkes steht auf dem Spiel. Ich bin auf dem Weg zu Euch. Haltet derweil Ausschau nach einer jungen Frau - wunderschön aber mit totenblasser Haut. Sie wird noch eine gewichtige Rolle spielen - doch vermag ich nicht zu sagen, ob sie auf der Seite des Kreises oder auf unserer Seite stehen wird.

Mit dieser Feder könnt ihr mir antworten, wenn ihr sie mit dem Wort "Nachtschwinge" auf den Lippen von eurer Hand in den Wind blast.



Zurück in Westtor...

Naoko winkte dankbar zurück, froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er hatte viel Zeit verloren, fragte sich, wie lange seine Reise wohl noch dauern würde.

Er fühlte sich verloren. Immer wieder hatte er sich während der vielen Tage auf See zurück in die Geborgenheit des Clans gesehnt - zurück in die unbeschwerten Zeiten in den tiefen Schatten des Chondalwaldes.

Der kleine Schamane dankte den Meeres-Geistern erneut für die sichere Reise und warf dann einen Blick auf die Häuser und die Menschen hier am Hafen.

Sie machten ihm Angst. Eine negative Aura lag über diesem Ort. An Solonis Worten über die rauen Sitten hier im Norden zweifelte Naoko nicht im geringsten.

Dennoch: Er musste weiter.
Sich dicht am Wasser haltend begab sich Naoko in Richtung der Karawanserei.
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« Antwort #28 am: 30.06.2006, 23:34:21 »
Wildhügel, am 26. Eleint 1372 DR, dem Jahr der wilden Magie

Gedankenverloren saß Joaquim Aulbes hinter seinem Schreibtisch und kaute auf seiner Schreibfeder herum, während seine Hauswirtschafterin Marela geschäftig die offenen Fenster putzte, durch die helles Sonnenlicht in den Raum fiel. Die Neuigkeiten, die er heute morgen erhalten hatte, waren alles andere als beruhigend. Wie es schien, hatte sein Freund Aubreck in Tiefwasser ein etwas zu risikoreiches Geschäft abgeschlossen, und dabei fast alles verloren, was er an weltlichen Gütern besessen hatte. Nun hatte er sich mit einem Hilfegesuch an ihn gewandt, und ihn um eine Geldspritze gebeten, mit denen er wenigstens in kleinem Masstab Handel treiben und so seine Schulden wieder bezahlen konnte. Und natürlich würde er Aubreck helfen, schliesslich war dieser nicht ganz unbeteiligt daran gewesen, dass er in der Wildnis hier seine Baronie hatte aufbauen können.

Ein plötzlicher Luftzug ließ ihn erschaudern. Er hob den Kopf, und sah zu seiner Überraschung eine Adlerfeder, die sich vor seinem Gesicht langsam auf die Tischoberfläche senkte. Dann erklang die Stimme in seinem Kopf....

Herr, was ist mit euch? Ihr seid ja leichenblass? Die Stimme Marelas riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Tränen liefen seine Wangen hinab. Meine Familie, tot. Ausgelöscht vom...vom Kreis! stieß er hervor. Aber Herr, wovon redet Ihr? Habt ihr einen Tagtraum gehabt? Und wer ist der Kreis?

Habt Ihr die Stimme des Hin nicht gehört? Die von den furchtbaren Ereignissen in Nimpeth berichtete? Hier, mit dieser Feder hat er sie mir geschickt. Ich...Ich muss ihm antworten. Geht Marela, lasst mich alleine, ich bitte euch.
Marela schaute immer noch etwas ungläubig drein, verliess aber gehorsam den Raum. Wenige Sekunden später erscholl aus der Küche das Scheppern von Geschirr, als die Wirtschafterin begann, das Mittagessen vorzubereiten.
  Der Baron aber nahm die Feder und sagte „Nachtschwinge“. Die Feder erhob sich in die Luft und segelte wieder um Fenster hinaus, begleitet von seinen Gedanken an die Person namens Naoko, die ihm die Nachrichten zukommen hatte lassen.

Noch Stunden später saß Baron Joaquin an seinem Tisch und starrte an die Decke. Ein harter Zug kerbte seine Lippen ein. Was er nicht bemerkte, war der ebenso harte, ja bösartige Blick, der ihn aus dem Dunkeln des Ganges heraus beobachtete.

Auf der See der fallenden Sterne, am 28. Eleint 1372DR, im Jahr der wilden Magie


Seit vier Tagen war Naoko nun auf See, und langsam gewöhnte sich sein Magen an das Schaukeln der Wellen. Die Geschichten, die Kapitän Soloni über die Macht der Herbststürme, die bald einzusetzen drohten, zum besten gab, hatten daran aber nur einen geringen Anteil gehabt, soviel war sicher.
Naoko hob den Kopf, den er soeben noch weit über die Reeling gebeugt hatte, als etwas in der Luft seinen Blick gefangen nahm. Er wischte sich das am Schiffsrumpf hochgespritzte Wasser aus den Augen und schaute genauer hin. Seine Feder! Sie kehrte zurück.
Naoko öffnete seine Hand, mit der er alsbald die Feder sanft umschloss, und lauschte der unvermittelt in seinem Geist erklingenden Stimme.

Naoko. Ich danke Euch für eure Nachricht, auch wenn diese bei mir unermessliche Trauer ausgelöst hat. Kommt zu mir sobald Ihr könnt, denn es gibt einiges, was ich euch sagen möchte, was ich dieser Feder aber nicht anzuvertrauen wage. Ihr werdet mich in Wildhügel finden, einem kleinen Dorf an der Mündung des Einhornlaufs. Die Händler des Nordens werden Euch den Weg weisen können, denn in ihren Kreisen ist mein Name wohlbekannt. Kommt schnell. Denn Ihr irrt, wenn ihr glaubt, der Kreis sei auf dem Weg nach Norden. Dort ist er schon seit Jahren.

Wildhügel, 8. Eleint 1373 DR, im Jahr der Schurkendrachen

Fasst ein Jahr war er nun unterwegs gewesen, die meiste Zeit davon auf dem Bock eines Handelskarren. Er war froh, nun endlich das Ziel seiner Reise erreicht zu haben. Vor ihm erhob sich das Schloss, dass ihm die Einwohner Wildhügels als Domizil Baron Joaquim Aulbes bezeichnet hatten.

Naoko

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Kapitel 1 - Naokos Reise
« Antwort #29 am: 01.07.2006, 01:48:15 »
Irgendwann hatte Naoko aufgehört, die Tage und Zehntage zu zählen. Diese Straßen schienen kein Ende zu nehmen. Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte er sich vorgestellt, dass er einmal so weit weg von seiner Heimat sein würde. Er war sich ziemlich sicher, dass kein Mitglied seines Stammes jemals so weit gereist war.

Auf dem Weg lernte Naoko viel über das Wesen und das tägliche Leben der Menschen. Sie waren ein seltsames Volk - schwer einzuschätzen. Es gab unter ihnen freundliche und bösartige, geizige und selbstlose. Auch verehrten sie eine Vielzahl von Göttern, die Naoko bislang nicht gekannt hatte, über die er sich aber nun viel erzählen ließ. Einen noch größeren Stellenwert als die Götter hatte für die Menschen nur eines: Geld.

Gold und Silber waren für viele Leute, die Naoko auf seiner Reise getroffen hatte, das einzige, was ihrem Leben einen Sinn gab und man brauchte Geld, wenn man auf Dauer in diesen ungastlichen Landen überleben wollte.

Niemand hier schien etwas von den Natur- oder Ahnengeistern zu wissen, die Naoko verehrte. Anfangs hatte der kleine Geisterschamane noch versucht, den Leuten klarzumachen, dass ihr Schicksal nicht nur von Göttern auf fremden Ebenen bestimmt würde, sondern von den unzähligen Seelen die jedem lebenden Ding innewohnten. Doch niemand schien sich wirklich für derlei Weisheiten zu interessieren und so hatte Naoko seine Überzeugungsversuche schließlich aufgegeben.

Mithilfe der Adlerfeder hatte er zwischenzeitlich auch einmal eine Nachricht nach Hause geschickt - hatte von den Attraktionen seiner Reise und allem berichtet, was er bislang herrausgefunden hatte.

Als er wenige Tage später Antwort von Uzima erhielt, geschah es zu ersten mal: Er fühlte, dass er sich bereits von seinem Clan entfremdet hatte. Naoko war sich nicht sicher, ob es an ihm lag, weil er sich durch die neuen Erfahrungen verändert hatte, oder an seinen Freunden zu Hause, weil sie nie ihren Wald verlassen und etwas anderes zu Gesicht bekommen würden.

In den darauffolgenden Tagen war Naoko recht traurig und niedergeschlagen. Ein wenig half ihm der hervorragende Wein der Aulbes dabei, seinen Kummer zu ertränken. Recht bald hatte er den gesamten Krug geleert.

Dann schließlich lag es endlich vor ihm: Das Schloss von Baron Aulbes. Naoko war aufgeregt. Er war am Ziel. Dafür hatte er die monatelangen Strapazen auf sich genommen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
momentane Effekte: Blessing of the Spirits (Sp)

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