Tharon will keine Zeit verlieren, soviel ist sicher. Mit großen Schritten durchschreitet er den Wald, ja er läuft fast. Jegliche Vorsicht scheint vergessen, er wirkt geradezu in Gedanken versunken. Der Weg, den er und Verlaan zun Dorf hin gewählt hatten, ist ihm in Erinnerung geblieben, leichter Schnee und ein wenig Unterholz bieten immer noch gute Bedingungen, um schnell diese Strecke zu bewältigen. Sein Blick verrät, dass er anscheinend etwas hin- und her gerissen von dem Erlebten ist. Ganz leise kann man ihn für einen Augenblick fluchen hören. Wem dieser Ausdruck der Abneigung galt, weiß wohl nur der Mann selbst, der sich immer weiter dem Treck nähert. Seine zeitweise Achtlosigkeit rächt sich jedoch einige Augenblicke später. Leises knacken von Ästen ist zu hören. Es dauert einen Augenblick, bis Tharon die Geräusche wahrnimmt, dann jedoch kniet er sich gewandt hinter einen Baum und versucht sogleich den Ursprung auszumachen. Mit angehaltenem Atem lauscht er – nur kurz – denn dann muss er der Anstrengung nachgeben und atmet schnell, schneller als es ihm in dieser Situation vielleicht lieb ist, mehrmals kräftig aus und ein. Sofort bilden sich kleine Wolken aus dem an der kalten Luft des erst vor kurzem hereingebrochenen Winters kondensierenden Atem. Langsam wird die Atmung flacher, regelmäßig. Weiter ist aus kurzer Entfernung das vereinzelte Knacken der Zweige zu hören. Dann folgt Stille. Nur das leise Spiel des Windes zwischen den Bäumen. Sekundenlang passiert nichts. Langsamer als vorher sind nun die Schritte auch im Schnee zu hören. Man hört, wie der Schnee nachgibt, dann ein leises rascheln. Tharons Blick fällt auf ein kleines Gebüsch, keine zehn Meter von seinem notdürftigen Versteckt entfernt. Nunmehr sind die Geräusche eindeutig dieser Richtung zuzuordnen. Immer noch steht ihm der Schweiß auf der Stirn, trotz der Kälte. Oder vielleicht gerade deswegen, denn seine Kleidung aus dickem Stoff ist als Schutz vor selbiger gedacht. Unter Anstrengungen wie diesen gäbe es bestimmt angebrachtere Kleidung. Sein leicht von der Kälte und dem schnellen Schritt gerötetes Gesicht ist von kleinen Schweißperlen überseht. Nur kurz wischt er mit dem Ärmel über die Stirn und die Augen, langsam und nahezu geräuschlos. Dann geht er weiter hinter dem Baum in Deckung. Das Gebüsch immer noch im Blickfeld, wartet er ab.
Wahrscheinlich unbewusst schließen sich seine Hände fest um den Stab. Und wieder ist Stille eingekehrt. Durch das Gebüsch hindurch ist nichts zu erkennen, schwer zu sagen, ob ein Fehlen des Schnees, mit welchem es bedeckt ist, daran etwas ändern könnte. Wieder vergehen Augenblicke nahe der Lautlosigkeit. Ohne Anhaltspunkte, was ihn in den nächsten Augenblicken erwartet, verharrt Tharon einfach in seiner Position. Plötzlich sind wieder Geräusche zu hören. Viel weiter weg, aber aus der gleichen Richtung. Mindestens ein paar Dutzend Gliedmassen bahnen sich schnell ihren Weg durch den Wald. Äste brechen, man kann förmlich hören, wie der verschneite Boden aufgewühlt wird. Direkt vor Tharon herrscht immer noch Ruhe. Bereit jeden Moment aufzuspringen oder aber auch noch lange in seiner bescheidenen Deckung auszuhalten konzentriert sich der Erenländer auf seine Sinne.
Wie aus dem Nichts heraus bricht das Gebüsch vor ihm auf, jede Gegenwehr des dicht gewachsenen Strauchs scheint zwecklos. Mit einem Mal ist er komplett vom Schnee befreit und es springt panisch ein Tier heraus. Ein junges Reh. Es wirkt leicht abgemagert, ist jedoch zu schnell, als dass man einen genauen Blick erhaschen könnte. Nun sind auch die anderen Geräusche nicht mehr zu überhören. Eine Mischung aus schnellen Schritten und eine Art Hecheln. Dann springen links und rechts neben dem Gebüsch die Verfolger hervor. Es sind fünf Wölfe. Ihr dunkelgraues Fell bildet einen Kontrast zu dem weißen Boden des Waldes. Schaum tritt über aus den Mäulern der Jäger hervor. Auch sie wirken alles andere als wohlgenährt. Ihrem Opfer dicht auf den Fersen sprinten sie an dem sich versteckenden Mann vorbei. Hunger, vielleicht sogar daraus folgende Verzweiflung scheint auch die Sinne dieser Tiere zu vernebeln.
Wenige Atemzüge später kehrt die Stille, die diesen Wald friedlich macht, ihm seine Unheimlichkeit verleit, wieder zurück. Mit einigen tiefen Atemzügen überwindet Tharon den Schrecken, den diese Situation mit sich brachte. Nichts außer einer aufgewühlten Schneedecke und einem Busch, ganz frei von dem Pulver zeugt noch von dem eben Geschehenen. Zügig richtet er sich auf und geht, die ersten Schritte langsam und vorsichtig, weiter auf dem von ihm eingeschlagenen Pfad. Die Abwesenheit und Unachtsamkeit, welche ihn leicht hätte in eine brenzligere Lage hätte bringen können, scheint wie weggewischt. Alle Sinne auf die Umgebung gerichtet, lässt er es an Tempo jedoch nicht mangeln. Ob das Reh nun letztendlich Opfer seiner Verfolger wurde, bleibt Vorerst ein Geheimnis, dass der Wald, wie viele andere, zu behüten weiß.
Sicher findet Tharon seinen Weg, diesmal allein. Ausdruckslos richtet der Mann sein Gesicht dem leichten Wind entgegen, der jedoch wieder an Stärke zunimmt. Langsam wird er stärker, da weniger Bäume ihn an seinem monotonen Werk hindern. Das Ende des Waldes ist erreicht.