Autor Thema: Blut und Nebel  (Gelesen 5566 mal)

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Aoskar

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Blut und Nebel
« am: 28.03.2007, 23:13:19 »
Hathoran schlägt die Augen auf und blickt sich um. Er ist nicht mehr unter dem Steinbogen auf dem Schlachtfeld. Zu beiden Seiten ragen kalte, graue Steinwände einer engen Gasse empor, bis zum nur unwesentlich heller grauen Himmel. In der Luft steht eine unangenehme Mischung aus Nebel und Nieselregen, die alles feucht werden lässt.
Auch Hathoran ist über und über feucht. Beschmiert mit dem Blut seines Vaters. Neben sich sieht er die eindrucksvolle, muskulöse Gestalt am Boden liegen, mit zerfetzter Kehle. Sein Blut verteilt sich langsam auf dem nassen, löchrigen Pflaster. In der Hand hält er noch immer die Geburtsklinge, verschmiert mit dem Blut der verhassten Sarrukh.
Viele Stockwerke hoch sind die wuchtigen Steingebäude auf beiden Seiten, verschmiert mit braunen Streifen aus Rost und Regenwasser. Die Gasse scheint auf einer Seite blind zu enden, nur auf der anderen ist ein wenig Licht zu sehen.
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Hathoran

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Blut und Nebel
« Antwort #1 am: 28.03.2007, 23:39:56 »
Hathorans erste Reaktion ist es, zurückzuspringen und an einer der Wände Rückenschutz zu suchen. Misstrauisch blickt er sich um, seine an der Spitze gespaltene Zunge nimmt die Witterung auf. Doch kann er keinen Sarrukh schmecken, es scheint, als wäre er alleine.

Langsam geht er wieder nach vorne, vor der Leiche seines Vaters in die Knie. Seine linke Hand taucht in die Wunde, mit dem Blut seines Vaters malt er um seine Leiche die rituellen Symbole, die den Weg in die nächste Welt erleichtern sollen.

So wie die Symbole auf dem Steinring schiesst es ihm durch den Kopf, während er fieberhaft darüber nachdenkt, wie er seinem Vater möglichst schnell die traditionelle Feuerbestattung zukommen lassen kann.

Holz, ich brauche Holz, ich brauche...Hilfe.

Mühsam schleift Hathoran den Leichnam seines Vaters zum Ende der Gasse, um ihn so möglichst vor den neugierigen Blicken anderer, die es hier vielleicht geben mag, zu schützen. Dann richtet er sich auf, um nach Hilfe zu suchen. Doch er zögert.

Die Klinge, ich kann sie unmöglich hier liegen lassen. Wenn jemand kommt...

Während eine kleine gehässige Stimme in seinem Kopf ihn Frevler und Dieb nennt, löst er dennoch langsam die Klinge, die nie für ihn bestimmt war, aus den bereits erkaltenden Fingern seines Vaters und macht sie an seinem Gütel fest.

"Großvater Kaurrath und ihr anderen Ahnen, bewacht ihn, bis ich zurückkomme." betet er leise. Dann wendet er sich um, und geht staksigen Schrittes auf das offene Ende der Gasse zu.

Und noch immer sind seine Augen so trocken, als habe er mehrere Tage lang in ein heisses Feuer gestarrt.

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #2 am: 29.03.2007, 20:22:44 »
Die Gasse führt auf einen offenen Platz. Alle Gebäude rund um den Platz herum wirken grau und leblos. Rund um den Platz stehen verschiedene Geschäfte, eine Taverne mit einem Schild, dass eine grau verhüllte Frau zeigt, von deren Gesicht nur dicke Rote Lippen sichtbar sind, auf die sie einen Finger gelegt hat, das verkündet, dass die Taverne "Das Geflüsterte Wort" heisst. Daneben befinden sich ein kleines Geschäft, angeschrieben mit "Josiah Grin, Sargmacher" und ein lottriger Mietstall.
Auf der Hathoran gegenüberliegenden Seite steht eine ganze Gruppe von Leuten in langen, grauen Mänteln die schwer sind vom Regen und schluchzen, weinen und schreien immer wieder laut und theatralisch auf. Sie alle wirken ausgezehrt und ihre Kleider sind vielfach geflickt. Einige schäbigeMarktstände zieren den Rand des Platzes, die verkauften Güter scheinen hauptsächlich schlechter Qualität zu sein.
Ansonsten sind auf dem Platz nur wenige Leute zu sehen, der Regen scheint sie in den Häusern zu halten. Bei genauerem hinsehen fällt Hathoran auf, dass einige von ihnen nicht ganz wie Menschen aussehen, einige haben spitze Zähne oder Krallen, andere dünne Schwänze oder Hufe statt Füssen oder fingerlange, spitze Hörner auf dem Kopf.
Kaum kommt Hathoran aus der Gasse hervor, weiten sich die Augen einer vorbeigehenden Frau, als ihr Blick auf den blutverschmierten Khaasta mit der genauso blutigen Klinge fällt und sie weicht erschrocken einige Schritte zurück.
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Blut und Nebel
« Antwort #3 am: 29.03.2007, 23:51:37 »
Beinahe schuldbewusst blickt Hathoran an sich herab, dann öffnet er seine Handflächen nach außen und zeigt der Frau ein, wie er hofft, beruhigend wirkendes Zähnefletschen.

So machen die das doch , hat Vater mal...

Die Wirklichkeit holt ihn ein, und schon ist die Frau für ihn vergessen.
Sargmacher hat er auf einem Schild auf der anderen Seite des freien Platzes hier gelesen, und auch, wenn er nicht weiss, was ein Sarg ist, so sind doch nach seinem Verständnis Leute, die etwas herstellen, besonderen Respekts würdig. Und wer eine solche Respektsperson ist, der weiss doch auch bestimmt Mittel und Wege, wie er seinem toten Vater helfen kann, ohne allzuviel Aufsehen zu erregen.

Hathoran geht los

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #4 am: 30.03.2007, 10:41:30 »
Die Frau weicht einige weitere Schritte zurück, als sie Hathorans Zähnefletschen sieht, in Richtung einer kleinen Fontäne in der MItte des Platzes, die ursprünglich eine Art Kreatur mit drei Köpfen, einer in jede Richtung, gezeigt zu haben scheint, nun aber zerbrochen und mit Grafitti beschmiert ist.
Die Leute weichen Hathoran aus, als er auf die Tür des Sargmachers zugeht, scheinbar respekt- oder angstvoll. Doch dann hört er hinter sich eine feste Stimme, in einem neutralen Tonfall:
"Was willst du hier, Khaasta?"
Hinter Hathoran steht ein alter Mann mit schneeweissen Haaren und markanten Gesichtszügen. Er sieht aus, als sei er gross und auch stark gewesen in seinen jungen Jahren, doch nun wirkt er hager und krank. In einer Hand hält er ein Langschwert, dass er aber mit der Spitze auf den Boden gerichtet trägt.
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Blut und Nebel
« Antwort #5 am: 30.03.2007, 11:13:46 »
Überrascht dreht Hathoran sich um. Er ist fast erleichtert, dass es hier auch jemanden gibt, der offenbar keine Angst vor ihm hat. Besonders bedrohlich sieht der Grauhaarige allerdings nicht aus, doch hat der Junge gerade eben erst gelernt, die Fähigkeiten anderer Personen nicht nach dem Anschein zu beurteilen, denn wie sonst hätten die schwächlichen Sarrukh einen so totalen Sieg über die mächtigen Khaasta erringen sollen?

Wieder dreht Hathoran zum Zeichen seiner Friedfertigkeit die Handflächen nach außen. Langsam geht er auf den Fremden zu. Kampfesmut im Angesicht eines Stärkeren respektiert er, und so beschliesst er, dem alten Mann für einen kurzen Moment sein Vertrauen zu schenken. Bestimmt wird er als Kämpfer verstehen, was den jungen Khaasta in diesem Moment bewegt.

"Mein Vater... er starb im Kampf, sein Leichnam ist... " - Wo bin ich hier überhaupt? -  "...fern der Heimat, und so muss ich seinen Körper seiner Seele hinterherschicken, auf dass er als vollkommener Krieger in die nächste Welt gelangen kann. Ich suche Holz, und wollte bei dem Sargmacher dahinten nachfragen, ob er mir etwas geben könne."

Hathoran zögert kurz, dann gewinnt die Neugier.

"Was ist eigentlich ein Sarg?"

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #6 am: 30.03.2007, 14:37:29 »
Ein grimmiges Lächeln steht auf dem Gesicht des alten Mannes, als er erklärt:
"Du bist am richtigen Ort. Die Staubmenschen können dir helfen, sie kennen alle Rituale. Ein Sarg ist eine Kiste, in die wir unsere Toten legen."
Der alte Mann wird plötzlich von einem starken Hustenanfall übermannt, der seinen ganzen Körper verkrampft und schüttelt.
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Blut und Nebel
« Antwort #7 am: 31.03.2007, 21:05:39 »
Hathoran reisst entsetzt die Augen auf.

"Ihr sperrt eure Toten in Kisten? Aber dann können sie ja gar nicht auf die Reise gehen."

Als der Mann zu husten anfängt, weicht Hathoran einen Schritt zurück.

"Gehts dir nicht gut? Ist das ansteckend?"

Wo bin ich hier nur hingeraten?

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #8 am: 31.03.2007, 21:41:05 »
"Einige glauben, dass die Seelen auch so reisen können. Und es ist nicht ansteckend. Suchen wir uns einen Staubmenschen für deinen Vater."
Der alte Mann geht auf einen Vorübergehenden in einer grauen Robe zu und winkt ihn zu Hathoran.
"Er kann dir helfen. Sie kennen sich aus.", erklärt er und lässt Hathoran mit einer dünnen, alten Frau in einer grauen Robe allein.
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Blut und Nebel
« Antwort #9 am: 02.04.2007, 22:09:54 »
Hathoran schaut die Person vor sich ein wenig misstrauisch an.

Er? das ist doch eine Frau? Der war doch nicht etwa blind?

"Ehm, du kannst mir helfen? Mein Vater...ist tod. Sein Körper muss seiner Seele nachfolgen, damit sie gemeinsam die nächste Welt betreten können. Ein Gefängnissarg kommt daher überhaupt nicht in Frage. Aber gibts hier vielleicht trockenes Holz? Ich brauch das schnell", Hathoran schaut sich verstohlen nach der Gasse um, aus der er kam,  "ich darf ihn nicht warten lassen."

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #10 am: 02.04.2007, 22:17:03 »
Die Stimme der Frau ist monoton, völlig gefühllos und trocken.
"Holz gibt es nicht in Sigil, auf jeden Fall nicht von Natur aus. Das wenige, das importiert wird ist zu teuer, um es für Feuer zu verwenden.
Du bist keiner der Aussenland-Khaasta. Kommst du von einer Welt der Materiellen? Ist Holz für den Ritus zwingend notwendig oder muss es nur ein Feuer sein? Wir können deinem Vater das grösste Grabfeuer von allen geben."
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Blut und Nebel
« Antwort #11 am: 02.04.2007, 23:07:13 »
Nahezu ehrfürchtig starrt Hathoran die alte Frau an.
"Feuer ohne Holz? Bist du eine Zauberin?"
Dann richtet er sich stolz auf.
"Das größte Grabfeuer von allen ist für meinen Vater gerade groß genug. Kannst du mich da hin führen?"

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #12 am: 03.04.2007, 12:33:13 »
"Holen wir zuerst seinen Körper. Ich denke, wir brauchen Träger."
Die Frau sieht sich um und ruft dann vier weitere grauberobte Staubmenschen zu sich. Zusammen folgen sie Hathoran zu der Leiche seines Vaters und mit vereinten Kräften tragen sie ihn die Strasse entlang.
Am Ende der Strasse steht ein riesiges Gebäude. Es sieht aus, als sei es ursprünglich eine grosse, dunkle Kuppel gewesen, an die immer weiter angebaut wurde.

"Dies ist die Leichenhalle", erklärt die Frau Hathoran. "Hier können wir deinen Vater angemessen beisetzen."
Die Tür zur Leichenhalle liegt am Ende einer kurzen Treppe. Sie ist gerade gross genug für die Träger und die Leiche von Hathorans Vater. Durch dunkle, enge Gänge, nur erhellt von wenigen Laternen wird die Leiche nach oben befördert. Von Zeit zu Zeit kann man in der Ferne leise Musik oder Grabgesänge hören, sonst ist es, abgesehen vom gelegentlichen Tropfen von Wasser, fast völlig still.
Schliesslich erreicht ihr eine grosse Kammer, der Rundung der Decke nach zu schliessen zuoberst in der Kuppel. Ein grosser, pechschwarzer Steinbogen steht frei und aufrecht in der Mitte des Raums. Aus dem Bogen dringt helles, orangenes Licht und eine gewaltige Hitze.
"Dies ist ein Portal auf die Ebene des Feuers. Wir lassen dich nun allein für alle nötigen Rituale", stellt die Frau mit völlig gefühlloser Stimme  fest.
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Hathoran

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Blut und Nebel
« Antwort #13 am: 03.04.2007, 23:31:21 »
Eine Zeitlang verharrt Hathoran in dumpfem Schweigen. Langsam wird ihm bewusst, dass sein Benehmen genau der Stimme der Frau entsprach, deren unpersönliche Gefühllosigkeit ihn an ein Werkzeug erinnerte, dass auch nicht denkt, und auch nicht spricht, sondern einfach das tut, wozu es angefertigt wurde.

Langsam wird ihm bewusst, dass er nun nicht mehr weglaufen kann. Die Zeit des Abschieds ist gekommen.

Und langsam löst sich eine Träne aus seinem Auge und rollt seine Wange hinab.

"Vater, du gehst nun fort, und ich kann dir nicht nachfolgen. Du wirst nicht in einen Hügel in deiner Heimat gelegt, wie es seit alters her Tradition ist. Niemand wird dir Totenwache halten und ich..."

Seine Stimme bricht. Unbewusst fasst er an die Geburtsklinge seines Vaters und nimmt die Kraft seiner Vorfahren in sich auf.

"Und ich kann dir nur versprechen, mich der Klinge als würdig zu erweisen. Sie soll mich töten, wenn ich ihr Schande bereite. Vater, ich werde dir nachfolgen, wenn der Tag gekommen ist. Und, Vater..." wieder bricht seine Stimme, "wenn du kannst, sag Mutter, dass es mir gut geht."

Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung stösst er die Leiche seines Vaters in das Portal, er spürt die Hitze, die auch nach ihm zu greifen droht. Und doch ist es nicht sie, die seine Augen tränen lässt. Stumm tritt er zurück und hebt die Geburtsklinge seines Vaters zu einem letzten Gruß. Dann wendet er sich um und dem Ausgang aus der Kammer zu.

Aoskar

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Blut und Nebel
« Antwort #14 am: 04.04.2007, 09:19:59 »
Vor der Tür steht die Frau der Staubmenschen und wartet bereits auf Hathoran.
"Dein Vater ist, wenn er Glück hatte, nun endgültig tot. Das ist gut so. Komm, wir bringen dich nach draussen."
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