Varahl schaute die Dame vor sich an. Eine Zeit schaute er Ihr verbliebenes braunes Auge an. Dann Ihr Gesicht insgesamt. Für einen kurzen Augenblick schaute er sich auch den Rest Ihres Äußeren an, auch wenn er so tat, als ob er etwas überlegen würde und deshalb unbewusst sie mit gesenktem Kopfe anschauen würde.
Hmm, möglich ist es, dass hier eine Verwechslung vorlag. Vielleicht habe ich mich doch geirrt bei dieser Dame. Der Krieg scheint sie jedoch für Wahr gezeichnet zu haben. Aber wenn ich mir ein paar kleinere Falten oder Narben wegdenke und die Augenklappe. Dann könnte das durchaus eine gutaussehende Dame sein, auch wenn die Adamantitbrustplatte einen Großteil Ihres Körpers wohl verdeckt. Vielleicht hat sie ein noch anziehenderes Aussehen als sie jünger war. Und doch hat sie irgendwas, irgendetwas exotisches 'Fremdes', aber doch etwas was einem Mann wie mir gefallen mag. Oder regt mich nun auf einmal, das Aussehen jeder dahergelaufenen Frau an, nur weil ich schon lange keine gute Partie mehr hatte und meine Aufträge nicht so gut waren, dass ich mir eine gepflegte Prostituierte im Feuerlichtdistrikt auf dem Menthis-Plateau leisten konnte?
Oder vielleicht habe ich einfach nur über die Jahre nur einen seltsamen Geschmack entwickelt? Spielt mir meine Phantasie einen Streich und bringt mir nur Illusionen? Oder sollte ich mich am Ende nicht viel mehr vor mir selbst ekeln?
Immerhin scheint sie ihrem Aussehen nach eine Karrn zu sein. Wer weiß, was sie alles tatsächlich im Krieg angerichtet hat und wie sie zu Ihren Feinden war. Vielleicht unbarmherzig, gefühllos, grausam? Und außerdem: Es ist ein intelligenter und angenehmer Herr gestorben, in der Stadt herrscht eine wirklich gefährliche, sengende Hitze und ich kann nur an das 'Eine' denken bei einer mir völlig wildfremden, dahergelaufenen Karrn? Von meinem alten Glanz und meiner alten Würde scheint wohl wenig übrig zu sein. Sehr wenig, wenn ich bede...
Schnell kehrte er zur Realität zurück. Verdrängte etwas, was so langsam wieder in ihm aufgekommen wäre. Denn seine Gedanken wären beinahe wieder zu seiner Liebsten gesprungen mit denen er Jahre lang zusammen war und die er im tödlichen dunkelvioletten Nebel und im feurigen Licht des Tages der Klage verlor. Noch rechtzeitig kam er wieder zu sich. Auch wenn er nun einen merklich, bleichen Eindruck machte, als ob er einen Geist alter Zeiten gesehen, der urplötzlich aus dem Grabe aufstieg. Und das war durchaus schon etwas beunruhigendes, wenn man die große Hitze draußen bedachte. Er war zwar nur Sekunden weg, aber es waren Sekunden voller Schweigen. Ungewissem Schweigen. Verunsicherendem Schweigen.
Varahl hörte Hana zwar halbherzig zu, aber aus den Wortfetzen, welche er mitbekam, konnte er sich dennoch erschließen, was sie von ihm wollte.
Wieder etwas heiser, sagte Varahl nur kurz: "Ja, sich draußen zu unterhalten, ist die bessere Idee vermutlich. A-01 und Sirakhad sind auch bei mir, weil wir zusammen gearbeitet hatten für Lohn. Wenn alle unsere Sachen schnell gepackt sind, können wir mit Euch gehen. Alles weitere kann auf unserem Marsch draußen besprochen werden."
Einen Moment später riss sich der Cyraner zusammen und wieder zeigte sich ein Funken des Kriegshelden alter Tage, der zeitweise die First Wand of Metrol selbst sogar im letzten Krieg angeführt hatte, als er zu A-01 und Sirakhad in den Raum hinter sich hineinrief- nachdem sich seine Stimme wieder einigermaßen gefangen hatte: "Keine Angst die Beschreibungen und die Namen der Personen passen zusammen, auch wenn ich manche von der Beschreibung her als etwas jünger eingeschätzt hätte im nachhinein betrachtet, aber sei es drum. Beschreibung sind ja oft nicht so genau wie die Wirklichkeit. Ich bin mir sehr sicher, dass dies Individuen sind, welche sich im Bunde mit Tophran Damilek befanden. Also 'nicht-feindlich' meiner Einschätzung nach A-01, falls Ihr Euch darüber Gedanken machtet, ob es sich um 'Freunde' oder 'Feinde' handeln würde. A-01 und Sirakhad macht Euch bereit zum Aufbruch, wie ich es nun tun werde. Tophran Damilek war ein spendabler Geldgeber und ein recht angenehmer Gesprächspartner. Bringen wir das zu Ende, was seiner Meinung zu Ende gebracht werden sollte. Außerdem wird es vermutlich nicht schaden, wenn ich meine Schlachtfeldmagie weiter trainiere, denn offenbar gab es da einige Leute, die sich Tophran Damilek gewaltsam stellten und auf die wir wahrscheinlich noch einmal treffen werden, wenn wir die Ereignisse um seine Person weiter untersuchen."
An Hana gewandt sprach Varahl, dann nur noch fast wie kurz angebunden und beinahe in einem militärischen Rapport-Stil:
"Hanajima Guillotin, ich packe nun meine Sachen und dann gehen Eure und meine Gruppierung nach draußen miteinander. Es dauert nur einen Moment bis meine Sachen gepackt sind. Aber lang werde ich Euch dort draußen sicherlich nicht warten lassen. Draußen kann dann noch alles besprochen werden, was zu besprechen ist."
Daraufhin ging Varahl Setarin wieder in das Zimmer zurück, erledigte, was noch zu erledigen war, packte seine Sachen und würde alsbald mit seinen anderen Begleitern wieder draußen vor der Tür erscheinen, so wie er es den anderen zugesagt hatte.