Neunzehnte Stunde des Wir, 11. Dravago im Jahre 999 NBK
Siebtturm - Sharn, Stadt der TürmeSinnliche Ruhe...Er spürte seine Seele über Felder wandeln, deren Gras von kristallklarem Schnee bedeckt war. Entfernt thronten Berge, umrandet von Weiß und stießen in den Siberys. Da waren riesige Festungen, die wie Monumente vor den hohen Bergen aufragten. Eine Melodie ertönte, besinnlich aber auch melancholisch.
Kraft und Ruhe...Es war die Ruhe vor dem Sturm...
"Daharath wir müssen weiter!"Der junge Kalashtar löste sich aus seiner Meditation und blickte seinem Mentor Tharkhad in die Eisblauen Augen. Beide nickten sie in gegenseitiger Übereinstimmung.
Sie machten sich daran die große Kapelle der göttlichen Herrschar, in dem sie Zuflucht suchten, zu verlassen. Ihre Mission war gescheitert und sie waren auf der Flucht...
Es war nicht lange her, gerade zur zweiten Abendglocke, da verließen drei Kalashtar ihre sichere Enklave in Ausblick, um nach Den'iyas, dem Gnomendistrikt der Stadt der Türme aufzubrechen.
Dort wollten sie einen Kontaktmann aufsuchen, der ihnen wichtige Informationen über Bewegungen der feindlichen Agenten verkaufen sollte. Doch jener gnomische Kontaktmann war nicht an Ort und Stelle.
Die Atmosspähre war unheimlich, denn waren nur noch wenig Gnome auf den Straßen. Die meisten schienen die Feierlichkeiten in Siebtturm zu besuchen oder beobachteten...
Die ganze Zeit über war das Gefühl da verfolgt zu werden - eine schwarze Katze mit gelbgrünen Augen, eine alte Dame... hatten sie diese nicht schon kurz nach ihrem Aufbruch gesehen?
Die Spur des Kontaktmannes führte sie nach Siebtturm, wo an diesem Tage das Fest "Der Schattenkönig" gefeiert wurde.
Dann war plötzlich Nelharath, einer der drei Kalashtar, tot. Weder Daharath noch sein Mentor hatten den tödlichen Anschlag bemerkt. Er lag einfach da, ein viel zu präziser Schnitt in seiner Kehle. Sie machten sich auf zur Flucht und wußten das sie gejagt wurden. Doch die Finsternis schien nur zu spielen und die beiden entkräfteten sich. Sie stoppten nun bei der Kapelle der göttlichen Herrschar...
"Wir können nicht ewig hier Zuflucht suchen". Tharkhad verabschiedete sich von dem freundlichen Priester und sie öffneten die großen Türen aus Dunkelholzplanken.
Draußen erwarteten sie die Festlichkeiten. Zu den üblichen Kaltfeuerlaternen gesellten sich magische, schwebende Lichter und mannigfaltige Schattenspielereien. Künstler des Hauses Thuranni webten allerlei Kunststücke in dem luxuriösem Distrikt der Oberschicht.
Die beiden Kalashtar wussten, dass sie selbst in den Menschenmassen und bei Anwesenheit der Stadtwache nicht sicher vor der Finsternis waren.
"Wenn Ihr es euch nicht leisten könnt, dann nehmt gefälligst die verdammte Plattform", lehnte ein zwergischer Himmelskutschenführer Tharkhad und Daharath ab. Sie taten wie geheißen.
"Es ist nicht mehr weit", sprach der Mentor zu seinem Schüler, als sie durch eine menschenleeren Gasse setzten.
"Nicht mehr weit bis nach Dolurrh, da habt ihr wohl recht." Die alte, gebrechliche Frau sprach heiser und streichelte derweil die schwarze Katze auf ihrem Arm - die Augen des Tieres funkelten gelbgrün.
"Wenn Eure jämmerlichen Seelen denn dort ankommen, bevor ich sie zerfetze." Die letzten Worte klangen gräßlich verzerrt und die Augen der Frau liefen pechschwarz an.
Daharath´s Augen blitzten und er griff mit Kraft seiner Gedanken auf die Astralebene und holte einen Klumpen Energie hervor, den er auf die scheinbar gebrechliche Frau warf. Der Ballen löste sich beim Aufprall einfach an den zerflickten Gewändern der Frau auf.
Die beiden Kalashtar wussten, dass dieser Feind zu mächtig war.
Thakhad reagierte, indem er ein psionisches Kraftfeld aufbaute um die Agentin einzuschließen. Das Kraftfeld füllte sich mit Schatten und die Wesen darin waren nicht mehr zu sehen.
"Geh Daharath. Berichte was du gesehen hast, ich kann den Schild nicht lange aufrecht erhalten."Der junge Kalashtar tat wie ihm geheißen. Er hörte noch das gräßliche Lachen der Monstrosität und betete insgeheim für seinen Mentor.
Daharath ist mit seinen 43 Jahren noch einer der Jüngeren seiner Art. Er wurde weder in den klösterlichen Festungen Adars, noch in der Nähe einer der Kalashtarenklaven Khorvaires geboren. Seine ersten Jahre verbrachte er auf dem Land in der Nähe des Diamantsees, als Sohn eines Kalashtarmannes und einer Halb-Elfe. Sein Vater wollte nichts mehr wissen von dem geheimen Krieg gegen die Dunkelheit. Er war frustiert, ewig vor der Finsternis auf der Hut zu sein und glaubte nicht an die Pfade des Lichts. So entschied er sich für ein Leben in Abgeschiedenheit, wo er eine Familie gründete und sich vor der träumenden Finsternis sicher wähnte.
Er rechnete nicht damit, dass sein Sohn, ein Kind zwei verschiedener Völker, von dem gleichen Geist berührt werden konnte wie er. Der Junge, der damals noch Daras hieß, wurde durcheinander, düsterer Stimmung und entwickelte sich nur schlecht. Als seine Eltern zu ahnen begannen, da wurde Daras Vater auch schon ermordet. Die Mutter brach unverzüglich nach Sharn auf, eine der wenigen Städte Khorvaires, wo es eine Kalashtar-Enklave gab, die nicht verborgen war. Dort sollte der Sohn lernen, mit dem Geist, der seine Seele berührte umzugehen und vor der Finsternis, welche die Kalashtar jagt, sicher sein.
Die Mönche nahmen den verwirrten Jungen und die Mutter sofort auf. Die Halb-Elfe reiste nocheinmal zum Diamantsee zurück, um ihren Ehemann zu begraben und das Lokal, dass die Familie führte, abzugeben - die Nachricht von ihrem Tod traf wenige Wochen später in Sharn ein.
Dennoch entwickelte sich der Junge gut, der mittlerweile auf den Namen Daharath hörte. Obwohl der Geist, der ihn berührt, ein Kriegerischer ist, vergrub der junge Kalashtar sich lieber in Büchern und Meditationen. Er ließ die Impulse, die viele andere seiner Art, welche Harath berührten und zu kampfbegabten Mönchen oder Schattenklingen werden ließen, nicht zu. Er lernte stattdessen Dinge und Energieen mit seinem Geist zu manipulieren.
Bis heute verabscheut er Gewalt und den Krieg, wie fast alle Kalashtar, doch konzentrierte er sich noch stärker auf seine diplomatischen Fähigkeiten.
Irgendetwas, vielleicht sein Quorierbe, veranlasste ihn dennoch den Schattenwächtern beizutreten, die er bei ihren Missionen häufig als Sprecher unterstützte.
Daharath verbrachte die Nacht meditierend im Versammlungslicht, Hort der Geistlichkeit. Konzentration war jedoch nicht möglich, denn der Schmerz lastete auf seiner Seele. Er hatte seinen Mentor, der wie ein Vater für ihn war und einen Bruder an einem Abend verloren.
Seine Mutter war aufeinmal wieder in seinen Gedanken. Er wusste sie ist tot, genauso wie sein Vater - doch die Begleitumstände hatte er nie erfahren. Waren diese überhaupt wichtig? Nie hatte er das Grab seines Vaters gesehen. Schon seit 38 Jahren war er seinem Geburtsort entrissen. Seid Jahrzehnten hatte er fast nichts anderes gesehen, als die grau behauenen Steine des Ausblick-Distriktes und die hohen Türme von Sharn.
Er wusste das ähnliche Gedanken wahrscheinlich seinen Vater in den Untergang geführt hatten, doch auch wenn es gefährlich werden sollte, so brauchte er doch Abstand von dem Ort, an dem der Tod tagaus/tagein zu gehen schien und wenigstens nocheinmal würde er seine Heimat wiedersehen wollen. Er würde später zu seinem Volk zurückkehren - würde er?