Autor Thema: [IC] Gespräche  (Gelesen 5586 mal)

Beschreibung: Ancrym und Mestrard - zwei Shoanti in Sandspitze

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Mestrard

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[IC] Gespräche
« Antwort #15 am: 01.10.2007, 21:47:21 »
Danke für Deine Eingebung, Pharasma. Wieder ein Wendepunkt des Schicksals Mestrard nahm noch einen großen Schluck und stellte geräuschvoll den Humpen ab. Mit ruhiger Stimme wandte er sich an Ancrym. „Den ersten Teil Deiner Frage kann ich Dir leicht beantworten. Der zweite scheint mir der zu sein, auf den es ankommt – und der beantwortet eigentlich auch den ersten. Tatsächlich habe ich auf diese Frage gewartet und wollte heute ohnehin mit Dir darüber sprechen, Bruder.“ Mit dieser Anrede versuchte auch Mestrard, die Spannung aus dem Gespräch zu nehmen.

Mit einem kurzen Blick schätzte er die Wirkung auf Ancrym ab. Da dieser ihn nicht unterbrach, sprach er weiter. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen, aber das ist nicht der Grund für mein Leben hier. Du weißt, dass ich meine Eltern und Geschwister nicht in der Weise ehre, wie es der Tradition entspricht.“ Bewusst vermied Mestrard den Begriff Familie oder gar Clan. Beides, um nicht zu lügen und zweiteres auch, um Ancrym nicht vor den Kopf zu stoßen. Das Verhältnis von Mestrard zu seiner Familie konnte dem Deputy nicht entgangen sein und tatsächlich bedeutete es Mestrard tief im Inneren viel, zum Clan der Skoan-Qua zu gehören und seine Verbindung zum Totemgeist des Schädelclans war stark.
„Der Tradition in der sie mich aufgezogen haben. Das Schicksal, oder Pharasma hat es anders gewollt.“ Bei den folgenden Worten zeigte Mestrard sein seltenes aber aus den Tiefen seiner Seele kommendes Lächeln und er sprach bar jeder Bitterkeit und ohne Zynismus.
„Meine Eltern haben mich verkauft als ich 11 Sommer zählte. Das war eine entscheidende Wende in meinem Leben. Ich habe erkannt, dass das Leben, das Schicksal zugleich vorherbestimmt und veränderbar sind. Eine Glaubenslehre Pharasmas, die mir Targuan, der für 8 lange und erfüllte Jahre mein Lehrer war, beigebracht hat. Die ich damals erlebt habe. Auch die merkwürdigsten Wendungen in unserem Leben müssen akzeptiert und doch gelebt werden.“ Er blickt dem jungen Krieger tief in die Augen. „Auch Dein Schicksal, Ancrym, was immer vorgefallen ist und Dich in die Wildnis und dann hierher nach Sandspitze verschlagen hat. Im Moment sieht es so aus, als würdest Du das Beste daraus machen.“ Wieder klang kein Spott in Mestrards Worten.
„Zurück zu mir. Ich glaube und diene Pharasma, der Göttin des ewigen Kreislaufs von Geburt und Tod, der Göttin des Schicksals und der Weissagung. Heute durfte ich den ewigen Kreislauf in besonderer Weise erleben. Ein Leben ist vergangen und ein neues entstanden. Deshalb bin ich so müde.“ Jurins entspanntes Gesicht erschien vor seinem inneren Auge – wie friedlich der alte Mann im Tode ausgesehen hatte. Ganz anders als im Leben. Es verschwamm zu dem des hilflosen Säuglings, der nach einer Ewigkeit von einem Augenblick erst angefangen hatte zu schreien und das Leben in sich aufzusaugen.
Er weiß, von wem ich spreche. Schließlich hat er den Toten abgeholt und weiß, wo ich danach hingegangen bin.

Mestrard nahm wieder einen Schluck, sammelte sich und beschloss, ehrlich zu bleiben und nicht zu versuchen, Ancrym zu bekehren, sondern sich zu erklären.
Entweder redet er hinterher nicht mehr mit mir oder wir haben die Chance, ein Stück unseres Schicksals zu teilen.

„Ich will Dich jetzt nicht mit den Glaubenslehren belästigen. Du hast nach den Geistern gefragt. Ich diene ihnen nicht und ich glaube nicht in der Weise an sie, wie Du es tust oder wie meine Eltern es tun. Ich weiß, dass es sie gibt und dass sie Kraft haben. Aber es sind keine Götter. Ein Teil von Pharasmas Lehren, ein Teil ihrer Macht betrifft den Tod, ein anderer die Geburt und das Leben. Die Geister gehören zu beidem und irgendwie auch nicht.“ Mestrard merkte, dass es langsam zu religiös und kompliziert wurde und versuchte, sich zu fangen und schwieg für 2,3 Sekunden. „Ich weiß, dass vieles von dem, was ich sage und was ich bin, nicht dem entspricht, was die Traditionen sagen, an denen Du festhältst. Mehr als ich jetzt gesagt habe und mehr als an einem Abend zu sagen wäre. Dennoch bin ich ein Shoanti. Du hast es im dem Moment, als Du zum ersten Mal den Weg zur Kathedrale hinaufgekommen bist, gesehen und gespürt. Ich auch. Wir beide haben uns seitdem verändert. Dein Schicksal und Weg vermutlich mehr als meiner.“
Es gäbe so viel mehr zu sagen, aber das reicht. Gib ihm etwas zu kauen und zu reagieren. Von meiner inneren Unruhe kann ich ihm anschließend noch erzählen.

Mestrard sprach die letzten Worte langsam und mit fester Stimme, sie schienen einen Moment in der Luft zu hängen, bevor sie verklangen. Der groß gewachsene, fast hagere Mann mit dem ernsten Gesicht wirkte mit einem Mal sehr müde, was er auch war, und deutlich älter als er war. Nachdem er den Becher vollends geleert hatte, nahm er ein paar Nüsse aus seiner Gürteltasche, warf sie auf den Tisch, so dass beide davon nehmen konnten und begann systematisch eine nach der anderen zu knacken und zu essen. Er wartete und schien gleichzeitig völlig in sich zu ruhen.
Das menschliche Herz hat eine fatale Neigung, nur etwas Niederschmetterndes Schicksal zu nennen.

Ancrym

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[IC] Gespräche
« Antwort #16 am: 02.10.2007, 03:27:13 »
Ancrym saß eine ganze Weile still und starrte gedankenverloren in die Ferne, während er versuchte, zu verstehen, was Mestzrard ihm gesagt hatte. Nach einer ganzen Weile
erst sah er wieder Mestrard an.

"Ich weiß nicht, ob ich verstehe, was du mir zu sagen versuchst, Bruder, ich weiß nicht, wer oder was Götter sind, aber wenn dich deine Eltern als Kind verkauft haben, kann ich zumindest verstehen, warum du anders lebst als die Shoanti. Wie können Eltern nur ihr Kind verkaufen, so, wie man eine Ziege verkauft!" Bei diesem Gedanken schauderte Ancrym. "Das war unehrenhaft, genauso unehrenhaft wie mein Vater!"

Ancrym dachte an die Zeit zurück, als er aus dem Stamm verbannt wurde, und dann erzählte er Mestrard von den schändlichen Taten seines Vaters und wie er selbst dafür ausgestossen wurde. "Ich weiß nicht, an wen oder was ich glauben soll, ich kann nur noch versuchen, ein ehrenvolles Leben zu führen", meinte Ancrym abschließend.
E.T. nach Hause telefonieren!

Mestrard

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[IC] Gespräche
« Antwort #17 am: 02.10.2007, 21:41:46 »
Mestrard hatte von Anfang bis Ende gebannt gelauscht. Die Geschehnisse mussten  Ancrym und sein Weltbild bis ins Mark erschüttert haben. Ein Wunder, dass er noch so stolz und ungebrochen ist. Nun sehe ich auch, warum er mich nicht verstehen konnte. Immerhin hat meine Erzählung ihn dazu bewegt, von sich zu erzählen und sehr viel von sich preiszugeben.
Einen Moment lang überlegte Mestrard, es dabei zu belassen, verwarf den Gedanken jedoch wieder..

"Ich glaube, ich kann Dich verstehen." Er lächelte Ancrym an. "Und ich danke Dir für Deine Offenheit. Deshalb will ich zu Dir genauso offen sein. Ich sehe die Taten meiner Eltern nicht als schändlich an und hadere nicht mit Ihnen, weil sie mich weggaben. Das ist schwer zu erklären, das weiß ich. Ich betrachte dieses Ereignis als Schicksal, als Willen Pharasmas. Meine Eltern litten Not - das war ihr Schicksal und sie mussten eine Wahl treffen. Hungern oder ihren Sohn weggeben. Mir war dadurch das Schicksal bestimmt, zu Targuan zu kommen und Priester zu werden. So führen traurige, böse oder schändliche Ereignisse oft zum Guten und umgekehrt. Hätten meine Eltern für mich gehungert, was wäre dann aus mir geworden? Ich kann es nicht sagen. Vielleicht wären wir zusammen gestorben."

Mestrard erläuterte daraufhin in möglichst einfachen Worten und mit vielen Beispielen einige Grundzüge der  Philosophie Pharsamas: die Idee des Schicksals; die Notwendigkeit, das eigene Schicksal zu akzeptieren und gleichzeitig das Beste daraus zu machen; die Idee des Gleichgewichts von gut und böse;  den Kreislauf von Geburt und Sterben...

"Auch Du machst aus Deinem Schicksal das Beste, so schlimm und grausam es Dir auch erscheint. Du versuchst nicht nur ein ehrenvolles Leben zu führen, Du lebst ehrenvoll", sprach Mestrard mit fester Stimme, wurde dann jedoch zunehmend leiser. "Ich will Dich nicht von meinem Glauben überzeugen. Mir ist jedoch wichtig, dass Du ihn siehst und versuchst zu verstehen, dass ich solche Wendungen - so grausam und ungerecht sie sein mögen - aufgrund meines Glaubens anders sehe als Du."
Mestrard wurde innerlich unsicher als er diese Worte aus seinem eigenen Mund hörte. Vermutlich begriff Ancrym nicht, welche Achtung er damit vor ihm ausdrückte. Anschließend wurde seine Stimme wieder fester und er blickte Ancrym direkt an: "Ich freue mich, dass wir so offen sprechen können und würde gern Dein Shoanti-Bruder bleiben, Dein Freund werden. Auch wenn wir unsere Lebensführung und unsere Beweggründe nicht immer verstehen oder teilen können". Mit einem leichten Grinsen fügte er hinzu: "Wer oder was die Götter sind, kann ich Dir gerne ein anderes Mal erklären".  
Dann hob Mestrard seinen Humpen und prostete dem Krieger zu.
Das menschliche Herz hat eine fatale Neigung, nur etwas Niederschmetterndes Schicksal zu nennen.

Ancrym

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[IC] Gespräche
« Antwort #18 am: 03.10.2007, 12:10:07 »
"Ich muß zugeben, es fällt mir schwer zu verstehen, wie du deinen Eltern verzeihen kannst, sie hätten ja auch mit dir zu ihrem Stamm zurückkehren können. Aber vieleicht ist es für jemand, der nur in der Stadt gelebt hat, genauso schwer, sich vorzustellen, ein freies, aber hartes und gefährliches Leben in der Wildnis zu leben, wie umgekehrt", antwortete Ancrym nachdenklich. "Vieleicht mußt du mir wirklich mehr über deinen Glauben und deine Götter erzählen, damit ich dich verstehe. Natürlich nur, wenn du willst."

Das alles war neu und verwirrend für Ancrym, bis vor kurzem hätte er es nie für möglich gehalten, daß ein Mensch ein solches Schicksal erleiden und auch noch dankbar? dafür sein könnte.

"Naja, was mich betrifft: die einzige Art zu leben, die ich kenne, ist die Art der Shoanti. Wie sollte ich sonst leben, wenn nicht aufrichtig und stolz?" Ancrym zuckte mit seinen Schultern, daß Mestrard von diesem Punkt soviel Aufsehen machte, konnte der Jäger ebenfalls nicht ganz verstehen, was sollte er denn sonst machen?

Dann blickte Ancrym auf und Mestrard in die Augen, seine Stimme wurde ernst und feierlich. "Meine Waffen sind deine Waffen, und meine Beute ist auch deine Beute. Deine Feinde will ich töten und deine Freunde ehren und verteidigen", spracht Ancrym die rituelle Formel der Shoanti für das Schließen einer Freundschaft und hielt dabei, wie es die Tradition wollte, Mestrard seinen Dolch mit dem Griff voran hin, ohne darüber nachzudenken, ob diese Geste dem Priester gegenüber angebracht war, zu sehr war Ancrym in der Tradtion der Shoanti aufgewachsen.
E.T. nach Hause telefonieren!

Mestrard

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[IC] Gespräche
« Antwort #19 am: 03.10.2007, 13:33:56 »
Mestrard war gleichermaßen überrascht wie erfreut über die feierliche Geste. Der Dolch als Waffe Pharasmas hatte für ihn eine noch tiefere Bedeutung als bloß Teil des Rituals der Freundschaft zu sein.
Er nahm den dargebotenen Dolch an und steckte ihn ein. Dann zog er seinen eigenen, mit dem Symbol Pharasmas verzierten Dolche aus dem Gürtel, bot ihn Ancrym dar und wiederholte ernst die Formel: "Meine Waffen sind deine Waffen, und meine Beute ist auch deine Beute. Deine Feinde will ich töten und deine Freunde ehren und verteidigen".

Nun trägt er das Zeichen der Göttin.  Innerlich musste Mestrard lächeln als Ancrym den Dolch nahm.
Nach einem Moment des gemeinsamen Schweigens berichtete er seinem Freund von der inneren Unruhe, die ihn in letzter Zeit immer wieder überfiel, seinen merkwürdigen Träumen und seiner Vorahnung, dass bald etwas geschehen würde.

Die neu geschlossene Freundschaft gab Mestrard wieder etwas mehr von seiner inneren Ruhe wieder und er widmete sich wieder mit aller Kraft den letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der Kathedrale. Es waren ja nur noch ein paar Tage Zeit. Das Gespräch über den Glauben  hatten sie zunächst verschoben, da der Trubel der Vorbereitungen beide - auf höchst unterschiedliche Weise - auf Trab hielt.
Dennoch musste Mestrard immer unwillkürlich in sich hineinlächeln, wenn er den Dolch mit Pharasmas Kometen am Gürtel des Deputys sah.
Das menschliche Herz hat eine fatale Neigung, nur etwas Niederschmetterndes Schicksal zu nennen.

Ancrym

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[IC] Gespräche
« Antwort #20 am: 03.10.2007, 14:39:01 »
Ancrym fühlte sich geehrt, als Mestrard sein Freundschaftsangebot annahm. Der Dolch, den ihm der Priester im Austausch für seinen gab, war kunstvoller als seiner und mit einem Symbol versehen, welches Ancrym auch schon an Mestrard gesehen hatte und welches das Symbol des Gottes von estrard war, wie der Priester Ancrym einmal erklärt hatte..

In den nächsten Tagen sahen die beiden sich weniger, da sie beide in die Vorbereitungen für das große Fest eingebunden waren.
E.T. nach Hause telefonieren!