"Was für ein Bericht? Von Bruder Valery? Den habe ich schon lange nicht mehr gesehen, vielleicht ist ihm etwas zugestoßen?"
Das Gesicht des Monachen war von Sorge erfüllt.
"Ich sollte euch am Besten direkt zu Ab Theodor bringen.", verkündete der Monach dann und setzte sich sofort in Bewegung.
Der DIener Raphaels führte euch durch die weitläufigen Gänge des Spitals. Allesamt weiß getüncht und mit weißen Fliesen ausgelegt, bildeten die herrlichen Zeichnungen und Bilder an den Wänden einen schönen, stimmigen Kontrast. In den Gängen wuselten die Klosterbewohner umher. Viele hatten - wie Ilael erkennen konnte - das Zeichen der Menser auf ihren Roben, der Untergruppe der Heilenden Hände, die sich der Heilung des Geistes mit Hilfe diversester Tabletten, Pillen und Pülverchen verschrieben hatten. Es schien sich hier also um ein Menser-Kloster zu handeln, worauf auch die großen Beete für Heilpflanzen hindeuteten, die man durch die großen Fenster der Flure sehen konnte. Nach einer Weile blieb der Monach vor einer reich verzierten Tür stehen, an die er kurz anklopfte, bevor er sie öffnete. Hinter der Tür verbarg sich wohl das Arbeitszimmer des Abs des Spitals. Allerdings war es kaum das, was man von einem solch hochgestellten Würdenträger erwarten würde: Kreuz und quer verstreut lagen Papiere mit unverständlichen Piktogrammen, die Ilael jedoch als die Raphaelitische Ikons-"Schrift" erkennen konnte, mit der die Heilenden Hände ihre Arzeimittelrezepte für die Nachwelt festhielten, ohne gegen das göttliche Gebot der Schriftlosigkeit zu verstoßen und sich damit schwer zu versündigen. An einer langen Wand stand ein geradezu riesiger Schrank mit unzähligen Schubladen, von denen manche offenstanden. In fast jeder Ecke standen Tische, auf denen wild verstreut und ohne erkennbares System kleine Papierstücke lagen, auf denen einzelne Zutaten für Arzneimittel aufgehäuft waren. Hier ein Häufchen glitzerndes, weißes Pulver, dort ein paar Beeren, auf einem anderen Papier zwei kleine Steinchen. Mitten in diesem Chaos stand Ab Theodor an einem Tisch und war gerade mit einer goldenen Waage und ebenso goldenen kleinen Gewichten solche Zutaten am Abwiegen. Auf dem Tisch standen ebenfalls noch ein Mörser, eine Retorte, ein Kalzinierofen und unzählige klein Gläser, Fläschchen und Tiegelchen- kurz, alles, was man zum Herstellen von Medikamenten brauchte.
Als der Monach zusammen mit euch eintrat, blickte der Ab wie gebannt auf ein Glas mit einer violetten Flüssigkeit, in das er gerade eine Prise irgendeines weißen Pulvers streute. Sofort entwickelte sich ein bläulich-lilaner Rauch - anscheinend zur Unzufriedenheit des Abs, wie sein Gesichtsausdruck deutlich verriet. Er seufzte tief und wandte sich dann zu euch um.
"Ah, Guillaume, wen hast du mir denn da mitgebracht? Seid gegrüßt, Engel. Was kann ein bescheidener Diener des Herrn für euch tun?"
Die Bescheidenheit, die der Ab im letzten Satz äußerte, wirkte nicht im Geringsten aufgesetzt, sondern tief verinnerlicht, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass der Ab keineswegs die aufwändigen Prunkgewänder trug, die andere Äbte bevorzugten.