Eine Weile später hat man sich durch die Straßen von Neu-Phlan bis zum Zentrum vorgearbeitet. Das Bild, welches sich vom Hafen aus bot, bestätigt sich immer mehr. Die Gebäude sind ziemlich dicht aneinandergebaut, schließlich muss man derzeit noch mit dem geringen Platz vorlieb nehmen, welcher damals einmal das Hafenviertel von Phlan war. Auf ordentlich gepflasterten Straßen, welche sich zwischen den Häusern in Richtung des Zentrums winden, klappern die Pferdehufe in gleichmäßigem Takt.
Überall ist geschäftiges Treiben, Menschen laufen umher, Handwerker bauen oder bessern aus, Soldaten patroullieren durch die Straßen. Die schwerbewachte Mauer ist noch gewaltiger je näher man ihr kommt. Die hohen Wachtürme überragen alle anderen Gebäude von Neu-Phlan. Die riesige Mauer erweckt den Eindruck als könne sie allem standhalten, was sich auch immer auf der anderern Seite befinden mag. Welche Gefahren mögen wohl hinter ihr lauern?
Mit der Ankunft vor der Ratshalle, werden die Gedanken abrupt unterbrochen. Auch dieses Gebäude strahlt eine gewisse Imposanz aus, wenngleich sie nicht von diesen Mysterien umwittert wird, wie die große Mauer. Doch auch hier würden sich wichtige Dinge abspielen, welche über das Schicksal der Region und den Fortbestand von Neu-Phlan entscheiden sollten.
Entschlossen folgen die Reisenden Baran ins Innere des Gebäudes, während sich die Wagenlenker draussen um die Pferde und die Wagen kümmern. An der Eingangstür hängen einige Blätter, welche bei einem kurzen Blick offenbar verschieden Aufträge beschreiben, welche derzeit von der Stadt ausgeschrieben sind. Die Wachen vor dem Eingang nicken euch höflich zu, nachdem Baran ihnen ein Schreiben vorgelegt hat, welches offensichtlich seine Berechtigung in die Ratskammer vorzudringen bestätigt.
In einem kleinen Empfangszimmer direkt hinter der Eingangstür muss Baran erneut sein Schreiben vorzeigen und die Gruppe wird schließlich durch einen breiten Korridor und ein Doppelportal in eine große Halle geführt. Der saalartige Raum ist an den Wänden mit Teppichen, welche Szenen aus der Vergangenheit Phlans darstellen, sowie alten Schilden und Waffen geschmückt, die vielleicht Überbleibsel von der Schlacht sein könnten, in der Phlan unterging.
Vier Personen befinden sich ausser zwei Wachen, die links und rechts vom Eingang postiert sind, in der Halle. Ein mittelalter Mann mit kantigen Gesichtszügen und kurzen bräunlichen Haaren, dem man seine Kriegerlaufbahn durchaus ansieht, allem Anschein nach auch eine Führungspersönlichkeit, steht neben einem älterlichen Mann mit kahlem Haupt, welcher die Ankömmlinge misstrausch mustert. Der ältere trägt typische Händlerkleidung aus besten Seidenstoffen und mit Pelzabsätzen veredelt, während der andere Mann in etwas schlichteres, aber gut gepflegtes und teilweise auch verziertes Leder gekleidet ist. Ein jüngerer Mann mit langen schwarzen Haaren, der einen recht aufgeweckten Eindruck macht und ebenso wohlhabend, wenn auch nicht so pompös, gekleidet ist, schlendert im hinteren Teil der Halle umher, wo sich auch ein in priesterliche Gewänder gehüllter vierter Mann aufhält, dessen grauer Haarschopf ebenfalls schon auf ein fortgeschrittenes Alter schließen lassen. Die reichverzierten, purpurnen Roben zeigen das Symbol Tyrs, welches auch schon der Paladin am Hafen auf seinem Schild trug.
“Ahhh... Herr Baran.” Der ältere Mann mit dem kahlen Haupt reibt sich die Hände, während ein hintergründiges Grinsen über sein Gesicht huscht. “Es ist uns eine Freude, euch wiederzusehen. Was bringt ihr uns denn diesmal schönes?”
Der Mann neben ihm mustert unterdessen Baran's Begleiter eingehend. Es scheint ihm zu gefallen, was sein prüfender Blick bei den jungen Reisenden sieht, was man von seiner Mimik her erkennen kann.
Der Priester hält sich weiterhin im Hintergrund, doch auch der jüngere Mann tritt nun heran, um die Neuankömmlinge zu begutachten.
“Ich habe vor allem Lebensmittel, Werkzeuge und Baumaterialien geladen, welche dem Rat sicher von großem Nutzen sein werden,” antwortet Baran.
“Nun, warum stellt ihr uns eure Begleiter denn nicht vor? So wie ich euch einschätze, habt ihr sie ja nicht ohne Grund mitgenommen,” sagt der jüngere Mann lächelnd, während er die sechs Reisenden nacheinander anblickt, und sogleich fortfährt, ihnen die vier Ratsmitglieder vorzustellen.
“Aber lasst mich doch beginnen. Der werte Herr, mit dem Baran gerade spricht, das ist Ulrich Eberhard, das Oberhaupt des Rates von Neu-Phlan. Neben ihm steht Werner von Urslingen, dort hinten der Bischof Braccio und meine Wenigkeit, Porphyrys Cadorna, zu euren Diensten.” Nach einer höflichen Verneigung wartet er ersteinmal ab.
Baran selbst scheint noch im Gespräch mit Ulrich Eberhard vertieft und hat wohl nur mit einem Ohr hingehört. Jedenfalls antwortet er nicht.